Deutscher Drucksache 19/26962

19. Wahlperiode 24.02.2021

Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Agnieszka Brugger, (Augsburg), , weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/24381 –

Koloniales Unrecht anerkennen, aufarbeiten und der eigenen Verantwortung international gerecht werden

A. Problem Die antragstellende Fraktion vertritt die Auffassung, der deutsche Kolonialismus und die damit verbundenen Verbrechen seien bis heute nicht umfassend anerkannt und aufgearbeitet. Entsprechend gäbe es nach wie vor keine angemessene Würdi- gung der Opfer. Deutschland müsse endlich alle begangenen Kolonialverbrechen und das geschehene Unrecht anerkennen, seiner Verantwortung gerecht werden und sich offiziell entschuldigen. Das Unrecht des Kolonialismus müsse Teil der deutschen Erinnerungskultur werden und in einem öffentlichen und umfassenden Prozess zusammen mit der Zivilgesellschaft aufgearbeitet werden. Deren Bemü- hungen in vielfältigen Initiativen zur Aufarbeitung des Kolonialismus müssten unterstützt und in die offiziellen Aktivitäten einbezogen werden. Richtig sei es, dass etwa die Rückgabe von entwendeten Kulturgütern diskutiert werde und in Deutschland befindliche menschliche Gebeine (human remains) aus kolonialen Kontexten in einem würdigen Rahmen zurückgeführt würden. Über koloniale Denkmäler, die oft symbolisch für den Kolonialismus und für Kolonialverbrechen stünden, müssten zuständige staatliche Stellen mit der Zivilgesellschaft diskutie- ren. Je nach Ergebnis müssten Denkmäler eingeordnet, umgewidmet oder im Zweifel auch entfernt werden. Die antragstellende Fraktion schlägt eine Reihe von Maßnahmen zur Aufarbei- tung des Kolonialismus vor. Dazu soll der Bundestag die Bundesregierung unter anderem auffordern, – die mit den im Zuge der deutschen Kolonialherrschaft begangenen Verbre- chen verbundene Schuld anzuerkennen und für diese Verantwortung zu übernehmen; Drucksache 19/26962 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

– offiziell für das koloniale Unrecht und die Kolonialverbrechen in Afrika, Asien und Ozeanien um Entschuldigung zu bitten und weitere Versöhnungs- prozesse zu ermöglichen; – den Völkermord an den Ovaherero und Nama offiziell als Völkermord an- zuerkennen; – die Verantwortung für die Massaker und Hungertoten des Maji-Maji-Krie- ges von 1905 bis 1907 in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, der heutigen Republik Tansania, zu übernehmen; – den deutschen Kolonialismus als Unrechtsherrschaft gemäß Artikel 14 der von der Bundesregierung unterzeichneten Erklärung der VN-Weltkonferenz gegen Rassismus von Durban 2001 anzuerkennen; – anzuerkennen, dass es sich bei der Aufarbeitung kolonialen Unrechts um ei- nen gesamtgesellschaftlichen Prozess handelt, an dem alle gesellschaftlichen Gruppen auch in den von Kolonialismus betroffenen Ländern beteiligt wer- den müssen; – anzuerkennen, dass postkoloniale Strukturen in den Außen-, Wirtschafts-, Handel- und entwicklungspolitischen Beziehungen Deutschlands mit Part- nerstaaten des Globalen Südens vorherrschen und damit verantwortlich um- zugehen; – das im Koalitionsvertrag von 2018 erstmals erwähnte Ziel, das koloniale Erbe aufzuarbeiten, engagiert und ehrgeizig in allen politischen Bereichen umzusetzen; – auch gemeinsam mit den anderen früheren europäischen Kolonialmächten die Aufarbeitung des europäischen Kolonialismus anzugehen, bisherige Er- fahrungen auszutauschen und gemeinsame Initiativen zu entwickeln; – sich auf VN-Ebene für einen regelmäßigen Austausch zwischen ehemaligen Kolonialmächten und den von Kolonialismus betroffenen Ländern einzuset- zen.

B. Lösung Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP.

C. Alternativen Keine.

D. Kosten Keine. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/26962

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen, den Antrag auf Drucksache 19/24381 abzulehnen.

Berlin, den 24. Februar 2021

Der Auswärtige Ausschuss

Dr. Norbert Röttgen Vorsitzender

Jürgen Hardt Dr. Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

Ulrich Lechte Berichterstatter Berichterstatterin Berichterstatter Drucksache 19/26962 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Jürgen Hardt, Dr. Nils Schmid, Petr Bystron, , Kathrin Vogler und Omid Nouripour

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 19/24381 in seiner 192. Sitzung am 19. November 2020 beraten und zur federführenden Beratung dem Auswärtigen Ausschuss und zur Mitberatung dem Ausschuss für Inneres und Heimat, dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, dem Ausschuss für wirtschaft- liche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die antragstellende Fraktion vertritt die Auffassung, der deutsche Kolonialismus und die damit verbundenen Ver- brechen seien bis heute nicht umfassend anerkannt und aufgearbeitet. Entsprechend gäbe es nach wie vor keine angemessene Würdigung der Opfer. Deutschland müsse endlich alle begangenen Kolonialverbrechen und das geschehene Unrecht anerkennen, seiner Verantwortung gerecht werden und sich offiziell entschuldigen. Das Un- recht des Kolonialismus müsse Teil der deutschen Erinnerungskultur werden und in einem öffentlichen und um- fassenden Prozess zusammen mit der Zivilgesellschaft aufgearbeitet werden. Deren Bemühungen in vielfältigen Initiativen zur Aufarbeitung des Kolonialismus müssten unterstützt und in die offiziellen Aktivitäten einbezogen werden. Richtig sei es, dass etwa die Rückgabe von entwendeten Kulturgütern diskutiert werde und in Deutsch- land befindliche menschliche Gebeine (human remains) aus kolonialen Kontexten in einem würdigen Rahmen zurückgeführt würden. Über koloniale Denkmäler, die oft symbolisch für den Kolonialismus und Kolonialver- brechen stünden, müssten zuständige staatliche Stellen mit der Zivilgesellschaft diskutieren. Je nach Ergebnis müssten Denkmäler eingeordnet, umgewidmet oder im Zweifel auch entfernt werden. Die antragstellende Fraktion schlägt eine Reihe von Maßnahmen zur Aufarbeitung des Kolonialismus vor. Dazu soll der Bundestag die Bundesregierung unter anderem auffordern, – die mit den im Zuge der deutschen Kolonialherrschaft begangenen Verbrechen verbundene Schuld anzuer- kennen und für diese Verantwortung zu übernehmen; – offiziell für das koloniale Unrecht und die Kolonialverbrechen in Afrika, Asien und Ozeanien um Entschul- digung zu bitten und weitere Versöhnungsprozesse zu ermöglichen; – den Völkermord an den Ovaherero und Nama offiziell als Völkermord anzuerkennen; – die Verantwortung für die Massaker und Hungertoten des Maji-Maji-Krieges von 1905 bis 1907 in der ehe- maligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, der heutigen Republik Tansania, zu übernehmen; – den deutschen Kolonialismus als Unrechtsherrschaft gemäß Artikel 14 der von der Bundesregierung unter- zeichneten Erklärung der VN-Weltkonferenz gegen Rassismus von Durban 2001 anzuerkennen; – anzuerkennen, dass es sich bei der Aufarbeitung kolonialen Unrechts um einen gesamtgesellschaftlichen Prozess handelt, an dem alle gesellschaftlichen Gruppen auch in den von Kolonialismus betroffenen Ländern beteiligt werden müssen; – anzuerkennen, dass postkoloniale Strukturen in den Außen-, Wirtschafts-, Handel- und entwicklungspoliti- schen Beziehungen Deutschlands mit Partnerstaaten des Globalen Südens vorherrschen und damit verant- wortlich umzugehen; – das im Koalitionsvertrag von 2018 erstmals erwähnte Ziel, das koloniale Erbe aufzuarbeiten, engagiert und ehrgeizig in allen politischen Bereichen umzusetzen; Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/26962

– auch gemeinsam mit den anderen früheren europäischen Kolonialmächten die Aufarbeitung des europäi- schen Kolonialismus anzugehen, bisherige Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Initiativen zu ent- wickeln; – sich auf VN-Ebene für einen regelmäßigen Austausch zwischen ehemaligen Kolonialmächten und den von Kolonialismus betroffenen Ländern einzusetzen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Inneres und Heimat hat die Vorlage auf Drucksache 19/24381 in seiner 123. Sitzung am 24. Februar 2021 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP die Ablehnung. Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat die Vorlage auf Drucksache 19/24381 in seiner 72. Sitzung am 24. Februar 2021 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP die Ablehnung. Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Vorlage auf Drucksache 19/24381 in seiner 71. Sitzung am 24. Februar 2021 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP die Ablehnung. Der Ausschuss für Kultur und Medien hat die Vorlage auf Drucksache 19/24381 in seiner 65. Sitzung am 24. Februar 2021 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP die Ablehnung.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Auswärtige Ausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 19/24381 in seiner 74. Sitzung am 24. Februar 2021 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP die Ab- lehnung.

Berlin, den 24. Februar 2021

Jürgen Hardt Dr. Nils Schmid Petr Bystron Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatter

Ulrich Lechte Kathrin Vogler Omid Nouripour Berichterstatter Berichterstatterin Berichterstatter

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