ISSN 0940-3256 Juli 2009

Inhalt – Contents

Gerstberger, P.: Einleitung und Ausblick: Symposium „Grenzüberschreitender Biotopver bund für Raufußhühner in der Euregio Egrensis“ – Introduction to the Symposium and outlook for „A cross- border alliance to promote biotopes for grouse in the Euregio Egrensis region” ...... 3 ORNITHOLOGISCHER

Originalarbeiten – Original articles Seißer, P.: Das Auerhuhn als Leitart des Naturparks Fichtelgebirge – Regionalpolitik und Naturschutz – The Capercaillie as key stone species of the nature park ‘Fichtelgebirge’ – Regional politics and Nature Conservation...... 7 Freiherr von Gemmingen-Hornberg, E.: Naturschutz im Privatwald – Nature conservation in private pro- perty forests...... 10 Hertel, M.: Auerhühner Tetrao urogallus im Fichtelgebirge – Anmerkungen eines Försters – Capercaillies Anzeiger Tetrao urogallus in the Fichtelgebirge mountains – remarks from a forester...... 13 Scherzinger, W.: Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns Tetrao urogallus – The fundamental niche of the Capercaillie Tetrao urogallus ...... 19 Reger, N.: Zur Moorentwicklung im Steinwald – On the development of the bogs in the Steinwald ...... 33 Raufußhühner Laube, J.: Die Revitalisierung der Moore im Steinwald – On the restoration of bogs in the Steinwald ...... 36 Gerstberger, P. und Spitznagel, A.: Grenzüberschreitender Biotopverbund für Raufußhühner in der ‚Euregio Egrensis’ – Cross border connectivity of grouse habitats in the `Euregio Egrensis´ ...... 43 Unger, Ch. & S. Klaus: Lebenserwartung und Verlustursachen umgesiedelter Auerhühner Tetrao uro- gallus in Thüringen – Life expectancy and causes of death of relocated Capercail lies Tetrao urogallus in Thuringia ...... 50 Müller, F.: Prädationseinfluss und Feindvermeidungsstrategien beim Auerhuhn – Influence of predation and predator-avoidance strategies in the Capercaillie...... 56 Multerer, A.: Das Schutzkonzept „Auerhuhn im Bayerischen Wald“ – The conservation concept “Caper- cail lies in the Bavarian Forest“ ...... 60 Leitl, R.: Natura 2000 – Umsetzung in bayerischen Vogelschutzgebieten (SPA) im Wald – Natura 2000

– Practical implementation in Special Protected Areas (SPA) in forests ...... 67 ANZEIGER, Band 48 Heft 1 ORNITHOLOGISCHER Leitl, R.: Methodik zur Erfassung und Bewertung des Auerhuhns in SPA-Gebieten – Beispiel haft dargestellt für das SPA-Gebiet 6844-471 „Großer und Kleiner Arber mit Schwarzeck“ – A method for the census and evaluation of Capercaillie populations in Special Protected Areas, as exemplified by the SPA “Großer und Kleiner Arber mit Schwarzeck” ...... 71 Lieser, M.: Grundlagenforschung und waldbauliche Empfehlungen zum Schutz des Auerhuhns im Schwarzwald – Basic scientific research and recommendation guidelines for the protection of the Capercaillie in the Black Forest ...... 80 Klaus, S., H. Hoffmann & Prinz Reuß Heinrich XII: Haselhuhn Bonasa bonasia – Wiederansiedlung im Thüringer Frankenwald – Hazel Grouse Bonasa bonasia – reintroduction in the Thuringian Frankenwald () ...... 83 Hofmeister, M.: Ergebnisse der Haselhuhnbestandserfassung im Landkreis Regen 2007 (ohne Nationalpark Bayerischer Wald) – Results of a Questioning Census of Hazel Grouse in the county of Regen 2007 (without the National Park ‘Bavarian Forest’) ...... 88 OG persönlich ...... 92 Schriftenschau ...... 93 Nachrichten ...... 96

Band Heft 1

Ornithologische Gesellschaft in Bayern e. V. 48. ORNITHOLOGISCHE GESELLSCHAFT IN BAYERN e.V. (gegr. 1897) Ornithologischer Anzeiger Manuskript-Richtlinien – Instructions for authors

Redaktion Der Ornithologische Anzeiger veröffentlicht Beiträge aus dem Gesamtbereich der Ornithologie. Bevorzugt Schriftleiter: Robert Pfeifer, Dilchertstr. 8, D-95444 , Germany werden faunistische Langzeituntersuchungen, Arbeiten zu Ökologie, Brutbiologie, Morphologie, Biogeo - Tel. +49-(0)921/515278, E-Mail: [email protected] graphie, Systematik und Verhalten von Vögeln, außerdem Grundlagenarbeiten für den Naturschutz. Grafik: Dietmar E. Seiler, München Neben Originalarbeiten sind auch Übersichtsarbeiten (reviews) sehr erwünscht. Originalarbeiten Englische Bearbeitung: Jonathan Guest, Kronach sollten unveröffentlichte Ergebnisse eigener Untersuchungen enthalten, Übersichtsarbeiten ein Thema unter umfassender Literaturauswertung kritisch referieren. The Journal is covered by BioSciences Information Service of Biological Abstracts Außerdem besteht die Möglichkeit zur Veröffentlichung von Kurzen Mitteilungen. Sie dienen der raschen Information über neue Erkenntnisse von überregionaler Bedeutung. Faunistische Einzelbeob- ISSN 0940-3256 achtungen sind hierfür in der Regel nicht geeignet. Möglich ist auch der Abdruck von sachlichen Diskussionsbeiträgen über vorangegangene Arbeiten Copyright © 2009 by Ornithologische Gesellschaft in Bayern e.V., München im Ornithol. Anz. Die Entscheidung über ihre Veröffentlichung liegt allein beim Schriftleiter. Printed in Germany – Alle Rechte vorbehalten – All rights reserved Diskussionsbeiträge werden immer dem Autor zur Stellungnahme vorgelegt. Diskussionsbeitrag und No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any Stellungnahme erscheinen gleichzeitig. means, electronic, mechanical, photocopying or otherwise, without the prior permission of the copyright owner. Manuskripte sind in deutscher oder englischer Sprache abzufassen. Als Richtschnur für die Textgestaltung dienen die ab Bd. 45 erschienenen Arbeiten. Englische Arbeiten erhalten eine ausführliche deutsche Zusammenfassung am Anfang der Arbeit; deutschsprachige an dieser Stelle ein englisches Summary. Diese Ornithologische Gesellschaft in Bayern e.V. (gegr. 1897) Zusammenfassungen sind so abzufassen, dass auch ein jeweils anderssprachiger Leser den Kern der Arbeit erfassen kann. Im Anschluss an das Summary sind maximal 5 aussagekräftige Key words anzufügen. Zoologische Staatssammlung, Münchhausenstr. 21, D-81247 München Auf bekannte Methodik ist lediglich zu verweisen. Neue Methodik ist so genau zu beschreiben, E-Mail: [email protected] – Internet: www.og-bayern.de dass auch andere sie anwenden und beurteilen können. Von Protokollen können grundsätzlich nur einzel- VR Bank Nürnberg, Kto.-Nr. 2905060 (BLZ 760 606 18) ne als Beispiel angeführt werden. Alle Aussagen sind zu belegen und – wenn möglich und sinnvoll – statistisch zu prüfen. Vorstandschaft Abkürzungen sind nur zulässig, soweit sie normiert oder im Text erläutert sind. Anstelle der Symbole für Männchen oder Weibchen sind bzw. (mit Größer- bzw. Kleinerzeichen) im Fließtext und Vorsitzender: Manfred Siering, Gereutplatz 1, D-82031 Grünwald Legenden (nicht in Tabellen) zu schreiben. Die Zeichen werden dann durch die Symbole ersetzt. (Tel. +49-(0)89/6253359, E-Mail: [email protected]) Literaturverzeichnis: Die zitierten Arbeiten werden in alphabetischer Reihenfolge, von demselben Stellvertretender Vorsitzender: Klaus-Volker Rachl, Falkenweg 3, D-85395 Attenkirchen-Thalham Autor in chronologischer Reihenfolge und von demselben Autor in demselben Erscheinungsjahr mit (Tel. +49-(0)8168/963143, E-Mail: [email protected]) Kleinbuchstaben hinter der Jahreszahl gekennzeichnet aufgeführt. Das Zitat enthält Name des Autors, Generalsekretär: Robert Pfeifer, Dilchertstr. 8, D-95444 Bayreuth (E-Mail: [email protected]) abgekürzter Vorname, Erscheinungsjahr, Titel der Arbeit, abgekürzter Zeitschriftentitel, Band, erste und Schriftführer: Dr. Helmut Rennau, Landskroner Weg 15, 85737 Ismaning letzte Seitenzahl der Arbeit und bei Büchern Verlag und Erscheinungsort. Alle Autorennamen sind in (Tel. +49-(0)89/967272, E-Mail: [email protected]) Normalschrift, nicht in Kapitälchen oder Großbuchstaben zu schreiben. Schatzmeister: Jürgen Weckerle, Langbehnstr. 10a, D-80689 München In Abbildungen oder Tabellen dargestelltes Material wird im Text nur erörtert. Diagramme sind so (Tel. +49-(0)89/707752, E-Mail: [email protected]) einfach wie möglich zu halten. Dreidimensionale Darstellungen sind nur dann zulässig, wenn mit jeder Dimension eine Information verbunden ist. Die Größe der Beschriftungen muss eine starke Verkleinerung der Abbildungen erlauben, Maßstäbe sind durch eingezeichnete Skalen darzustellen. Auf eine einheitliche Beirat Gestaltung der Abbildungen innerhalb der Arbeit ist zu achten. Die Abbildungsunterschriften sind in Prof. Dr. Roland Brandl, Weikenreuth deutscher und englischer Sprache auf einem gesonderten Blatt einzureichen. Wolfgang Dornberger, Niederstetten Tabellen sollen Datenmaterial platzsparend präsentieren und sind knapp zu bemessen. Sie werden Hans-J. Fünfstück, Garmisch-Partenkirchen ebenfalls auf gesonderten Blättern mit den darüber stehenden Tabellenüberschriften in Deutsch und Siegmar Hartlaub, Niedernberg Englisch eingereicht. Mit der Arbeit ist ein kurzes Autorenporträt mit Angaben zu Geburtsjahrgang, Beruf Dr. Jochen Hölzinger, Remseck und Schwerpunkten der ornithologischen Tätigkeit von max. 200 Zeichen (inkl. Leerzeichen) und ein digi- Dr. Manfred Kraus, Nürnberg tales Foto des Autors einzureichen. Dr. Franz Leibl, Parkstetten Der Druck von Farbtafeln ist nur möglich, wenn der Autor dazu einen Kostenbeitrag leistet. Über einen Dr. Christian Magerl, Freising möglichen Druckkostenzuschuss entscheidet im Einzelfall auf Antrag der Vorstand. Dr. Jörg Müller, Grafenau Manuskripteinreichung: Die Ersteinsendung des Textes erfolgt zweizeilig als einseitig bedruckte Georg Schlapp, Oberschleißheim Kopie oder Computerausdruck in zweifacher Ausfertigung. Abbildungen als Kopie in der für den Druck Dr. Hermann Stickroth, Augsburg gewünschten Verkleinerung. Nach dem Annahmebescheid und der Einarbeitung eventueller redaktioneller Dr. Hans Utschick, Schweitenkirchen Änderungen wird die Endfassung als Ausdruck und Datei eingereicht. Abgelehnte Manuskripte werden Armin Vidal, Regensburg nicht mehr zurückgesandt. Prof. Dr. Volker Zahner, Tünzhausen Alle Manuskripte werden grundsätzlich von mindestens einem Gutachter geprüft. Eine Bewertung von Vorentwürfen oder unfertigen Manuskripten durch den Schriftleiter erfolgt nicht. Bibliothek In den Korrekturabzügen ist i.d.R. nur die Korrektur reiner Satzfehler möglich. Umfangreichere Korrekturen gehen zu Lasten des Autors. Zoologische Staatssammlung, Münchhausenstr. 21, D-81247 München, Leitung: Dr. Juliane Diller Mit der Einreichung des Manuskriptes ist vom Autor schriftlich zu erklären, dass die Arbeit bisher noch an (Tel. 089/8107-161, E-Mail: [email protected]) keiner anderen Stelle zur Veröffentlichung eingereicht ist. Es ist weiterhin zu erklären, dass bei allen Arbeiten die geltenden Natur-, Arten- und Tierschutzgesetze und -verordnungen berücksichtigt Printed in Germany wurden. Ellwanger Bayreuth Raufuß- hühner

Schutz und Habitatoptimierung für Auer- und Haselhuhn Fotos: Christoph Moning Ergebnisse eines Workshops in Friedenfels im Steinwald (Bayern) vom 8.-9. November 2007 Redaktion dieses Heftes Dr. Pedro Gerstberger Robert Pfeifer Universität Bayreuth Ornithologische Gesellschaft in Bayern e.V. Lehrstuhl für Pflanzenökologie Dilchertstr. 8, 95444 Bayreuth Universitätsstr. 30, 95440 Bayreuth E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Gefördert durch:

Europäische Union Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL)

Oberfrankenstiftung

Naturpark Fichtelgebirge

Stiftung Ornithologie und Naturschutz, Melle

Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) Naturpark Steinwald

Anmerkung der Schriftleitung: Das vorliegende Heft gibt die Vorträge eines Workshops wieder und enthält auch nicht-ornithologische Beiträge und persönliche Statements. Die Meinung der Autoren entspricht nicht zwingend der von Herausgeber und Redaktion. R. Pfeifer ORNITHOLOGISCHER ANZEIGER

Zeitschrift bayerischer und baden-württembergischer Ornithologen

Band 48 – Heft 1 Juli 2009

Ornithol. Anz., 48: 3–6

Einleitung und Ausblick: Symposium „Grenzüberschreitender Biotopverbund für Raufußhühner in der Euregio Egrensis“1

Pedro Gerstberger

Introduction to the Symposium and outlook for „A cross-border alliance to promote biotopes for grouse in the Euregio Egrensis region” Dr. Pedro Gerstberger, Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Pflanzenökologie, Postfach 10 12 51, 95440 Bayreuth, E-Mail: [email protected]

Zum Abschluss des dreijährigen Schutzprojekts wurde. Zusammenfassende Symposien zum „Grenzüberschreitender Biotopverbund für Schutz und zur Situation des Birkhuhns wurden Raufußhühner in der Euregio Egrensis“1 an der gesondert veranstaltet (Dietzen 1993, NNA Universität Bayreuth fand vom 8. bis 9. 2008). November 2007 in Friedenfels – am Ort des Ver- Zusammenfassend lässt sich für das Auer- waltungs zentrums des Naturparks Stein wald huhn konstatieren, dass die Habitatansprüche im Fichtelgebirge – ein zweitägiges Sympo sium (siehe Scherzinger, Seiten 19–32 in diesem Heft), statt. Die Zusammenfassungen der dort gehalte- die Gefahren und Verluste durch Prädatoren nen Vorträ ge werden im vorliegenden Themen- (Müller, Seiten 56–59; Unger und Klaus, Seiten heft publi ziert. 50–55), durch Kulturzäunungen, durch Aus - Zu den 13 Referat-Texten kamen noch drei dunkelung ehemals lichter Wälder (Lieser, weitere Manuskripte hinzu, die insgesamt den Seiten 80–82), etc. mittlerweile sehr gut bekannt ge gen wärtigen Stand der Schutzbemühun gen sind. Trotz dieser Kenntnis gehen die Auer - für diese seltenen und hochgradig bedrohten huhn-Bestände in den meisten mitteleuropäi- Hühner vögel in Mitteleuropa aufzeigen. schen Gebieten mehr oder weniger stetig zu - Schwerpunkt bildete das Auerhuhn, zwei Auf- rück, weil diese Erkenntnisse offenbar noch sätze befassen sich mit dem äußerst heimlichen nicht energisch genug in einen ganzheitlichen und wenig bekannten Haselhuhn, während das Schutz mit entsprechenden Hege maßnahmen im östlichen Nordbayern vor wenigen Jahrzehn- umgesetzt werden. Auch die Vogelschutz-Richt- ten ausgestorbene Birkhuhn nicht behandelt linie oder die Ausweisung von FFH-Gebieten

1 Mit der „Euregio Egrensis“ ist der zentraleuropäische Raum von Nordbayern, dem südlichen Sachsen und nordwestlichen Teilen der Tschechischen Republik benannt, mit der tschechischen Stadt Cheb (deutsch: Eger) im Zentrum der Region. 4 Ornithol. Anz., 48, 2009

Waldkiefer (und lokal im Fichtelgebirge und Schwarzwald zusätzlich die Spirke Pinus rotun- data) angepasst ist. Besondere Beachtung ge - winnt die Waldkiefer wieder in Zeiten einer langsamen Klimaerwärmung: Als sehr anpas- sungsfähig sollte sie – die „vergessene Baum - art“ – wieder stärker gefördert werden, wenn, wie zu befürchten ist, die großflächigen, anthro- pogenen Fichtenreinbestände der nordostbaye- rischen Mittelgebirge an Stabilität verlieren (Bor kenkäfer, Trockenstress, Sturmereignisse). Die Bayerischen Staatsforsten und Privatwald - besitzer sollten daher vermehrt die Waldkiefer wieder in ihren Bestockungsplänen berücksich- tigen. Es ist rasches Handeln angesagt, da die Borkenkäferschäden an der großflächig verbrei- teten Fichte derzeit auf kritischem Niveau ver- harren und die Gefahr besteht, dass sie bei wei- ter zunehmendem klimatischem Stress explo- dieren. Die Empfehlung sollte daher lauten, nicht nur Laubholzarten in Fichtenbestände ein- zubringen, sondern vermehrt auch die Wald - kiefer (Faltl & Möges 2007). Für die nordost- bayerischen Mittelgebirge bietet sich hier die durchaus bekannte, forstwirtschaftlich wertvol- le Provenienz der Selb-Wunsiedler Höhenkiefer Abb. 1. Haselhahn Bonasa bonasia, Pfaffenwald an, die in diesem Raum als angepasste Kie- bei Marktleuthen (Fichtelgebirge) – Male Hazel fernvarietät mit hervorragenden Wuchseigen- Grouse Bonasa bonasia, Pfaffenwald near schaf ten gilt. Darüber hinaus sollten alle noch Marktleuthen (Fichtelgebirge mountains). vorhandenen Kiefernbestände in Hochlagen Foto: Heinz Spath geschont und durch Herausnahme von Fichten waldbaulich gefördert werden (beispielsweise haben bisher nicht zur deutlichen Verbesserung auf den Phyllit-Standorten des Fichtelgebirgs- der prekären Lage dieser Vogelarten beitragen randes). Das waldbauliche Ziel, vitale Kiefern- können. Vieles spricht dafür, dass die forstwirt- Mischbestände mit hohen Anteilen an Starkholz schaftliche Nutzung, verbunden mit klimatisch- zu produzieren, entspricht auch den Anforde - vegetationskundlichen Effekten (z. B. Änderung rungen eines auerhuhngerechten Lebensrau - der Krautschicht: Beersträucher Vaccinium ver- mes. Kiefernpflege und Lichterstellung der vor- schwinden zugunsten von Reitgras Calamagros - handenen Forste ist daher angewandter Auer- tis villosa) in den Rückzugsgebieten schleichend huhnschutz! pessimale Be dingungen schafft. Wenn dem Waldschutz-Zäunungen sind zukünftig nur nicht aktiv gegengesteuert wird, ist mit einem auf Einzelbaumschutz zu beschränken. Noch Aussterben der heute nur noch reliktisch ver- bestehende Maschendrahtzäune in Auerhuhn- breiteten Metapo pulationen Mitteleuropas in gebie ten müssen unverzüglich beseitigt, oder – den nächsten Jahr zehnten zu rechnen. wenn dringend erforderlich – dauerhaft ver- Die immer noch überwiegenden monoto- blendet oder als Hordengatter angelegt bzw. nen, struk turarmen Altersklassenbestände nicht um ge wandelt werden, da sie vielerorts zur Aus - standortheimischer Baumarten (vor allem Fich- löschung von Reliktpopulationen des Auer- te) in den vielen Mittelgebirgswäldern bieten huhns mit beigetragen haben (Müller 2002). nur ein suboptimales Habitat (Scherzinger, Sei- Bisher noch wenig untersucht ist der Ein- ten 19–32) für das anspruchsvolle Auerhuhn, fluss von Wurzeltellern umgestürzter oder das, wie im Aufsatz von Manfred Lieser (Seite sturmge worfener Bäume für die Habitatnut - 80) zu lesen ist, offenbar besonders gut an die zung durch Raufußhühner. An Wurzeltellern Pedro Gerstberger: Symposium „Grenzüberschreitender Biotopverbund für Raufußhühner in der Euregio Egrensis“ 5 können die Tiere Gritsteinchen aufnehmen für während verbliebene Altholzinseln hingegen die Verdau ung der harten Winternahrung (Kie - unbedingt geschont blei ben sollten. fern- und Fichtennadeln); sie benutzen Wurzel - Neuere Entwicklungen in der Forstwirt- teller als Sandbadeplätze sowie als Aussichts - schaft (Vollerntung durch Harvester) mit regel- punkte, um Prädatoren von erhöhter Warte aus mäßig angeordneten, geraden Rückegassen be- früher er kennen zu können (Müller, Seiten 56 – günstigten Prädatoren, insbesondere den An - 59) und nicht selten brüten Auerhennen am griff des Habichts. Vollernter sollten daher nach Grund von umgestürzten Bäumen im Bereich Mög lich keit gewundene Gassen wählen, um des Deckung schaffenden Wurzeltellers. Auch diese Bedrohung möglichst gering zu halten für viele andere Tierarten (Wildkatze, Luchs, (Müller, Seite 56–59). Kleinvögel, Reptilien, Amphibien und zahlrei- Der mittlerweile bis in die höheren Mittelge - che Insekten) sind aufrechte Wurzelteller eine birgslagen verbreitete Anbau von Mais auf wichtige Habitatstruktur, die in allen landwirtschaftlichen Flächen (und als soge- Naturwäldern sehr verbreitet, in forstwirt- nannte Bioenergie-Pflanze auf ehemals artenrei- schaftlich genutzten Wäl dern dagegen meist chen Stilllegungsflächen) ist ein nicht zu unter- unerwünscht ist. schätzendes Problem für den Erhalt des Auer- Die beiden Raufußhuhnarten sind durchaus huhns (Scherzinger, S. 19–32), weil dadurch die in der Lage, anthropogen geprägte Waldformen Präda torendichte durch direkte oder indirekte (so auch fichtendominierte Forste) als Lebens - Förderung (Wildschwein, Rotfuchs) deutlich raum anzunehmen (Scherzinger, Seite 19 ff.), erhöht wird. Zum Schutz der hochgradig ge- allerdings unter der Voraussetzung, dass die fährdeten Waldhühner ist daher eine gezielte Forsten möglichst strukturreich und altershete- Bekämpfung des Fuchses beziehungsweise ein rogen ge halten werden und insbesondere natür- erhöhter Abschuss des Wildschweins dringend lich auftretende Störungen (wie Feuer, Schnee- geboten, so lange, bis sich die Auerhuhnbe stän - bruch, Windwurf und Borkenkäferfraß) in Ma- de nach einer Biotopverbesserung wieder deut- ßen zu ge lassen werden. Nur wenn diese Lü cken lich erholt haben. nicht sofort wieder zugepflanzt werden, sondern An vielen Stellen haben sich in der nieder- eine natürliche Wiederbewaldung über Primär - schlagsreichen Region Nordostbayerns in der waldgehölze (Birke, Aspe, Vogelbeere, Weiden- postglazialen Zeit Moore bilden können, von Arten) zugelassen wird (Prozessschutz!), bleibt denen die meisten vom Menschen zur Brenn- den Raufußhühnern Auerhuhn und Haselhuhn torfgewinnung und späterer landwirtschaftli- eine realistische Habitatchance (Multerer, Seiten cher Nutzung und Badetorf-Entnahme entwäs- 60–66). Wo derartige Störungen natürlicherweise sert wurden. Viele der restlichen, sich zum gro- nicht oder zu selten auftreten, sollte durch geziel- ßen Teil in bayerischem Staatsbesitz befindli- te Gruppen-Plente rung ein Lückensystem in chen Vermoorungen Nordbayerns wurden bis monotonen Forsten geschaffen werden mit viel- ins letzte Jahrhundert durch Dränage für den fältigen, strukturreichen Grenzlinien-Bioto pen, Fichtenanbau devastiert. Moore mit ihren offe-

Abb. 2. Bisher noch wenig unter- sucht ist der Einfluss von Wurzel - tellern gestürzter oder sturmgewor- fener Bäume für die Habitatnut - zung von Raufußhühnern. – The influence of root-plates of fallen or wind-thrown trees on habitat use by grouse has as yet been little studied. Foto: P. Gerstberger 6 Ornithol. Anz., 48, 2009 nen Strukturen bilden ein überaus wichtiges ver besserung unverzüglich umsetzen, denn das Habitat für Auerhühner, vor allem für die bisherige Biotopmanagement hat zur Stabili - Jungenaufzucht. Daher ist es dringend geboten, sierung der Populationen offenkundig nicht die wenigen noch vorhandenen Restvermoo - ausgereicht. Nur dann besteht vielleicht noch run gen wieder zu renaturieren, wie im Stein - eine Chance, diese Tierarten vor dem Aus ster - wald begonnen (durch das ehemalige Forstamt ben in West- und Mitteleuropa zu bewahren. Kemnath) und jüngst auch im Hohen Fichtel- Über die Habitatansprüche, ihre Biologie, die gebirge (Forstbezirk Selb: Torfmoorhölle). Julia Populationssituation und die Gefährdungs - Laube (Seiten 36–42) untersuchte in ihrer ursachen wissen wir dank eines umfangreichen Diplom arbeit die Revitalisierung der Stein wald- Schrifttums inzwischen ausreichend Bescheid. Moore. Hier zeigte sich, dass es offenbar viele Nun ist es allerhöchste Zeit, die erforderlichen Jahre bis Jahrzehnte dauert, bis sich die Torf - Schutzmaßnahmen so rasch wie möglich umzu- moos- und hochmoortypische Ve ge tation wie- setzen. der flächig ausbreitet. Dennoch ist es erfreulich, dass hier ein Umdenken auch von Seiten der Dank. Allen Organisatoren des Symposiums, Nutzer stattgefunden hat. Inzwi schen konnten vor allem Herrn August Spitznagel (Naturpark hier nach vielen Jahren ohne Auerhuhn-Brut - Fichtelgebirge), der Akademie für Naturschutz nach weise wieder Eierschalen- und Federfunde und Landschaftspflege (ANL), hier insbesonde- getätigt werden! re Herrn Jochen Siegrist (†) sowie den Förde- Unter den derzeit herrschenden und sich rern, namentlich der Oberfrankenstiftung, der aktuell ändernden Umweltbedingungen, die in Euro pä ischen Union (INTERREG III A), der starkem Maße durch anthropogene Effekte Univer sität Bayreuth, der Stiftung Ornithologie geprägt und verursacht sind, gehen die und Naturschutz, dem Bayerischen Landes - Bestände der Raufußhühner weiterhin so stark bund für Vogelschutz (LBV), dem Forstbetrieb zurück, dass in vielen europäischen Teilarealen Wald sas sen, insbesondere Herrn Revierleiter mit einem Aussterben der Arten in absehbarer Wolfgang Schödel, sowie Freiherrn Eberhard Zeit zu rechnen ist, wenn nicht unverzüglich von Gem min gen-Hornberg sei an dieser Stelle Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die punk- für das Engagement und die finanzielle För - tuellen Schutzbemühungen der letzten Jahr - derung herzlich gedankt, ohne die diese Tagung zehn te waren offenkundig nicht in der Lage, die nicht hätte stattfinden können. Rückgangsursachen nachhaltig zu kompensie- ren. In den meisten (außeralpinen) Gebieten Literatur sind die Populationen so weit zurückgegangen, dass habi tatoptimierende Bemühungen ggf. Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz parallel mit Aussetzungen von Wildfängen er- (NNA) (2008): Die Situation des Birkhuhns forderlich werden (Unger & Klaus, Seite 50 so - in Deutschland. – Tagungsband. Schnever - wie Klaus et al., Seite 83). Ein wirksamer Schutz din gen. der Raufußhuhnarten durch geeignete Habitat- Dietzen, W. (1993): Das Birkhuhn in der Rhön – gestaltung muss jedoch viel energischer und Bestandsentwicklung, Schutzmaßnahmen, umfassender als in der Vergangenheit angegan- Zu kunfts aussichten. Ökologische Bildungs - gen werden. Ohne die Bereitschaft aller beteilig- stätte Oberfranken. Mitwitz. Materialien II: ten Landnutzer, wirtschaftliche Einbußen durch 61-69. gewisse Nutzungsaufgaben von Wäldern hin- Faltl, W. & M. Möges (2007): Die Kiefer in der zunehmen und umgehend habitatverbessernde langfristigen Waldbauplanung der Baye - Pflegeeingriffe durchzuführen, wird es nicht rischen Staatsforsten. LWF Wissen 57: 26-30. gelingen, das Aussterben aufzuhalten! Die Müller, F. (2002): Forstzäune als Gefährdungs- öffentliche Hand (Staat, Kommunen, Kirchen, und Mortalitätsfaktor für Auerhühner, Ge - Stiftungen etc.), in deren Besitz sich große Teile fahr erkannt – Gefahr gebannt? LWF-Berich - der mitteleuropäischen Wälder befinden, aber te 35: 70-76. auch private Waldbesitzer sollten sich daher kompromisslos für den Schutz der verbliebenen Raufußhuhn-Populationen einsetzen und alle jetzt erforderlichen Maßnahmen zur Habitat - Peter Seisser: Das Auerhuhn als Leitart des Naturparks Fichtelgebirge – Regionalpolitk und Naturschutz 7

Ornithol. Anz., 48: 7–9

Das Auerhuhn als Leitart des Naturparks Fichtelgebirge – Regionalpolitk und Naturschutz

Peter Seißer

The Capercaillie as key stone species of the nature park ‘Fichtelgebirge’ – Regional politics and Nature Conservation Dr. Peter Seißer, Landrat Wunsiedel a.D., 95632 Wunsiedel

Der Naturpark Fichtelgebirge hat sich seit Kö nigs heide, der Platte und zwischen Nuß - seiner Gründung im Jahr 1971 die Aufgabe ge - hardt und Schneeberg erleben kann, ist auch für stellt, die Landschaft als Grundlage für eine die Naturfreunde, zu denen ich mich zähle, ein naturnahe Erholung zu schützen und zu ent- besonderes Erlebnis und Genuss. Eine Wald- wikkeln. Deshalb gab es in der ersten Phase form, die unter Förstern, die wirtschaftlich den- auch eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem ken, kein hohes Ansehen hat. Diese Wälder sind Forst. urtümliche Landschaftselemente des Fichtelge- Ursprünglich sollte der Naturpark nur das birges. Sie haben einen hohen Erlebniswert, der Hohe Fichtelgebirge umfassen. In der Aufbau- mit den roten Flächen der Lüneburger Heide pha se wurde richtigerweise auch die Selb-Wun - vergleichbar ist. Dieser Waldtyp sollte als sied ler Hochfläche mit einbezogen. Es ist dies Standort seltener Arten erhalten werden. Ich der gesamte Raum, der das Fichtelgebirge in freue mich über das Umdenken beim Staats - seiner Vielfalt ausmacht. Während in der zwei- forst. Zunehmend wird deutlich, dass in den ten Phase der Naturparkarbeit die Wichtigkeit Fichtelgebirgslagen über 800 m der „Nutzwald“ der Talräume betont wurde, wird jetzt auch wie- nicht mehr sinnvoll ist. der stärker der Wald in den Fokus genommen. Es gilt, Erkenntnisse zu sammeln, wie dieser Das Auerhuhn ist zu Recht eine Leittierart Waldtyp trotz Stickstoffeintrags aus der Luft, des Naturparks Fichtelgebirge, wenn nicht so - Me lio rationskalkung aufgrund der Waldschä - gar die Leittierart. Es wird begleitet von Kreuz- den und massiven Fichtenanflug (Naturverjün- otter, Sperlingskauz, Raufußkauz und mehreren gung) erhalten werden kann. Spechtarten. Das Auerhuhn hat seinen Schwer- Dieser Waldtyp ist vielleicht das besondere punkt in den Hochlagen. Es wurde in den letz- Landschaftsbild des Fichtelgebirges. ten 10 Jahren in allen Bereichen mit beerkraut- reichen Wäldern beobachtet. Auch die tieferen Lagen haben mindestens als Wanderwege für diese Art eine Bedeutung. Leider wurden bei dem Auerhuhn-Projekt der LWF (Spitznagel 2000) nur Hochlagen aufgenommen. Es gibt immer wieder Hinweise, dass auch im Korn- bergbereich oder im Reichsforst bei Arzberg Auerhühner vorkommen. Auch der Selber Forst hat Bereiche, die für das Auerhuhn tauglich wären. Diese Gebiete sind vor allem auch als Brücken nach Tschechien wichtig. Das Auerhuhn benötigt einen urtümlichen Wald sowie eine locker mit Blöcken durchsetzte Zwergstrauchheide (mit Blaubeere) unter einem Abb. 1. Das Logo der Tourist Information Fich- lichten Fichtenbestand. tel ge bir ge – Logo of the Tourist Information Fich - Dieses Waldbild, wie man es heute an der tel gebirge moun tains. 8 Ornithol. Anz., 48, 2009

Das neue Logo der Touristinfo Fichtelgebir- Ortskenntnis der Revierbeamten und der Lang - ge (Abb. 1) mag ein Symbol für die Bedeutung läufer eine gute Lösung gebracht. Nicht der dieser Struktur sein. Während zunächst die Gipfel bereich hat die große Schneesicherheit, Fichte und die Gewässer das Logo zierten, ist es sondern der Bereich um die Naab- und Main - jetzt eine den Drei-Brüder-Felsen ähnliche frei- quelle. stehende wollsackartige Felsbildung. Bei der gesamten Loipenplanung wurde auf Nicht nur aus der Sicht des Auerhuhn schut - die Auerhuhneinstände Rücksicht genommen. zes, sondern auch für den Menschen muss das So wurde die von vielen gewünschte Schnee- Waldbild „lockerer Fichten- oder Kiefern wald bergloipe nicht weiter verfolgt. Das heißt nicht, mit Zwergstrauchheide im Unterwuchs“ geför- dass man jegliches Skiwandern untersagt hätte. dert werden. Es ist ein besonderes Gefühl, in Im Landkreis Wunsiedel wurde 1981 am diesen urtümlichen lockeren Fichtenbeständen Schneeberg mit 1835 ha das größte außeralpine zu wandern. Diese Wälder haben den Ruf des Auerhuhnschutzgebiet ausgewiesen und auch Fichtelgebirges in der Zeit der Romantik be- 1991 und 2001 für je 10 Jahre verlängert. Hier gründet. So wurde nicht zuletzt die Wunsiedler besteht vom 30.11. bis zum 30.6. ein Wegegebot. Hut auf der Luisenburg um 1800 als romanti- Mit den Waldschäden wurden unsere Pläne scher Landschaftspark erschlossen. Aus rein durch kreuzt. Der massive Waldumbau und die forstwirtschaftlichen Gründen wurden leider verstärkte Erschließung haben Tatsachen ge - die Hut- und Streurechte zum Schaden hier le - schaffen, die unseren Bemühungen entgegenlie- ben der Tier- und Pflanzenarten abgelöst. fen. So wurden die Forststraßen im Bereich der Seit der Gründung des Naturparks hat sich Rusel durchgängig ausgebaut. Auch bereitet die der Naturpark Fichtelgebirge für den Auer huhn - Anlage von Rückegassen Probleme, da Moun - schutz eingesetzt. Zum Schutz des Rothirsches tainbiker diese als geeignete Wege für ihren und des Auerhuhns wurde bereits in den 1960er Sport und durch das Naturschutzgesetz legiti- Jahren der Rundweg trotz vieler Proteste verlegt. miert ansehen. Auch das massive Unter- Im ersten Einrichtungsplan wurde das Wander - pflanzen mit Fichten und Buchen zur Abwehr wege netz überarbeitet. Dabei war es das Ziel, von kahlen Flächen hat die Lebensräume stark dem Auerhuhn mehr Ruhe zu geben. Das Schnee - eingeschränkt. berggebiet sollte der ruhigen Erho lung vorbehal- Bei der Rekultivierung des Schneeberggip - ten werden. Dabei hat uns die mili tärische fels, die nach dem Erwerb des Gipfelbereichs Nutzung geholfen. Ich denke gerne an die Zeit durch den Landkreis Wunsiedel im Jahre 1995 zurück, als ich selbst am ersten Einrichtungsplan erfolgte, wurde auf die Zugänglichkeit des mitgearbeitet habe und das Schnee berg- und Gipfels geachtet. Aber das Blockmeer mit dem Ochsenkopfgebiet zu meinen Bereichen gehörten. südlichen Teil des Naturschutzgebietes ist beru- Im ersten Einrichtungsplan für den Natur- higt. Ich bin dem Fichtelgebirgsverein Bischofs - park Fichtelgebirge wurde zum Schutz von Rot- grün dankbar, dass er den blau/weißen Weg am hirsch und Auerhuhn unter anderem auch der Tau sendmeterstein ohne große Diskussion vor- Höhen weg im Abschnitt Seehügel-Platte ver- bei gelegt hat. Der Schneeberggipfel ist ein Bei- legt. Im Bereich des Ochsenkopfes, der als spiel, das aus der Sicht der Wanderer gut gelöst Schwer punkt des Fremdenverkehrs vorgesehen ist. war, wurde die Entwicklung gelenkt und es Eine weitere Sperrung hätte aufgrund der konnte ein Gipfelhotel verhindert werden. Infra struktur nur noch mehr Wildwuchs ge- Nach dem Weggang der Bundeswehr wurde bracht. Leider meint man, dass man mit Verbo - die Chance genutzt, einen Raum zu erhalten, in ten alleine etwas erreichen kann. Diese erfor- dem man von einem Gipfel aus ca. eine Stunde dern aber ein Nachsetzen und eine Überwa- wandern kann, ohne dass man auf eine Sied - chung. Wir hoffen, mit dem Gebietsbetreuer lung oder ein Wirtshaus trifft. hier Lösungen durchsetzen zu können. Bei aller Erschließung wurden Ruheräume Der Ochsenkopf ist als ein langjähriger Ver - für das Auerhuhn erhalten. Das geht nur, wenn such zu sehen, wie Erholung und Auerhuhn Verständige an allen Tischen sitzen. Die Überar- mit einander auskommen. Wir brauchen für das beitung der Loipen am Ochsenkopf 1999 zeigt, Auer huhn den Ochsenkopf als Verbindung zur dass das Auerhuhn und der Sport in Einklang Königsheide. Wir begrüßen deshalb die Auf- gebracht werden können. Vor allem haben die lichtungen für das Auerhuhn. Wir müssen aber Peter Seisser: Das Auerhuhn als Leitart des Naturparks Fichtelgebirge – Regionalpolitk und Naturschutz 9 auch den Mut und die Mittel haben, den auf- ich namens des Naturparks Fichtelgebirge zu- kommenden Fichtenanflug zu steuern und die sam men mit dem Landesbund für Vogelschutz Heidelbeere zu fördern. Bei der Anlage der e.V. (LBV) eingeladen habe. Ich sehe meine neuen Loipen, einem Naturparkprojekt, hat sich Aufgabe als Vorsitzender des Naturparkvereins eine sinnvolle Lösung ergeben. darin, das Gespräch zwischen den einzelnen Der Naturpark Fichtelgebirge beabsichtigt Inter essen gruppen zu moderieren, allerdings zudem Maßnahmen, aktiv durch Ausstellungen mit einem klaren Profil und einem deutlich ver- über das Auerhuhn und über dessen Haupt- tretenen Standpunkt. Wir werden uns weiter für futter pflanze, die Heidelbeere, Aufklärungs ar - diese seltene und im Bestand bedrohte Art ein- beit zu betreiben. Ein deutsch-tschechischer setzen. Auerhuhnprospekt ist in der Erarbeitung und Denn in Art. 141 Abs. 1 der Bayerischen Ver- soll die Besucher über den „Schatz“ aufklären, fassung steht die Verpflichtung zum Arten- der in den Wäldern lebt. schutz und in Absatz 3 die Verpflichtung für die Inzwischen haben vier Tagungen des Ar - Erholungsvorsorge. Beide Verpflichtungen sind beitskrei ses „Auerhuhn“ stattgefunden, zu der uns wichtig.

Abb. 2. Waldlücken im Gipfelbe- reich mit Heidelbeere und Vogel- beere. Haberstein, Fichtelgebir - ge, 913 m NN, 15. Juni 2009. – Clearings with bilberry and moun- tain ash, Haberstein, 913 m asl. Foto: Robert Pfeifer 10 Ornithol. Anz., 48, 2009

Ornithol. Anz., 48: 10–12

Naturschutz im Privatwald

Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg

Nature conservation in private property forests Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg, 95688 Friedenfels

Mein Vortragsthema heute heißt „Natur - meinheit wieder zurückgibt! Auf der Restfläche schutz im Privatwald“, zum besseren Verständ - kann er dann mit gutem Gewissen wirtschaften nis müss te es eigentlich „Naturschutz im Groß - und Geld verdienen. Diese Möglichkeit wird pri vat wald“ heißen, denn es ist der Großprivat - von privater, aber auch von staatlicher und wald, über den ich rede. kommunaler Seite meines Erachtens viel zu we- Private Waldbesitzer und Naturschützer nig genutzt. aller Art bilden ja oft ein polarisiertes Feld. Der Immer, wenn ich in meinem Wald bin, eine misstraut dem andern, jeder hat sich über schaue ich nach solchen unwirtschaftlichen den andern eine Meinung gebildet und es domi- Flächen. In den letzten 15 Jahren haben wir an nieren die Vorurteile. Weil man selten miteinan- vielen Orten nasse Fichtendickungen in Teiche, der redet, weiß man wenig voneinander und Sumpfflächen oder Magerwiesen umgewan- interessanterweise findet diese Unwissenheit delt. So ha ben plötzlich der Schwarzstorch, die ihren Niederschlag im Bayerischen Natur- Ringel nat ter oder die Kreuzotter mitten im schutz gesetz, zu dem ich später noch kurz Steinwald einen neuen Lebensraum gefunden, komme. ohne dass sich dadurch die wirtschaftliche Bei uns, bei meiner Familie und unserem Holz boden flä che verändert hätte. Wald besitz im Steinwald, war das immer schon In den letzten Jahren haben wir mit öffentli- anders, nämlich besser. Schon meine Großmut - chen Mitteln im Wald viele Kilometer Bachläufe ter hat in den 1930er Jahren verschiedene von zu nahe am Ufer stehenden Fichten befreit, Gebiete des Waldes sozusagen „unter Schutz um der Übersäuerung der Wasserläufe entge- gestellt“ und die Forstwirtschaft stark einge- genzuwirken und um der Bachforelle und da- schränkt. Markante, einzelne Landschaftsteile mit der Flussperlmuschel zu helfen. oder auch nur Bäume durften nicht verändert Auf unseren landwirtschaftlichen Flächen werden und der Holzhauer, der eine solitäre Bu- haben wir viele Hecken und Feldgehölze ange- che im Fichtenwald umsägte, musste als Strafe legt, um die flurbereinigte Agrarsteppe etwas eine Kiste Bier bezahlen. Das war damals viel! auf zulockern. Mein Vater hat ab 1960 diese Linie fortge- Natürlich machen auch wir nicht alles rich- setzt, und auch ich fühle mich dem Naturschutz tig und auch bei uns wurden in den 1960er und verpflichtet. 70er Jahren etliche Umweltsünden begangen, Jeder Waldbesitzer, ob groß oder klein oder meist in Form der falschen Baumart auf dem staatlich, hat Flächen, auf denen eine finanziell falschen Standort. Aber es ist immer am besten, sinnvolle Forstwirtschaft nicht möglich ist, zu seinen Fehlern zu stehen und diese einfach Flächen, auf denen man einfach kein Geld ver- wieder rückgängig zu machen, mit den heuti- dient. Solche Flächen sind bei uns entweder zu gen Maschinen ist eine unerfreuliche, 40-jähri- nass oder zu trocken oder zu felsig, und genau ge, versumpfte Fichtendickung schnell und diese Flächen bieten sich geradezu an, sie dem recht günstig wieder gerodet. Naturschutz zur Verfügung zu stellen. Wenn Für all diese Maßnahmen gibt es sogar der Waldbesitzer schon keinen finanziellen Zuschüsse aller Art. Es liegt also nur teilweise Vorteil hat, dann ist es doch mehr recht als bil- am Geld und sicher nicht an mangelndem Wis- lig, wenn er einen unbedeutenden Teil seines sen, man muss es nur ernsthaft wollen, dann Bodens der Natur und damit auch der Allge - wird der Waldbesitzer plötzlich Naturschützer. Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg: Naturschutz im Privatwald 11

Schon die Art der forstlichen Bewirtschaf- etliche Fuchsfallen im Einsatz, um den Fuchs - tung allein hat ja naturschützerische Auswir - bestand zu regulieren, ohne jagdlich zu stören. kun gen. In unserem Forstbetrieb war immer Von dieser erheblichen Beruhigung, forst- schon jeder Betriebsleiter mindestens 30, man- lich, touristisch und jagdlich, profitiert natürlich che fast 50 Jahre bei uns beschäftigt, im benach- das Auerhuhn, zusätzlich aber auch viele ande- barten Staats forst wechseln die Forstdirektoren re Tierarten, zum Beispiel auch das Rotwild. Seit etwa alle zehn Jahre. Die Umtriebszeit im Forst unserer konsequenten Beruhigung haben wir ist länger. Un ser Forstbetriebsleiter arbeitet in nur noch unbedeutende frische Schälschäden einer sehr schlanken Verwaltung und kann durch Rotwild. Entschei dun gen auf kürzestem Weg abstimmen Wir wissen ja alle, wie’s geht – man muss es und umsetzen. So kann man auf natürliche und nur wollen! ökonomische Ereignisse schnell reagieren und Ich bin ja auch Vorsitzender des Arbeits- bei vielen Kleinigkeiten auch dem Naturschutz kreises Luchs für Nordbayern. Dem Luchs zu gerecht wer den. helfen, ist sehr einfach und kostet wenig. Hier Wir reden in diesen Tagen auch viel über das im Steinwald sorgen wir dafür, dass er die nöti- Auerhuhn. Bis etwa 1980 gab es im Steinwald ge Ruhe hat, dass seine Beutetiere, die Rehe, einen richtig guten Bestand, mit häufiger ausreichend Ruhe haben und vor allem, dass es Beobachtung und sichtbarer Balz. Der heutige genug Rehe gibt, denn ohne Nahrung kann Bestand ist nur noch marginal, aber es ist auf auch ein Luchs nicht leben. Entgegen anderen jeden Fall einen Versuch wert, zu retten, was Meinungen ist es nämlich ganz einfach, mit noch zu retten ist. In enger Abstimmung mit Reh- und Rotwild Forstwirtschaft zu betreiben, Herrn August Spitznagel sind wir dabei, unse- man muss es nur wollen. ren Wald für das Auerhuhn attraktiver zu Weil er zurzeit in aller Munde ist, komme machen. Dabei werden die passenden Wald be - ich noch kurz zum Biber. Sein Fleisch schmeckt stände entsprechend umgewandelt, zum Bei- übri gens vorzüglich. Der Biber ist ein großarti- spiel um Flugkorridore zu schaffen und um das ges Tier und eine unschätzbare Bereicherung Nahrungsangebot zu verbessern. Das alles pas- un serer Fauna. Er verlangt aber vom Grund - siert auf dem Kamm des Steinwaldes, einem besitzer echte Opfer. Bei uns hat er schon meh- Gebiet, in dem der Forstmann sowieso nichts rere Hektar Wald geflutet und damit gründlich verdient. zerstört. Weil ich vom Biber so begeistert bin, Parallel dazu versuchen wir wo irgend mög- bringe ich bis jetzt diese Opfer gern, ich verste- lich die forstlichen Aktivitäten den Bedürfnis - he aber manche Grundbesitzer, die hier weniger sen des Auerhuhns anzupassen, also in der Toleranz zeigen. Im Moment freuen sich alle Brut- und Aufzuchtphase das Auerwildgebiet über den Biber, aber diese Freude wird auf dem forstlich zu meiden. Rücken der Grundbesitzer und der vielen ehr- In enger und positiver Zusammenarbeit mit lich bemühten Biberbeauftragten ausgetragen. den überregionalen Wandervereinen ist es ge- Wenn unsere Gesellschaft den Biber wirklich lungen, in zwei empfindlichen Waldgebieten haben will, muss sie dessen Schäden zügig aus- zwei markierte Wanderwege zu entfernen be- gleichen und eine dosierte, bürokratielose ziehungsweise umzuleiten, um die Störungen Bejagung zulassen, nur so lässt sich diese durch Naturbesucher zu verringern. Thematik lösen. Die gerne unterschätzten Störungen durch Zum Schluss noch einige Sätze zum Baye ri - die Jagd lassen sich am einfachsten ausschalten: schen Naturschutzgesetz: Wenn man sich das Wir bejagen den Hauptblock des Steinwaldes – Bayerische Naturschutzgesetz in seiner neues - das Auerhuhngebiet ist nur ein kleiner Teil ten Fassung von 2005 durchliest, wundert man davon – das ganze Jahr so gut wie gar nicht. sich. Die Waldbesucher dürfen alles, die Nur in den Randbereichen gibt es Einzel- Behörden entscheiden alles, der Waldbesitzer Ansitzjagd und die vorgegebenen Abschüsse darf fast nichts. Waldbesucher dürfen praktisch tätigen wir auf zwei großen Drückjagden. uneingeschränkt überall hingehen und Pilze, Wer das Auerhuhn retten will, muss dessen Beeren, Kräuter oder Nüsse mitnehmen. Sie Fressfeinde bejagen, und das kann am besten dürfen Tiere stören, auch den Schwarzstorch ein Berufsjäger. Weil wir im Steinwald ja fast oder den Auerhahn und sie dürfen auch Rot - keine Einzeljagd machen, hat unser Berufsjäger wild stören und der Waldbesitzer muss zu - 12 Ornithol. Anz., 48, 2009 schauen, wie das Rotwild wegen der Störung Als privater Waldbesitzer in Bayern braucht Fichten schält. man guten Willen und Optimismus, gute Ideen Das Bayerische Naturschutzgesetz hat sich und eine gewisse Portion Geduld gegenüber in erster Linie zur Aufgabe gemacht, den Wald Behördenbürokratie. Nachhaltiges Denken und vor dem Eigentümer zu schützen. Aus der Sicht Handeln und die entsprechende Bereitschaft dieses Gesetzes ist der Eigentümer der größte zur Verantwortung für kommende Generatio- Feind der Natur und deshalb muss sein Han- nen sollten Grundvoraussetzungen für jeden deln von möglichst vielen Behörden reglemen- anständigen Waldbesitzer sein. Dazu gehört, tiert werden. Ohne Dialog oder Kommuni ka - dass jeder Waldbesitzer, ob privat, kommunal tion wird der Waldbesitzer mit Landschaftsplä - oder staatlich, einen bestimmten Prozentsatz nen, Biotopschutzprogrammen, FFH- und Na- seines Grundbesitzes, z. B. 1 bis 5 %, in irgend- tu ra-2000-Gebieten beglückt. Dieser Grund- einer Form dem Naturschutz zur Verfügung tenor des Gesetzes und die praktizierte Be hör - stellen sollte. Wenn er die richtigen Flächen aus- denwillkür kann auch einen wohlmeinenden sucht, kann er dabei nur gewinnen. Wald besitzer demotivieren und aus diesem Blick winkel heraus ist das Bayerische Natur - schutz gesetz naturschädlich.

Auerhuhn-Küken Zeichnung: D. E. Seiler Martin Hertel: Auerhühner Tetrao urogallus im Fichtelgebirge – Anmerkungen eines Försters 13

Ornithol. Anz., 48: 13–18

Auerhühner Tetrao urogallus im Fichtelgebirge – Anmerkungen eines Försters

Martin Hertel

Capercaillies Tetrao urogallus in the Fichtelgebirge mountains – remarks from a forester The Capercaillie and its haunts in the Fichtelgebirge mountains have long enjoyed intensive pro- tection with sustained efforts to maintain the species and improve its habitats. A broad palette of re- commendations, research work and also habitat management were initiated, promoted or carried out by the Bavarian state forestry administration (more recently the reorganised Bavarian state for- est concern), the nature conservation authorities, the Fichtelgebirge Nature Park, the universities of Bayreuth and Freising-Weihenstephan, the Fichtelgebirge Capercaillie working group and many other partners. The Capercaillie is also highly valued by the general public and attracts much sym- pathy. Unfortunately, background conditions for this grouse species are not ideal because of the geography of the Fichtelgebirge – limited area, altitude range and the associated woodland commu- nities, such that the long-term survival of this regional population is not secure, particularly in the face of looming climatic change and large scale eutrophication. However the broad alliance of ini- tiatives and the willingness of all major participants to commit themselves to the conservation of the Capercaillie in the Fichtelgebirge gives cause for hope that the species’ survival here may be assured. Martin Hertel, Vordorfermühle 32, 95709 Vordorf E-Mail: [email protected]

Fichtelgebirge – Das Gebiet und Fichtelberg-Neubau liegen. Die Wälder werden im Wesentlichen von den Forstbetrie - Auerhuhnschutz hat im Fichtelgebirge schon ben Fichtelberg und Selb der Bayerischen eine erstaunlich lange Tradition: Bereits im Jahr Staatsforsten bewirtschaftet. Dabei liegen die 1755 ist in der Bischofsgrüner Forstbeschrei - waldbaulichen Ziele auf einem langfristigen bung vermerkt, dass am Nordhang des Ochsen - Waldumbau hin zu Mischbeständen mit einem kopfes oberhalb Bischofsgrün noch ein „Schopf deutlich höheren Laubholzanteil. starken Holzes“ stehe, der auf Vor schlag des Hauptsächlich rund um den Ochsenkopf zuständigen Wildmeisters (= Förs ters) nicht ein- spielt der Tourismus eine wesentliche Rolle, geschlagen würde, weil dort die Auerhähne zur sowohl im Sommer als auch im Winter. Ein Balzzeit seien. dichtes Netz von Wanderwegen, Mountainbike- Als Teil des herzynischen Grundgebirges ist Trails, Ski loi pen und -pisten durchzieht hier die das Fichtelgebirge geprägt durch sanfte Kuppen Land schaft. und Hügel, gebildet hauptsächlich aus den hier Die Kernlebensräume der Auerhühner am anstehenden Graniten und Gneisen. Nur zwei Schneeberg und im Bereich des südlichen Fich- Gipfel – der Schneeberg mit 1052 m und der telgebirges sind seit vielen Jahren als Wild - Och senkopf mit 1026 m – überragen die 1000- schutz gebiete nach dem Bayerischen Jagdgesetz Meter-Marke. (BayJG) ausgewiesen. Dort gilt unter anderem Geprägt ist die Landschaft des Hohen Fich- für die Zeit vom 01.12. bis 30.06. jeden Jahres ein telgebirges hauptsächlich von Fichtenwäldern Wegegebot. Im Rahmen des NATURA2000-Ver - und in geringerem Umfang von Fichten-Bu - fahrens wurden der Schneeberg-Kamm und die chen-Mischwäldern, unterbrochen nur von Königsheide westlich Warmensteinach als Vo- wenigen Rodungsinseln, dort wo die Ortschaf - gelschutzgebiet (SPA) nach europäischem ten Bischofsgrün, Warmensteinach, Standard ausgewiesen. 14 Ornithol. Anz., 48, 2009

Schutzmaßnahmen – einst und jetzt Jahr 2000 August Spitznagel in zwei For - schungsvorhaben die Auerhuhnpopulation im Schutz und Erhaltung des Auerhuhns waren Fichtelgebirge und erarbeitete konkrete wald- Forstleuten und Naturschützern in der Region bauliche Vorschläge zu Schutzmaßnahmen. schon immer ein großes Anliegen, wie obiges Auch mit Lehre und Forschung bestand in- Beispiel illustriert. tensiver Kontakt: so wurden die Ansprüche der Von Seiten der ehemaligen Bayerischen Auerhühner und Schutzmaßnahmen zu ihrer Staats forstverwaltung wurden über Jahrzehnte Umsetzung alljährlich bei Exkursionen und hinweg Maßnahmen betrieben, um den Fortbe- Work shops der Universitäten Bayreuth und stand dieser Population zu stabilisieren: Frei sing-Weihenstephan angehenden Forstleu - So wurden systematisch alle direkten und ten und Geoökologen nahegebracht. indirekten Nachweise erfasst und ausgewertet Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes so wie Empfehlungen und Handlungsanwei - von Landesamt für Umwelt, Forst und Fich tel - sungen zur Berücksichtigung der Auerhühner gebirgsverein wurden von Wolfgang Völkl bei Forstbetriebarbeiten erlassen. Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen für die Im Rahmen der regulären Waldbewirtschaf- Kreuzotter im Fichtelgebirge erarbeitet, eine tung wurde bei Pflege und Durchforstung auf Tierart, die bei genauer Betrachtung sehr viele die Belange und Ansprüche der Auerhühner Parallelen zum Auerhuhn hinsichtlich ihrer Rücksicht genommen, z. B. durch frühzeitige Lebensraumansprüche aufweist. Auf lockerung dichter Jungbestände, gezielte Nicht zuletzt sorgte eine planmäßi- Förderung der Beerstrauch-Vegetation und Er- ge Öffentlichkeitsarbeit dafür, dass die Bevölke- haltung grenzlinienreicher Altbestände, so ge- rung dem Thema „Auerhuhn“ positiv gegen- schehen z. B. auf der Königsheide, im südlichen übersteht, diese Vogelart als eine der Charak ter - Hochwald bei Königskron oder im Schneeberg- arten des Fichtelgebirges schätzt und auch Ein- Bereich um Seehügel und Platte. schrän kun gen wie z.B. die Betretungs rege lun - Mitglieder des Arbeitskreises Auerwild im gen im Wildschutzgebiet weitgehend akzeptiert. Fichtelgebirge, einem privaten Zusammen - Seit 2005 erfolgt die Bewirtschaftung der schluss von Forstleuten, Jägern und Ornitholo - Staats wälder durch das Unternehmen Baye ri - gen, kartierten auf ca. 2.000 ha in den Auer- sche Staatsforsten, eine Anstalt des öffentlichen huhn-Kerngebieten die Habitate auf Eignung Rechts, die laut gesetzlichem Auftrag zur vor- und vorhandenes Lebensrauminventar. bildlichen Waldbewirtschaftung verpflichtet ist. Im Rahmen des vom BMFT geförderten Dabei kommt den Belangen des Natur- und Ar- Projekts IDRISI wurde darauf aufbauend tenschutzes besondere Bedeutung zu. anhand von LANDSAT-Fernerkundungsdaten Im Rahmen des Naturschutzkonzepts, das eine flächendeckende Lebensraum-Analyse derzeit auf Ebene der einzelnen Forstbetriebe und vorgenommen. für den Gesamtbetrieb erarbeitet wird, genießt Auch wurden die Schutzbemühungen das Artenschutzprojekt „Auerhuhn im Fichtel - durch mehrere Diplomarbeiten zu Teilgebieten gebirge“ hohe Priorität und wird vom Vor stand beziehungsweise Teilaspekten begleitet und des Unternehmens ausdrücklich un ter stützt. unterstützt. In die aktuelle Forsteinrichtung, die langfri- Im Zusammenwirken mit dem Naturpark stige Forstbetriebsplanung der Forstbetriebe Fich tel gebirge, den Tourismusverbänden, Ski- Selb und Fichtelberg, wurden die Vorschläge clubs und dem Fichtelgebirgsverein, einem und Planungen von Spitznagel weitgehend ein- regionalen Wanderverein, konnten die Kernle - zelbestandsweise eingearbeitet. bens räume von intensiver touristischer Nut - Auch wurden Vorranggebiete für den Auer- zung freigehalten werden, teils durch Auflassen huhnschutz ausgewiesen. Teilweise, wie im Be- be stehender Einrichtungen in den Auerhuhn- reich der Königsheide oder im südlichen Hoch- Be reichen, teils auch, indem außerhalb ein Netz wald oberhalb , wurden um- von attraktiven Wanderwegen, Loipen und fangreiche Waldbestände als sogenannte a.r.B.- Mountainbike-Trails geknüpft wurde. Flächen (= „außer regelmäßigem Betrieb“) expli - Im Auftrag der Bayerischen Landesanstalt zit aus der regelmäßigen Nutzung genommen. für Wald- und Forstwirtschaft und unterstützt In den vergangenen beiden Jahren wurden aus Mitteln der Jagdabgabe untersuchte ab dem bereits mehrere bedeutende Maßnahmen einge- Martin Hertel: Auerhühner Tetrao urogallus im Fichtelgebirge – Anmerkungen eines Försters 15

Großes Augenmerk wurde auch auf den Ab - bau vorhandener Forstkulturzäune gelegt, die leider immer eine Gefahr für anfliegende Auer- hühner darstellen. So wurde beispielsweise in den letzten beiden Jahren die Länge der im Bereich des Forstbetriebs Fichtelberg vorhande- nen Zäune halbiert, in den eigentlichen Auer - huhn-Gebieten sogar um ca. 75 % reduziert. Da- zu wurde gleichzeitig der Abschuss von Rot-, Reh- und Schwarzwild deutlich angehoben, um das Aufwachsen von Mischbaumarten zur Fich- te möglichst ohne Schutzmaßnahmen zu er - mög lichen. Angesichts der ambitionierten waldbaulichen Ziele – Einbringung von Buche, Tanne und Edellaubholz in alle geeigneten Abb. 1. Abbau von Forstkulturzäunen am Waldbestände – wird allerdings auch in Zu - Schnee berg-Kamm. – Dismantling of forestry fen- kunft nicht völlig auf den Schutz der Forstpflan- ces on the Schneeberg ridge. zen durch Zäune verzichtet werden können. Dann muss allerdings durch geeignete Strate- leitet oder bereits abgeschlossen, um die Auer- gien bei Bau, Unterhalt und möglichst frühzeiti- hühner nachhaltig zu unterstützen: gem Abbau eine optimale Berücksichtigung der Im südlichen Ochsenkopf-Bereich wurde in Bedürfnisse des Auerwildes sichergestellt wer- intensiver Abstimmung zwischen Forst, Natur - den. schutz und örtlichen Auerhuhn-Experten auf Auf umfangreichen Flächen im Fichtelgebir - geeignetem Standort eine Fläche von ca. 30 ha ge wurde eine Renaturierung entwässerter speziell auf die Ansprüche der Auerhühner hin Hoch- und Übergangsmoore durchgeführt (Torf - durchforstet, um eine vormals dicht geschlosse- moor hölle), eingeleitet (Heinersbach-Quellmoo - ne Fichten-Dickung in ein strukturreiches, dicht re) oder vorbereitet (Königsheide). Damit wer- mit Heidelbeere bewachsenes Habitat umzuge- den punktuell wertvolle Lebensraumelemente stalten. Erste Nachweise von Auerhennen in wiederhergestellt, die den Auerhühnern zumin- diesem vorher verwaisten Gebiet geben Anlass dest temporär zu manchen Jahreszeiten als zu vorsichtigem Optimismus. Lebens raum dienen können. Diese Maßnahmen

Abb. 2. Auerhuhn - gerechte Durch fors - tung am Ochsenkopf. – Forestry measures to assist the Capercaillie on the Ochsenkopf (Fich tel gebirge). 16 Ornithol. Anz., 48, 2009

Abb. 3. Studenten der FH Weihen- stephan auf Exkursion im Auer - huhn gebiet. – Students of Weihen- stephan College on a field excursion in Capercaillie country.

werden vom Freistaat Bayern aus Mitteln für 2007 im Fichtelgebirge einen Schadholzanfall besondere Gemeinwohlleistungen gefördert. von mehr als 350.000 fm bewirkte, wurde ver- Die Zusammenarbeit mit den Universitäten sucht, die Beunruhigung der Auerhühner bei wurde weiter ausgebaut. Neben den mittlerwei- der Beseitigung der Schäden so gering wie mög- le schon fest etablierten alljährlichen Auerhuhn- lich zu halten. So erarbeiteten die Mitarbeiter Exkursionen für angehende Förster wurde erst- von BaySF, Forstverwaltung, der Höheren mals ein Work-Camp durchgeführt, bei dem für Natur schutz behörde und Auerhuhnexperten einen kleinen Kreis interessierter Studenten gemeinsam eine Strategie, die durch möglichst praktisches Mitarbeiten bei der Umsetzung von frühzeitige Holzaufarbeitung in den Balz- und Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung im Brutgebieten die Störung während dieser sensi- Vordergrund stand. blen Zeiten soweit irgend möglich minimieren Im Rahmen eines einwöchigen Seminars er- konnte. Mit einem organisatorischen Kraftakt arbeiteten Studenten der Fachhochschule Wei - und durch Umsteuerung aller verfügbaren hen stephan ein Konzept zur Konfliktlösung im Arbeits kräf te aus anderen Betriebsteilen konnte Rahmen der NATURA2000-Managementpla - dieses Ziel – Aufarbeitung von ca. 30.000 fm nung für das Vogelschutzgebiet am Schnee berg Wind wurf holz mitten im Winter innerhalb von und auf der Königsheide. ca. 8 Wochen in den Auerhuhn-Kerngebieten bis Bei der Aufarbeitung der Schäden durch zum 15. März – bis auf unbedeutende Reste tat- den Orkan „Kyrill“, der zu Beginn des Jahres sächlich eingehalten werden. Vom anfangs dis- kutierten vollständigen Verzicht auf eine Aufarbeitung des Windwurfholzes wurde we - gen massiver Bedenken aller Forstschutzfach - leute Abstand genommen. Zu groß schien die Gefahr einer großflächigen Zerstörung der mit- telalten und alten Waldbestände durch Borken- käfer-Massenvermehrung ausgehend von den nicht aufgearbeiteten Schadhölzern, so dass die wertvollsten Habitat-Bereiche dieser Wald- huhn art zerstört würden.

Auerhühner im Fichtelgebirge – wie geht es weiter? Abb. 4. Abdichten von Entwässerungsgräben im Heinersbach-Quellmoor. – Blocking of drainage Aus einer Verschneidung der Daten aus der flä- ditches in the Heinersbach Quellmoor (a valley-mire). chigen Habitatkartierung des Arbeitskreises Martin Hertel: Auerhühner Tetrao urogallus im Fichtelgebirge – Anmerkungen eines Försters 17

Auerwild im Fichtelgebirge mit den tatsächli- Die sich ankündigende Erhöhung der Nieder- chen Beobachtungen lassen sich mit hinreichen- schlags summe im zur Kükenaufzucht entschei- der Genauigkeit die Habitatpräferenzen der denden Frühsommer verschärft das Problem Auerhühner im Fichtelgebirge ableiten. Diese noch zusätzlich. unterscheiden sich nicht wesentlich von den In ihrer Summe betrachtet stimmen mich Vorlieben der Auerhühner anderer Vorkom- die se negativen Faktoren eher pessimistisch, mens gebiete. Damit kann näherungsweise eine was den Fortbestand der Auerhühner im Fich- Modellierung des potenziell nutzbaren Lebens- tel gebirge betrifft. raums durchgeführt werden. Deren Hauptele - Was mir allerdings etwas Hoffnung gibt, ist men te sind: der hohe Grad an Identifizierung und das star- – Höhenlage der Primärhabitate > 800 m ke Engagement, das die Auerhühner von allen – Beerkraut-Deckungsgrad > 20 % Seiten erfahren. Und dabei schließe ich aus- – Baumarten > 80 % Fichte drücklich alle interessierten Kreise mit ein – – Grenzlinien > 250 m/ha Forstleute, Naturschutzverwaltung, Umwelt- Auch bei optimistischer Einschätzung ist verbände, den Naturpark Fichtelgebirge und da nach im Fichtelgebirge eine Fläche von maxi- auch die breite Bevölkerung. mal 3.700 ha als gut geeignet für das Auerhuhn Vielleicht gelingt es uns allen gemeinsam, einzustufen. Dies deckt sich näherungsweise im Rahmen einer positiv zusammenarbeitenden mit der Auswertung der LANDSAT-Fernerkun - Allianz den Fortbestand der Auerhühner im dungsdaten und entspricht auch vom Flächen - Fichtelgebirge zu sichern. Alles wird gut – hof- bedarf her weitgehend den derzeitigen realisti- fentlich! schen Schätzungen eines Sommer-Bestands von etwa 50 Hühnern. Zusammenfassung Im Rahmen der Habitatkartierung wurde auch einzelflächenbezogen eine Prognose der Die Auerhühner und ihre Lebensräume im Lebens raumentwicklung erstellt. Dabei deutete Fichtelgebirge genießen schon seit langem in - sich insgesamt eine eher ungünstige Entwick- tensiven Schutz und nachhaltige Bemühun gen lung an. In der Altersklassenverteilung der um ihren Erhalt und der Verbesserung ihrer Waldbestände sind aus historischen Gründen Habitate. Eine breite Palette von Empfehlungen, Altbestände deutlich überrepräsentiert. Daher Forschungsarbeiten, aber auch ganz konkreten nimmt die Nutzbarkeit für die Auerhühner Pflegemaßnahmen wurde durch die Bayerische ohne steuernde Eingriffe in absehbarer Zeit aus Staatsforstverwaltung sowie seit neuerer Zeit Gründen der natürlichen Walddynamik pro 10 durch das Unternehmen Bayerische Staats fors - Jahren um ca. 5 % ab. ten, die Naturschutzbehörden, den Naturpark Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund Fichtelgebirge, den Universitäten Bayreuth und der andauernden Stickstoff-Immissionen von Freising-Weihenstephan, dem Arbeitskreis mehr als 25 kg N/ha*a die Bodenvegetation ste- Auerwild im Fichtelgebirge und vielen weiteren tig und dauerhaft zu Lasten der Beerkräuter Partnern initiiert, gefördert oder durchgeführt. und zum Vorteil der aus Auerhuhn-Sicht eher Auch in der Öffentlichkeit finden die Auer - un günstigen dichten Grasbedeckung aus hühner große Wertschätzung und Sympathie. haupt sächlich Wolligem Reitgras Calamagrostis Leider sind aber die Rahmenbedingungen für villosa verändert wird. diese Raufußhuhnart aufgrund der naturräum- Und schließlich verändert der prognostizier- lichen Ausstattung des Fichtelgebirges – Ge- te Klimawandel nach derzeitigem Kenntnis stand samt größe des Gebiets, Höhenlage und damit den Auerhuhn-Lebensraum im Fichtelge birge Waldgesellschaft – nicht die besten, sodass lang- nachhaltig zum Negativen: Die vorhergesagte fristig insbesondere angesichts des sich andeu- Temperaturzunahme von mindestens 2,5 °K ver- tenden Klimawandels und der großflächigen schiebt die nutzbaren Bergwald-Vegeta tions - Eutrophierung ein Fortbestand der Teilpopula- zonen von derzeit ca. 800 m um theoretisch 300 tion nicht gesichert ist. m nach oben, was im Fichtelgebirge mit seiner Hoffnung macht allerdings die breite Al- Maximalhöhe von 1052 m praktisch den voll- lianz an Initiativen und die große Bereitschaft ständigen Verlust der für die Auerhühner gut aller maßgeblich Beteiligten, sich für den Erhalt geeigneten nutzbaren Vegetationsstufe bedeutet. des Auerwildvorkommens im Fichtelgebirge zu 18 Ornithol. Anz., 48, 2009 engagieren, so dass es hoffentlich auch weiter- Hertel, M. (1995): Das Auerhuhn im Fichtel- hin gelingt, den Auerhühnern ein Überleben im gebirge. Naturschutzreport 10: 103-108. Fichtelgebirge zu sichern. Klaus, S. (1994): Aussterben oder Überleben. Das Schicksal kleiner Populationen von Literatur Rauhfußhühnern in Mitteleuropa. Schriften- reihe Nationalpark Berchtesgaden, For - NN (1755): Bischofsgrüner Forstbeschreibung – schungs be richt 27: 42-55. Staatsarchiv Bamberg A233 II Nr. 3555: 15- Spitznagel A. (2001): Erfassung des Auerhuhn- 16. Bamberg. bestandes im Fichtelgebirge. Abschlussbe - Bachmann, J. (1991): Das Auerhuhn im Fichtel - richt des Projektes J2 – Bayerische Landes- gebirge am Beispiel des Ochsenkopfes. Di - anstalt für Wald- und Forstwirtschaft, plom arbeit FH Weihenstephan, FB Forst - Sachgebiet „Wald öko logie und Waldschutz“ wirt schaft. Freising. im Auftrag des Bayer. Staatsministeriums Bayerische Staatsforsten (Hrsg., 2007): Lang- für Landwirtschaft und Forsten. Freising. fristige Forstbetriebsplanung – Forstbetrieb Völkl, W. (2004): Artenhilfsprogramm „Kreuz- Fichtelberg (unveröff.). otter (Vipera berus) im Fichtelgebirge“ – Glänzer, U. (1992): Zur aktuellen Situation von Schlussbericht im Auftrag des Bayerischen Auerhuhn und Birkhuhn in Bayern. Natur- Landesamtes für Umweltschutz. Augsburg. schutzreport 4: 84-94. Völkl W., S. Keilholz & M. Hertel (2005): Das Heßberg, A. v. & C. Beierkuhnlein (2000): Vege - Artenhilfsprogramm „Kreuzotter im tationsstrukturen in den Habitaten des Fichtel gebirge“. AFZ-Der Wald 12/2005: Auer huhns Tetrao urogallus im Fichtelge - 618. birge. Ornithol. Anz. 39: 159-174. Hertel, M. (1991): Eine Zukunft für den Auer - hahn – Ergebnisse der Habitatkartierung im Bereich der FoDSt. Vordorf (unveröff.). Wolfgang Scherzinger: Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns Tetrao urogallus 19

Ornithol. Anz., 48: 19–32

Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns Tetrao urogallus

Wolfgang Scherzinger

The fundamental niche of the Capercaillie Tetrao urogallus The distribution of Capercaillie reaches trans-continentally from eastern Siberia to western Europe. Within this area habitats are characterized by coniferous trees, dwarf shrubs like heather and bilberries, diverse flowers, leafs, and herbs for nutrition, whereby the birds choose the best com- bination of these resources in each location. A comparison of twelve single areas of distribution allows to demonstrate at one hand the species specific potential of adaptation (identical to the “fun- damental niche”), and at the other hand the relative stenoecious preferences of Capercaillies in respect to the quality of their local habitats (identical to the “realized niche”). In the post-glacial periods Capercaillies followed the spreading of coniferous forests from Central Asia to Europe, as far as structures of tree stands and nutritional quality of ground vegeta- tion matched with the resources of the area of the species‘ origin. In this aspect a low degree of canopy density (50–60%) and an extensive layer of dwarf shrubs (80–100%) got analysed as essen- tial parameters of habitat. Such structures and resources develop naturally in high mountains and cold lowlands, in fact of elevation, local climate, precipitation, and soils poor in nutrition. For main- taining habitats of this primary type an optimisation of naturalness in the forests is recommended. Conditions change in full contrast, when structures and resources of a forest has a pure anthro- pogenic base, and fulfil requirements of a Capercaillies habitat – just by luck. As far as low density of canopy got created by logging, and the rich cover of bilberries is a result of an exploitative degra- dation of soil, a continuation of such massive human impact will be necessary to maintain the qual- ity of such secondary types of habitats. – For a multifunctional management of woodland a narrow interlocking of forest reserves, free of utilisation, and diversely managed forests should get propa- gated, whereby specific measures for preserving Capercaillies could get integrated by conservation- al contracts. Key words: Capercaillie, primary and secondary types of habitat, conservation, management, species specific niche.

Dr. Wolfgang Scherzinger, Roßpoint 5, 83483 Bischofswiesen

Einleitung Die ungewöhnliche Lebensform der „Waldhühner“ Mit diesem Beitrag soll die Bandbreite an Habitattypen und Waldgesellschaften aufge- Innerhalb der Hühner und hühnerartigen Vögel zeigt werden, die das Auerhuhn innerhalb sei- haben sich die Waldhühner (als Tribus Tetraoni - nes riesigen Verbreitungsgebietes als Lebens- ni innerhalb der Familie der Raufußhühner Te- raum nutzt, um die artspezifische Balance zwi- trao nidae) an mehr bis minder dichte Baum- schen örtlicher Stenökie und relativer Plastizität bestände angepasst, deren Blätter, Nadeln und dieses großen Waldvogels aufzuzeigen. Aus Früchte einen wesentlichen Anteil ihres Nah- dem kontinentweiten Arealvergleich wird deut- rungsspektrums stellen. Während der Großteil lich, dass essenzielle Habitatparameter lokal der weltweit verbreiteten Hühnervögel in „realisierter Nischen“ nicht ohne Weiteres auf Steppen oder Prärien, in alpiner Tundra oder andere Gebiete übertragen werden können. Für Halbwüsten lebt, sind Waldhühner vor allem an ein gezieltes Management von Auerhuhn- Wälder der Montan- und Subalpinstufe ange- Lebensräumen erscheint daher eine Erfassung passt. Das Auerhuhn, als weltweit größter Ver- der spezifischen Habitat-Bedingungen vor Ort treter der Raufußhühner, ernährt sich vorwie- unerlässlich. gend herbivor. Mit seinem kräftigen Schneide- 20 Ornithol. Anz., 48, 2009 schnabel pflückt es Knospen, Blätter und Triebe und reicht vom Baikalsee Sibiriens bis an die von Kräutern, Sträuchern und Bäumen. Unter Westgrenze Europas in Skandinavien bezie- einem weitgehend geschlossenen Kronendach hungsweise Schottland. Infolge des wiederhol- gedeiht infolge der starken Beschattung des ten Wechsels von Vereisungsschüben und Waldbodens keine nutzbare Bodenvegetation, Wiederbewaldungsphasen nach den Eiszeiten weshalb Lichtungen, Blößen, Wiesen und offene haben sich die Auerhuhnpopulationen in meh- Moore wichtige Nahrungsgebiete für das Auer- rere Unterarten aufgespaltet, speziell in Europa, huhn sind. Allerdings ist die Kraut- und Zwerg - wo einzelne Verbreitungsgebiete in völlige strauchschicht meist nur in der Vegetations peri - Isolation gerieten (10 von insgesamt 13 aner- ode nutzbar, bei Schnee lage aber unerreichbar. kannten Unterarten; Potapov & Flint 1989). Die Vögel sind daher während der Winter mo - Wildtiere reagieren an der äußersten Peripherie nate auf die pflanzliche Biomasse in den Baum- ihres Verbreitungsgebietes besonders sensibel kronen angewiesen, wo frische Knospen und un- auf Veränderungen von Witterung und Lebens- verholzte Triebe in nahezu unbeschränkter Men - raum, was sich in deutlichen Dichteschwan- ge geboten werden. Allerdings liefern Fich ten - kungen und oszillierenden Arealveränderun - nadeln und Bu chen knospen nicht nur geringe gen ausdrücken kann. Derartige Phänomene Energiemengen, die Bäume schützen sich meist treffen vor allem auf Auerhuhnvorkommen im auch durch verdauungshemmende Stoffe (z. B. Westen (Schottland), Süden (Spanien, Südfrank - Tannine, Harze, hohe Zelluloseanteile) vor tieri- reich) und im Zentrum Europas zu (Schwarz - schem Fraß. Aufgrund der geringen Energie aus - wald, Böhmerwald, Harz). beute müssen Waldhühner einer seits sehr große Um Qualität und Quantität des Lebensraum - Pflanzenmengen aufnehmen, was sich sowohl angebots für Auerhühner in Europa aus dem auf Körper größe als auch Körpergewicht aus- Blickwinkel der Artensicherung bewerten zu wirkt. An dererseits müssen Auerhühner voll können, ist die Kenntnis dessen Position inner- flugfähig sein, um das Angebot in der Kronen - halb der „fundamentalen Nische“ hilfreich. Zur schicht überhaupt nutzen zu können. Die Nische Darstellung der Bandbreite artspezifischer des flugfähigen Pflan zenfressers ist unter Wir - Anpassungsfähigkeit und Habitatwahl wird bel tieren etwas ganz Ungewöhnliches; bei einem deshalb schlaglichtartig die Charakteristik typi- Körpergewicht von 1,5 kg (Hennen) bis 4,5 kg scher Verbreitungsgebiete in Europa (unter (Hähne) wird der Energiehaushalt der Vögel je - Beschränkung auf primäre Habitattypen) mit denfalls ganz erheblich beansprucht. der des sibirischen Ursprungsgebiets verglichen. Im Groben lassen sich herbivore Wirbeltiere als Grasfresser, Blattfresser und intermediäre Baikalregion/SE-Sibirien. Augrund magerer Bö- Nut zer typisieren (Hofmann 1978), wobei wald- den sowie langer und sehr kalter Winter im inner - bewohnende Arten vorwiegend dem Laubfres- kontinentalen Klimabereich wachsen zum ei nen ser-Typus angehören. Das Auerhuhn konkur- die Bäume langsam, und es kommt kaum zum riert demnach mit Reh, Elch und Biber hinsicht- Kronenschluss; zum anderen bleibt die Feind- lich der Blattmasse von Weichlaubhölzern, und fauna in den nahrungsarmen Wäldern auf re lativ mit Elch (Reh) hinsichtlich der Triebe von Tanne niedrigem Niveau. Das Vorherrschen von Na - und Kiefer, soweit dieses Nahrungsangebot delbäumen, wie Kiefer, Zirbe und Lärche, ist her- vom Boden aus erreichbar ist. Abgesehen vom vorzuheben, mit Birke, Aspe und Vogelbeere in Heer herbivorer Insekten, das die Pflanzenmas - jüngeren Sukzessionsphasen. Der durchaus lü cki - se in allen Schichten des Waldes nutzt, sind die ge Stand gibt kleinen Wildwie sen, Mooren und meisten Pflanzenfresser unter den Wirbel tieren schütteren Verjüngungshorsten Raum und erlaubt an den Waldboden gebunden, somit nutzen die ein großflächiges Vor kommen von Vacci nien. Waldhühner die Kronenschicht nahezu konkur- renzlos. Karelien (Finnland, Russland). Die Auerhuhn- Lebensräume sind durch weiträumige Hoch- Aus der zentralasiatischen Taiga moore geprägt, an deren Rändern Kiefer domi- in den europäischen Bergwald niert; Fichte, Birke und Vogelbeere vor allem auf trockenerem Moränenschotter. Infolge des räumi- Das Verbreitungsgebiet des Auerhuhns ent- gen Standes sind praktisch alle Altersklassen der spricht dem Nadelwaldgürtel der Paläarktis Waldbäume für Auerhühner nutzbar. Rausch-, Wolfgang Scherzinger: Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns Tetrao urogallus 21

Heidel- und Preiselbeere sind nahezu flächen- ren Bodenvegetation je nach geologischem dekkend verbreitet. Auf feuchtem Unter grund Untergrund Kräuter und Gräser (Dolomit) bie- bauen die Waldameisen übermannshohe Burgen. ten oder Heidelbeeren und andere Zwergsträu- cher (Granit). Die Habitatverhältnisse sind hin- Skandinavien (Norwegen). Je nach Unter - sichtlich Waldstruktur und Altersklassenvertei - grund, Bodenfeuchte und Seehöhe differieren lung mit denen der Ostalpen vergleichbar. die Anteile von Kiefer und Fichte als Haupt - baumarten. Birke, Aspe und Vogelbeere in jün- Pyrenäen-Nordseite (Frankreich). Die Berg- geren Beständen, auf Lichtungen und an Moor - misch wälder sind mit Buchen durchsetzt und rändern. Rausch-, Heidel- und Preiselbeere sind durch besonderen Tannenreichtum gekenn- nahezu flächendeckend verbreitet. zeichnet, wobei die Waldgrenze von Buschwerk aus Vogelbeeren und Weichlaubhölzern gebil- Westeuropa (Schottland). Die Kaledonische det wird. Im Gebiet fehlen Vaccinien, weshalb Kiefer deckte einst weite Areale des Hochlands, Kräuter eine wichtige Rolle im Nahrungsspek - ist heute aber auf wenige Reliktbestände zu- trum der Auerhühner spielen. Der Reichtum rückgedrängt. Altbestände dieser endemischen der Krautschicht ist dabei eng an die Be- Kiefern-Rasse sind weitständig, mit meist breit- weidung durch Schafe und Rinder geknüpft (da kronigen Bäumen, unter denen eine geschlosse- Artenvielfalt und Verdaulichkeit durch wieder- ne Decke aus Heidelbeere und Heidekraut ge- holten Verbissdruck angehoben werden). deiht. Der Nadelwald wird von einem Netz - werk aus Mooren, Seen und Flüsschen durch- Pyrenäen-Südseite (Spanien, Andorra). Im brochen. In Gebirgslagen grenzt alpines Offen - auf fälligen Kontrast zur eher feuchten Nord sei - land, reich an Calluna und Kräutern, unmittel- te sind die Bergwälder der zerklüfteten Alpin - bar an die Waldbestände. landschaft im Süden niederschlagsarm; auf ma- geren Granitböden dominiert die Kiefer, Heidel- West- und Zentralalpen (Schweiz, Österreich). beere ist zum Teil großflächig verbreitet. Auf Der meist lichte Gebirgswald wird aus Fichte, kargen Felsblöcken gedeihen Vogelbeer bäum - Lärche und Zirbe gebildet; örtlich kann auch die chen, örtlich auch Latschen. Durch traditionelle Spirke bestandsbildend sein. Vaccinien, Kriech - Beweidung bleiben die Wälder parkartig offen. wacholder und Rhododendron bilden diverse patches in einer artenreichen Krautschicht. Mittelgebirge: Schwarzwald (Deutschland). Infolge eher trocken-kühler Witterung verrottet Die rauen Hochlagen sind von weitläufigen Totholz nur langsam, sodass Waldlücken durch Fichtenwäldern bedeckt, die im Süden an Lagerholz strukturiert sind. wüchsigen Bergmischwald (Fichte, Tanne, Bu- che; auf Granit), im Norden an mageren Kie- Ostalpen (Österreich). Im Bergwald dominiert fern wald (auf Buntsandstein) grenzen. Für das die Fichte, die je nach Untergrund und Höhen - Auerhuhn sind die eingesprengten Moore mit lage mit Buche, Lärche und Zirbe vergesell- Latschen und reichem Beerenvorkommen von schaftet ist. Sturmereignisse und Insektenkala - besonderer Bedeutung. mitäten reißen regelmäßig „Löcher“ in die oft- mals labilen Fichtenwälder. In Kalk- und Dolo- Variszisches Mittelgebirge: Harz (Deutsch - mitgebieten durchbrechen zum Teil sehr steile land). Der weitgehend isolierte Gebirgsstock ist Felswände die Waldflächen. Vaccinien (wie von relativ einförmigem Fichtenwald bedeckt; Erika, Heidekraut, Rausch- oder Heidelbeere) Vogelbeerbäumchen kommen vor allem auf sind auf Sonderstandorte beschränkt und wer- Störungsflächen vor. Artenreiche Mischwälder den in ihrer Bedeutung als Nahrungsquelle vor konnten nur in Talschluchten und an Sonnen - allem durch Kräuter ersetzt, deren Vielfalt spe- hängen Fuß fassen beziehungsweise sind auf ziell durch Waldweide gefördert wird (infolge tiefer gelegene Randbereiche beschränkt. Be- Selektion und regelmäßigem Verbiss). son deren Stellenwert für das Auerhuhn haben die weiten Moore in den Plateaulagen. Fatra und Tatra (Polen, Slowakei). Diese vom Alpenkamm völlig isolierten Gebirgsstöcke tra- Variszisches Mittelgebirge, Fichtelgebirge – gen vorwiegend fichtenreiche Bergwälder, de - Böhmerwald (Deutschland, Tschechien). Wenn 22 Ornithol. Anz., 48, 2009 auch das Auerhuhn alle Höhenstufen des lang- wirtschaft sowie Waldweide bedingt. Soweit gestreckten Mittelgebirgsrückens besiedeln diese Entwicklung den Laubholzanteil verrin- kann, so weist der Hochlagen-Fichtenwald gert hat, konnte dies zur Anhebung der Habi- doch die höchste Bestandsdichte bei weitge- tatqualität für Auerhühner führen; soweit sie hend konstanter Besiedlung auf. Die kargen aber auf Kosten der Kiefer verlief, ist sie für das und artenarmen Nadelwälder sind durch weit- Lebens raumangebot eher abträglich. ständige, tief beastete Bäume gekennzeichnet. Blockböden, Felsköpfe und Hochmoore durch- Erweiterung des natürlichen brechen das „Waldmeer“ und bieten einen Lebensraumange bots durch besonderen Reichtum an Vogelbeere, Heidel-, anthropogene Sekundärbiotope Preisel- und Rauschbeere. Der in der unteren Montanstufe angrenzende Bergmischwald Die artspezifische „Nische“ ist keineswegs auf (Fich te, Tanne, Buche; Bergahorn) kann vom räumliche und strukturelle Kriterien des Auerhuhn besiedelt werden, soweit das stark Lebensraumes beschränkt, formt sich vielmehr beschattende Kronendach durch Störungen auf- aus dem Wechselspiel von evolutiv erworbenen gerissen wurde (z. B. Sturmwurf, Borkenkäfer - Lebensstrategien mit dem ökologischen Umfeld gradation). In besonders frostigen Talmulden (wie Nahrung, Konkurrenz, Feinde, Reproduk- bieten sich dem Auerhuhn schwachwüchsige tion und saisonale Anforderungen an die Nadelwälder (Fichte, Kiefer, Spirke; einge- Physiologie) im Rahmen des arteigenen Anpas- sprengt auch Vogelbeere, Birke), die durch zahl- sungspotenzials (Tab. 1). Für diese Diskussion reiche Waldmoore durchbrochen sind. seien zunächst aber nur zwei Merkmale heraus- gegriffen, die als basale Qualitätskriterien für Die landschaftsprägende Dominanz der Auerhuhn-Lebensräume gelten: der Kronen - Fichte in den Bergwäldern ist großteils anthro- schluss im Altbestand und das Vorkommen von pogen beziehungsweise durch Forst- und Jagd - Heidelbeersträuchern. Nach der Habitatanalyse p pf f gy

Geschichte sibirischerȱUrsprung borealerȱNadelwald nacheiszeitlicheȱBesiedlung Tab. 1. Basale Aspekte der „Nische“ des lückigeȱ FeindȬ Deckung Lokomotion Balzplatz Wärme Auer huhns. Die Waldstruktur vermeidung „Nische“ ist das Ergeb - NadelbaumȬ SchlafȬ,ȱ nis einer komplexen Ernährung arten Balzplatz Einpassung individu- BodenvegeȬ FeindȬ eller Auerhühner in Deckung Lokomotion Balzplatz Ernährung tation vermeidung die lokalen Umfeld - Ökologie kontinentalesȱ Temperaturȱ bedingungen. Sie tan- Pulverschnee Klima zurȱSchlupfzeit giert alle Aspekte innerhalb der artspezi- geringeȱ (herbivoreȱ fischen Lebensstrate - Konkurrenz Huftiere) gie. – Fundamental (LuftȬȱundȱ geringerȱ Bodenfeinde,ȱ aspects of the Capercaillie Feinddruck Nesträuber) “niche“. The niche results from the complex FeindȬ FeindȬ NahrungsȬ Lernen Tradition Prägung fitting of individual birds erkennung vermeidung wahl StrukturȬ to local conditions. It Reifung Aufbaumen nutzung touches on all aspects Ethologie Nestbau,ȱ within the species-speci- Sozialisation Brutpflege Gelege fic life-strategy. sexuelleȱ FeindȬ SexualdiȬ Arenabalz Selektion vermeidung morphismus

KükenwachsȬ ƃȱ:ȱƂȱȬȱ Brutreife Partnerwahl Altersstruktur tum Verhältnis AufzuchtsȬ hoheȱ Population rȬStrategie Fluktuation Zyklen? erfolg Mortalität genetischeȱ isolierteȱ FragmenȬ genetischerȱ Morphen? Populationen tierung Austausch Wolfgang Scherzinger: Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns Tetrao urogallus 23 von Storch (1993) bevorzugen Auerhühner sehr tiven Böden bleibt der Feinddruck jedenfalls alte, lückige Wälder mit einem Kronenschluss sehr gering (Tab. 2). von nur 50–60%, sowie einem Deckungsgrad in Für das Management im Auerhuhnlebens- der Bodenvegetation von 80–100%, wobei eine raum des primären Typs heißt das Fazit, dass mehr bis minder geschlossene Heidelbeere - ein Zulassen oder Fördern natürlicher Entwick - decke als Optimum eingestuft wird. Für die lungen das örtliche Potenzial bestmöglich aus- praxisnahe Beurteilung des Lebensraum-Po- schöpft. Allerdings müssen anthropogene Ein- tenzials für Auerhühner in unserer Landschaft flüsse weitestgehend ferngehalten werden, wie sind somit die Fragen relevant: Welche ökologi- Störungen durch ungelenkten Tourismus, Prä - schen Umfeldbedingungen sind vorauszuset- dation durch indirekte Förderung der Feind- zen und wo gibt es derartige Waldbilder von fauna (z. B. Anhebung des Nahrungspotenzials Natur aus (primärer Biotop-Typ)? durch Abfälle, Düngung, Kalkung, Wildfütte - Nadelwälder mit geringem Kronenschluss rung, Maisanbau nahe der Peripherie; Tab. 3). sind typisch für magere Standorte in kühlen Eine Schlussfolgerung, dass der „Urhahn“ Regionen mit kurzer Vegetationsperiode, wie einen „Urwald“ bräuchte bzw. seine Lebens- das im Regelfall auf hohe nördliche Breiten raumansprüche auf urigen, „wilden“ Wald in beziehungsweise große Seehöhen im Gebirge unberührter Bergeinsamkeit zugeschnitten zutrifft. Unter solchen Umfeldbedingungen seien, greift dennoch zu kurz. Derartige Re - wächst bestenfalls Nadelwald. Ist das Waldge - fugien gibt es zum einen nur noch sehr be- biet zusätzlich von hohen Niederschlägen be - schränkt, und zum anderen kennen wir zahlrei- troffen, kann es zur Bodenversauerung, lang - che Auerhuhnvorkommen im Wirtschaftswald. fris tig auch zur Moorbildung kommen, eine gu - Die Nutzung von Wäldern reicht in Mitteleu - te Voraussetzung für das Wachstum von beeren- ropa wenigstens bis in die Jungsteinzeit zurück tragenden Zwergsträuchern, wie den Vaccinien. und war wesentlich vielseitiger als heute, zum Bei derartiger Ungunstlage und wenig produk- Teil auch deutlich intensiver, mit ganz erhebli-

WuchsȬ Tab. 2. Habitatbestimmende Umwelt Standort Waldbestand Struktur Nahrung Feinde bedingungen Parameter im primären Biotop-Typ des Auerhuhns. hoheȱ Nadel wälder mit geringem nördlicheȱ Kronenschluss und flächiger Breite Zwergstrauch decke gelten großeȱȱ kühlesȱ als essenzielle Basis von Seehöhe Lokalklima Auer huhnbiotopen. In ho hen kurzeȱ nördlichen Breiten und im Vegetationsȱ periode Gebirgswald entwickeln sich die Qualitäten dieses primä- hoheȱNiederȬ geringeȱ ren Biotop-Typs infolge des schlagsmenge Bodenbonität kühlen und meist nieder- schlagsreichen Klimas, spe- ziell bei geringer Boden - BodenȬ HochȬȱundȱ versauerung Niedermoore bonität. – Habitat-determining parameters in the primary bio - geringerȱ geringerȱ tope-type for the Capercaillie. Nadelwald Kronenschluss Feinddruck Conifer woods with low connec- tivity in the canopy and closed hoherȱAnteilȱ Heidelbeere ground-cover of sub-shrubs are AmeisenȬ the essential basis of Caper caillie kolonien biotopes. The qualities of this Lücken,ȱ primary biotope-type develop at Freiflächen,ȱ high northern latitudes and in beiȱhoherȱ Grenzlinien,ȱ montane forests as a con se - StöranfälligȬ Totholz,ȱ keit quen ce of cool climate, mostly Lagerholz,ȱ with high precipitation, and Gastrolithen especially with low soil-fertility. 24 Ornithol. Anz., 48, 2009

Tab. 3. Fazit für das Management im Auerhuhnlebensraum des primären Typs. – Summary of mana- gement aims in Capercaillie habitat of the primary type.

• Zulassen natürlicher Entwicklungen begünstigt Auerhuhn • Naturferne Bewirtschaftung benachteiligt Auerhuhn • Hohe Umtriebszeiten fördern räumige Altbestände mit geringem Kronenschluss-Grad • Lückensystem durch ökosystemare „Störungen“ (Windwurf, Pilz- und Insektenbefall) • Stabilisierung des Lückensystems durch große Weidetiere • Förderung krautiger Vegetation durch große Weidetiere • Optimierung der Winternahrung durch Förderung von Nadelbäumen, Vogelbeere • Optimierung der Frühjahrsnahrung durch Schutz der Moore (Wollgras), Sicherung alter Einzelbuchen, Lärchen • Senkung des Unfallrisikos durch Vermeidung von Zäunen, Leitungsdrähten, Verkehr • Senkung des Prädatorenrisikos durch Vermeidung dichter Straßennetze, Verhinderung der Begünstigung von Rotfuchs, Wildschwein, Habicht (z. B. Maisanbau, Gülle, Abfälle, Taubenhaltung, Wildfütterung, Kirrung) • Senkung anthropogener Störungen durch Wildschutzgebiete zur Balz-, Brut- und Aufzuchtszeit chen Auswirkungen auf das Lebensraumange- durch Streunutzung oder Intensiv-Beweidung, bot für die Vogelwelt (vgl. Scherzinger & Versauerung durch Nadelholz-Monokultur), Schumacher 2004). Da jeder Eingriff in das durch die einerseits die standortheimischen Waldökosystem die Gewichtung im mutualisti- Laubbäume verdrängt werden, andererseits schen Beziehungsnetz verschieben kann (wie Heidelbeere und Heidekraut gegenüber der ur- Öffnung des Kronendachs und Senkung des sprünglichen Krautschicht an Konkurrenzkraft Höchstalters der Bestände durch Holzernte, gewinnen. Als Konsequenz roher Übernutzung Bodenverwundung und -aushagerung durch degradieren selbst Laubmischwälder auf ehe- Streu nutzung, Nährstoffeintrag durch Dün - mals reicheren Böden zu armen Kiefernwäl - gung, Kalkung oder Tierfütterung, Eintrieb von dern. Da die Bäume in derartigen Forsten im Weidevieh oder Abschuss von Rotfuchs, Regelfall zu dicht stehen, hängt es von den Baummarder und Habicht, Pflanzung von Na - jeweiligen Hiebsformen ab, ob ausreichend delholz und Dränage von Waldmooren etc.), Grenz linien, Lücken und Lichtungen geboten entscheidet die aktuelle Nutzungsform, ob ein werden (z. B. über Kahl-, Saum- und Schirm- Waldgebiet – rein zufällig – für Auerhühner schlag). Auch können Kalamitäten die Habitat - habitattauglich ist oder nicht. qualität anheben, zumal künstliche Nadelforste Entsprechend seien für die praxisnahe Beur- besonders störanfällig sind. In deutlichem Un- teilung des Potenzials an Lebensräumen auch terschied zur tolerablen Feindfauna in den pri- für den sekundären Biotop-Typ die Fragen ge - mären Habitat-Typen meist unwirtlicher Lage, stellt: Welche anthropogenen Eingriffe voraus- erscheint eine gezielte Prädatorenkontrolle in zusetzen sind, damit lückige Altbestände mit den Sekundärbiotopen unerlässlich, soweit geringem Kronenschlussgrad und weitgehend diese in milderen Klimaten liegen, in Nach bar - flächiger Heidelbeerdecke entstehen, und wo schaft zu fruchtbaren Böden oder Kultur- und gibt es derartige nutzungsbedingte Waldbilder? Siedlungslandschaft – mit ihren Feldfrüchten, Auerhuhntaugliche Nadelwälder, speziell Kie- Futterresten und Abfällen (Tab. 4). fern forste, können gänzlich standortfremd be - Als reales Beispiel seien die trockenen Kie- gründet werden, sogar außerhalb des natürli- fern wälder auf Eichen-Hainbuchen-Standort in chen Artareals der Koniferen. In der Folge ent- der Lausitz erwähnt, wo sich Auerhühner ansie- standen Auerhuhnbiotope selbst in milden deln konnten, nachdem der Nadelholzanteil von Lagen der Collin- bis unteren Montanstufe ur sprünglich 16 % auf 88 % angehoben wurde beziehungsweise auf mittlerer nördlicher Breite. (be ziehungsweise Eiche von 15 % auf 1 % und Voraussetzung ist eine nutzungsbedingte Min - Hain buche von 17 % auf 0 % zurückgedrängt; derung der Bodenbonität (z. B. Aushagerung Möckel et al. 1999). Vergleichbare Auerhuhn- Wolfgang Scherzinger: Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns Tetrao urogallus 25

WuchsȬ Tab. 4. Habitatbestimmende Umwelt Standort Waldbestand Struktur Nahrung Feinde bedingungen Parameter im sekundären Biotop-Typ des Auerhuhns. mittlereȱ Außerhalb des naturgegebe- nördlicheȱ nen Verbreitungsgebietes Breite konnten sich Auerhühner Lokalklimaȱ ansiedeln, soweit sich infolge collinȱbisȱ gemäßigtȱbisȱ Übernutzung der Böden und montan warm Förderung von Nadelbäu - mittlereȱbisȱ men lückige Waldstrukturen langeȱ und eine flächige Zwerg - VegetationsȬ strauch vegetation entwickel- periode ten. Die Qualität rein anthro- pogener Biotope (sekundärer geringeȱbisȱ Typ) erlaubt mitunter hohe abgesenkteȱ hoheȱNiederȬ Siedlungsdichten, ist aber Bodenbonität schlagsmenge von einer strikten Predato- ren kon trolle abhängig. – BodenȬ (anmoorigeȱ Habitat-determining parameters versauerung Seigen) in secondary biotope-types for anthropoȬ intensiveȱ the Capercaillie. Capercaillies geringerȱ generȱ PrädatorenȬ were able to settle outside the Kronenschluss Nadelwald kontrolle original, “natural” range, where hoherȱAnteilȱ gappy forest structures and Heidelbeere extensive sub-shrub vegetation (AmeisenȬ developed as a consequence of kolonien) excessive use of soils and pro- motion of conifers. The quality of purely anthropogenic biotopes Kahlschlag,ȱ (of this secondary type) may hoheȱ Saumschlag,ȱ allow high densities of settle- StöranfälligȬ Schirmschlag,ȱ ment but is dependent on the keit Grenzlinien,ȱ strict control of predators. Wegeschotter

biotope sind aus der Rhön, dem Salzforst oder Zustand hingegen nur über eine naturferne bis dem Nürnberger Reichswald bekannt. Noch naturfremde Forstwirtschaft erhalten werden gravierender erscheint der Wandel vom fri- kann (Tab. 5). schen Linden-Eschen-Mischwald zum feuchten Kiefern- Reinbestand mit geschlossener Die Nischenbreite am Beispiel Heidelbeerdecke in einem Fall aus der saisonaler Nahrungswahl Oberpfalz. In jedem Fall führte die Entwicklung anthro- Herbivore Wirbeltiere lassen sich grob nach ih - pogener Nadelforste zu einer bedeutenden Er - rem Verdauungssystem typisieren: einem „alt - weiterung des Lebensraum-Potenzials für Auer- modischen“ Cäcal-Typ, der selbst energiearme hühner in Mitteleuropa, dessen Erhaltung nur und rohfaserreiche Nahrung in voluminösen über eine Fortführung ausbeuterischer Nut- Blinddärmen verwerten kann (Saurier, Großvö - zungs systeme gewährleistet ist. Tatsächlich gel, Elefanten), und dem „moderneren“ Wieder- hängt die Qualität von Auerhuhn-Lebensräu - käuer-Typ, der über einen mehrfach gekammer- men weder von der Standortgerechtigkeit der ten Magen und besondere Speichelzusammen - Baumartenmischung noch von der Naturnähe setzung auch giftige und kieselsäurehältige der Waldentwicklung ab. In deutlichem Kon - Pflanzen nutzen kann (Guthrie 1984). trast zum Management im Auerhuhnlebens- Auerhühner entsprechen einem hoch spe- raum des primären Typs heißt das Fazit für zialisierten Cäcal-Typ. Mithilfe besonderer Ein- anthropogene Sekundärbiotope, dass ein Zu - zeller kulturen in ihren ungewöhnlich langen lassen natürlicher Entwicklungen zur Minde- Blinddärmen sind sie in der Lage, selbst holzige rung der Biotopqualität führt, der geeignete Triebe und harzreiche Kiefernnadeln aufzu- 26 Ornithol. Anz., 48, 2009

Tab. 5. Fazit für das Management im Auerhuhnlebensraum des sekundären Typs. – Management aims for Capercaillies in secondary habitats.

• Zulassen natürlicher Entwicklungen benachteiligt Auerhuhn • Naturferne bis naturfremde Forstwirtschaft begünstigt Auerhuhn • Optimierung der Winternahrung durch Anbau / Aufforstung von Nadelholz (speziell Kiefer) • Regelmäßige Verlichtung zur Senkung des Kronenschluss-Grads • Optimierung von Lückensystem und Randlinien durch Saum- und Keilschirmschlag • Optimierung der Frühjahrs- und Sommernahrung durch Förderung der Vaccinien (über Bodendegradation und Bodenversauerung, Vermeidung von Kalkung und Düngereintrag) • Optimierung von Waldstruktur und Bodenvegetation durch Bodenaushagerung (z. B. Kahlschlag, Streunutzung, Beweidung mit Großtieren) • Angebot von Gastrolithen durch Wegebau (Schotterung) • Senkung des Unfallrisikos durch Vermeidung von Zäunen, Leitungsdrähten und Verkehr • Gezielte Regulation von Rotfuchs, Wildschwein, Rabenvögel, Habicht • Senkung anthropogener Störungen durch Wildschutzgebiete zur Balz-, Brut- und Aufzuchtszeit

schließen und zu verwerten. Darüber hinaus Zweigen ihren Betriebsstoffwechsel aufrecht- nehmen die Hühner Lehm-Erde, Moderholz halten (vgl. Lieser et al. 2006). Ein solches Nah- oder Holzasche auf, um Tannine, Harze und rungsangebot ist selbst in ärmsten Nadelwäl - andere pflanzliche Hemmstoffe zu neutralisie- dern nahezu unbegrenzt verfügbar, weshalb es ren. Dank dieser besonderen Anspruchs losig - für die Wintermonate – bei hoher Schneelage keit können Auerhühner auch in ausgesprochen und tiefen Temperaturen – faktisch keinen nahrungsarmen Wäldern überwintern und Nahrungsengpass gibt. Doch die Ansprüche allein mit Koniferennadeln und verholzten erhöhen sich im zeitigen Frühjahr sprunghaft,

Tab. 6. Im Winterhalbjahr werden unter den Nadelbäumen die Kiefernarten (Gattung Pinus ) bevorzugt, doch muss das Auerhuhn in weiten Teilen seines Verbreitungsgebietes mit Fichten (Gattung Picea ) zurechtkommen. Primär- und Sekundärbiotope unterscheiden sich nicht hinsichtlich der Nahrungsressourcen. – Amongst the coni- fer species, Pines (genus Pinus) are preferred during the winter half-year but in many parts of its range the Capercaillie has to make do with Spruce (genus Picea). Primary and secondary biotopes do not differ with respect to food resources.

Waldȱ Spirkeȱ Heidelȱ Heideȱ Schw.Ȭȱ Vogelȱ Stechȱ Fichte Tanne Lärche Buche Zirbe Eiche Verbreitungsgebiet kiefer Latsche beere kraut föhre beere palme Biotop

WestȬZentralȬAlpen Schwarzwald Ostalpen Pyrenäen SüdȬOstȬSibirien Schottland Thermenlinie/Österr. Ȭ Typ Skandinavien Finnland Primär Böhmerwald Voralpen Fatraȱ/ȱTatra Kantabrien SächsischeȱSchweiz Harz

Salzforst/Rhön

Ȭ Typ ReichswaldȱȬȱAllersbg. Waldsassen Lausitz

Sekundär Frankenwald Wolfgang Scherzinger: Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns Tetrao urogallus 27

Heidelȱ Vogelȱ Heideȱ Blütenȱ Wollȱgras Buche Lärche Kräuter Verbreitungsgebiet beere beere kraut kätzch. Biotop

Ostalpen Böhmerwald SüdȬOstȬSibirien Schottland Schwarzwald Finnland Skandinavien Ȭ Typ WestȬȱZentralȬAlpen Voralpen Primär Fatraȱ/ȱTatra Harz SächsischeȱSchweiz Thermenlinie/Österr. Pyrenäen Kantabrien

Salzforst/Rhön

Ȭ Typ ReichswaldȱȬȱAllersbg. Frankenwald Lausitz

Sekundär Waldsassen

Tab. 7. Im Frühjahr entscheidet das Angebot eiweißreicher Pflanzen über die Legeleistung und damit über den Reproduktionserfolg der Hennen. Soweit erreichbar, spielen Heidelbeere und Wollgras eine dominante Rolle; bei anhaltender Schneelage werden Knospen der Buche (Lärche) genutzt. Da Sekundärbiotope meist in tieferen bzw. schneefreien Lagen begründet wurden, dominieren hier Heidekrautgewächse in der Frühjahrsnahrung. – The availability of protein-rich plants in spring determines the egg-laying performance and thereby the reproductive suc- cess of the hen birds. If accessible, Bilberry and Cotton-sedge play a dominant role; if snow-cover persists, buds of Beech (or Larch) are taken. Since secondary biotopes mostly formed at lower and snow-free altitudes, ericaceous shrubs predominate here as springtime food. da die Hennen zur Zeit der Eireife einen hohen Waldbeeren, Kräutern und frischen Trieben Bedarf an energiereicher und proteinreicher erfordern (Klaus et al. 1989, Scherzinger 2002). Nahrung haben. Jetzt spielen – je nach Schnee- Für den großräumigen Gebietsvergleich decke beziehungsweise Erreichbarkeit – quellen- seien aus dem saisonal wechselnden Nahrungs- de Knospen und frische Blätter von Heidel-beer- bedarf drei wichtige Abschnitte herausgegrif- sträuchern, Buchen und Lärchen sowie die fen, um die Bandbreite des Nahrungsangebots Blütenpollen von Wollgras oder Weidenkätz chen in Win ter, Frühjahr und Sommer in Auerhuhn - eine entscheidende Rolle. Für die Habi tat qualität lebens räumen in Europa aufzuzeigen (primärer ist zum zweiten das Angebot an leicht erreichba- und sekundärer Biotop-Typ). ren Insekten und frischen beziehungsweise gut verdaulichen Kräutern zur Schlupf- und ersten Winternahrung (Tab. 6). Nach ernährungsphy- Führungszeit der Küken entscheidend. Die dritte siologischen Vergleichen kann das Auerhuhn kritische Phase trifft auf den Hochsommer, wenn aus Kiefernnadeln mehr Energie gewinnen als das rasche Wachstum der Jungvögel und die aus Fichten- oder Tannennadeln (Lieser et al. Mauser ein reiches Angebot an diversen 2006), entsprechend werden Kiefern als Winter- 28 Ornithol. Anz., 48, 2009

T Heidelȱ Preiselȱ Heideȱ Himȱ Bärenȱ Grasȱ Kräuter Buche Kiefer Fichte K Verbreitungsgebiet beere beere kraut beere traube samen Biotop S WestȬȱZentralȬAlpen Z Böhmerwald I Voralpen K Ostalpen S a SüdȬOstȬSibirien P Schottland a Schwarzwald Ȭ Typ g Fatraȱ/ȱTatra W Finnland e Primär Skandinavien B Pyrenäen c Harz l SächsischeȱSchweiz w Kantabrien g Thermenlinie/Österr. y p Salzforst/Rhön f

Ȭ Typ ReichswaldȱȬȱAllersbg. Waldsassen d Lausitz t

Sekundär Frankenwald

Tab. 8. Neben frischen Blättern und Kräutern spielt die Heidelbeere in der Sommernahrung eine zentrale Rolle. Zucker und verdauungsregelnde Inhaltsstoffe begünstigen Körperwachstum, Gefiedermauser und Stoffwechsel der Jungvögel, letztlich auch deren Abwehrkraft gegen Parasiten. Da Vaccinien hauptsächlich auf sauren (bzw. versauerten) Böden gedeihen, benötigen Auerhühner in Wäldern auf Kalk- bzw. Dolomitgestein eine reichhalti- ge Krautschicht zur Bedarfsdeckung. – Bilberry plays a central role as summer food, alongside fresh leaves and herbs. Sugars and substances which regulate the digestion promote growth, moult and metabolism of the young birds, and also their resistance to parasites. Since Vaccinium species chiefly flourish on acid (or acidified) soils, Capercaillies in forests on limestone or dolomite need a rich herb?layer to meet their requirements. nahrung bevorzugt. Allerdings gibt es auch Wollgrases (Eriophorum vaginatum und E. angu- innerhalb eines Kiefernwaldes Präferenzen für stifolium), doch ist sein Vorkommen auf staunas- einzelne Bäume oder gar Kronen abschnitte, so - se Waldlichtungen und Randbereiche von Moo- dass Zweige mit geringerem Tanningehalt se- ren beschränkt. Das Heidekraut spielt vor allem lek tiv abgefressen werden. Soweit vertreten, in sekundären Kiefernforsten eine Rolle. werden auch andere Pinus-Arten wie Zirbe und Spirke genutzt. Bedingt durch die meist großen Sommernahrung (Tab. 8). Bis auf wenige lokale Seehöhen (Alpen, Mittelgebirge) und durch Ausnahmen nehmen Heidelbeer-Früchte eine Waldbau (sekundäre Forste), dominiert im mit- klare Schlüsselposition ein. Die auf magere und teleuropäischen Auerhuhnareal dennoch die saure Böden beschränkten Vaccinien sind in Fichte. Tanne, Lärche und Buche haben nur ört- Kalk- und Dolomitgebieten selten bis fehlend; liche Bedeutung. ihre Funktion wird hier vor allem von Kräutern getragen. Himbeere, Brombeere und andere Frühjahrsnahrung (Tab. 7). Bei anhaltender Waldfrüchte (z. B. Hagebutte, Weißdorn, Wild- Schnee lage ist nur das Angebot in den Baum - obst) sind nur von lokaler Bedeutung. kronen erreichbar, weshalb Knospen der Buche (Lärche, Vogelbeere) gezielt abgeerntet werden. Der tabellarische Vergleich macht einerseits Sobald der Waldboden ausapert, werden deutlich, dass Auerhühner in Habitaten des pri- Knospen und Triebe der Heidelbeere genutzt. mären und sekundären Typs die weitgehend Eine besondere Präferenz gilt den Blüten des gleichen Ressourcen nutzen – völlig unabhän- Wolfgang Scherzinger: Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns Tetrao urogallus 29

Tab. 9. Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns entspricht der Summe aller örtlich „realisierten Nischen“ innerhalb des transkontinentalen Verbreitungsgebiets (Position des Auerhuhnbiotops im Bayerischen Wald bei- spielhaft angeführt). – The „fundamental niche“ of the Capercaillie corresponds to the sum of all locally „realized niches“ within the transcontinental range of the species (position of the Capercaillie biotope in the Bavarian Forest shown as illu- stration).

FundamentaleȱNischeȱdesȱAuerhuhns

Extremȱ Bayerischerȱ ExtremȱSüd Nord Wald

Borealerȱ Nadelwaldȱ Collinerȱ Nadelwaldȱ hochmontan,ȱ Laubwaldȱ (KieferȬ Mischwaldȱ (BucheȬ Fichte,ȱ montanȱ(FichteȬ Eiche) Hochmoore) BucheȬTanne)

ȈKräuterȈ ȈKräuterȈ Vaccinien Vaccinien

realisierteȱ potentielleȱ potentielleȱ potentielleȱ potentielleȱ potentielleȱ potentielleȱ realisierteȱ realisierteȱNische Nische Nische Nische Nische Nische Nische Nische Nische gig von natürlichem oder anthropogenem sie meist merklichen Einflüssen von außen Angebot-, anderseits eine lokaltypische Kombi- (Stoffeinträge, hohe Prädatorendichte, massive nation nutzbarer Nahrungspflanzen für jedes Störungsfrequenz) und einer kleinparzellierten einzelne Verbreitungsgebiet charakteristisch ist. Fragmentierung (Müller 1987, 1995, Möckel et Diese Einpassung an die örtlichen Verhältnisse al. 1999). Auerhuhngerechte Forste benötigen entspricht der jeweils „realisierten Nische“, eine permanente Pflege und Gestaltung, vor al- innerhalb dieser wirken Auerhühner speziali- lem einen fortlaufenden Nährstoffentzug, auch siert und stenök. Die Summe aller „realisierten muss die Feindfauna kurzgehalten werden. Nischen“ ergibt die „fundamentale Nische“, die Primäre Biotop-Typen sind uns vor allem in ein relativ hohes Maß an ökologischer Plas- Bergwäldern der Alpen und höheren Mittel - tizität erkennen lässt, zwischen laubwaldbeton- gebirge erhalten, wenn auch durch Forstbetrieb, ten Habitaten im milden Süden, mit reicher Waldweide und Erschließung meist deutlich Krautschicht, und nadelwaldbetonten Habita- beeinflusst. Hier ist eine positive Beziehung ten im frostigen Norden, mit Mooren und flä- zwischen Naturnähe und Biotopqualität für chig gebotenen Beerensträuchern (Tab. 9). Auerhühner zu erwarten, zumal nicht nur hohe Altersklassen und Totholzstrukturen, sondern Entscheidungswege im Natur- auch natürliche Störungsmuster den Lebens- und Artenschutz raum bereichern. Auf gezielte Pflege und Ge - staltung kann im naturnahen Gebirgswald weit- Als Resümee sei festgestellt, dass grundsätzlich gehend verzichtet werden. Vielmehr sind für weder die Eignung noch die Qualität von die Bestandssicherung des Auerhuhnes Extensi- Auerhuhnlebensräumen vom Naturnähe-Grad vierung oder Verzicht auf Holznutzung von des Waldes abhängen. Tatsächlich können rein Vor teil, auch kann extensive Beweidung örtlich anthropogene Forste bei entsprechendem Be - günstig sein. standsaufbau alle Bedürfnisse der Waldhühner In Anbetracht der zahlreichen Anforderun- im Jahreslauf abdecken, in Einzelfällen sogar gen, die bereits heute aus Gesellschaft, Energie- „überoptimale“ Bedingungen bieten, mit deut- und Bauwirtschaft, Landschaftsschutz, Erho- lich höheren Siedlungsdichten als im Ur - lung und Trinkwassersicherung etc. an das Ma- sprungsgebiet (Tab. 10). Solche sekundären na ge ment im Wald gestellt werden, wird auch Biotop-Typen entstanden vor allem im Flach- die grundsätzliche Frage an den Natur- und Ar - und Hügelland, z. T. in enger Verzahnung mit tenschutz gestellt, welche Funktionen der Wald Agrar- und Grünland. Entsprechend unterliegen in Zukunft hinsichtlich Ökologie und Biodiver- 30 Ornithol. Anz., 48, 2009

Tab. 10. Für die Eignung eines Waldgebietes als Auerhuhn-Lebensraum sind ein hoher Nadelholzanteil, ein lük- k iger Kronenschluss, eine reich ausgebildete Bodenvegetation und geringer Feinddruck ausschlaggebend (hohe Präferenz für Moore, soweit geboten). Der Grad an Naturnähe spielt hingegen keine Rolle, weshalb der „Urhahn“ keineswegs an „Urwald“ gebunden ist. – For a forest to be suitable as Capercaillie habitat, a high propor- tion of conifers, a discontinuous canopy, well developed ground vegetation and low predator pressure are decisive (with a high preference for bogs, where present). The degree of naturalness, on the other hand, plays no role. The German name ‘Auerhahn’, which reflects the primitive appearance of the bird, does not imply a dependence on ancient woodlands.

natürlich naturnahȱ/ȱnaturgemäß naturfern naturfremd Nadelholz ȱ Reservat ȱ Baumarten Bauernwald ȱ ȱ Hochwald Ȭ Nutzung ȱ Waldweide Femelhieb Plenterwald ȱ ȱ Umtriebszeit Umtriebszeit ȱ

Waldgesellschaft nutzungsfreies ȱ extensive ausgebeuteter lange Schirmschlag räumiger Feuermanagement Einzelstamm Saumschlag gestufter standortfremdes schlagweiser kurze ȱ Streunutzung Großkahlschlag gebietsfremde

BorealerȱNadelwaldȱ(KieferȬFichte) BorealerȱMischwaldȱ(KieferȬEicheȬBuche) SubalpinerȱNadelwaldȱ(FichteȬLärche) SubalpinerȱNadelwaldȱ(Fichte) HochmontanerȱMischwaldȱ(FichteȬBucheȬAhorn)

MontanerȱMischwaldȱ(FichteȬBucheȬTanne) SubmontanerȱBuchenwald CollinerȱMischwaldȱ(EicheȬKieferȬBuche) CollinerȱLaubmischwaldȱ(BucheȬEicheȬHainbuche) PlanarerȱLaubmischwaldȱ(EicheȬLindeȬEsche)

PlanarerȱNadelwaldȱ(KieferȬFichteȬTanne) TieflandȬNadelwaldȱ(FichteȬKiefer) sität erfüllen soll. Für das Management im Wald naturgegebenen Störungen (Sturmlücken, ergeben sich aus heutiger Sicht vier grundlegen- Käfer nester, Lawinenstriche) – bis hin zum de Optionen, mit jeweils sehr unterschiedlicher Arten-Turnover im Baumbestand. Entspricht Bedeutung für das Auerhuhn. dem Nationalpark- und Wildniskonzept, wobei Auerhühner die jeweils zufällig geeigneten Optimierung des Auerhuhn-Biotops durch Waldflächen besiedeln können. Förderung von Nadelholz (besonders Kiefern- arten), durch Gestaltung von Bestandslücken Optimierung der Nachhaltigkeit (von Be- und Randlinien (zum Beispiel mittels Femel- stands kontinuität, Altersklassenaufbau, Baum - hieb, Saumschlag, Waldweide), durch Förde - artenzusammensetzung und Holzernte) durch rung der Heidelbeere (Nährstoffentzug, z. B. langfristige Waldbaukonzepte, wie Dauerwald durch Streunutzung, Waldweide, Feuermana ge - und Plenterwald. Eignung als Auerhuhnbiotop ment), letztlich durch Kontrolle der Feindfauna bei Entwicklung eines dicht verzweigten (Reduktion von Rotfuchs, Baum- und Steinmar - Lückensystems, zum Beispiel durch Gruppen- der [Habicht, Uhu]). Entspricht artspezifischem plenterung. Soweit dauerhafter Kronenschluss Biotop- und Artenschutz, der sich zur Gänze an zu starker Beschattung des Waldbodens führt, den Bedürfnissen des Auerhuhns orientiert. bleibt die Habitateignung für Auerhühner unterdrückt, trotz hoher Altersklassen. Optimierung der Naturnähe der Waldentwick - lung, durch Zulassen naturgegebener Sukzes - Optimierung der Biomassenproduktion durch sion (mit Hochstauden, Pioniergehölzen, Natur- industriellen Waldbau und bestmögliche Aus - verjüngung), auch von Uralt- und Zerfallspha - nutzung des Holzzuwachses. Die wachsende sen (inklusive „vergreisten“ Altbeständen, Nach frage nach Holz als Werkstoff und Ener - park artig „aufgelösten“ Beständen), selbst von gie lieferant kann zur Verkürzung der Um - Wolfgang Scherzinger: Die „fundamentale Nische“ des Auerhuhns Tetrao urogallus 31 triebszeit, Ganzbaumernte und Verwertung von birgsla gen und kalten Tiefebenen entwickeln Schlagabraum, Borke und Wurzelstöcken füh- sich diese infolge von Seehöhe, Lokalklima, ren (zum Beispiel für Hackschnitzel), um maxi- Niederschlag und nährstoffarmen Böden. Zur male Erträge zu erwirtschaften. Eine Steigerung Sicherung von Habitaten dieses primären Typs erscheint durch Düngung (Kalkung) und Förde - ist die Optimierung von Naturnähe zu empfeh- rung schnellwüchsiger – auch fremdländischer len. Gänzlich umgekehrt verhält es sich bei – Baumarten denkbar. Kein relevanter Platz ist Waldstrukturen und Vegetationszusammen set - für Auerhühner zu erwarten in einem Forst, der zung, die rein anthropogen begründet wurden auf maximale Erträge ausgerichtet ist. und – rein zu fällig – günstige Lebensbedin - Da die Ausweisung großräumiger Auerhuhn- gungen für Auer hühner bieten. Soweit der lok- re ser vate, die funktionierende Meta-Populatio - kere Kronen schluss durch Holzeinschlag und nen als Ganzes umfassen könnten, illusorisch die ausgeprägte Zwergstrauchdecke durch eine ist, erscheint eine funktionelle Kombination von nutzungsbedingte Aushagerung der Böden er- Schutz- und Nutzwald als bestmögliche Lösung reicht wurden, müssen diese massiven Eingriffe (Scherzinger 1996). Bei enger Verzahnung von weitergeführt werden, um die Qualität von Ha- Waldreservaten, deren Entwicklung natürlichen bi ta ten des sekundären Typs zu sichern. Prozessen überlassen bleibt, und Produktions- Für ein multifunktionales Management der wäldern, die nach unterschiedlichsten Gesichts - Wälder wird eine enge Verzahnung von nut- punkten bewirtschaftet werden, lässt sich ein zungsfreien Waldreservaten und unterschied- diverses Mosaik aus Habitatpatches entwickeln, lich bewirtschafteten Wäldern propagiert, wo- wobei gezielte Artenschutzmaßnahmen für bei gezielte Artenschutzmaßnahmen für Auer - Auerhühner (wie Wiedervernässung trockenge- hühner zum Beispiel über Vertragsnaturschutz legter Moorwälder, Beweidung oder Mahd von zusätzlich zu integrieren wären. Waldwiesen, Angebot an Magensteinchen, Mar- kierung von Wildschutzgebieten zur Abschir- Literatur mung von Störungen) z. B. über Vertragsnatur - schutz zusätzlich zu integrieren wären (Scher- Guthrie, D. (1984): Mosaics, allelochemics and zinger 2003, 2005). nutrients. In: Martin und Klein: Quaternary extinctions – a prehistoric revolution. Univ. Zusammenfassung Ari cona Press/Tucson: 259-294. Hofmann, R. (1978): Die Stellung der europäi- Innerhalb seines transkontinentalen Verbrei- schen Wildwiederkäuer im System der tungsgebietes benötigt das Auerhuhn in erster Äsungstypen. Jagd + Hege, Enke-Verlag/ - Linie Nadelbäume, Heidekrautgewächse, di- Stuttgart, Ausbildungsbuch 1: 9-18. verse Blüten, Blätter und Kräuter als Nah- Klaus, S., A. Andreev, H.-H. Bergmann, F. rungsressourcen, wobei es in einzelnen Ge- Müller, J. Porkert und J. Wiesner (1989): Die bieten die jeweils günstigste Kombination aus Auerhüh ner. Neue Brehm-Bücherei, Witten- dem örtlichen Nahrungsangebot wählt. Aus berg-Lu ther stadt 86. dem Vergleich von zwölf stichprobenartig he- Lieser, M., T. Töpfer, K.-E. Schroth & P. Berthold rausgegriffenen Verbreitungsarealen wird ei - (2006): Energetische Beurteilung von Koni - ner seits die artspezifische Anpassungsbreite feren nadeln als Winternahrung von Auer - des Auerhuhns – als „fundamentale Nische“ – hühnern Tetrao urogallus. Ökologie der Vögel abgeleitet, andererseits die relative Stenökie 28: 1-29. innerhalb der örtlich „realisierten Nische“ ver- Möckel, R., F. Brozio & H. Kraut (1999): Auer- deutlicht. huhn (Tetrao urogallus) und Land schafts wan - Auerhühner folgten der nacheiszeitlichen del im Flachland der Lausitz. Mitt. Verein Ausbreitung von Nadelwäldern bis Europa, so- Sächs. Ornithologen 8 / Son der heft 1: 1-202. weit hier Waldstrukturen und Nahrungs pflan - Müller, F. (1987): Habitat linking – a means of zen dem Angebot im zentralasiatischen Ur - saving remnant grouse-population in Cen - sprungsgebiet glichen. Dabei gelten ein gerin- tral Europe. Proceed. 4th Intern. Grouse ger Kro nen schluss (50–60 %) und eine flächig Sym po sium/Lam, Kapitel 32: 16 S. ausgeprägte Zwergstrauchdecke (80–100 %) als Potapov, R. & Flint, V. (1989): Handbuch der essenzielle Habitatparameter. In höheren Ge- Vögel der Sowjetunion. Ziemsen-Verlag, 32 Ornithol. Anz., 48, 2009

Witten berg-Lutherstadt. Band 4 Galliformes, tung Bayer. Wald/Grafenau, Wiss. Grui formes: 126-142. Schriften reihe 15. Scherzinger, W. (1996): Naturschutz im Wald – Scherzinger, W. (2005): Klimax oder Katastro- Qualitätsziele einer dynamischen Waldent - phen – kann die Dynamik naturgegebener wick lung. Ulmer-Verlag, Stuttgart. Wald entwicklung zur Bewahrung der Bio - Scherzinger, W. (2002): Biotopschutz für Auer- diver sität beitragen? Laufener Seminar bei - hühner im Spiegel der artspezifischen Einni - träge 1/05: 19-32. schung der großen Waldhühner. In: Auer - Scherzinger, W. & H. Schumacher (2004): Der hahnschutz und Forstwirtschaft. Ber. Bayer. Einfluss forstlicher Bewirtschaftungsmaß - Landes anstalt für Wald u. Forstwirtschaft nahmen auf die Vogelwelt – eine Übersicht. 35: 1-14. Vogel welt 125: 215-250. Scherzinger, W. (2003): Artenschutzprojekt Storch, I. (1993): Habitat use and spacing of Auer huhn im Nationalpark Bayerischer Capercaillie in relation to forest fragmenta- Wald von 1985-2000. Nationalparkverwal - tion patterns. Diss. Univ. München. Norbert Reger: Zur Moorentwicklung im Steinwald 33

Ornithol. Anz., 48: 33–35

Zur Moorentwicklung im Steinwald

Norbert Reger

On the development of the bogs in the Steinwald Norbert Reger, Arnoldsreuth 1, 95704 Pullenreuth E-Mail: [email protected]

Einleitung (der Begriff Lohe wird allgemein für die Moor- flä chen verwendet): Moore begannen ihr Wachstum seit dem Ende „Sie sind entweder gar nicht, oder nur mit verkrüp- der letzten Eiszeit vor ca. 8000 Jahren. Die pelten Fichten- und Tannenbeständen bestockt. Die Voraussetzungen dafür waren im Steinwald Entwässerung ist unbedingt notwendig.“ günstig. Vor allem in den Hochlagen des westli- „Es sind 1. Hauptableitungsgräben, 2. Auffang- und chen Steinwaldes waren fast ebene Flächen und Zuleitungsgräben, 3. Schlitzgräben anzulegen.“ Mulden entstanden. Der Untergrund war dank „Es wird noch auf die sehr großen Gelände schwie - Kaolinen und Tonen aus der Granitverwitte - rigkeiten im Steinwald mit zahllosen Granitbrocken rung wasserundurchlässig. Der Grundwasser - und auf unverhältnismäßig hohe Kosten hingewie- spie gel stieg wegen der hohen Niederschläge sen. Es muss sehr sorgfältig geplant werden.“ (800–1100 mm/a) immer höher an. Die dann ab - Die wenig befriedigenden „Erfolge“ werden in sterbende Pflanzenmasse wurde unter Sauer- der Forsteinrichtung von 1920 beschrieben: Die stoffmangel nur unvollständig mineralisiert. Es Moore in Hahnenfalzlohe, Palmlohe usw. zei- entstand Torf. Für die Torfmoose (Sphagnum div gen eine wenig erfreuliche Bestockung und spec.) ergaben sich ideale Wachstumsbedin - können nur durch nachträgliche Entwässerung gungen. Die oberen Pflanzenteile wuchsen verbessert werden. Das große Moor in Fuchs - dank Licht und hohem Wasserstand langsam in lohe und die Wolfslohe werden nicht erwähnt. die Höhe, während die unteren Teile abstarben Hier hat die Entwässerung bereits gegriffen. So und so zu neuem Torf wurden. konnten in jüngerer Zeit (100–160 Jahre später) Langsam, mit bis ca. 1 mm pro Jahr, erhob sehr starke Fichten-Althölzer genutzt werden. sich das entstehende Moor über das umliegende Auf die Holznot bis nach dem 2. Weltkrieg wird Gelände und wurde allmählich nach einer hingewiesen! Übergangsphase (dem Zwischenmoor) zum Die Standorterkundung von 1965 hat die Hochmoor, dessen Pflanzen sich nur noch von Moor körper im Einzelnen nicht untersucht. den im Regenwasser gelösten Nährstoffen Man spricht von organischen Auflagen von 70– ernähren, da die Verbindung zum mineralrei- 180 cm. Die Moorflächen werden hier nur als cheren Grundwasser abgerissen war. Dieser ein natürliches Wasserreservoir betrachtet, wel- Umstand führte zudem zu einer Artenver än - ches erhalten werden soll. Moore würden emp- derung der Torfmoose von minerotrophen zu findlich auf Freilage reagieren, Dauerbesto - ombrotrophen Arten. ckung sei anzustreben; diese nutzungsbeding- ten An sich ten gelten heute glücklicherweise als Forstwirtschaftliche Behandlung überholt. Gleiches gilt für die Planungen 1969 und 1985. Das Forsteinrichtungswerk von 1852 (= forstli- In der Planung von 1995/96 werden endlich che Langzeitplanung für 10–20 Jahre) des große Teile (30 ha) in der Fuchslohe und Wolfs- königlichen Forstamtes Kemnath für die lohe in den „außerregelmäßigen“ Betrieb ge - Reviere Pullenreuth und Erbendorf enthält kon- stellt. Aus Naturschutzgründen sollen erstmals krete Hinweise für die Bewirtschaftung der Freiflächen geschaffen werden. Nach längerer Moore im Staatswald. Es gibt „Regeln für die innerbetrieblicher Diskussion 1997 konnte im Entwässerung von Versumpfungen und Lohen“ Jahre 1998 endlich mit der dringend notwendig 34 Ornithol. Anz., 48, 2009 gewordenen Moorrenaturierung begonnen wer- Moore sind ein Landschaftsarchiv. Aus stratifi- den. zierten Pollenanalysen können Hinweise auf die Wald- und die Siedlungsgeschichte gewon- Bedeutung für Naturschutz nen werden.

Wasserspeicher. Bis zu 80 mm Niederschlag Renaturierung der Moore im Steinwald können kurzfristig in den oberen Schichten zurückgehalten werden. Hochwasserspitzen Die Renaturierung von Mooren gewinnt unter werden so verzögert. 1 Kubikmeter nicht mine- anderem unter folgenden Gesichtspunkten an ralisierter Torf kann bis 950 Liter Wasser spei- Bedeutung: chern. Die schnelle und kurzfristige Speiche- • Wasser wird weltweit immer kostbarer rung von Niederschlagsspitzen erfolgt vor • Die Regulierung des Wasserhaushalts; Was - allem in den oberen Zonen (bis zu 30 cm) im so - ser rückhalt am wirkungsvollsten und kos - genannten Akrotelm. ten günstigsten am Ursprung • Moorrenaturierung ist ein wichtiger Beitrag Moore leisten einen hohen Beitrag zur zum Naturschutz, in unserem Fall für den Biodiversität. Moore sind zwar artenarm, aber Erhalt des Auerwildes die vorkommenden Arten sind in der Regel sel- • Der Wert der Moore als Kohlenstoff- und ten (viele Rote-Liste-Arten) und sehr speziali- Stickstoffsenken wird immer mehr disku- siert. Beispiele für den Steinwald sind aus der tiert und erkannt. Fauna Auerhuhn, Kreuzotter, Amphibien, Li - bellen, Schmetterlinge und der hochspezialisier- Praktische Durchführung der Wiederver näs - te Moorlaufkäfer Bembidion humerale, Ameisen sung. Von 1998 bis 2005 wurden in fünf Bauab- (mehr am Rand und auf Stubben) sowie aus der schnitten, je nach Haushaltslage, folgende Maß- Flora: Heidelbeere Vaccinium myrtillus, Preisel - nahmen durchgeführt: beere V. vitis-idaea, Moosbeere V. oxycoccus, • Kartieren der Flächen mit mindestens 1 m Rausch beere V. uliginosum, Besenheide, Scheidi- Moorauflage. ges und Schmalblättriges Wollgras Eriophorum • Erkundungen des Grabensystems am Boden vaginatum und E. angustifolium, verschiedene und teilweise (2000) auch aus der Luft Seg genarten Carex ssp., Rundblättriger Sonnen- • Grobe Nivellierung des Geländes, Festlegen tau Drosera rotundifolia, Moorkiefer Pinus rotun- von möglichen Stauwerken data und Moorbirke Betula pubescens. • Vorbereitung der Flächen: In Frostperioden Moorkiefer (Spirke) und Moorbirke sind von 1996 bis 1999 wurden die größten Ab - wichtige Äsungs- und auch Schlafbäume des lauf gräben in Jungdurchforstungs- und Alt - Auerhuhns. Ameisenpuppen und Kleininsekten durchforstungsbeständen freigeschlagen. In sind lebensnotwendig für die Kükenaufzucht. Altbeständen wurde in bei BHD von 20 bis Alle Beerkrautarten bilden bis zum ersten 40 cm mit Waldarbeitern geerntet. Schnee eine wichtige Nahrung, während die Viele verwachsene Gräben konnten erst nach jungen Blütenknospen des Wollgrases kurz Beseitigung von extrem dichter Naturverjün - nach der Schneeschmelze eine wichtige eiweiß- gung gefunden werden. Der geplante Arbeits- reiche Nahrung darstellen. Heidel- und Preisel- umfang und so die Kosten haben sich oft bei der beere wachsen auf den offenen Moor flä chen am praktischen Durchführung erhöht, weil der tat- besten, an anderen Stellen werden sie stark vom sächliche Aufwand unterschätzt worden war. sich in jüngerer Zeit (infolge von at mos phä - Die Wiedervernässung muss immer vom rischer Stickstoffdüngung) stark ausbreitenden höchsten Punkt aus im Gelände begonnen wer- Wolligen Reitgras Calamagrostis villosa ver- den. Nur so kann sich das Wasser ganzflächig drängt. und gleichmäßig verteilen.1

1 Anmerkung der Redaktion: Ein fraktionierter Aufstau der Dränagegräben von unten beginnend erscheint sinnvoller, damit nicht – wie im umgekehrten Falle – die Moorvegetation unterhalb von Aufstau-Wehren austrocknet. P. Gerstberger Norbert Reger: Zur Moorentwicklung im Steinwald 35

Ergebnisse der Renaturierung Auerhühner. Im Frühjahr 2007 konnte in der Nähe eines von Fichten freigestellten Felsen - Dazu ist in sehr langen Zeiträumen zu denken zuges nach Jahrzehnten wieder eine Auer - und es gilt zu bedenken, dass Moore zu den hahnbalz im Steinwald nachgewiesen werden. Lebensräumen gehören, die am schwierigsten wieder herzustellen sind. Renaturierungen sind Weitere Verbesserung des Auerhuhnlebens- notwendig, bevor die spezialisierten Arten rau mes. Mihilfe von INTERREG III A haben wir unwiederbringlich verloren sind. Unsere Maß- im ehemaligen Forstamt Kemnath zwei Kam- nahmen haben eigentlich nur zwei Ziele, näm- pagnen zur Felsfreilegung gestartet: lich Licht und vor allem Wasser auf die Fläche 2000: Knockfelsen, Teile Grandfelsen und zu bringen. Hierzu sind langfristige Erfolgs- Palmlohefelsen kontrollen nötig, um gegebenenfalls die Ent- 2002: Verschiedene Felsen im Wolfschlag, wick lung zu steuern! Hahnenfalzlohe und Sulzschlag Sichtbare Erfolge sind: Am riesigen Grandfelsenmassiv waren schon • Die zahlreichen Torfmoosarten wachsen vorher und bis heute im Rahmen von Durch- und breiten sich aus. forstungen und Aufarbeitung von Schneebruch • Das Scheidige Wollgras Eriophorum vagina- und Käferholz weitere Auflichtungen erfolgt. tum hat sich stark ausgebreitet, während Seit 2003 liegt ein weiteres Projekt zu Auf- sich Moos- und Rauschbeere bisher nur lichtungen an Felsen der Abt. Platte, Dachsfel - punktuell erhalten haben. sen und Huber in der Schublade. • Erste Wiederfunde von Rundblättrigem Sonnentau Drosera rotundifolia nach 30 Jah- Weitere Behandlung und Probleme. Bei der ren ohne Nachweis Moorrenaturierung ist meiner Ansicht nach eine • In Moortümpeln finden sich im Frühjahr erfolgreiche Hilfe zur langsamen weiteren wieder Laichballen vom Grasfrosch. Somit Entwicklung gestartet worden. Bis zum endgül- ergeben sich auch ideale Lebensbedingun - tigen Erfolg muss noch über Jahrzehnte der gen für die Kreuzotter, deren Jungtiere sich ankommende Fichten- und Birkenanflug mit unter anderem von „Hüpferlingen“ hohem Aufwand per Hand beseitigt werden. (= klei ne Jungfrösche) ernähren. Weitere wissenschaftliche Kontrollen sind nötig • Im Hahnenfalzmoor wurden Moorspirken über: Pinus rotundata gepflanzt, die seit dem • Entwicklung und Verbreitung, besonders Verschluss der Dränagegräben gut ange- der Torfmoosarten und sonstigen Flora. wachsen sind. • Entwicklung der Moor-Laufkäferfauna, Li- Durch das starke Wachstum von Heidel- und bellen, Schmetterlinge, Kreuzotter. Preiselbeere und eine unregelmäßige Auflich - • Erstellung von Moorprofilen und dazu Pol - tung entstehen strukturreiche Waldbilder zur lenanalysen. (Die Probeentnahmen wurden Verbesserung der Auerhuhnbiotope. Nachweise 1992 von völlig ungeeigneten und stark einzelner Hennen- und Kükenlosung, zweier mineralisierten Stellen entnommen; orts- Eierschalenreste und Federfunde belegen die kundige Leute wurden vorher nicht zurate Annahme der wiedervernässten Biotope durch gezogen!) 36 Ornithol. Anz., 48, 2009

Ornithol. Anz., 48: 36–42

Die Revitalisierung der Moore im Steinwald

Julia Laube

On the restoration of bogs in the Steinwald In Germany, most of the actual bog-restoration is spent on areas with silvicultural use in the nearer past. This work adresses the question, which effects on vegetation cover is caused by such restoration treatments. The survey was realized in three different mountain bogs in Steinwald (NE- ). As information about initial conditions (which means about the state before restoration) was missing, space-for-time-substitution was choosen as evaluation method. Data on vegetation, hydrology, pedology and light availability was sampled for different levels of the artificial time series. We chose unchanged and cleared survey plots as well as restored plots (which were cleared and its ditches were closed in different years). Vegetation cover shows a quick (2 years after restoration) response which is characterized by an increasing cover of bog-specific species (mainly peat mosses). This phase is interrupted (or even reversed) within the next few years (already 6 years after restoration). As an important driving fac- tor for this undesirable development the shading of peat mosses by the rising shrub cover could be identified. The groundwater table influences the favored ilumination of Sphagnum-species: full sun- light is preffered at wet conditions, on dryer sites peat mosses only occur under shaded conditions. The groundwater table was elevated by restoration, but this effect clearly got superimposed by a strong, a priori existing inequality of water level. There’s a correlation between groundwater level and slope of the bogs: groundwater table near the hilltop lies lower under ground than groundwa- ter near the base. Further restoration programs should try to involve and use this natural hetero- geneity.

Dipl.-Geoök. Julia Laube, Büro für ökologische Studien, Oberkonnersreuther Str. 6a, 95448 Bayreuth Internet: www.bfoes.de

Einleitung hen Mooren, dass es auch bei Nutzungsaufgabe oder Kahlschlag nicht mehr in den ursprüngli- Die große Mehrheit der derzeit durchgeführten chen Zustand zurückfinden kann. Beschreibun - Maßnahmen zur Moorrenaturierung findet in gen der hierfür verantwortlichen Prozesse fin- Forsten statt (Pfadenhauer 1997). In Bayern exis- den sich etwa in Succow 1988, Laiho & Laine tieren noch etwa 126000 ha Moorflächen 1992, Anderson et al. 1995 oder Silvan et al. (Schuch 1986), etwa ein Zehntel davon liegt im 2000. Staatsforst. Bis 2003 wurden auf etwa 20 % die- Die Renaturierungschance derart stark ver- ser Moorflächen Renaturierungsmaßnahmen änderter Moore ist umstritten, Langzeitstudien durchgeführt (Zollner 2003). zur Vegetationsentwicklung auf ehemals forst- Die forstliche Nutzung von Mooren führt zu lich genutzten Mooren fehlen weitgehend. Nur einer Vielzahl von direkten und indirekten ein Bruchteil der Flächen wird überhaupt wis- Wirkungen, deren Darstellung den Rahmen der senschaftlich beobachtet, vor allem aber bleiben Arbeit sprengen würde. Als wichtigste Punkte Zustandserhebungen vor dem Eingriff die selte- seien die Absenkung des Grundwasserspiegels ne Ausnahme (Pfadenhauer 1997). Ebenso exis - und die damit einhergehende Zersetzung der tieren nur wenige Untersuchungen zur Effi zienz obersten Torfhorizonte genannt. Über zahlrei- der derzeit empfohlenen und auch mehrheitlich che Rückkopplungseffekte stabilisiert sich angewendeten Renaturierungsmethode, dem schließlich ein Forst-Moor-System. Es unter- Rückstau von Dränagegräben durch Stauwehre scheidet sich standörtlich so stark von naturna- (Anderson et al. 1995, Charman 2002). Julia Laube: Die Revitalisierung der Moore im Steinwald 37

Tab. 1. Untersuchte Parameter der 405 Einzelflächen bzw. 45 Gesamt-Transekte. – Parameters exami- ned at the 405 individual sites / along the 45 transects.

Bezug Untersuchte Parameter Methode Gesamt- Grundwasserstand Pegelmessung mit Lichtlot an 5 Terminen Transekt Zersetzungsgrad Torf Mischprobe aus 0-10 cm Tiefe;

pH-Wert Mischprobe aus 0-10 cm Tiefe; gemessen in H2O Nitratgehalt Mischprobe aus 0-10 cm Tiefe; gelöst in KCl; HPLC-Säule Räumliche Lage im Zuordnung in je fünf Hangbereiche mittels GIS Moor Größe der umgebenden Schlagfläche mittels GIS Einzelfläche Vegetationsaufnahme Höhere Pflanzen und Moose in %-Schätzung (9 pro (ohne Baumschicht) Transekt) Vegetationsstruktur Messung der mittleren Strauchhöhen Lichtverhältnisse LAI-Messung (LAI: leaf area index) Nivellierung Relative Nivellierung zum Grabenmittelpunkt Grundwasserstand Schätzer aus Nivellierung und Pegelmessung

Die vorliegende Arbeit stellt die Frage, wie un terschiedlichen Teilflächen durchgeführt wor - sich Renaturierungsmaßnahmen auf drei Hang- den waren. Die Untersuchung von unechten moo re im Steinwald (NO-Bayern) auswirken Zeitreihen ist eine indirekte Methode, bei der ein beziehungsweise ob etwaige Auswirkungen zeitliches Nacheinander aus einem räumlichen schon we nige Jahre nach der Maßnahme und Nebeneinander abgeleitet wird. trotz des Fehlens einer Voruntersuchung nach- Als unechte Zeitschritte wurden Forstflä - weisbar sind. chen ohne Behandlung (KFO; Null-Aufnahme), Kahl schlagsflächen ohne Grabeneinstau (KFR; Untersuchungsmethoden eigentliche Kontrollflächen) und renaturierte Flächen (Kahlschlag und Einstau der Gräben) in Im Jahr 2004 wurden drei auf 800–830 m ü. NN den Jahren 1998 (sechs Jahre vor Untersuchung), liegende, leicht geneigte Moore untersucht. Sie 2000 (vier Jahre vor Untersuchung) und 2002 sind von einem Mosaik aus (künstlichen) (zwei Jahre vor Untersuchung) gewählt. Für die Moortümpeln, Grauseggenrieden, Heideflä - einzelnen Zeitschritte wurden quer zu den Ent- chen, offenen Moorflächen und Fichtenforst wässerungsgräben verlaufende Tran sek te mit bestanden. Für eine Beschreibung des Untersu - jeweils neun aneinanderliegenden, quadrati- chungsgebietes und der durchgeführten Rena- schen Untersuchungsflächen von 0,25 m2 gelegt. turierungsmaßnahmen sei auf den Beitrag von Pro Zeitschritt und Moorkörper wurden drei Herrn Reger in diesem Band verwiesen. Da für dieser Transekte untersucht. Die Anordnung die Moore im Steinwald keine beziehungsweise der Untersuchungsflächen direkt an den Ent- kaum Aussagen über den Zustand der Flächen wässerungsgräben wurde trotz einiger Nach- vor dem Eingriff vorliegen, kam eine klassische teile gewählt, da nur so die Grundbedingungen Vorher-Nachher-Analyse nicht infrage. Die An- für die Interpretation der unechten Zeitreihe er- ordnung der Untersuchungsflächen in eine un- füllt werden konnten (bekannter Maßnahmen - echte Zeitreihe (space-for-time-substitution) zeit punkt, vergleichbare Standort be din gun gen, wird in unterschiedlichen Disziplinen zur Un- vergleichbare Behandlung bei der Renaturie - tersuchung von zeitlichen Veränderungen ange- rung). wandt (z. B. Huggett 1998, Michener 1997, Der Fokus der Arbeit lag auf möglichen Morgan & Short 2002, Sparling et al. 2003). Sie Änderungen der Vegetationszusammenset zung. schien die geeignete Methode für die Untersu - Zudem wurden auch unterschiedliche abiotische chung im Steinwald zu sein, vor allem, weil Parameter untersucht, nicht zuletzt weil eine der auch die Renaturierungsmaßnahmen nicht zeit- wichtigsten Voraussetzungen für die Inter pre ta - gleich, sondern über mehrere Jahre gestaffelt in tion unechter Zeitreihen die standörtliche Ver - 38 Ornithol. Anz., 48, 2009 gleichbarkeit aller Teilflächen ist (Huggett Aus nahmen (einzig die Zeitschritte 2000 und 1998). Flächen, die bezüglich ihrer standörtli- 1998 unterscheiden sich signifikant bezogen auf chen Gegebenheiten stark differieren, können Grabentiefe und Grundwasserstände) keinerlei nur sehr bedingt oder überhaupt nicht in Form signifikante Unterschiede. Da weitere, statis - einer unechten Zeitreihe verglichen werden, da tisch relevante Standortunterschiede zwischen andere Parameter den Faktor Zeit überlagern den Zeitschritten völlig fehlen (vergleichbarer oder verfälschen (Fastie 1995, Walker & Del pH-Wert, mittlerer Grundwasserstand, Zerset- Moral 2003). zungsgrad des Torfes usw.), ist die Grundvo - raus setzung für eine Interpretation der unech- Ergebnisse und Diskussion ten Zeitreihe erfüllt. Für einen ersten Überblick über die floristi- Die abiotischen Gegebenheiten der Unter su - schen Unterschiede und die zeitliche Ent- chungs flächen wurden anhand von Mittel - wicklung der Flächen wurde eine multivariate wertsbildung verglichen. Dabei unterschieden Ordinationstechnik angewandt, die DCA sich die einzelnen Zeitschritte signifikant in (Enttrendete Korrespondenzanalyse). Die DCA Bezug auf die Lichtverhältnisse. Die Blatt - ist unter allen multivariaten Ordinationsmetho - flächen indizes nehmen mit der Zeit seit der den am besten für die Analyse zeitlicher Ent- Renaturierung erwartungsgemäß zu, die höchs - wicklungen geeignet, weil sie allgemein die β- ten LAI-Werte (also der höchste Beschattungs - Diversität wiedergibt, bezogen auf die Zeitreihe grad) werden in den unveränderten Forst-Tran- also den „β-turnover“ abbildet (Morgan & Short sekten (KFO) erreicht. 2002, Walker & Del Moral 2003). Die DCA Die Mittelwertsvergleiche für alle anderen berechnet einen mehrdimensionalen Raum, der abiotischen Parameter ergaben bis auf zwei die Varianz des Datensatzes auf möglichst we-

Abb. 1. Ergebnisse der DCA (3. gegen 1. Achse). Abgebildet sind die Scores einiger Moorpflanzenarten (Kreise: Waldarten, Dreiecke: Heidearten, Kreuze: Sphagnen, Quadrate: Sauergräser) und die Mittelwerte der Zeitschritte inklusive 95%-Konfidenzintervalle. Es ist KFO: unveränderte Forst-Flächen; KFR: nur freigestellte Flächen; 1998, 2000 und 2002: in den genannten Jahren renaturierte (also freigestellte und rückgestaute) Flächen. – Results of the detrended correspondence analysis (3rd against 1st axis). The scores for particular bog plant species are shown (circles: forest species, triangles: heath species, crosses: sphagnum, quadrats: cyperaceae) and the mean values for the various time periods with 95% confidence intervals. KFO: unaltered forest stands; KFR: stands cleared of trees; 1998, 2000 and 2002: year in which sites were restored (cleared and rewetted). Julia Laube: Die Revitalisierung der Moore im Steinwald 39 nigen Achsen maximiert. Die Vegetationsauf- nahmen erhalten ebenso wie die einzelnen Pflanzenarten bestimmte Werte (Scores) für jede Achse dieses Raumes, und können somit auch grafisch dargestellt werden. Da die Standort an - sprüche der einzelnen Pflanzenarten großteils bekannt sind, kann anhand der Arten-Scores auch eine ökologische Interpretation des Rau - mes vorgenommen werden. Die Berechnung der DCA erfolgte auf Basis Abb. 2. Mittlere Deckung der moortypischen Torf - der Vegetationsaufnahme pro Einzelfläche. Die moose bei verschiedenen Licht- und Grundwasser - für die Einzelflächen erzielten Werte (Scores) verhältnissen. Es sind Grundwasser (GW) hoch anste- wurden daraufhin zu Mittelwerten der einzel- hend: <15 cm unter Geländeoberkante tief liegend: nen Zeitschritte aggregiert. >25 cm unter Geländeoberkante; Beschattungsgrad 1: Die renaturierten Transekte (1998, 2000 und LAI-Wert <1,8 (sonnigste Standorte); 2: LAI 1,9-2,8; 3: LAI>2,9 (stark beschattet). – Mean cover of bog-mosses 2002) liegen in der oben stehenden Grafik deut- under varying light and ground-water (GW) conditions. lich von den Kontrollflächen (KFO und KFR) GW high: up to 15cm beneath the surface; GW low: more getrennt, demnach findet durch den Einbau der than 25cm below surface; 1: Leaf Area Index-value <1.8 Stauwehre eine relativ schnelle Entwicklung (sunniest stations); 2: LAI 1.9 – 2.8; 3: LAI > 2.9 (strongly der Vegetation von den eher typischen Wald- shaded). bodenarten (Rubus idaeus, Tetraphis pellucida und Polytrichum formosum, links unten im Typen 2002 und 2000, die feuchtezeigenden Gesamtraum) hin zu eher feuchtezeigenden Arten nehmen also offenbar wieder ab). Arten (Arten der Gattung Sphagnum und Carex Wie eine genauere Analyse der Vegetations- canescens, C. echinata beziehungsweise Eriopho - auf nahmen zeigt, sind die Positionen der Zeit - rum vaginatum, alle in der oberen Hälfte des schritte in der DCA tatsächlich auch auf wichtige Diagramms) statt. Eine klare Entwicklungs - Unterschiede in der Vegetationszusammen - richtung der renaturierten Zeitschritte (also ein setzung zurückzuführen. In der folgenden Ta bel - klarer Trend von 1998 zu 2000 und 2002), wie le werden die mittleren kumulativen Deckungs- eigentlich erwartet war, kann dagegen nicht grade der Torfmoose und Beersträu cher wieder- ausgemacht werden. Bei den sechs Jahre vor gegeben. Untersuchung renaturierten Flächen (1998) Ist zwischen den nur freigestellten (KFR) scheint die Vegetationszusammensetzung sich und den zusätzlich rückgestauten Flächen im Gegenteil eher wieder dem unrenaturierten (2002) noch eine signifikante Zunahme der Zustand anzunähern (bezogen auf die 1. Achse kumulativen Torfmoosdeckung zu erkennen, so werden niedrigere Werte erreicht als bei den nimmt die Deckung von 2002 über 2000 zu 1998

Tab. 2. Mittlere kumulative Deckung (in %) von Torfmoosen und Sträuchern für die einzelnen Zeitschritte. Gleiche Buchstaben über den Zahlen kennzeichnen signifikante Unterschiede (zweisei- tiger t-Test). Es ist KFO: unveränderte Forstflächen; KFR: nur freigestellte Flächen; 1998, 2000 und 2002: in den genannten Jahren renaturierte (also freigestellte und rückgestaute) Flächen. – Mean cumulative cover (%) of bog-mosses and shrubs for the individual time-periods. Letters above the numbers indicate significant differences (double-sided t-test). KFO: unaltered forest stands; KFR: stands cleared of trees; 1998, 2000 and 2002: year in which sites were restored (cleared and rewetted).

Zeitschritt KFO KFR 2002 2000 1998 Torfmoose 13,1A 15,1C 26,6A,C,E 20,4 13,3E Sträucher 10,3A 30,4B 37,1 37,8 49,6B 40 Ornithol. Anz., 48, 2009 wieder ab, die Deckungsgrade sind bei den ziehbar (maximale Fotosyntheseraten bei hohen 1998er Flächen signifikant niedriger bei den Grundwasserstän den auf der einen Seite, ge- 2002er Flächen. Die Deckungsgrade der minderter Trockenstress durch verminderte Strauchschicht nehmen hingegen mit der Zeit Einstrahlung beziehungsweise mikroklimati- seit Renaturie rung, also von KFR über 2002 und sche Gunst auf der anderen Seite), konnte im 2000 zu 1998, schrittweise zu. Es handelt sich Rahmen der Arbeit aber nicht statistisch abgesi- dabei um einen hochsignifikanten Trend chert werden. (p<0,001, Wilcoxon-Test). Die Torfmoose kön- Wie bereits beschrieben ließen sich nur nen sich offenbar zunächst relativ schnell nach wenige signifikante standörtliche Unterschiede der Renaturierungs maßnahme ansiedeln, auf zwischen den Zeitschritten nachweisen. Auch Dauer aber nicht an den Standorten etablieren. die mittleren Grundwasserstandshöhen unter- Torfmoose sind Schlüsselarten für die Torfbil - schieden sich meist nicht signifikant voneinan- dung und das Moorwachstum. Es wurde daher der. Da die Renaturierungsmaßnahme auf eine detailliert nach Zusammenhängen zwischen den Anhebung der Grundwasserstände zielte, ist abiotischen Parametern und dem Auftreten der dieses Ergebnis unerwartet. Zunächst wurde als Torfmoose gesucht. Es lässt sich ein schwach Grund hierfür eine Disfunktionalität der Stau- signifikanter Zusammenhang zwischen der wehre vermutet, was anhand einer genaueren kumulativen Torfmoosdeckung und der Grund- Betrachtung der Grundwassermesswerte wi - wasserstandshöhe nachweisen (einseitiger t- derlegt werden konnte: Die letzte Pegelmes - Test), wobei ab einer Grundwassertie fe von mehr sung fand nach einer ersten frühen Schnee - als 27 cm unter Geländeoberkante deutlich weni- perio de kurz nach der Schneeschmelze statt, ger Torfmoose zu finden sind als bei höheren weshalb auch die Grundwasserstandserhöhung Wasserständen. Als zweiter relevanter Faktor durch die Schneeschmelze als Messwert für die sind die Lichtverhältnisse zu nennen. Die einzelnen Transekte vorliegt. Torfmoosdeckung nimmt schwach signifikant Die Erhöhung des Wasserstandes ist in den mit zunehmender Beschattung ab (Spear man’s renaturierten Bereichen statistisch hochsignifi- Rangkorrelation). Diese Ergebnisse decken sich kant höher als in den nicht-renaturierten mit der Lehrmeinung (Succow 1998). Bereichen (p<0,001; t-Test). Daher muss also von Nimmt man als aggregiertes Maß für den der Funktionsfähigkeit der Stauwehre ausge- Strauchbestand das Produkt aus Höhe und gangen und eine andere Ursache für die uner- Deckungsgrad der Sträucher, dann ergibt sich warteten Grundwasserstandshöhen der Zeit - ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen schritte gefunden werden. Hierzu wurde die Strauchbestand und Lichtverhältnissen (p<0,001, räumliche Verteilung der Untersuchungsflä - Spearman’s Rangkorrelation). Die Torfmoos - chen entlang der Hangneigung der Moore ge- deckung geht mit steigendem Strauch bestand nauer untersucht. Die Moore wurden in fünf hochsignifikant zurück (p<0,001, Spearman’s höhenlinienparallele Bereiche von Lage 1 (am Rangkorrelation). Es lässt sich also folgern, dass der Rückgang der moortypischen Torfmoose einige Zeit nach der Renaturierungs maßnahme Ausdruck einer Konkurrenzsituation mit der durch den Kahlschlag geförderten Strauch - schicht ist. Es zeigt sich, dass die Grundwasserstands - höhe das Lichtbedürfnis der Torfmoose stark beeinflusst. Betrachtet man nur die für die offe- nen Moorflächen typischen Arten (Einteilung folgt Frahm & Frey 2004), dann sind diese Torf - moose auf Teilflächen mit hohen Grundwasser- stän den unter maximaler Besonnung am häu- Abb. 3. Mittlere Grundwasserstände und mittlere figsten. Auf Teilflächen mit niedrigen Grund - Wasser standserhöhung durch Schneeschmelze für die einzelnen Zeitschritte. Abkürzungen wie in Abb. 1. – wasserständen kommen Torfmoose nur an den Mean ground-water levels and mean rise in water-level stärker beschatteten Standorten vor. Dieser Zu - through snow-melt during each time-period. Key as in sammenhang ist autökologisch gut nachvoll- Fig. 1. Julia Laube: Die Revitalisierung der Moore im Steinwald 41

Entwässerung und forstlicher Nutzung so stark verändert haben, dass eine Revitalisierung durch Grabenrückstau und Freistellung der Flächen allein nicht erreichbar scheint. Flankie - rende Maßnahmen (permanente Gehölzentfer- nung, vor allem aber auch ein Rückdrängen der Sträucher) sind zumindest derzeit erforderlich. Für künftige Renaturierungsmaßnahmen ist es ratsam, die bestehende standörtliche Hetero - genität der Moore in die Planung einzubeziehen und zu nutzen. So könnten in den unteren, Abb. 4. Mittlere Lage der Zeitschritte entlang der feuchten Hangbereichen Kahlschläge auch ohne Hangneigung (x-Achse) und mittlere Grundwasser- flankierenden Rückstau der Gräben die moorty- stände (y-Achse). Die gestrichelte Linie deutet die pische Vegetation fördern. Von größeren Frei- Korrelation zwischen Höhenlage und Grundwasser - stellungen in den oberen, trockenen Moorbe rei - stand bei den renaturierten Flächen an. Die Tiefe des Grundwasserstands sinkt hang aufwärts bei den chen ist hingegen auch bei einem Rückstau der nicht-renaturierten Flächen wesentlich schneller als Gräben abzuraten. bei den renaturierten Flächen. Abkürzungen wie in Abb. 1. - Mean values of the time-periods along the angle Zusammenfassung of slope (x-axis) and mean ground-water level (y-axis). The broken line shows the correlation between altitude and ground-water level in restored sites. Moving upslope, the Aktuell werden in zahlreichen ehemals forstlich ground-water level sinks appreciably faster in non-restored genutzten Mooren Renaturierungsmaßnahmen than in restored sites. Key as in Fig. 1. durchgeführt. Die vorliegende Arbeit beschäf- tigt sich mit der Frage, wie sich der Rückstau Hangfuß liegend) bis Lage 5 (am Oberhang lie- von Dränagegräben auf drei im Steinwald (NO- gend) eingeteilt. Bei der Berechnung der mittle- Bayern) liegende Hangmoore auswirkt. Auf- ren Lage-Werte der einzelnen Zeitschritte zeig- grund von fehlenden Null-Aufnahmen wurde ten sich deutliche Unterschiede zwischen den die Untersuchung in Form einer unechten Zeit- Kategorien: Die sechs Jahre vor Untersuchung reihe angelegt. Es wurden Daten zu Vegetation renaturierten Flächen (1998) liegen im Schnitt und Standort (hydrologische und bodenkundli- eher im oberen Bereich der Hangmoore, die vier che Kennwerte, Kennwerte der Lichtverhält nis - und zwei Jahre vor Untersuchung behandelten se) erhoben. Flächen (2000 und 2002) im mittleren und die Schon kurz (2 Jahre) nach der Renaturie rungs - Kontrollflächen (KFO und KFR) im unteren maßnahme ist eine sprunghafte Artverschie bung Hangbereich. Die Mittelwertsdifferenzen des hin zu höheren Anteilen an moortypischen Arten Parameters Lage sind mehrheitlich auch statis- (vor allem Torfmoose) zu erkennen. Bald darauf tisch nachweisbar (t-Test). Wie aus Abbildung 3 (bereits 6 Jahre nach Maßnahme) folgt eine Phase, ersichtlich, beeinflusst die Hangneigung bezie- in der die Entwicklung stagniert beziehungsweise hungsweise die Lage der Flächen die Höhe ihrer ein Rückgang der moor typischen Vegetation zu Grundwasserstände. Teilflächen im oberen verzeichnen ist. Als wichtigster Grund für diese Hangbereich der Moore besitzen niedrigere unerwünschte Entwicklung konnte die zuneh- Grundwasserstände als Teilflächen im unteren mende Be schat tung der Torfmoose mit der sich Hangbereich der Moore. entwickelnden Strauchschicht identifiziert wer- Der Grundwasserstand selbst wird durch den. Es zeigt sich, dass die Grundwasser stands - den Rückstau der Gräben also zwar angehoben, höhe das Lichtbedürfnis der Torfmoose beein - der Betrag der Erhöhung wird aber von den a flusst. Auf Teilflächen mit hohen Grundwasser- priori vorhandenen Grundwasserstandsdiffe - ständen sind die Torfmoose unter maximaler ren zen innerhalb der Moore überwogen. Besonnung am häufigsten, auf Teilflächen mit niedrigen Grundwasserständen kommen Torf - Ausblick moose vermehrt an schattigen Stellen vor. Der Grundwasserstand selbst wird durch Es bleibt festzuhalten, dass sich die Moor - den Rückstau der Gräben angehoben, der standorte des Steinwalds nach jahrzehntelanger Betrag dieser Erhöhung ist aber geringer, als die 42 Ornithol. Anz., 48, 2009 a priori vorhandenen Grundwasserstands dif - Michener, W.K. (1997): Quantitatively Evalu - ferenzen. Im Oberhang der Moore steht vor und ating Restoration Experiments: Research auch nach Grabenrückstau das Grundwasser Design, Statistical Analysis, and Data niedriger an als im Unterhang. Bei künftigen Manage ment Considerations. Restoration Renaturierungsmaßnahmen ist es ratsam, die Eco logy Vol. 5 (4): 324-337. bestehende standörtliche Heterogenität der Morgan, P.A. & F.T. Short (2002): Using Func - Moore stärker in die Planung einzubeziehen tional Trajectories to Track Constructed Salt und zu nutzen. Marsh Development in the Great Bay Estuary, Maine/New Hampshire, U.S.A.. Dank. Für die motivierende und unterstützen- Restoration Ecology Vol. 10 (3): 461-473. de Betreuung der Diplomarbeit danke ich Herrn Pfadenhauer, J. (1997): Vegetationsökologie – Dr. P. Gerstberger, für die engagierte Beratung ein Skriptum (2. Aufl.). Eching bei München. in konzeptionellen Fragen Frau Dr. A. Weigel. Schuch, M. (1986): Die Moorvorkommen Ganz besonderer Dank geht auch an Herrn Prof. Bayerns und ihr derzeitiger Zustand. TEL - Dr. E. Hertel für die geduldige Durchsicht und MA 16: 11-22. Bestimmungshilfe bei den vielen Moosbelegen. Silvan, N., R. Laiho & H. Vasander (2000): Chan - Herrn Prof. J. Tenhunen, Direktor des Lehr - ges in mesofauma abundance in peat soils stuhls für Pflanzenökologie der Universität drained for forestry. Forest Ecology and Bayreuth, bin ich für die Überlassung des inter- Management 133: 127-133. essanten Themas zu Dank verpflichtet. Zuletzt Sparling, G., D. Ross, N. Trustrum, G. Arnold, möchte ich dem Forstamt Kemnath und insbe- A. West, T. Speir & L. Schipper (2003): Reco- sondere Herrn Norbert Reger, Pullenreuth, für very of topsoil characteristics after landslip die gute Zusammenarbeit danken. erosion in dry hill country of New Zealand, and a test of the space-for-time hypothesis. Literatur Soil Biology & Biochemistry 35: 1575-1568. Succow, M. (1988): Landschaftsökologische Anderson, A.R., D.G. Pyatt & I.M.S. White Moor kunde. Jena. (1995): Impacts of Conifer Plantations on Walker, L.R. & R. Del Moral (2003): Primary Blan ket Bog and Prospects of Restoration. Succession and Ecosystem Rehabilitation. In: Whee ler, B.D., S.C. Shaw, W.J. Fojt & R.A. Cam bridge. Robertson (Eds.): Restoration of Temperate Zollner, A. (2003): Das Abflussgeschehen von Wetlands. S. 533-548, Chichester. unterschiedlich genutzten Hochmoorein- Charman, D. (2002): Peatlands and Environ- zugsgebieten – untersucht bei Erfolgskon- men tal Change. Chichester. trol len im Rahmen der Moorrenaturierung Fastie, C.L. (1995): Causes and ecosystem conse- der Bayeri schen Staatsforstverwaltung. In: quences of multiple pathways on primary Bayerische Akademie für Naturschutz und succession at Glacier Bay, Alaska. Ecology Landschafts pflege (Hrsg.): Laufener Semi - 76: 1899-1916. nar beiträge 1/03: Moorrenaturierung – Frahm, J.-P. & W. Frey (2004): Moosflora (4. Praxis und Erfolgskon trolle. S. 111-119, Aufl.). Stuttgart. Laufen, Salzach. Hugett, R.J. (1998): Soil chronosequences, soil development, and soil evolution: a critical re view. Catena 32: 155-172. Laiho, R. & J. Laine (1992): Effect of forest drai - nage on soil frost conditions. – In: Bragg, O.M., P.D. Hume, H.A.P. Ingram & R.A. Robertson (Eds.): Peatland Ecosystems and Man: An Impact Assessment. S. 149-152, Dun dee. P. Gerstberger u. A. Spitznagel: Grenzüberschreitender Biotopverbund für Raufußhühner in der „Euregio Egrensis“ 43

Ornithol. Anz., 48: 43–49

Grenzüberschreitender Biotopverbund für Raufußhühner in der „Euregio Egrensis“

Pedro Gerstberger und August Spitznagel

Cross border connectivity of grouse habitats in the `Euregio Egrensis´. Whilst only very sporadic, casual observations of the Hazel Grouse Bonasa bonasia are available from North-Eastern Bavaria, the distribution of the Capercaillie Tetrao urogallus, estimated at only some 40 birds, is largely known: the upper region (750 – 1000 m) of the Fichtelgebirge and the adja- cent Steinwald to the South-East. Within the framework of a three-year research and protection project, the Capercaillie was promoted as a characteristic keystone (or `flagship´) species in the region and numerous management measures were planned and in some cases implemented by woodland owners. The most important management measures include in particular steps to improve and connect habitats, such as the maintenance and protection of old woodlands, promotion of natural forest dynamics to enrich the structure of the dominant spruce forests, and the improvement of conditions for the Capercaillie by targeted thinning. Rewetting of the region’s bogs, which are for the most part severely degraded, is regarded as of particular importance for both grouse species. Accompanying measures include the dismantling of all deer fences in Capercaillie areas, targeted control of preda- tors (especially Red Fox and Wild Pig), the promotion of pine (Pinus sylvestris and P. rotundata) as important winter food resources, and the leaving in place of dead wood and the root plates of fall- en trees. Dr. Pedro Gerstberger, Universität Bayreuth, Postfach 10 12 51, 95440 Bayreuth E-Mail: [email protected] Dipl.-Biol. August Spitznagel, Mühlgasse 19 a, 97999 Igersheim E-Mail: [email protected]

Einleitung tschechischen Grenzraumes, der Region um die tschechische Stadt Cheb (deutsch: Eger). Denn Im Anschluss an eine Studie über die zahlenmä- Raufußhühner leben (lebten) grenzüberschrei- ßige Erfassung des Auerhuhnbestandes im tend auch in den an das Fichtelgebirge von Fichtelgebirge mittels Feldbeobachtungen und mehreren Seiten angrenzenden Mittelgebirgen, genetischer Marker (Spitznagel 2001) startete dem Franken- und Oberpfälzer Wald sowie 2003 ein Folgeprojekt zur erweiterten Habitat - dem auf tschechischer Seite befindlichen untersuchung und der Umsetzung von Opti- Kaiserwald (Slavkovsky ´ les). mierungsmaßnahmen im Rahmen eines von der Europäischen Union und anderen Förderern1 Gleichzeitig wurden die persönlichen Kon- finanzierten INTERREG III A-Vorhabens takte zu Auerhuhnkennern, Ornithologen, „Grenzüberschreitender Biotopverbund für Jägern, Forstbetrieben und Naturschutz behör - Raufußhühner in der Euregio Egrensis“. den auf beiden Seiten der tschechisch-deut- Geografischer Raum waren die Privat- und schen Grenze ausgebaut und vertieft und ein Körperschaftswälder des nordostbayerisch- interdisziplinärer Arbeitskreis gebildet, der

1 gefördert von: Europäische Union (INTERREG III A), Oberfrankenstiftung, Universität Bayreuth, Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV), Stiftung Ornithologie und Naturschutz. 44 Ornithol. Anz., 48, 2009 auch nach dem Ende der Projektzeit seine Nachweise vor allem in den Randbereichen von Arbeit weiterführt. geschlossenen Nadelholz-Waldungen zum Of- Des Weiteren wurde in zahlreichen Vorträ- fen land. Dies liegt insbesondere an der anders- gen, Publikationen und Exkursionen die Proble- artigen Besitzstruktur (kleinparzellierter Privat - ma tik eines integrierten Raufußhuhnschutzes in wald) und der damit verbundenen mosaikarti- die breite Öffentlichkeit getragen. Überhaupt gen Waldnutzung mit höheren Anteilen an waren der intensive Erfahrungsaustausch und Laubhölzern. Das Birkhuhn ist als Brutvogel in die zahlreichen Beratungsgespräche mit Forst-, Nordostbayern seit zwei bis drei Jahrzehnten Jagd- und Naturschutzbehörden aller Ebenen ausgestorben (Gubitz & Pfeifer 1993). und den privaten Naturschutzverbänden und Während der Projektlaufzeit (2003–07) wur- Ornithologen äußerst relevant für die anschlie- den weiterhin Kenntnisse über den aktuellen ßend durchgeführten oder geplanten Umset- Popu la tionsbestand des Auerhuhns zusammen- zungs- und Biotopvernetzungsmaßnahmen. getragen. Es ist davon auszugehen, dass seit Der ausführliche Abschlussbericht über das 2006 sowohl die Populationsgröße als auch der Projekt ist unter http://132.180.60.7/PLANTE- Fort pflan zungserfolg dieser Art im Fichtel ge bir - COLOGY/publicat/Abschlussbericht-Raufuss - ge deutlich zurückging. Zu Projektende (De- huhn.pdf downloadbar. zember 2007) wird die Größe der Auerhuhn - An dieser Stelle soll nur auf einige für den popu lation auf nur noch 30 bis 40 Individuen ge - Rau fußhuhnschutz wichtige Dinge im Bereich schätzt; für 2000–2001 waren es noch etwa 60 In - der nordostbayerischen Mittelgebirge zusam- di viduen. Für den Steinwald, in dem umfangrei- menfassend eingegangen werden. Im Wesentli- che auerhuhngerechte Pflegemaßnahmen (Moor - chen handelt es sich dabei um Maßnahmen für rena tu rie rungen, Felsfreistellungen, Wald amei - das Auerhuhn, für das entsprechende Bestan ds - senhege) seitens des staatlichen Forstbetriebs zahlen vorliegen. Für das Haselhuhn gibt es Wald sassen und eines großen privaten Wald - derzeit nur wenige, überwiegend indirekte besitzers (von Gemmingen-Hornberg) durchge-

Abb. 1. Haselhahn Bonasa bonasia – Male Hazel Grouse Bonasa bonasia, Nationalpark Bayerischer Wald, 17. Oktober 2007. Foto: C. Moning P. Gerstberger u. A. Spitznagel: Grenzüberschreitender Biotopverbund für Raufußhühner in der „Euregio Egrensis“ 45 führt wurden, konnten dagegen erstmalig wie- den Jahren 2004 und 2005 wurden Vorkommen der Nach weise von Auerhuhnbruten (zwei Eier - an den aus früheren Projekten (Spitznagel 2001) schalenfunde, eine Huderpfanne) getätigt wer- bekannten Balz- und Brutplätzen im Fichtel- den. gebirge bestätigt. Wegen erheblicher Störungen Was das Haselhuhn betrifft, konnten trotz durch Holzerntemaßnahmen des Forstbetriebs intensiver Bemühungen mit zahlreichen Orni- während der Brut- und Führungszeit im Jahr thologen (Haselhuhn-workshop) keine neuen 2006 wurde am Schneeberg-Osthang ein Bruter - direkten Nachweise dieser heimlichen Vogelart folg verhindert. Forstarbeiten während Balz- erbracht werden. und Brutzeit 2007 (Harvesterernte sturmgewor- fener Altfichten) verhinderten dann auch im fol- genden Jahr sowohl in den Auerhuhn-Kern- Biotopverbund: Säule 1 – gebieten am Schneeberg-Osthang wie auf der Der Erhalt wertvoller Habitate Königsheide Bruten des Auerhuhns. Der Bestand des Auerhuhns im Fichtelgebir- Die Reste alter und lichter Fichtenbestände mit ge hat wegen der massiven forstwirtschaftli- reicher Beerstrauchdecke im montanen Bereich chen Störungen in der Balz- und Brutzeit seit (750–1000 m ü. NN) sind für das Überleben des 2006 zweifellos abgenommen und ist inzwi- Auerhuhns unverzichtbar (Koch 1993, von schen stärker als jemals zuvor vom Aussterben Hessberg 1988). Ihr Erhalt wurde daher auch in bedroht. Die Forstarbeiten wurden behördli- den Forsteinrichtungen der Fichtelgebirgs- cherseits genehmigt, um einer befürchteten Bor- Forstämter festgeschrieben und vom Minis - kenkäferkalamität vorzubeugen (welche aber terium ausdrücklich veranlasst. Dies ist auch letztendlich wegen der stattfindenden Klimaer - nach der Bayerischen Forstreform eine Ver- wär mung kaum aufzuhalten sein wird; siehe pflichtung für die staatlichen Forstbetriebe. In entsprechender fortschreitender Befall an ande-

Abb. 2. Heidelbeerreiches Optimal habi tat für das Auerhuhn am Schneeberg (Fichtelgebirge) in 930 m Meeres - höhe. – Bilberry rich habitat ideal for the Caper caillie. Schneeberg (Fichtelgebirge mountains) at 930 m asl. Foto: P. Gerstberger 46 Ornithol. Anz., 48, 2009

nungsgemäße Forstwirtschaft in den rauen Hochlagen des Fichtelgebirges kaum rentabel sei und daher ein stärkeres Augenmerk auf den Auerhuhnschutz etc. gelegt werden könne, aber die Wirklichkeit sieht manchmal leider anders aus. Habitatoptimierende Maßnahmen zum Schutz der Auerhuhnpopulation nützen wenig, wenn in den Brutgebieten während der kriti- schen Zeiten (Mitte März bis Ende Juli) Forstarbeiten mit großen Erntemaschinen durchgeführt werden.

Biotopverbund: Säule 2 – Das Optimieren von Habitaten

Jüngere und mittelalte Fichtenbestände wurden aufgrund unserer Vorschläge insbesondere seit 2005 in starkem Maße aufgelichtet (kostengün- stig mit Harvestern), sodass sie von einer pessi- malen in eine suboptimale, kleinräumig sogar optimale Eignung für Auerhühner umgewan- delt wurden. Ein großer Teil der noch bestehen- den Altholzreste wurden, dadurch verbunden, indem die zuvor zu dichten jüngeren Bestände Abb. 3. Randbereiche von Granit-Blockschutthalden für Auerhühner befliegbar gemacht wurden. und andere Lichtungsstellen werden bevorzugt vom Allerdings wurde auch hier festgestellt, dass Auerhuhn aufgesucht. Platte (Fichtelgebirge) in 860 m Meereshöhe. – Marginal zones of granite block-screes Auerhühner einen Waldbestand verlassen, (Platte, Fichtelgebirge mountains at 860 m asl) and other wenn Harvester und Forwarder länger als 2–3 clearings are preferentially sought by Capercaillies. Tage hier arbeiten. Auslöser ist zunächst die Foto: P. Gerstberger Störung durch den sehr hohen Lärmpegel, dau- erhaft wirken aber vielfach die „Stolperfallen“ durch die in der Fläche verteilten Bruchäste, ren Stellen des Fichtelgebirges und des Fran - Wipfelteile und Sägeholzreste. Insbesondere als ken waldes). Die Chance wurde vertan, die dy - Bruthabitate sind diese Bestände über einen namischen Prozesse eines natürlichen Waldum - mehrjährigen Zeitraum entwertet. baus zu nutzen und zu schützen. Stattdessen Wichtiges, lange Zeit vernachlässigtes Habi- wurde das zum Kernbereich der Auerhuhn - tatelement in Waldhuhn-Lebensräumen sind population zählende FFH-Gebiet ‚Schneeberg’ aufgerichtete Wurzelteller von sturmgeworfe- mit schweren Vollerntern über eine Woche nen Bäumen. Sie bieten mit ihren vielfältigen durchfahren, aus dem die Auerhühner sofort mikrostandörtlichen Habitaten viele ökologi- und längerfristig flohen. Die in Holzstapeln auf- sche Nischen, die in bewirtschafteten Forsten gearbeiteten Fichtenstämme lagen nach der weitgehend fehlen. Üblicherweise werden Wur- Har vesterernte jedoch noch monatelang im zel teller aber bei der Ernte des Stamm hol zes Auer huhngebiet, sodass die Borkenkäfer sämt- wieder zurückgekippt (Argument: Verkehrs- lich daraus schlüpfen konnten. sicherungs pflicht) und damit ein wichtiges Bio- Insgesamt ist festzuhalten, dass eine kriti- top element beseitigt. Durch geschicktes Ernten sche Vor-Begutachtung forstwirtschaftlicher des Stammes unter Belassung von 1–2 m des Arbeiten in den Auerhuhnschutzgebieten von unteren Stammabschnitts bleibt der Wurzel tel - Seiten des Naturschutzes offenbar notwendig ler aufgerichtet und neigt sich in eine stabile ist, um Schlimmstes in Zukunft zu verhindern. Lage weiter vor. Auf mehrfache Bitte und der Von Seiten der Bayerischen Staatsforsten ist entsprechenden Forderung im Facharbeitskreis immer wieder zu vernehmen, dass eine ord- Auerhuhn wurden wenigstens bei der zweiten P. Gerstberger u. A. Spitznagel: Grenzüberschreitender Biotopverbund für Raufußhühner in der „Euregio Egrensis“ 47

Harvesterernte im oberen Schneebergbereich das von der Bayerischen Staatsregierung pro- (2007) einige der Wurzelteller „gesichert“. Das klamierte Moorentwicklungskonzept MEK (LfU Belassen aufrechter Wurzelteller ist insbesonde- 2003). re auch den Fahrern der Harvester zu vermit- In der ‚Torfmoorhölle’ wurden seitens des teln. Dies scheint nicht immer funktioniert zu Forstbetriebs Selb umfangreiche Aufstau- und haben; Grund dafür ist, dass sich im unteren Wiedervernässungsmaßnahmen in 2007 durch- Stammabschnitt ein hoher Anteil der Holzmas - geführt. Das abschließende Hauptwehr ist aber se eines Baums befindet, der bevorzugt wirt- hinsichtlich seiner Konstruktion völlig unzurei- schaftlich genutzt wird, und dass die Fahrer im chend. Durch Seitenerosion wird sich das Akkord arbeiten. Wasser in Kürze einen neuen Weg am Wehr vor- Kulturzäune (als Verbissschutz gegen Rot - bei durch den Weichboden suchen. hirsch und Reh) beherrschten das Waldbild im Eine weitere größere Wiedervernässungs- Hohen Fichtelgebirge seit Beginn des Waldster - maß nah me wird seitens der Regierung von bens und der großflächigen Aufforstungs vor - Oberfranken, zusammen mit den Straßenbau - haben ab Anfang der 1980er Jahre. Damals wur - behörden und dem Forstbetrieb Fichtelberg im de begonnen, die infolge saurer Immissionen FFH-Gebiet NSG Fichtelseemoor erfolgen (vo - kränkelnden und absterbenden Wälder der raus sichtlich in 2009–2011). Hier gilt es, tausalz- Kamm lagen – dem Kerngebiet der Auerhühner belastete Straßenabwässer zu sammeln und ge - – flächig zu räumen. Das damals begonnene schickt am Moor vorbeizuführen, sodass alte „Fichtel gebirgs-Sanierungsprogramm“ wurde Ent wässerungs- und Ableitungsgräben endlich 20 Jahre lang durchgeführt mit entsprechenden wieder geschlossen werden können. Die geo- Verbissschutz-Zäunungen (Koch 1993). Draht - hydrologischen Grundlagen für diese Pla nun - zäune sind ein ganz wesentlicher Mortalitäts- gen lieferte eine vom Projekt betreute Diplom - faktor für Raufußhühner, die hier zu Tode kom- arbeit von Michael Selinger (2008). men, wenn sie im pfeilschnellen Flug mit den Während der Projektlaufzeit wurde ferner Zäunen kollidieren. Unseren Forderungen nach eine Diplomarbeit über die 1993 vom ehemali- Abbau beziehungsweise zumindest Verblen - gen Forstamt Kemnath begonnenen Wiederver - dung der Zäune wurde zunächst überhaupt nässungs maß nahmen im Steinwald betreut nicht, nach immer stärkerem Druck auch von (Laube 2005; siehe auch Beitrag in diesem Seiten des Facharbeitskreises „Auerhuhn“ Band). Weitere vom Projekt immer wieder vor- zögerlich begegnet. Auch nach 2000 wurden in getragene Moorrenaturierungen sollen in den den Hochlagen noch neue Kulturzäune gebaut, nächsten Jahren umgesetzt werden: Lehsten - die immer noch nicht verblendet sind. Ein Teil bach-Wasser einzugsgebiet, NSG Zeitelmoos, der älteren Zäune wurde, nach Erfüllung ihrer NSG Hahnen filz, Birkwiesen (Niedermoor bei Aufgabe, in den letzten Jahren wieder beseitigt. Mehlmeisel) und an anderen Orten. In mittleren und höheren Lagen des Fichtelge - Neben dem Verschluss von Entwässerungs- birges kann man jedoch noch immer Forst- gräben sind Maßnahmen (und Finanzmittel) schutzzäunungen antreffen. zur Beseitigung von unerwünschtem Baumauf- wuchs (Fichte, Moorbirke, Faulbaum) so lange Wiedervernässung entwässerter notwendig, bis das durch den Aufstau wieder Hoch- und Zwischenmoore geförderte Torfmooswachstum die Etablierung von Baumsämlingen dauerhaft unterbindet Eine der wichtigsten Forderungen des Projekts (siehe z. B. Faulbaum- und Birkendickichte im zur Optimierung der Lebensräume für Auer- NSG Häusellohe). und Birkhuhn ist die Wiedervernässung degra- dierter Moore, die im Fichtelgebirge und den Ausblick anderen Mittelgebirgen sehr oft durch forstliche „Meliorierungsmaßnahmen“ entwässert und Unter den gegenwärtig suboptimalen Bedin- für den Fichtenanbau hergerichtet wurden gun gen in den Wäldern und Forsten der Mittel - (siehe Reger, in diesem Band). Beispiele lassen gebirge der Euregio Egrensis, nämlich dem sich an zahlreichen ehemaligen Moorkörpern Dicht schließen von Fichtenjungwuchs und und den noch erkennbaren Grabensystemen Ausdunkelung der Krautschicht, der atmosphä- aufzeigen. Die Wiedervernässung fordert auch rischen Stickstoffdüngung verbunden mit 48 Ornithol. Anz., 48, 2009

Artenverlust (Vergrasung) der Krautschicht auf Nassgallen und Uferrandstreifen der Mittel- lichteren Partien (vor allem auf Kosten der gebirgsbäche von beschattendem, dicht - Heidelbeere), der erhöhten Prädatorendichte schließendem Fichtenbewuchs auf einer bei- durch vermehrten Maisanbau in der Region, derseitigen Breite von mind. 5 Meter (zu- immer noch vorhandene Forstschutzzäunun gen gleich eine Maßnahme zur Biotopver netzung etc. bedarf das Auerhuhn beziehungsweise für das Haselhuhn); Einbringung von deren Habitate derzeit unbedingt einer speziel- Laubholzarten entlang der Bäche. len Hege. Ohne entsprechende Hege- und Pfle- Somit ist für den Erhalt der Auerhuhn popu - ge maßnahmen ist mit einem mittelfristigen lation im Fichtelgebirge ein auf die Belange die- Verschwinden des Auerhuhns auch im Fichtel- ser Tierart (als key stone species) abgestelltes, spe- gebirge zu rechnen. Die Hege muss die folgen- zielles Forstmanagement zwingend nötig, den Maßnahmen umfassen, die teilweise schon wobei auf betriebsökonomische Einnahmen aus seit vielen Jahren gefordert, bisher aber offenbar der Holznutzung keinesfalls verzichtet werden nicht konsequent genug oder nur punktuell muss. durchgeführt wurden: Es bleibt zu hoffen, dass im Zuge der FFH- • stärkere Durchforstung von Fichtenwäldern Begutachtung des Hohen Fichtelgebirges hin- junger bis mittelalter Bestände, insbesondere sichtlich des aktuellen und zukünftigen Erhal - im Hinblick auf die Vernetzung von bisher tungszustands der Auerhuhnpopulation Mana- isolierten Inselhabitaten; stärkere Auf lichtung gement-Maßnahmen formuliert werden, für die von Bergkuppen (oft [ehemalige] Balzplätze), auch umgehend entsprechende Finanzmittel Förderung innerer Wald-Offenland-Grenz - seitens des bayerischen Umweltministeriums linien durch Belassung von Lücken, und der Europäischen Union zur Verfügung ge - • Förderung der Altersheterogenität von stellt werden und die somit unverzüglich in monostrukturierten Nadelholzforsten durch Angriff genommen werden können. Darüber gezielte Plentereingriffe oder Zulassen na - hinaus ist nach dem Beschluss des Bayerischen türlicher Störungen (Windwurf, Schnee- Landtags, das Auerwild ganz besonders im bruch), Fichtelgebirge zu fördern und zu erhalten, die • Unterlassung jeglicher Forstarbeiten in den besondere Pflicht der Bayerischen Staatsforst- Auerhuhngebieten zur Balz-, Brut- und Kü - verwaltung auf ihren eigenen Flächen und kenaufzuchtzeit (je nach Schneelage ab etwa eigens dafür eingerichteten Schutzgebieten die Mitte bis Ende März bis Ende Juli), Ziele des Auerhuhnschutzes aktiv, sensibel und • Beseitigung sämtlicher Drahteinzäunungen vorausschauend umzusetzen. (zwischen 750–1000 m ü. NN); gegebenen- Ob und wie sich die Fichte, der montane falls ersatzweise Bau von Hordengattern Fichtenwald (Fichtenforst) und mit ihnen das statt Maschendrahtzäunung oder Einzel - Auerhuhn in der Zukunft unter veränderten kli- baum schutz, matischen Bedingungen in den bayerischen • stärkere Bekämpfung/Bejagung von Fuchs Mittelgebirgen werden erhalten können, ist und Wildschwein in den höheren Lagen des schwer abzuschätzen und wohl eher negativ zu Fichtelgebirges; Kirrungsverbot, prognostizieren. Was die Baumart betrifft, mit • Förderung vorhandener und vermehrte der das Auerhuhn am besten auskommen kann, Einbringung der Waldkiefer (sowie Spirke, hat sich die auch erhöhte Temperaturen tolerie- Pinus rotundata, auf Moorstandorten) auf rende Waldkiefer als eine besonders wichtige Kosten der Fichte, Nahrungsbaumart erwiesen (Lieser et al. 2006). • Belassen von liegendem und stehendem Tot - Von entscheidender Bedeutung werden zudem holz sowie aufgerichteten Wurzel tellern, die zukünftigen Habitatstrukturen sein: Aufge - • konsequente Wiederherstellung bezie- lichtete, altersheterogene und beerkrautreiche hungsweise Revitalisierung der ehemals Nadelmischwälder (60–70% Nadelbaumarten) vorhandenen Vermoorungen durch Aufstau mit vielfältiger Baumartenzusammensetzung noch bestehender Entwässerungsgräben; unter besonderer Berücksichtigung der Tanne längerfristige Beseitigung des massiven (und Europäischer Lärche), wie beispielsweise Fichtenaufwuchses und anderer Baumarten in den nördlichen Kalkalpen, eignen sich durch- bis zur vollzogenen Wiedervernässung; aus als Optimalhabitat für das Auerhuhn. Wenn • Freistellung von Felspartien, Quellberei chen, dazu noch die Kiefer als Forstbaum stärker P. Gerstberger u. A. Spitznagel: Grenzüberschreitender Biotopverbund für Raufußhühner in der „Euregio Egrensis“ 49 gefördert würde, könnten die negativen Aus - Koch, H. (1993): Das Auerwild im Staatswald wirkungen der zukünftigen Klimaänderungen Oberfrankens. – Naturschutzzentrum Was- auf den Fortbestand dieser hochgradig gefähr- serschloss Mitwitz – Materialien 2/93: 59-60. deten Vogelart zumindest deutlich abgemildert Laube, J. (2005): Entwicklungstendenzen der werden. wiedervernässten Moore des Steinwalds. – Mit einer für Ende 2007 geschätzten Indivi - Diplomarbeit Universität Bayreuth. duenzahl von 30–40 Auerhühnern für das Hohe Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (LfU) Fichtelgebirge ist diese Art hier an der untersten (2003): Moorentwicklungskonzept Bayern Grenze einer sich selbst erhaltenden Metapopu - (MEK). Handlungsschwerpunkte der Moor - lation angekommen. Es ist daher allerhöchste re na turierung. – Augsburg. Zeit, dass alle Institutionen, in deren Verant - Lieser, M., T. Töpfer, K.-E. Schroth & P. Berthold wortlichkeit die Erhaltung des Auerhuhns für (2006): Energetischer Wert von Koniferen - Nordbayern liegt, die vorgeschlagenen Ret- nadeln als Winternahrung für Auerhühner tungs- und Stützungsmaßnahmen unverzüglich (Tetrao urogallus). Ökol. Vögel 28: 1-29. und auf großer Fläche umsetzen! Selinger, M. (2008): Entwicklung eines hydrolo- gischen Sanierungskonzeptes für das Natur - schutzgebiet Fichtelseemoor. Diplomarbeit Literatur Uni versität Bayreuth. Spitznagel, A. (2001): Erfassung des Auerhuhn- Gerstberger, P. & A. Spitznagel (2007): Ab - bestandes im Fichtelgebirge – Abschlussbe - schlussbericht über das INTERREG III A- richt des Projektes J2 im Auftrag des Bayer. Pro jekt: ‚Grenzüberschreitender Biotopver - Staatsministeriums für Landwirtschaft und bund für Raufußhühner in der Euregio Forsten. – Bayer. Landesanstalt f. Wald- u. Egrensis’. Uni ver sität Bayreuth. Forstwirtschaft, Freising. 1-51. Gubitz, C. & R. Pfeifer (1993): Die Vogelwelt Ost-Oberfrankens. Grundlage für eine Avi - fauna. Beih. Ber. Naturwiss. Ges. Bayreuth 4. Heßberg, A. v. & C. Beierkuhnlein (2000): Vege - tationsstrukturen in den Habitaten des Auer huhns Tetrao urogallus im Fichtelge bir - ge. Ornithol. Anz. 39: 159-174. 50 Ornithol. Anz., 48, 2009

Ornithol. Anz., 48: 50–55

Lebenserwartung und Verlustursachen umgesiedelter Auerhühner Tetrao urogallus in Thüringen

Christoph Unger und Siegfried Klaus

Life expectancy and causes of death of relocated Capercaillies Tetrao urogallus in Thuringia As compensation for damage to capercaillie Tetrao urogallus habitat in Thuringia, eastern Germany, through the construction of two new reservoirs, an electric power company was required to improve habitat in the area surrounding the dam and to implement a translocation experiment to supplement a small remnant population of capercaillies. Capercaillies were caught in autumn near Jaroslawl and Kostroma, 400–600 km NE of Moscow, central Russia. The birds were released after two weeks of quarantine in pens located within receptor habitats. 145 birds were released between 1999 and 2003. The sex ratio (males/females) was 1.2. The distribution of age classes of males resem- bled natural conditions: 38% were older than 2.5 years. The mean survival time of 33 marked birds was 286 days, ten times higher than captive-reared birds released in Thuringia. Survival of wild capercaillies (median 100 days, mean 286 days) was calculated from 33 birds, including 25 equipped with transmitters and of 8 other ringed individuals. Survival of captive- reared birds (median 17 days, mean 25 days) was obtained from 33 birds equipped with transmit- ters. The survival functions in Fig. 1 demonstrates: wild birds had about tenfold higher mean sur- vival than captive-reared birds in the same release area and habitat in Thuringia. 15 wild males (75% of all losses, n=36) and 9 wild females (60%) were killed by red fox Vulpes vulpes and/or pine marten Martes martes. 3 males (15%) and 5 females (33%) were killed by goshawk Accipiter gentilis. The remaining losses were due to collisions with deer-fences (2 males, 1 female) and unknown causes. Reproduction by released birds was observed in 8 cases. Key words: translocation, capercaillie Tetrao urogallus, survival, Thuringia

Christoph Unger, Institut für Ökologie, Friedrich-Schiller-Universität, Dornburger Str. 159, 07743 Jena E-Mail: [email protected] Dr. Siegfried Klaus, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Hans-Knöll-Str. 10, 07745 Jena E-Mail: [email protected]

Einleitung im Thüringer Schiefergebirge ausgesetzt. Die Vögel stammen aus der mittleren Taigazone In Thüringen schrumpfte das Areal des Russlands (Jaroslawl, Kostroma, ca. 600 km NE Auerhuhns durch Habitatverluste seit 1970 von von Moskau). Als wichtigste Voraussetzung für ca. 120 000 ha auf 10 000 ha in 1990. Gleichzeitig ein Gelingen des Experiments wurden in den nahm die Bestandsgröße von rund 300 Vögeln letzten Jahren durch die Thüringer Forstver - (1970) auf weniger als 20 Vögel (1990) ab (Klaus waltung auf einer Fläche von rund 600 ha die 1995). Um das Aussterben aufzuhalten, wurde Habitate verbessert. Darüber hinaus wurden seit 1992 der Bestand durch Zusetzen gezüchte- durch Verordnung der Thüringer Forstver wal - ter Vögel gestützt. Nach Empfehlung eines tung 15 000 ha Waldfläche ausgewiesen, in Fachgremiums wurden von Ende 1999 bis Ende denen die Habitate für das Auerhuhn künftig 2003 im Zuge von Ausgleichs- und Ersatzmaß - optimiert werden sollen. Inzwischen stieg diese nahmen für den Bau des Pumpspeicherwerkes Fläche durch die Ausweisung von EG-Vo gel - Goldisthal und der Talsperre Leibis anstelle schutzgebieten im Auerhuhnareal auf über gezüchteter Vögel 145 Wildfang-Auerhühner 28 000 ha an. Das von der Thüringer Forst- und C. Unger und S. Klaus: Lebenserwartung und Verlustursachen umgesiedelter Auerhühner Tetrao urogallus in Thüringen 51

Tab. 1. Median und mittleres Überleben russischer Wildfang-Auerhühner in Thüringen im Vergleich mit Auerhühnern aus der Zucht (Scherf 1995, Schwimmer & Klaus 2000). – Mean and average survival of russian wild-caught Capercaillies in Thuringia compared with captive-bred birds.

Überleben [Tage] Minimum Maximum Median Mittelwert SD N Wildfänge Hähne und Hennen 3 - 1884 100 286 457 32 Hähne 10-1884 107 374 535 17 Hennen 3 - 1270 77 186 330 15

Vögel aus der Zuchtstation Hähne und Hennen 3 - 130 17 25 25 33 Hähne 3 - 130 17 28 32 16 Hennen 8 - 67 16 23 17 17

Umweltverwaltung getragene Projekt wurde im Schwimmer & Klaus 2000). In Abb. 1 sind ver- Auftrag der Thüringer Landesanstalt für Um - gleichend die Überlebenskurven von Wildfän - welt und Geologie wissenschaftlich begleitet gen und Auerhühnern aus der Zucht darge- (Graf 2001, Graf & Klaus 2001, Unger & Klaus stellt. Das beweist die wesentlich bessere Eig - 2007). In diesem Beitrag stellen wir Ergebnisse nung von Wildfängen für Wiederansiedlungs - zu Überlebensraten, Todesursachen und Tradi- projekte. tionsbildung vor. Vier Jahre nach Beendigung der jährlichen Auswilderungen (2003) war immer noch ein Ergebnisse und Diskussion Früh jahresbestand von 25 bis 35 Auerhühnern vorhanden (Zählung 2006 und stichprobenwei- Lebenserwartung – Wildfänge überleben län- se Erfassung 2007). ger. Bei mindestens sieben Auerhühnern wurde ein Überleben zwischen zwei und sechs Jahren 1,00 durch Ringfunde belegt. Ein Hahn lebte über sechs Jahre lang nach seiner Auswilderung. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen 0,8 den Geschlechtern bezüglich der Überlebens- dauer, jedoch zeigten Hähne den Trend, länger 0,6 zu leben (Tab. 1). In Tab. 1 sind außerdem die Unterschiede zu Auerhühnern aus der Zucht, getrennt nach Hähnen und Hennen, dargestellt. 0,4 Erwartungsgemäß waren die Verluste nach der Freilassung am größten. So kam die Hälfte aller Kumulatives Überleben Vögel mit bekannter Überlebensdauer (n = 16) 0,2 in den ersten 100 Tagen, also in der Phase der Eingewöhnung, durch Beutegreifer ums Leben. 0,0 Der Anteil der Hennen, die in diesem Zeitraum umkamen, betrug 61 %, der der Hähne 39 %. Die durchschnittliche Überlebensdauer aller besenderten Wildfang-Auerhühner (n = 25) und der zusätzlichen Ringfund-Vögel (n = 8) betrug Abb. 1. Überlebensfunktionen nach Kaplan & Meier von Wildfang-Auerhühnern und Auerhühnern aus 286 Tage und liegt damit zwölfmal höher als der Zucht. – Survival functions of wild-caught and cap- von Auerhühnern aus der Zucht (Scherf 1996, tive-bred Capercaillies (after Kaplan & Meier). 52 Ornithol. Anz., 48, 2009

Abb. 2. Verlustursachen umgesiedelter Wildfang-Auerhühner (1999–2006, Thüringer Schiefergebirge) – Causes of death of wild-caught Capercaillies released in the Schiefergebirge, Thüringen, between 1999 and 2006.

Nach Untersuchungen in Schottland (Moss Verlustursachen – Raubsäuger sind die häufig- 1987) beträgt die Mortalität adulter Auerhühner sten Prädatoren. Von 1999 bis 2006 wurden im 45 % pro Jahr, in Finnland 29 % (Linden 1981). Untersuchungsgebiet 35 Verluste (20 Hähne, 15 Nimmt man für Thüringen bei den umgesetzten Hennen) registriert (Abb. 2). Fuchs oder (Baum-) Vögeln den schottischen Wert von 45 % Marder und Habicht waren die häufigsten Adultmortalität an (der auch der heute wesent- Verursacher (vergl. Semenov-Tjan-Sanskij 1960, lich höheren Prädatorendichte Rechnung trägt), Kauhala & Helle 2002, Klaus et al. 1989, Schroth so wäre der Bestand ohne Reproduktion vier 1990, Wegge et al. 1990, Storch 1993). Jahre nach Ende der Aussetzungen theoretisch 75 % der Hahnenverluste (n = 15) und 60 % der auf 13 Vögel gesunken. Der zwei- bis dreifach Hennenverluste (n = 9) waren Risse durch Fuchs höhere Bestand beweist daher indirekt, dass oder Marder. Weitere 15 % der Hähne sich die Vögel fortgepflanzt haben müssen. Dies (n = 3) und 33 % der Hennen (n = 5) wurden vom wird durch acht Nachweise erfolgter Repro - Habicht geschlagen. Drei Vögel verunglückten duktion unterstrichen (Unger & Klaus 2007). durch Anflug an forstlichen Kulturzäu nen aus Die Gründe für die schlechte Freilandeig- Draht (vgl. Baines & Summers 1997, Baines & nung der Zuchtvögel sind deren verringertes Andrew 2003, Catt et al. 1994 in Schott land). Feindver meidungsverhalten (Klaus 1997), die Baines & Andrew (2003) stellten 437 Kollisionen schlechtere Verdauung von Zellulose als Haupt- von 13 Vogelarten an Wildschutz zäu nen fest. bestandteil der Winternahrung (Lieser et al. Darunter waren Raufußhühner mit einem Anteil 2005) und geringere Muskel- und Organmassen von 91 % vertreten. Auerhühner machten einen sowie deren Leistungen (Liukkonen-Anttila et Anteil von 20 % aus. Aufgrund sehr hoher al. 2000). Der größte Teil der freigelassenen Zaundichten wird der Anprall an Zäune in Zuchtvögel erreichte dadurch nicht das repro- Schottland als eine bedeutende Rückgangs- duktionsfähige Alter. Nach Telemetrieunter - ursache für Auerhühner beschrieben (Moss et al. suchungen ermittelten Scherf (1996) und 2000). Wo man aufgrund hoher Schalenwild- Schwimmer & Klaus (2000) in Thüringen, dichten auf Kulturzäune nicht verzichten kann, Schroth (1990) im Schwarzwald sowie Siano et sollten Hordengatter aus Holz errichtet oder die al. (2006) im Harz durchschnittliche Überle- Drahtzäune sichtbar durch Latten oder farbige bensdauern von gezüchteten Auerhühnern zwi- Plastikbänder verblendet werden (Müller 2002). schen 25 bis 33 Tagen. Nur wenige Tiere erreich- Der Vergleich der Todesursachen von Wildfän - ten das 2. Jahr. gen und gezüchteten Vögeln zeigt in Thüringen hohe Übereinstimmung (Abb. 2, Scherf 1996, Schwimmer & Klaus 2000). C. Unger und S. Klaus: Lebenserwartung und Verlustursachen umgesiedelter Auerhühner Tetrao urogallus in Thüringen 53

Abb. 3. Auerhuhnlebensraum im Aussetzungsgebiet Langer Berg. – Capercaillie habitat in the release area at Langer Berg. Foto: C. Unger

Ausblick – Konsequente Umsetzung von blieben. Momentan wird der Frühjahresbestand Schutzmaßnahmen dringend notwendig des Auerhuhnes im Thüringer Schiefergebirge auf 25 bis 35 Vögel geschätzt. Ganz entschei- Die Beobachtungen der vergangenen Jahre zeig- dend für die langfristige Erhaltung dieser Art in ten, dass sich umgesetzte Auerhühner aus der Thüringens Wäldern ist die Erweiterung des freien Wildbahn Russlands gut im neuen arttypischen Lebensraumes: alte, lückige, kie- Lebensraum zurechtfanden und relativ ortsfest fernreiche Bestände mit reichen Heidelbeervor -

Abb. 4. Zweijähriger Auerhahn zeigt Territorialverhalten im Herbst. – Two-year-old Capercaillie cock showing terri- torial behaviour in autumn. Foto: S. Klaus 54 Ornithol. Anz., 48, 2009 kommen auf großer Fläche (Abb. 3). Nur dort ist Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geo- die Entstehung von kollektiven Balzplätzen logie Jena für fachliche und logistische Unter - mög lich (Abb. 4). Die Gestaltung der Auer - stützung. Namentlich danken wir J. Burkard huhnhabitate auf den von der Landesforstver - (Oberweißbach), Dr. W. Wennrich (Meura), E. waltung bisher vorgesehenen 15 000 ha ist bis- Steiner (Ernsttal) und F. Rost (Meuselbach) für her nur in geringem Umfang realisiert worden. die Mitteilung von Beobachtungen. 2007 wurden vier EG-Vogelschutzgebiete mit dem Ziel des Auerhuhnschutzes erweitert be - Zusammenfassung ziehungsweise neu gemeldet. Erheblich erwei- tert wurden die EG-Vogelschutzgebiete Nr. 27 Von 1999 bis 2003 wurden im Thüringer „Westliches Thüringer Schiefergebirge“ (11914 Schiefergebirge im Rahmen von Ausgleichs- und ha), Nr. 28 „Nördliches Thüringer Schiefer - Ersatzmaßnahmen für den Bau des Pumpspei - gebirge mit Schwarzatal“ (7151 ha) und Nr. 36 cherwerkes Goldisthal und der Tal sperre Leibis „Vordere und Hintere Heide südlich Uhlstädt“ 145 Wildfang-Auerhühner aus dem Raum (6183 ha). Neu gemeldet wurde das EG-Vo- Jaroslawl-Kostroma umgesiedelt (Geschlechts - gelschutzgebiet Nr. 34 „Langer Berg – Bunt- verhältnis Männchen/Weibchen 1,2; 38% der sandstein-Waldland um Paulinzella“ (4300 ha). Hähne älter als 2,5 Jahre). Nach zweiwöchiger Das sind die neuen Zielgrößen für den Auer - Quarantäne in eigens im Ausset zungs gebiet huhnschutz in Thüringen. Mit einer Gesamt- errichteten Volieren erfolgte die Frei lassung. waldfläche von 28 158 ha erfüllen diese Schutz - Überlebensdauer und Verlust ursachen wurden gebiete Zielvorgaben der internationalen For - mittels Telemetrie und durch Ringfunde unter- schung (u. a. Storch 1997). Die EG-Vogelschutz- sucht. Der Median der Überlebensdauer aller gebiete besitzen somit eine wichtige Funktion. auswertbaren besenderten Wildfang-Auer - Sie schützen zugleich Gemeinschaften weiterer hühner (n = 25, 19 Männchen, 14 Weibchen) und Waldvogelarten wie Sperlings- und Raufuß- von zusätzlichen Ringfunden (n = 8) betrug 100 kauz, Grau- und Schwarzspecht, Ziegenmelker Tage (Mittelwert: 286 Tage). Die Überlebensdau- und andere. ern von 33 gezüchteten, besenderten Auerhüh- Die Berücksichtigung der Bedürfnisse des nern waren fast zehnfach geringer (Median 17 scheuen Auerhuhns bei touristischer Walder - Tage, Mittelwert 25 Tage, Scherf 1996, Schwim- schließung (Reit-, Rad-, Wander- und Skiwege), mer and Klaus 2000). Der Unterschied ist hochsi- bei Bauvorhaben und bei allen forstlichen gnifikant und belegt die wesentlich bessere Maßnahmen ist eine weitere Grundvorausset - Eignung von Wildfängen für Bestandesstüt - zung für das Gelingen des Projekts! Die mo- zungs- und Wiederansiedlungs projekte. mentan im Schiefergebirge lebende kleine In der Projektzeit wurden die Verluste von Auerhuhnpopulation ist hoch bedroht. Ihr 20 Männchen und 15 Weibchen registriert. Die Überleben ist allein aufgrund der geringen Mehrzahl der Verluste wurden durch den Fuchs Populationsgröße sehr unsicher. Die Erhaltung / Marder verursacht (75% der Männ chen ver - des Auerhuhns in Thüringen kann daher nur luste, n= 15; 60% der Weibchenverluste, n = 9). gelingen, wenn die begonnenen Lebensraum - Weitere 15% der Männchen (n = 3) und 33% der verbesserungen in den neuen EG-Vogelschutz- Weibchen (n = 5) wurden vom Habicht geschla- gebieten fortgeführt werden und Landnutzer gen. Der Rest kollidierte mit Forstzäu nen (2 und Naturschützer eng und konstruktiv zusam- Männchen, 1 Weibchen). Mindestens achtmal menarbeiten. wurde Reproduktion nachgewiesen.

Dank. Besonderer Dank gebührt dem Stifter- verband für die Deutsche Wissenschaft, der das Literatur Projekt zweieinhalb Jahre finanziell mit einem Stipendium unterstützte. Weiterhin danken wir Baines, D. & R. W. Summers (1997): Assesment der Stiftung Naturschutz Thüringen für die of bird collisions with deer fences in Scottish Finanzierung der Freilandarbeiten in Russland, forests. Journal of Applied Ecology 34: 941- der Thüringer Forstverwaltung, insbesondere 948. den Forstämtern und Revierleitern für die Baines, D. & M. Andrew (2003): Marking of deer Unterstützung bei den Geländearbeiten und der fences to reduce frequency of collisions by C. Unger und S. Klaus: Lebenserwartung und Verlustursachen umgesiedelter Auerhühner Tetrao urogallus in Thüringen 55

wood land grouse. Biological Conservation Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Ber. Bayer. 110: 169-176. Landes anst. Wald- u. Forstwirt. 35: 70-76. Catt, D. C., D. Dugan, R. E. Green, R. Moncrieff, Scherf, H. (1996): Raum- und Habitatnutzung R. Moss, N. Picozzi, R. W. Summers & G. A. ausgewilderter Auerhühner im Gebiet der Tyler (1994): Collisions against fences by Saale-Sandsteinplatte Thüringens. Unveröff. woodland grouse in Scotland. Forestry 67: Dipl.-Arb. Thür. Fachhochsch. Forstwirt. 105-118. Schwarz burg. Graf, K. (2001): Telemetrische Erfolgskontrolle Schroth, K.-E. (1990): Neue Erkenntnisse zur eines Translokations-Projekts mit Auerhüh - Ökologie des Auerwildes. In: Arbeitsgruppe nern (Tetrao urogallus L.) in Thüringen. – Un- Auerwild (Hrsg.): Auerwild in Baden-Würt- veröff. Dipl. Arb. Thür. Fachhochsch. Forst- temberg – Rettung oder Untergang? Schrif- wirt. Schwarz burg. tenr. LFV Bad.-Württ. 70: 43-90. Graf, K. & S. Klaus (2001): A translocation expe- Schwimmer, M., & S. Klaus (2000): Be - riment using capercaillie Tetrao urogallus standsstützung mit gezüchteten Auerhüh - from central Russia. Vogelkundl. Ber. Nie- nern (Tetrao urogallus) im Thüringer Schie- der sachs. 33: 181-186. fergebirge. Landschaftspflege u. Natur- Kauhala, K., & P. Helle (2002): The impact of schutz Thür. 37: 39-44. predator abundance on grouse populations Semenov-Tijan-Sanskij, O. I. (1960): Ökologie in Finland – a study based on wildlife mon- der Tetraoniden. Trudy Laplands. Zapov. 5: itoring counts. Ornis Fenn. 79: 14-25. 1-318. Klaus, S. (1995): Situation der Raufußhühner in Siano, R., F. Bairlein, K. M. Exo & S. A. Herzog Thüringen. Naturschutzreport 10: 11-21. (2006): Überlebensdauer, Todesursachen Klaus, S. (1997): Flucht in die Zucht – Eine kriti- und Raumnutzung gezüchteter Auerhühner sche Bilanz der Wiederansiedlung von (Tetrao urogallus), ausgewildert im National - Auer hühnern. Nationalpark 1: 8-13. park Harz. Vogelwarte 44: 145-158. Klaus, S., A. V. Andreew, H.-H. Bergmann, F. Storch, I. (1993): Habitat Use and Spacing of Müller, J. Porkert & J. Wiesner (1989): Die Capercaillie in Relation to Forest Fragmen - Auerhühner. Die Neue Brehm-Bücherei. Bd. tation Patterns. Diss. Biol. Fak. Ludwig- 86, Wittenberg Lutherstadt. Maximilian-Univ. München. Lieser, M., K.-E. Schroth & P. Berthold (2005): Storch, I. (1997): The importance of scale in habi- Ernährungsphysiologische Aspekte im tat conservation for an endangered species: Zusam menhang mit der Auswilderung von the capercaillie in central Europe. In: J. A. Auerhühnern Tetrao urogallus. Ornithol. Bisonette (ed.): Wildlife and Landscape Beob. 102: 97-108. Ecology: Effects on Pattern and Sc ale. New Linden, H. (1981): Estimation of juvenile mortal- York: 310-330. ity in the capercaillie, Tetrao urogallus and Unger, C. & S. Klaus (2007): Die Situation des black grouse, Tetrao tetrix from indirect evi- Auerhuhns in Thüringen – Ergebnisse der dence. Finn. Game Res. 39: 35-51. aktuellen Forschung. Landschaftspflege und Liukkonen-Anttila, T., R. Saartoala & R. Hissa Natur schutz in Thüringen 44: 104-112. (2000): Impact of hand-rearing on morphol- Wegge, P., I. Gjerde, L. Kastdalen, J. Rolstad & ogy and physiology of the capercaillie T. Storaas (1990): Does forest fragmentation (Tetrao urogallus). Comparative Biochemistry in crease the mortality rate of capercaillie? In: and Physiology Part A 125: 211-221. S. Myrberget (ed.): The XIXth IUGB Moss, R. (1987): Demography of Capercaillie Congress - The International Union of Game Tetrao urogallus in north – east Scotland. II. Biologists, 2, Wildlife Management: 448-453. Age and sex distribution. Ornis Scand. 18: 35-140. Moss, R., N. Picozzi, R. W. Summers & D. Baines (2000): Capercaillie (Tetrao urogallus) in Scotland – demography of a declining popu- lation. Ibis 142: 259-267. Müller, F. (2002): Forstzäune als Gefährdungs- und Mortalitätsfaktoren für Auerhühner, 56 Ornithol. Anz., 48, 2009

Ornithol. Anz., 48: 56–59

Prädationseinfluss und Feindvermeidungsstrategien beim Auerhuhn Tetrao urogallus

Franz Müller

Influence of predation and predator-avoidance strategies in the Capercaillie Capercaillies have a number of abilities which help them to avoid predators: very good eyesight and hearing, camouflage colour and behaviour, fast flight, if necessary effective defence (especially by cock birds) or deception (injury-feigning by hen birds). Their sedentary nature promotes a knowledge of escape routes and hiding places; life in social groups reduces the threat from enemies through visual and audible warnings and because different birds look out in turn. The influence of predation can only be assessed indirectly by finding the remains of killed birds. Since not all of these are found, minimum values result. Findings in a relict population in 1000 ha of the Vorderrhön, Hessen between 1962 and 1980 give a to some extent realistic indication of affairs in the Central Uplands. Annual losses of adult birds fluctuated strongly (0 – 50%, mean 12%). Ten years of trials with artificial clutches resulted mostly in total losses so long as wild pigs were pres- ent. Only when this predator was temporarily eliminated did losses fall to about 30% – considered to be a normal level amongst ground-nesting species.

Dr. Franz Müller, Hauptstr. 22, 36129 Gersfeld (Rhön)

Einleitung Nachteilig ist die örtliche und zeitliche Bindung der Hühner an bestimmte Plätze (Balz-, Der Anteil von Prädation an der Gesamt- Aufzucht-, Sandbade-, Schlafplätze und andere), mortalität einer Art ist bei verschiedenen weil dies ansässigen Prädatoren nicht verborgen Teilpopulationen beziehungsweise in unter- bleibt. Welche Beutegreifer Auerhühnern gefähr- schiedlichen Habitaten und von Jahr zu Jahr lich werden können, ist tages- und jahreszeitlich unterschiedlich hoch. Die Zuordnung eines verschieden und auch von Alter und Geschlecht Fundes zur tatsächlichen Todesursache kann der Auerhühner abhängig. falsch sein, z. B. wenn Unfallopfer von Aasver - Auerhühner entwickeln durch Lernvorgänge wertern verschleppt werden oder ein stärkerer und Tradierung Vermeidungsstrategien gegen Konkurrent einem schwächeren Beute abgejagt „standorttypische“ Feinde. Problematisch sind hat. Nicht alle Überbleibsel von Prädation wer- in einem Gebiet „neu“ auftretende Beutegreifer, den gefunden, was besonders für unübersicht - die angepasste Meidestrategien erfordern. So liches Gelände zutrifft. Deshalb sind Unter- sind in vielen Gegenden Mitteleuropas Uhu, suchungen zur Prädation wohl stets mit einer Kolkrabe, Wildkatze, Luchs und Marderhund Dunkelziffer unbekannter Größe behaftet. Die zugewandert, die es dort vorher nie oder lange Funde sind demnach als Minimalwerte zu Zeit nicht mehr gegeben hatte. Ähnlich war es betrachten. lokal oder regional mit Waschbär und Wild - schwein. Letzteres ist inzwischen infolge höhe- Feindvermeidungsstrategien rer Populationsdichten vor allem infolge zu neh - mend milderer Winter, unzureichender Beja - Raufußhühner, besonders die Waldbewohner wie gung und übertriebener Lockfütterung in höhe- das Auerhuhn, sind meist standorttreu. Das hat re Mittelgebirgs- und voralpine Lagen mit den in Hinblick auf die Prädation Vor- und Nachteile. letzten Raufußhühnervorkommen vorgedrun- Vorteilhaft ist die Kenntnis geeigneter Verstecke gen. Die Auseinandersetzung mit solch „neuen“ und Fluchtwege zu allen Tages- und Jahreszeiten. Prädatoren erhöht den ohnehin schon starken Franz Müller: Prädationseinfluss und Feindvermeidungsstrategien beim Auerhuhn Tetrao urogallus 57

Feind druck, dem isolierte Restpopu la tionen un - sungen werden voll wirksam in ungestörten terliegen. Habi taten, die Nahrung und Deckung auf en- Auerhühner verfügen über verschiedene gem Raum bieten („Biotop der kurzen Wege“). angeborene oder durch Lernvorgänge perfek- Durch anthropogene Einflüsse im Wald werden tionierte beziehungsweise Tradierung erworbe- diese günstigen Voraussetzungen zu nehmend ne Ver haltensweisen, die einer Feindeinwir - eingeschränkt. Dazu zählen nicht nur Biotop- kung vorbeugen oder sie abwehren. Bei allen zerstörungen und Störungen durch den Forst- Aktivitäten wird häufig gesichert. Ruhen und be trieb, sondern besonders die vielfältigen Putzen am Boden erfolgen auf einer erhöhten Störungen durch Freizeitaktivitäten aller Art. In Stelle mit gutem Rundumblick oder in einem bestimmten Lebensphasen oder Jahreszeiten Versteck. Vor dem Schlaf auf einem Baum läuft (Balz, Kükenaufzucht, Mauser, Überwinterung) ein regelrechtes „Sicherheits-Ritual“ ab. Staub - können sie zu einem Energiedefizit der Hühner badestel len oder Neststandorte werden sorgfäl- führen und Prädation erleichtern. Vor allem tig ausgewählt. Sie müssen gute Deckung bieten unvorhersehbare, überraschende Aktivitäten und Flucht nach mehreren Seiten ermöglichen. abseits markierter Wege und Loipen führen zu Die führende Henne ist stets wachsam und „Treibjagdeffekten“, die insbesondere der Ha - warnt die Küken bei Gefahr, worauf diese sich bicht geschickt zu nutzen lernt. Auch die verteilt in Deckung drücken und dort bis zur Unfallgefahr an Drahthindernissen wie Kultur - Entwarnung verharren. Notfalls lockt die zäunen (zu dieser Problematik siehe Müller Henne durch „Verleiten“ Feinde vom Gelege 2002) oder Liftkabel erhöht sich durch das oder den Küken weg und verteidigt sie sogar. Umherscheuchen der Hühner drastisch. Bei Feindannäherung reagieren die Hühner unterschiedlich, je nachdem, ob sie sich unent- Hinweise zum Prädationsdruck deckt wähnen oder angegriffen werden. Im ersteren Fall rennen sie in Deckung und drücken Zur Beurteilung der Prädation beim Auerhuhn sich. Vor Angriffen fliehen sie, je nach Situation wurden Befunde und Erfahrungen aus Mittel- und Versteckmöglichkeit entweder schnell ren- gebirgsrevieren (Vorderrhön in Hessen und nend und Haken schlagend oder blitzschnell Bayern, 420–500 m ü. NN) herangezogen, in startend und rasant fliegend. Der Haupt-Luft - denen über viele Jahre hinreichend repräsentati- feind Habicht ist nur bei geglückter Überra- ves Material gesammelt wurde. Sie sind pro- schung erfolgreich, ansonsten muss er nach 200– blemlos begehbar und wurden seinerzeit regel- 300 Metern die Verfolgung fast stets aufgeben, mäßig flächendeckend kontrolliert. Bei der da die Hühner schneller sind. Alte Hähne dro- Kartierung der Vegetation und der Funde indi- hen kleinen bis mittelgroßen Feinden (bis zur rekter Nachweise der Hühner (Losung, Mauser- Größe von Marder und Habicht) in „Trutz - federn, Huder- und Schlafplätze) wurden auch haltung“ und schrecken sie so wirksam ab. Rupfungen und Risse besonders von Altvögeln Auch beim Auerhuhn hat das Leben in erfasst, insbesondere an oder nahe von Fuchs - sozialen Gruppen Vorteile für die Mitglieder bei bauen oder Greifvogelhorsten. der Feindvermeidung. Meist übernimmt ein Am aussagekräftigsten sind die Befunde aus „Wächter“ die Absicherung der Gruppe. Auf einem knapp 1000 Hektar großen Untersu - den Gemeinschaftsbalzplätzen ist der wichtige chungsgebiet nahe von Fulda, dem Areal der A-Hahn in seinem meist zentral gelegenen Re- inzwischen erloschenen Restpopulation der vier durch die rundum positionierten Rivalen hessischen Rhön (diese Population wird im sowie zeitweilig anwesende Hennen und Jähr- Folgenden als FD-SO 1 bezeichnet), wo von lingshähne gegen Feinde gut abgesichert. 1962 bis 1980 intensive Felduntersuchungen Warnfunktion haben bestimmte Gesten („Er - erfolgten. Einige interessante Befunde gibt es starren“, einäugiges Fixieren in den Luftraum, auch aus dem Salzforst bei Bad Neustadt/Saale, auffälliges Sichern, die „Trutzhaltung“ und wei- wo in einem 3000 Hektar großen Wild schutz - tere) sowie eine Reihe meist sehr leiser, tiefer, gebiet im Rahmen eines Bestandsstützungs pro - schlecht zu ortender Rufe oder Instrumental - jekts durch Auswilderung auch Biotopverbesse- geräusche. Zu letzteren gehören das „Klep - rungen erfolgen sollten. Sie wurden aber nur pern“ des Hahns mit dem Schnabel und beson- mangelhaft umgesetzt, weshalb auch diese letz- ders laut polterndes Abfliegen. All diese Anpas - te isolierte Teilpopulation der Rhön erlosch. 58 Ornithol. Anz., 48, 2009

Tab. 1. Auerhuhn-Population FD-SO1: Verluste durch Raubfeinde. Nach Beuteresten (+ = Habichtrupfung, alle anderen durch Fuchs/Marder). 1963–1973 Baubegasung: Fuchs nur gering, Dachs stark reduziert. – Capercaillie population FD-S01: Losses to predators. From prey remains (+ pluck - ed by Goshawk; all others by Fox or Pine Marten). Gassing of setts and earths 1963–73: Fox only slightly, Badger strongly reduced in numbers.

Jahr Population (Adulte) Verluste durch Raubfeinde

Männchen Weibchen Gesamt Männchen Weibchen Gesamt in % von d Mittel 1962 7 8 15 2(1+) 3 5 33,3 1963 6 8 14 - 1+ 1 7,1 1964 11 13 24 3 1+ 4 16,6 1965 9 7 16 1 - 1 6,3 1966 8 6 14 1 - 1 7,1 1967 9 8 17 1 - 1 5,9 1968 6 7 13 1 - 1 7,7 1969 6 6 12 - - - - 1970 6 5 11 1 - 1 9 1971 6 5 11 1 1+ 2 18,2 11,8 1972 6 5 11 1 2+ 3 27,3 1973 6 4 10 - 2+ 2 20,0 1974 4 3 7 - - - - 1975 3 3 6 1 - 1 16,6 1976 3 1 4 2 - 2 50,0 1977 1 1 2 - - - - 1978 1 - 1 - - - - 1979 1 - 1 - - - - 1980 ------

Wie bei allen Wildtieren sind auch beim absanken, was durchaus skandinavischen Ver - Auer huhn die Verluste während des ersten hält nissen entspricht. Lebensjahres am größten. Allein die Gelege - Die Verluste an Altvögeln dieser Teilpopula- verluste liegen nach skandinavischen Befunden tion sind in Tab. 1 zusammengefasst. Sie schwan- bei über 30 % (Linden 1981). Auf eine Ver- ken jährlich sehr stark, von 0-50 % (im Mittel gleichsunter su chung an Nestern in den genann- 12 %). Bemerkenswert ist, dass der Anteil der ten Rhöner Revieren wurde aus Gründen des Fuchs risse in den Jahren 1963-1973, als Bau - Artenschutzes verzichtet. Deshalb wurde im begasun gen stattfanden, relativ gering blieb. Eine Einstandsgebiet FD-SO 1 erst dann ein Versuch Kar tierung dieser Funde zeigt, dass der Großteil mit Kunstgelegen begonnen, als es dort keine der Nachweise von Prädation auf oder nahe der brütenden Hennen mehr gab. Die Ergebnisse Balzplätze liegt, und Hennen-Reste sich an dieser zehnjährigen Untersuchung sind publi- Habichthorsten und Fuchsbauen häufen und ziert (Müller 1984). Bemerkenswert ist, dass erst letz tere im Gebiet FD-SO 1 (Buntsandstein, rund- nach Eliminierung des Schwarzwildes Ende der um Feldflur) sehr zahlreich sind. Der Bruterfolg siebziger Jahre die Verlustraten auf ein ähnli- sank dort seit Beginn der siebziger Jahre mit der ches Niveau sanken wie in Skandinavien, wo (vorübergehenden) massiven Ver mehrung des das Schwarzwild als Prädator fehlt. Offen- Schwarzwildes, der Etablierung von Habicht- sichtlich war das Schwarzwild häufig für den brutpaaren und dem Auftauchen des Waschbären Total ver lust der Gelege verantwortlich. auf Null, weil parallel dazu auch die Zahl der Die Beobachtungen beflogener Gesperre im Hennen gesunken war. Bio topveränderungen Gebiet FD-SO 1 zeigten, dass bis zur Auflösung haben dort seinerzeit keine Rolle gespielt, wohl der Mutterfamilien ab September die Küken - aber die starke Zunahme anthropogener Stö- zahlen in denselben bis auf durchschnittlich 2–3 rungen. Franz Müller: Prädationseinfluss und Feindvermeidungsstrategien beim Auerhuhn Tetrao urogallus 59

Zusammenfassung sein von Schwarzwild meist Totalverluste, erst (vorübergehende) Eliminierung dieses Feindes Zur Feindvermeidung sind Auerhühnern zahl- senkte die Verluste auf etwa 30% – ein allgemein reiche Fähigkeiten hilfreich: sehr gutes Seh- und bei Bodenbrütern festzustellendes Ausmaß. Hörvermögen, Tarnfärbung und -verhalten, schnelle Flucht, ggf. wirksame Verteidigung Literatur (besonders bei Hähnen) oder Täuschung („Ver- leiten“ bei Hennen). Standorttreue fördert die Linden, H. (1981): Estimation of juvenile mortal- Kenntnis geeigneter Fluchtwege und Verstecke, ity in the Capercaillie and the Black Grouse das Leben in sozialen Gruppen mindert das from indirect evidence. Finnish Game Re- Feindrisiko (optisches und akustisches Warnen, search 39: 35-51. wechselnde „Wächter“). Der Prädationseinfluss Müller, F. (1984): The loss of Capercaillie clutch- ist nur indirekt nach Beuterest-Funden ab - es – an evaluation of a ten year study on sim- schätz bar. Da diese nicht alle gefunden werden, ulated nests in the Western Rhoen Moun - sind die Ergebnisse nur Minimalwerte. Einiger - tains. 3rd Intern. Grouse Sympos., York, 347- maßen realistische Hinweise auf Mittelgebirgs- 353 (in Deutsch: DJV-Nachrichten 3: 17-18, Verhältnisse geben Befunde an einer Restpopu- Bonn). lation der hessischen Vorderrhön (1962 – 1980, Müller, F. (2002): Forstzäune als Gefährdungs- 1000 ha). Die Altvogel-Verluste schwankten und Mortalitätsfaktor für Auerhühner, Ge - jährlich stark (0 – 50%, Mittel 12%). Zehnjährige fahr erkannt – Gefahr gebannt? LWF-Be - Kunstgelege-Versuche ergaben bei Vorhanden - richte 35: 70-76, Freising. 60 Ornithol. Anz., 48, 2009

Ornithol. Anz., 48: 60–66

Das Schutzkonzept „Auerhuhn im Bayerischen Wald“

Arnold Multerer

The conservation concept „Capercaillies in the Bavarian Forest“ Comprehensive collation of data allows a rough estimation of the fortunes of the Capercaillie population in the Bavarian Forest during the past 150 years. Historical data indicate the range of the species and the spatial development of the population at different periods and altitudes. By means of digital recording of potential habitat at present from aerial photographs, compari - sons could be made between actual and potential occurrence based on suitable woodland struc- tures. The types of woodland structures still occupied by Capercaillies thus become evident, as do those areas in which it could become re-established. Recent Capercaillie occurrences were predominantly from the higher altitudes and ridges of the Bavarian Forest. For climatic reasons, these areas are not profitable for commercial forestry, are rela - tively free from visitor pressure, and so remain comparatively undisturbed. By analysing mapped potential habitats together with occurrences of Capercaillies, the core dis- tribution areas can be delimited and targeted for protection. On the basis of data processing, present and future habitats available to Capercaillies were more effectively identified. In terms of practical forestry, general protection can be improved by targeted calming of lek sites and roosting areas through consultation with forest owners and managers. By overlaying paths, tourism and leisure facilities and usage onto potential habitat areas, exis t - ing conflict areas can be specified.

Arnold Multerer, Wissenschaftszentrum Straubing, Schulgasse 16, 94315 Straubing E-Mail: [email protected]

Einleitung durch Beruhigung der Balz- und Brutgebiete des Auerhuhnes oder für punktuelle Vorschläge zur Damit auf lange Sicht das vom Aussterben auerhuhngerechten Lebensraumgestaltung. bedrohte Auerhuhn auch weiterhin in den Hochlagen des Bayerischen Waldes vertreten Erhebung historischer und aktueller sein wird, startete der Naturpark Bayerischer Verbreitungsdaten Wald e.V. in Zusammenarbeit mit der Regie - rung von Niederbayern im Oktober 2006 das Mithilfe verschiedener Behörden, Mitarbeitern Artenschutzkonzept „Das Auerhuhn im Baye- angrenzender Schutzgebiete und Privatper so - rischen Wald“. nen wurde eine umfassende Datengrundlage Ziel des Auerhuhnschutzkonzeptes ist es, die bezüglich der Bestandsentwicklung erarbeitet. Verbreitungsgebiete des Auerhuhns im Baye - Es wurden jagdhistorische Dokumente gesam- rischen Wald zu erfassen und die Akzeptanz der melt und ausgewertet. Beteiligte Landkreise Schutzbemühungen in der Bevölkerung zu ver- wa ren: Freyung-Grafenau, Deggendorf, Regen bessern, um den Rückgang der Population zu und Straubing-Bogen. stoppen und die bedeutende Tierart in ihrem Abb. 1 umfasst Bestandsmeldungen des Vorkommen zu stärken. Sowohl historische und Auerhuhns vom Jahr 1854 bis 2000. Bis 1973 lie- aktuelle Nachweise als auch das erhobene gen vorwiegend Abschusszahlen von Auerhäh- Lebensraumpotenzial stellen die Grundlage für nen vor. Ab 1973 wurde der Abschuss aller die Verbesserung des allgemeinen Schutzes Waldhuhnarten in Bayern verboten, weshalb Arnold Multerer: Das Schutzkonzept „Auerhuhn im Bayerischen Wald“ 61

nachrecherchiert werden konnten. Daraus resultierende Abweichungen der revierbezoge- nen Meldungen beziehen sich lediglich auf kleinflächige Auerhuhnlebensräume. Die Auer- huhnverteilung bezüglich der Bergketten ist davon nicht betroffen.

Interpretation der historischen Meldungen und Verbreitungskarten

Für die Darstellung der historischen Auer- huhnnachweise wird nicht zwischen Sichtung, Geschlecht oder Spurenfund differenziert. Mehrfachmeldungen an derselben Stelle wäh- rend eines Jahres werden nur mit einem einzel- nen Symbol angegeben. Je nach Anzahl der Jahresmeldungen werden Auerhuhnmeldun - gen aus 5- bzw. 10-Jahres-Perioden zusammen- gefasst und mit jeweils gleichem farblichem Symbol versehen. Historische Auerhuhnnachweise im Bayeri - schen Wald geben Erkenntnisse über die lokalen Verbreitungsschwerpunkte und die räumliche Populationsentwicklung. Daraus lassen sich Aussagen über die Entwicklungen in unter- schiedlichen Zeitabschnitten sowie Höhenlagen treffen. Aus den historischen Nachweisen wird deutlich, dass das Auerhuhnhauptvorkommen der vergangenen 150 Jahre im Bereich des Abb. 1. Historische Auerhuhnnachweise zwischen deutsch-tschechischen Grenzkammes lag. Im 1854 und 2000 im Bayerischen Wald. – Historical records of Capercaillies in the Bavarian Forest between Einzelnen sind das folgende Gebiete: Arber - 1854 and 2000. massiv und Lamer Winkel, Falkenstein-Rachel- Gebiet, Lusen-Buchwald-Region (seit 1997 be - zie hungsweise 1970 Nationalparkgebiet) und sich die Nachweise danach auf Sichtungen, das Dreiländereck Dreisessel-Haidel-Plöcken- Balzbäume und sonstige Spurenfunde bezogen. stein. Vordergründig scheint das Nationalpark- Sämtliche Daten spiegeln daher nur grob den gebiet die höchste Auerhuhndichte aufzuwei- Trend für den Auerhuhnbestand im Baye r i - sen, doch ist die hohe Nachweisdichte in erster schen Wald wider und können nicht als exakte Linie auf die zahlreichen Untersuchungen zu - Bestands er hebung gewertet werden. rückzuführen, die hier seit fast 40 Jahren durch- Der Großteil der historischen Daten ist auf geführt werden. Von vergleichbarer Besied - Jagd reviere bezogen. Sehr alte Daten wurden lungsstruktur sind die angrenzenden Hoch - oft auch nur auf Landkreisebene dokumentiert. lagenbereiche des Naturparkgebietes. Histori- Daher gibt es bei den historischen Meldungen schen Meldungen zufolge ist auch im Natur - zum Teil keine genauen Koordinatenangaben, park mit einer ähnlichen Abundanz pro Fläche sondern lediglich Revier- bzw. Landkreiszuge - zu rechnen. Die Hochlagenbereiche des gesam- hörigkeiten. Die Bestandsmeldungen wurden ten Inneren Bayerischen Waldes über 800 Hö- daraus resultierend manuell Auerhuhnhabita- henmeter waren durchgehend ein Kerngebiet ten zugeordnet, wodurch geringe Abweichun- der Auerhuhnpopulation in diesem Mittelge - gen innerhalb der Reviere möglich sind. Eben- birgszug (Abb. 1). falls mit zu berücksichtigen waren die zeitlich bedingten Reviergrenzverschiebungen inner- halb der vergangenen 150 Jahre, die zum Teil 62 Ornithol. Anz., 48, 2009

Erhebung des potenziellen Habitatangebots im Vergleich zur aktuellen Verbreitung

Zur Abschätzung des gesamten Waldbereiches, der dem Auerhuhn im Bayerischen Wald aktu- ell zur Verfügung stehen könnte, wurde neben den bestätigten Verbreitungsgebieten auch das Potenzial heutiger Lebensräume erfasst. Die potenziellen Habitate für Tetrao urogallus wurden mithilfe von Orthofotos (Befliegung von 2004) ermittelt. Bei der Luftbildanalyse wurden die Höhenstruktur (> 600 m ü. NN) und die Struktur der Waldbestände berücksich- tigt, um charakteristische Lebensräume der Waldvögel einzugrenzen. Zwar hätte für die Digitalisierung des heutigen Potenzials die Gebietsberücksichtigung ab einer Höhenstufe von 800 m ü. NN ausgereicht, da aber histori- sche Meldungen auch Auerhuhn-Vorkommen bis in die Donauniederungen beschreiben, wählte man die 600-Höhenmeter-Stufe als unte- re Bezugslinie. Die Digitalisierung wurde im Maßstab 1:1000 bis 1:5000 durchgeführt, um alte, lichte Abb. 2. Trittsiegel eines Auerhahns im Gipfelbereich und lückenreich durchbrochene Waldstruktu- des Großen Arber am 14.2.2007. – Footprint of a cock ren bestmöglich zu erfassen. Je nach Qualität Capercaillie near the summit of the Grosser Arber on 14.2.2007. Foto: A. Multerer der Luft bildaufnahme erwies es sich als zielfüh- rend, einen etwas kleineren beziehungsweise größeren Maßstab zu wählen. Auch war es sehr ge samten Untersuchungsgebiet erzeugte, noch hilfreich in verschiedenen Maßstabsebenen zu nicht berücksichtigt sind. Da der Schwerpunkt analysieren und zu digitalisieren. Am Beispiel der Sturmschäden in den Hochlagenbereichen des konkret erfassten Auerhuhnbestandes im des Bayerischen Waldes liegt, hat dies erhebli- Lamer Winkel (2001–2003) wurde die beschrie- che Auswirkungen auf die Habitate des Auer - bene Vorgehensweise der Luftbildauswertung huhns. Am stärksten ist davon die Arberregion exemplarisch getestet. Hier zeigte sich eine sehr betroffen. hohe Übereinstimmung von digital erfasstem Aktuelle Auerhuhnnachweise wurden durch Lebens raumpotenzial und den tatsächlich kar- Erhebungen der benachbarten Schutzgebiete, tierten Verbreitungspunkten des Auerhuhns: des FFH-Kartierungsteams, des Naturpark Über 90 % der im Gelände kartierten Auerhüh - Bayerischer Wald e.V. und ehrenamtlicher Helfer ner lagen innerhalb der digital erhobenen Po- (Förster, Jäger, Auerhuhnspezialisten usw.) ten zial flächen. Dies bestätigte die Praktika bili - gewonnen. Für eine einheitliche Registrierung tät der Vorgehensweise einer Luftbildauswer - von Spuren und Sichtungen wurde den ehren- tung nach aufgezeigtem Schema. amtlichen Helfern ein Aufnahmebogen zur Insgesamt wurden im Untersuchungsgebiet Verfügung gestellt. In dem Meldebogen sind ver- 1419 Gebiete digitalisiert, die als Lebensraum - schiedene Auerhuhnnachweise berücksichtigt, po ten zial für das Auerhuhn ab einer Hö hen stu - die bei der Kartierung vor Ort gefunden werden fe von 600 m infrage kommen. können: Beispielsweise indirekte Funde von Zur Digitalisierung des Lebensraumpoten- Auerhuhnspuren wie Trittsiegel (Abb. 2), zials lagen die Luftbilder von 2007 nicht vor. Bei Federn, Losungsfunde. der Auswertung muss daher bedacht werden, Die Karte des aktuellen Bestandes berück- dass die Auswirkungen des Sturmes Kyrill, der sichtigt Auerhuhnnachweise von 2001 bis 2007. am 18. Januar 2007 große Windwurfflächen im Sie zeigt die derzeit nachgewiesenen Bestands- Arnold Multerer: Das Schutzkonzept „Auerhuhn im Bayerischen Wald“ 63 schwerpunkte der Auerhühner sowie das Im Vorwaldkamm des Bayerischen Waldes gegenwärtige Lebensraumpotenzial für die Art sind die früheren Vorkommen des Auerhuhnes im gesamten Bayerischen Wald und Teile der dagegen nahe zu erloschen. daran anschließenden Grenzregion des Böh - mer waldes. So ist ersichtlich, in welchen Wald - Bestandsgefährdungen in der Region strukturen der Waldvogel noch vorkommt und gleichzeitig, wo das Auerhuhn unter bestimm- Der verstärkte Eintrag von Stickstoffverbindun- ten Voraussetzungen wieder heimisch werden gen über die Atmosphäre bewirkt seit Jahrzehn- könnte. Hauptverbreitungsgebiete sind die ten ein fortschreitendes Verschwinden von Hochlagen des Inneren Bayerischen Waldes Beerensträuchern (additiv zur Benachteiligung und die angrenzenden Höhenzüge des Böhmer - der Heidel- und Preiselbeere infolge der Einstel- waldes (Abb. 3). Es kann davon ausgegangen lung von Waldweide und Streunutzung), mit werden, dass speziell der Bereich des Lamer der damit einhergehenden Vergrasung von Winkels (Arbermassiv, Künisches Gebirge) die Lichtungen und Freiflächen der Hochlagen wäl - derzeit höchste Auerhuhndichte im Bayerischen der. Die für das Auerhuhn günstigeren Heidel - Wald aufweist. Laut der Meldungen hiesiger beerflächen werden dadurch zurückgedrängt. Auerhuhnexperten und des FFH-Kartierteams, Meliorationsmaßnahmen, wie z. B. Kalkung, die 2007 detailliert Auerhuhnnachweise in der führen ebenfalls zu einer flächenhaften Ver - Kammregion des FFH-Gebietes „Großer und drängung der Heidelbeere, weshalb solche Kleiner Arber mit Arberseen“ kartierten, kann „Verschlimmbesserungen“ von vornherein ab - in diesem Bereich von etwa 60 Individuen aus- zulehnen sind, zumal dies die gesamte Waldve- gegangen werden. getation beeinflusst.

Abb. 3. Typischer Lebensraum des Auerhuhns im Bayerischen Wald. – Typical Capercaillie habitat in the Bavarian Forest. Foto: A. Multerer, 2.5.2007 64 Ornithol. Anz., 48, 2009

Bedingt durch größere Kalamitäten (Sturm- er eignisse, Schneebruch) wurde die geregelte, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Waldnutzung in den Hintergrund gedrängt. Die Zielvorstel - lun gen, den Waldbau an die örtlichen Umfeld - bedin gungen anzupassen und entsprechend den Lebensbedürfnissen des Auerhuhns zu ge- stalten, geraten dabei meist ins Hintertreffen. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Ge - sichtspunkt ist die schnell fortschreitende Mechani sierung der Holzernte, die zu eher schematischen Baumbeständen mit einheitli- cher Struk tu rierung führen kann. Andererseits ist hervorzuheben, dass be - dingt durch Schadereignisse neue Waldstruktu - ren entstehen, die dem Auerhuhn durchaus zu- träglich sind. In den Hochlagen des Arberge- bietes ist dies anhand der Luftbildaufnahmen deutlich erkennbar. Die Waldstruktur weist hier etwa einen Deckungsgrad zwischen 20–70 % auf, was für das Auerhuhn optimale Bedingung Abb. 4. Schneeschuhwanderung, eine Trendsportart, bedeutet. welche die Touristen in unberührte, abgelegene Die durch Kyrill entstandenen Windwurf- Regionen vordringen lässt. – Walking with snow-shoes, flächen können aus zweierlei Blickwinkeln a trend-sport, which enables tourists to enter what were undisturbed, remote regions. gesehen werden: Zum einen entstanden neue Offenraumlebensräume, die künftig (die folgen- Sowohl der zunehmende „Abseits- und In- den 10–20 Jahre) verstärkt vom Auerhuhn ge- divi dualtourismus“ in der Gebirgsregion als nutzt werden können. Zum anderen bieten auch neue Trendsportarten wie Schneeschuh - diese aufgerissenen Freiflächen neue Angriffs- wandern tragen dazu bei, dass in Gebiete vorge- punkte für künftige Sturmereignisse. (Abb. 5) drungen wird, die früher noch kaum zugäng- Für eine weitere langfristige auerhuhntaugli- lich waren (Abb. 4). Besonders in den Winter- che Lebensraumgestaltung ist die Wiederbe wal - monaten können die dadurch verursachten dung der Windwurfblößen von entscheidender Fluchtreaktionen der scheuen Tiere und die ein- Bedeutung: Bleiben die Störungsflächen der Suk - hergehenden enormen Energieverluste zum zession überlassen und bleibt die Naturver - Tode führen. Konfliktbereiche entstehen vor jüngung lückig, mit horstweisen Baumgruppen, allem an den Süd-Ost-exponierten Hochlagen, werden diese Areale auch weiterhin für das die in Spätherbst und Winter über der Auerhuhn geeignet bleiben. Dicht geschlossene Nebelgrenze liegen. Dort sollten touristische Aufforstungen hingegen werden zu engen und Aktivitäten vor allem während der Schneelage finsteren Stangenhölzern hochwachsen, wie sie unterbleiben beziehungsweise auf wenige fest- von den Auerhühnern gemieden werden. Noch gelegte Wege kanalisiert werden. Hier sind vor vorhandene Altholzinseln entlang der Sturm - allem die Kammregionen über 800 m im wurf flächen sollten nicht eingeschlagen werden. Bayerischen Wald angesprochen. Bedingt ge - Im nahrungsarmen Bergwald sind Auer- wöhnt sich der Waldvogel an sogenannten hüh ner, ihre Küken und Eier eine begehrte Beu - „Regelmäßigkeiten“. Falls beispielsweise eine te. Aufgrund der verstärkten Erschließung der Langlaufloipe am Rande eines Auerhuhnreviers Waldlebensräume im Bayerischen Wald haben verläuft, kann sich das Waldtier an diese regel- vor allem Fuchs und Habicht ein leichteres mäßige Störung gewöhnen. Hier ist es von Spiel. Nicht zu unterschätzen ist auch der zu - Bedeutung, Aufklärungsarbeit in der Bevölke- nehmende Wildschweinbestand seit Mitte der rung zu leisten, weitere Schutzgebiete auszu- 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Die weisen und den Wintertourismus auf einzelne neu zugewanderte Population hat sich sogar bis Wege zu kanalisieren. in die Hochlagen ausgebreitet. Nach Versuchen Arnold Multerer: Das Schutzkonzept „Auerhuhn im Bayerischen Wald“ 65 mit Kunstgelegen in Hessen sind mehr als 50 % Durch die digitale Erfassung des derzeitigen der Gelegeverluste auf Wildschweine zurück- Lebensraumpotenzials anhand von Luftbildern zuführen. Ein Problem in den Hochlagenberei - konnten Vergleichbarkeiten zwischen dem tat- chen ist die zum Teil angewandte Jagdpraxis sächlichen Vorkommen und dem möglichen mittels Kirrungen, die „indirekt eine Fütterung Vor kommen aufgrund geeigneter Waldstruk - bewirken“ und die Sauen selbst im Winter in turen ermittelt werden. So ist ersichtlich, in wel- Be reichen halten, in denen sie von Natur aus chen Waldstrukturen das Auerhuhn noch vor- nicht auskommen könnten. kommt und gleichzeitig, wo es wieder heimisch Wildschweinabschüsse müssen demnach werden könnte. von den Jagdpächtern zeitnah gemeldet wer- Aktuelle Auerhuhnnachweise konnten den, um einen schnelleren Überblick zu bekom- schwerpunktmäßig in den Hochlagenbereichen men. Ein weiteres Problem dürfte die mangeln- beziehungsweise Kammregionen des Bayeri - de Jagdmotivation auf Schwarzwild aufgrund schen Waldes nachgewiesen werden. Aufgrund der immer noch sehr hohen radioaktiven klimatischer Verhältnisse sind diese Bereiche für Belastung des Wildbrets (vor allem im Inneren intensive forstliche Nutzung unren tabel, von Bayeri schen Wald) durch Radionuklide aus starkem Besucherdruck noch relativ verschont dem Tschernobyl-Reaktorunfall sein. geblieben und damit noch vergleichsweise ruhig. Zusammenfassung Mithilfe der Analyse des Lebensraumpoten - zials in Verknüpfung mit den kartierten Auer- Durch die umfassende Datenerhebung kann huhn nachweisen können die Hauptverbrei - eine grobe Bestandsentwicklung des Auer - tungs gebiete eingegrenzt und gezielter ge - huhns im Bayerischen Wald der vergangenen schützt werden. Das heutige und künftige prio- 150 Jahre nachvollzogen werden. Historische ritäre Lebensraumangebot für Auerhühner im Da tenerhebungen geben Aufschluss über das Bayerischen Wald konnte auf der Grundlage Artareal und die räumliche Populationsent - der Datenerhebung besser erfasst werden. wick lung, bezogen auf unterschiedliche Zeitab - Bezogen auf die Waldwirtschaft kann gezielt schnitte und Höhenstufen. die Verbesserung des allgemeinen Schutzes

Abb. 5. Windwurfflächen in den Hochlagen des Arbermassives bieten gute neue Lebensraumsituationen für das Auerhuhn, falls eine naturnahe lückige Naturverjüngung mit horstweisen Baumgruppen stattfindet. – Wind-throw areas at high altitude can present good new habitat conditions for the Capercaillie, should patchy, near-natu- ral regeneration occur with trees in clusters, as here in the Arber massif. Foto: M. Weber 66 Ornithol. Anz., 48, 2009 durch Beruhigung der Balz- und Brutgebiete in Reimoser, F. (2003): Digitale Ausscheidung Ab sprache mit den Waldeigentümern und potenzieller Auerwildgebiete in den Forst- Waldbe wirtschaftern angegangen werden. und Domänenwäldern Südtirols. For - Durch Verschneiden von Wegedaten mit den schungs institut für Wildtierkunde und Öko- aktuellen touristischen Erschließungen und logie, Veterinärmedizinische Universität Nutzungen bzw. dem Lebensraumpotenzial Wien. http://www.provinz.bz.it/forst/ - werden bestehende Konfliktbereiche spezifiziert. service/ publikationen.asp vom 23.10.2006. Klaus, S., A.V. Andreev, H.-H. Bergmann, F. Literatur Müller, J. Porkert, J. Wiesner (1989): Die Auer hühner. Die Neue Brehm Bücherei. A. Ahrens, W. (2001): Analyse der Waldent - Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt. wicklung in Naturwaldreservaten auf Basis Scherzinger, W. (1976): Raufußhühner. Wiss. digitaler Orthobilder. Dissertation, Forst - Schriftenreihe Nationalpark Bayerischer wiss. Fakultät der Albert-Ludwigs-Univer- Wald. Bayer. Staatsministerium ELF/Mün- sität Frei burg i. Br. chen, Heft 2. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft Scherzinger, W. (2003): Artenschutzprojekt (2001): Auerhuhn und Haselhuhn: ihr Auerhuhn im Nationalpark Bayerischer Schutz in der regionalen Waldplanung. Wald von 1985–2000. Wiss. Schriftenreihe Praxis hilfe. BU WAL, Bern. Nationalpark Bayerischer Wald/Grafenau, Hertel, M. (2003): Das Fichtelgebirge; Auerhuhn Heft 15. und Wanderer im Fichtelgebirge. – Storch, I. (1999): Auerhuhnschutz: aber wie? Ein www.bayern-fichtelgebirge.de/heimatkun- Leitfaden. 3. überarbeitete Auflage. Wildbio - de/040.htm vom 12.01.2007. logi sche Gesellschaft München e.V. Rieß Heßberg, A. (2000): Vegetationsstrukturen in Druck- und Verlags-GmbH. den Habitaten des Auerhuhns (Tetrao urogal- Suchant, R. (2001): Wie kann Vielfalt im Wald lus L.) im Fichtelgebirge. gemessen werden? – Waldstrukturelle Para- http://www.auerhuhn.de vom 26.09.2007. meter zur Quantifizierung von Diversität. Klarhauser, H. (2001): Entwicklung der Auer - AFZ 56: 1053-1055. huhnbestände im Bayerischen Wald und die Suchant, R. (1995): Die Zukunft des Auerhuhns Chancen, sie zu erhalten. Naturschutz in in einer mitteleuropäischen Kulturland- Niederbayern (Heft 1), Artenschutzsym - schaft. Forstliche Versuchs- und Forschungs - posium 2001: 33-37. anstalt Baden-Württemberg, Abteilung Naturpark Südschwarzwald (2002): Ein Tag im Landespflege, Arbeitsbereich Wildökologie. Wald des Auerhahns. Informationsbroschü - Zeimentz, K. (1983): Auer- und Birkwild und re der Forstlichen Versuchs- und For - Tourismus. In Erholung und Artenschutz. schungs an stalt Freiburg. Abt. Landespflege, Laufener Seminarbeiträge 4/83: 16-24. Arbeitsbe reich Wildökologie. Rudolf Leitl: Natura 2000 – Umsetzung in bayerischen Vogelschutzgebieten (SPA) im Wald 67

Ornithol. Anz., 48: 67–70

Natura 2000 – Umsetzung in bayerischen Vogelschutzgebieten (SPA) im Wald

Rudolf Leitl

Natura 2000 – Practical implementation in Special Protected Areas (SPA) in forests The Bird Protection Regulation, a legally binding regulation of the EU, was translated into state law through the Bavarian nature Conservation Law. Corresponding management plans are pro- duced or commissioned by the appropriate nature conservation or forest authorities for specially notified Special Protection Areas (SPAs) which extend to 545,182 ha (of which ca. 307,000 are in fo - rest). The Bavarian Institute for Woodland and Forestry (LWF) issued guidelines, in which the funda- mental approach and particular recording methods are set out. To keep efforts within an achievable framework, and according to SPA size, a staged model is applied in which individual bird species in three categories are mapped, using varying recording strategies. The Capercaillie forms an excep- tion, being covered by a special inventory. An important component in the production of management plans is the so-called “Round Table”, which gives all participants a chance to contribute and to reduce frictions to a minimum du- ring implementation of the plans.

Rudolf Leitl, Amt für Landwirtschaft und Forsten, Bodenmaiser Str. 25, 94209 Regen

Allgemeines SPA) ausgewiesen, um einen dauerhaften Schutz der Lebensgrundlagen zu gewährleisten. Gemeinsam mit der Fauna-Flora-Habitat- Derzeit sind in Bayern 83 Europäische Richtlinie (FFH-RL) bildet die Vogelschutz- Vogelschutzgebiete (SPA) mit 545 182 ha (davon Richt linie (Richtlinie 79/409/EG der Kom mis - rd. 307 000 ha Wald) gemeldet und wurden durch sion vom 2. April 1979 über die Erhaltung der die Verabschiedung der Vogelschutzver ord nung wildlebenden Vogelarten [VSchRL]) das euro- (VoGEV) zum 01. September 2006 rechts kräftig. päische Naturschutzprojekt „NATURA 2000“, Jedes dieser Schutzgebiete besitzt einen so - das Arten und Lebensräume innerhalb der EU in genannten Standard-Datenbogen (SDB), in dem einem länderübergreifenden Biotopver bund - neben den Grunddaten des Gebietes (Lage, netz schützen und damit die biologische Vielfalt Fläche, Höhenlage, Besitzverteilung etc.) die dauerhaft erhalten soll. Wesentliche Bestandteile jeweiligen Schutzgüter (bei der VSchRL die An- beider Richtlinien sind Anhänge, in denen zu hang I-Arten und die regelmäßigen Zugvögel schützende Arten und Lebensräume benannt des Artikels 4) aufgelistet sind. sind. Seit dem 01.09.1998 sind diese europäi- Die große Bedeutung von NATURA 2000 schen Vorgaben durch das Bayerische Natur- liegt darin, dass erstmals in klar definierten schutzgesetz in Landesrecht überführt. Schutz gebieten klar definierte Schutzgüter Für Vogelarten, die vom Aussterben bedroht (Lebens raumtypen, Arten und ihre Habitate) sind, wegen ihres geringen Bestands oder ihrer beschrieben sind, für deren Überleben ein gün- eingeschränkten örtlichen Verbreitung als selten stiger Erhaltungszustand gewährleistet sein gelten oder sehr sensibel auf Veränderungen in muss. Ziel ist die Wahrung der biologischen ihrem Lebensraum reagieren (Anhang I-Arten Vielfalt (Vielfalt an Arten, Lebensräumen und der VSchRL) wurden die zahlen- und flächen- der Gen-Erhalt) in einem Biotopverbund-Netz. mäßig geeignetsten Gebiete als Europäischen Im Vordergrund stehen die Arten, für die wir Vogelschutzgebiete (= Special Protected Area, aus europäischer Sicht die größte Verant- 68 Ornithol. Anz., 48, 2009

eines MP für ein Gebiet dargelegt. Zentrale Punkte beim der Ablauf der Arbeiten sind: 1. Gebietsauswahl (RKT+HNB) Auftaktveran- stal tung mit allen Beteiligten 2. Intensive Gebietsrecherche 3. Bewertung des Erhaltungszustandes der Schutz güter 4. Managementplanfertigung 5. Diskussion am Runden Tisch Die Bewertung des Erhaltungszustandes erfolgt grundsätzlich für alle gelisteten Schutzgüter. Zu je einem Drittel werden gewichtet • die Populationsgröße und ihr Bestandstrend • das Habitat (strukturelle Ausstattung, Grö- ße und Zusammenhang, Trend) und • die Beeinträchtigungen (natürliche und an- thro pogene). Um Zielkonflikte (vor allem hinsichtlich der Maßnahmenplanung) zu vermeiden, wurden in Abb. 1. Karte der Vogelschutzgebiete (SPA-Gebiete) Absprache zwischen LfU und LWF innerhalb in Bayern. – Map of the Bird-protection areas (SPA-areas) der Arten des Standard-Datenbogens ziel- und in Bavaria. wertbestimmende Arten für das jeweilige Gebiet definiert, die dort landesweit oder regio- wortung tragen (z.B. Rotmilan, Mittelspecht). In nal bedeutsame Popula tionen erreichen oder Bayern ist die Umsetzung von NATURA 2000 die Funktion von gebietsspezifischen Charak- der Naturschutzverwaltung (zuständig für die ter-/ Leitarten einnehmen. Offenland-Lebensraumtypen und Offenland- Auf diesen Arten (= Brutvorkommen von Arten) und der Forstverwaltung (zuständig für wertbestimmenden Anhang I-Arten und regel- Wald-Lebensraumtypen und Wald-Arten) über- mäßig auftretenden Zugvogelarten der bayeri- tragen. Als Instrument für eine erfolgreiche schen Roten Liste I und II nach Art. 4 [2] der Umsetzung werden sogenannte Manage ment - VSchRL) liegt der Planungsschwerpunkt und pläne (für das jeweilige Gebiet) erstellt. sie werden gezielt kartiert. Federführend bei der Planfertigung ist in der Regel diejenige Verwaltung, deren Schutzgüter Leistbarkeit – Kartier-Kategorien. SPAs decken das jeweilige Gebiet dominieren. Die jeweils an- in der Regel sehr große Flächen ab (z. B. dere Verwaltung liefert für ihre Schutzgüter Spessart mit 28 393 ha, Nürnberger Reichswald einen sogenannten Fachbeitrag. mit 38 192 ha, Ammergebirge mit Kienberg und Zuständig für die eigentliche Management- Schwar zen berg mit 30 115 ha). Flächendecken de plan-Erstellung sind im Offenland die Höheren Kartie run gen sind deshalb nicht leistbar. Naturschutzbehörden (HNB) an den Bezirksre- Bedingt durch die oft großen Aktionsräume gierungen und im Wald die sogenannten Regio- der Waldvögel (z. B. Schwarz- oder Grauspecht) nalen Kartier-Teams (RKT), die sich an einem können andererseits zu kleinflächige Kartierun - ausgewählten Amt für Landwirtschaft und gen verfälschte Ergebnisse liefern. Forsten je Regierungsbezirk befinden. Zur Festlegung der zu kartierenden Probe- flächen größe findet deshalb ein gestaffeltes Mo- Anfertigung von Managementplänen dell Anwendung (siehe Tab. 1). (MP) für SPA-Gebiete Einteilung der Vogelarten in Kartier-Katego- In Bayern dient als Grundlage der MP-Erstel - rien. Die Vogelarten, für die das Gebiets - lung die „Anweisung zur Ersterfassung von management in erster Linie erfolgen soll, gehö- Waldvogelarten in Natura-2000-Vogelschutz- ren überwiegend zu den seltenen und heim - gebieten (SPA)“ (LWF 2008). Darin sind die lichen Arten mit zum Teil nur punktuellem Methoden und das Vorgehen für das Aufstellen Vorkommen. Eine ausschließlich zufällige Ver- Rudolf Leitl: Natura 2000 – Umsetzung in bayerischen Vogelschutzgebieten (SPA) im Wald 69

Tab. 1. Einteilung der wertbestimmenden Arten in die drei unten beschriebenen Kategorien. Z: Zugvogel und RL-Bay Kategorie 1 oder 2. – Partition of scoring species into three categories. Z: migrant species; Bavarian Red List Category 1 or 2.

Kategorie 1 Kategorie 2 Kategorie 3 großflächiges oder nicht kleinflächiges oder Seltene modellierbares Habitat modellierbares Habitat Arten Dreizehenspecht Auerhuhn Fischadler Grauspecht Birkhuhn Seeadler Raufußkauz Eisvogel Habichtskauz Rotmilan Gänsesäger (Z) Kranich Schwarzmilan Halsbandschnäpper Schellente (Z) Schwarzspecht Haselhuhn Schwarzstorch Sperlingskauz Heidelerche Waldwasserläufer (Z) Weißrückenspecht Mittelspecht Uhu Wespenbussard Zwergschnäpper Wanderfalke Ziegenmelker Steinadler tei lung standardisierter Probeflächen könnte den zum Teil von Artenhilfsprogrammen über- deshalb hier für viele Arten nur unbefriedigen- wacht, sodass für die Populationserfassung de Ergebnisse liefern und wäre vor allem für meist keine größeren Erhebungen nötig sind. das Schutzgebietsmanagement unzureichend. Hier wird also im Normalfall von der starren Die bei einigen Arten vorhandene enge Bin - und systematischen Revierkartierung Abstand dung an bestimmte Strukturen auf Landschafts- genommen. und Biotopebene, bis hin zur strukturellen Ziel ist die möglichst vollständige Abbildung Ausstattung des einzelnen Baumes, ermöglicht des bayerischen Brutbestandes dieser Arten. eine differenzierte Vorgehensweise. Die zu kar- Der Bearbeitung der Kategorie-2-Arten liegt tierenden Arten werden deshalb in verschiede- eine Habitatmodellierung beziehungsweise ne Kategorien unterteilt: eine nach definierten Kriterien abgegrenzte Kategorie 1: Such raum kulisse zugrunde. Ziel der Erstellung Arten mit großflächigem oder nicht model- einer Suchraumkulisse ist die Konzentration lierbarem Habitat der Kartierung auf vorab ausgewählte Habitat - Kategorie 2: flächen, die die erforderlichen Lebensraum - Arten mit kleinflächigem Habitat oder model- para meter der Art widerspiegeln. Die Kriterien lierbarem Habitat für die Habitatmodellierung sind in den jeweili- Kategorie 3: Seltene Arten gen Kartieranleitungen der Arten angegeben. Im Grundsatz kommen für die wertbestimmen- Sie werden im Allgemeinen eher weiter gefasst den Arten die „Methodenstandards zur Erfas- und erst vom Kartierer/Artspezialist vor Ort sung der Brutvögel Deutschlands“ (Südbeck et überprüft und endgültig festgelegt. al. 2005) zur Anwendung. Arten der Kategorie 1 werden in zufallsver- Von den Arten der Kategorie 3 sind in der teilten Probeflächen mit je 400 ha erfasst. Hierzu Regel die meisten Brutplätze bekannt und wer- wird über jedes SPA ein Gitternetz mit 2 x 2

Tab. 2. Erforderliche Probenflächengröße bei unterschiedlich großen Gesamt-SPA-Gebieten. – Size of census plots required in Special Protected Areas of differing extent.

Größe SPA-Gebiet < 1200 ha 1200-5000 ha 5000-10000 ha 10000-20000 ha > 20000 ha Größe der Probeflächenmin. 400 ha min. 30% min. 20% min. 15% min. 10% 70 Ornithol. Anz., 48, 2009

Kilometer Kantenlänge gelegt. Die Auswahl der Forstwirtschaft (LWF) eine Anweisung heraus- zu kartierenden Flächen erfolgt zufällig, bei gegeben, in der das grundsätzliche Vorgehen sehr heterogenen Gebieten (z. B. Berücksichti - und die speziellen Erhebungen beschrieben gung eines Höhengradienten) auch gerichtet. sind. Um den Aufwand in einem leistbaren Um den Kartieraufwand auf ein leistbares Rahmen zu halten, kommt je nach Gebietsgröße Maß zu beschränken, findet für die Kategorien 1 ein gestuftes Modell zur Anwendung, in dem und 2 die in Tabelle 2 dargestellte Staffelung die einzelnen Arten 3 Kartier-Kategorien mit An wendung. unterschiedlichen Erfassungsmethoden zuge- Bei den Kartierungen im Gelände werden ordnet sind. Eine Ausnahme bildet das sowohl die wichtigen Habitate als auch etwaige Auerhuhn, das mit einer speziellen Inventur Beeinträchtigungen mit erfasst. erfasst wird. Eine Ausnahme bei den Artkartierungen Wichtiger Bestandteil der Managementplan - wird beim Auerhuhn gemacht. Hier kommt er stellung ist der sogenannte „Runde Tisch“, eine von Storch (1999) entwickelte Inventur zur der es allen Beteiligten ermöglicht, sich einzu- Anwen dung, mit der sowohl die Aktivitäts dich - bringen und für eine möglichst reibungslose te des Auerhuhns als auch die Habitatstruktu - Um setzung des Managementplans zu sorgen. ren erfasst werden. Literatur Managementplan. Der Managementplan selbst besteht dann aus einem Textteil, in dem die Be - Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): Das wertung dargelegt ist, und aus zwei Karten - Kompendium der Vögel Mitteleuropas. 2. teilen: Auf lage, Aula-Verlag, Wiebelsheim. • Artkartenteil (Reviere, wesentliche Habitat- Bezzel, E., I. Geiersberger, G. von Lossow & R. strukturen) Pfeifer (2005): Brutvögel in Bayern. Verbrei- • Erhaltungsmaßnahmenteil (sensible Berei - tung 1996 bis 1999. Verlag Eugen Ulmer, che, wertvolle Bereiche, Beeinträchtigun - Stuttgart. gen) LWF (2008): Arbeitsanweisung zur Erfassung Bei Gebieten, die sowohl SPA- als auch FFH- und Bewertung von Waldvogelarten in Gebiet sind, müssen die Erhaltungsmaßnahmen Natura-2000-Vogelschutzgebieten (SPA). untereinander abgestimmt sein. Bayerische Landesanstalt für Wald- und Forst wirtschaft (unveröff.). Freising. Diskussion am Runden Tisch. Der Runde Tisch Müller-Kroehling, S., C. Franz, V. Binner, J. ist eine Einrichtung bei der allen Beteiligten Müller, P. Pechacek & V. Zahner (2005): (RKT, HNB, Grundbesitzer, Kommunen, Ver- Artenhandbuch der für den Wald relevanten bände etc.) ermöglicht wird, sich in die Diskus- Tier- und Pflanzenarten des Anhangs II der sion um die im MP festgehaltenen Ergebnisse Fau na-Flora-Habitat-Richtlinie und des und Maßnahmen einzubringen, um eine mög- Anhanges I der Vogelschutz-Richtlinie in lichst effiziente und reibungslose Umsetzung zu Bayern. – 3., ak tua lisierte Fassung, LWF. gewährleisten. Storch, I. (1999): Auerhuhnschutz im Bergwald: Methoden, Beispiele und Konzepte zur Zusammenfassung Lebensraumsicherung – Schlussbericht zum Projekt „Um setzung Auerhuhnschutz“ der Als verbindliche Richtlinie der EU wurde die Oberen Jagd behörde in Bayern. Vogelschutz-Richtlinie (VSchRL) durch das Südbeck, P., H. Andretzke, S. Fischer, K. Bayerische Naturschutzgesetz in Landesrecht Gedeon, T. Schikore, K. Schröder & C. überführt. In speziell dafür ausgewiesenen SPA- Sudfeldt (Hrsg., 2005): Methodenstandards (Special Protected Area) Gebieten mit ei ner zur Erfas sung der Brutvögel Deutschlands. Fläche von 545 182 ha (davon ca. 307 000 ha – Radolfzell, 792 S. Wald) werden von den zuständigen Natur - schutz- und Forstbehörden entsprechende Ma- na ge mentpläne erstellt oder in Auftrag gegeben. Für die Waldvogelarten wurde hierzu von der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Rudolf Leitl: Methodik zur Erfassung und Bewertung des Auerhuhns in SPA-Gebieten 71

Ornithol. Anz., 48: 71–79

Methodik zur Erfassung und Bewertung des Auerhuhns in SPA-Gebieten

Beispielhaft dargestellt für das SPA-Gebiet 6844-471 „Großer und Kleiner Arber mit Schwarzeck“

Rudolf Leitl

A method for the census and evaluation of Capercaillie populations in Special Protected Areas, as exemplified by the SPA “Großer und Kleiner Arber mit Schwarzeck” The methodology employed to appraise the conservation status of the Capercaillie differs from that used for other bird species. This method was first tested during production of the management plan for the SPA “Großer and Kleiner Arber with Schwarzeck”. Within the core habitat areas of the Capercaillie, a network of sampling squares of 200 m x 200 m (which can be adjusted according to the size of the SPA) is searched for evidence of Caper- caillies, details of habitat structure being also recorded. Sampling is carried out during the months of August and September by an experienced team of two surveyors. Indirect or direct evidence was found in 66 of 296 sampling squares (22,3%) in 1,566 hectares of putative Capercaillie habitat, indicating a fairly high density of activity. This corresponded to the estimate of a good population of 30 to 40 individuals (2 birds per 100 ha) based on recording in spring-time.

Rudolf Leitl, Amt für Landwirtschaft und Forsten, Bodenmaiser Str. 25, 94209 Regen

Vorbemerkung die Planfertigung für dieses Gebiet sind sozusa- gen als Pilotprojekt zu sehen. Sämt liche hier vor- Die Managementplanerstellung für SPA-Ge biete gestellten Anleitungen und Ergebnisse sind also ist erst in der Anlaufphase. Die Erhebun gen und noch in keiner endgültigen Fas sung.

Abb. 1. Typisches Auerhuhn-Habi- tat im Bayerischen Wald. – Typical Capercaillie habitat in the Bavarian Forest. 72 Ornithol. Anz., 48, 2009

2

3 4

Abb. 2–4. Indirekte Nachweise: Trittspur (2), Kükenlosung (3), Schlafbaum (4). – Indirect evidence: foot-prints (2), droppings from chicks (3), roosting-tree (4).

Die gewonnenen Erkenntnisse und gemach- Probeflächenauswahl. Wo immer möglich, sol- ten Erfahrungen können noch zu Änderungen len die Probeflächen zur Erfassung des Auer- führen und dienen der weiteren Optimierung huhns und der im Gebiet vorkommenden, nicht der Methoden. modellierbaren Arten deckungsgleich sein. Da die Siedlungsdichte des Auerhuhns in Bayern Kartieranleitung zur Ersterfassung sehr gering ist und im Rahmen des Habitat - managements Auswirkungen von Erhal - Aufgrund der Größe der Schutzgebiete und tungsmaßnahmen „messbar“ beziehungsweise dem ungleichmäßig verteilten Vorkommen des aufscheinend werden sollen, erfolgt die Aus- Auerhuhns werden nur in ausgewählten Pri- wahl der Untersuchungsgebiete nicht grund- märbiotopen (dauerhafte) Probeflächen ange- sätzlich zufällig, sondern – nach Befra gung ört- legt. Innerhalb der Probeflächen erfolgt die licher Experten oder GIS-Modellierung – Aufnahme indirekter oder direkter Nachweise gerichtet in „Kern“-Habitaten (= „Auerhuhn- an Probepunkten mit durchlaufender Nummer Erwartungsgebiet“). in einem festen Gitternetz von 200 x 200 m. Die Richtwerte zur Vorabgrenzung/Positionierung Beurteilung der Habitatqualität erfolgt durch der Probeflächen: die Auswertung der an den Gitternetzschnitt - • Höhenlagen im Gebirge ab 750 m ü. NN und punkten erfassten Strukturen (siehe Aufnahme - • Beschirmungsgrad der Bestände ≤ 0,7 auf formular) und darüber hinaus durch eine gut- mindestens 40 % der Probefläche und achtliche Bewertung der Größe, Ausfor mung/ • lichte Strukturen (Kulturen, Lücken, Frei - Vernetzung und strukturellen Ausstattung flächen) auf mindestens 20 % der Probe - „auerhuhntauglicher“ Habitate im Gesamtge - fläche und biet (Verifizierung durch Ortsbegang). • dichte Strukturen (dichte Verjüngung, Dickungen, gedrängte Stangenhölzer) auf maximal 20 % der Probefläche Rudolf Leitl: Methodik zur Erfassung und Bewertung des Auerhuhns in SPA-Gebieten 73

Auerhuhn-Monitoring/ Aufnahmeformular

SPA-Gebiet: Nr.: Name:

Aufnahmeformular-Nr.: Datum: / / 2

Strukturerfassung Art-Nachweise * B1* B2* Sträucher* Kräuter* Heidelbeere* Aufnahmepkt-Nr. Ø Bestandsalter Bestandsform Deckung Deckung Deckung Deckung Deckung Höhe Heidelbeere Felsüberlagerung Ameisenhaufen Federn° Losung° benutzte Huderplätze° Frass-/ Trittspuren° direkter Nachweis Bemerkungen

* = Angabe in 1/10 geschätzt; ° = bei Vorhandensein ankreuzen Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft 1 74 Ornithol. Anz., 48, 2009

Abb. 6. SPA-Gebiet „Arber“: violette Linie = Gebietsgrenze, gelbe Linie = Auerhuhn- Erwartungsgebiet mit weißen Stichprobenpunkten, rote Punk te = Auerhuhn-Nachweise im 5-m-Radius um einen Pro- benpunkt, orangefarbige Punk - te = Auerhuhn-Nachweise zwi- schen den Stichprobenpunkten. Hellgrüne Bereiche sind Flä- chen mit abgestorbenen Fich - ten (durch Borkenkäferbefall und Windwurf). – The Arber SPA. violet = borderline of SPA area, yellow = expectation area for Capercaillies with white sampling points, red points = proofs of Capercaillies on sampling points within a circle of 5 m radius, orange points = proofs between two sampling points. Pale green areas are stands of dead spruce (kil- led by bark-beetle infestation and subsequently wind- thrown).

• keine Erfassung in Steillagen dich te im jeweiligen Gebiet liefern. Die Habi - Die Größe einer Probefläche bei SPA-Gebieten tatqualität bzw. deren Bewertung erfolgt eben- < 1200 ha beträgt mindestens 400 ha. Bei größe- falls über die Erfassung der Waldstrukturen ren Gebieten ist der Testgebietsanteil gestaffelt. gemäß dem Aufnahmeformular. Als günstigster Aufnahmezeitraum für diese Inventur werden Datenerhebung. In den Probeflächen wird ein die Monate August und September festgelegt. dauerhaftes Raster mit 200 x 200 m angelegt. An Hier lassen sich neben der sehr beständigen den Gitternetzschnittpunkten erfolgt standardi- Winterlosung und der typischen Sommerlosung siert innerhalb eines Radius, von 5 m jeweils ca. auch Mauserfedern und, bei viel Erfahrung, 5 Min. lang die Erfassung von indirekten sogar Fraßspuren an den Heidelbeeren finden. Nachweisen: • Federn Bewertung des Erhaltungszustands. Die Kar - •Kot tieranleitung für das Auerhuhn beinhaltet ein • Fraßspuren (an Trieben) Bewertungsschema, das für die Population, das • Sandbadeplätze (Huderpfannen) Habitat und die Beeinträchtigungen noch in • Trittspuren weitere Teil-Bewertungseinheiten aufgeschlüs- • durch Exkremente markierte Nächtigungs- selt ist (Tab. 1). und Ruheplätze Die Dokumentation von indirekten (und direk- Durchführung der Inventur ten Sicht-/Verhör-) Nachweisen sollte aufgrund der Größe der Monitoringflächen indes einen Die Inventur erfolgte im August und September guten Überblick über die relative Aktivitäts- im 2-Mann-Trupp (mit langjähriger Auerhuhn- Rudolf Leitl: Methodik zur Erfassung und Bewertung des Auerhuhns in SPA-Gebieten 75

Abb. 7. A. Anteil der Inventurpunkte in verschiedenen Altersstadien. – Proportion of inventory records in varying age-classes.

B. Anteil der Inventurpunkte mit entsprechendem Überschir- mungsgrad der Baumschicht (Baumschicht 1+2). – Proportion of inventory records relative to degree of overhang from the tree-layer.

C. Anteil der Inventurpunkte mit entsprechendem Deckungsgrad der Heidelbeere. – Proportion of inventory records relative to extent of Bilberry cover.

und Gebietserfahrung). Die Punkte wurden über Ergebnisse im Arbergebiet eine Karte im Maßstab 1:5 000 über markante Geländemerkmale mit Kompass und Schrittmaß Das SPA-Gebiet am Arber besitzt eine Fläche aufgesucht. Während eine Person im 20-m- von 3 546 ha. Als Auerhuhn-Erwartungsgebiet Radius die Strukturen erhob, suchte die andere wurden davon 1 566 ha abgegrenzt. Nach der im 5-m-Radius nach Auerhuhn-Hin wei sen. Kartieranleitung müssen also 3 Quadranten à Beobachtungen zwischen den Punkten wur- 400 ha mit je 100 Stichprobenpunkten hineinge- den notiert und als Bemerkung dem nächstlie- legt werden. Da sich die Quadranten nur zum genden Punkt zugeordnet, um das Gesamtbild Teil mit dem Auerhuhn-Erwartungsgebiet deck- der Auerhuhn-Verbreitung abzurunden. Bei der ten, wurden die übrigen Punkte in angrenzen- Bewertung finden sie aber keinen Eingang. des Auerhuhn-Erwartungsgebiet gelegt. Die Daten wurden in ein Aufnahme-Form - Tab. 2 zeigt die Ergebnisse. Da Fraßspuren blatt (siehe Abb. 5) eingetragen und später in eher selten zweifelsfrei als solche angesprochen eine Daten-Tabelle eingegeben und ausgewertet. werden können, wurden diese fast immer nur 76 Ornithol. Anz., 48, 2009

Tab. 1. Bewertung des Erhaltungszustands bei der Ersterfassung - Evaluation of the state of habitat preservation and of the impairments on the first recording.

Bewertung der Population: Population A (sehr gut) B (gut) C (mittel bis schlecht) Bestandstrend kann erst nach Wiederholungsaufnahmen beurteilt werden Aktivitätsdichte (Prozentzahl der 3-10% der < 3 % der  10% Gitternetzschnittpunkte mit Beprobungspunkte Beprobungspunkte indirektem Nachweis) Siedlungsdichte im 1-2 Individuum / Auerhuhn-erwartungsgebiet  2 Individuum / 100 ha < 1 Individuum/ 100 ha 100 ha Bewertung der Habitatqualität: Habitatqualität A (sehr gut) B (gut) C (mittel bis schlecht) Strukturelle Ausstattung der beprobten Flächen Beerstrauchdeckung > 50 % 20 – 50 % < 20 % Anteil lichter Baumbestände > 50 % 20 – 50 % < 20 % (<70 % Überschirmung) Anteil Altbestände (> 80 > 30 % 20 – 30 % < 20 % Jahre) mit max. 30 % Laubholzanteil Größe und Vernetzung der beprobten Flächen Größe und Vernetzung der Anteil von Anteil von Anteil von potenziell besiedelbaren Altholzbeständen Altholzbeständen (> 80 Altholzbeständen (> 80 Fläche (> 80 Jahre, Jahre, Laubholzanteil Jahre, Laubholzanteil Laubholzanteil max. 30 max. 30 %, mit lichtem max. 30 %, mit lichtem %, mit lichtem Kronenschluß (< 70 % Kronenschluß (< 70 % Kronenschluß (< 70 % Kronenüberschirmung) Kronenüberschirmung) Kronenüberschirmung) und mind. 30 % und mind. 30 % und mind. 30 % Beerstrauchdeckung) Beerstrauchdeckung) Beerstrauchdeckung) 15 - 30 % < 15 % > 30 % der beprobten Fläche der beprobten Fläche der beprobten Fläche

Trend der potenziell Habitaterweiterung in etwa gleichbleibend deutlicher besiedelbaren Flächen (nach Lebensraumverlust Wiederholungsaufnahme oder vorliegenden Vergleichsdaten) Bewertung der Beeinträchtigungen: Beeinträchtigungen A (gering) B (mittel) C (stark) Beeinträchtigungen nur in sehr geringem in geringem Umfang; erheblich; (Lebensraum-veränderungen Umfang; und Störungen (z.B. Zäune, langfristig wird keine eine negative Bestands- Wander-wege, Loipen)) es ist kein Einfluss auf erhebliche Bestands- veränderung wird Liste mit Gefährdungen den Bestand zu erwarten veränderung begründet erwartet bzw. tritt auf Sonstige keine oder sehr geringe geringe mittlere bis starke Rudolf Leitl: Methodik zur Erfassung und Bewertung des Auerhuhns in SPA-Gebieten 77

Tab. 2. Statistik der 302 untersuchten Auerhuhn-Inventurpunkte. - Statistics of the 302 points of the Capercail- lie-inventory.

Anzahl aufzunehmender Punkte 302 Unzugänglich 6 tatsächlich aufgenommene Punkte 296 Nachweise 66 Sommer + Winterlosung gleichzeitig 30 Nur Sommerlosung 8 Nur Winterlosung 18 Fraß- + Trittspuren 4 Fraßspuren 23 Huderplätze 1 Direktbeobachtung im 5 m Radius 1x1 Hahn, 1x1 Henne + 6 Juv. Direktbeobachtung im 20 m Radius 3x1 Hahn, 2x1 Henne, 1x2 Hennen Indirekte Nachweise zwischen den Punkten 38 Direktbeobachtungen zwischen den Punkten 3 Hähne, 3 Hennen in Verbindung mit anderen Hinweisen (Kot, Anteil von lichten Baumbeständen (< 70 % Über - Huderplatz, Direktbeobachtung) aufgenom- schirmung) sehr hoch und weit über den gefor- men. Mit viel Erfahrung lassen sich aber auch derten Werten für A ist. Die Beerstrauchdeckung Fraßspuren als solche erkennen. Von den 23 (Heidelbeere Vaccinium myrtillus) dagegen liegt Fraß spuren dieser Erhebung wiesen 20 noch mit nur 12 % deutlich im Bereich C. Auf 58 % der weitere Auerhuhn-Hinweise auf. Inventurpunkte (20-m-Radius) wurde keine oder Von den 296 aufgenommenen Punkten wur- nur vereinzelte Heidelbeere gefunden. Durch den also an 66 Auerhuhn-Hinweise gefunden, den geringen Heidelbeeranteil kommt automa- was einem Anteil von 22,3 % und somit einer tisch auch die Bewertungssparte für die Größe sehr hohen Aktivitätsdichte entspricht, die weit und Vernetzung der Habitate in ein C. über den geforderten 10 % für eine Bewertung Es fällt auf, dass der Großteil der Baumbe- mit A liegt. stän de im Auerhuhn-Erwartungsgebiet relativ Ein Bestandtrend kann noch nicht angege- alt ist und dass vor allem Stangenhölzer und ben werden, weil dies die Erstaufnahme ist. mittelalte Bestände bis zum Alter 80, die in der Auch für die Siedlungsdichte kann kein gesi- Regel relativ geschlossen sind, kaum vorkom- cherter Wert angegeben werden, da für das Gebiet men. Zudem sind die Waldbestände insgesamt weder Balzplatzzählungen noch sonstige doku- als sehr licht zu bezeichnen. 31 % sind sogar mentierte Beobachtungsdaten aus den vergange- Frei flächen (meist von früheren Windwürfen nen Jahren vorliegen. Über die bei den Inventur- und Käferlöchern), und geschlossenere Bestän- arbeiten und sonstigen Kartierungen gewonne- de über einem Überschirmungsgrad von 0,7 nen Daten wird aktuell ungefähr ein minimaler kom men gar nicht vor. Bis auf die geringe Hei - Bestand von 30–40 Individuen (Frühjahrsbestand del beerdeckung entspricht dies im Grundsatz adulter Vögel) angeschätzt. Für das Auerhuhn- Verhältnissen sehr günstiger Auerhuhnhabitate Erwartungsgebiet ergibt sich somit eine geschätz- (Abbildungen 7a–c). te Dichte von mindestens 2 Individuen pro 100 ha Klimatisch und standörtlich bedingt, ist das und damit auch eine Bewertung mit A. Baumwachstum in den Hochlagen des Arber - gebietes sehr langsam. Forstliche Eingriffe redu- Ergebnisse der Strukturerfassung zieren sich dadurch meist auf die Aufarbeitung von Sturmwurf- oder Käferholz. Diese haben Hier hat die Inventur ergeben, dass sowohl der allerdings in den vergangenen Jahren ein ausge- Anteil von Altbeständen (> 80 Jahre) und der prägtes Mosaik unterschiedlicher lichter Struk - 78 Ornithol. Anz., 48, 2009

Tab. 3. Vorläufige Ergebnisse aller wertbestimmenden Inventur-Parameter im SPA-Gebiet „Großer und Kleiner Arber“. - Preliminary results of all scoring inventory parameters in the SPA „Großer und Kleiner Arber”.

Population Bestandstrend - Aktivitätsdichte A A Siedlungsdichte A Habitat Beerstrauchdeckung C Anteil lichter Bestände A B Anteil Altbestände A B Größe, Vernetzung C Trend B Beeinträchtigungen B B turen geschaffen. Eine negative Veränderung din gungen können es möglich machen, dass durch sich zu sehr schließende Wälder ist somit auch die Bewertungsparameter entsprechend auszuschließen und der Trend für die potenziell angepasst werden müssen. besiedelbare Fläche ist vermutlich zumindest gleichbleibend. Der Trend der Habitatentwick - Zusammenfassung lung wird somit mit B bewertet. Beeinträchtigungen finden sowohl durch die Die Methodik zur Erhebung des Erhaltungs - forstliche Bewirtschaftung als auch durch den zustandes des Auerhuhns weicht von den ande- Tourismus (Sommer und Winter) statt. Aktuell ren Vogelarten ab. Im Rahmen der Manage - scheinen diese in einem noch verträglichen Maß mentplanerstellung für das SPA-Gebiet „Großer zu sein, da die Population sich aktuell in einem und Kleiner Arber mit Schwarzeck“ wurde sehr guten Zustand befindet. Möglicherweise diese erstmals getestet. werden die genannten Beeinträch tigungen In einem nach Gebietsgröße gestaffelten durch die optimale Habitatausstat tung ausgegli- Stichprobennetz von 200 x 200 Metern werden chen. Die Bewertung der Beein trächtigungen ist im Auerhuhn-Kernlebensraum standardisiert nach den Vorgaben als B ein zustufen. sowohl Auerhuhn-Hinweise als auch die Habitatstrukturen erfasst. Die Aufnahme erfolgt Vorläufige Bewertung während der Monate August und September durch einen erfahrenen 2-Mann-Trupp. Nachfolgende Tabelle ist als vorläufige Bewer- Bei insgesamt 296 Inventurpunkten auf 1 566 tung zu sehen. Erst bei der Zusammenführung ha Auerhuhn-Erwartungsgebiet ergab sich mit 66 aller Ergebnisse kann die Situation des Auer- indirekten oder direkten Hinweisen eine ziemlich huhns im Arbergebiet in einer Gesamtschau hohe relative Aktivitätsdichte von 22,3 %. Dies betrachtet werden. Aber sowohl die Ergebnisse entspricht auch der bei den Kartierarbeiten dieser Inventur als auch der Ein druck bei den gewonnenen Einschätzung einer guten Popula - Kartierbegängen weisen darauf hin, dass das tion von 30–40 Individuen (Frühjahrsbestand; Auerhuhn in diesem SPA-Gebiet sowohl eine entspricht einer Dichte von 2 Individuen/100 ha). relativ hohe Siedlungsdichte als auch sehr gute Die Strukturerfassung ergab sehr hohe Habitatbedingungen vorfindet und sich da durch Anteile alter und lichter Bergfichtenwälder, in einem guten Erhal tungs zustand befindet. aber mit geringer Beerstrauchdeckung. Auf - Wie gesagt, befindet sich Management plan - grund der klimatischen und standörtlichen Ver- er stellung für SPA-Gebiete noch in der Pilot - hältnisse ist kein negativer Trend für die Ha- phase. bitat-Aus stat tung zu erwarten. Beeinträchti gun - Die Ergebnisse bei der Auerhuhn-Inventur gen für das Auerhuhn gehen vorrangig von ver- haben bereits zu leichten Änderungen in der schiedenen Sport- und Freizeitaktivitäten aus. Kartieranleitung geführt. Die Bewertungsgren- Insgesamt ergab die Bewertung des Auer- zen sind von dem aktuellen Kenntnisstand der huhns in diesem Gebiet einen guten Erhaltungs - jeweiligen Art, ihren Habitatansprüchen und zustand (B). Die Erfahrungen bei dieser ersten ihrer Beeinträchtigungstoleranz abgeleitet. Suk- Inventur haben zu leichten Änderungen in der zessive Anpassung an veränderte Umweltbe- Kartieranleitung geführt. Rudolf Leitl: Methodik zur Erfassung und Bewertung des Auerhuhns in SPA-Gebieten 79

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Ornithol. Anz., 48: 80–82

Grundlagenforschung und waldbauliche Empfehlungen zum Schutz des Auerhuhns im Schwarzwald

Manfred Lieser

Basic scientific research and recommendation guidelines for the protection of the Capercaillie in the Black Forest The dramatic decline of the Capercaillie Tetrao urogallus in Central Europe correlates with the gradual deterioration of its habitat. In particular the rising proportion of Spruce and increasing den- sity of growing trees (shading) are responsible for the decline of a field layer rich in herbs and sub- shrubs, such as is essential for the survival of the Capercaillie. Experimental trials have shown that Pine, much neglected in modern forestry, performs well as a source of food and energy in winter. The needles of other conifer species are less suitable as Capercailllie food, with those of Spruce showing the lowest energy values. So-called “near natural forestry”, with gloomy woods and a per- manent canopy, creates only poor habitat conditions for the Capercaillie. Changes in forestry prac- tice are therefore the key to the maintenance of relict Capercaillie populations.

Dr. Manfred Lieser, Vogelwarte Radolfzell, Max-Planck-Institut für Ornithologie, Schlossallee 2, 78315 Radolfzell E-Mail: [email protected]

Die Auerhuhnpopulation des Schwarzwal- arbeiten des Verfassers werden die wichtigsten des ist stark geschrumpft und muss als äußerst Ergebnisse präsentiert. gefährdet eingestuft werden. Von 1955 – 70 wur- den in Baden-Württemberg noch 1179 Auer- Nahrungswahl von Auerhühnern im Schwarz - hähne erschossen. In Verbindung mit erhebli- wald (Lieser 1996). chen Störungen an den Balzplätzen hat dies den Hauptnahrung: durch Habitatverlust bedingten Rückgang ver- November–März: ca. 90% Nadeln von Fich- mutlich beschleunigt. Die früher fast geschlos- te, Tanne und Kiefer sene Auerhuhn-Besiedlung des Schwarzwaldes April–Mai: austreibende Buchen knos - hat sich in Teilgebiete aufgelöst, große Flächen pen (insbesondere im mittleren und östlichen Juni–Oktober: grüne Teile aus der Boden - Schwarzwald) sind mittlerweile verwaist oder vegetation (inkl. Heidel - nur noch sehr dünn besiedelt. Für zwei Gebiete bee re) (Villingen und St. Georgen) wird gezeigt, dass August–September: welkende Lärchennadeln, sich der Rückgang über Jahrzehnte hinweg kon- Beeren tinuierlich vollzog. Dieses „Ausbluten“ ist für Zusatznahrung: Wirbellose, Bucheckern. alle mitteleuropäischen Auerhuhn po pu latio - nen, auch für die in Bayern, typisch und auf Energetische Verwertung von Koniferen- langsam wirkende Habitatverschlech terungen nadeln als Winternahrung (Lieser et al. 2005, durch steigende Fichtenanteile und Holzvorräte 2006b, Schroth et al. 2005). Das Auerhuhn ist zurückzuführen. Auch im Villinger Stadtwald, eine „Erfindung“ der Evolution, um die große der früher als Musterbeispiel für die Kombina- Biomasse immergrüner Koniferennadeln in der tion von Forstwirtschaft und Auerhuhn galt, ist eurasischen Taiga durch einen Pflanzenfresser der Bestand fast erloschen. zu nutzen. Die ganze Anatomie des Vogels ist Zum Rückgang des Auerhuhns im Schwarz- auf die Verwertung dieser schwer verdaulichen wald und seinen Ursachen siehe Lieser & Roth Nahrung im Winterhalbjahr eingerichtet: (2001), Lieser (2003). Aus früheren Forschungs- scharfkantiger Schnabel, großer Kropf, großer Manfred Lieser: Grundlagenforschung und waldbauliche Empfehlungen zum Schutz des Auerhuhns im Schwarzwald 81

Muskelmagen und paarige, lange Blinddärme, digen können. Infraschall (< 20 Hz) ist für den in denen mithilfe von Mikroorganismen Zellu - Menschen nicht hörbar. Praktische Bedeutung lose zu flüchtigen Fettsäuren vergoren wird. An hat diese Frage in Zusammenhang mit Wind- 28 Auerhühnern wurde an der Vogelwarte rädern, die tiefe Frequenzen (auch Infraschall) Radolfzell getestet, wie die Vögel die Nadeln emittieren und störend auf Auerhühner wirken von Koniferenarten energetisch verwerten könnten. An einem Balzplatz im Schwarzwald (Wägung und Energiegehaltsbestimmung der wurden mit modernen Messgeräten viele hun- täglichen Verzehr- und Kotmengen). Unter den dert Aufnahmen der Lautäußerungen gemacht. einheimischen Nadelbaumarten ergab sich fol- Vokallaute enthielten keinerlei Infraschall, gende Reihung in der Qualität als Auerhuhn - dage gen die Instrumentallaute bei Flattersprün - nahrung: gen. Paarungsbereite Hennen in der Voliere der Vogelwarte zeigten allerdings keinerlei Reak - Waldkiefer (85 %), tion auf vorgespielte Infraschallmuster, auch Moorkiefer (77 %), nicht auf hörbaren Gesang von Hähnen. Der Weißtanne (66 %), Infraschall aus Flattersprüngen ist vermutlich Europäische Lärche (56 %), ein physikalisches Nebenprodukt und spielt Fichte (49 %). keine Rolle für die Fernorientierung von Auer - hühnern, zumal er sich im Freiland rasch Die Zahlen in Klammern stehen für die täg- abschwächt und häufig schon nach > 50 m unter lich umgesetzte Energie bei Ad-libitum-Füt te - die (von Tauben bekannte) Hörschwelle abfällt. rung in Bezug zum Erhaltungsbedarf. Fremd- län dische Baumarten lagen im Rahmen dieser Fazit Werte. Nach diesen Zahlen scheint das Auer- huhn auf die energetische Verwertung von Viele Mythen um das Auerhuhn und Neben- Kiefernnadeln spezialisiert zu sein, wofür auch themen wie Störungen oder Prädation müssen ähnliche Ver breitungsgebiete von Auerhuhn endlich vom Tisch, will man die Restvor - und Waldkiefer sprechen. Die schlechte Qualität kommen erhalten. Wichtigste Maßnahme ist die der Fichte hat sicherlich beim langsamen verstärkte Nutzung von Fichtenstammholz in Rückgang des Auerhuhns mitgewirkt. Die Ent - Schwerpunktgebieten. Auch Jungbestände kön- wicklung der Baumartenanteile im Schwarz- nen unverzüglich durch Auflichtungen verbes- wald lässt den Verlust der Kiefer und eine zu - sert werden. Konkrete waldbauliche Hinweise nehmende Domi nanz höherer Altersklassen finden sich bei Lieser (1999). durch die Fichte erwarten. Die restlichen lichten Kiefernbestände werden zunehmend von der Zusammenfassung Fichte unterwandert, die dann die Folgebesto - ckung bildet. Auch der „naturnahe Waldbau“ Der dramatische Rückgang der mitteleuropäi- mit dunklen Dauerwäldern aus Fichte, Tanne schen Auerhuhnpopulationen ist korreliert mit und Buche wird dem Auerhuhn keinen der langsam zunehmenden Habitatverschlech- Lebensraum bieten. terung. Insbesondere sind steigende Fichtenan - Alle Versuchsvögel zeigten übrigens eine teile und anwachsende Holzvorräte pro Flä - rasche Abnahme der Körpermasse bei reiner cheneinheit (Ausdunkelung) für den Rückgang Nadelfütterung, sodass geringe Mengen Mais einer artenreichen Kraut- und Zwergstrauch - zugefüttert wurden mussten. Solche Zucht- vegetation verantwortlich, die für das Überle- vögel sind für Auswilderungsprojekte ungeeig- ben von Auerhühnern essenziell ist. Experimen - net, da sie wegen ihrer unzureichenden telle Versuche haben gezeigt, dass die heute Verdauungsleis tung im Freiland verhungern. waldbaulich stark vernachlässigte Kiefer als Winternahrung energetisch besonders gut ab - Bedeutung von Infraschall für die Kommuni- schneidet. Andere Nadelblätter von Koniferen kation (Lieser et al. 2006a). Basierend auf einer eignen sich weniger gut als Auerhuhn-Nah- älteren Arbeit aus Schottland, wurde lange Zeit rung, wobei die Fichte die schlechtesten Ener- angenommen, dass Auerhühner in ihren Vokal- giewerte aufweist. Auch der „naturnahe Wald - lauten Infraschallanteile haben und sich mit bau“ mit seinen dunklen Dauerwäldern bietet Infraschall über größere Entfernungen verstän- dem Auerhuhn nur mangelhafte Habitatbedin- 82 Ornithol. Anz., 48, 2009 gungen. Daher sind vor allem waldbauliche Lieser, M., K. E. Schroth & P. Berthold (2005): Maßnahmen zum Erhalt der Auerhuhn-Rest- Ernährungsphysiologische Aspekte im Zu- populationen erforderlich. sammenhang mit der Auswilderung von Auer hühnern (Tetrao urogallus). Ornithol. Literatur Beob. 102: 97-108. Lieser, M., P. Berthold & G. A. Manley (2006 a): Lieser, M. (1996): Zur Nahrungswahl des Auer - Infrasound in the flutter jumps of the caper- huhns (Tetrao urogallus) im Schwarzwald. caillie (Tetrao urogallus) – apparently a phys- Orni thol. Beob. 93: 47-58. ical by-product. J. Ornithol. 147: 507-509. Lieser, M. (1999): Möglichkeiten der Lebens - Lieser, M., T. Töpfer, K. E. Schroth & P. Berthold raumgestaltung für Haselhuhn und Auer- (2006 b): Energetischer Wert von Koniferen - huhn im Schwarzwald. – in: Landesanstalt f. na deln als Winternahrung für Auerhühner Umweltschutz BW (Hrsg.): Der Rohrhards- (Tetrao urogallus). Ökol. Vögel 28 (1): 1-29. berg – Neue Wege im Naturschutz für den Schroth, K. E., M. Lieser & P. Berthold (2005): mittleren Schwarzwald, Verlag Regionalkul - Zur Winternahrung des Auerhuhns (Tetrao tur, Ubstadt-Weiher. urogallus) – Versuche zur Bevorzugung von Lieser, M. (2003): Probleme des Artenschutzes Nadeln verschiedener Koniferenarten. im Wirtschaftswald am Beispiel der Raufuß- Forst archiv 76: 75-82. hühner im Schwarzwald. Natur und Landschaft 73: 10-17. Lieser, M. & Roth, K. (2001): Auerhuhn (Tetrao urogallus, Linnaeus 1758) – in: Hölzinger, J., (Hrsg.): Die Vögel Baden-Württembergs. Bd. 2.2, Ulmer, Stuttgart. S. Klaus, H. Hoffmann u. Prinz R. Heinrich XII: Haselhuhn Bonasa bonasia–Wiederansiedlung im Thüringer Frankenwald 83

Ornithol. Anz., 48: 83–87

Haselhuhn Bonasa bonasia – Wiederansiedlung im Thüringer Frankenwald

Siegfried Klaus, Hartmuth Hoffmann und Prinz Reuß Heinrich XII

Hazel Grouse Bonasa bonasia – reintroduction in the Thuringian Frankenwald (Germany) In 2001, a hazel grouse (extinct in the late 19 century) release project was started by the Prinz Reuß’ forest administration, Wurzbach. Main management activities: 1. Improvement of hazel grouse habitats over 2,500 hectares of spruce forest by promoting broad-leaved trees (alder, willow, birch, hazel) along water-courses and including the “green band”, the former border line separating Thuringia and Bavaria. 2. Favouring of multi-layered montane mixed forests (spruce, beech, fir, sycamore), 3. Favouring of mountain ash Sorbus aucuparia and birch especially along forest tracks as connecting corridors, 4. release of about 10 wild caught hazel grouse B. bonasa rupestris from Austria per year supplemented by hazel grouse raised in captivity. 5. Monitoring of success. Progress to date: Habitat improvements have been implemented over significant areas. During 2001–2008 107 hazel grouse were released (17 wild birds, 90 raised). The proportion of wild-caught birds needs to be increased. To this end, capture-methods have been improved. Telemetry studies with a few birds have provided evidence that wild grouse survive better than captive-reared birds, and that birds are becoming established in the release area. The number of observations has increased markedly dur- ing 2008.

Dr. Siegfried Klaus, Lindenhöhe 5, 07749 Jena E-Mail: [email protected]

Abb. 1. Bunter Haselhahn in herbstlich gelber Birke – Anblicke dieser Art prägten die Konzeption des Wiederansiedlungs-Projekts im Frankenwald. – A bright male Hazel Grouse in autumn-yellow birch. Such visions prompted the conception of the resettlement project in the Frankenwald. Foto: S. Klaus 84 Ornithol. Anz., 48, 2009

Einleitung dierende Forstwirtschaft beseitigt. Eine natürli- che Wiedereinwanderung des extrem sesshaften Im Jahre 2001 wurde von der Prinz Reuß’schen Hasel huhns (Sewitz & Klaus 1997) ist aber man- Forstverwaltung Wurzbach mit fachlicher gels benachbarter „Quellpopulationen“ (s. Berg - Unterstützung durch die Thüringer Landesan - mann et al. 1996, 2000) nicht zu erwarten. stalt für Umwelt und Geologie ein Projekt zur „Nach weise“ aus Oberfranken beruhen wahr- Wiederansiedlung des im Frankenwald ausge- scheinlich auf Irrtümern oder gehen auf illegale storbenen Haselhuhns konzipiert und begon- Auswilderung von wenigen Einzeltieren zu- nen. rück, die keine Population gründen können. Das Haselhuhn gehörte einst neben Auer- Aus diesem Grunde ist die Rückkehr des und Birkhuhn zu den Charakterarten des Haselhuhns als Leitart bunt gemischter, stufiger Franken waldes. Sein Aussterben erfolgte sehr Bergmischwälder nur im Rahmen eines Wieder- früh – im Thüringer Anteil des Frankenwaldes ansiedlungsprojekts möglich. Die Prinz Reuß’ - wohl schon vor 1900. Hauptursache des Aus- sche Forstverwaltung hat sich unter Beachtung sterbens dür fte neben der Habitatver schlech - der Vorgaben der IUCN (1998) um die Rückkehr terung durch die großflächige Anlage von dieser Art bemüht. Seit nunmehr 10 Jahren wer- Fichtenmono kulturen im Zuge der Reinertrags - den Habitat verbessernde Maßnahmen auf der lehre (Aushieb der für die Winterernährung gesamten Privatwaldfläche (2 500 ha) durchge- unentbehrlichen Weichlaubhölzer wie Eber - führt, die künftig auch auf die benachbarten esche und kätzchentragender Gehölze wie As - Thüringer und bayerischen Forstämter ausge- pe, Birke, Erle, Hasel) auch der illegale Fang mit dehnt werden sollen. Der Aussetzungsraum ist Dohnen (= Pferdehaarschlingen; Bergmann et groß genug, um die Entwicklung und Aus- al. 1996) gewesen sein. Diese Negativfaktoren breitung einer sich selbst tragenden Population sind heute durch die mehr zu Naturnähe ten- zu garantieren. Er ist außerdem über ausge-

Abb. 2. Ein Beispiel für einen haselhuhntauglichen Jungbestand aus Fichte mit Beimischung von Birke, Rotbuche und guter Entwicklung der Heidelbeere. – A stand of young Spruce mixed with Birch, Beech and good growth of Bilberry making it suitable for Hazel Grouse. Foto: S. Klaus S. Klaus, H. Hoffmann u. Prinz R. Heinrich XII: Haselhuhn Bonasa bonasia–Wiederansiedlung im Thüringer Frankenwald 85 dehnte Waldmassive so eng mit dem Thüringer die hier zu schützenden Vogelarten sind die Wald, Erz- und Fichtelgebirge verbunden, dass naturnahen Bergbäche (Gewässernetzdichte eine natürliche Wiederausbreitung über den 1,4 km/km2), wo der Schwarzstorch reichlich gesamten herzynischen Gebirgsraum und somit Nahrung findet (1984 erster Brutnachweis für auf riesiger Fläche möglich wird, wenn das Thüringen nach 100-jäh rigem Fehlen der Art). Vorhaben gelingt. Heute erreicht der Schwarzstorch im SPA-Ge - biet eine hohe Sied lungsdichte und überdurch- Besondere biologische Eignung des schnittliche Bruter folge. Die Bäche bieten auch Haselhuhns für eine Wiederansiedlung anderen typischen Arten der Bergbäche (Eis- vogel, Wasseramsel, Bergstelze) Lebensraum. Während Auer- und Birkhuhn grundsätzlich an Kleinere Standge wäs ser – ehemalige Flöß-, nährstoffarme Habitate angepasst sind und Fisch- und Mühlenteiche – bereichern das daher europaweit unter anderem durch eutro- Gebiet ebenso wie die alten Schieferhalden und phierungsbedingte Habitatveränderung be - Felsabstürze der zum Teil riesigen Schiefer- droht sind, profitiert das Haselhuhn als einzige gruben. heimische Raufußhühnerart von nährstoff- und pflanzenartenreichen Lebensräumen (Klaus Schwerpunktpunkte des Projekts 1995). Die Bindung an frühe Sukzessionsstadien der Waldentwicklung in möglichst enger Ver - Lebensraumoptimierung auf zunächst 2 500 ha zah nung von Nadel- und Laubbaumarten ein- durch Erhöhung des Laubholzanteils: Förde - schließlich der Pioniergehölze Birke, Weide, rung von Erle, Weidenarten, Birke, Hasel – Erle, Eberesche (10–50-jährige Bestände) und besonders entlang aller Bäche und Randzonen. die ausgeprägte Fähigkeit, sich selbst und seine Dabei bildet der ehemalige Grenzstreifen ent- Nester und Küken in sehr dichten Habitaten lang der thüringisch-bayerischen Grenze ein wirkungsvoll zu verstecken, machen die Art zu- zwar lineares, aber wirksames und ausgedehn- dem relativ unempfindlich gegen menschliche tes Vernetzungselement, das bereits heute sehr Störungen (Tourismus) und Nestprädation. günstige Habitateigenschaften aufweist.

Projektgebiet Förderung der Bergmischwaldentwicklung (Buche, Bergahorn, Tanne in der Mischung mit Das Vorhaben betrifft im Naturpark Thüringer Fichte). Diese ist während der vergangenen Schiefergebirge-Frankenwald das SPA-Vogel - zehn Jahre bereits auf bedeutenden Flächen vo- schutzgebiet Nr. 37 „Frankenwald – Schiefer - rangebracht worden. brüche um Lehesten“. Es handelt sich um die Nordost-Abdachung des Thüringer Franken- Förderung der Eberesche (und Birke) in allen waldes als Teil des westlichen Thüringer Schie- von Fichten dominierten Beständen und als fergebirges, das eng, tief und sehr steilhängig lineare Vernetzungselemente in Form von zertalt ist. Alleen entlang der Forstwege. Südlich und westlich von Lobenstein, von der bayerischen Grenze im Süden, erstreckt sich Freisetzung von jährlich ca. 10 Wildfang- das Schutzgebiet in nordwestlicher Richtung bis Haselhühnern der Unterart B. bonasa rupestris in den Raum um Lehesten im Naturraum aus Österreich (Kärnten, Steiermark), unter- „Hohes Thüringer Schiefergebirge-Franken- stützt durch Haselhühner aus naturnaher wald“ (Hiekel et al. 2004). Der Waldanteil ist mit Aufzucht. 80–85 % sehr hoch. Fichtenforste dominieren. Nur örtlich gibt es Buchenwaldreste mit Wissenschaftliche Erfolgskontrolle (Telemetrie Bergahorn. Die früher heimische Tanne ist fast nur in der Anfangsphase, Kartierung direkter verschwunden. Als Weide genutztes Grünland und indirekter Nachweise danach). findet sich so wohl bandförmig in den tiefen Talgründen als auch um Siedlungen der Ro- Gegenwärtiger Stand dungsinseln auf der Hochfläche. Ehemalige Ackerflächen auf Hangterrassen sind heute zu Auf bedeutenden Flächen wurden Habitat ver- Grünland umgewandelt. Von hohem Wert für bessernde Maßnahmen zugunsten des Hasel- 86 Ornithol. Anz., 48, 2009 huhns umgesetzt. 2001–2008 gelangten insge- Das Projekt hilft weiteren samt 107 Haselhühner, davon 17 Wildfänge aus Charakterarten über Biotop Österreich in Freiheit. Dabei ist 2001-2004 als verbessernde Maßnahmen Probephase zu werten. Der Anteil der Wild - fänge ist noch zu gering und soll gesteigert wer- Die geplanten und zum Teil bereits durchge- den. Die Fangmethoden wurden inzwischen führten forstlichen Maßnahmen im FFH-Gebiet optimiert, um künftig die jährliche Mindestzahl 162 und SPA-Gebiet 37 dienen unter anderem an Wildfängen zu erreichen. Die Telemetrie an dem Schutz der Bergbach-Ökosysteme mit wenigen Hühnern lieferte Hinweise darauf, ihren Bewohnern (Schwarzstorch, Wasseramsel, dass Haselhühner aus der Zucht wesentlich ge- Eisvogel; Klaus et al. 1993), helfen Biotope der ringere Lebenserwartung haben als Wildfän ge. Roten Liste Thüringens optimieren und dienen Letztere erwiesen sich als sehr sesshaft (Orts - weiteren für Gebirgswälder des Frankenwaldes veränderungen im Radius kleiner als 3 km). typischen Lebensgemeinschaften und Arten Zuchtvögel waren wesentlich weniger mobil. (unter anderem Sperlingskauz, Raufußkauz, Mit den Nachbarforstämtern in Thüringen und Uhu). Unter den nach EU-Recht besonders her- Bayern wurden unterstützende Maßnahmen ausragenden Säugetierarten mit hohen Raum- vereinbart, um das Projekt auf größere Fläche an sprüchen seien stellvertretend Luchs (spora- zu bringen. Die Zahl der zufälligen Nachweise dische Zuwanderung) und Fischotter (neuer- – auch bis zum Frühjahr des Folgejahres und dings regelmäßige Nachweise, Mau & Klaus damit monatelang nach der Freilassung im 1996, Schmalz & Klaus 2006) genannt, aber auch Herbst (September) – hat erheblich zugenom- waldbewohnende Fledermausarten (z. B. die men. Das Projekt wird auf eine Laufzeit (ab Baumhöhlen nutzende Bechsteinfledermaus). 2004–2014) von zehn Jahren angelegt. Die Prinz Reuß’sche Forstverwaltung verfügt

Abb. 3. Waldsukzession entlang des ehemaligen Grenzstreifens (Kolonnenweg). Durch Pflanzung wurden die Fichtenjungbestände mit Erlen angereichert. Weidenarten und Ebereschen sind häufig. Kleine artenreiche Feuchtwiesen bereichern das Gebiet. – Succession to woodland along the former East-West German border-strip. The stands of young Spruce were enriched by the planting of Alders. Willows and Rowans are frequent. Small, species-rich wet meadows enhance the area. Foto: S. Klaus S. Klaus, H. Hoffmann u. Prinz R. Heinrich XII: Haselhuhn Bonasa bonasia–Wiederansiedlung im Thüringer Frankenwald 87

über ein Fachkonzept zur Förderung dieser Literatur Arten, das mit der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie in Jena (TLUG) abge- Bergmann H.-H., S. Klaus, F. Müller, W. Scher - stimmt wurde. zinger, J. E. Swenson & J. Wiesner (1996): Die Haselhühner, Westarp Wissenschaften Mag - Dank. An der Finanzierung des Projekts sind de burg. beteiligt: die „Stiftung Naturschutz Thüringen“, Bergmann, H.-H., C. Seiler & S. Klaus (2000): World Pheasant Association (WPA), Deutsche Release projects with grouse – a plea for Sektion, und die Prinz Reuß‘sche Forstverwal - translocations. In: Malkova, P. (ed.): Pro- tung Wurzbach. Ihnen gilt unser Dank ebenso ceedings of the Intern. Conf. Tetraonids – wie den Revierinhabern in Österreich, dem ver- Tetraonids at the break of the millenium. sierten Thüringer Fang-Team Joachim Blank Ceske Budejovice, Czech Republic, 24-26 und Juliane Balmer sowie den Haselhuhn- March, 2000. züchtern Ulla Wilmering und Claus Beyer. Hiekel/TLU (1994): Wissenschaftliche Beiträge zum Landschaftsprogramm Thüringens. Zusammenfassung Schriften reihe der Thüringer Landesanstalt für Um welt. 2001 wurde von der Prinz Reuß’schen Forstver- IUCN (1998): Guidelines for Re-Introductions. waltung Wurzbach ein Projekt zur Wiederan- Prepared by the IUCN/SSC Re-introduction siedlung des im Frankenwald ausgestorbenen Specialist Group. IUCN, Gland Switzerland Haselhuhns begonnen. and Cambridge, UK. Schwerpunktpunkte: 1. Lebensraumopti - Hiekel, W., F. Fritzlar, A. Nöllert & W. Westhus mierung auf zunächst 2 500 ha durch Erhöhung (2004): Die Naturräume Thüringens. Natur- des Laubholzanteils: Förderung von Erle, schutz report 21. Weiden arten, Birke, Hasel – besonders entlang Klaus, S., D. Franz & T. Stede (1993): Be stands - aller Bäche und Randzonen unter Einbeziehung entwicklung und Bruterfolg des Schwarz- des ehemaligen Grenzstreifens als ausgedehn- storches Ciconia nigra in Thüringen. Schutz- tes Vernetzungselement mit günstigen Habitat- strategien für Schwarzstorch und Raufuß - eigenschaften. 2. Förderung der Bergmisch - hühner. Ökologische Bildungsstätte Ober - waldentwicklung (Buche, Bergahorn, Tanne, franken – Naturschutzzentrum Wasser- Fichte). 3. Förderung der Eberesche (und Birke) schloss Mitwitz. Materialien 2: 23-28. in allen von Fichten dominierten Beständen und Klaus, S. & K. Graf (2000): Breeding and releas- als lineare Vernetzungselemente in Form von ing projects for capercaillie Tetrao urogallus Alleen entlang der Forstwege. 4. Freisetzung in Germany. In: Malkova, P. (ed.): Procee d - von jährlich ca. 10 Wildfang-Haselhühnern der ings of the Intern. Conf. Tetraonids – Tetra- Unterart B. bonasa rupestris aus Österreich onids at the break of the millenium. Ceske (Kärnten, Steiermark), unterstützt durch Hasel - Budejovice, Czech Republic, 24-26 March, hühner aus naturnaher Aufzucht. 5. Wissen - 2000. schaftliche Erfolgskontrolle. Gegenwärtiger Mau, H. & S. Klaus (1996): Neufund des Fisch- Stand: Auf bedeutenden Flächen wurden Habi - otters (Lutra lutra) in Thüringen. Land- tat verbessernde Maßnahmen durchgeführt. schafts pflege und Naturschutz Thür. 33: 2001–2008 gelang ten insgesamt 107 Haselhüh- 100-101. ner, davon 17 Wildfänge aus Österreich in Schmalz, M. & S. Klaus (2005): Neue Ergebnisse Freiheit. Der Anteil der Wildfänge muss gestei- zum Vorkommen des Eurasischen Fisch- gert werden. Dazu wurden Fangmethoden opti- otters in Thüringen. Landschaftspflege und miert. Die Tele metrie an wenigen Hühnern lie- Naturschutz in Thüringen 42: 1-5. ferte Hinweise darauf, dass Wildfänge wesent- Sewitz, A. & S. Klaus (1997): Besiedlung isolier- lich höhere Lebenserwartung haben und sich im ter Waldinseln im Vorland des Böhmerwal - Nahbereich etablieren. 2008 hat die Zahl der des durch das Haselhuhn (Bonasa bonasia). Nach weise erheblich zugenommen. Beiträge Jagd-Wildforschung 22: 263-276. 88 Ornithol. Anz., 48, 2009

Ornithol. Anz., 48: 88–91

Ergebnisse der Haselhuhnbestandserfassung im Landkreis Regen 2007 (ohne Nationalpark Bayerischer Wald)

Manfred Hofmeister

Results of a Questioning Census of Hazel Grouse in the county of Regen 2007 (without the National Park ‘Bavarian Forest’) In 2007, the occupants of hunting preserves in the district of Regen were asked to complete a questionnaire concerning the status of Hazel Grouse (Bonasa bonasia) and any changes to this status. The results of this questionnaire are presented here. From most localities, a marked decrease or com- plete disappearance of the species was reported. Suspected causes were deterioration of habitat and the increase of predators, especially fox and wild pig.

Manfred Hofmeister, Landratsamt Regen, Untere Jagdbehörde, 94209 Regen

Das Haselhuhn hat im süddeutschen Raum In fast 57 % der Reviere des Landkreises Re - nur noch in den Alpen und im Bayerischen gen ist aufgrund der eingegangenen Beobach- Wald Restvorkommen. Eine Befragung der tungen der Revierinhaber der Haselwildbe - Revierinhaber des Landkreises Regen (ohne stand erloschen beziehungsweise stark rückläu- Nationalpark Bayerischer Wald) durch die unte- fig (Sinkhabitate). re Jagdbehörde des Landratsamtes Regen im In 6 % der Reviere steigt der Bestand an Jahr 2007 über die beobachteten Bestandszahlen (Quellhabitate). Die verbleibenden 37 % melden des standorttreuen Haselhuhns und Gründe für einen gleichbleibenden Zustand. Von 122 Revie - Bestandsveränderungen ergab nachfolgendes ren haben 82 Revierinhaber den Fragebogen Meinungsbild (Tab. 1): zurückgeschickt. Von diesen wird der Bestand insgesamt auf 450 bis 520 Stück geschätzt. Nachfolgend ist die Einschätzung der Re - Tab. 1. Einschätzung des Haselhuhnbestandes vierin haberüber die Ursachen des Rückgangs nach Aussage der Revierinhaber im Landkreis grafisch dargestellt (Tab. 2). Auffällig ist, dass Regen 2007. – Results of the Hazel Grouse ques - die Jägerschaft selbst die Lebensraumver - tionnaire to hunters in Regen District in 2007. schlechterung mit 34 % bewertet. Auch die Stö- rungsempfindlichkeit des Haselwildes als Bo- Zunahme 5,7 % den brüter schlägt sich mit 24 % nieder. Der star- gleichbleibend/leichte Abnahme 37,5 % ke Anstieg vieler opportunistischer Predatoren starke Abnahme 27,3 % im Landkreis wird mit 38 % eingeschätzt. Meist Erlöschen 29,6 % überlagern sich vorstehende Faktoren und ver- stärken sich dadurch. Tab. 2. Rückgangsursachen des Haselhuhns nach Angabe der Revierinhaber im Landkreis Lebensraumverschlechterung. Aufgrund der Regen; Befragung 2007. – Causes of decrease of niedrigen Holzpreise hat der Kleinprivatwald Hazel Grouse according to hunters in Regen District in den letzten zwanzig Jahren häufig nur questioned in 2007. Brennholzwirtschaft und Niederdurchforstung betrieben. Die Wälder sind zugewachsen. Verlust des Lebensraums 24 % Wichtige Weichlaubhölzer, deren Kätzchen und ungünstiges Wetter zur Brutzeit 4 % Knospen die Winteräsung bedeuten, wie Erlen, Störung durch Menschen 24 % Weiden, Birken, Ebereschen und Hasel, werden Verlust durch Fraßfeinde 38 % unter dem dichten Schirm der Fichten wälder ungünstige Waldentwicklung 10 % ebenso wie die für die Kükenaufzucht notwen- Manfred Hofmeister: Ergebnisse der Haselhuhnbestandserfassung im Landkreis Regen 2007 89 digen Waldameisen-Lebensräume ausgedun- die Lebensraumüberschneidung mit dem des kelt. Haselhuhns gering ist. Besonders empfindlich Das Haselhuhn fehlt also in unterholzarmen wirkt sich aber auch der Abgang einer brüten- Schlusswäldern, selbst wenn eine reich ausge- den Henne aus, wenn sie am Boden auf dem bildete Krautschicht vorhanden ist. Niedere Gelege sitzend durch Dachs (7%) oder Schwarz - und damit lichte Entwicklungsstadien auf wild (8%) gefangen wird. Da nicht nur das Sukzessionsflächen sowie stark vertikal geglie- reproduktive Element selbst, sondern auch das derte Nadel-Laub-Mischwälder bieten dem Zuwachspotenzial verlustig geht. Bloßer Nest- Haselhuhn eine optimale Habitatstruktur. raub des Geleges z. B. durch den Eichelhäher Der Anstieg der Heizölpreise in Verbindung (4%) kann eventuell durch eine weitere Nach - mit der zur Vermeidung von Borkenkäferbefall brut ausgeglichen werden. praktizierten „sauberen“ Forstwirtschaft lässt Im Gegensatz zum Schwarzwild oder Dachs im Kleinprivatwald auch kein Totholz zu, das löst eine unbeweglich auf dem Gelege sitzende Deckung bietet. Verbleibender Schlagabraum Haselhenne beim Luchs (4%) wegen ihrer wird als Häckselgut verwertet. Tarnung kein Beutefangverhalten aus. Bei Katzen stellt die Bewegung der Beutetiere einen Störungen durch den Menschen. Fackelwan - wichtigen Schlüsselreiz dar. Auch das Witte - derungen, winterliche Tourengeher mit Schnee - rungsvermögen des Luchses ist deutlich weni- schuhen, Intensivierung und Mechanisierung ger ausgeprägt im Vergleich zum Schwarzwild, der Forstwirtschaft sowie der Anstieg der Fuchs (11%), Marder (11%) oder Dachs, sodass Hundehaltungen im Landkreis führen zu regel- am Boden brütende Vögel relativ sicher sind mäßigen Störungen und beeinflussen vor allem vor seinem Zugriff. im Winter den Energiehaushalt dieser Wald - Eine Ursache für die Zunahme des Prädato - hühner oder führen zum Verlassen des Geleges rendrucks liegt ohne Zweifel auch in der Viel- in der Brutzeit. zahl der offenen Maiskirrungen oder Ablenk- füt terun gen für das Schwarzwild in den Privat - Prädatoreneinfluss nach Einschätzung der be- jagd revieren. frag ten Jägerschaft. Greifvögel als Prädatoren Die Einführung von Kraftfutter über das des Haselhuhns werden am häufigsten genannt gesamte Jagdjahr ins Ökosystem bringt eine (51%), dies ist auch nachvollziehbar, da das „Eutro phierung“ mit sich und begünstigt auf Haselhuhn bereits drei Wochen nach dem direk tem Wege die Reproduktion des Schwarz- Schlüpfen aufbaumt und somit vielen Raub- wildes, des Dachses oder des Eichelhähers. Auf säugern entkommen kann. An erster Stelle wird indirekte Weise profitieren in ihrer Bestands ent - der Einfluss des Habichts gesehen, Bussard und wicklung auch der Habicht, Marder oder Fuchs Sperber werden weniger häufig aufgeführt, da über die maisbedingte Vermehrung ihrer Beu-

400 Abb. 1. Entwicklung der Schwarz- 350 wild strecke im Landkreis Regen von 1972 bis 2007. – Numbers of wild pigs 300 reported killed by hunters in the Regen District 1972–2007. 250

200

Abschüsse 150

100

50

0 1972 /73 1977 /78 1982 /83 1989 /90 1994 /95 1999 /00 2004 /05

Jagdjahr 90 Ornithol. Anz., 48, 2009

Abb. 2. Entwicklung der Fuchs- strecke im Landkreis Regen (1974–2007). – Numbers of red foxes reported killed by hunters in the Regen District (1974–2007). 1974/1976 1977/1978 1979/1980 1981/1982 1983/1984 1985/1986 1987/1988 1989/1990 1991/1992 1993/1994 1995/1996 1997/1998 1999/2000 2001/2002 2003/2004 2005/2006 Jagdjahr tetiere (Mäuse, Tauben oder auch des Eichel hä - Fuchs. Beim Fuchs (Abb. 2) bewirkt das Erlie - hers). Beim Ausweiden oder Entkernen dieser gen der Tollwut als natürliches Regulativ in Wild arten werden nicht selten erhebliche Mais - Verbindung mit einer Biotopkapazitätserwei - mengen im Verdauungstrakt festgestellt und terung durch die Landwirtschaft seit Ende der bestätigen diesen Zusammenhang. In der Regel 80er Jahre einen deutlichen Populationszu - wird dieser anthropogen verursachte Anstieg wachs. der Beutegreifer jagdlich jedoch nicht im erfor- Die in heutiger Zeit durch erhöhte Düngega - derlichen Maße abgeschöpft. ben bis zu viermalige Wiesenmahd führt dazu, Hier wurden die Zählergebnisse mit den dass im Laufe der Vegetationsperiode für lange Ab schusszahlen der wesentlichen Beutegreifer Zeiträume nur kurzes Gras die Wiesen bedeckt verglichen. Als Beutegreifer wurden erfasst: und den Mäusen, der Hauptnahrung des Eichel häher, Baum- und Steinmarder, Fuchs Fuchses, die Deckung fehlt. Bei nicht gemähten und Dachs. Wiesen mit dichtem, hohem Gras hat der Fuchs Schwarzwild. Die starken Schwankungen der bei der Mäusejagd einen deutlich geringeren Abschusszahlen des Schwarzwildes (Abb. 1) Beuteerfolg, was wiederum die Versorgung sei- und damit auch seiner Populationsdichten im nes Gehecks und die Reviergrößen beeinträch- Landkreis Regen werden im Wesentlichen her- tigt. vorgerufen durch Buchenmastjahre und dem Hohe Schneelage zwingt den opportunisti- damit verbundenen verminderten Abschusser - schen Prädator, wegen des Mangels an Klein- folg an der Kirrung im Herbst sowie dem an - säugern in den Wiesen und Feldern, auf andere schließend erhöhten Zuwachs. Reduzierend Beutetiere im Wald umzustellen. Hier steigt bei wirkt eine anhaltend hohe Schneedecke im Win - hoher Fuchsdichte die Wahrscheinlichkeit des ter, die den Jagderfolg erheblich steigert und Jagderfolgs trotz geringer Haselwilddichte (fre- häufig zu spürbaren Fallwildverlusten bei den quenzabhängige Räuber-Beute-Funktion). Frischlingen führt.

Tab. 3. Einfluss der Beutegreifer auf den Haselhuhn-Bestand im Gesamtlandkreis oder Zufall? – Influence of predators on the level of Hazel Grouse in the Regen District.

Abschuss von Beutegreifern pro 100 ha im Jagdjahr 2006/07 0 - 2,0 2,1 - 4,0 4,1 - 6,0 > 6 Anzahl der Reviere 33 30 13 6 Haselhuhnvorkommen im Durchschnitt/100 ha Wald 1,07 1,64 3,87 3,73 Manfred Hofmeister: Ergebnisse der Haselhuhnbestandserfassung im Landkreis Regen 2007 91

Die vorstehenden Ergebnisse spiegeln Beob- rem auch resultierend aus dem zunehmenden achtungen der Jägerschaft und eigene Feststel- Beutegreifereinfluss der letzten Jahre. Der Be- lungen in einem Haselhuhnrevier wider. Auch fund, dass ein erhöhter Abschuss von Beutegrei- wenn die Einschätzung vielleicht nicht immer fern möglicherweise mit der (geschätzten) exakt der Realität entspricht, ist jedoch ein Populationsdichte des Haselhuhns korreliert Abwärtstrend in den Privatjagdrevieren im (Tab. 3), sollte in Zukunft wissenschaftlich Landkreis Regen bei der Bestandsentwicklung untersucht werden. des Haselhuhns deutlich erkennbar, unter ande- 92 Ornithol. Anz., 48, 2009

OG persönlich

Neu im Beirat

Auf der Vorstands- und Beiratssitzung am 13. Forstwirtschaft. In diesem Rahmen ist auch Februar 2009 in Nürnberg wurde Dr. Jörg meine Dissertation zur Bedeutung von Müller, Nationalpark Bayerischer Wald, neu in Waldstrukturen für Waldlebensgemeinschaften den Beirat der OG berufen. J. Müller ist 1973 in entstanden. Dabei verwendete ich neben den Wasserburg am Inn geboren, aber in West mit - Holz käfern wieder einmal die Waldvögel als telfranken aufgewachsen. Er schreibt uns zu sei- Indikatorgruppe. Seit 2006 arbeite ich als ner Person: Nationalparkzoologe im Bayerischen Wald. Fol- „Bereits seit Kindesbeinen an haben mich neben gende ornithologische Themen gehören noch Käfern und Schmetterlingen vor allem die heute zu meinem Tätigkeitsfeld: Monitoring der Vögel interessiert. Dies schlug sich in meiner Fischadlerwiederbesiedlung Bayerns und des Facharbeit über die jahreszeitliche Vogelzu- Projektes zur Wiederansiedlung des Habichts- sammensetzung meiner Heimatgemeinde und kauzes im Bayerischen Wald; Beziehungen von meiner Diplomarbeit „Rückkehrmöglichkeiten Waldvögeln und Waldstrukturen, Habitatmo - des Fischadlers nach Bayern“ nieder. Nach mei- delle für ausgewählte Arten (Haselhuhn, nem Forstwissenschaftlichen Studium in Mün - Mittelspecht); Makroökologische Auswertun - chen betreute ich für 4 Jahre die zoologische gen von Vogeldaten in Bayern.“ Forschung in den Naturwaldreservaten Bayerns Vorstand und Beirat freuen sich auf eine ange- an der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und nehme und erfolgreiche Zusammenarbeit! Schriftenschau 93

Schriftenschau

Birdlife Internatonal & Conservation Internatio- Vor allem bestechen die klaren, recht detail- nal, 2005. Áreas importantes para la conser- reichen Karten, zwar ohne Straßen, aber mit vación de las aves en los Andes Tropicales: Fluss- und Gebirgssystemen einschließlich sitios prioritarios para la conservación de la Höhenlinien und der exakt eingezeichneten biodiversidad. XVI + 769 S., zahlreiche Ver- IBA-Grenze. Sie regen an, diese Region aufzu- breitungskarten. ISBN 9978-44-196-4. BirdLife suchen, und die Liste der seltenen Endemiten International, Quito, Ecuador (BirdLife Conser - ist die beste Einladungskarte dazu. Letztere fin- vation Series No. 14). 1 (Natural History Book den sich noch einmal gesondert in Anhängen Service) unter den endemischen Vogelregionen (EBAs). IBAs (Important Bird Areas = AICAs, Áreas Im Text sind natürlich viele Daten zu Vor - Importantes para la Conservación de Aves) sind kommen und Häufigkeit bereits bei Druck- von NGOs (nichtstaatlichen Vogelschutzorgani - legung überholt. Der wahre Nutzen liegt aber sationen etc.) aufgestellte, wohlumgrenzte im erstmaligen Erkennen und Festhalten der Gebiete, die eine Unterschutzstellung verdienen IBAs, wobei die junge Generation lokaler (bzw. schon haben), da sie mindestens eine be- Ornithologen den Löwenanteil zusammentrug. drohte Vogelart beherbergen. BirdLife Inter na - Ein weiterer Band über die restlichen cional strebt die weltweite Dokumenta tion sol- Staaten Südamerikas soll bald folgen. Das vor- cher Gebiete an. Die Behörden besitzen mit der liegende Buch ist aufgrund seiner klaren präsentierten Information das essenzielle Werk - Aufmachung international zu empfehlen. zeug, den Schutzstatus dieser Gebiete zu insti- Tino Mischler tutionalisieren. Das schwerwiegende Buch ist das erste auf Surminski, A., 2008. Die Vogelwelt von Au - Spanisch abgefasste dieser Art (hauptsächlicher schwitz. 191 S., ISBN 978-3-7844-3126-0. Leserkreis: nordwestliches Südamerika), liest LangenMüller, München. 2 . sich aber trotzdem für den gebildeten Laien Nicht eine Lokalavifauna, sondern eine Novelle leicht, da Karten (geografische Beschreibung) des aus Ostpreußen stammenden Autors Arno und zugehörige kommentierte Artenlisten den Surminski ist Gegenstand dieser Besprechung. Hauptteil der Information ausmachen. Für die 5 Sie beleuchtet die Geschehnisse in den Kon- zusammenhängenden Andenstaaten Venezuela, zentrationslagern Auschwitz und Birkenau aus Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien wur- einer völlig ungewöhnlichen, paradoxen Per - den in den letzten 5 Jahren 455 solcher IBAs spektive, nämlich aus der nebensächlichen identifiziert. In der Region leben immerhin 2780 Handlung der ornithologischen Erforschung Vogelarten; davon fallen 210 weltweit in eine des Gebietes, heraus. Die beiden Hauptfiguren: Gefährdungskategorie; mit nahezu bedrohten der KZ-Häftling Marek Rogalski, Kunststudent Arten werden es schon 350, die meisten davon aus Krakau, und der SS-Wachmann Hans Grote, lokale Endemiten. Ornithologe und Familienvater. Rogalski wird Die fünf Staaten sind getrennt alphabetisch als Grotes Assistent bestimmt, mit ihm die behandelt und jeweils mit farbiger Daumen - Vogelwelt des Zwischenstromlandes von Sola leiste leicht aufzublättern. Die IBAs sind durch- und Weichsel zu erkunden und für Grote Vögel nummeriert, so auf der Landesübersichtskarte zu zeichnen. Die Handlung rührt an, wenn Ma - gut zu finden und nach folgendem Schema auf rek Rogalski und Hans Grote einen Meisen- ca. je einer Textseite abgehandelt: Name, Lage kasten bauen oder einem verletzten Eichelhäher (Höhe), Schutzstatus des Gebietes; seine Be - das lahme Bein schienen. Sie nimmt gespensti- schreibung inkl. Habitat nebst wichtigen erfolg- sche Züge an, wenn Marek den Vorschlag ten Inventarisierungen; Avifauna (Artenzahl, macht, man könnte doch Ansichtskarten zeich- wenn bekannt) mit tabellarischer Liste der be - nen mit Grüßen aus dem Vogelparadies Au- drohten und bedeutenden Vogelarten; andere schwitz, wenn Grote beim Anblick eines Krä- Flora und Fauna (sehr wertvoll!); Schutzpro - henschwarms erklärt, die Krähen wären in bleme (ausführlich); Bibliografie zum IBA. Birkenau, weil man beginnt, die Erde zu planie- 94 Ornithol. Anz., 48, 2009 ren und Krähen bei solchen Arbeiten gern Figur des Hans Grote in Surminskis Novelle Zaungäste seien. Dann, wenn die rote Blume war. Die Lokalavifauna „Beobachtungen über Polens, der Mohn, auf Wällen von frisch aufge- die Vogelwelt von Auschwitz (Ost-Oberschle - schüttetem Sand blüht. Oder wenn die Lagerka - sien)“ er schien 1942 in den Annalen des Natur - pelle im Schatten der Krematorien zu Ehren der historischen Museums Wien, Bd. 52: 164–199. ankommenden Rauchschwalben „Dorfschwal- Ihr Studium empfiehlt sich, wenn man Sur - ben aus Österreich“ spielt. minskis Novelle betroffen weggelegt hat. Bevor Marek Rogalski und Hans Grote flüchten man aber ein Urteil fällt, sollte man sich an die sich in eine trügerische Idylle beim Beobachten Beantwortung von Eugeniusz Nowaks Frage: von Kranichen und Störchen, von Pirolen und „Was hätte ich getan, wenn ich damals oder Milanen. Sie denken an die Geliebte in Krakau dort gelebt hätte?“ machen. oder die Familie zu Hause in Deutschland. Robert Pfeifer Immer wieder blitzt aber das Ungeheuerliche durch die Scheinwelt. Immer dann, wenn noch Martens, J. & Y.-H. Sun, 2008. Atlas der Ver - mehr Züge in Auschwitz eintreffen, oder wenn breitung palaearktischer Vögel. 21. Lieferung. der Wind süßlich nach Flieder duftet, wenn er 14 Artbearbeitungen mit zahlreichen Verbrei- von Nordwesten kommt, obwohl die Fliederzeit tungskarten. Erwin-Stresemann-Gesellschaft längst vorbei ist. Und wenn die Nachricht zu für paläarktische Avifaunistik e. V., Berlin. ISBN ihnen durchdringt, dass bei den Versuchen mit 978-3-9807089-2-0. Bezug: Christ Media Natur, Medikamenten auf Phenol-Basis etwas schiefge - Postfach 110205, 32405 Minden, E-Mail: laufen sei und es zu einer übermäßigen Bean - [email protected] oder die Buchhandlung spruchung des Krematoriums kommt. Klingenthal, Markneukirchener Str. 3, 08248 Grote schwärmt indes von Stifter und Gang- Klingenthal, E-mail: info@buchhandlung-klin- hofer und die Kommandantur erlässt auf seine genthal.de. 3 Anregung den Sonderbefehl, dass das Töten Nach längerer Pause erschien nun eine neue von Vögeln in Auschwitz verboten ist. „Du Lieferung des von Erwin Stresemann und musst klein denken, nur an das Nächstliegende. Leonid A. Portenko begründeten Atlaswerkes. Wir präparieren einen Vogel, und danach rau- Sie umfasst folgende Arten: Waldbekassine chen wir eine Zigarette. Mehr geschieht nicht“, Gallinago megala, Löffelstrandläufer Calidris pyg- erklärt Grote als Methode, dem Wahnsinn zu meus, Fleckengimpel Carpodacus rodopeplus, entgehen. Marek unterdrückt immer wieder Burgundergimpel C. vinaceus, Edwardsgimpel den Gedanken, wie leicht es wäre, Grote zu C. edwardsii, Dünnschnabelgimpel C. nipalensis, ermorden, wenn dieser versunken durch sein Blanfordgimpel C. rubescens, Weißbrauengimpel Fernglas Vögel beobachtet, und er – Marek – frei C. thura, Einödgimpel C. synoicus, Berggimpel kommen könnte. Aber er tut es nicht. Unter C. rubicilla, Alpenkarmingimpel C. rubicilloides, anderen Umständen wären Marek Rogalski und Felsengimpel C. puniceus, Rosengimpel C. roseus Hans Grote vielleicht sogar Freunde geworden. und Bindengimpel C. trifasciatus. Mit der Beide überleben den Holocaust. Marek Rogalski Waldbekassine und dem Löffelstrandläufer sind wandert nach Amerika aus und trifft dort seine in der vorliegenden Lieferung zwei Limikolen- geliebte Elisa wieder. Hans Grote wird aus der arten enthalten, über die entweder nur sehr Haft vorzeitig entlassen und lebt „in der ange- wenig bekannt ist (Gallinago megala) oder deren nehmeren Hälfte des 20. Jahrhunderts“ am Brutgebiete zwar gut erforscht sind, aber seit Rhein und wurde eine Koryphäe der Ornitho - längerem einen erheblichen Bestandsrückgang logie. aufweisen (Calidris pygmeus). Mit der Bearbei- Arno Surminski hat ein großes Buch ge - tung der asiatischen Karmingimpel durch schrieben. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt J. Martens und S. Trautmann wurde eine große allerdings vor allem für Ornithologen: die Lücke geschlossen. Nach wie vor ist die Hand lung und die Figur des Hans Grote und Verbreitung und erst recht die Biologie dieser seines Helfers sind nicht frei erfunden. Wer Arten nur unzureichend bekannt. Daher wurde Eugeniusz Nowaks „Wissenschaftler in turbu- auf eine Umgrenzung des Verbreitungsgebietes lenten Zei ten“ (s. Besprechung in Ornithol. Anz. folgerichtig verzichtet und nur die dokumen- 44, 2005: S. 205) gelesen hat, weiß, dass ein nam- tierten Einzelfundorte angegeben. Die Karten hafter deutscher Ornithologe Vorbild für die spiegeln daher sehr genau den aktuellen Schriftenschau 95

Kenntnisstand wider. Noch weniger als die Muller, Y., 2008. Bibliographie d’Ornithologie Verbreitung ist die Biologie dieser Arten be - Française 1981–1990. 512 S., ISBN 978-2-916802- kannt. Von vielen wurde z. B. noch nie ein Nest 01-5. Service du Patrimoine Naturel (SPN- gefunden. MNHN) – Société d’Études Ornithologiques de Der relativ hohe Preis ist dem speziellen France (SEOF) – Ligue pour la Protection des Thema und der geringen Auflage geschuldet. Oiseaux (LPO). Bezug: Yves Muller, 32 rue des Wer sich für die genannten Arten interessiert, chalets, F-57230 Eguelshardt. 5 findet in der Lieferung viele Einzelheiten zu Die Fülle der ornithologischen Publikationen den behandelten Arten. Wer die Avifaunistik in steigt für viele Gebiete Mitteleuropas nahezu wenig erforschten Teilen der Palaearktis fördern exponentiell an (ob dies auch auf den damit ver- möchte, dem sei eine Mitgliedschaft in der bundenen Erkenntnisgewinn zutrifft, sei dahin- Erwin-Stresemann-Gesellschaft empfohlen. gestellt). Ein Überblick ist für Einzelne heute Robert Pfeifer jedenfalls kaum mehr zu leisten. Umso wichti- ger sind zusammenfassende Bibliografien, wie Kurzrezensionen sie Yves Muller nun für Frankreich allein für die Veröffentlichungen von 1981 bis 1990 auf 512 Heinicke, T. & U. Köppen, 2007. Vogelzug in Seiten darlegt. Über je einen Schlagwort- und Ostdeutschland I. Wasservögel, Teil 1. Ber. Artnamenindex wird die Bibliografie erschlos - Vogelwarte Hiddensee 18 (SH), Greifswald. 406 sen. In dieser Veröffentlichung steckt sicher viel S., zahlr. Tab. und Abb., ISSN 0232-9778. 4 Arbeit und Zeitaufwand. Dennoch muss sich Mit dem vorliegenden Band präsentiert die der Rezensent der kürzlich in einer anderen Vogelwarte Hiddensee die erste Folge einer ornithologischen Zeitschrift geäußerten Mei - geplanten Publikationsreihe, die die Ergebnisse nung anschließen: Ist ein solches Buch im Zeit - der Vogelberingung in Ostdeutschland von alter des Computers noch zeitgemäß? Für künf- 1964 bis 2005 präsentiert. Sie umfasst die tige Bibliografien sollte man über eine (übrigens Anseriformes, Lappen- und Seetaucher, den auch preiswertere) elektronische oder Online- Kormoran sowie die Reiher und Dommeln. Fassung nachdenken. Neben generellen Aspekten zur Markierung Robert Pfeifer von Wasservogelarten in Ostdeutschland wer- den die Arten nach folgendem Schema abge- handelt: Status und Auftreten in Ostdeutsch- land (mit Karten zur Brut- und Winterverbrei - tung), Ringfundmaterial, Zugverhalten und Jah reslebensraum von einheimischen Vögeln, Herkunft und Zugverhalten von Durchzugs- und Winterbeständen, Zuordnung zu Flyway- Populationen und schließlich Wissensdefizite und Forschungsbedarf. Ein englisches Sum- mary schließt das jeweilige Artkapitel ab. Die Artkapitel werden durch zahlreiche Karten ergänzt. Der Band ist eine hervorragende Über- sicht über den Stand der Wasservogelforschung in Ostdeutschland und als solche auch weit da- rüber hinaus zu von Bedeutung. Robert Pfeifer

1) £ 30,–; 2) € 17,90; 3) € 39,80; 4) Kein Preis angegeben; 5) € 39,– . 96 Ornithol. Anz., 48, 2009

Nachrichten

Station Randecker Maar – kunft in der Station). Finanzielle Zuschüsse sind Vogelzug/Insektenwanderungen nach Absprache bei der Anmeldung möglich. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesucht Von Juli bis Oktober bestehen für ein bis zwei entomologisch Interessierte auch Möglich - Sind Sie daran interessiert, wandernde Vögel keiten zur Erarbeitung von Diplom- oder Zulas - und Insekten systematisch zu erfassen und sungs ar beiten an ziehenden Wanderinsekten, dabei Ihre feldornithologischen oder entomolo- wie Schwebfliegen, Hymenopteren, Käfern usw. gischen Kenntnisse um eine interessante Kom - Weitere Informationen unter www.rand - ponente zu erweitern? Zum Beispiel um die Fä - ecker-maar.de higkeit, kleinste Vögel auf riesige Entfernungen Bewerbungen unter Angabe des gewünsch- nach Truppform und Flügelschlagfrequenz zu ten Zeitraums und der persönlichen Kenntnisse bestimmen oder ziehende Schmetterlinge auf sowie des Alters möglichst rasch an: Distanz am Flugbild zu erkennen, auch ohne Dr. h.c. Wulf Gatter, Buchsstr. 20, D-73252 ihre Farben zu sehen, dann sollten Sie einmal Lenningen am Randecker Maar mitarbeiten. Tel. 07026/2104, Fax 07026-370135, E-Mail: Auch 2009 werden wieder ornithologisch [email protected] und entomologisch interessierte Personen für die Planbeobachtungen des sichtbaren Tagzugs von Vögeln und Insekten an dieser Station am 2. Bayerische Ornithologentage 2010 nördlichen Steilabfall der Schwäbischen Alb – Vorankündigung – (bei Kirchheim/Teck) gesucht. Für die Stationsleitung und die Stellvertre - Die 2. Bayerischen Ornithologentage werden tung sind von 25. August bis 6. November 2009 vom 5.–7. Februar 2010 auf Einladung der (unterteilbar in längere Zeitabschnitte) bezahlte Arbeitsgemeinschaft schwäbisches Donaumoos Stellen zu vergeben. Voraussetzung sind sehr e.V. in Leipheim stattfinden. Das Vortragspro - gute feldornithologische Kenntnisse, organisa- gramm wird bis Jahresende im Internet verfüg- torische Fähigkeiten und selbstständiges Arbei - bar sein (www.og-bayern.de). Mitglieder der ten. OG erhalten es automatisch zugesandt. Auch weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterin- nen sind willkommen (freie, einfachste Unter - Ulrich Mäck & Robert Pfeifer