Zur Frühgeschichte und zur Gründung des Avantgarde-Festivals das musikprotokoll des ORF im steirischen herbst

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz

eingereicht von Mag. phil. Maria Erdinger am Institut für Musikwissenschaft

Erstbegutachter: Univ. Prof. Dr. phil. Peter Revers Zweitbegutachterin: Privat. Doz. Dr. phil. Susanne Kogler

2017

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort S. 5

2. Soziologische und kulturelle Strukturen und Strömungen der 60er S. 5 Jahre

3. Die soziokulturelle Situation der Stadt Graz in den 60er Jahren S. 12 3.1. Literatur S. 12 3.2. Musik, Theater und Oper S. 15 3.3. Malerei und Bildende Kunst S. 23 3.4. Architektur S. 24 3.5. Café forum stadtpark S. 26 3.6. Künstlerhaus S. 28

4. Festspiele neuer Musik international S. 29

5. Personen als Wegbereiter des musikprotokolls S. 41

5.1. Organisation und Administration S. 42 5.1.1. Hanns Koren S. 42 5.1.2. Josef Krainer S. 45 5.1.3. Hans Dattinger S. 45 5.1.4. Armgard Schiffer-Ekhart S. 46 5.1.5. Paul Kaufmann S. 46 5.1.6. Harald Kaufmann S. 47 5.1.7. Karl Hans Haysen S. 48 5.1.8. Wolfgang Arnold S. 50 5.1.9. Alfred Holzinger S. 50 5.1.10. Günter Waldorf S. 51

5.2. Kunstschaffende S. 51 5.2.1. Emil Breisach S. 52 5.2.2. Peter Vujica S. 53 5.2.3. Ernst Ludwig Uray S. 53 5.2.4. Dieter Glawischnig S. 54 5.2.5. Karl Ernst Hoffmann S. 54 5.2.6. Erich Marckhl S. 55 5.2.7. Rupert Doppelbauer S. 56 5.2.8. Friedrich Körner S. 57 5.2.9. S. 57 5.2.10. Wolfgang Schaukal S. 58 5.2.11. Reinhold Schubert S. 58

6. Institutionen und spezifische kulturelle Veranstaltungen als S. 60 VorläuferInnen des musikprotokolls 6.1. Die Grazer Sommerspiele S. 61 6.2. Die Steirische Sommerakademie S. 63 6.3. Trigon S. 64 6.4. Die Internationalen Malerwochen S. 66 6.5. Das Studio für zeitlich nahe Musik S. 68 6.6. Das collegium musicum instrumentale S. 69 6.7. Das Forum Stadtpark S. 70

7. Der „Innerösterreichische Gedanke“ S. 77

8. Die Beziehungen der Stadt Graz zu den Nachbarländern im Jahr 1968 S. 81

9. Der steirische herbst S. 84 9.1. Politische Stimmen rund um die Entstehung des steirischen herbstes S. 85 9.2.Vorankündigungen - Printmedien S. 86 9.3. Die Gründung S. 99 9.4. Der steirische herbst ´67 S. 102

3 9.5. Der steirische herbst 1968 S. 103 9.6. Titelgebung S. 107 9.7. Profil und Programmkonzeption S. 111 9.8.Nationalität und Internationalität S. 114 9.9. Externe Standorte S. 116 9.10. Rechtliche Grundlagen. Das Gründungskomiteè (1968-1969) S. 116 9.11. Verein der Freunde des Steirischen Herbstes S. 120

10. Das erste musikprotokoll S. 122 10.1. Charakter und Intention S. 127 10.2. Die wissenschaftlichen Veranstaltungen zum musikprotokoll 1968 S. 130 10.3. Medienberichte über die Eröffnungsveranstaltung des steirischen S. 137 herbstes und des musikprotokolls 1968 10.4. Die wissenschaftlichen Veranstaltungen zum musikprotokoll 1969 S. 139 10.5. Die musikalisch-wissenschaftlichen Veranstaltungen im Jahr 1971 S. 140

11. Das musikprotokoll außerhalb von Graz S. 141

12. Die Veranstaltungen des musikprotokolls im Jahre 1968 – S. 146 Programme, Programminformationen: und mediale Reaktionen

13. Ausblicke auf das musikprotokoll / den steirischen herbst im Jahr 1969 S. 259

14. Das musikprotokoll als identitätsbildender Faktor für die Stadt Graz S. 260

15. Die Rolle des Rundfunks in der Vermittlung neuer Musik S. 274

16. Literaturverzeichnis S. 279

4 1. Vorwort

Das steirische musikprotokoll des ORF ist ein Avantgardefestival. Es ist dem Festival steirischer herbst eingegliedert und wurde gleichzeitig mit dessen Gründung im Jahre 1968 in der steirischen Landeshauptstadt Graz aus der Taufe gehoben. Das musikprotokoll bekleidet die musikalische Sparte, das konzertante wie das musiktheatralische Genre, im Rahmen des kulturell vielschichtig präsentierten steirischen herbstes. Seit seiner Gründung erfreut sich das musikprotokoll internationaler Anerkennung und weitreichender regionaler Auswirkungen auf das soziokulturelle Umfeld der Festivalstadt Graz. Die vorliegende Arbeit wird die Ausgangsposition des Gründungszeitraumes beleuchten, im Besonderen die soziokulturelle Situation der Stadt Graz, die für die Gründung des Festivals wichtigsten Persönlichkeiten und die kulturellen VorläuferInnen der Veranstaltung. Da das musikprotokoll Teil des steirischen herbstes ist, kann eine vollständige Trennung der Historie im Vorfeld der Gründung kaum vollzogen werden. Auch in Hinblick auf die sich gegenseitig inspirierenden und befruchtenden Kultursparten soll einer breiten Darstellung der Künste Raum gegeben werden. Die erste Konzertreihe des musikprotokolls im Jahr 1968 wird analysiert. Weiters findet eine Charakterisierung des musikprotokolls und seiner Bedeutung für die Stadt Graz statt, und es werden die kulturellen Auswirkungen in regionaler Hinsicht betrachtet.

2. Soziologische und kulturelle Strukturen und Strömungen der 60er Jahre

Die Tatsache, dass der steirische herbst im „Revolutionsjahr“ 1968 gegründet worden ist, darf zu einigen Interpretationen Anlass geben. Diesen sei ein Zitat von Detlev Clausen vorangestellt: „’68’ ist ein Assoziationszeitraum gesellschaftlicher Zuschreibungen und auktorialer Selbstdeutungen, eine beispiellos florierende Begegnungsstätte, in der die Aussagen der Akteure und die Entgegnungen ihrer Kritiker, die Wahrnehmungen der Zeitgenossen und die Beobachtungen der Nachgeborenen aufeinander treffen. ‚68’ ist das Ergebnis von Interpretation und Imagination im weltweiten ‚Schein der Gleichzeitigkeit.’“1

Die 60er Jahre, und besonders das Jahr 1968, sind für Revolutionen unterschiedlicher Inhalte wie politischer Aktivismus, gesellschaftliches Statement, kulturpolitische und generationenbedingte Protestbewegungen, insbesondere auch die Rebellionen an den Hochschulen, bekannt. Diese Bewegungen erstreckten sich über Landesgrenzen hinweg, sie schienen sich in einen globalen Tatendrang zu ergießen, die eine veränderte Wahrnehmung der eigenen Identität und des damit einhergehenden Vertrauens in die Veränderbarkeit der Welt zum Besseren beinhaltet.2 Der gesellschaftliche Umbruch von autoritären zu demokratischen Gefügen bewirkte in der Kunst eine Auflösung der Grenzen zwischen Hoch- und Populärkultur. Die Aufwertung von populärer Kunst ging Hand in Hand mit deren wissenschaftlicher Analyse und der postmodernen Theorie von Kunst als intellektueller Manifestation.3

International sind die künstlerischen Aktionen in der Avantgarde unterschiedlich ausgeprägt. Deutschland hat nach dem Zweiten Weltkrieg länger als Österreich gebraucht, um die rechtsradikale Instrumentalisierung der Musik aufzuarbeiten. Auch stand den Deutschen eine historisch-patriarchalische, politische Kultur entgegen, die noch immer nach der Vaterfigur suchte und deren konservative Bildungsschicht diese Affinität zum Oberhaupt und zu dessen notwendiger Familienstruktur besser wiedergab. Amerika profitierte im Gegenzug vom nationalsozialistischen Credo und deren massiver kulturpolitischer Restriktionen. Die Jahre von 1940-45 bildeten den Höhepunkt der Emigration von Künstlerinnen und Künstlern in die USA.4 Schon ab 1920 (wie etwa Arnold Schönberg) wanderten Musikerinnen und Musiker, insbesonders jene, die den nationalsozialistischen Ideen

1 Detlev Claussen: Chiffre 68. In: Dietrich Harth, Jan Assmann (Hgg.): Revolution und Mythos. Frankfurt am Main 1992. S. 219. 2 Norbert Frei: 1968. Jugendrevolte und globaler Protest. Frankfurt am Main (Deutscher Taschenbuchverlag) 2008, S. 209 ff. 3 Werner Jauk: wissenschaft. In: Rigler, Christine (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2002, S. 142. 4 Lutz Hieber, Stephan Moebius: Grundriss einer Theorie des künstlerischen Aktivismus von Dada bis zur Postmoderne. In: Lutz Hieber und Stephan Moebius (Hgg.): Avantgarden und Politik. Künstlerischer Aktivismus von Dada bis zur Postmoderne. Bielefeld (Transcript) 2009. S.14ff.

6 zuwiderhandelten, von Österreich und Deutschland aus. Ab 1933 war es dann eine Emigrationsbewegung, zuallererst der Jüdinnen und Juden und der KünstlerInnen, deren Werke die Nationalsozialisten als „entartet“ eingestuft hatten. Es folgten KomponistInnen und InterpretInnen, die einen kulturpolitisch weltoffenen Musikstil pflegten oder in anderer Weise nicht in das Schema der politischen Ideologien passten und die aufgrund der nationalsozialistischen Repressalien die Flucht ergriffen.5 Hier sei auch der Weimarer Kulturkreis angeführt, der nach Ende des Ersten Weltkriegs für avantgardistische Strömungen, die teilweise amerikanische Ursprünge aufwiesen (insbesondere im Film und in der aus Amerika kommenden Massenkulturveranstaltungen) bekannt war. In Amerika konnten die KünstlerInnen (wie etwa die Komponisten Erich Wolfgang Korngold, Kurt Weill, oder die Dirigenten Erich Leinsdorf, Otto Klemperer, Bruno Walter) ohne politische Restriktionen fürchten zu müssen, arbeiten und sich entwickeln und prägten somit auch das Kulturleben Amerikas.6

Fünfzehn Jahre nach Ende des Krieges war die internationale kommunikative Vernetzung bereits wieder gegeben, mit Ausnahme des Ostblocks.

Die beiden Avantgardefestivals Warschauer Herbst (Gründung: 1956) und das Internationale Musikfestival Prager Frühling (Gründung: 1946, Patron war der damalige tschechische Staatspräsident Edvard Benes) konnten sich ihre künstlerische Freiheit trotz wieder totalitärer gewordener politischer Strukturen bewahren und trugen wesentlich dazu bei, die Kommunikation mit dem Osten in künstlerischer Richtung zu verbessern. Wie bedeutsam diese Aussage der künstlerischen Freiheit soziopolitisch in der Tschechoslowakei fundiert war, ist durch die Verwendung des Festivalnamens für das politische Programm belegt: Im Jahr 1968 wurde die Bezeichnung „Prager Frühling“ für eine politische Reformbewegung der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei verwendet. Die demokratischen, mit humanistischem

5 Albert Dümling: Entartete Musik. Eine kommentierte Rekonstruktion zur Düsseldorfer Ausstellung von 1938. Zusammengestellt von Albrecht Dümling, Berlin. http://www.duemling.de/entartete-musik/ vom 04.03.2017. 6 Claus-Dieter Krohn: Emigration 1933-1945/1950. http://ieg-ego.eu/de/threads/europa- unterwegs/politische-migration/claus-dieter-krohn-emigration-1933-1945-1950 vom 04.03.2017.

7 Gedankengut durchsetzten Ideen einer neuen Gesellschaftstruktur führten dazu, dass sich die Warschauer Pakt-Staaten genötigt fühlten, die sowjetische Lesart des sozialistischen Modells zu schützen, indem sie in die Tschechoslowakei einmarschierten und das Land besetzten.7

Die KünstlerInnen, respektive die KomponistInnen, waren trotzdem global betrachtet wieder ambitioniert Reisen zu unternehmen, um damit den gegenseitigen Austausch zu fördern.8 Es war deshalb eine vielversprechende Idee ein Avantgardefestival in Graz zu gründen, das sich über die Grenzen hinaus bewegen und insbesonders die Nachbarländer Österreichs und den südosteuropäischen Raum miteinbeziehen sollte.

Auch auf internationalem Parkett ist diese Strömung des kulturellen Austausches zu bemerken. So wurden in den späten 1960er Jahren eine Reihe von Avantgardefestivals gegründet, neben den schon besprochenen in Warschau und Prag gab es Neugründungen unter anderem auch in Royan (Festival international d’art Royan, gegründet 1963 von Bernard Gachet)9, Metz (Recontres internationales de musique contemporaine de Metz, gegründet 1972 von Claude Lefebrve)10, Witten (Wittener Tage für neue Kammermusik, gegründet 1969 von der Stadt Witten zusammen mit dem Westdeutschen Rundfunk, Festivalleiter Wilfried Brennecke)11, Saarbrücken (Musik im 20. Jahrhundert, gegründet von Christof Bitter und Hans Zender 1970; heute: Mouvement. Festival für Neue Musik)12, Bremen (Pro musica nova, gegründet 1958 von der ARD-Anstalt Radio Bremen unter Hans Otte - Hauptabteilungsleiter Musik)13.

Eine kulturelle Identifikation allerdings, die von den neuen Festivals ausgehen soll, wird von Koch bestritten, da sie hauptsächlich auf den Nutzen von Wirtschaft,

7 http://www.geschichte-lexikon.de/warschauer-pakt.php vom 07.04.2015. Siehe auch: http://www.aurora-magazin.at/wissenschaft/kleber.htm vom 07.04.2015. 8 Hans Vogt: Neue Musik seit 1945. Stuttgart (Philip Reclam jun.)1972, 1982, S. 42-58. 9 Claude Samuel: Royan Festival. https://grovemusic.github.io/Entries/S24017.htm vom 19.4.2017. 10 http://www.larousse.fr/encyclopedie/musdico/Metz/169117 vom 19.4.2017. 11 http://www.kulturwest.de/musik/detailseite/artikel/wittendrin/ vom 19.4.2017. 12 http://wirtschaft.saarland.de/SID-88D2CDF3-88964A23/40856.htm vom 19.4.2017. 13 http://www.radiobremen.de/mediathek/video82556-popup.html vom 19.4.2017.

8 Politik, Tourismus ausgerichtet seien.14 Inwieweit das Festival der steirische herbst ursprünglich dazu zählt, ist heute schwer nachzuvollziehen. Die ökonomisch- politische Ausrichtung über 40 Jahre nach dessen Gründung kann zumindest in gewisser Weise durch die Tatsache bewiesen werden, dass im Jahr 2013 eine Petition gestartet wurde, um einer befürchteten Auflösung des Festivals aufgrund von Einsparungsmaßnahmen entgegenzutreten.

Die Idee, Bestrebungen zum internationalen Austausch auf kulturellem Gebiet zu forcieren, ist hinlänglich dokumentiert. Rexroth definiert die musikalische Sparte der Avantgarde als „Anwältin des Internationalismus“15. Dies galt vorerst jedoch nur für den „Westen“. Die Länder des Ostens zogen erst später nach, für die dort lebenden und arbeitenden KomponistInnen war bis in die 1960er Jahre noch das nationale Element in ihren Werken prägend und von der Regierung so erwünscht.16 Für das musikprotokoll gilt dieser Internationalismusgedanke zumindest in eingeschränkter Form. Dies bezeugen einerseits die Ostöffnung und andererseits die Einbindung „alter“ innerösterreichischer Landgebiete.

Die Definition der musikalischen Avantgarde von Bürger, der zufolge der Wertekanon beinahe gänzlich aus der Gesellschaft verschwunden sei und nur mehr in der Kunst präsentiert und tradiert werde17, ist auf den ersten Blick sehr kategorisch. Seine Erklärung erhellt sich, indem er befindet, dass durch diese Abspaltung die Gesellschaft von Neuerungsmaßnahmen befreit werde, indem sie diese an die Kunst abgebe. Die Kunst wiederum distanziere sich dadurch von den sozialen Strukturen, wodurch ein wahrhaftiger Blick auf die Realität möglich

14 Gerhard R. Koch: Quantität statt Qualität: Expansion führt zur Implosion. Festivals gehören zum Kulturbetrieb, dienen aber nicht immer der Kunst. In: Österreichische Musikzeitschrift. Herausgegeben von Daniel Brandenburg und Frieder Reininghaus. Jg 66/2011, Heft 4: Musikfestivals – neue Ufer(losigkeit). Wien, Köln, Weimar (Böhlau) S. 6ff. 15 Dieter Rexroth (Hg.): Zum Aspekt des Nationalen in der Neuen Musik. Frankfurter Studien Band III. Zwischen den Grenzen. Veröffentlichungen des Paul-Hindemith-Instituts Frankfurt am Main. Mainz (B.S Schott’s Söhne) 1979. Vorwort S. 8. 16 Detlef Gojowy: Nationale Komponierhaltungen in den Ländern des europäischen Ostens. In: Dieter Rexroth (Hg.): Zum Aspekt des Nationalen in der Neuen Musik. Frankfurter Studien Band III. Zwischen den Grenzen. Veröffentlichungen des Paul-Hindemith-Instituts Frankfurt am Main. Mainz (B. Schott’s Söhne) 1979, S. 107. 17 Peter Bürger: Theorie der Avantgarde. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1974, S. 68.

9 werde.18 Eine sehr vorsichtige Interpretation dieses Gedankens ist wohl in jedem Avantgardefestival zu finden. Das musikprotokoll wurde von politischer Seite sehr gefördert, hauptsächlich von Hans Koren. Da dieser politisch betrachtet, vorwiegend kulturell höchst aktiv war, und in Hinblick dessen, kulturpolitische Förderung seine Hauptprämisse war, kann die Frage, ob diese Förderung die Vermeidung von anderweitigen Erneuerungsmaßnahmen verschleiern sollte, im Nachhinein nicht beantwortet werden.

Bis ins 19. Jahrhundert und teilweise noch im 20. Jahrhundert war die geographische Positionierung für die KomponistInnen in Hinblick auf stilistische Zuordnung von Bedeutung. Dies hat sich nun in den politisch freien Ländern geändert: in der avantgardistischen Musik sei die nationale Zugehörigkeit nicht prioritär, sondern vielmehr die soziale Platzierung für Produktion und Präsentation des künstlerischen Werkes von Wichtigkeit.19 Das ist einerseits eine Reaktion auf die Verwendung „nationaler“ Musik bis Mitte des 20. Jahrhunderts, etwa durch die politische Instrumentalisierung von Volksmusik und Kompositionen „arischer“ Komponisten durch das Nazi-Regime. Andererseits soll die Musik neben den politischen Assoziationen auch innermusikalische Parameter definieren. Die Nationalität weicht der Internationalität. Dies ist durch verschiedene Faktoren zu bemerken: Die Verwendung folkloristisch musikalischer Stilmittel aus anderen als österreichischen oder deutschen Kulturen war wieder erlaubt, die Beeinflussung durch national unterschiedlich auftretende Kompositionsstile fand in stärkerem Ausmaß statt, da einerseits die Freiheit der kompositorischen Schaffensweise wieder neu entdeckt und ausgekostet wurde und andererseits kann es auch als Gegenreaktion wider die Ideologie und die Repressalien des Nazi-Regimes interpretiert werden – in soziologischer Hinsicht – der kulturellen Grenzöffnung ebenso wie in musiktheoretischer Hinsicht – der Begriff „entartete Musik“ galt nicht mehr.

18 Peter Bürger: Theorie der Avantgarde. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1974, S. 68. 19 Dieter Rexroth (Hg.): Zum Aspekt des Nationalen in der Neuen Musik. Frankfurter Studien Band III. Zwischen den Grenzen. Veröffentlichungen des Paul-Hindemith-Instituts Frankfurt am Main. Mainz (B. Schott’s Söhne) 1979. Vorwort S. 8f.

10 Der soziale Raum, den der Komponist, die Komponistin nun erobern muss, wird durch ein Avantgardefestival in gewissem Maße bereitgestellt. Die Internationalität ist zusätzlich gegeben, indem KünstlerInnen internationaler geographischer Herkunft eingeladen werden. Wobei neben den verbesserten Reisebedingungen die Modernisierung des Rundfunkwesens positiv dazu beiträgt. Beim musikprotokoll wird, wie noch zu sehen sein wird, der Nationalität und Internationalität gleichermaßen Raum gegeben.

Der steirische herbst sei „eine Verwirklichung des Föderalismus und soll gleichzeitig eine Überwindung des Provinzialismus darstellen.“20 [So ist in den Fremdenverkehrsnachrichten zu lesen.] Diese behaupten weiters, dass die Veranstaltungsreihe „kein Politikum“21 sei. Dass eine Trennung hier jedoch absurd erscheint, ist offensichtlich: au contraire kann durchaus von einer Instrumentalisierung der Kunst gesprochen werden. Im Kapitel der Positionierung des Festivals wird darauf noch näher eingegangen.

In einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs, gleichzeitig mit einer Besinnung auf Kunst und Kultur als Spiegel soziopolitischer Missstände, ist die Gründung eines Avantgardefestivals geradezu naheliegend. Oder handelt es sich eher um eine Beschwichtigungsstrategie, um von fehlenden politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen abzulenken und die BewohnerInnen von ihrer Aufgabe der sozialen Verantwortung abzuschirmen, wie Hieber und Moebius behaupten22. Dies scheint aber in den 1960er Jahren nicht mehr zu greifen, wenn der Begriff „Kunst“ nun nicht mehr auf „Hochkultur“ beschränkt ist: wobei das Avantgardefestival „musikprotokoll“ auch von Jazz und von Populärkultur berührt wird.

20 Fremdenverkehrsnachrichten September 1968. Kopie aus dem Archiv des steirischen herbstes, Graz. 21 Fremdenverkehrsnachrichten September 1968. Kopie aus dem Archiv des steirischen herbstes, Graz. 22 Lutz Hieber, Stephan Moebius: Grundriss einer Theorie des künstlerischen Aktivismus von Dada bis zur Postmoderne. In: Lutz Hieber und Stephan Moebius (Hgg.): Avantgarden und Politik. Künstlerischer Aktivismus von Dada bis zur Postmoderne. Bielefeld (Transcript) 2009. S. 7.

11 3. Die soziokulturelle Situation der Stadt Graz in den 60er Jahren

Die Relevanz des zeitgenössischen Schaffens in den unterschiedlichen Kultursparten wird hier eingehend betrachtet. Da auch der steirische herbst ein Mehrspartenfestival ist, bietet diese Analyse bedeutende Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Festivals. Wieder besteht die Notwendigkeit, den musikalischen Part nicht gesondert, sondern eingebettet in das ganze Festival zu betrachten. Die Sicht der musikalischen Repräsentation der Zeit ergibt, dass das musikprotokoll als separates Festival vermutlich bereits in der Entstehung große Schwierigkeiten gehabt hätte. Deshalb wird im folgenden auf die nationalen und internationalen Bestrebungen auf dem Gebiet zeitgenössischer Kunst in Graz in Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des steirischen herbstes näher eingegangen. Auch wird die Analyse zeigen, dass insbesonders im Graz der 1960er Jahre ein enges und fruchtbares Zusammenwirken zwischen den verschiedenen Genres üblich war. Die Entstehung des steirischen herbstes als Mehrspartenfestival scheint zwingend aus der Historie hervorgegangen zu sein.

3.1. Literatur

Graz galt um 1900 als „Provinzstadt“ oder „Pensionopolis“23 und hatte zu dieser Zeit 140.000 Einwohner. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es weitreichende Bemühungen, der nunmehr zweitgrößten Stadt Österreichs einen modernen und juvenilen Nimbus aufzuprägen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die literarische Sparte gelegt.24 Eine plausible Begründung dafür findet sich bei Waltraut Schwarz, die bemerkt, dass es in der österreichischen Literaturszene „im Gegensatz zur deutschen – keine ‚Stunde Null’ und keinen ‚Kahlschlag’“25 gegeben

23 Rudolf Flotzinger: Vorwort. In: Werner Jauk: Die Musik und ihr Publikum im Graz der 80er Jahre. In: Grazer Musikwissenschaftliche Arbeiten. Herausgegeben vom Institut für Musikwissenschaft der Universität Graz unter Leitung von Rudolf Flotzinger. Band 8. Graz (Akademische Druck-und Verlagsanstalt) 1988, S. 5. 24 Rudolf Flotzinger: Vorwort. Ebda. S. 5. 25 Waltraut Schwarz: Die österreichische Literatur der letzten 50 Jahre. In: Herbert Zeman (Hg.): Die österreichische Literatur. Eine Dokumentation ihrer literarhistorischen Entwicklung. In Zusammenarbeit mit dem Institut für österreichische Kulturgeschichte, dem Ludwig Boltzmann Institut für Österreichische Literaturforschung und dem Mitteleuropäischen Forschungszentrum für die Literaturen und Kulturen des Donauraumes. (Wissenschaftliche Landesakademie für Niederösterreich). Teil 1. Die österreichische

12 habe. Der Grund dafür sei, dass die österreichischen AutorInnen (wie Max Mell, Heimito von Doderer, Karl Heinrich Wagglerl, Friedrich Schreiyvogl, Hermann Broch) sich den Prämissen Glaube, Liebe und Hoffnung (nach dem gleichnamigen Drama von Ödön von Horváth) in ihren Werken verschrieben hätten. Diese Werte hätten während der nationalsozialistischen Diktatur nur auf Grund eines humanitären Ethos, das auf habsburgisch - christlich-jüdischer Basis fundiere, bestehen können.26 Somit konnte auf eine florierende literarische Szene aufgebaut werden, um die Identität von Graz ‚zeitgenössischer’ zu zeichnen. Dass diese Bemühungen Früchte getragen haben, und Graz besonders durch das Verdienst der Grazer Autoren eine bedeutende Metropole im internationalen Literaturbetrieb geworden ist, beschreibt Karl Acham: „durch diese Autoren [die „Grazer Gruppe“] aber auch durch die „Grazer Gruppe“ insgesamt [erlangte Graz] als international geachtete Literaturstadt“27 eine hohe Reputation. Auch Schwarz spricht von einer „literarischen Revolution“28 in der Grazer Literaturszene, die im forum stadtpark ihren Ausgangspunkt hatte und eine Fortführung der Künstlervereinigung „Wiener Gruppe“ sei, der unter anderem Friedrich Achleitner, H.C. Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener angehörten.29

Literatur. Ihr Profil von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart (1880-1980). Graz (Akademische Druck-und Verlagsanstalt) 1989. S.55. 26 Waltraut Schwarz: Die österreichische Literatur der letzten 50 Jahre. In: Herbert Zeman (Hg.): Die österreichische Literatur. Eine Dokumentation ihrer literarhistorischen Entwicklung. In Zusammenarbeit mit dem Institut für österreichische Kulturgeschichte, dem Ludwig Boltzmann Institut für Österreichische Literaturforschung und dem Mitteleuropäischen Forschungszentrum für die Literaturen und Kulturen des Donauraumes. (Wissenschaftliche Landesakademie für Niederösterreich). Teil 1. Die österreichische Literatur. Ihr Profil von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart (1880-1980). Graz (Akademische Druck-und Verlagsanstalt)1989. S.55. 27 Karl Acham: Vorbemerkung: Künstlerisches Schaffen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts – ein Überblick. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 160. 28 Waltraut Schwarz: Die österreichische Literatur der letzten 50 Jahre. In: Herbert Zeman (Hg.): Die österreichische Literatur. Ihr Profil von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart (1880.1980): Teil 1. Graz 1989, S. 83. 29 Waltraut Schwarz: Die österreichische Literatur der letzten 50 Jahre. Ebda. S. 83ff.

13 Nicht nur eine Fortführung, sondern die literarisch konservative Tradition aus Wien wurde in Graz revolutioniert und als Aufbegehren gegen Gesellschaft und herkömmliche Verwendung der Sprache, gegen „Heimatkunst“30 verwendet. Die in den 1920er Jahren geborenen Grazer AutorInnen lernten durch die Wiener Gruppe die neuen, avantgardistisch literarischen Methoden, wie Aktionslesungen, die Verwendung des Antiklerikalen imSprachexperiment, Publikumsbeleidigungen, die Ablehnung vom „Natürlichen“ und Auslassungsmethoden kennen. Gerhard Rühm gründete 1973 die Grazer Autorenversammlung und diese war ein Ausgangspunkt für die Begegnung zwischen Wiener Gruppe und Grazer AutorInnen. Ebenso förderlich wie notwendig war die Literaturzeitschrift manuskripte, die am Tag der Eröffnung des forum stadtparks erstmalig unter der Redaktion von Alfred Kolleritsch erschienen war.31 Graz galt nach Wien und - zeitweise war Graz auch an primärer Stelle – als literarisches Zentrum, von dem aus „die nachhaltigsten Impulse für die literarische Entwicklung in der Zweiten Republik ausgingen.“32 Die drei oben genannten Institutionen bildeten zusammen mit der Grazer Gruppe, die sich in Anlehnung an die Wiener Gruppe so nannte und die aus den bedeutendsten Grazer AutorInnen bestand, die Elite der Grazer Literaturszene. Diese sei dafür verantwortlich, dass Graz zur „heimlichen Literaturhauptstadt“ – nach Reinhard P. Gruber aufgestiegen ist.33 Zu den namhaften AutorInnen der Grazer Literaturszene, die gegen gesellschaftliche Missstände schrieben, zählten neben Alfred Kolleritsch, Alois Hergouth, Barbara Frischmuth, Wolfgang Bauer, Gunter Falk und Peter Handke. Dass manche von ihnen Ende der 1960er Jahre nach Wien übersiedelten, zumindest in künstlerischer

30 Waltraut Schwarz: Die österreichische Literatur der letzten 50 Jahre. In: Herbert Zeman (Hg.): Die österreichische Literatur. Eine Dokumentation ihrer literarhistorischen Entwicklung. In Zusammenarbeit mit dem Institut für österreichische Kulturgeschichte, dem Ludwig Boltzmann Institut für Österreichische Literaturforschung und dem Mitteleuropäischen Forschungszentrum für die Literaturen und Kulturen des Donauraumes. (Wissenschaftliche Landesakademie für Niederösterreich). Teil 1. Die österreichische Literatur. Ihr Profil von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart (1880-1980). Graz (Akademische Druck-und Verlagsanstalt) 1989, S. 72ff. 31 Waltraut Schwarz: Die österreichische Literatur der letzten 50 Jahre. Ebda. S.72ff. 32 Wendelin Schmidt-Dengler: Graz, die unheimliche Literaturhauptstadt. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 299. 33 Wendelin Schmidt-Dengler: Graz, die unheimliche Literaturhauptstadt. Ebda. S. 299-309.

14 Hinsicht, mag an der mageren Auftragslage und an der Inexistenz einer Kunstakademie gelegen haben.34

3.2. Musik, Theater und Oper Nicht nur als Literaturstadt war Graz avantgardistisch bemüht, auch in Oper und Theater konnte es sich seit der Jahrhundertwende (1900) eines modernen Rufes erfreuen und diesen Ruf auch bis zur Gründung zahlreicher Kabaretts in den 1950er Jahren und darüber hinaus aufrechterhalten.35 Die Einschaltquoten des Fernsehens zeigen in den Jahren 1968 und 1969 ein vermehrtes Interesse an modernen und zeitgenössischen Opern gegenüber Opern von G. Verdi oder Ch. W. Gluck.36 Im Jahr 1951 gab es drei Uraufführungen im Grazer Opernhaus, in den Jahren 1953, 1958, 1961, 1963 jeweils eine Uraufführung, 1968 wurden wieder drei Werke uraufgeführt, 1970 gab es eine Uraufführung, die nächste folgte erst 1977.37

Theater Das Sprechtheater musste 1952 vom restaurierungsbedürftigen Schauspielhaus in den Rittersaal des Landhauses weichen und hat dort auf hohem Niveau zahlreiche Werke in- und ausländischer zeitgenössische Autoren zur Aufführung gebracht. Werke von den Grazern Ulrich Baumgartner, Ernst Therwal und Walter Zitzenbacher sowie Werke von international anerkannten Autoren wie Jean Anouilh, Samuel Beckett, Christopher Fry, Arthur Miller, John Priestley und Thornton

34 Götz Pochat: Moderne Malerei in der Steiermark. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 249. 35 Karl Acham: Vorbemerkung: Künstlerisches Schaffen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts – ein Überblick. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 163ff. 36 Irmgard Bontinck: Angebot, Repertoire und Publikum des Musiktheaters in Wien und Graz. In: Veröffentlichungen des Instituts für Publikumsforschung Nr. 11. Wien (Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) 1985, S. 127-130. Die Uraufführungen: 1951: Heinrich Hammer-Purgstall: Traum am Nil (Operette). Waldemar Bloch: Stella (Oper). Robert Bicher: Broadway-Episode (Operette). 1953: Rudolf Kattnigg: Donna Miranda (Operette). 1958: Waldemar Bloch: Das Käthchen von Heilbronn (Oper). 1961: Waldemar Bloch: Der Diener zweier Herren (Oper). 1963: Franz Mixa: Der Traum ein Leben (Oper). 1968: Erich Marckhl: Die Jagd (Ballett). Franz Zelwecker: Der Walzerkongreß (Operette). Dieter Glawischnig: Jazz-Suite Nr. 4 und 5 (Ballett). 1970: Rudolf Weishappel: Die Lederknöpfe (Oper). 1977: Otto M. Zykan: Symphonie aus der heilen Welt (Neues Musiktheater). Aus: Manfred Blumauer: Festa teatrale. Musiktheater in Graz. Graz (Strahalm) 1998, Graz, S. 115f. 37 Manfred Blumauer: Festa teatrale. Musiktheater in Graz. Graz (Strahalm) 1998, S. 116.

15 Wilder standen auf dem Spielplan. Es war „eine bemerkenswerte Epoche […] und eine 38aufregende Theaterzeit“. Ein neues Schauspielhaus wurde erbaut und im Jahre 1964 eröffnet. Unglückliche Personalbesetzungen in der Leitung ließen bis 1972 die künstlerisch hochwertigen zeitgenössischen Theateraufführungen etwas ins Abseits geraten. Mit der Übernahme eines Dreiergremiums im Jahr 1972 schlug das Pendel in die andere Richtung und die Aufführungen des Schauspielhauses waren ob ihrer gegenwartsbezogenen Herausforderungen ans Publikum harscher Kritik ausgesetzt.39

Theater im Keller An freien Bühnen existierte seit 1951 das „Theater im Keller“, das sich als Ur- und Erstaufführungsbühne mit Schwerpunkt Österreich und Südosteuropa versteht.40 Es soll, laut seinem Leitbild, unbekannte Autoren und unbekannte Werke ans Licht holen und analysiert die dramaturgische Formensprache. Im Gründungsjahr ließ der Spielplan sowohl an österreichischer als auch an südosteuropäischer Ausrichtung zu wünschen übrig. Die aufgeführten Werke waren jedoch, zumindest für Österreich, vermutlich neu.41 Das Programm lautete wie folgt:

Walter Bauer, Deutschland (1904-1976): Das Unauslöschliche. Eine Legende aus dem Fernen Osten (1950 erstmals im Süddeutschen Rundfunk gesendet)42 Georg Thürer, Schweiz (1908-2000): König Drosselbart (bereits 1934 in Druck erschienen)43 Maila Talvio, Finnland (1871-1951): Der Zeitgeist (aus dem Finnischen von Rita Öhquist übersetzt und 1951 in Druck erschienen) Von Räubern, Rittern und Vaganten!44

38 Eva Schäffer: Sprechtheater in Graz. 1945- bis heute. In: Werner Strahalm: Graz. Eine Stadtgeschichte. Herausgegeben von Wilhelm Steinböck. Graz (Strahalm) 1989, S. 438f. 39 Eva Schäffer: Sprechtheater in Graz. 1945- bis heute. Ebda. S. 440ff. 40 Hermann Götz: „100 Schilling für die Premiere“. Das Theater im Keller feiert: 60 Jahre Autorentheater oder Die Geburt der Grazer Off-Szene. In: Der Falter 45/11 vom 9.11.2011, S. 45. 41 Es ist bei den meisten Werken nicht zu eruieren, ob es sich um Ur- oder österreichische Erstaufführungen handelt, deshalb ist in diesen Fällen die Drucklegung angegeben. 42 http://hoerspiele.dra.de/vollinfo.php?dukey=1348651 vom 19.4.2017. 43 Georg Thyrer: König Drosselbart. Märchenschwank in 5 Bildern frei nach den Gebrüdern Grimm zum Spiel geformt in einer Schulklasse. Band 8 der Reihe schweizerische Volksspiele, Tschudy 1934. Siehe auch: Wolfgang Göldi: Georg Thürer. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9080.php vom 19.4.2017.

16 Ulrich Kabitz, Deutschland (*1920): Das Osterpflügen (nach einer Erzählung von Leo Tolstoi, 1951 bei Bärenreiter in Druck erschienen)45 Armand Payot, Schweiz (1901-1956): Ihr werdet sein wie Gott (UA 1948 in Genf)46 In der Spielzeit 1967/68 lautete das Programm (mit Premierendaten) wie folgt: 47

Die Tellerwäscher 9. Sumpfonie 12. 10. 1967

Carlo Collodi Pinocchio UA 1881 25. 11. 1967 Unbekannter Autor Die zu Unrecht verdächtigte Gattin 11. 01. 1968 Wolfgang Hildesheimer Das Opfer Helena 1955 erschienen Paul Foster Ballspiel Karl Wittlinger Die Totenwache 12. 02. 1968 Gabriel Dagan Aquarium Jacek Bochenski Tabu zwei Mal 14. 03. 1968 Gerda Klimek Das Spiel auf der Brücke Erik Rumbach Die Kante David Ling Komplizierte Lage 24. 04. 1968 Sandro Key-Aberg "0" Szenengespräche

Kabarett Graz galt in den 50er und 60er - Jahren in der Kabarettszene als Sprungbrett für viele KünstlerInnen. Das Ensemble „Der Würfel“ zählte zu den erfolgreichsten Studentenkabaretts Österreichs und trat kurze Zeit auch in Wien auf48. Zahlreiche Kabaretts wurden in Graz (sowie auch in Linz oder ) in den 50er und 60er Jahren gegründet, bis dahin existierte das literarisch-politische Kabarett nur in der Bundeshauptstadt Wien. Der heute eher synonym verwendete Begriff „Kleinkunst“ entstand dort bereits in den 1930er Jahren, um sich von der reinen Unterhaltungsindustrie der Cabaret-Etablissements mit ihrem Revue-Charakter zu distanzieren.49

44 http://authorscalendar.info/mtalvio.htm vom 19.4.2017. Vom zweiten Theaterstück ist kein Material vorliegend. 45 Ulrich Kabitz: Das Osterpflügen. Ein Spiel nach einer Erzählung von LeoTolstoi. Bärenreiter Kassel 1951.https://www.lwl.org/literaturkommission/alex/index.php?id=00000003&letter=K&layout=2&author _id=00001278 vom 19.4.2017. 46 Dietmar Coors: Theater als Gottesdienst: Das geistliche Schauspiel als moderne Verkündigungsform. Rezeption eines historischen Modells. Heidelberger Studien zur praktischen Theologie. Berlin (LIT) 2015, S. 131. 47 http://www.tik-graz.at/archiv.php vom 19.4.2017. 48 http://www.literaturhaus.at/index.php?id=7708. vom 11.02.2015. 49 http://www.kabarettarchiv.at/Ordner/geschichte.htm. vom 11.02.2015.

17  Das Kabarett „Igel“, (das nach der Auflösung unter anderem von der von Emil Breisach gegründete Veranstaltungsreihe „Treffpunkt Orpheum“ - als Kabarett im Radio, und des Kabaretts „Studentenbrettl“ abgelöst wurde), dem Ensemble gehörten unter anderem Fridl Althaller (der die musikalische Begleitung innehatte), Sepp Trummer, Gerda Klimek, Hanns Obonya, Karl Friedrich und Peter Hey an. Die Autorschaft dieser kabarettistischen Aufführungen lag in Händen von Grazer Schriftstellern wie Otto Hoffmann- Wellenhoff, Ewald Autengruber, Theo Herbst und Autoren aus Wien wie Hans Weigel, Kurt Nachmann Rolf Olsen.50  Der „Treffpunkt Orpheum“ wurde häufig im Rundfunk Landesstudio Steiermark übertragen, Emil Breisach hatte zu dieser Zeit die Leitung der Unterhaltungsabteilung des steirischen Rundfunks inne. In der Galerie Moser traten Gerda Klimek, Sepp Trummer und Ernst Prassel neben Franz Friedrich und Ewald Autengruber mit zeitkritischen Werken bei stets vollem Hause auf. Das Ensemble wanderte schließlich in den Landhauskeller ab.  Das Kabarett „Gimpel“ im Theatercafè und  die „Gratzbürsten“ im Theater im Keller und zahlreiche DarstellerInnen die solistisch auftraten, feierten beachtenswerte Erfolge. Auch Gruppen aus dem Amateurbereich versuchten sich erfolgreich am kabarettistischen Ouevre.  Der „Hammer“ im Forum Stadtpark und  der „Würfel“ im Heimatsaal und im Gotenhaus in der Leonhardstraße waren erfolgreiche Ensembles im Bereich Kleinkunst. Der „Würfel“ wurde 1959 von Kuno Knöbl gegründet, der als Regisseur, Autor und Darsteller das Kabarett prägte. Weitere Gründungsmitglieder waren Dieter Gogg, Kurt Gogg, Helmut Knoll, Udo Simonitsch und Gerhard Steffen. Später kamen Monika Orthofer und Peter Orthofer als Autor und Darsteller hinzu. Die Autoren schrieben auch Kolumnen für Grazer Tageszeitungen. Das Ensemble feierte Gastspiele in Gerhard Bronners „Neuem Theater am Kärntnertor“ in Wien. Einzelne Mitglieder des „Würfels“ wurden

50 Robert Engele: Der Igel zeigte Stacheln. http://austria- forum.org/af/Wissenssammlungen/Damals_in_der_Steiermark/Der_Igel_zeigte_Stacheln vom 15.1.2017.

18 demzufolge dort engagiert. Nach Auflösung des „Würfels“ – die meisten KünstlerInnen fanden beim ORF eine Anstellung - trat an dessen Stelle  der „Tellerwäscher“ in der Merangasse. Grazer Wurzeln hat auch eine große österreichische Künstlerin: Lore Krainer begann ihre Karriere im gastronomischen Keller in Alexander Girardis Geburtshaus, bevor sie als typisch österreichische Kabarettistin bekannt wurde. Im Bereich des Chansons feierten Marianne Kopatz, Heide Molnar, Viktor Fortin, Bernd Schmidt und Dieter Wachter nationale und internationale Erfolge.51  Das „Café Graz“ wurde 1967 auf Initiative des Stadtrates Karl Stoiser gegründet: Diese Veranstaltungen, deren Programm sich nach der Sendung „Seniorenclub“ im ORF orientierte, sollte finanziell schwächeren SeniorInnen Unterhaltung mit „Grazer G’schichten“ und Melodien aus Oper und Operette bieten. Seinen Sitz hatte der zu Beginn im Dreiwochenabstand durchgeführte Zyklus im Großen Kammersaal in der Strauchergasse 32. Bedeutende KünstlerInnen traten dort auf und spielten auch komplette Szenen aus Operetten in Kostüm und Maske: Maxi Böhm, Elfriede Ott, Elisabeth Kales u.a.52

Musik Auf musikalischem Gebiete, die Zeit zwischen 1948 und 1956 reflektierend, gab sich Graz der zeitgenössischen Kunst gegenüber aufgeschlossen. Die wichtigsten in- und ausländischen Vertreter der Gegenwartsmusik waren bei Konzerten vertreten, inklusive elektronischer Musik und Jazz. Gleichwohl waren die Kompositionen der klassischen Moderne zuweilen dreißig bis vierzig Jahre alt. Harald Kaufmann betont, „Graz ist als Musikstadt zu groß, um mit heimischen Interpreten, die sich aufeinander abstimmen ließen, vorlieb zu nehmen, und zugleich zu klein, um von einer nicht ausreichenden Zahl durchreisender Gäste mehr als Proben der Moderne

51 Walter Zitzenbacher: Kabarett in Graz. In: Zitzenbacher, Walter (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988, S. 381. Siehe auch: http://www.kabarettarchiv.at/Ordner/geschichte.htm. vom 11.02.2015. 52 Geschichte des „Café Graz“ – Stadtportal der Landeshauptstadt Graz: http.//www.graz.at/cms/beitrag/10228419/375079 vom 11.02.2015. Siehe auch: http://www.kabarettarchiv.at/Ordner/geschichte.htm. vom 11.02.2015.

19 beanspruchen zu dürfen.“53 Diese Erkenntnis scheint geradezu nach der Gründung eines Avantgardefestivals zu rufen.

Auch das per se konservative Konzertleben der Stadt Graz konnte nach 1945 einige zeitgenössische Aktivitäten vorweisen: Jährlich veranstaltete der Musikverein ein das zeitgenössische Schaffen repräsentierendes Orchesterkonzert mit dem Grazer Philharmonischen Orchester, am Programm standen Werke lebender steirischer Komponisten (dazu gehörten auch Nicht-Steirer, die jedoch der Steiermark verbunden waren). Dies geschah nicht aus Eigeninitiative, sondern wurde als Dank an die Politik für die Subvention durch das Land Steiermark und die Stadt Graz veranstaltet.54 Künstlerische Ambitionen, wie die zeitgenössischen MusikerInnen und Ihre Werke zu fördern, standen im orchestralen Grazer Geschehen offensichtlich nicht im Vordergrund.

Auf chorischem Gebiet war der Grazer Domchor unter Anton Lippe rührig, der im Jahre 1949 mit der Aufführung des Oratoriums von Franz Schmidt „Das Buch mit sieben Siegeln“ internationale Anerkennung erhielt. Er nahm das Werk auf Schallplatte auf und 1965 trat er mit dem Werk in Berlin auf, wiederum vom Grazer Domchor interpretiert.55 Der Grazer A-cappella-Chor unter Ernst Märzendorfer brachte ebenso zeitgenössische Musik zu Gehör.56 Diese Aktivitäten waren primär aus eigenem innovativen Antrieb erfolgt statt aus einer eher zwanghaften Aktion der Dankbarkeit – wie beim Orchester – wie oben zu ersehen.

Eine bedeutende Institution wurde 1965 gegründet: das Institut für Jazz an der Musikakademie Graz. Es war weltweit das erste derartige Institut.57 Die

53 Harald Kaufmann: Neue Musik in Steiermark. Ein kritisch-chronistischer Versuch. Graz (Stiasny’s und Söhne) Graz 1957, S. 66. 54 Manfred Blumauer: Das Musikleben seit 1945. In: Werner Strahalm: Graz. Eine Stadtgeschichte. Herausgegeben von Wilhelm Steinböck. Graz (Strahalm) 1989, S. 426. 55 http://www.maislinger.net/Rendl/archiv/1symposion/pfarren/texte/dr_anton_lippe.html vom 07.04.2015. 56 Manfred Blumauer: Das Musikleben seit 1945. In: Werner Strahalm: Graz. Eine Stadtgeschichte. Herausgegeben von Wilhelm Steinböck. Graz (Strahalm) 1989, S. 426. 57 Harald Haslmayr: „Klingende Farbenspiele“ – Zu Geschichte und Gegenwart der Musik in Graz. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 391ff.

20 wissenschaftliche Auseinandersetzung sollte in den Bereichen Soziologie, Ethnologie, Psychologie, Pädagogik, Tanz und Medien passieren, was teilweise heute noch Zukunftsmusik ist. Graz erfreute sich seit der Besatzungszeit – die britischen Besatzer waren internationalen Kultureinflüssen nicht abgeneigt -- einer höchst lebendigen Jazzszene, die im Stadtpark Café ihre Heimat hatte.58 Dieses wurde 1954 geschlossen, und so resümiert Hendler: „Nicht nur der Jazz war heimatlos, sondern die gesamte moderne Kunst und Literatur.“59 Als 1960 das Café als Institution forum stadtpark wieder eröffnet wurde, hatte die Jazzszene beachtlichen Anteil an den Veranstaltungen: Jazzmusiker umrahmten Lesungen und Vernissagen und die 60er Jahre galten für die Jazzmusik als „Goldenes Zeitalter“.60 Dass die britische Besatzungsmacht in Graz liberaler war als die vier Besatzungsmächte in Wien, wirkte sich auf die künstlerische Entwicklung in Graz dergestalt aus, dass sich viele junge Menschen entschlossen, in Graz zu studieren und hier das kulturelle Leben zu beeinflussen inclusive der Jazzszene. Die Jazzmusik sahen viele Jugendliche als Plattform um gegen einen nationalen Konservativismus zu demonstrieren.61 Die Inauguration des forum stadtpark war maßgeblich an der florierenden Jazzszene beteiligt. Der musikalische Referatsleiter Manfred Blumauer hatte persönlich ein großes Faible für Jazz und wollte dieses Genre im forum stadtpark verankert wissen, da Jazz den wichtigsten Bereich der internationalen Musikszene darstelle, jener, der am eminentesten die österreichische Musikszene von außen beeinflusst habe. Deshalb müsse Jazz in jeglicher Form - historische ebenso wie zeitgenössische Werke - im forum stadtpark ihren fixen Platz haben, so Manfred Blumauer in seiner Programmankündigung bei der Vorstellung der einzelnen Referate. Auch als

58 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Von den Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seiner akademischen Etablierung. Ein zeitgeschichtlicher Beitrag zur Entwicklung des Jazz in Europa. Graz (Akademische Druck- und Verlagsanstalt). In: Beiträge zur Jazzforschung. Herausgeber: Institut für Jazzforschung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz und Internationale Gesellschaft für Jazzforschung (IGJ), beide Graz, S.117. 59 Maximilian Hendler: Die Jazzszene in Graz 1960-1980. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 395. 60 Maximilian Hendler: Die Jazzszene in Graz 1960-1980. Ebda. S. 396ff. 61 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Von den Anfängen nach dem zweiten Weltkrieg bis zu seiner akademischen Etablierung. Ein zeitgeschichtlicher Beitrag zur Entwicklung des Jazz in Europa. Graz (Akademische Druch- und Verlagsanstalt). In: Beiträge zur Jazzforschung. Herausgeber: Institut für Jazzforschung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz und Internationale Gesellschaft für Jazzforschung (IGJ), beide Graz, S.117 – 126.

21 Friedrich Körner das Referat Musik übernommen hatte, war Jazz ein wichtiger Programmpunkt. Das Referat wurde dann in klassische Musik (mit Leiter Reinhold Portisch) und Jazz geteilt, letzteres leitete Friedrich Körner mit großem Erfolg weiter. Ab 1961 gastierten internationale Berühmtheiten der Jazzszene in Graz wie Jimmy Giuffre, George Maycock, John Coltrane und Oscar Peterson. Dies war auch der Vereinigung „Jeunesse musicales“ zu danken. Daneben engagierten sich viele Künstler des forum stadtpark, deren Profession nicht im Musikalischen lag, für den Jazz, vor allem für Free Jazz. Der Maler Peter Pongratz, die Schriftsteller Alfred Paul Schmidt, Harald Sommer und Gunter Falk versuchten sich als Jazzmusiker. Alfred Paul Schmidt verfasste ein Buch „Als die Sprache noch stumm war“ über die soziale Komponente der MusikerInnen untereinander während des Musizierens, insbesonders in Bezug auf die Improvisation. Graz war durch das forum stadtpark nicht nur zur „heimlichen Literaturhauptstadt“ geworden, sondern war bald auch als Hauptstadt des Jazz bekannt.62 Die beiden Grazer Jazzclubs, auch „Hot Clubs“ genannt, die 1948/49 und 1950 gegründet worden waren, stellten eine weitere Basis für das rege Jazzleben dar. Verschiedene Jazzbands (wie die „New Austrian Big Band“ 1961 oder die „Royal Garden Jazz Band“ Anfang der 60er Jahre)63 wurden gegründet, die in Folge an nationalen und internationalenWettbewerben und Festivals teilnahmen, von nationaler und internationaler Presse hinreichend gewürdigt wurden und somit die florierende Jazzszene in Graz weiter befruchteten.64 Theodor Körner, Harald Neuwirth und Erich Kleinschuster waren die führenden Jazz-Musiker in Graz, die auch mediale Reputation genossen.65 So war es ein wohlbegründeter Schritt, dass

62 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Von den Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seiner akademischen Etablierung. Ein zeitgeschichtlicher Beitrag zur Entwicklung des Jazz in Europa. Graz (Akademische Druck- und Verlagsanstalt). In: Beiträge zur Jazzforschung. Herausgeber: Institut für Jazzforschung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz und Internationale Gesellschaft für Jazzforschung (IGJ), beide Graz, S. 126. 63 Maximilian Hendler: Die Jazzszene in Graz 1960-1980. In: Karl Acham (Hg.): Kunst- und Geisteswissenschaften aus Graz. S. 398f. 64 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Von den Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seiner akademischen Etablierung. Ein zeitgeschichtlicher Beitrag zur Entwicklung des Jazz in Europa. S. 126. 65 Karl Acham: Vorbemerkung: Künstlerisches Schaffen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts – ein Überblick. In: Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Herausgegeben von Karl Acham. Verlag Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2009, S. 172f.

22 Fritz Körner und der Leiter der Akademie Dr. Erich Marckhl Aktivitäten setzten, um in der 1963 neu gegründeten Akademie für Musik ein „Institut für Jazz“ zu planen, das am 1.1. 1965 seine Pforten offiziell öffnete,66 die Gründung geschah bereits im Herbst 1964. Der offizielle Arbeitsbeginn des Instituts ist jedoch der Beginn des Jahres 1965.67 Friedrich Körner war bis 1970 Leiter des Instituts, ihm folgte Dieter Glawischnig, der ebenso großen Anteil an der Enstehung des Jazzinstituts hatte.68

3.3. Malerei und Bildende Kunst

Schon 1919 gab es Strömungen von bildenden KünstlerInnen, die sich an internationalen Maßstäben orientierten und sich zum „Werkbund Freiland“ zusammenschlossen. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich heiklen Themen wie Sexualität und Tod führte jedoch zu erbosten Reaktionen der Bevölkerung. Die Gründung der „Grazer Sezession“ 1923 konnte vorerst die Ablehnung des Publikums gegenüber zeitgenössischer Kunst nicht ändern, aber schon die Ausstellung 1926 war ein Erfolg. In den Kriegsjahren errangen bekanntlich die KünstlerInnen eher im Ausland Erfolg. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand die erste Ausstellung 1945 statt. 1948 war auch die italienische Avantgarde in Graz vertreten. Bis in die 1950er Jahre entstanden verschiedene Künstlerkreise, die differierenden Richtungen angehörten.69

1951 wurde der Werkbund wieder reanimiert und erfreute sich großen Einflusses. Der Leiter Peter Richard Oberhuber lehrte an der Kunstgewerbeschule am

66 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Von den Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seiner akademischen Etablierung. Ein zeitgeschichtlicher Beitrag zur Entwicklung des Jazz in Europa. S.207f. 67 Michael Kahr: Historische Entwicklung des Institutes für Jazz in Graz. In: 50 Jahre Institut Jazz Kunstuni Graz. Hg: Ed Partyka, Institut für Jazz an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Graz 2015, S. 14. 68 Heinz Czadek: [Artikel] In: 50 Jahre Institut Jazz Kunstuni Graz. Hg: Ed Partyka, Institut für Jazz an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Graz 2015, S. 6. 69 Götz Pochat: Moderne Malerei in der Steiermark. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 237-262.

23 Ortweinplatz. Besonders die Ausstellungen in den Jahren 1961 und 1966 fanden internationale Reputation.70

1953 entstand die „Junge Gruppe“. Zu dieser Zeit stand die Grazer Bevölkerung einschließlich der Grazer Politszene der zeitgenössischen Malerei ablehnend gegenüber. Die Gründung des forum stadtpark setzte hier einen Gegenpunkt und positionierte die Grazer Malereiszene auf internationaler Ebene. Eine Süd- Ostöffnung gelang mit den 1966 von Siegfried Skreiner gegründeten und später von Werner Fenz organisierten „Internationalen Malerwochen“. Eine Ausweitung der Definition der Malerei geschah in den 1960er Jahren mit der Verbreitung von Photographie, Video- und Konzeptkunst.71

Die Verbindung zwischen Malerei und Musik erlebte in der Avantgarde der 1960er Jahre einen Höhepunkt.72 Die Zusammenführung der verschiedenen Künste, auch der Malerei, ist im forum stadtpark und im steirischen herbst zum Programm geworden. Die große Akzeptanz, auch international betrachtet, hat sicher dazu geführt, die Malerei in den steirischen herbst aufzunehmen.

3.4. Architektur

Baugeschichtlich tritt das Graz der 1960er Jahre als einheitliches Bild in Erscheinung, in dem die architektonischen Einflüsse aus Wien, Berlin und Paris an die lokalen Gegebenheiten in Graz modifiziert wurden. Ende der 1960er Jahre entstand ein avantgardistisches Ambiente, (wie etwa durch den Bau der Eishalle in Liebenau, der chirurgischen Universitätsklinik des Landeskrankenhauses Graz, der Hauptfeuerwache am Lendplatz und der Pädagogischen Akademie in Eggenberg) das ab den 80er Jahren ausgehend von Friedrich Achleitner als „Grazer Schule“

70 Richard Rubinig: Farben-Denker, Strich-Artisten, Abenteurer, Idealisten. Die bildende Kunst in Graz seit 1945. Nicht alle Namen sind aufzählbar, es geht um den Standort statt Inventar. In: Werner Strahalm: Graz. Eine Stadtgeschichte. Herausgegeben von Wilhelm Steinböck. Graz (Strahalm) 1989, S. 452ff. 71 Götz Pochat: Moderne Malerei in der Steiermark. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 237-262. 72 Barbara Barthelmes: Raum, Ort, gelebter Raum. Raumkonzepte in der Musik. In: Hartmut Krones (Hg.): Bühne, Film, Raum und Zeit in der Musik des 20. Jahrhunderts. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2003, S. 247.

24 benannt wurde und mit einzigartig verwirklichten Bauvorhaben international Anerkennung fand.73 Die „Grazer Schule“ entstand womöglich als Antwort auf die Gegenbewegungen der Jahrhundertwende (1900), wo das architektonische Graz sich zwischen biedermeierlichem Traditionsbewusstsein und ambitionierten Großstadttendenzen befand. Die Besinnung auf Regionalismus und gegen eine weitere Süd-Ostöffnung mündete 1910 sogar in einem Gemeinderatsausschuss.74 Diese nationalen Bestrebungen waren zu jener Zeit im gesamten Habsburgerreich weit verbreitet. Obwohl die südosteuropäischen Völker, insbesondere die Slowenen, weder zahlenmäßig, die Einwohnerdichte in Graz betrug damals etwa ein Prozent, noch politisch mächtig waren, fanden die xenophoben Ideen ihren Eingang in den Gemeinderat. 1910 wurde demnach ein „Ausschuß zur Wahrung des deutschen Wesens der Stadt“ gegründet.75

Nach 1945 waren es die neuen politischen Orientierungen, die avantgardistische Entwicklungen unterstützten. Die allgemeinen Bestrebungen, sich von den Ideologien der Nazizeit zu absentieren und sich den Nachbarvölkern und „fremden“ Kulturen zu öffnen, war nicht nur wirtschaftlich und kulturell opportun, sondern zeugte auch vom wiederentdeckten humanistischen Weltbild. Gemäß der Definition des Konservativismus, die schon Erzherzog Johann erklärte, und die später Hanns Koren übernahm: eine Öffnung für das Neue, das auf zeitlosen humanistischen Werten basiert. Hanns Koren wusste um die Wertigkeit einer wohlfundierten konservativen Grundlage, die Neuem aufgeschlossen entgegenblickt und trotzdem

73 Antje Senarclens de Grancy: Architektur zwischen Großstadt und Provinz. Graz in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 213-224. Günter Domenig und Eilfried Huth haben 1969 mit einem Plan, der eine Weiterentwicklung der Terrassenhaussiedlung von St. Peter darstellt, 1969 den Grand Prix von Cannes gewonnen. Landeschronik Steiermark, S. 420. 74 Antje Senarclens de Grancy: Architektur zwischen Großstadt und Provinz. Graz in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Ebda, S. 213-224. 75 Gemeinderatssitzung vom 23. März 1910. In: Amtsblatt der landesfürstlichen Hauptstadt Graz. 1910, S. 14. Gemeinderat Pichler in derselben Sitzung: [Es ist] „nichts als das Bestreben nach Aufrechterhaltung des nationalen Friedens und nach Wahrung der Kulturhöhe, wenn die Stadt Graz fremdvölkische Vorstöße schon im Keime zu unterdrücken versucht und nicht zuwartet, bis der nationale Hader, der bereits eingezogen ist,“ [sich breitmacht]. In: Gemeinderatssitzung vom 23. März 1910. In: Amtsblatt der landesfürstlichen Hauptstadt Graz. 1910, S. 14. In: Antje Senarclens de Grancy: Moderner Stil und heimisches Bauen. Architekturreform in Graz um 1900. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2001, S. 89.

25 seine Integrität nicht verliert. Die Basis der Tradition wird dabei durch die Integration von Neuem belebt.76 Die Besinnung auf die Moderne, die in den 60er Jahren stattfand, lag zu einem Teil auch den Bestrebungen des forum stadtpark und der Steirischen Akademie zugrunde, die neben Ausstellungen und Ausschreibungen von Wettbewerben auch den intellektuellen Diskurs über architektonische Kunst förderte. Die internationale Reputation der Stadt Graz als bedeutendes baugeschichtliches Zentrum zeigt sich auch darin, dass die ArchitektInnen auf die ökologischen und ökonomischen Herausforderungen geschickt reagierten, und sich folglich ihre Bauvorhaben international ausbreiteten. Zudem hatten sie Lehrstühle an Universitäten im Ausland inne.77 Die Bedeutung von Graz als Architekturstadt setzt sich bis ins 20. Jahrhundert fort; mit dem Bau des Kunsthauses und der Murinsel hat Graz seine Reputation für Aufgeschlossenheit moderner Architektur gegenüber gefestigt. Im Folgenden wird auf einige Gebäude, die für die Geschichte des steirischen herbstes bedeutend waren, näher eingegangen.

3.5. Café forum stadtpark

Mit der Inbetriebnahme des Cafés forum stadtpark als Hort der Institution forum stadtpark wurde ein Versuch gestartet, ein Gebäude mit einem Charakter zu versehen, was gleichzeitig als identitätsstiftendes Merkmal für die Stadt Graz betrachtet werden muss. Obwohl in der Literatur hinreichend Beispiele existieren, dass eine derartige Personifizierung eines Gebäudes kontraproduktiv für künstlerische Unternehmungen jeglicher Art ist, da Kunst von nichtlinearen Strukturen lebt,78 wurde hier der Versuch unternommen, das Café forum stadtpark als Heimat für vielfältige kulturelle Sparten zu schaffen und damit einen Charakter des Gebäudes und zugleich der Stadt Graz zu definieren, der die Aufgeschlossenheit und die Förderung von Kunst beinhaltet. Durch die Bedeutungszuweisung mittels

76 Elisabeth Welzig: Literatur und journalistische Literaturkritik. Untersucht an den steirischen Tageszeitungen 1945-1955. Stuttgart: Heinz 1979. Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik Band 60, S. 33. 77 Eilfried Huth: Anmerkungen zur Grazer Architektur des ausgehenden 20. Jahrhunderts. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, München, Weimar (Böhlau) 2009, S. 225-236. 78 Richard Sennett: Civitas. Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds. Berlin 2009, S. 272ff.

26 Nutzungsart geschieht eine Charakterisierung des Gebäudes. Dies sollte wohl im Besonderen für zeitgenössische Kunst gelten, da sich diese von herkömmlichen Strukturen, neben innermusikalischen (wie bisher verwendeten Kompositionstechniken) auch außermusikalischen (wie die Veranstaltung von Konzerten in Konzertsälen, also explizit dafür vorgesehenen Räumen), distanzieren möchte.

Besonders musikalische schöpferische Prozesse stellen sich in der zeitgenössischen Kompositionsweise unabhängig vom Raum dar, wobei sich Hartmut Krones auf die herkömmliche Idee der Einheit von Kultur und Leben beruft, wenn er schreibt, dass „Komponisten ihre klangräumlichen Vorstellungen nicht vom Zufall vorhandener Architekturen abhängig sehen wollten,“79 sondern in Anspruch nehmen, „ihren benötigten Raum selber zu entwerfen oder gar zu bauen“.80 Wobei es hier wieder um einen Konzertsaal geht, der eben neu konzipiert wird, aber eventuell doch multifunktional gedacht werden kann. Multifunktionalität als Charakterisierung eines Gebäudes zu benennen kann auch heikel sein. Da oft aus ökonomischen Gründen die künstlerischen Belange bei multifunktional zu nützenden Bauten nur einen kleinen Teil darstellen. Die unter dem Titel „Mehrzweckhallen“ errichteten Gebäude am Ende des 20. Jahrhunderts entbehren meist jeder künstlerischen Zuschreibung und werden für Sportveranstaltungen ebenso wie für politische Zusammenkünfte und oft nur am Rande für künstlerische Zwecke genutzt. Eine Charakterisierung des Gebäudes in künstlerischer Hinsicht scheint so kaum möglich.

Könnten hier Opern- und Theaterhäuser, Literaturhäuser und Lichtspieltheater die Ausnahme bilden? Längst werden diese Häuser schon zuweilen für Konzertdarbietungen genutzt. Eine derartige Multifunktionalität bleibt im Künstlerischen bestehen. Auch Veranstaltungsräume, in denen neben Ausstellungen auch oder unter anderem Konzerte zur Aufführung gebracht werden, sind als

79 Hartmut Krones: Bühne, Film, Raum und Zeit in der Musik des 20. Jahrhunderts. In: Hartmut Krones (Hg.): Bühne, Film, Raum und Zeit in der Musik des 20. Jahrhunderts. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2003, S. 15. 80 Hartmut Krones: Bühne, Film, Raum und Zeit in der Musik des 20. Jahrhunderts. Ebda. S. 15.

27 positive Beispiele multifunktionaler Nutzung anzuführen. Ist ein Heim für Kunst nicht auch eine Beruhigung? Es muss sich bezüglich der Lokalität nicht mehr gesorgt werden. Dadurch kann die Programmauswahl viel freizügiger gestaltet werden, weil die Spielstätte vorhanden ist und auf eventuelle Wünsche eines privaten oder öffentlichen Saaleigentümers hier nicht eingegangen werden muss.

Bei der Darbietung avantgardistischer Musik, insbesonders bei Klanginstallationen kann der Raum eine Aussage übernehmen, und zwar nicht als kompositorische Größe bezüglich Schallqualität und Hörempfinden, sondern in Bezug auf soziokulturelle Strukturen und Gewohnheiten.

Für das kulturelle Leben und die Entwicklung der Avantgarde war die Installierung des Café forum stadtpark eine Bereicherung. Inwieweit die künstlerische Aussage und die kreative Ausdrucksform der Kulturschaffenden durch die Zuschreibung der Funktion des Gebäudes gelenkt oder eingeschränkt worden sei, kann jedoch kaum schlüssig beantwortet werden.

3.6. Künstlerhaus

Für Werner Fenz ist die Inbetriebnahme des Künstlerhauses 1952 in Graz eine von drei herausragenden Aktivitäten im kulturellen Leben der Stadt seit 1945. Das Sichtbarmachen des Kulturbetriebes - das Künstlerhaus war Arbeitsstätte und Ausstellungsgebäude - die Verbindung von Kunst und Gesellschaft zu positionieren, sei als Meilenstein im soziokulturellen Gefüge der Nachkriegszeit der Landeshauptstadt zu betrachten. Die Präsenz der zeitgenössischen Kunst sei damit institutionalisiert. Als zweiten wichtigen Punkt im Grazer Kulturleben sieht Fenz die Gründung des forum stadtpark.81 Graz hat sich damit architektonisch und kulturpolitisch positioniert. Die Kulturpolitik bietet den KünstlerInnen ein Haus an, mit dem sie sich identifizieren können - eine Heimat - für die bildende Kunst ist ein Ausstellungsraum zwingend. Anders als bei Musik als ephemerer Kunst, die auch

81 Fenz, Werner: Die Steiermark im 20. Jahrhundert: Kunst zwischen 1938 und 1999. 1938-1945: „Sieg und neues Leben“ in der Steirischen Kunst? http://www.uni-graz.at/werner.fenz/texte/stmk_kunstvolltext.html vom 18.02.2015.

28 im Freien oder in Räumen dargeboten werden kann, die nicht ursprünglich dafür gedacht waren und nach der Aufführung wieder anderen Zwecken zugeführt werden können, benötigt bildende Kunst einen Raum für längere Zeit, um ihre Exponate präsentieren zu können. Die Personifizierung des Raumes ist hier eher Notwendigkeit. Selbstredend können hier ebenso Gebäude „zweckentfremdet“ werden, aber es werden sich schon aus Raum- und Zeitmangel seltener welche finden. Beruhigender für die KünstlerInnen und identitätsstiftender für Gesellschaft und Kultur ist es, dafür funktionalisierte Territorien zu schaffen.

Dass diese Vorgangsweise eine glückliche und effiziente ist, beweist auch die Erkenntnis, dass die BewohnerInnen einer Stadt identitätsstiftende Kennzeichen benötigen, ansonsten versuchen sie autark und nicht immer legal Spuren in ihren öffentlichen Lebensräumen zu hinterlassen. Die Anbringung von Graffiti im öffentlichen Raum ist nur eine Methode Spuren im sozialen Gefüge zu hinterlassen.82 Die eingangs besprochene Charakterisierung der Gebäude findet hier ihre Bestätigung - wobei ein Konzerthaus nicht gezwungenermaßen für einen musikalischen Stil personifiziert werden muss. Möglichst differenzierte Angebote, um die unterschiedlichsten Bildungsschichten anzusprechen, scheint demnach eine bewährte Methode identitätsstiftend einzugreifen. Dabei erstreckt sich die Identitätsstiftung auf ein sehr weites Feld, das auch eine Einschränkung von Gewalt beinhalten kann – so wie alle kulturfördernden Aktivitäten direkt oder indirekt als Initiative gegen Gewalt gesehen werden. Räume für Kunst und Kultur zur Verfügung zu stellen und diese dementsprechend zu bezeichnen und zu personifizieren, ist politisch eine bewährte Methode, in positiver Weise auf die Gesellschaft einzuwirken.

4. Festspiele neuer Musik international

In den Jahren nach 1945 wurde europaweit eine Vielzahl an Festspielen für neue Musik gegründet. Das Aufholbedürfnis war groß, dementsprechend ist das internationale Bild der Festspiele neuer Musik ein reichhaltiges. Es wird hier nur

82 Richard Sennett: Civitas. Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds. Berlin 2009, S. 289ff.

29 eine Auswahl an Avantgarde-Festivals angeführt: jene, die in einer Beziehung zum musikprotokoll oder zu dessen Gründungsgeschichte stehen; jene, die ähnliche Intentionen oder Voraussetzungen haben, oder deren soziopolitisches Umfeld bzw. deren musikalische Strukturen Querverbindungen erlauben.

musica viva

Diese, bereits 1945 erstmals aufgeführte Konzertreihe in München, ist als Vorreiterin für die Avantgardefestivals zu bezeichnen. Unter besagtem Titel fungierte sie erst seit 1947. Karl Amadeus Hartmann gründete dieses Festival, um Musik des 20. Jahrhunderts dem Publikum näher zu bringen. Im Prinzregententheater in München fanden die ersten Konzerte statt. Ab 1948 übernahm der Bayerische Rundfunk federführend die Organisation und protegierte das Festival in effizientester Weise.83 Von „Information […] Betreuung und Versorgung“.84spricht Werner Heider, wenn er die Konzerte von musica viva beschreibt.85 Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus scheint im ansonsten weltoffenen München nicht so notwendig zu sein, wie in Graz oder gar in den Ostblockländern. Dazu meint auch Reinhard Schulz, dass die kulturelle Einengung nach der Regierung des Nazi-Regimes ein „existentielle[s] Grundbedürfnis nach Auseinandersetzung mit neuen und keineswegs bequemen Formen der Kunst“86 evoziert habe, das jedoch nur nach einer gründlichen und doch vorsichtigen pädagogischen Arbeit geweckt werden konnte. Dies erschien notwendig, um die Gesellschaft wieder zu einem humanistischen Weltbild zu führen.87 Die Intention der Öffnung über Staatsgrenzen hinweg ist in München nicht vordringlich, jedoch

83 Jürgen Meyer-Josten: Fünfzig Jahre danach. Ein Vorwort. In: Eine Sprache der Gegenwart. Musica viva 1945-1995. Im Auftrag des Bayerischen Rundfunk herausgegeben von Renate Ulm. Mainz, Piper München (Schott) 1995, S. 15f. 84 Werner Heider: musica viva – einfach hören! In: Eine Sprache der Gegenwart. Musica viva 1945-1995. Im Auftrag des Bayerischen Rundfunk herausgegeben von Renate Ulm. Mainz (Schott), München (Piper) 2005, S. 26. 85 Werner Heider: musica viva – einfach hören! Ebda. S. 26. 86 Reinhard Schulz: Eine Sprache der Gegenwart. Die musica viva unter Karl Amadeus Hartmann. In: Eine Sprache der Gegenwart. Musica viva 1945-1995. Im Auftrag des Bayerischen Rundfunk herausgegeben von Renate Ulm. Mainz (Schott), München (Piper) 2005, S. 35. 87 Reinhard Schulz: Eine Sprache der Gegenwart. Die musica viva unter Karl Amadeus Hartmann. Ebda. S. 35.

30 die Überwindung eines konservativen Denkens, das den Blick nach außen verloren hat, scheint diesem Festival doch – wie auch dem musikprotokoll – innewohnend. Den Vorteil, dass Marketing und Organisation zum Großteil in den Händen der lokalen Rundfunksstation liegt, hat musica viva mit dem musikprotokoll gemein.

Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt

1946 hatte der Kulturreferent Wolfgang Steinecke „Ferienkurse für internationale neue Musik“ gegründet, als Informationsplattform für Musik, die während des Nazi- Regimes verboten oder aus anderen Gründen nicht tradiert worden war.88 Diese Festivalgründung war richtungsweisend für viele derartige Gründungen europaweit. Ähnlich dem musikprotokoll schuf es eine Grundlage für den künstlerischen wie intellektuellen Austausch zwischen MusikerInnen aus dem In- und Ausland. Es war ein Boden zum Experimentieren geschaffen worden, um Entwicklungen zuzulassen und Raum für künstlerische Experimente zu geben. Zum Unterschied von Musikfestivals wie Donaueschingen, bei dem „fertige“ Kompositionen präsentiert wurden. Dieses Werkstatt-Ambiente trug auch zu einem großen künstlerischen und medialen Echo des Festivals bei. Der wissenschaftliche Teil, der nicht als solcher definiert war, bestand unter anderem aus musiktheoretischer Unterweisung (wie z.B. der Zwölftonmusik) und trug zur Entwicklung des „Darmstädter Stils“ bei.89 Auch das musikprotokoll wies schon in seinen Anfängen wissenschaftliche Veranstaltungen in seinem Programm auf, (die ebensowenig als wissenschaftlich deklariert waren) wenngleich diese im ersten Jahr noch nicht explizit dem musikprotokoll, sondern eher dem Mutterfestival steirischer herbst zugeordnet waren. Ein Weg Richtung Internationalität wurde 1948 mit der Gründung des „Internationalen Musikinstitutes Darmstadt“ beschritten. Dieses fungierte als künstlerisches Leitungsinstitut, dem bis 1961 ebenfalls Wolfgang Steinecke vorstand. Mit Rolf Liebermann aus Zürich, René Leibowitz aus Paris und Peter Stadlen aus London konnten erstmals ausländische Dozenten gewonnen werden. Der Titel der Ferienkurse lautete demzufolge ab da „Internationale Ferienkurse für Neue Musik“. Studierende und

88 http://www.internationales-musikinstitut.de/ferienkurse/geschichte.html vom 20.04.2017. 89 Hans Vogt: Neue Musik seit 1945. Stuttgart (Philipp Reclam jun.) 1972, S. 22ff.

31 DozentInnen arbeiteten auf einem Niveau im künstlerischen Austausch.90 Die persönliche Bildung und Weiterbildung und der Austausch zwischen profilierten MusikerInnen und Lernenden schien hier im Vordergrund zu stehen. Nicht ein Lehrenden-Studierendenverhältnis, sondern die Begegnung zwischen Mensch und MusikerIn war für dieses Festival bedeutsam. Eine soziopolitische Komponente ist bezüglich der Positionierung neuer, unbekannter und insbesonders bisher verbotener Musik zu bemerken. Die positive persönliche Entwicklung bei MusikerInnen und Publikum durch die Entfernung von Grenzen ist auch mit gesellschaftlichen Auswirkungen verbunden.

Interpodium in Bratislava

In Bratislava wurde 1970 das „Interpodium“ gegründet, um jungen InterpretInnen östlicher Länder eine Auftrittsplattform zu bieten. Diese Konzertreihe beinhaltete Liederabende, Kammermusikkonzerte, SolistInnen mit und ohne Orchester traten auf und Recitale von OpernsängerInnen fanden statt. Die TeilnehmerInnen traten auch im Opernhaus in musiktheatralischen Aufführungen auf. Wissenschaftliche Veranstaltungen umrahmten das Festival.91 Das Experimentalstudio [für zeitgenössische Musik] des Slowakischen Rundfunks wurde bereits 1959 als Fernsehsendung gegründet, 1961 folgte die Radio-Version. Slowakische und internationale Komponisten traten dort auf und inspirierten sich gegenseitig.92 Die wissenschaftliche Komponente, der nationale und internationale Aspekt – der sich vornehmlich auf die umliegenden Grenzländer beschränkte und der Einfluss des Rundfunks – sind ähnlich den Intentionen und Strukturen des musikprotokolls.

90 http://www.internationales-musikinstitut.de/ferienkurse/geschichte.html vom 20.04.2017. 91 Franz Walter: Bratislava. In: Europäische Musikfestspiele. Herausgegeben von der Europäischen Vereinigung der Musikfestspiele. Lausanne (Atlantis) 1977. S 80—85. 92 Susanna Niedermayr und Christian Scheib: im osten – neue musik territorien in europa. Reportagen aus ländern im umbruch. Saarbrücken (Pfau) 2002, S. 60.

32 Festivals in Finnland a) Das Sommerfestival

Bei diesem Festival ist Internationalität genauso wichtig wie die Präsentation finnischer KünstlerInnen. Ballett, Theater, Oper und Konzerte (geistliche wie weltliche) umfassten das Programm.93 Diese kurze Inhaltsangabe zeigt die gleichen Prämissen, wie sie auch das musikprotokoll aufweist, nur ohne dessen Rundfunk- Schwerpunkt. Internationalität wie Regionalität sind beiden Festivals gemein. Die frühen Ursprünge des Festivals liegen in der Idee eines „Sommerfestivals“ von Seppo Nummi (1932-81), einem finnischen Komponisten. Er hatte in den 1950er Jahren den Einfall, in unterschiedlichen Städten Finnlands ein Festival zu veranstalten, das gewissermaßen von Stadt zu Stadt tourt und in den wichtigsten Städten ein bis zwei Wochen lang stattfindet.94

Auch das musikprotokoll ging in den folgenden Jahren nach seiner Gründung in die Diaspora der Grazer Umgebung, zwar nicht als Tournee, und nur mit einzelnen Veranstaltungen, aber mit der ähnlichen Intention wie in Finnland – nämlich Kunst aufs Land zu bringen. Das dünn besiedelte Finnland mit seinen weit auseinanderliegenden Städten und seinem Kulturzentrum Helsinki kann durch den Größenunterschied und der Differenz der politischen Strukturen nur im weitesten Sinne mit den peripheren Städten der Steiermark und Graz als Kulturmetropole verglichen werden. Der Aspekt der Internationalität der eingeladenen KünstlerInnen und der gleichzeitige Schwerpunkt der Regionalität sind jedoch mit dem steirischen musikprotokoll durchaus vergleichbar.

Seppo Nummi war ein profilierter Komponist, in seinem Hause ging die künstlerische High Society aller Genres ein und aus. Er hatte vor, die zeitgenössischen KünstlerInnen aller Sparten bei einer Veranstaltungsreihe auftreten zu lassen und benannte seine Idee “Finland Festivals”, die 1968 starteten. Die

93 Lassi Nummi: Helsinki. In: Europäische Musikfestspiele. Herausgegeben von der Europäischen Vereinigung der Musikfestspiele. Lausanne (Atlantis) 1977. S 122-127. 94 Kaija and Markku Valkonen: Festival Fever – A short history of Finnish festivals from the early ages till 1990s. 1994. http://www.festivals.fi/en/history/#.VOdrChErnIV Onlineversion vom 20.02.2015.

33 “Finland Festivals” hatten eine Koordinierungsfunktion inne und fungierten als Drehscheibe für die unterschiedlichen finnischen Festivals.95

Die Ähnlichkeit zur Entstehung des Mehrspartenfestival des steirischen herbstes ist offensichtlich. Betrachtet man die Grazer Geschichte der vielfachen Bemühungen der unterschiedlichen Sparten im Bereich der zeitgenössischen Kunst, ist die Bezeichnung des steirischen herbstes als “Drehscheibe für verschiedene Festivals”, wie es in Finnland organisiert war, auch für Graz nicht so weit entfernt, so man das musikprotokoll, die wissenschaftlichen Veranstaltungen und die Graz-externen Veranstaltungen als eigene Festivals versteht.

b) Das multi-arts Helsinki Festival

1968 startete auch das “multi-arts Helsinki Festival”, es fungierte auch unter der verkürzten Bezeichnung “Helsinki Festival” und wurde von Seppo Numi geleitet, in weitestem Sinne folgte es der “Sibelius Week”, die 1965 das letzte Mal (begonnen 1951) veranstaltet wurde.96 Das Programm des “Helsinki Festival” war kein dezidiert zeitgenössisches, es gab die unterschiedlichsten Darbietungen, auch Kindertheater und Kunst von Gefängnisinsassen wurde angeboten. Die Programmauswahl, respektive die Auswahl der KünstlerInnen war eine avantgardistische: Alle, auch Amateure und KünstlerInnen aus Randgruppen der Gesellschaft sollten zu einem zeitgenössischen Festival etwas beitragen und somit einen repräsentativen Querschnitt der Gegenwart darstellen.97

Die Präsentation des aktuellen Gesellschaftsbildes steht hier wohl im Vordergrund, die künstlerische Prämisse der Avantgarde ist eindeutig nachrangig gereiht. Und doch ist eine gewisse Parallele zum musikprotokoll gegeben: Das Grazer Festival bietet vielen steirischen Komponisten eine Aufführungs-Plattform, die ohne das

95 Kaija and Markku Valkonen: Festival Fever – A short history of Finnish festivals from the early ages till 1990s. 1994. http://www.festivals.fi/en/history/#.VOdrChErnIV Onlineversion vom 20.02.2015. 96 Satu Silvanto: Helsinki. A festival City. http://www.efa- aef.eu/newpublic/upload/efadoc/11/finland%20festivals.pdf Onlineversion vom 20.02.2015. 97 Satu Silvanto: Helsinki. A festival City. http://www.efa- aef.eu/newpublic/upload/efadoc/11/finland%20festivals.pdf Onlineversion vom 20.02.2015.

34 musikprotokoll wohl nicht so leicht internationale Reputation erreicht hätten. Dies ist auch darin zu erkennen, dass besonders im ersten Jahr des musikprotokolls viele Kritiker die Qualität der Werke von ausländischen Komponisten höher als die der österreichischen, respektive der steirischen einstuften. Schneiber schrieb dazu: “Man wird beim nächsten Musikprotokoll härter sein müssen, um mit der Qualität der Kompositionen, mit denen die ausländischen Ensembles anreisen, Schritt halten zu können.”98 Dies bedenkend, dominierte zunächst der gesellschaftliche Aspekt vor dem künstlerischen. Ohne damit die steirischen Komponisten abwerten zu wollen, wurden diese anfangs in einigen Fällen hinsichtlich der Programmauswahl prioritär bedacht.

Der Warschauer Herbst

Der Warschauer Herbst wurde 1956 gegründet – erst das darauffolgende Festival 1958 erhielt die heute gebräuchliche Bezeichung – mit der Intention, die polnischen MusikerInnen und das polnische Publikum wieder stärker für zeitgenössische Musik zu gewinnen. Die Gründung des Festivals geschah exakt während der Tage des politischen Umbruchs in Polen.99 Für Zion Park war die Gründung „die Antwort des Warschauer Pakts auf Darmstadt und Donaueschingen.100 Die Kluft, die der Krieg und die Nachkriegszeit in Polens Musikvermittlung hervorgerufen hatte, sollte nun überwunden werden. Dazu wurden polnische Klassiker ebenso wie Kompositionen der Moderne jeglicher Richtung aufgeführt. International bedeutende zeitgenössische KomponistInnen sollten mit polnischen KomponistInnen in Kontakt treten. Dafür wurden Künstler wie Pierre Schaeffer oder Karlheinz Stockhausen eingeladen. Erst war das Festival nur bedeutsam für die polnischen KünstlerInnen, (wie Witold Lutoslawski oder Krzysztof Penderecki), bald aber erhielt es internationale Reputation und entwickelte sich zur Stätte fruchtbaren Diskurses für KünstlerInnen und ZuhörerInnen mit Affinität zu zeitgenössischer Musik. Konzerte,

98 Herbert Schneiber: Steirischer Herbst. Über das „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Calwer Tagblatt, Calw vom 25.10.1968, S. 8. 99 Andrzej Chlopecki: Zur Rezeption der Neuen Musik der DDR aus der Perspektive des Warschauer Herbstes. In: Nina Noeske, Michael Berg und Albrecht Massow (Hgg.): Zwischen Macht und Freiheit. Neue Musik in der DDR. Köln (Böhlau) 2004, S. 108. 100 Zion Park: Messiaen, Ligeti and the Avant-Garde of the Sixties. In: Alex Ross (Hg.): And the rest is noise. Listening tot he twentieth century. New York (Farrar, Strauss and Giroux) 2007. S. 459.

35 Opern, Ballett-, Filmvorführungen und Ausstellungen wurden umrahmt von Diskussionsnachmittagen, wodurch mit den Jahren ein kenntnisreiches, ambitioniertes Publikum herausgebildet wurde.101

Der Warschauer Herbst war jedoch nicht nur für musikalisch interessiertes Publikum interessant. Da er Musik bot, die bis dahin verfemt, wenn nicht gar verboten war – Dodekaphonie etwa galt politischen Theorien zufolge als Zeichen kulturellen Verfalls – erweckte der Warschauer Herbst das Interesse auch bei weniger Musikaffinen. Zusätzlich gab es noch die bis dahin seltene Möglichkeit, ausländische MusikerInnen, Orchester und Ensembles zu hören.102 Dies weckte die Neugier zusätzlich bei den bisher sehr in ihrer Freiheit eingeschränkten Polinnen und Polen. Das Festival hat somit einen soziopolitischen Charakter und für das Publikum ist es zusätzlich ein Statement gegen politische Autoritäten.

Soziokulturell betrachtet stand das Festival für „Freiheit, […] Freiheit zum Schaffen und freie Information […] innerhalb des Ostblocks ebenso wie im Austausch mit den Ländern des Westens.“103 Das Festival bedeutete einen Blick Freiheit in Richtung Westen, der nicht nur musikalisch, sondern auch gesellschaftspolitisch bedeutsam war. Zudem bot der Warschauer Herbst während des Kalten Krieges die einzige Möglichkeit, zeitgenössische Musik aus Westeuropa zu hören.104

Diese Prämisse der Freiheit war im politisch liberalen Österreich nicht in dem Maße notwendig und auch demzufolge nicht vorherrschend bei der Gründung des steirischen herbstes. Wohl gibt es eine Verbindung zum Warschauer Herbst: Bei beiden Festivals ist der Austausch zum politischen Gegenpart – im Warschauer Herbst zum Westen, im steirischen herbst zum Osten – respektive Südosten ein wichtiger Bezugspunkt. Auch die Bildung des Publikums ist beiden Festivals als

101 Constantin Regamey: Warschau. In: Europäische Musikfestspiele. Herausgegeben von der Europäischen Vereinigung der Musikfestspiele. Atlantis 1977 Lausanne. S. 212-217. 102 Andrzej Dobrowolski: Der Einfluss des Festivals „Warschauer Herbst“ auf die Entwicklung des Musiklebens in Polen. In: Neue Musik und Festival. Studien zur Wertungsforschung, Heft 6. Herausgegeben von Otto Kolleritsch. Graz 1973, S. 68-74. 103 Susanna Niedermayr und Christian Scheib: im osten – neue musik territorien in europa. Reportagen aus ländern im umbruch. Saarbrücken (Pfau) 2002, S. 79. 104 Susanna Niedermayr und Christian Scheib: im osten – neue musik territorien in europa. Reportagen aus ländern im umbruch. Ebda. S. 79.

36 Intention gemein. Beide Festivals trachten diese durch künstlerische und wissenschaftliche Veranstaltungen herbeizuführen.

Die Gründung des Warschauer Herbstes geschah durch den Polnischen Komponistenverband, finanziert wurde das Festival hauptsächlich durch das polnische Ministerium für Kunst und Kultur. Für die Programmgestaltung war diese Strukturgebung in Zeiten des Kommunismus positiv. Als Reaktion auf Kritiken aus Moskau und der DDR reagierte wohl das Ministerium mit Zensur, da das Programmkuratorium jedoch aus dem Komponistenverband hervorgegangen war, gab es aber Möglichkeiten, eine gewisse Programmvielfalt aufrecht zu erhalten und Komponisten, die in anderen Ländern, wie in ihren Heimatländern zwar nicht verboten waren, aber deren Werke doch von den maßgeblichen Stellen nicht gerne bei Konzerten gehört wurden, wie Alfred Schnittke, Mark Kopelent oder Ilja Zeljenka, konnten beim Warschauer Herbst durchaus ein Podium finden.105

Seit den 1940er Jahren kam eine Reihe von herausragenden avantgardistischen Musikern aus Polen. In den ersten Nachkriegsjahren unterband Josef Stalin106 die modernistischen Tendenzen, unter der Regierung von Nikita Sergejewitsch Chruschtschow (ab 1953)107 war eine vergleichsweise „liberalere“ Gesellschaftsform möglich, in der kreative Prozesse neue Plattformen fanden. Politisch betrachtet, schloss das musikalische Leben an die Zeit vor dem Krieg an, künstlerisch gesehen war der Warschauer Herbst eine Reaktion auf die Festivals in Darmstadt und Donaueschingen.108

Die Zagreber Musikbiennale

1961 gegründet, wurde dieses Festival auch als die Schwester des Warschauer Herbstes bezeichnet. Beide gelten als Festivals des Ostblocks, die kapitalistische

105 Andrzej Chlopecki: Zur Rezeption der Neuen Musik der DDR aus der Perspektive des Warschauer Herbstes. In: Nina Noeske, Michael Berg und Albrecht Massow (Hgg.): Zwischen Macht und Freiheit. Neue Musik in der DDR. Köln (Böhlau) 2004, S. 110. 106 Regierungszeit 1927 bis zu seinem Tod 1953. 107 Regierungszeit 1953-1964. 108 Zion Park: Messiaen, Ligeti, and the Avant-Garde of the Sixties. In: Alex Ross (Hg.): The rest is noise. Listening to the twentieth century. New York (Farrar, Straus and Giroux) 2007, S.444-511.

37 und kommunistische Positionen in ihren Grundzügen vereinen. Der Gründer der Zagreber Musikbiennale, der Komponist Milko Kelemen, versuchte die Methoden des Kalten Krieges für die Organisation seines Festivals zu nutzen. Er drohte dem Bürgermeister von Zagreb, dass er das Festival in Belgrad veranstalten werde, falls dieser ihm seine Unterstützung verweigern würde. Die Drohung ging auf, das Festival fand mit großem Erfolg in Zagreb statt, sogar die New York Times berichtete in einem ausführlichen Artikel darüber.109 Milko Kelemen verstand Zagreb als eingebettet in die westeuropäische Kultur und wollte mit dem Festival die Stadt als Mittelpunkt für Neue Musik positionieren. Die Biennale stellte eine große Erweiterung der Aufführungsmöglichkeiten der zeitgenössischen kroatischen Musik dar.110

Auch das musikprotokoll bot und bietet eine große Erweiterung an öffentlichen Darbietungen der Werke steirischer Komponisten der Avantgarde. Und Graz wollte sich damit ähnlich wie Zagreb als Zentrum für Neue Musik, als Zentrum für zeitgenössische Kunst positionieren.

Neben der musikalischen Befruchtung und Repräsentation ist hier die politische und organisatorische Kommunikation ein wichtiges Definitionsmerkmal. Der Organisator Milko Kelemen nutzte die politischen Mechanismen des Kalten Krieges geschickt und erhielt auf diese Weise für das Eröffnungsfestival reichlich finanzielle Unterstützung von Moskau wie auch von den USA. Das Festival war erfolgreich, war wichtig für die Menschen – in ähnlicher Weise wie auch der Warschauer Herbst – als musikalische Öffnung zum Westen und auch als gesellschaftspolitische Aussage gegen die politische Obrigkeit. Die Zagreber Musikbiennale überdauerte sogar den Krieg.111

109 Susanna Niedermayr und Christian Scheib: im osten – neue musik territorien in europa. Reportagen aus ländern im umbruch. Saarbrücken (Pfau)2002, S. 121ff. Siehe auch: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_K/kroatien.xml vom 20.02.2015. 110 Hans-Dieter Grünefeld: Megalopolis zeitgenössischer Musik. Die Biennale in Zagreb 2005: Bemühen um europäische Integration. http://www.nmz.de/artikel/megalopolis-zeitgenoessischer-musik Onlineversion vom 20.02.2015. 111 http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_K/kroatien.html vom 20.02.2015.

38 Auch musikalisch eröffnete das Festival neue Dimensionen. Einige Komponisten dieser Zeit schlossen sich modernen Strömungen an, manche verweigerten diese expliziert. Insbesonders die Beschäftigung kroatischer Komponisten mit Volksmusik in Verbindung mit Musik der Avantgarde sollte dieses Festival gefördert haben. 1971 wurde ein Ensemble für zeitgenössische Musik gegründet: „ACEZANTEZ“, für deren Entstehung die Musikbiennale Zagreb eine wichtige Voraussetzung bildete.112

Für das musikprotokoll ist wohl weniger die Beschäftigung mit Volksmusik als die Verbindung mit dem Jazz bedeutsam, die mit den Jahren immer befruchtender geworden ist. Die politische wie auch organisatorische Kommunikation, wie sie für das Festival Zagreb beschrieben ist, trifft aber zumindest in den Anfangsjahren durchaus auch auf den steirischen herbst zu. Man denke dabei nur an den Initiator Hanns Koren und seiner politischen Intervention, die zur Festivalgründung hauptsächlich beigetragen hat, wenngleich die politischen Voraussetzungen keine Gemeinsamkeiten zeigen.

Fondation Maeght in St. Paul-de-Vence – Nuits de la Fondation Maeght

Dieses Festival in der Nähe von Nizza findet hier Erwähnung, weil es, wie auch der steirische herbst, verschiedene Kunstsparten miteinander vereint. Es wurde 1965 vom Galerie-Inhaberehepaar Marguerite und Aimé Maeght gegründet, nachdem das Paar im Vorjahr die Stiftung ins Leben gerufen und in privatwirtschaftlicher Organisation geführt hatte. Den beiden gelang es, wie beim steirischen herbst, die unterschiedlichen Sparten der Kunst inklusive Musik in einem Festival zu vereinen. Außerdem bietet sich ein Vergleich mit dem forum stadtpark an, lediglich die finanzielle Gebarung ist unterschiedlich.

Die Fondation präsentierte Werke lebender Komponisten und zeitgenössische Kunst. Der Ausgangspunkt war die bildende Kunst, durch die Galerie des

112 Susanna Niedermayr und Christian Scheib: im osten – neue musik territorien in europa. Reportagen aus ländern im umbruch. Saarbrücken (Pfau) 2002, S. 121ff. Siehe auch: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_K/kroatien.xml vom 20.02.2015.

39 Gründerehepaars bedingt, weiters waren Poesie und Literatur, Musik, Tanz und Theater vertreten, ebenso wurden Debattierkreise veranstaltet. Die Festivalgeschichte liest sich wie ein großes Fest zeitgenössischer KünstlerInnen, so hat etwa Joan Miró die Konzertplakate für das Eröffnungskonzert gestaltet. Doch das Frankreich der späten 60er Jahre eignete sich nur schlecht für ein derartig elitäres Mehrsparten-Festival, die Mai-Revolten taten ein Übriges und das privatwirtschaftliche, exklusive Festival musste seine Pforten schließen.113 Die Galerie erfreute sich jedoch weiterhin großer Erfolge und daraufhin wurde von 1984 bis 1989 wieder eine Konzertreihe geschaffen. Von den Nachfolgern der Stiftung wurden ganz nach Festival-Tradition zuerst im Sommer, dann im Herbst, bis zum heutigen Tage, zeitgenössische Konzerte, Ballettdarbietungen und Lesungen unter ein- und demselben Titel veranstaltet. Heute firmiert die Veranstaltungsreihe wieder als Festival. Außerdem bringt die Stiftung eine Zeitschrift heraus und vergibt Stipendien zur Förderung künstlerischer Studien. 114

Der steirische herbst hat neben seiner Mehrspartentätigkeit noch eine weitere Gemeinsamkeit mit diesem Festival: Der Gründer des Festivals ist da wie dort eine engagierte Person, in Graz Hanns Koren, in St. Paul Aimé Maeght (seine Gattin Marguerite wird nicht immer als Veranstalterin genannt, ob dies in der durchaus nicht unüblichen Geringschätzung der Frau oder in der tatsächlichen Tätigkeitsverteilung begründet ist, lässt sich nachträglich nicht beweisen).

Festival Musik im 20. Jahrhundert

Dieses Festival wurde 1970 vom Saarländischen Rundfunk gegründet. Der Saarländische Rundfunk ist von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands einer der kleinformatigsten. Das erste Festival fand im Mai statt und dauerte von Donnerstag bis Sonntag. Es hatte die gleiche Intention wie das

113 Reinhard Oehlschlägel: Das Festival der Neuen Musik: Analyse und These. In: Neue Musik und Festival. Herausgegeben von Otto Kolleritsch. Studien zur Wertungsforschung, Heft 6. Institut für Wertungsforschung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz 1973, S. 51ff. Siehe auch: http://www.sortirenprovence.com/exposition/50eme-anniversaire-fondation-maeght-saint-paul- vence vom 07.04.2015. 114 http://www.frankreich-sued.de/saint-paul-de-vence-server/fondation-maeght.htm vom 07.04.2015.

40 steirische musikprotokoll: Es sollte mithelfen, die zeitgenössische Musik zu präsentieren, zu fördern und zu rezipieren. Das Ineinandergreifen von Geschichte und Gegenwart war für den Initiator Christof Bitter ein herausragender Wert in der Definition des Festivals.115 Es ist erfreulich, dass ein Jahr nach der Gründung des steirischen musikprotokolls, das wie das Festival Musik im 20. Jahrhundert ebenso von einer kleinen Rundfunkstation getragen wird, diese Idee bereits international Anerkennung erhalten und Früchte getragen hat. Dies ist jedoch nur ein möglicher Mitgrund für die Entstehung dieses Rundfunkfestivals. Ein zweiter Grund ist, dass in dieser Zeit die prominentesten und effizientesten Protektoren zeitgenössischer Musik in Deutschland in Rundfunkstationen arbeiteten. Sie nahmen den Bildungsauftrag sehr ernst, Musik abseits vom Mainstream den HörerInnen zu präsentieren.116

5. Personen als WegbereiterInnen des musikprotokolls

Im Kompendium „10 Jahre steirischer herbst“, herausgegeben von Paul Kaufmann, sind folgende Personen als „Vorhut“117 angegeben (Die Reihenfolge des Autors wurde beibehalten): Landeshauptmann Dr. h.c. Josef Krainer Hofrat Dr. Hans Dattinger Dr. Armgard Schiffer-Ekhart Präsident Prof. Dr. Erich Marckhl Indendant Emil Breisach NRAbg. Dr. Paul Kaufmann Prof. DDr. Harald Kaufmann Redakteur Karl Hans Haysen Redakteur Wolfgang Arnold Dr. Alfred Holzinger

115 Wolfgang Korb und Friedrich Spangemacher: Vorwort. In: Musik im 20. Jahrhundert. Eine Dokumentation. Herausgegeben von Wolfgang Korb und Friedrich Spangemacher im Auftrag des Saarländischen Rundkfunks. Saarbrücken (Pfau) 2001, S. 7. 116 Michael Custodis: Die soziale Isolation der neuen Musik. Zum Kölner Musikleben nach 1945. Stuttgart (Franz Steiner) 2004, S. 20ff. 117 Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Wien (Mundus) 1977, S.11.

41 Günter Waldorf Auf diese Personen wird in Folge noch näher eingegangen.

5.1. Organisation und Administration

Die hier ausgewählte Reihung, der zu Folge die Organisation vor der Kunst erscheint, ist darin begründet, dass ein Festival dieses Ausmaßes nicht ohne stabile finanzielle Grundlage und Unterstützung in politischer Hinsicht florieren kann. Der Politiker Hanns Koren, seine Idee und seine Fähigkeiten, diese zur Durchführung zu bringen, trugen wesentlich zur Entstehung des Festivals bei.

5.1.1. Hanns Koren (1906-1985)118

Er gilt nach Fritz Czoklich als „eine der prägenden Gestalten der Steiermark […] in der Zeit nach 1945“119. Koren studierte Germanistik und Volkskunde, letzteres bei Viktor von Geramb und promovierte auch in diesem Fach. Dann forschte er zuerst als Assistent, dann als Leiter am Institut für religiöse Volkskunde in Salzburg. Karl Maria Stepan120, der damalige Landeshauptmann der Steiermark, engagierte sich dafür, Koren wieder nach Graz zu holen, was ihm auch gelang. Hanns Koren trat eine wissenschaftliche Assistentenstelle im Volkskundemuseum in Graz an und wurde Berater des Landeshauptmannes in kulturpolitischen Belangen. Nach der Übernahme 1938 sollte Koren entlassen werden, was Viktor Geramb verhindern konnte, allerdings wurde Koren 1939, um ihn auf diese Form von seiner Stelle zu entfernen, pensioniert. 1940 erhielt er einen Einberufungsbefehl zur Deutschen Wehrmacht, die er nach vier Jahren krankheitsbedingt wieder verlassen konnte. Ende 1945 habilitierte sich Koren bei seinem Lehrer Viktor von Geramb und wurde 1951 außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Volkskunde in Graz. 1955 übernahm er die Leitung dieses Instituts. Nach 1945 engagierte sich Koren

118 Hanns Koren, geboren 1906 in Köflach, Steiermark, gestorben 1985 in Graz. ÖVP-Politiker und Volkskundler (Zitzenbacher, LandesChronik Steiermark, 1988, S. 279). 119 Fritz Czoklich: Hanns Koren: Wir wollen nicht im Winkel leben. In: Zitzenbacher, Walter (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988, S. 452. 120 Landeshauptmann von Steiermark von 1934 bis zu seiner Deportation 1938 nach Dachau. Gerhard Schwarz: http://www.graz.at/cms/beitrag/10096256/1869835/ vom 4.12.2016.

42 zusätzlich bei den Neuerungsbewegungen der Katholischen Kirche und wurde 1950 Vorsitzender der Katholischen Aktion Steiermark. 1953 wurde Hanns Koren in den Nationalrat gewählt und verließ dafür vier Jahre lang die Steiermark zu Gunsten Wiens. Landeshauptmann Josef Krainer senior berief Hanns Koren als Kulturreferent in die Steiermärkische Landesregierung im Jahre 1957. Für Koren schien der Blick in die Zukunft immer wichtiger als die primäre Orientierung an der Vergangenheit gewesen zu sein. Er initiierte die Gedenkfeier zum 100. Todestag von Erzherzog Johann (1969) als Aufforderung zur Gestaltung der Zukunft und nicht nur als Huldigung des verdienstvollen steirischen Wohltäters. Der Erfolg gab ihm recht und Hanns Koren sollte sein gesamtes Arbeitsleben der Prämisse der Neugestaltung widmen, der gesellschaftlichen und politischen, sowie kulturpolitischen Auseinandersetzung mit Gegenwart und Zukunft, wobei ihm Hindernisse, seien sie personeller oder institutioneller Art, nie ein Grund zum Aufgeben seiner Pläne waren. Ein Buch, von Hanns Koren verfasst, hat den bezeichnenden Titel: „Verwandlung der Heimat“. Der Politiker und Volkskundler Hanns Koren ging als engagierter Gründer vieler grenzüberschreitender kultureller und wissenschaftlicher Unternehmungen in die Geschichte des Landes ein.121

Obzwar Hanns Koren aus einem eher konservativen Umfeld stammte, fürchtete er sich nicht, dass moderne Strömungen die Tradition negativ beeinflussen könnten. Er verließ sich auf die Kraft des Traditionellen und wusste, dass diese durch avantgardistische Einwirkungen nur gewinnen konnte.122 Oder er war sich vielleicht auch der Tatsache bewusst, dass es in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer heikel war, zu viel an Tradition zu zeigen, da die Instrumentalisierung konservativer Kunst noch eindeutig im Bewusstsein der Bevölkerung zugegen war. Die Förderung von avantgardistischer Musik, die sich mit Themen der Gegenwart auseinandersetzt, schien vielleicht auch ideologisch einfacher zu sein.

121 Fritz Czoklich: Hanns Koren: Wir wollen nicht im Winkel leben. In: Zitzenbacher, Walter (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988, S. 452ff. 122 Elisabeth Welzig: Literatur und journalistische Literaturkritik. Untersucht an den steirischen Tageszeitungen 1945-1955. Stuttgart: Heinz 1979. Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik Band 60, S. 33.

43 Künstlerische Darbietungen, die traditionelle und neue Musik verknüpfen und die instrumentalisierte konservative Form der Performativität aus dem Kontext heben, irritieren nachweislich das Publikum in höchster Form.123 Der in der konservativen Tradition beheimatete Hanns Koren wollte deswegen auch größere Störungen bei der Bevölkerung verhindern. Eine musiktheoretisch wissenschaftlich fundierte Avantgarde schien sich hier anzubieten und wäre bezüglich soziokultureller Negativ-Wirkung und politischer Aussage geradezu harmlos. Zeitgenössische Kunst wissenschaftlich fundiert darzubringen schien Hanns Koren vermutlich eine Methode, das heikle Problem der Irritation des an der Tradition verhafteten Publikums abzuschwächen.

Die Bildung der Erwachsenen war Hanns Koren ebenso ein Anliegen wie die Auseinandersetzung mit Themen der Zeit, je heikler und strittiger umso besser, trotz aller bereits angesprochenen Vorsicht. Er trachtete danach, den Zugang zur Kunst der Gegenwart für das breite Publikum zugänglich zu machen, denn das Verstehen der Kunst der Zeit sei genauso wichtig, wie die Analyse der soziopolitischen Aspekte der Zeit, weil die Kunst wie soziale, wirtschaftliche und politische Aspekte, das Leben der Gegenwart beeinflusse. Die Kunst als gestaltender Teil der Gesellschaft hatte dabei für Koren den gleichen Wert wie Politik und Wirtschaft.124 Er initiierte internationale Ausstellungen im Museum für Volkskunde auch mit der Intention eines völkerverbindenden Gedankens. Der obsoleten Bezeichnung von „Innerösterreich“ passte er eine neue Grundidee an – die Aufgabe „einer aus Ressentiments und Missverständnissen so schwer herauszufindenden Welt zu dienen.“125 Das Land Steiermark verstand Hanns Koren mit all seinen Eigenarten als geistig-beweglichen Mittelpunkt, der zu präsentieren war, jedoch immer in gegenseitiger Befruchtung mit seinen Nachbarländern, deren ehemalige Grenzen das „alte Österreich“ beinhaltete. Die Frage des nationalen Selbstverständnisses scheute

123 Sabine Zelger: Die Störung des nationalen Blicks oder Warum der österreichische Bildungskanon nicht auf die Staatsoperette verzichten darf. In: Staatsoperetten. Kunstverstörungen. Das kulturelle Klima der 1970er Jahre. Herausgegeben von Evelyne Polt-Heinzl. Zirkular. Sondernummer 75. Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur. Wien S. 123-134. 124 Koren, Hanns: Im Spannungsfeld von gestern und heute. Graz, Festsaal des Schlosses Eggenberg, am 23. September 1963. Eröffnung der Vierten Steirischen Akademie. In: Koren: Reden. 1966, S. 279ff. 125 Hanns Koren: Die Kunst im Rhythmus der Gegenwart. Graz, Weißer Saal der Burg, am 14. September 1963. Zur Eröffnung der Dreiländer-Kunstausstellung TRIGON 63. In: Koren: Reden. 1966, S.288.

44 Koren ebenso wenig wie Unterschiede von sozialem Milieu und gegensätzliche Meinungen.126 Bei der Suche nach einer allgemeingültigen Wahrheit in der Frage der nationalen Idee des Staates und der Einheit im humanistischen Weltbild gestand er neben der Wissenschaft auch der Kunst einen wichtigen Part zu.127

5.1.2. Josef Krainer sen., Landeshauptmann (1903-1971)

Von 1948 bis 1971 war Josef Krainer Landeshauptmann der Steiermark. Mit seiner integren Persönlichkeit nahm er auch in der Bundespolitik eine wichtige Stellung ein, von 1965-1967 war er Mitglied des Bundesrats, im Jahr 1967 hatte er den Vorsitz inne. Seine volksnahe Politik war von hohen Wertvorstellungen getragen. Er sah das Ziel seines politischen Daseins im Gestalten und Verändern und war dabei aufgeschlossen für Neues. Seine Wurzeln als Bauernkind und seine beruflichen Anfänge als Arbeiter musste er nicht verleugnen, sie verliehen ihm einen direkten, unverstellten Zugang zum Wandel der gesellschaftlichen Strukturen und seiner Reaktion darauf.128 Josef Krainer galt als konservativ in dem Sinne, als er realitätsbezogen und ideologiekritisch agierte. Sein politisches Denken, das dem europäischen Gedanken aufgeschlossen gegenüberstand,129 mag für seine positive Haltung hinsichtlich der Entstehung des steirischen herbstes verantwortlich sein. Mit seiner Kulturpolitik, die sich neuen Dimensionen, ob geographisch oder künstlerisch, immer aufgeschlossen zeigte, hatte er eine Vorreiterrolle inne, nicht nur auf nationalem Gebiet.130

5.1.3 Hans Dattinger

Ihm gebührt eine Erwähnung, da er mit großem Engagement als Sekretär des Landeskulturreferenten die Verwaltungsarbeit der Steirischen Akademie und deren Veranstaltungsabwicklung durchgeführt hat. Diese Aufgabe erledigte er

126 Eva Schäffer: Theater im Forum Stadtpark. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz. Band 15. Graz 1984, S. 223. 127 Hanns Koren: Der Weg zur Einheit. Graz, Festsaal des Schlosses Eggenberg am 21. September 1964. Eröffnung der Fünften Steirischen Akademie 1964. In: Koren: Reden 1966, S. 345ff. 128 http://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Biographien/Krainer,_Josef_sen. vom 25.3.2014 129 http://www.landeshauptmann.steiermark.at/cms/beitrag/10188691/5304413 vom 25.3.2014 130 Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Styria Graz 1977, S. 11.

45 offensichtlich sehr erfolgreich, da er auch in der Schrift „10 Jahre steirischer Herbst“ genannt wird.131

5.1.4. Armgard Schiffer-Ekhart

Die Administratorin der ersten Trigon-Ausstellung hat die Planung dieser Veranstaltung begonnen, ehe die offiziellen Zugeständnisse dafür vorhanden waren. Ihr Fachwissen war beispielgebend für die weiteren Festivals.132

5.1.5. Paul Kaufmann (1925-2015)

Er förderte von Anfang an die Idee des steirischen herbstes und war auch von 1968- 1990 dessen Generalsekretär. Schon bevor er dieses Amt übernahm, war er für die Organisation des Festivals verantwortlich.133 Seit 1963 war Kaufmann politisch als Landespressereferent des ÖAAB Steiermark tätig, 1971-1979 und 1983 war er Abgeordneter zum Nationalrat und von 1981-1982 Mitglied des Bundesrates. Kaufmann hatte Volkskunde, Germanistik und Philosophie an der Universität Graz (Dr. phil.) studiert und war als Chefredakteur der Wochenzeitung „Sonntagspost“ (1963) und innenpolitischer Redakteur bei der „Südost-Tagespost“ (1956) tätig. Zwischen 1949 und 1951 war er bei den Verlagen Styria/Graz und Müller/Salzburg beschäftigt.134 Der spätere Präsident des steirischen herbstes Kurt Jungwirt würdigte anlässlich des Todes von Paul Kaufmann dessen Engagement. Er sah ihn als: „persönlich wesentlichen Unterstützer und hervorragenden Koordinator der unterschiedlichen Institutionen, aus denen sich der Steirische Herbst in seinen Anfängen entwickelte und als Mann der guten Verbindungen zur Künstlerschaft in 135 einer Zeit des Experiments und des Aufbruchs in der zeitgenössischen Kunst".

131 Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Styria Graz 1977, S. 11. 132 Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Styria Graz 1977, S. 11. 133 Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Graz (Styria) 1977, S. 11. 134 https://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_00786/index.shtml#tab-Ueberblick vom 11.4.2017. 135 http://derstandard.at/2000010973336/Steirischer-Herbst-Mitbegruender-Paul-Kaufmann-gestorben vom 11.04.2017.

46 5.1.6. Harald Kaufmann (1927-1970)

Der Musikwissenschafter, Psychologe, Philosoph und Jurist war Mitbegründer des Instituts für Wertungsforschung an der Musikhochschule (seit 2009: „Institut für Musikästhetik“)136. Erich Marckhl gründete das Institut für Wertungsforschung nach dem Konzept von Harald Kaufmann, der es ursprünglich als „Institut für Kulturpublizistik“ titulierte mit dem Forschungsschwerpunkt zeitgenössische Musik und ihre Rezeption. Kaufmann leitete das Institut bis zu seinem Tod. Unter seinem Nachfolger Otto Kolleritsch begann schon ab 1970 eine künstlerisch- wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem steirischen herbst und dem musikprotokoll137. Kaufmann war Verfasser des Buches „Neue Musik in Steiermark – ein kritisch chronistischer Versuch“. Darin bezeichnet er die Steiermark als „Inkubationslandschaft großer neuer Musik“. 138 Dieser Enthusiasmus für avantgardistische Strömungen insbesondere der Musik war für Harald Kaufmann Lebensaufgabe. Die Tradierung der „Zweiten Wiener Schule“ der Bevölkerung nahezubringen, war ihm ein Herzensanliegen. Aus diesem Grund lehrte er am Volksbildungswerk, an der „Urania“, seit 1950, hatte die Leitung des Ressorts Musik inne und hielt in dieser Funktion Vorträge über die Musik der „Zweiten Wiener Schule“ und über aktuelle Strömungen der Musik der Gegenwart. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung „Neue Zeit“, veröffentlichte als Publizist in deutschen und schwedischen Printmedien und war freier Redakteur beim Österreichischen Rundfunk und bei deutschen Radiostationen. Seine emsige Mitarbeit bei der Konzertreihe „Studio für Probleme zeitlich naher Musik“ prägten diese Veranstaltungen maßgeblich. Sein Ethos als Musikwissenschafter war das eines Analytikers, der ein umfassendes Reflektieren über Musik zu erkennen

136 http://musikaesthetik.kug.ac.at/en/institute-14-aesthetics-of-music/geschichte.html vom 11.4.2017. Siehe weiters die Rektoratsbeschlüsse der Kunstuniversität Graz vom 14. Jänner und 18. März 2009: www.kug.ac.at/fileadmin/media/direktion_v_75/.../mb16_S2_bis_S5_orplan.doc vom 11.4.2017. 137 http://musikaesthetik.kug.ac.at/en/institute-14-aesthetics-of-music/geschichte.html vom 11.4.2017. 138 Karl Acham: Vorbemerkung: Künstlerisches Schaffen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts – ein Überblick. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2009. S. 172.

47 trachtete, indem er deren philosophische, kunstwissenschaftliche, ethnische, historische, soziologische etc. Implikationen thematisierte.139 Diese interdisziplinäre Herangehensweise war für diese Zeit neu. Die von Kaufmann fokusierte Idee des Bildungsauftrages hat einen guten Boden bei Politikern und Publikum für das Avantgarde-Festival steirischer herbst gebildet.

Harald Kaufmann mehr als 200 Radiosendungen über Musik, musikalische Reiseberichte, Hörspiele und neben Sendungen mit Musik aus Vergangenheit und Gegenwart und im Jahr 1948 auch sechs Sendungen über Jazzmusik. Das war für diese Zeit eine außergewöhnliche Pionierleistung. Außerdem beschäftigte sich Harald Kaufmann mit der seit der Nazizeit verloren gegangenen jüdischen Kultur, dabei betrachtete er alle Kultursparten umfassend und beschränkte sich nicht nur auf musikalisches Genre.140

5.1.7. Karl Hans Haysen (1926-1986)

Der Journalist, Redakteur und Ressortchef für Kultur der Kleinen Zeitung war ein Wegbereiter des forum stadtpark. Bei der Gründung des steirischen herbstes unterstützte er medial seinen Freund Hanns Koren. Karl Hans Haysen war in der Grazer Kulturszene zu Hause und ein Förderer vieler steirischer Künstler.141 Als Redakteur der Kleinen Zeitung setzte sich Haysen für das forum stadtpark als Heimstätte für die lokale Künstlerszene ein und inspirierte seine Kollegen in den Redakteurbüros der Zeitungen mit Erfolg sich auch dafür einzusetzen.142 Trotz seiner Aktivitäten für die Entstehung des steirischen herbstes und trotz seiner Euphorie für das Avantgardefestival berichtete er kritisch – siehe die Rezensionen

139 Werner Grünzweig, Gottfried Krieger: Werten als Wissenschaft: Spurlinien eines Begriffs. Der Grazer Musikforscher Harald Kaufmann (1927-1970). In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2009, S. 609-623. Siehe auch: Gottfried Krieger: Zum Leben und Wirken von Harald Kaufmann (1927-1970): http://musikaesthetik.kug.ac.at/institut-14- musikaesthetik/harald-kaufmann/leben.html vom 11.4.2017. 140 http://musikaesthetik.kug.ac.at/fileadmin/media/institut- 14/Dokumente/Texte_ueber_Kaufmann/Krieger_-_Volksbildner_und_Philosoph__Kritiker_und_kriti.pdf vom 17.6.2017. 141 http://www.styria.com/de/styria/person_haysen.php vom 25.03.2014. 142 Christine Rigler: forum stadtpark. In: Christine Rigler (Hg.): Forum Stadtpark. Die Grazer Avantgarde von 1960 bis heute. Wien (Böhlau) 2002, S. 12.

48 mit dem Kürzel „Y“ – und mit seiner Fachkompetenz förderte er die Öffentlichkeitswirksamkeit des steirischen herbstes.143 Ein Bild seiner Persönlichkeit und der große Einfluss von Karl Hans Haysen ist wohl durch den Text von Peter Vujica (vom 26.9.2003) treffend beschrieben:

Blatt für Charly posten Vor ein paar Tagen war in der Kulturhauptstadt so nebenbei von ihm die Rede. Und meistens sind jene Menschen, von denen nur hin und wieder und ganz nebenbei die Rede ist, nicht eben die unwichtigsten. So darf mit aller Bestimmtheit gesagt werden, dass die diesjährige Kulturhauptstadt ganz gewiss keine solche wäre, hätte es Charly nicht gegeben, der mit vollem Namen Karl Hans Haysen hieß. Pikanterweise war der Mann, der das geistige Klima und das kulturpolitische Geschehen in Graz wesentlich geprägt hat, ein Wiener. Was man dem grazilen Pykniker, der sogar im Sitzen noch unruhig zu tänzeln verstand, schon vom Weiten ansah. Johann Nestroy hätte ihn erschaffen haben können: Sein Outfit mit schmalem, schwarzem, schwungvoll zum Mäschchen gebundenem Samtband, das bald in Karos, bald in eigenwilligen Mustern prangende Samtgilet unter dem Sakko und die meist ebenfalls karierte Hose ließen in ihm alles eher vermuten als einen entschlossenen Vorkämpfer der Moderne. Zumal eine seiner Domänen als Kulturredakteur der Kleinen Zeitung neben der Berichterstattung über bildende Kunst paradoxerweise auch noch die Operette war.

Ein Metier, in dem der charmante Herr, der mit näselnder Stimme ein Bonmot nach dem anderen von sich gab, jederzeit auch auf der Bühne beste Figur gemacht hätte. Doch Charly spielte seine Hauptrollen, die er sich meist selbst übertrug, überwiegend hinter den Kulissen. Und dies mit geradezu virtuoser Brillanz. Seine öffentlichen Auftritte erfolgten meist in knapper Form. Was er zu sagen hatte, fasste er in wenige kursiv gesetzte Zeilen, die er mit dem Pseudonym Ypsilon zeichnete. Und dieses Wörtchen Ypsilon hatte unter allen, die in der Steiermark in Kunst und Kulturpolitik was zu sagen und zu machen hatten, die magische Kraft, wie man sie sonst nur vom Z in alten Zorro-Filmen kennt: Um dieses Ypsilon kam einfach keiner herum. Das Geheimnis von Charlys Macht lag in seinen Kontakten und in seiner Gabe, solche zu schließen.

143 Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Graz (Styria) 1977, S. 11.

49 Wer in Graz etwas wollte oder etwas oder einen nicht wollte, wandte sich an ihn. In seinem Redaktionszimmer gaben sich die jungen Künstler - Gerhard Moswitzer, Wolfgang Hollegha, Fritz Hartlauer, Hermann Painitz, Hans Staudacher - die Klinke in die Hand. Und in verrauchten Extrazimmern kleiner Wirtshäuser berieten Politiker aller Couleurs über den weiteren Verbleib oder die Ablösung von Theaterintendanten. Auch das Forum Stadtpark gäbe es nicht, wäre Charly nicht gewesen. Erst sein Brandartikel führte zur Genehmigung des Baus. Und ohne Charlys markante kulturpolitische Einwürfe gäbe es auch keinen steirischen herbst, der soeben zum 35. Mal seinen Anfang nimmt.144

5.1.8. Wolfgang Arnold (1921-1998)

Der Schriftsteller und von 1957-1986 Kulturredakteur der Südost-Tagespost145 setzte sich wie Karl Hans Haysen für die Gründung des forum stadtpark ein.146 1962 kam es jedoch zu einem Zerwürfnis mit seinen Mitstreitern.147 Arnold war der Idee des steirischen herbstes wohlgesonnen. Seine differenzierten Kulturberichte evozierten oftmals Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern des Festivals und trugen so zu einer medialen und publikumswirksamen Aufmerksamkeit bei.148 Der religiös geprägte Redakteur war stets bemüht, unwahren Tendenzen in der Sprache, respektive in der Informationsweitergabe der Presse entgegenzuwirken.149

5.1.9. Alfred Holzinger (1918-1979)

Der im Grunde konservative Literat – er verehrte Paula Grogger und Franz Nabl – war als Leiter der Literatursparte des forum stadtpark äußerst engagiert, junge avantgardistische AutorInnen zu fördern. Er initiierte diesbezüglich Veranstaltungsreihen und Lesungen im forum stadtpark und verhalf den jungen

144 http://derstandard.at/1425214/Blatt-fuer-Charly vom 11.4.2017. 145 http://data.onb.ac.at/nlv_lex/perslex/A/Arnold_Wolfgang.htm vom 11.4.2017. 146 Christine Rigler: forum stadtpark. In: Christine Rigler (Hg.): Forum Stadtpark. Die Grazer Avantgarde von 1960 bis heute. Wien (Böhlau) 2002, S. 12. 147 https://franz-nabl-institut.uni-graz.at/de/bestaende/vor-und-nachlaesse/bestandsuebersicht/arnold- wolfgang/ vom 11.4.2017. 148 Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Graz (Styria)1977, S. 11. 149 Konrad Maritschnik: Ein unbequemer Journalist. In: Neues Land vom 19. 8. 2005, S. 17. http://neuesland.at/archiv/years/2005/33/NELA_LAND_0819_17_X.pdf vom 11.4.2017.

50 AutorInnen wie Peter Handke, Wolfgang Bauer oder Alfred Kolleritsch im Rahmen seiner Leitungsfunktion der Hörspiel- und Literaturabteilung des Landesstudio Steiermark im Österreichischen Rundfunk zu Veröffentlichungen und Radioauftritten.150 Damit war er herausragend innovativ im Vergleich zu den übrigen Landesstudios des ORF, die sich auf traditionellem Parkett in ihrer Programmgestaltung bewegten.151 Holzinger hat das Literatursymposion im steirischen herbst begründet und als Leiter der Literatur- und Hörspielabteilung des steirischen Rundfunks war er hochaktiv, um den steirischen herbst über die Landesgrenzen hinaus publik zu machen.152

5.1.10. Günter Waldorf (*1924)

Günter Waldorf gehörte neben Othmar Carli und Gustav Zankl zur Jungen Gruppe, die für die Gründung des forum stadtpark verantwortlich zeichneten. Er war Referent für bildende Kunst im forum stadtpark, einer seiner Konzeptpunkte für das forum stadtpark lautete: „Es soll ein geistiger Mittelpunkt sein, in dem der Gedanke der Welteinheit aller Kunstformen lebendig demonstriert wird.“153 Waldorf war zudem Mitglied des jungen Kreises, der Literatur, Musik und Malerei kommunikativ zueinander in Szene stellte. Der Komponist Franz Koringer und der Schriftsteller Alois Hergouth waren die anderen beiden des Dreigestirns.154 Waldorf stellte Kontakte zu den Kulturreferenten des Landes her und forcierte die Verbindungen zu den Trigon-Ländern.155

150 Manfred Mixner: Das Forum Stadtpark und der ORF. Eine Erinnerung an Alfred Holzinger. In: Literatur in Graz seit 1960 – Das Forum Stadtpark. Wien, Köln (Böhlau) 1989. (Walter Buchebner- literaturprojekt 2). S. 13ff. 151 Alfred Treiber: Ö1 gehört gehört. Eine kommentierte Erfolgsgeschichte eines Radiosenders. Köln, Weimar (Böhlau) 2007, S. 44. 152 Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Graz (Styria) 1977, S. 11. 153 Günter Waldorf: [Konzeptpapier] (s.d., im Archiv Forum Stadtpark). 154 Werner Jauk: Musik. In: Christine Rigler (Hg.): Forum Stadtpark. Die Grazer Avantgarde von 1960 bis heute. Wien (Böhlau) 2002, S. 12 und S. 118. 155 Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Graz (Styria) 1977, S. 11.

51 5.2. Kunstschaffende 5.2.1. Emil Breisach (1923-2015)

Emil Breisach ist der Gründer des musikprotokolls. Er war der Leiter des Referats Theater und Kabarett im forum stadtpark. Breisach war Regisseur und an den Vereinigten Bühnen engagiert. Im ersten Prospekt aus dem Gründungsjahr des forum stadtpark waren die Konzepte Breisachs wie folgt formuliert: „’Revolutionäre des modernen Theaters’ – ‚Das epische Theater – das poetische Theater – das absurde Theater’. Studio- und Leseaufführungen. Vorträge, Diskussionen.“156 Durch die Kontakte von Emil Breisach zur Grazer Theaterszene konnten viele SchauspielerInnen für Projekte im forum stadtpark gewonnen werden. Aber auch Theaterleute aus Wien gastierten beim forum stadtpark auf einer Einladung von Emil Breisach.157

Von 1968 -1988 war Emil Breisach Intendant des ORF Landesstudio Steiermark und in dieser Funktion Mitbegründer des steirischen herbstes.158 Seine Affinität zur zeitgenössischen Kunst manifestierte sich nicht zuletzt in der Gründung des musikprotokolls. Dabei hatte er auch mit Gegenwind zu kämpfen. Er hatte bei vielen vorhergehenden Projekten unzählige Hürden überwinden müssen, brachte jedoch die nötige Kraft zur Durchsetzung seiner Ideen mit. Emil Breisach wollte mit dem musikprotokoll Graz zur Reputation im internationalen Musikleben verhelfen.159

5.2.2. Peter Vujica (1937-2013)

Komponist, Musikkritiker, Dramaturg, Autor. Er promovierte in Germanistik, studierte auch Anglistik, Klavier und Komposition. Als Peter Daniel Wolfkind (Vujica bedeutet kleiner Wolf im serbischen) trat er als Musiker und Komponist in Erscheinung. Er wirkte auch beim Bau des Forum Stadtpark mit. 1960 gelangte dort

156 Eva Schäffer: Theater im Forum Stadtpark. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz. Band 15. Graz 1984, S. 223. 157 Eva Schäffer: Theater im Forum Stadtpark. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz. Band 15. Ebda. S. 223ff. 158 http://steiermark.orf.at/news/stories/2688621 vom 4.12.2016. 159 http://we1.orf.at/programm/350038 vom 25.03.2014.

52 die Sonate für Violine und Klavier und eine Toccata zur Uraufführung. 1963-1966 war er Dramaturg an der Grazer Oper.160 Peter Vujica veröffentlichte Kritiken in der Wahrheit, bei der Süd-Ost-Tagespost und von 1966-1982 war er Kulturredakteur bei der Kleinen Zeitung, ab 1989 beim Standard. Er veröffentlichte ebenso Erzählbände im Suhrkamp Verlag. Vujica war einer der wichtigsten Mitbegründer des musikprotokolls. Von der Gründung bis 1973 hatte er die Organisation des musikprotokolls koordiniert und war deren Spiritus rector. 1983-1989 war er Intendant des steirischen herbstes.161

5.2.3. Ernst Ludwig Uray (1906-1988)

Komponist, Schüler von Joseph Marx und Franz Schmidt. Er lehrte Musiktheorie an der Wiener Musikakademie. Von 1946-1974 leitete er den Radiosender Sendergruppe Alpenland, der 1954 in Radio Graz umbenannt wurde, Uray leitete dabei das Ressort Ernste Musik. 1961-1979 war er zudem Präsident des Steirischen Tonkünstlerbundes. Ernst Ludwig Uray war in seiner Funktion als Programmverantwortlicher des Rundfunks im Landesstudio Steiermark einer der Gründer des steirischen musikprotokolls.162 Für das musikprotokoll hatte er auch im Rundfunk die Koordination des Programms inne.163

160 http://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Biographien/Vujica,_Peter vom 4.12.2016. 161 Rudolf Flotzinger: Österreichisches Musiklexikon, Kommission für Musikforschung Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2002–2013. http://han.kug.ac.at/han/OesterreichischesMusiklexikon/www.musiklexikon.ac.at/ml?frames =yes Onlineversion vom 30.03.2014. Siehe auch: Predrag Vranicki: Steirische Akademie. Das Humane und die Manipulation des Menschen. In: Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Dokumentation. In: Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Wien (Mundus) 1977, S. 29. Siehe auch: Thomas Trenkler: Peter Vujica. http://derstandard.at/1385172154951/Peter-Vujica-gestorben vom 18.6.2017. 162 Rudolf Flotzinger: Österreichisches Musiklexikon, Kommission für Musikforschung Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2002–2013. http://han.kug.ac.at/han/OesterreichischesMusiklexikon/www.musiklexikon.ac.at/ml?frames =yes Onlineversion vom 30.03.2014. 163 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 2.

53 5.2.4. Dieter Glawischnig (*1938)

Pianist, Dirigent, Komponist, Musikwissenschafter. Dieter Glawischnig war und ist Jazzmusiker und hat sich auch ausführlich wissenschaftlich mit Jazz beschäftigt. Für ihn stand die Zusammenarbeit mit verschiedenen Disziplinen im Vordergrund. Er begann „Free Jazz“ wissenschaftlich zu verorten und bediente sich dabei verschiedener Medien. So arbeitete er mit dem Dichter Ernst Jandl zusammen, mit Gunter Falk und mit dem Wissenschaftsreferat des forums stadtpark, dem Trude Aldrian vorstand. Diese fruchtbare Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Künsten untereinander und zwischen Kunst und Wissenschaft lässt sich auch andernorts finden: Etwa wenn Manfred Blumauer im musikprotokoll, im Institut für Wertungsforschung sowie im Institut für Jazz- und Popularmusikforschung unter Friedrich Körner einen Grundstein für die Verschmelzung von Theorie und Praxis der Musik weiter ausgebaut hatten. Die Zeit nach Dieter Glawischnig war global geprägt durch die Prämisse: das Alltägliche wird zur Kunst erhoben. Dieter Glawischnig war im Genre der Jazzmusik einer der nationalen Wegbereiter dieser Umbewertung der Kunst, da er sich praktisch und theoretisch mit dieser Musikform auseinandersetzte.164 Er war Mitbegründer des Instituts für Jazz und Popularmusikforschung an der Hochschule für Musik in Graz und im forum stadtpark als Jazzpianist engagiert.165

5.2.5. Karl Ernst Hoffmann (1926-2014)

Chorleiter, Gesangspädagoge. Karl Ernst Hoffmann fungierte als Chorleiter am Konservatorium der Stadt Wien, dann im steirischen Murau und Hartberg. 1953 gründete er in Graz einen a-capella-Chor „Die Kantorei“, mit dem er internationale Tourneen unternahm. 1963 erhielt er eine Professur für Chordirigieren an der

164 Werner Jauk: musik. Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Verlag Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2002, S. 122ff. 165 Rudolf Flotzinger: Österreichisches Musiklexikon, Kommission für Musikforschung Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2002–2013. http://han.kug.ac.at/han/OesterreichischesMusiklexikon/www.musiklexikon.ac.at/ml?frames =yes Onlineversion vom 30.03.2014.

54 Kunstuniversität in Graz.166 Er gründete das Pro Arte Ensemble. Von 1970-1989 war er Leiter des Musikressorts am ORF-Landesstudio Steiermark. Hoffmann bewies während seiner Zeit beim steirischen Rundfunk großes Engagement für das musikprotokoll.167 Interessanterweise stellte er an den Generalsekretär Paul Kaufmann ein Ansuchen, ob der Hochschulchor (früher: Akademiechor), den er selbst leitete, beim steirischen herbst im Jahr 1971 auftreten könne, und zwar mit folgender Programmauswahl: Joseph Haydn: Die Jahreszeiten, Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem oder Anton Bruckners Messe in f-moll.168 Das ist für den steirischen herbst ein nicht so abwegiger Programmvorschlag, wie es scheinen mag: Gilt es doch hier – anders als beim musikprotokoll – auch der Tradition Honeurs hinsichtlich der Programmgestaltung zu erweisen.

5.2.6. Erich Marckhl (1902-1980)

Komponist. Der Ruf von Erich Marckhl war auf Grund seiner NS-Mitgliedschaft negativ geprägt. Er gründete das „Studio für Probleme zeitlich naher Musik“ und schuf damit eine Plattform für Experimentelle Musik der Gegenwart. Auf seine Intitiative gab Pierre Boulez 1957 ein Gastspiel in Graz, er spielte seine 1. Klaviersonate und gab einen Vortrag über seine eigene Musik.169 Von 1952-1971 war Marckhl Landesmusikdirektor und ab 1958 auch Direktor des Grazer Konservatoriums. Er setzte sich für das Musikschulwesen ein und in seiner Amtszeit wurde 1968 das Konservatorium zur Akademie für Musik und darstellende Kunst umbenannt, 1971 erhielt die Anstalt dann den Titel Hochschule. Nicht zuletzt war

166 Wolfgang Suppan: Steirisches Musiklexikon. 2. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage der Ausgabe 1962-1966. Graz (Akademische Druck-und Verlagsanstalt) 2009. 167 Rudolf Flotzinger: Österreichisches Musiklexikon, Kommission für Musikforschung Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2002–2013. http://han.kug.ac.at/han/OesterreichischesMusiklexikon/www.musiklexikon.ac.at/ml?frames =yes Onlineversion vom 30.03.2014. 168 Karl Ernst Hoffmann: Brief an Paul Kaufmann vom 12.11.1970. Archiv des steirischen herbstes, Graz. 169 Karl Acham: Vorbemerkung: Künstlerisches Schaffen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts – ein Überblick. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2009. S. 172. Siehe auch: http://musikaesthetik.kug.ac.at/fileadmin/media/institut14/Dokumente/Texte_ueber_Kaufmann/Krieger_- _Volksbildner_und_Philosoph__Kritiker_und_kriti.pdf vom 18.6.2017.

55 Erich Marckhl als Komponist bekannt.170 In seinen Werken pflegte er einen zurückhaltenden modernen, der Klassik und Vorklassik angelehnten Stil.171 Die Positionierung der Kunst im gesellschaftlichen Kontext war für Marckhl ein wichtiges Anliegen. Eine positive Bewältigung des Lebens, ohne sich mit Kunst oder Wissenschaft zu beschäftigen, hielt er für nicht möglich. Das „musische Bildungsideal“172 war für ihn ausschlaggebendes Ziel. In seiner Zeit als Leiter der Grazer Akademie fanden unter anderem die drei Balkanologentagungen und die internationalen Jazztagungen in Graz statt173 und legten so eine wissenschaftliche und künstlerische Grundlage für die internationale Aufmerksamkeit von Graz als musikalisches Zentrum innovativer Aktionen.

5.2.7. Rupert Doppelbauer (1911-1992)

Dirigent, Komponist, Musikwissenschafter. Er lehrte Tonsatz, Gambe und alte Kammermusik an der Hochschule für Musik in Graz und war ab 1964 Direktor der Landesmusikschule (vorher Konservatorium), ab 1970 Landesmusikdirektor.174 Doppelbauer war als Direktor der Landesmusikschule mit Ausdauer und Erfolg darum bemüht, aus dieser Institution „ein Zentrum für die Musik und speziell für die Musik der Jugend in Graz“ entstehen zu lassen.175 Seine vordringliche Aufgabe sah er in der Förderung der Begabungen jedes einzelnen Schülers, jeder einzelnen Schülerin um dadurch das „Profil der Gesellschaft zu veredeln.“176 Auf der Grundlage eines humanistischen Weltbildes den Charakter der SchülerInnen zu

170 Willi Konrad: Abriss der Steirischen Musikgeschichte. Steirischer Blaskapellenverband Heft 5, 1974, S. 13f. 171 Wolfgang Suppan: Steirisches Musiklexikon. 2. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage der Ausgabe 1962-1966. Graz (Akademische Druck-und Verlagsanstalt) 2009, S. 435. 172 Erik Werba: erich marckhl. Österreichische Komponisten des XX. Jahrhunderts. Band 20. Verlag Elisabeth Lafite Wien (Österreichischer Bundesverlag) Wien 1972, S. 22. 173 Erik Werba: erich marckhl. Österreichische Komponisten des XX. Jahrhunderts. Band 20. Ebda. S. 23. 174 Willi Konrad: Abriss der Steirischen Musikgeschichte. Steirischer Blaskapellenverband Heft 5, 1974, S. 14. Siehe auch: Rudolf Flotzinger: Österreichisches Musiklexikon. Kommission für MusikforschungVerlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2002–2013. http://han.kug.ac.at/han/OesterreichischesMusiklexikon/www.musiklexikon.ac.at/ml?frames =yes Onlineversion vom 30.03.2014. 175 Landesrat Kurt Jungwirth in der 27. Sitzung des Steiermärkischen Landtages, VIII. Periode vom 1., 2. und 3. Dezember 1976. Landesarchiv Steiermark, S. 25. http://www.landesarchiv.steiermark.at/cms/dokumente/12083711_112186624/b58dc94d/LTProt-1976- 12-01-S-1343-1383.pdf vom 12.4.2017. 176 Erich Markhl: Rede für Rupert Doppelbauer. [1976, s.l.]. UB-Archiv der Kunstuniversität Graz. UAKUG_TEM_B12.H69.08, S. 3.

56 bilden, eine reife Persönlichkeit zu formen und die Fähigkeit dadurch zu erhalten, mutig den Herausforderungen des Lebens zu begegnen, war für Rupert Doppelbauer Hauptmotiv seiner pädagogischen Tätigkeit. Durch sein ausgeprägtes Organisationstalent gelang es ihm, die musikalische Grundbildung im Land Steiermark zu qualitativ hochwertiger Entwicklung zu führen.177 Den Fokus auf die Bewahrung der inneren Werte zu legen, war ihm – wie auch Hanns Koren – ein wichtiger Faktor im künstlerischen Leben.

5.2.8. Friedrich Körner (*1931)

Der Trompeter hatte ab 1971 die Stelle des Landesmusikdirektors inne. Er war Leiter und Solotrompeter der „New Austrian Big Band“ und lehrte Trompete an der Musikakademie und zuvor an der Landesmusikschule. Seine Person war maßgeblich an der Gründung des Jazz-Institutes an der Musikhochschule Graz beteiligt, das er schließlich auch leitete. Ab 1969 war er Präsident der Internationalen Gesellschaft für Jazzforschung und ab 1971 Rektorstellvertreter der Hochschule für Musik.178 Seine Intention, das musikalische Umfeld wissenschaftlich zu erforschen, und Musik und Wissenschaft nicht getrennt zu betrachten, konnte er im forum stadtpark verwirklichen.179 Diese Idee der Verbindung von Kunst und Wissenschaft wurde beim steirischen herbst in Form von wissenschaftlichen Veranstaltungen weitergeführt.

5.2.9. Joseph Marx (1882-1964)

Komponist und Musikwissenschafter. Joseph Marx gilt als bedeutender steirischer Komponist, besonders seine zahlreichen Lieder, Orchesterwerke und seine Kammermusik haben sich erhalten. Er lehrte von 1914-1952 an der Universität Wien Musiktheorie, Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition, war 1922-1924

177 Erich Markhl: Rede für Rupert Doppelbauer. [1976, s.l.]. UB-Archiv der Kunstuniversität Graz. UAKUG_TEM_B12.H69.08, S. 3ff. 178 Willi Konrad: Abriss der Steirischen Musikgeschichte. Steirischer Blaskapellenverband Heft 5, 1974, S. 14. 179 Werner Jauk: musik. In: Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Ebda. S. 121.

57 Leiter der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien und von 1924-1927 Rektor der ersten Hochschule für Musik in Wien, die auf seine Initiative hin gegründet worden war.180 Von 1952-1957 lehrte Marx Musikwissenschaft an der Universität Graz, dabei folgte eine Vielzahl an prominenten Schülern seinem Unterricht, wie Ernst Ludwig Uray, Erik Werba, Johann Nepomuk David. Marx war nebenbei als Musikkritiker tätig und erhielt für sein Schaffen eine Reihe an Auszeichnungen.181 1932-1933 war er Berater der Atatürk-Regierung und für den Aufbau des türkischen Konzert- und Musikschulwesens sowie des Konservatoriums tätig. Hier war er als interkultureller Botschafter aktiv.182

5.2.10. Wolfgang Schaukal (1900-1981)

Maler, Graphiker, Volksbildner.183 Die Bildung des Volkes fernab von Schule und Universität lag in Graz zu einem Hauptteil seit 1919 in den Händen der „Urania“. Während und nach der Nazizeit umstritten, begann Wolfgang Schaukal nach Kriegsende mit der Revitalisierung des Instituts. Von 1947-1971 war er Direktor der Urania und bot ein reiches Bildungsprogramm, das von Vorträgen über Philosophie, Geschichte bis zur Kunstgeschichte und Musik reichte. Schaukal verpflichtete dazu Lehrende, die die „Créme de la Créme“ aus Wissenschaft und Kultur bildeten. Das herausragendste Anliegen war ihm die Vermittlung von Kunst und Kultur der Moderne. Die Strömungen der Gegenwart in Architektur, Malerei, Literatur, Theater, Philosophie und Musik waren Hauptthemen seiner Intention, dies schlug in seinen Projekten, Ausstellungen und interdisziplinären Diskursen zu Buche. Seine Auseinandersetzung mit der Rezeption zeitgenössischer Kunst legte einen Grundstein für die Möglichkeit der Entstehung des steirischen herbstes.184 Wolfgang Schaukal hatte auf künstlerischer Ebene dafür eine profunde Ausbildung genossen, er war Assistent von Herbert Böckl (1934-1938 – er beendete seine

180 http://www.joseph-marx-gesellschaft.org/de/joseph-marx.html vom 13.4.2017. 181 Willi Konrad: Abriss der Steirischen Musikgeschichte. Steirischer Blaskapellenverband Heft 5, 1974, S. 15f. 182 http://www.joseph-marx-gesellschaft.org/de/joseph-marx.html vom 13.4.2017. 183 http://home.galerie-remixx.at/index.php/schaukal-wolfgang.html vom 13.4.2017. 184 Walter Ernst und Markus Jaroschka: Die Schaukal-Ära und Graz. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Verlag Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2009, S 683-701.

58 Assistentenstelle wegen politischer Unstimmigkeiten mit Herbert Böckl) und beteiligte sich 1937 anlässlich der Weltausstellung in Paris an der großen Schau österreichischer Kunst. 1964 wurde er Lehrbeauftragter für künstlerische Gestaltung an der Technischen Universität Graz.185 Die weitreichenden Tätigkeiten Schaukals müssen auch politisch betrachtet werden. Als Karikaturist übte er Kritik am NS- System und mit dem Aufbau der Urania wollte er Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg aus der nationalsozialistischen Bürde herausführen. Schaukals Wirkung auf das Grazer Kulturleben war derart weitreichend, dass sich der Begriff „Schaukal-Ära“ etablierte.186

5.2.11. Reinhold Schubert (1928-1981)

Dem Nachfolger des Intendanten der Grazer Oper, Karlheinz Haberland, werden von J.M. Petz hervorragende diplomatische Fähigkeiten, gute Kontakte zur Grazer Presse und ein großes Maß an Flexibilität beschieden, die eminent dazu beigetragen haben, dass die Idee des steirischen herbstes verwirklicht werden konnte.187 Sein Vorgänger sah keine Möglichkeiten, dass die Vereinigten Bühnen Graz beim steirischen herbst mitwirken könnten, er führte terminliche und technische Schwierigkeiten an, die die Beteiligung beim Festival, das ja zu Beginn der Theatersaison stattfand, als eine zusätzliche unüberwindbare Hürde darstellen würde.188 Reinhold Schubert hatte diesbezüglich keine Bedenken, er hatte Germanistik, Kunstgeschichte und Komposition in Köln studiert, war von 1969 bis 1972 in Graz engagiert189 und brachte bereits 1968 fünf Neuinszenierungen als Beitrag zum steirischen herbst zur Aufführung,190 die jedoch nicht alle die Freude des Publikums oder zumindest der Kritiker hervorriefen. Die Mühsal, die der scheidende Intendant befürchtet hatte und deretwegen er die Teilnahme der Bühnen Graz am steirischen herbst absagte, schien doch ein fundierter Grund gewesen zu

185 http://home.galerie-remixx.at/index.php/schaukal-wolfgang.html vom 13.4.2017. 186 Walter Ernst und Markus Jaroschka: Die Schaukal-Ära und Graz. Ebda. S. 683f. 187 J. M. Petz: Der Kultur-Herbst. In: Analyse im September 1968. Kopie aus dem Archiv des steirischen herbstes. Graz. Siehe auch: http://www.was-wurde-aus.at/oper_graz.html vom 08.03.2015. 188 N.N.: Der „Steirische Herbst“ auf der „Probebühne“. In: Volksblatt vom 22.9.1968. 189 http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_S/Schubert_Reinhold.xml vom 08.03.2015. 190 Gerhard Mayer: Doppelte Hypothek. „Falstaff“ von Giuseppe Verdi. In: Die Wochenpresse 2. 10. 1968.

59 sein. So manche personelle Umbesetzung, die jeder Intendanzwechsel mit sich zu bringen scheint, tat ein Übriges, um die Schwierigkeiten noch zu verstärken. Das Volksblatt schreibt dazu, dass „Neuinszenierungen, ja sogar Erstaufführungen und Experimente, die dem verjüngten Ensemble aller Sparten eine schwere Hypothek auferlegten, [die] nicht überall mühelos bewältigt werden konnten.“191 Reinhold Schubert ließ sich allerdings weder von schlechter Kritik, noch von etwaigen Hürden dadurch beirren und brachte mit „Die Lederknöpfe“ von Rudolf Weishappel die erste Uraufführung des steirischen herbstes im Jahre 1970 an der Grazer Oper heraus.192

6. Institutionen und spezifische kulturelle Veranstaltungen als VorläuferInnen des musikprotokolls

Wenn Peter Vujica der Steiermark und seiner Hauptstadt Graz ein schlechtes Zeugnis ausstellt, was die Akzeptanz von neuen künstlerischen Richtungen betrifft, sieht er trotzdem in dieser Annahme den Grund für das Gelingen eines Festivals für neue Musik, da die wichtigen Faktoren immer erst aufblühten, wenn sie nur genügend Widerstand spürten.193

Vielleicht sah Vujica die kulturelle Situation in der Steiermark aber doch etwas zu trübe, denn zumindest in der bildenden Kunst scheint Graz die Moderne nicht vollkommen verschlafen zu haben: denn mit der Gründung der Grazer Sezession 1923 hielt laut Werner Fenz „die Moderne Einzug in der Steiermark“194. Diese Kulturvereinigung focht, wie auch später das musikprotokoll, Kämpfe zwischen Tradition und Moderne aus, besonders im architektonischen Bereich. In der Nazizeit wurde sie, wie alle derartigen Vereine, untersagt. Nach 1945 wurde mit der Eröffnung des Künstlerhauses an die avancierten Strömungen angeschlossen. Die

191 N.N.: Vorerst zwiespältige Eindrücke. Grazer Bühnen unter neuer Intendanz: Fünf Premieren im „Steirischen Herbst“. In: Volksblatt [s.d.]. 192 http://www.was-wurde-aus.at/oper_graz_1970-1979.html vom 08.03.2015. 193 Peter Vujica: Der „steirische herbst“. In: Christa Steinle und Alexandra Foitl (Hgg.): Styrian Window (Bildende Kunst in der Steiermark. 1970-1995). Graz 1996, S. 216. 194 Werner Fenz: Die Steiermark im 20. Jahrhundert: Kunst zwischen 1938 und 1999. 1938-1945: „Sieg und neues Leben“ in der Steirischen Kunst? http://www.uni-graz.at/werner.fenz/texte/stmk_kunstvolltext.html Onlineversion vom 18.02.2015.

60 „Junge Gruppe, die „Vereinigung bildender Künstler Steiermark“ und der „Künstlerbund Graz“ fanden hier ein Domizil. Die „Junge Gruppe“ ging dann ins Forum Stadtpark über.195

6.1. Die Grazer Sommerspiele

Im September des Jahres 1945 wurde unter Patronanz der britischen Besatzungsmächte die erste Grazer Festwoche eröffnet. Später wurde die jährlich stattfindende Veranstaltungsreihe in Grazer Festspiele – in Anlehnung zu Salzburg – umbenannt, und schließlich erhielt sie die Bezeichnung Grazer Sommerspiele. Mit Eröffnung des steirischen herbstes flossen sie in diesen Veranstaltungsreigen ein.196

Die Grazer Sommerspiele sollten auf Intention der Besatzungsmächte ein qualitativ gleichwertiges Pendant zu den Salzburger Festspielen darstellen. Es wurden einige Freiluftaufführungen durchgeführt, denen jedoch wegen der unsicheren Witterungslage im Sommer nicht gleichbleibender Erfolg beschieden war.197Es wurde über die Jahre des Fortdauerns der Grazer Sommerspiele von sinkender Qualität und mangelndem Publikumsinteresse gesprochen.198

Nicht nur die Witterung mag der Grund gewesen sein, dass die Grazer Sommerspiele nicht die von den Besatzungsmächten erhoffte Reputation erreichten. Ein von einer ungeliebten autoritären Macht aufoktruiertes Festival kann bei Veranstalter und Publikum nur schwer reüssieren.

Peter Vujica beschreibt die Grazer Sommerspiele als ein Festival, das sich nicht großer Beliebtheit erfreute, und als „Kulturspielzeug der britischen Besatzungstruppen […], aber auch noch bestand, als die Briten nicht mehr da

195 Fenz, Werner: Die Steiermark im 20. Jahrhundert: Kunst zwischen 1938 und 1999. 1938-1945: „Sieg und neues Leben“ in der Steirischen Kunst? http://www.uni-graz.at/werner.fenz/texte/stmk_kunstvolltext.html Onlineversion vom 18.02.2015. 196 Manfred Blumauer: Das Musikleben seit 1945. In: Werner Strahalm: Graz. Eine Stadtgeschichte. Herausgegeben von Wilhelm Steinböck. Mit Beiträgen zur Kunst- und Kulturgeschichte ab 1945 von Eva Schäffer, Christoph H. Binder, Manfred Blumauer und Richard Rubinig. Graz (Strahalm) 1989, S. 424. 197 Hanns Koren: Steirischer Herbst – Kunstpreis der Stadt Köflach. In: Weststeirische Volkszeitung. 12. Oktober 1968. Sondernummer Steirischer Herbst 1968. 198 N.N.: Sonniger steirischer Herbst. In: Die Furche vom 19.10.1968.

61 waren.“199 Vermutlich war die ideologische Verbrämung zusammen mit der Erinnerung an die Besatzungszeit Ursache der abwertenden Beurteilung. Trotzdem wollten die Veranstalter und einige politische Szenen die Grazer Sommerspiele nicht aufgeben.

„Es war ein altes Anliegen der freiheitlichen Fraktionen, des steiermärkischen Landtags sowie des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz, die „Grazer Sommerspiele“ unter Aufrechterhaltung der Freiluftaufführungen am Ende der jeweiligen Theatersaison in den Herbst zu verlegen.“200 So befand der pensionierte Landtagsabgeordnete Friedrich Hueber in einer Generalabrechnung in der Zeitung Neue Front. Die freiheitliche Fraktion fand nicht nur Zustimmung mit ihren Vorschlägen, und auch nach der geglückten Premiere des Festivals im Jahr 1968 waren die Befürworter der Grazer Sommerspiele noch eifrig im Verwaltungsausschuss tätig um für die Beibehaltung der ursprünglichen Version ihres sommerlichen Festivals zu intervenieren. Ihr Hauptargument, zu Beginn der Theatersaison lasse sich kein komplettes Festspielprogramm verwirklichen, wurde durch das offensichtlich üppige und alle Genres inkludierende erste Programm des steirischen herbstes ad absurdum geführt.201

Noch bei der Eröffnung der letzten Sommerspiele am 21. Juni 1968 sprach sich Vizebürgermeister Max Cechal in seiner Eröffnungsrede für die Fortführung der Sommerspiele aus, bei derselben Veranstaltung plädierte Hanns Koren für den steirischen herbst202.

199 Peter Vujica: Der „steirische herbst“. In: Christa Steinle und Alexandra Foitl (Hgg.): Styrian Window (Bildende Kunst in der Steiermark. 1970-1995), Graz 1996, S. 216. 200 Friedrich Hueber: Ein Nachwort zum „Steirischen Herbst“. Nach bestandener Probe sind einige Mängel abzustellen. In: Neue Front vom 26. Oktober 1968. 201 Friedrich Hueber: Ein Nachwort zum „Steirischen Herbst“. Nach bestandener Probe sind einige Mängel abzustellen. In: Neue Front vom 26. Oktober 1968. 202 N.N. Jonas eröffnet Grazer Sommerspiele. In: Kleine Zeitung vom 22.6.1968, S. 9.

62 Hanns Koren verhalf sodann diesem Festival mit der Umbenennung, mit Förderungsmaßnahmen und der Zusammenführung weiterer (hier folgender) Kulturveranstaltungen zum steirischen herbst zu einer positiven Umwertung.203 Der Fakt, dass die Veranstaltungsreihe vom Sommer auf den Herbst verlegt wurde, zusammen mit der Desavouierung der Bezeichnung „Festival“ für den steirischen herbst, die von vielen Seiten beschrieben wird, ist als Signum zu werten, dass der steirische herbst sich von den Grazer Sommerspielen in vielerlei Hinsicht zu distanzieren trachtete.

6.2. Die Steirische Sommerakademie

Im Jahre 1960 gründete Hanns Koren die Steirische Sommerakademie. Diese sollte als Grundlage für wissenschaftliche und politische Diskussionen dienen, die sich mit den Problemen und Gedanken über Gegenwart und Zukunft befassten. Die Veranstaltung war als Vortragreihe gestaltet und fand von 20. bis 23. Juni statt. Die Karl-Franzens-Universität Graz trat mit dem Kulturreferat des Landes Steiermark als gemeinsame Veranstalterin auf. Die Steirische Sommerakademie sollte die Grazer Sommerspiele wissenschaftlich bereichern. Das Thema der ersten Akademie lautete: „Die Steiermark – ein Land der Begegnungen“. WissenschafterInnen aus unterschiedlichen Disziplinen referierten beim Symposion, ausländische ReferentInnen kamen aus Brno, Bratislava und Zagreb.204 Im darauffolgenden Jahr lautete das Thema: „150 Jahre Landesmuseum Joanneum“, die Steirische Sommerakademie wird nun Steirische Akademie genannt. Im Jahre 1962 hieß das Thema: „Die Steiermark und der Südosten“, 1963: „Die letzten hundert Jahre“; im selben Jahr wird Hanns Koren zum Landeshauptmannstellvertreter ernannt. Im Jahre 1964 stand die Steirische Akademie unter dem Motto „Auf dem Weg zur Einheit“. Im Jahre 1965 findet die Akademie erstmals im Herbst statt, am 27. September wird sie eröffnet und trägt den Titel „Der Humanitätsbegriff als Gegenstand ideologischer

203 Peter Vujica: Der „steirische herbst“. In: Christa Steinle und Alexandra Foitl (Hgg.): Styrian Window (Bildende Kunst in der Steiermark. 1970-1995). Graz 1996, S. 216. 204 Czoklich, Fritz: Hanns Koren: Wir wollen nicht im Winkel leben. In: Zitzenbacher, Walter (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988, S. 452 f. Zitzenbacher, Walter (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988, S. 360 ff.

63 Auseinandersetzung“. 1966 wird sie wieder im Sommer veranstaltet und firmiert unter dem Titel „Der bedrohte Lebensraum des Menschen“. Im Jahr 1967 ist der Veranstaltungszeitraum im August festgelegt und das Thema der Akademie lautet „50 Jahre Republik Österreich“.205 Im Jahr 1968 wird die Sommerakademie im September abgehalten und trägt den Titel: „Das Humane und die Manipulation des Menschen“ und ist schon im steirischen herbst eingegliedert. Hanns Koren bezeichnet die Steirische Akademie als die „legitime und sinngemäße Ergänzung von den Vereinigten Bühnen, vom Musikverein für Steiermark, der Akademie für Musik und darstellende Kunst und neuerdings durch das Musikprotokoll 1968 des Österreichischen Rundfunks gesetzten künstlerischen Akzente.“206 1969 lautet der Titel der im September stattfindenden Akademie „Die Zukunft als Wille und Vorstellung“. 1970 wird die Steirische Akademie im Oktober abgehalten und firmiert unter dem Thema „Tradition – Hilfe oder Hemmnis?“. Ebenfalls im Oktober im darauffolgenden Jahr findet das Symposion unter dem Titel „Der urbanisierte Mensch – Zum Problem der Verstädterung“ statt.207

6.3. Trigon

Im Jahre 1963 rief Hanns Koren die erste Steirische Biennale ins Leben. Mit TRIGON 63 wurde eine Plattform geschaffen, bei der Sammlung und Bewahrung der kulturellen Güter mit dem Diskurs zeitgenössischen Kunstlebens verknüpft werden sollte, und zwar über die Landesgrenzen hinweg. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die angrenzenden Länder Italien und Jugoslawien gelegt. In Hinblick auf komparatistische Aspekte internationaler KünstlerInnen und deren Kunstobjekte sollte ein globaleres Bild der Kulturszene möglich werden. Dafür wurden zeitgenössische Exponate aus Malerei und Plastik im Künstlerhaus, im Forum Stadtpark und im Palmenhaus des Burggartens gezeigt. Die Ausstellung kuratierte Armgard Ekhart. Es fanden sich Exponate von Künstlern wie Arik Brauer,

205 Zitzenbacher, Walter (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988, S. 360 ff. 206 Hanns Koren: Pressenotiz. Graz, 4.10.1968, S. 2. Kopie aus dem Archiv des steirischen herbstes, Graz. 207 Zitzenbacher, Walter (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988, S. 360 ff.

64 Friedensreich Hundertwasser, Ernst Fuchs und Fritz Wotruba.208 Alfred Kolleritsch bezeichnet das Trigon als direkten Vorläufer des Festivals steirischer herbst.209

Auch in steirische Berichte wird von der „Besinnung auf die traditionelle Zusammengehörigkeit“210 (von Italien, Jugoslawien und Österreich) gesprochen und es sollte die „Freundschaft zwischen den Völkern“211 vertieft werden.

Hanns Koren betrachtete die Trigon-Veranstaltungen bereits als Zeitprotokolle der Kunst, damit versuchte er eventuell die aufgebrachten Reaktionen des Publikums auf die avantgardistischen Programme der Ausstellungen zu kalmieren. Die Kritik lag in der Darbietung von abstrakter Malerei und Plastik, wobei diese in der konservativen Haltung des Publikums begründet lag. Die Trigon-Ausstellungen waren bemüht, internationale Kunst ins Zentrum ihrer Veranstaltungen zu bringen.212

1969 wurde die Künstlervereinigung pool gegründet, deren Zielsetzung es war, dass Kunst Anspruch auf Öffentlichkeit habe. Sie wurde vertreten durch die Zeitschrift pfirsich. Öffentlichkeit schließt auch Politik und Wirtschaft mit ein, und die Zusammenarbeit mit der Schuhfirma Humanic war ein erster Ansatz, die öffentliche Sparte zu forcieren. In trigon 73 wurde die Instrumentarisierung der Medien in Bezug auf Kunst und Öffentlichkeit in der Veranstaltung „Audiovisuelle Botschaften“ dargestellt. Die Bezeichnung von Graz als Medienstadt fand hier ihren Ursprung.213

208 Walter Zitzenbacher (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988, S. 365. 209 Alfred Kolleritsch: Forum Stadtpark. In: Zitzenbacher, Walter (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988, S. 382. 210 N.N.: Trigon. In: Steirische Berichte, [s.d.] S. 150. 211 N.N. Trigon. In: Steirische Berichte, [s.d.] S. 150. 212 Fenz, Werner: Die Steiermark im 20. Jahrhundert: Kunst zwischen 1938 und 1999. 1938-1945: „Sieg und neues Leben“ in der Steirischen Kunst? http://www.uni-graz.at/werner.fenz/texte/stmk_kunstvolltext.html Onlineversion vom 18.02.2015. 213 Fenz, Werner: Die Steiermark im 20. Jahrhundert: Kunst zwischen 1938 und 1999. 1938-1945: „Sieg und neues Leben“ in der Steirischen Kunst? http://www.uni-graz.at/werner.fenz/texte/stmk_kunstvolltext.html Onlineversion vom 18.02.2015.

65 Der „Trigon-Idealismus, die vernachlässigten südmitteleuropäischen und südosteuropäischen Gebiete in das europäische Kulturleben einzubinden und darauf aufmerksam zu machen“214, so Karl Ernst Hoffmann in einem Interview 1997, sei eine Hauptintention des musikprotokolls gewesen. Hoffmann hat ab 1970 als Programmgestalter des Festivals fungiert, war auch dessen Leiter und hat in dieser Position, dem trigon-Gedanken treu, unbekannte Komponisten aus Italien und Jugoslawien gefördert. Zudem setzte er auch ungarische Komponisten auf das Programm.215

Wie sehr der „Trigon-Gedanke“ manifestiert war, ist in der Bezeichnung zu ersehen: Die Benennung „Trigon-Länder“ benötigte über die Grenzen hinweg keinerlei Erklärung. 216

6.4. Die Internationalen Malerwochen

Seit 1966 wurden von der Neuen Galerie in Graz, die Teil des Landesmuseums Johanneum ist, die Internationalen Malerwochen veranstaltet. Diese fünf Wochen dauernde Veranstaltung beherbergte zehn KünstlerInnen aus den Trigon-Ländern und gestattete ihnen, in abgeschiedener Ruhe im Schloss Retzhof bei Leibnitz oder im Stift Rein bei Graz ihren schöpferischen Ambitionen nachzugehen und gleichzeitig personelle wie künstlerische Kontakte zu ihren KollegInnen zu knüpfen. Die Ergebnisse dieser Wochen wurden in Graz gezeigt, feierten aber auch auf internationalen Ausstellungen in Italien und Jugoslawien Erfolge. Podiumsdiskussionen bereicherten auf wissenschaftlichem Niveau die Malerwochen. 217 Das Mäzenatentum sollte einer Förderung der aktuellen Kunstszene entsprechen und das Bewusstsein der Notwendigkeit einer lebenden Kunstszene fördern. Die Malerwochen stellten eine bewusste Präsentation der

214 Gernot Höfler: 30 Jahre musikprotokoll – ein Festival als Spiegel musikkulturellen Wandels. Diplomarbeit, masch. Graz 1997, S. 17. 215 Gernot Höfler: 30 Jahre musikprotokoll – ein Festival als Spiegel musikkulturellen Wandels. Diplomarbeit, masch. Graz 1997, S. 17f. 216Paul Kaufmann: Brief an Josef Dengler (Generalkonsul in Zagreb) vom 6. April 1971. Archiv des steirischen herbstes. Palais Attems, Graz. 217 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Dokumentation. In: Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Wien (Mundus). 1977, S. 24.

66 zeitgenössischen Kunst dar. Der künstlerische Leiter dieser Malerwochen, wie auch der Trigon-Ausstellungen, war Wilfried Skreiner, der ebenso die Leitung der Neuen Galerie in Graz innehatte. In der Schrift 10 Jahre steirischer Herbst finden die Malerwochen als Wegbereiterinnen des Avantgardefestivals Erwähnung.218

Die Idee der Malerwochen ging von den Künstlern aus und wurde von der Politik finanziert. Sie waren nicht ausschließlich auf finanziellen Gewinn ausgerichtet. Der Nachholbedarf seit 1945 war eine Intention, ein zweiter Beweggrund war ein Bildungsauftrag, um mithilfe eines Festivals zumindest zeitweise die regionalen Kulturaktivitäten zentral zu fokussieren und gegenseitige Inspiration zu fördern.219 Die Idee der Künstlerkolonien war dahinter zu bemerken, für die damalige Zeit war diese Idee kulturpolitisch völlig neu und ein Wagnis, die Grazer Politik hatte hierbei eine Vorreiterrolle inne. Doch das Projekt glückte.220

Die Internationalen Malerwochen fanden jährlich statt und verwoben die praktische, schöpferische Tätigkeit mit einer intellektuellen Auseinandersetzung mit der Materie. Das Stadtmuseum war dabei mit dem Kulturzentrum bei den Minoriten aktiv ins Geschehen miteingebunden. Die Internationalen Malerwochen fanden bis 1992 statt. An ihre Stelle trat dann das „Artist-in-Residence“ Programm, das Einzelpersonen künstlerisch den Vorzug gab.221

218 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer Herbst. Eine Dokumentation. In: Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer Herbst. Eine Bilanz. Wien (Mundus) 1977, S 22. 219 Fenz, Werner: Die Steiermark im 20. Jahrhundert: Kunst zwischen 1938 und 1999. 1938-1945: „Sieg und neues Leben“ in der Steirischen Kunst? http://www.uni-graz.at/werner.fenz/texte/stmk_kunstvolltext.html Onlineversion vom 18.02.2015. 220 Kurt Jungwirth: Festspiele und ihre Organisation. In: Dietmar Pauger (Hg.): Art goes Law. Dialoge zum Wechselspiel zwischen Kunst und Recht. Wien, Köln Graz (Böhlau) 2005, S. 121. https://books.google.at/books?id=71KR3aHeE60C&pg=PA121&lpg=PA121&dq=internationale+malerw ochen+1968&source=bl&ots=ASh0j8cfHH&sig=X02dcH7z-ZdAhe- gy6edaPj0kpg&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwip9cOU- 8nUAhWFuhQKHepJCbQQ6AEITzAH#v=onepage&q=internationale%20malerwochen%201968&f=fal se vom 19.6.2017. 221 Richard Rubinig: Farben-Denker, Strich-Artisten, Abenteurer, Idealisten. Die bildende Kunst in Graz seit 1945. Nicht alle Namen sind aufzählbar, es geht um den Standort statt Inventar. In: Werner Strahalm: Graz. Eine Stadtgeschichte. Herausgegeben von Wilhelm Steinböck. Graz (Strahalm) 1989, S. 462. Siehe auch: https://www.museum-joanneum.at/neue-galerie-graz/ausstellungen/internationale-malerwochen vom 19.6.2017.

67 6.5. Studio für die Probleme zeitlich naher Musik

Erich Markhl gründete diese Institutuion 1953 mit der Intention, „ein für die experimentellen Formen des aktuellen Musikschaffens aufgeschlossenes Forum zu schaffen.“222 Die Durchführung der Konzerte hatten der Musikverein Steiermark und Radio Graz inne. Neben Konzerten mit zahlreichen Uraufführungen waren auch Vorträge auf dem Programm wie etwa von Pierre Boulez oder Luigi Dallapiccola. Dass dies „vom Grazer Musikpublikum „unbeachtet“223 blieb, wie Peter Vuijca schrieb, änderte nichts an der Bedeutung der Organisation für die Tradierung zeitgenössischer Musik. (Die Nichtbeachtung galt wohl nur für einzelne Konzerte). Der Musikwissenschafter Harald Kaufmann war als versierter Mitarbeiter tätig und durch seine Kompetenz in zeitgenössischer Musik und seine zahlreichen Kontakte zu Komponisten wie Luigi Dallapiccola oder György Ligeti am nachhaltigen Erfolg des Studios maßgeblich beteiligt. Zahlreiche Konzerte wurden im Rundfunk übertragen. Das Studio sollte der diskurshaften Auseinandersetzung mit Musik der Gegenwart dienen, dieses Ziel hat es auch erreicht. Finanziell durch Landesförderung unterstützt, generierte es, zumindest monetär begründet, das politische Interesse an moderner Musik. Mit „Marienleben“ von Paul Hindemith wurde das erste Studio eröffnet und konnte sich über großes Publikumsinteresse sowie einer äußerst lobenden Pressemeinung erfreuen. Das mediale Echo ergoss sich unter anderem in fünf Regeln für die Zuhörenden, die insgesamt zum Inhalt hatten, offen für Neues zu sein, ohne vorschnell zu urteilen. Das Studio war als Konzertreihe konzipiert und bot zu Beginn auch Einführungsvorträge, die aber nicht fortgeführt wurden. Vier bis acht Kammerkonzerte sowie acht Orchesterkonzerte umfasste eine Saison. Die Kammerkonzerte waren bei freiem Eintritt zu hören, für die Orchesterkonzerte musste ein geringer Obolus entrichtet werden. Der Publikumsbesuch war

222 Karl Acham: Vorbemerkung: Künstlerisches Schaffen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts- ein Überblick. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz: Werk und Wirken überregional. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Böhlau, Wien, Köln, Weimar. Kunst und Wissenschaft aus Graz, Band 2: Kunst- und Geisteswissenschaften aus Graz. S. 172. 223 http://sendungen.orf.at/musikprotokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html#text5 vom 17.6.2017.

68 unterschiedlich – von über 900 BesucherInnen bei „Ulysses“ von Matyas Seiber bis 20 Zuhörenden bei Kammerkonzerten heimischer Komponisten.224 Nach dem Tod seines letzten Leiters Max Heider wurde das Studio im Jahr 1975 aufgelöst.225

6.6. Das Collegium musicum instrumentale

Dieses Kammerorchester wurde 1963 von Max Heider gegründet. Es setzte sich aus Professoren, Lehrbeauftragten und zuweilen Studierenden der Akademie Graz zusammen. Max Heider war damals noch nicht an der Akademie beschäftigt, aber ein erfolgreicher Operndirigent besonders in Deutschland. 1963 war er Musikschuldirektor der Musikschule Kapfenberg in der Steiermark, erst ab 1966 lehrte er an der Akademie Graz.226 Es trat drei- bis viermal pro Jahr als Orchester aber auch in kammermusikalischer Besetzung auf und hatte ausschließlich zeitgenössische Musik am Programm. Das Collegium musicum instrumentale war vom Land Steiermark gefördert, jedoch erlaubten die finanziellen Mittel nur etwa drei Konzerte im Jahr. Etwa 50 Instrumentalwerke fanden während seines Bestehens ihre österreichische oder Grazer Erstaufführung. Erich Markhl spricht in seinem Rechenschaftsbericht aus dem Jahr 1968 von „gerade dieses Ensemble [hat] eine Reihe von in Graz bisher ungehörten Werken neuer Musik zur Aufführung gebracht.“227 Das Collegium war vor der Gründung des musikprotokolls der einzige Verein, der sich der Pflege aktueller Musik in Graz widmete. Es bestand bis 1984/85.228

224 Karl Acham: Vorbemerkung: Künstlerisches Schaffen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts- ein Überblick. Ebda. S. 172. 225 http://musiklexikon.ac.at/ml/musik_G/Graz.xml vom 18.6.2017. Siehe auch: http://musikaesthetik.kug.ac.at/en/institute-14-aesthetics-of-music/harald-kaufmann/leben.html vom 18.6.2017. 226 http://archiv.kug.ac.at/index.php?id=17565 vom 18.6.2017. 227 Erich Markhl: Rechenschaftsbericht 1968 über 3 Jahre Akademie für Musik und darstellende Kunst in Graz. Archiv der Bibliothek der Kunstuniversität Graz. UAKUG_TEM_B23_H126.02. 228 Erich Marckhl: Die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Graz – Programm, Leistungen, Probleme. In: Festschrift zum zehnjährigen Bestand der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. Herausgegeben von Otto Kolleritsch und Friedrich Körner an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz, S. 24ff. Siehe auch: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_G/Graz.xml vom 19.6.2017.

69 6.7. Das Forum Stadtpark

Die Geschichte des forum stadtpark wurde bereits detailliert aufgearbeitet.229 Ein kurzer Abriss sei hier jedoch trotzdem gestattet, denn das steirische musikprotokoll würde vermutlich nicht in der heutigen Form existieren, wäre das forum stadtpark nicht derart aktiv gewesen. Werner Jauk bezeichnet das forum als „Vorreiter und Experimentierfeld“ nicht nur für den steirischen herbst, sondern auch für weitere kulturelle Projekte.230 Heribert Schwarzbauer beschreibt das forum stadtpark in seinem Abschlussbericht über den ersten steirischen herbst: „Dieses avantgardistische Kulturzentrum, dem Graz im Lauf der letzten Jahre manchen wesentlichen Impuls und fruchtbringenden Auslandskontakt zu verdanken hatte, steuerte drei ‚Wochen des litarischen Kabaretts’ bei und erneuerte damit einige Begegnungen, die es einem interessierten Publikum fallweise schon einmal geboten hatte, nunmehr in konzentrierter Form.“231

Der dokumentarische Beweis für die Protektion des musikprotokolls im weitesten Sinne findet sich im „Memorandum“232, in dem gefordert wird, dass „der museale Eindruck, den Österreichs Kunstveranstaltungen im Ausland erwecken, durch zielstrebige Veranstaltungen des international vertretbaren zeitgenössischen Kulturschaffens ein Gegengewicht erhalten“233 sollte. Auch wird hier die Rolle des Österreichischen Rundfunks als Bildungsbeauftragter und Förderer insbesonders zeitgenössischer Kunst thematisiert.234

229 Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2002, S. 12. 230 Werner Jauk: musik. Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Ebda. S. 119. 231 Heribert Schwarzbauer: Ballett, Kabarett und die Zukunft. Abschluß des „Steirischen Herbstes“ und Programmierung 1969. In: Die Presse, 1. Okt. 1968. 232 N.N.: Memorandum. (Ausgearbeitet als Ergänzung der beim Symposion auf Schloß Parz beschlossenen Resolution unter Einbeziehung von Stellungnahmen und Vorschlägen namhafter Persönlichkeiten des österreichischen Kunstlebens.) Masch. Forum Stadtpark, Graz 1966, Kopie aus dem ORF-Archiv, 5 S. 233 Memorandum, Graz 1966, S. 2. 234 Memorandum, Graz 1966, S. 4.

70 Das forum stadtpark wurde 1960 vom Maler Günter Waldorf gegründet.235 Die „Vereinigung Forum Stadtpark“ ist laut Elisabeth Kolleritsch mit 15. Jänner 1959 datiert.236 Günter Waldorf suchte beim Stadtsenat am 21. August 1958 an, das Stadtpark-Café als Ausstellungsort für seine Malervereinigung „Junge Gruppe“ zu erhalten.237 Diese bestand aus Elga Maly, Hannes Schwarz, Waldorf und Richard Winkler sowie weiteren Malern, die sich von der Secession abgespaltet hatten.238 Elisabeth Kolleritsch beschreibt einen weiteren Verein: der Junge Kreis. Wobei hier bereits eine spartenspezifische Ausweitung stattfand, da neben dem Maler Richard Winkler, der wie Waldorf der Secession angehört hatte, auch der Komponist Franz Koringer und der Schriftsteller Alois Hergouth dazugezählt werden und der Verein ob seiner Vielfältigkeit in Musik, Literatur und bildender Kunst als direkter Vorläufer des forum stadtpark proklamiert wird. In dieser Formation traten die Künstler bereits 1950 in der Ortweinschule in Graz auf und brachten unter dem Titel „Dichtung – Malerei – Musik“ Texte von Alois Hergouth, Musik von Franz Koringer und bildende Kunst von Günter Waldorf und Richard Winkler in einer Veranstaltung dar. Auch diese Gruppe war auf der ständigen Suche nach einem Aufführungsort.239

Die Idee der Restaurierung des Stadtpark-Cafés wurde von den Grazer Stadtpolitikern abschlägig behandelt, da die finanzielle Bürde für die Junge Gruppe nicht tragbar sei. Das Café war seit1954 geschlossen und in einer tristen baulichen Verfassung. Obwohl dem Ansuchen der Jungen Gruppe Unterstützungserklärungen der Entscheidungsträger der Alten und Neuen Galerie, des Stadt- und Landesschulrates, der Urania, des Steirischen Schriftstellerbundes und der Technischen Hochschule beigefügt waren, fanden die Landespolitiker keine positive Antwort. Ein zweites Insistieren am 3. Oktober 1958, beigelegt Befürwortungen vom Künstler-Club Graz und dem Steirischen Schriftstellerbund, hatte zur Folge, dass die Stadtverwaltung das Gebäude abreißen wollte. Die Bürgerinnen und Bürger von Graz, aber auch Wienerinnen und Wiener agierten gegen dieses Vorgehen, es

235 Alfred Kolleritsch: Forum Stadtpark. Ebda. S. 382. 236 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Ebda. S. 120. 237 Alfred Kolleritsch: Forum Stadtpark. Ebda. S. 382. 238 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Ebda. S. 119. 239 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Ebda. S. 119.

71 formierte sich eine Presse- und Rundfunkkampagne. Aus den Gegenmaßnahmen engagierten sich die unterschiedlichen Vereinigungen zum „Aktion Forum Stadtpark“ und verfassten ein Schreiben an die Grazer PolitikerInnen, das am 30.10.1958 übergeben wurde. Am 31.10.1958 wurde ein ebensolches Schreiben an den Grazer Bürgermeister gerichtet, in dem die Wünsche folgendermaßen definiert wurden: „Die Renovierung und Umwandlung des Objektes Stadtpark-Café, die unsere drei Verbände als tätigen Beitrag zum Steirischen Gedenkjahr 1959 leisten wollen, würde nicht nur ein dringendes allgemein anerkanntes kulturelles Bedürfnis steuern, sondern auch – und vor allem! – der Stadt Graz ein neuartiges Forum für ein lebendiges und fruchtbares Zusammenwirken von Literatur, Musik und bildender Kunst eröffnen.“240

Im Beschwerdebrief der Vereinigung an Hanns Koren ist zu lesen: „Gerade in einer Zeit, in der die geistigen Kräfte immer mehr von den kommerziellen Organen des Massenkonsums an Kitsch und Banalität in den Hintergrund gedrängt werden, wo die Kinos, die illustrierten Zeitungen, die Reklamen und Musikautomaten die Alleinherrschaft über den Geschmack des Publikums anzutreten scheinen, glauben wir, dass es ein öffentliches Anliegen ist, Orte zu setzen, die dem Non-Stop- Mechanismus der Geistlosigkeit ein lebendiges Gegenbild kultureller Bewegung und aktiver Gestaltung entgegenhalten.“241

Nach vielen langwierigen Verhandlungen beschlossen die Politiker, das Stadtpark- Café nicht abzureißen und die Restaurierung in die Hände der Künstlervereinigung zu legen. Architekt Werner Hollomey hatte einen Entwurf zur Renovierung des Gebäudes kostenlos zur Verfügung gestellt. Für dieses große Unternehmen sollte die Künstlervereinigung einen Finanzplan vorweisen, danach würde ein Mietvertrag abgeschlossen werden. Es folgten Spendenaktionen, Baustein-Aktionen und Benefizveranstaltungen.242

240 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Ebda. S. 119. 241 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Ebda. S. 120ff. 242 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Ebda. S. 120.

72 Die erste Absage der Landes- und Stadtpolitiker bezüglich des Stadtpark-Cafés kann als die Geburtsstunde des forum stadtpark bezeichnet werden, wobei sich laut Alfred Kolleritsch der Schriftsteller Alois Hergouth als erster Literat dazugesellte, auch seien nach seinen Quellen den vielen unterschiedlichen Disziplinen angehörende Künstlergruppen erst nach und nach hinzugekommen.243 Das Motto des neu gegründeten forum stadtpark lag im Ausleben des Zeitgeistes und wollte gegen „Graz als Stadt der Volkserhebung“244 auftreten. Das forum stadtpark firmiert seither durchgehend als Veranstalter, das zeitgenössisch zugewandten KünstlerInnen eine Basis für Präsentationen und Veröffentlichungen bietet.245

Dieses Konzept eines Hauses für die Kunst, das ein Zentrum für verschiedenste Kunstsparten darstellt, ist – als materialisierte Vorstellung der Vereinigung unterschiedlicher Künste – auch als programmatisches Statement zu sehen. Die Kommunikation zwischen den KünstlerInnen als interdisziplinäres Interagieren fördert nicht nur lebendigen Austausch zwischen den Sparten, sie protegiert auch die internationale Zusammenarbeit der verschiedenen Kunstszenen.246 Zudem ist die Hartnäckigkeit, mit der die Wiederinstandsetzung des Gebäudes betrieben wurde, bemerkenswert und zeugt von der Wichtigkeit der architektonischen Heimat der Grazer Kulturszene.

Das forum stadtpark gliederte sich in neun, voneinander unabhängige Abteilungen, denen folgende Personen vorstanden: 1. Bildende Kunst: Günter Waldorf 2. Architektur und Technik: Werner Hollomey 3. Film und Foto: Eckhart Schuster 4. Literatur: Grete Scheuer 5. Wissenschaft und Bildung: Trude Aldrian 6. Aktuelles: Karl-Hans Haysen 7. Musik: Manfred Blumauer

243 Alfred Kolleritsch: Forum Stadtpark. Ebda. S. 382. 244 Alfred Kolleritsch: Forum Stadtpark. Ebda. S. 382. 245 Alfred Kolleritsch: Forum Stadtpark. Ebda. S. 382. 246 Werner Jauk: musik. In: Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Ebda. S. 118ff.

73 8. Theater und Kabarett: Emil Breisach 9. Studio der Jungen (Nachwuchs): Alois Hergouth247

Jungen steirischen Autorinnen und Autoren bot das forum stadtpark ein Sprungbrett für eine beginnende florierende Karriere, wie Barbara Frischmuth, Wolfgang Bauer oder Peter Handke. Als Grazer Gruppe wurden sie von internationalen Medien wahrgenommen. Seit 1960 wird die Literatursparte mit der Zeitschrift manuskripte abgedeckt. Die mediale Präsentation der Abteilung zeitgenössische Photographie wurde durch die Herausgabe der Zeitschrift Camera Austria gefestigt. Die Malerei war durch Hartmut Urban und Jörg Schlick vertreten, die das Genre effizient vertraten. Die musikalische Sparte war in den Gründungsjahren durch den Jazz vertreten. Jazzmusiker, die im forum stadtpark ihre Basis fanden, gründeten später die Jazzabteilung an der Musikakademie Graz. Auch das Alternativ-Theater war vertreten, in Form von Kleinbühnen versuchte es sich zu etablieren.248

Die Statuten, die etliche Umformulierungen erfuhren, deren Endfassung bis heute gilt, lauten unter anderem: „FORUM STADTPARK ist eine Interessen- und Aktionsgemeinschaft von Künstlern und Wissenschaftlern und geistig Schaffenden, die sich zu einer zeitaufgeschlossenen, positiven und konstruktiven Kulturarbeit bekennen. […] FORUM STADTPARK bezweckt: […] im lokalen, internationalen und übernationalen Rahmen Begegnungen anzubahnen und zu pflegen“.249

Die Verbindung von Wissenschaft und Kunst aller Sparten und der internationale Gedanke, wie auch die Heimatverbundenheit sind im steirischen herbst und im musikprotokoll weitergeführt worden. Ebenso wie die Idee der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kultur, deren Samen hier bereits gelegt wurde.

Neben der Vorreiterrolle als Institution hatte das forum auch musikalisch eine verantwortungsvolle Aufgabe inne: Es wurde begonnen, den funktionalen Part der

247 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Ebda. S. 121. 248 Alfred Kolleritsch: Forum Stadtpark. In: Zitzenbacher, Walter (Hg.): LandesChronik Steiermark, 1988. S. 382. 249 Elisabeth Kolleritsch: Jazz in Graz. Ebda. S. 121.

74 Musik von faschistischer Instrumentalisierung zu befreien. Neben der Vergangenheitsbewältigung war es auch nötig, die Bewusstseinskluft in Hinblick auf zeitgenössische Musik, die durch den Krieg entstanden war, zu überbrücken und durch Konzerte, Vermittlung von theoretischen Grundlagen und durch Medien, wie die Schallplatte, dieses Bewusstsein wieder zu wecken. Diese und noch weitere Bestrebungen führten direkt zur Gründung des musikprotokolls. Die Idee einen Schwerpunkt auf „Wissensvermittlung“ zu legen führte zur Verknüpfung von Praxis und Theorie der Musik, zur Etablierung von wissenschaftlicher Analyse mit praktischer Musikausübung.250

Auch dafür bildete das forum die Grundlagen. Es war ein Aspekt des postmodernen Gedankens intellektueller Auseinandersetzung mit der künstlerischen Avantgarde. Das Wissenschaftsreferat glänzte hiebei weniger mit eigenen Projekten und Veranstaltungen, seine Stärke war die der Präsenz und der Vorstellung der wissenschaftlichen Methoden und Analysen. Wahrnehmung, Bewusstsein und Ästhetik waren Prämissen, die den wissenschaftlichen Bestrebungen im forum zugrunde lagen. Manfred Mixner war dabei bewusstseinsbildend. Er lebte den postmodernen Gedanken der Verknüpfung von wissenschaftlichen Erkenntnissen mit der Wahrnehmung der dargebrachten Kunstprojekte, wie Konzerte und dergleichen. Er befand sich dabei universitär betrachtet in guter Gesellschaft. Hilfreich war dabei, dass die Philosophie in Graz einen hohen Stellenwert bekleidete. Rudolf Haller, der den Lehrstuhl für philosophische Grundlagenforschung an der Karl-Franzensuniversität in Graz innehatte, war Referent im Wissenschaftsresort des forums, zusammen mit Trude Aldrian. Daneben wirkte Alexius Meinong prägend im wissenschaftlich-künstlerischen Bereich der Philosophie. Auch das Institut für Psychologie an der Universität Graz beschäftigte sich schwerpunktmäßig in den 70er Jahren mit Wahrnehmung und Ästhetik der Kunst. Rudolf Skatsche und Ulf Lukan arbeiteten mit Helmut Eisendle im forum stadtpark hauptsächlich daran, die Wahrnehmung und Ästhetik in Bezug

250 Werner Jauk: musik. In: Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Ebda. S. 120ff.

75 auf Kunstwerke, denen wissenschaftliche Experimente zugrunde liegen, zu untersuchen.251

Das Institut für Wertungsforschung an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Graz (später Kunstuniversität Graz) nahm an den Aktionen teil und hielt ein wissenschaftliches Symposion, und im selben Jahr wurde die Jazzabteilung an der Hochschule gegründet. Diese Gründung geht auf Initiativen von Friedrich Körner zurück, der, als Leiter des Musikreferates von 1961 an, bestrebt war, Kunst und Wissenschaft zu institutionalisieren, insbesondere dabei die Analyse der wissenschaftlichen Grundlagen der Kunst.252 Diese Zusammenarbeit wurde auch noch beim musikprotokoll weitergeführt.

Die Grundidee des musikprotokolls, zeitgenössische Musik zu „protokollieren“, liegt auch im forum stadtpark begründet – hier war es vorzugsweise das Theater, das, so Emil Breisach, der 1959-1968 die Sparte Theater und Kabarett leitete: „Wir haben bei dem Eröffnungsprogramm in der ersten Programmwoche zu signalisieren versucht, was ist momentan an aktuellem Theater wirklich relevant […] das war doch ein Signal, wohin die Theaterentwicklung geht.“253. Emil Breisach gründete weiters eine Schreibwerkstatt, die VerfasserInnen dramatischer Werke eine Plattform geben sollte, er nannte diese „dramatische Werkstatt“254: ein Äquivalent zum musikalischen Genre, in dem beim musikprotokoll Auftragskompositionen vergeben werden.

Für Werner Jauk stellt die musikalische Sparte die herausragendste Aussage im kommunikativen Bereich des forums dar, vor allem die Idee der freien Kunstszene, wie sie im Jazz zur damaligen Zeit gelebt wurde. Der Aspekt der

251 Werner Jauk: wissenschaft. In: Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Ebda. S. 137ff. 252 Werner Jauk: musik. Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Ebda. S. 120ff. 253 Christine Rigler: theater und kabarett. In: Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2002, S. 129. 254 Christine Rigler: theater und kabarett. Ebda. S. 129.

76 „Selbstorganisation“255, die nach dem Krieg wieder neu und vorerst im Privaten aufflammte und sich gegen autoritäre Obrigkeiten richtete, war im forum stadtpark gelebte Kommunikation. Nach und nach bewegte sich diese Form der Strukturgebung in die Öffentlichkeit und wurde zum politischen Instrument. Auf musikalischem Gebiet sei sie in der Neuinterpretation auf der funktionalen Ebene der dodekaphonen Musik der Wiener Schule wie auch beim Jazz und in der populären Musik zu finden.256

7. Der „Innerösterreichische Gedanke“

Die Bezeichnung „Innerösterreich“ und die Charakterisierung und große Bedeutung dieses Begriffes lässt sich seit der Monarchie in vielen Quellen lokalisieren. Innerösterreich etwa wude als politische Region definiert: Karl II. (1540-1590) wurde von seinem Vater Ferdinand (der sein politisches Erbe unter seinen Söhnen aufteilte) zum Herrscher über Innerösterreich ernannt, das mit der Steiermark als Zentrum und den umliegenden Regionen Kärnten, Krain, Görtz, sowie Istrien, Friaul, Triest und Fiume ein Teilgebiet der Habsburgermonarchie darstellte.257 Innerösterreich bedeutete auch eine ideologische Aussage, die Fokussierung auf Selbstbewusstsein, auf Tradition des eigenen inneren Kerns von Österreich, der hauptsächlich durch Multikulturalität definiert war.258 Auch im musikprotokoll hat dieser Terminus einen besonderen Wert, der einen Part des Leitbildes mitskizzieren soll.

Offenbar ist der Begriff „Innerösterreich“ im Ausland erklärungsbedürftig. Der Rheinische Merkur beschrieb in seiner Ankündigung zum steirischen herbst diese Bezeichnung, deren Ausführlichkeit die Hälfte des Artikels einnahm. Der Rezensent bemerkte weiters, dass der innerösterreichische Gedanke in der Steiermark

255 Werner Jauk: musik. In: Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Ebda. S. 117. 256 Werner Jauk: musik. In: Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Ebda. S. 117 ff. 257 http://www.habsburger.net/de/kapitel/karl-ii-als-landesfuerst-von-inneroesterreich vom 17.6.2017. 258 Manfred Prisching: Die österreichische Moderne und die Ambivalenz. In: Kopetz, Hedwig et.al (Hgg.): Soziokultureller Wandel im Verfassungsstaat. Phänomene politischer Transformation. Wien (Böhlau) 2004, S. 1509.

77 weitgehend lebendig geblieben ist, da die „eigenständige Kultur – die wichtigste in Österreich neben Wien – hier ihre Wurzel“259 habe. Auch sei deshalb die Steiermark für viele KünstlerInnen attraktiv geworden. Die Freiheit der Kunstausübung sei in der Nachkriegszeit durch die kommunistische Ausrichtung der umgebenden Grenzländer für einige Zeit in Gefahr geraten, seit der Öffnung von Jugoslawien bestehe wieder die gegenseitige Interaktion260, die für die Lebendigkeit einer eigenständigen Kultur Voraussetzung sei, ansonsten würde sie nur mehr um sich selbst kreisen und schließlich erstarren.

Die sechste Steirische Akademie (1965) wurde von Hanns Koren mit einer Rede unter dem Titel „Der innerösterreichische Ordnungsgedanke“ eröffnet.261 „Innerösterreich“ entstand auf Grund der Länderverteilung der Habsburger Herzöge Albrecht III. und Leopold III., die beim Neuberger Teilungsvertrag 1379 beschlossen wurde. Seit dieser Zeit bis zum Ende der Donaumonarchie war das Gebiet von Steiermark, Kärnten, Krain mit Istrien und Görtz eine fest umschlossene Einheit. Wirtschaftliche und kulturelle Verknüpfungen entstanden unter den Ländern, gegenseitige soziokulturelle Befruchtung fand statt, es entstand eine gemeinsame Musiklandschaft.262 Als „Innerösterreich“ (im Gegensatz zu „Vorderösterreich“) galt ab dem 16. Jahrhundert der Überbegriff für die Herzogtümer Steiermark, Kärnten, Krain und die Grafschaft Görz. Graz hatte dabei als Amtssitz eine zentrale Bedeutung. Der innerösterreichischen Regierung unterstanden die Landeshauptleute von Graz, , Laibach, Görz und die Hauptleute von Triest, Fiume, Aquileia und Flitsch.263 Die zentrale Position von Graz hatte auf die Stadtentwicklung große Bedeutung. Befestigungsanlagen und der Ausbau des Schlossberges wurden in Angriff genommen. Zahlreiche Neu- und Umbauten wurden notwendig; kulturell betrachtet sind besonders die Einflüsse

259 G.A.: Steirischer Herbst. Neuer Kulturaustausch im ehemaligen Innerösterreich. In: Rheinischer Merkur 1968. 260 G.A.: Steirischer Herbst. Neuer Kulturaustausch im ehemaligen Innerösterreich. In: Rheinischer Merkur 1968. 261 Hanns Koren: Der innerösterreichische Gedanke. Graz, Festsaal des Schlosses Eggenberg, am 27. September 1965. Zur Eröffnung der Sechsten Steirischen Akademie. In: Koren: Reden 1966, S. 377. 262 Helmut Federhofer: Denkmäler alter Tonkunst in Innerösterreich. In: Musik und Geschichte. Aufsätze aus nichtmusikalischen Zeitschriften. 1996, S. 338. 263 W. Neunteufel: Die Entwicklung der innerösterreichischen Länder. In: Innerösterreich 1564-1619, 1968. http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.i/i524193.htm Onlineversion vom 10.11.2013.

78 durch italienische Renaissancebaumeister bei Innenstadtbauwerken zu nennen.264 Bezüglich religiöser und politischer Komponenten waren sich Italien und Innerösterreich sehr ähnlich, deshalb war dem künstlerischen Austausch auch in musikalischer Hinsicht zwischen den beiden Ländern Tür und Tor geöffnet.265

Im 16., 17. und 18. Jahrhundert fanden zahlreiche Handwerker, Baumeister, Ärzte, Apotheker und auch Schauspieler und Musiker den Weg nach Graz. Es existierte eine große italienische Gemeinde, die von der einheimischen Bevölkerung offensichtlich nicht nur toleriert, sondern gefördert wurde: 1712 wurde eine „Bruderschaft vom Heiligen Franziskus von Paola“266 gegründet, der durchgehend steirische Adelige und Bürger als Rektoren vorstanden. Die Beamtenausbildung ließen die Grazer ihren Söhnen durchwegs in Italien angedeihen.267

Die Multikulturalität von Innerösterreich hatte sich zumindest bis in die Monarchie gehalten und stellte wohl für Hanns Koren einen Aspekt dar, den es wieder zu beleben galt. Diese Prämisse hat bis heute nichts an Aktualität eingebüsst. „Die multiethnische und multikulturelle Vielfalt der Monarchie“268, wie es Manfred Prisching beschreibt, ist bedeutsamer als alle Provinzialität, die neben einer adeligen weltmännischen Universalität in der österreichischen Gesellschaft gelebt wird.269

Politisch gesehen ist der innerösterreichische Begriff obsolet, nicht jedoch die geistige und ethisch-moralische Entität dieses Begriffs, so Hanns Koren in seiner Eröffnungsrede zum steirischen herbst. „Eine Mitverantwortung die jeder tragen kann und muss, für den die Sehnsucht nach dem Frieden unter den Völkern kein

264 Astrid M. Wentner: Graz- Residenzstadt von Innerösterreich. http://www.graz.at/cms/beitrag/10035694/623255/ Onlineversion vom 10.11.2013. 265 Helmut Federhofer: Denkmäler alter Tonkunst in Innerösterreich. In: Musik und Geschichte. Aufsätze aus nichtmusikalischen Zeitschriften. 1996, S. 353. 266 Franziskus von Paola, oder Francesco d’Alessios geb. 1416 in Paola, Italien; gest. 1507 in Plessis les Tours, Frankreich. https://www.heiligenlexikon.de/BiographienF/Franz_von_Paola.htm vom 17.6.2017. 267 Barbara Aulinger: Bauen in Graz von 1500 bis 1800: Renaissance und Barock. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, Köln, Weimar 2009 (Böhlau) S. 97- 136. Siehe auch: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienF/Franz_von_Paola.htm vom 17.6.2017. 268 Manfred Prisching: Die österreichische Moderne und die Ambivalenz. In: Kopetz, Hedwig et.al (Hgg.): Soziokultureller Wandel im Verfassungsstaat. Phänomene politischer Transformation. Böhlau Wien u.a. 2004, S. 1509. 269 Manfred Prisching: Die österreichische Moderne und die Ambivalenz. Ebda. S. 1508ff.

79 Schlagwort ist, sondern der erste moralische Auftrag, den unsere Generation mit aller Leidenschaft und Kraft aus den Erfahrungen dieses Jahrhunderts zu finden hätte.“270 Die Kunstschaffenden jeglicher Sparte haben diesbezüglich eine soziale und geistige Verantwortung und deshalb sei im steirischen herbst neben der Steirischen Akademie auch das musikprotokoll enthalten. Landeshauptmann Krainer führt dazu aus, dass besonders jetzt, wo durch die politischen Unterdrückungsmethoden die Menschen in den Nachbarländern sich wieder ihrer Freiheit beraubt sehen, die Steirer sich „auf den Wert des freien Geistes“ besinnen mögen.271 Die Verantwortlichkeit gegenüber den Nachbarländern, der ehemaligen innerösterreichischen Einheit, ist hier deutlich deklariert.

Die Grundidee von Hanns Koren war, sich wieder auf diese Wurzeln zu besinnen und die kulturelle und geistige Heimat im alten Innerösterreich zu suchen, das nunmehr durch Grenzen in verschiedene Länder aufgeteilt war. Walter Benjamin bekräftigt diese Idee in seiner Aussage: „Die Einzigkeit des Kunstwerks ist identisch mit seinem Eingebettetsein in den Zusammenhang der Tradition“.272 Wobei für Walter Benjamin, wie wohl auch für Hanns Koren die Tradition nicht als ein statischer Zustand begriffen wird, sondern sich in stetigem Wandel befindet. Dass Hanns Koren die Prämisse der Tradition bei einem Avantgardefestival nicht vermissen lässt, kann auch daran ersehen werden, dass die Eröffung des steirischen herbstes 1968 im Rittersaal des Grazer Landhauses stattfand.273 Koren begreift denn auch die innerösterreichische Idee als Grundlage seiner Vorstellung von Kultur und Gesellschaft. Die ethnischen Verbindungen seien ja nach wie vor vorhanden, und die Bemühung um Einheit und Abbau von Xenophobien stellte einen Grundpfeiler in seiner Auseinandersetzung zwischen Kunst und Gesellschaft dar.274 Hanns Koren befand sich mit seinen Beweggründen durchaus in der Position der Zeit. Österreich trat 1955 der UNO und 1956 dem Europarat bei. „Das Bild, das Österreich der Welt

270 Hanns Koren: [Eröffnungsrede zum steirischen herbst]. In: „Steirischer Herbst“ gestern im Landhaus festlich eröffnet. In: Südost Tagespost vom 24.9.1968, S. 3 271 Josef Krainer: [Eröffnungsrede zum steirischen herbst.] In: „Steirischer Herbst“ gestern im Landhaus festlich eröffnet. In: Südost Tagespost vom 24.9.1968, S. 3. 272 Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. 2006, S. 21. 273 Paul Kaufmann: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. 1977, S. 6. 274 Hanns Koren: Der innerösterreichische Gedanke. Graz, Festsaal des Schlosses Eggenberg, am 27. September 1965. Zur Eröffnung der Sechsten Steirischen Akademie. In: Koren: Reden 1966, S. 377ff.

80 vermitteln wollte, war das einer Brücke zwischen Ost und West […] man sah sich als Fenster zum Osten“.275 Mit Bruno Kreisky als Außenminister bis 1966 und als Bundeskanzler bis 1970 festigte sich dieser politische Weg der Öffnung und Begegnung mit dem Osten, hier besonders mit Jugoslawien (politisch auch mit Indien und dem Nahen Osten).276

Monika Stromberger begreift Kultur als „Handlungsfeld“277, in dem sich die Politik mit ihren Interessen zwar positionieren kann, aber die Machtverhältnisse durch differierende ideologische, ökonomische Interessen und soziokulturelle Ebenen austariert werden.278 Die Handhabe und die Wertschätzung von Kunst und Kultur durch die StadtpolitikerInnen ergebe die Identität der Stadt und im günstigsten Fall ein Bild einer in jeder Richtung aufgeschlossenen Großstadt. Der Charakter des „Innerösterreich“ oder dessen Abbild war in den 1960er Jahren noch immer mitentscheidend für die Imagebildung des musikprotokolls und in weiterem Sinn auch für die der Stadt Graz.

8. Die Beziehungen der Stadt Graz zu den Nachbarländern im Jahr 1968

Der Kontakt der Stadt Graz zu den Nachbarländern war zu dieser Zeit ein intensiver und vor allem positiver. Die politischen Ereignisse im Jahr 1968, insbesonders der „Prager Frühlung“ und dessen Beendigung am 21. 8. 1968 durch die Invasion der Warschauer Paktstaaten führte zu prekären Situationen der BewohnerInnen der östlichen Nachbarländer, vorwiegend aus der damaligen Tschechoslowakei.279 Die politische Führung von Graz und viele Grazerinnen und Grazer waren bemüht, die TschechInnen freundlich aufzunehmen und Solidarität zu zeigen.

275 Helmut Konrad: Die Zweite Republik am „Dritten Weg“. In: Kopetz, Hedwig et.al (Hgg.): Soziokultureller Wandel im Verfassungsstaat. Phänomene politischer Transformation. Wien (Böhlau) 2004. S. 854. 276 Konrad, Helmut: Die Zweite Republik am „Dritten Weg“. Ebda. S. 843ff. 277 Monika Stromberger: Stadt. Kultur. Wissenschaft. Urbane Identität, Universität und (geschichts)wissenschaftliche Institutionen in Graz und Ljubljana um 1900. Köln (SH) 2004, S. 18. 278 Monika Stromberger: Stadt. Kultur. Wissenschaft. Urbane Identität, Universität und (geschichts)wissenschaftliche Institutionen in Graz und Ljubljana um 1900. Ebda. S. 18ff. 279 Jana Starek: http://www.fzhm.at/de/index.php?nav=1523&id=116 vom 17.6.2017.

81 Eine Auswahl aus diesbezüglichen Aktivitäten soll dies beleuchten. So wurde etwa im September 1968 für 1214 TschechInnen, die auf Grund der politischen Ereignisse in ihrem Heimatland verstärkt aus ihrem Urlaub durch die Steiermark reisten, in Graz ein Nachtquartier geboten und 6719 Essensportionen wurden an diese ausgegeben.280

Auch im Amtsblatt der Stadt Graz finden sich immer wieder Nachrichten, wie etwa in der Ausgabe vom 16.8.1968 ein Artikel über „Touristen aus der ČSSR in Graz“,281 in dem berichtet wird, dass die Touristen aus der Tschechoslowakei anlässlich des 80. Jahrestages der Gründung des tschechoslowakischen Touristenclubs eine 1000km-Wanderung von Senj über Graz nach Brünn unternahmen, in Graz vom Bürgermeisterstellvertreter Cechal begrüßt wurden und jede/r Teilnehmer/in mit einem Bildband über Graz beschenkt wurde.282

In einem weiteren Artikel ist über einen Besuch der slowenischen Regierungsmitglieder zu lesen, die die bisher florierenden Beziehungen zwischen beiden Ländern noch vertiefen werden. „Slowenien werde alles dafür tun, dass sich die Grazer dort wohlfühlen“283, erklärte der Präsident des Vollzugsrates von Slowenien, Stane Kavčič bei einem Besuch in Graz. Die gegenseitigen Besuche seien derart erfolgreich, dass sich um eine gute Zusammenarbeit der beiden Nachbarländer nicht mehr gesorgt werden muss.284

Im April 1968 fand in Agram eine Woche der Steiermark unter dem Titel „Die grüne Steiermark und die Blumenstadt Graz“285 statt. Initiiert hatte die Veranstaltung das Land Steiermark und die Stadt Graz. Es wurden eine Tourismusausstellung und volksmusikalische Veranstaltungen geboten. Vorträge,

280 N.N.: Graz beherbergte mehr als 1200 Tschechen. Sitzung des Grazer Stadtsenats – „Wärmestuben“ ab 11. November geöffnet. In: Kleine Zeitung vom 7.9.1968, S. 15. 281 N.N.: In: Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 16.8.1968, Nr. 3, S. 204. 282 N.N.: Touristen aus der CSSR in Graz. In: Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 16.8.1968, Nr. 13, S. 204. 283 N.N.: Slowenische Regierungsmitglieder in Graz. In: Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 16.8.1968, Nr. 13, S. 204. 284 N.N.: Slowenische Regierungsmitglieder in Graz. In: Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 16.8.1968, Nr. 13, S. 204. 285 N.N.: Steiermark-Woche in Agram. In: Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 1.8.1968, Nr. 12, S. 91.

82 Filmabende, die den Fremdenverkehr und die kulturellen Bande zum Inhalt hatten, fanden statt, und die Grazer Oper gab „Figaros Hochzeit“ von W.A. Mozart als Gastspiel. Ein Symposion wurde von den Kammern der gewerblichen Wirtschaft von Kroatien und der Steiermark organisiert und sollte den wirtschaftlichen Zusammenhalt stärken.286

Die Grazer „Südost-Messe“ ist ebenso ein Beweis der wirtschaftlichen und politischen Ausrichtung zu den südöstlichen Nachbarländern und auch zum Trigon- Gedanken zu zählen, dies meint etwa Eduard Moser in der Sitzung zum Steiermärkischen Landtag.287 Der nicht genannte Rezensent der Südost-Tagespost bezeichnet diese Veranstaltung als „Tor zum Südosten“288, das immer mehr an Bedeutung gewinne. Diese Messe frequentierten immer mehr AusstellerInnen, sodass sie zum Sammelpunkt der Nationen geworden sei. AusstellerInnen aus 29 Nationen, darunter die USA, gaben Einblick in ihre neuesten wirtschaftlichen Errungenschaften. Erstmals war in diesem Jahr Deutschland vertreten, das sei ein Zeichen, so der Autor, dass das Land die Wichtigkeit der Messe in Bezug auf die Südostöffnung erkannt hat.289 Der Messedirektor Josef Stöffler bezeichnete die Messe als „Handelsschleuse zum Südosten“.290

Auch auf wissenschaftlichem Gebiet wird die Beziehung zu den Balkanländern gepflegt. In den Jahren 1964, 1966 und 1968 fand jeweils eine Tagung der Balkanologen in Graz statt. WissenschafterInnen unterschiedlicher Fachrichtungen aus Nachbarländern, aber auch aus Dänemark, Griechenland, England, Schweden, Franzkreich, USA und aus der damaligen UDSSR waren eingeladen, Vorträge zu Wissenschaftsproblemen der Balkanologie zu halten. Die Horizonterweiterung war ein vordringliches Ziel der Kongresse. Im Jahr 1964 war das Hauptthema die

286 N.N.: Steiermark-Woche in Agram. In: Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 1.8.1968, Nr. 12, S. 91. 287 Eduard Moser: [Wortmeldung]. In: 19. Sitzung des Steierm. Landtages, VI. Periode – 13., 14., 15. und 16.12.1966. Landesarchiv Graz. 288 N.N.: Messe: Treffpunkt der Nationen. Neue Ausstellerrekorde / „Tor zum Südosten“ wird immer wichtiger. In: Südost-Tagespost vom 27.9.1968, S. 7. 289 N.N.: Messe: Treffpunkt der Nationen. Neue Ausstellerrekorde / „Tor zum Südosten“ wird immer wichtiger. In: Südost-Tagespost vom 27.9.1968, S. 7. 290 Josef Stöffler: Handelsschleuse zum Südosten. Branchenkonzentration machte die Grazer Messe zu einer echten Verkaufsmesse. In: Südost-Tagespost vom 28.9.1968, S. 33.

83 „Volksmusik Südosteuropas“, im Jahr 1966 lautete das Thema „Das orientalische Element auf dem Balkan“, 1968 hieß es schließlich „Das romanische Element am Balkan.“291

Die Grazer Wahrheit berichtet im März 1968 über einen florierenden Tourismus aus dem Osten, besonders in den Monaten September und Oktober sei dieser im Zunehmen begriffen. Diese Berechnung ist von Experten des Wiener Fremdenverkehrs errechnet worden und gilt daher hauptsächlich für Wien.292 Der Bericht zeigt aber, dass die BewohnerInnen der Länder Osteuropas gerne im September und Oktober nach Österreich reisen. Was durchaus für eine Positionierung des steirischen herbstes in diesen Monaten spricht. Ob die OrganisatorInnen diese Statistik zu Rate gezogen haben, geht aus den Quellen jedoch nicht hervor.

Auch das Steiermärkische Landeskonservatorium war bemüht, Studierende aus süd- und südöstlichen Nachbarstaaten zu akquirieren. Dies bemerkte bereits 1963 lobend Erich Markchl anlässlich seiner Rede zur Umwandlung des Konservatoriums in die Akademie für Musik und Darstellende Kunst. Zwar seien die Studierenden aus den südöstlichen Nachbarländern noch nicht sehr zahlreich, aber sie seien bisher gut betreut worden und die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern müsse in der Akademie noch forciert werden.293

Hanns Koren war folglich nicht gezwungen, völlig neue Wege zu beschreiten, er musste nur die schon gelebten wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen erweitern und fördern.

291 Leopold Kretzenbacher: Dreimal Balkanologen-Tagung in Graz. In: Das romanische Element am Balkan. III. Grazer Balkanologen-Tagung 1968. In: Beiträge zur Kenntnis Südosteuropas und des nahen Orients. Herausgegeben von H.-G. Beck, M. Bernath, K.-D. Grothusen, H.J. Kissling, L.Kretzenbacher, A. Schmaus, J. Schütz, J. Valentini, W. Wünsch. VII. Band. Josef Matl, dem Slawisten und Balkannologen. Rudolf Trofenik, München 1968. Siehe auch: Erich Marckhl: Rechenschaftsbericht über 1968. Akademie für Musik und darstellende Kunst in Graz. UB-Archiv der Kunstuniversität Graz, S. 11. UAKUG_TEM_B23_H126.02. 292 N.N.: Immer mehr Besucher aus dem Osten. In: Die Wahrheit vom 4.3.1968, S. 3. Aus: Wien infomiert Sie. 293 Erich Marckhl: [Rede anlässlich der Umwandlung des Steiermärkischen Landeskonservatoriums Graz in die staatliche Akademie für Musik und darstellende Kunst]. In: Österreichische Musikzeitschrift. Sonderheft April 1963, Wien, S. 18.

84

9. Der steirische herbst 9.1. Politische Stimmen rund um die Entstehung des steirischen herbstes

Der Abgeordnete Hans Groß referierte in der 19. Sitzung des Steiermärkischen Landtages vom 13.-16. Dezember 1966 über die finanziellen Verhältnisse des Kulturbudgets, und darüber hinaus bemerkt er, dass es einen Antrag gebe, die Grazer Sommerspiele künftig im Herbst abzuhalten und diese eventuell mit der steirischen Akademie zu fusionieren. Der Abgeordnete spricht sich gegen die Verlegung in den Herbst aus, da „man auf die natürliche Kulisse […] wie den Burggarten, das Schloß Eggenberg, den Landhaushof und die Schloßbergbühne nicht im Vorhinein verzichten soll, weil gerade sie diese Festspiele besonders anziehend machen.“294

Hanns Koren entgegnete dazu später, dass der Hauptgrund, warum man die Sommerspiele in den Herbst verlegen möchte, darin besteht, dass die Zusammenführung von Kunst und Wissenschaft geplant ist, und dafür der Herbst als Veranstaltungszeitraum aufgrund der sommerlichen Ferienzeiten besser erscheine.295 Für Hanns Koren bedeutete es auch einen Nachteil, dass dann eventuell Spielstätten im Freien nicht mehr so ohne weiters bespielbar wären, obwohl er die Regenfreudigkeit des Grazer Juni dem entgegenhält und den späten Sommerausklang als Möglichkeit der Freilichtaufführungen anführte. Weiters merkte Hanns Koren an, dass im Jahr 1968 die Republik Österreich ihr 50 – jähriges Bestehen feiert, Graz und die Steiermark schon seit 1215 in der Magna Charta eine wichtige Bedeutung für die kulturelle, politische und finanzielle Entwicklung Österreichs hat, deshalb müsse dem Jubiläumsjahr auch kulturell Rechnung getragen werden.296 Damit hat Hanns Koren aber noch nicht die Gründung des steirischen herbstes gemeint, sondern er plante, die Steirische Akademie 1967 als

294 Hans Groß: [Wortmeldung]. In: Protokoll von der 19. Sitzung des Steierm. Landtages, VI. Periode – 13., 14., 15. und 16. Dezember 1966, S. 615. 295 Hanns Koren: [Wortmeldung]. In: Protokoll von der 19. Sitzung des Steierm. Landtages, VI. Periode – 13., 14., 15. und 16. Dezember 1966, S. 631. 296 Hanns Koren: [Wortmeldung]. In: Protokoll von der 19. Sitzung des Steierm. Landtages, VI. Periode – 13., 14., 15. und 16. Dezember 1966, S. 631f. Landesarchiv Steiermark.

85 „sehr vitalen Beitrag zum gemeinsamen österreichischen Staatsbewusstsein“297 zu initiieren.

Der Abgeordnete Hans Georg Fuchs hat mit seinem Einwurf eventuell schon die Intention des steirischen herbstes – im Hinblick auf die Öffnung zu den Nachbarländern – vorweggenommen. Sein Anliegen war es, „Auswärtige, von Ausländern will ich nicht reden“,298 als Publikum zu den Grazer Sommerspielen zu aquirieren. Dies scheine bisher nicht gelungen zu sein. Er gibt dabei den Veranstaltungen, die unter einem gewissen Motto stattfinden, die Schuld. Dies sei zwar für die Grazer interessant, auch in den ausländischen Printmedien sei man dadurch präsent, aber Gäste würden deswegen keine vom Ausland kommen.299 Auch befand der Abgeordnete, dass die Grazer Festspiele in den letzten Jahren einen zu hohen Betrag an finanziellem Zuschuss erforderlich machten. Das sei zuviel an monetärer Belastung, da „es sich nur um Veranstaltungen handelt, die wieder nur von der einheimischen Bevölkerung besucht werden.“300

9.2. Vorankündigungen - Printmedien

Seitens der Printmedien ist großes Interesse bezüglich des neuen Festivals zu bemerken. Neben der Programmgestaltung werden auch juridische und organisatorische Belange eifrig beschrieben. Auch wenn diese noch nicht fixiert sind, werden Vermutungen darüber angestellt. Gesellschaftspolitisch ist es interessant, in wie starkem Ausmaß sich die Printmedien mit einem Festival in Planung befassen. Eine Zusammenfassung der Artikel soll hier gegeben sein:

Die Kleine Zeitung berichtet am 7. März 1968 über den Landtagsbeschluss, dass „die beabsichtigte Zusammenfassung verschiedener kultureller Veranstaltungen

297 Hanns Koren: [Wortmeldung]. In: Protokoll von der 19. Sitzung des Steierm. Landtages, VI. Periode – 13., 14., 15. und 16. Dezember 1966, S. 632. Landesarchiv Steiermark. 298 Hans Georg Fuchs: [Wortmeldung]. In: Protokoll von der 19. Sitzung des Steierm. Landtages, VI. Periode – 13., 14., 15. und 16. Dezember 1966, S. 624. Landesarchiv Steiermark. 299 Hans Georg Fuchs: [Wortmeldung]. In: Protokoll von der 19. Sitzung des Steierm. Landtages, VI. Periode – 13., 14., 15. und 16. Dezember 1966, S. 623f. Landesarchiv Steiermark. 300 Hans Georg Fuchs: [Wortmeldung]. In: Protokoll von der 19. Sitzung des Steierm. Landtages, VI. Periode – 13., 14., 15. und 16. Dezember 1966, S. 624. Landesarchiv Steiermark.

86 unter dem Titel „Steirischer Herbst“ zustimmend zur Kenntnis genommen worden“301 [sei]. Über das musikprotokoll ist nichts zu lesen, es steht in dem Artikel allerdings: „In der ersten Woche soll eine „Internationale Musikwoche“ veranstaltet werden, zu der vor allem auch Künstler aus Jugoslawien, im Besonderen aus Laibach und Agram, eingeladen werden.“302 Die zweite Woche sei dem Theater, die dritte der „Steirischen Akademie“ gewidmet, wo auch Historiker aus den Trigon- Ländern eingeladen werden sollen. In der „Neuen Galerie“ würde ferner eine Ausstellung zum gleichen Thema wie in der Akademie, kuratiert. Ob die Sommerspiele damit beendet seien, oder ob diese zugleich vor dem steirischen herbst noch ein letztesmal stattfänden, darüber wird in dem Artikel nur spekuliert.303

Die soziopolitische Komponente ist bei diesem Artikel zentral, die internationale Beteiligung am steirischen herbst ist positiv zu interpretieren. Das zweite Hauptthema sind die unterschiedlichen Sparten, die bei dem Festival geplant sind. Es ergibt sich eine Ahnung der Zufriedenheit, dass die verschiedenen Genres und VorläuferInnen des steirischen herbstes weitergeführt werden.

Schon einen Tag später berichtet das gleiche Blatt von einem genauen Terminplan, der mit der Eröffnung am 23. September beginnt, zum gleichen Termin auch die Werkausstellung der Internationalen Malerwochen, am 24. September das Podiumsgespräch „Biennale – Documenta und die Situation der Kunst in unserer Zeit“. Hier wird auch das musikprotokoll angeführt, die Dauer des Festivals, der Österreichische Rundfunk als Veranstalter, die Zusammenarbeit mit Radio Laibach und Radio Agram, auch Kulturausstellungen von Italien, Ungarn und der CSSR sollten involviert werden. Als „Rahmenprogramm“304 werden das Komponistentreffen und die Opern- und Theateraufführungen im Opernhaus, Schauspielhaus und Schloss Eggenberg genannt. Das weitere Programm wurde detailgetreu angekündigt.305

301 N.N.: „Steirischer Herbst 1968“ nimmt konkrete Formen an. In: Kleine Zeitung vom 7. März 1968, S. 14. 302 „Steirischer Herbst 1968“ nimmt konkrete Formen an. In: Kleine Zeitung vom 7. März 1968, S. 14. 303 „Steirischer Herbst 1968“ nimmt konkrete Formen an. Ebda. S. 14. 304 Steirischer Herbst 1968“ Kleine Zeitung vom 8. März 1968, S.8. 305 Steirischer Herbst 1968“ Ebda. S. 8.

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Dieses Programm war zwar noch nicht so festzementiert, wie es der Bericht der Kleinen Zeitung glauben machte, jedoch wurden hier schon Details besprochen, die durch Nennung des Beginndatums des steirischen herbstes und durch das Anführen des Programmes eine Sicherheit versprochen, dass dieses Festival stattfinden wird. Der Artikel bewegt sich hauptsächlich im kulturellen Bereich, die Themen der Veranstaltung sind vorherrschend. Die Informationen über das musikprotokoll und „Kulturausstellungen“ berühren auch soziopolitische Aspekte, wenn die Zusammenarbeit mit den ausländischen Radiostationen und Kulturschaffenden besprochen wird.

Am gleichen Tag berichtet der als Generalsekretär für den steirischen herbst ernannte Paul Kaufmann, am gleichenTag in der Neuen Zeit: „dass dieses in aller Eile erstellte Programm noch durchaus als Improvisation und Übergang gewertet werden müsse.“306 Auch die Neue Zeit druckt einen Programmablauf ab, der mit dem der Kleinen Zeitung ident ist. Und ein mit „K-nn“307 unterzeichneter Artikel, der mittig im von der Autorschaft her nicht deklarierten Artikel positioniert ist, stellt die Frage nach der rechtlichen Grundlage und der juridischen Autorität. Wer die finanzielle Verwaltung, die Programmgestaltung innehat, ob es ein Kuratorium gibt, ein Amt oder einen „Verein der Freunde des Steirischen Herbstes?“308 Dies seien notwendige Fragen, die dringend der Klärung bedürfen, so der Autor.309

Paul Kaufmann weiß als Generalsekretär ja, wovon er spricht, wenn er das Programm als eilig und improvisiert beschreibt. Vielleicht möchte er damit auch eventuelle negative Kritiken bezüglich der Programmauswahl vorab kalmieren. Auch die Nachfrage nach rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Obrigkeiten muss ihm als Mitarbeiter des Festivals ein großes Anliegen sein.

306 N.N. Improvisation des Steirischen Herbstes. Programmvorschau 1968-Vorstellung des neuen Generalsekretärs. In: Neue Zeit vom 8. März 1968, S. 4. 307 Die Abkürzung lässt auch Paul Kaufmann vermuten. 308 N.N.: Improvisation des Steirischen Herbstes. Programmvorschau 1968-Vorstellung des neuen Generalsekretärs. In: Neue Zeit vom 8. März 1968, S. 4. 309 N.N.: Improvisation des Steirischen Herbstes. Programmvorschau 1968-Vorstellung des neuen Generalsekretärs. Ebda. S. 4.

88 Die Frage der rechtlichen Grundlagen sollte sich noch hinziehen. Erst am 7. September lässt die Kleine Zeitung wissen, dass eine „Steirische Gesellschaft“ gegründet wurde, und die dafür notwendigen Statuten am Vereinsamt zur Einreichung gelangt seien. Die Aufgaben dieser Gesellschaft lägen in der Koordination der Veranstaltungen, der Entwicklung eines kulturpolitischen Images, sowie bei der Besetzung der Verantwortlichen, die für die künstlerischen und wissenschaftlichen Belange zuständig seien. Dabei sollen neben Personen aus Kultur und Wissenschaft auch Vertreter von Politik und Behörden involviert werden.310

Offensichtlich ist die Kleine Zeitung nun bemüht, beim Grazer Publikum alle juridischen Unklarheiten bezüglich des Festivals zu zerstreuen und eine positive Basis für den steirischen herbst zu bilden. Insbesonders dass Personen aus allen Sparten geladen sind, sich für die unterschiedlichen Aspekte des steirischen herbstes zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen, sollte wohl die letzten Skeptiker davon überzeugen, dass dabei kein Steuergeld verschwendet wird. Wenn Politik und Behörden für kulturelle Belange einstehen, mag dies wohl der Beruhigung der SteuerzahlerInnen gelten.

Am 8. März schreibt auch die Grazer Wahrheit einen kurzen Artikel über den Terminplan, der auch die Beginn- und Enddaten des musikprotokolls includiert, und die Intention der Ur- und Erstaufführungen und die Zusammenarbeit mit den Radiostationen Laibach und Zagreb, sowie mit den Ausstellungspartnern Italien, Ungarn und der CSSR beschreibt.311

Der Artikel ist kurz und dient vorwiegend der Information bezüglich der Termine, aber auch hier ist die soziopolitische Komponente durch Notierung der Einbeziehung der südosteuropäischen Länder vorhanden. Musikalisch gesehen wird auch die Prämisse der Protokollierung der zeitgenössischen Musik besprochen.

310 N.N.: Eine „Steirische Gesellschaft“ wird gegründet. „Steirischer Herbst“ auf autonomen Wegen. In: Kleine Zeitung vom 7. Sept. 1968, S. 16. 311 N.N.: „Steirischer Herbst“: Konfrontationen, Erstaufführungen. Zusammenarbeit mit Jugoslawien, Italien, Ungarn, der CSSR. In: Grazer Wahrheit 8.3.1968, S. 3.

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Auch der Rezensent der Grazer Wahrheit schreibt am 9. März über die Planung des steirischen herbstes als „Neueinführung im Grazer Kulturleben, als Ersatz für die mittlerweile aufgelassenen Sommerspiele“312, wobei der Autor bezüglich der Sommerspiele irrt. Das Blatt stellt weiters die Programmgestaltung des steirischen herbstes vor und schreibt über das musikprotokoll, dass es „mit Recht einen bedeutenden Rahmen“313 einnehmen wird. Allerdings reiht der Verfasser auch die Aufführung der Barockoper von Johann Joseph Fux zu den Veranstaltungen im musikprotokoll. Auch berichtet die Zeitung, dass „der Musikverein in keiner Weise – ausgenommen das Borodin Quartett – sich beim Programm beteilige“.314 Nachdem alle Veranstaltungen des musikprotokolls in den Räumen des Musikvereins stattfanden, ist diese Angabe ebenfalls nicht exakt. Der Verfasser moniert weiters, die durchaus streitbare Aussage des Generalsekretärs Paul Kaufmann: „Wir haben keine Vorbilder, wir brauchen auch keine, unser Ziel ist vielmehr die steirische Note.“315 Auch die Tatsache, dass mit dem Herbsttermin die Freiluftaufführungen der Sommerspiele entfallen, schreibt der Autor einer Aussage von Paul Kaufmann zu. Worin er Recht behält, in einem Artikel in der Tagespost vom 14. September tritt Paul Kaufmann dafür ein, dass es für Freilichtaufführungen keiner Festspiele bedürfe.316

Das ist allenfalls ein kulturpolitischer Artikel, der etliche Falschmeldungen enthält. Wenn er die Sommerspiele für beendet erklärt, wird der Autor in der Grazer Kulturszene eher nicht beheimatet sein. Musikwissenschaftlich irrt der Autor ebenso, wenn er die Definition des musikprotokolls als zeitgenössische Festivalsparte entweder negiert oder – was eher nicht angenommen werden kann – in Unwissenheit Johann Joseph Fux zu den zeitgenössischen Komponisten zählt.

312 Hf: Perspektiven des „Steirischen Herbstes“. In: Grazer Wahrheit vom 9. 3. 1968, S. 5. 313 Hf: Perspektiven des „Steirischen Herbstes“. In: Grazer Wahrheit vom 9. 3. 1968, S. 5. 314 Hf: Perspektiven des „Steirischen Herbstes“. In: Grazer Wahrheit vom 9. 3. 1968, S. 5. 315 Hf: Perspektiven des „Steirischen Herbstes“. In: Grazer Wahrheit vom 9. 3. 1968, S. 5. 316 Paul Kaufmann: „Steirischer Herbst“ – Hoffnung auf neuen Frühling. Fernab vom europäischen Festspielrummel ein kultureller Schwerpunkt in Österreich. In: Tagblatt 14.9.1968.

90 Die Tagespost berichtet am 7. September über die Erscheinung des Programmheftes des steirischen herbstes – das musikprotokoll wird nicht eigens genannt: Der Prospekt sei „geschmackvoll und übersichtlich […] offensichtlich mit wohltuender Sparsamkeit gestaltet, er erlaubt eine rasche Information über den Anteil der einzelnen Kunstgattungen und die Veranstaltungen jedes Tages. Ein brauchbarer Kompass also durch das Abenteuer einer viel umstrittenen Veranstaltung“.317 Weiters meint der nichtgenannte Autor, dass die viel zitierten Vorurteile der fehlenden juridischen Grundlage des steirischen herbstes durch die Gründung der Gesellschaft des steirischen herbstes nun obsolet geworden seien und die Statuten feststünden. Sobald die Vereinspolizei die eingereichten Prämissen angenommen habe, könnte die Besetzung der Verantwortlichen beginnen.

Der Artikel in der Tagespost ist generell dem neuen Festival gegenüber sehr positiv und beschreibt es als „ehrlichere und attraktivere Veranstaltung“318, die dem allgemein herrschenden Festival-Überdruss eine bereichernde Entgegnung sein wird.319 Dass bei aller freundlichen Berichterstattung das musikprotokoll keine Erwähnung findet, ist verwunderlich. Der Artikel ist vorwiegend auf organisatorischer Ebene positioniert. Entweder ist der nicht genannte Autor auf musikalischem Gebiete nicht firm, oder es bestehen persönliche Antipathien zu den Gründern oder Mitarbeitern des musikprotokolls. Das können nur Vermutungen sein, vielleicht wollte das Blatt auch keine detaillierten Aussagen bezüglich der einzelnen Sparten drucken.

Die Gründung der Gesellschaft des steirischen herbstes zwei Wochen vor Beginn des ersten steirischen herbstes war für das in diesem Jahr stattfindende Festival wohl nur von marginaler Bedeutung. Es konnte allenfalls als Absicherung betrachtet werden, dass im kommenden Jahr die rechtlichen Belange geklärt sind. Von der Aufgabenstellung her konnte die Gesellschaft wohl hauptsächlich erst für den steirischen herbst des kommenden Jahres aktiv werden. Die Programmgestaltung

317 Steirischer Herbst: Prospekt. In: Tagespost vom 7.September 1968, S. 9. 318 Steirischer Herbst: Prospekt. In: Tagespost vom 7.September 1968, S. 9. 319 Steirischer Herbst: Prospekt. In: Tagespost vom 7.September 1968, S. 9.

91 und die kulturpolitische Imagebildung waren zu diesem Zeitpunkt für den steirischen herbst 1968 bereits festgesetzt.

Erst am 28. Oktober erfolgte ein Regierungsbeschluss über die Abhaltung des steirischen herbstes in den Monaten Oktober und November. Die Kleine Zeitung berichtete darüber am 30. Oktober. Das musikprotokoll erscheint in der Erklärung nicht auf: Das Festival soll „ein umfassendes Bild der geistigen Kräfte und Leistungen des Landes auf dem Gebiete der Wissensschaft, der darstellenden und bildenden Kunst, der Musik und der Literatur geben. […] Die Beiträge […] werden vornehmlich die Steirische Akademie, die Drei-Länder-Ausstellung Trigon, […] die internationale Malerwoche in Retzhof sowie anteilsmäßig die Aufführungen der Vereinigten Bühnen sein.“ Die Verantwortung und Durchführung hat Präsident Hanns Koren inne. Der Österreichische Rundfunk wird als „weiterer Vertreter“320 genannt.

Der Artikel informiert über den Regierungsbeschluss und dokumentiert diesen durch eine Aufzählung der Intentionen des Festivals und der unterschiedlichen Genres. Warum auch hier das musikprotokoll nicht genannt wurde, ist nicht zu eruieren. Die kulturpolitische Aussage hat einen großen Stellenwert, hier wird nur innenpolitisch von den „Leistungen des Landes“ gesprochen, die Internationalität wird lediglich en passant erwähnt.

Die Neue Zeit vom 22. April berichtet von einer Pressekonferenz, bei der das Programm und die Intention des steirischen herbstes bekanntgegeben worden ist. Hier wird erstmals die Idee des übergreifenden Festivals definiert: „Ziel und Aufgabe des „Steirischen Herbstes“ ist die dem „Trigon“-Gedanken entsprechende Zusammenführung des im Innerösterreich-Begriff erfassten Kulturraumes Österreich-Jugoslawien-Italien auf wissenschaftlicher und künstlerischer Ebene“.321 Das Programm des musikprotokolls ist als erstes abgedruckt und beinhaltet alle elf Konzerte, wobei noch nicht alle Werke detailliert angeführt werden. Als

320 N.N.: Steirischer Herbst als Regierungsbeschluß. In: Kleine Zeitung vom 30. Okt. 1968, S. 19. 321 N.N.: Bleibt es Sommer – wird es Herbst? Das kulturelle Schmerzenskind „Steirischer Herbst“. In: Neue Zeit vom 22. 4. 1968, S. 4.

92 „Ergänzung“322 ist hier die Ausstellung „Bücher, Schallplatten und Partituren – eine Dokumentation des zeitgenössischen Musikschaffens“ angeführt323. Diese scheint jedoch nicht stattgefunden zu haben, sie findet sich im aktuellen Programm des steirischen herbstes nicht. Ob der steirische herbst die Grazer Sommerspiele ersetzen wird, oder ob letztere doch eine Schlussaufführung in diesem Jahr erleben sollen, schien noch unklar, aber nach der Sitzung des Sommerspielausschusses sei an eine Weiterführung derselben gedacht.324

Dieser Artikel beschreibt die kulturpolitische Aufgabe des steirischen herbstes in bester Fasson. Die Verquickung von Wissenschaft und Kunst und die länderübergreifende Komponente steht hier im Mittelpunkt. Die Pressekonferenz kann als wohl dokumentiert gesehen werden, da die Intention des Festivals so treffend beschrieben wurde. Musikwissenschaftlich oder kunsttheoretische Erläuterungen finden sich keine.

Am 21. Juni fand eine weitere Pressekonferenz statt, da die KulturberichterstatterInnen aus Wien für die Eröffnung der Sommerspiele nach Graz angereist waren325, und so konnte man diese leicht erreichen. Von der Konferenz berichtete die Neue Zeit am 22., die Kleine Zeitung am 23. Juni:

In der Neuen Zeit steht nun der detaillierte Programmablauf abgedruckt. Im Programm stehen alle Konzerte unter dem Titel „Konzerte“ aufgelistet, jedoch ohne dass das Wort musikprotokoll irgendwo aufscheint; „Theater, Literatur, Steirische Akademie und Bildende Kunst“326 folgen.327 In einer separaten Glosse unter dem

322 N.N.: Bleibt es Sommer – wird es Herbst? Das kulturelle Schmerzenskind „Steirischer Herbst“. In: Neue Zeit vom 22. 4. 1968, S. 4. 323 N.N.: Bleibt es Sommer – wird es Herbst? Das kulturelle Schmerzenskind „Steirischer Herbst“. Ebda. S. 4. 324 N.N.: Bleibt es Sommer – wird es Herbst? Das kulturelle Schmerzenskind „Steirischer Herbst“. Ebda. S. 4. 325 N.N.: Detailpläne des Steirischen Herbstes. Verlautbarungen von einer gestern abgehaltenen Pressekonferenz. In: Neue Zeit vom 22. 6.1968, S. 4. 326 K-nn: Rechtschaffene Verwirrung. In: Neue Zeit vom 22.6.1968, S. 4. 327 N.N.: Detailpläne des Steirischen Herbstes. Verlautbarungen von einer gestern abgehaltenen Pressekonferenz. Ebda. S. 4.

93 Titel „Rechtschaffene Verwirrung“328 werden die juridischen Unklarheiten bemängelt. Neben dem Mangel der Rechtsperson sei vieles andere nicht geklärt, wie etwa, ob die Sommerspiele weiter stattfänden. Eine Reihe an gegensätzlichen Aussagen wurde präsentiert. Der zuständige Intendant Schubert müsse eben für alle Eventualitäten planen. Die detaillierte Planung des Programms des steirischen herbstes sei äußerst lobenswert, die Organisation jedoch bisher laienhaft.329

Es handelt sich hier vorwiegend um eine Information des Programmes – wenn auch lückenhaft, da das musikprotokoll nicht als eigene Sparte firmiert. Der Verfasser der Glosse moniert die organisatorische Ebene, künstlerische Aussagen finden sich kaum.

Karl Haysen, der Berichterstatter der Kleinen Zeitung, der auch unter dem Kürzel „Ypsilon“ firmiert, berichtet ausführlicher von der Konferenz. Die Grazer Sommerspiele würden heuer zum letzten Mal stattfinden, so habe Hanns Koren informiert. Dies sei zwar auch aus den bisherigen Verlautbarungen hervorgegangen, sei aber nicht ganz glaubwürdig, da der Ausschuss der Grazer Sommerspiele mit einer Auflösung noch wartet, wie der Erfolg des ersten steirischen herbstes sich bescheide. Der Kritiker verurteilt diese Halblösung zutiefst als charakterlos, künstlerisch und personell unsinnig und als eine Handlung die typisch dem Proporz zugeschrieben werden kann. Diese Abhandlung zieht sich durch die Hälfte des Artikels. Dann befindet der Autor, dass das Programm für den ersten steirischen herbst „gut“330 sei, jenes für die „Musikprotokolle [sic] 1968“ sei „bemerkenswert“331. Eine Debatte folgt, inwieweit Einstimmigkeit bei den kulturpolitischen Beschlüssen von Vorteil sei, persönliche Gesinnungen dürften nicht im Vordergrund stehen, da es ansonsten künstlerische Nachteile für Ausführende und Publikum geben würde.332

328 N.N.: Detailpläne des Steirischen Herbstes. Verlautbarungen von einer gestern abgehaltenen Pressekonferenz. Ebda. S. 4. 329 K-nn: Rechtschaffene Verwirrung. In: Neue Zeit vom 22.6.1968, S. 4. 330 Ypsilon: Herbst, es herbstelt. In: Kleine Zeitung vom 23. Juni 1968, S.5. 331 Ypsilon: Herbst, es herbstelt. In: Kleine Zeitung vom 23. Juni 1968, S.5. 332 Ypsilon: Herbst, es herbstelt. In: Kleine Zeitung vom 23. Juni 1968, S.5.

94 Der Verfasser der Zeilen, der engagiert im forum stadtpark mitarbeitete, wusste von dort um die Schwierigkeiten der Organisation von Veranstaltungen, deshalb vermutlich ist die organisatorische Kritik so ausladend geschrieben. Dass er das Programm für den steirischen herbst lediglich als „gut“ beschreibt und sich weiter bedeckt hält, kann ebenfalls in seiner Mitarbeit im forum stadtpark begründet sein. Das forum stadtpark vereinigte auch viele künstlerische Genres in einer Vereinigung, es kann einerseits vorsichtiges Abwarten, wie sich das neue Festival entwickelt, gewesen sein, andererseits kann auch ein eventuelles Konkurrenzdenken nicht ausgeschlossen werden.

Ein Monat vor Beginn des steirischen herbstes scheint es in Graz noch an Werbung und Information über das Festival gefehlt zu haben. Der Grazer Montag schreibt, dass „weder Plakate noch sonstige Werbemittel […] Aufschluss über einen geplanten erfreulichen Anfang“333 geben würden. Eine Ursache für den geringen Erfolg der Sommerspiele sei auch deren mangelhafte Werbung gewesen und der steirische herbst müsse sich in Acht nehmen, dass ihm nicht auch das gleiche Schicksal blüht.334 Dies ist eine Organisationskritik ist dies, die nicht über marketingtechnische Aspekte hinausreicht. Das endgültige Programm des steirischen herbstes ist laut Kleine Zeitung erst am 6. September in Form eines Programmheftes bekannt gegeben worden. Die neu hinzugekommenen Veranstaltungen wurden anschließend abgedruckt.335

Am 8. September druckt die Kleine Zeitung eine kurze Ankündigung unter dem Titel „Zum erstenmal. Steirischer Herbst“336. Dabei wird das farblose Ende der Grazer Sommerspiele verkündet, die jedoch mit geringeren finanziellen Zuschüssen ihr Programm gestalten mussten. Die Ankündigung des steirischen herbstes begrenzt sich auf die Opern- und Theateraufführungen.337

333 N.N.: Es wird steirischer Herbst. In: Grazer Montag vom 26. August 1968, S.4. 334 N.N.: Es wird steirischer Herbst. In: Grazer Montag vom 26. August 1968, S.4. 335 N.N.: Symphonieorchester Pressburg kommt doch. Das endgültige Programm des „Steirischen Herbstes“. In: Kleine Zeitung vom 7. Sept.1968, S.5. 336 Zum erstenmal: Steirischer Herbst. Reprise: „Christoph Kolumbus“ Sechs Neuinszenierungen. In: Kleine Zeitung vom 8. Sept. 1968. 337 Zum erstenmal: Steirischer Herbst. Reprise: „Christoph Kolumbus“ Sechs Neuinszenierungen. In: Kleine Zeitung vom 8. Sept. 1968.

95

Am 14. September veröffentlicht die Tagespost einen Artikel des Generalsekretärs Paul Kaufmann, in dem er die Idee des steirischen herbstes vorstellt, die Gründe der Positionierung im Herbst, die Programmgestaltung und die Aufgaben und Ziele des Festivals. Er gibt zu, dass manche organisatorischen Belange noch provisorisch seien, eine einheitliche Programmlinie sei eventuell schwer zu lokalisieren, aber die kurze Vorbereitungszeit hätte die Planung eines stringenten Konzeptes verhindert. Dem gegenüber stünden ein hohes Maß an idealistischem Feuer und der Mut zu neuen Wagnissen. Die Ausrichtung des Festivals über die Grenzen hinaus manifestiere sich in der „kleinen Außenpolitik“, die in der Steiermark schon oft praktiziert worden war. Der Schwerpunkt des Festivals liege in der Gegenwart, in den gesellschaftlichen Strukturen von heute, und im Menschen mit seinen Herausforderungen in der Zeit. Die junge österreichische Generation solle sich mit den jungen KünstlerInnen und WissenschafterInnen der Nachbarländer vergleichen. Ihnen soll eine Chance zur Präsentation und ein Angebot zur Förderung geboten werden.338

Paul Kaufmann spricht über kulturpolitische Belange und die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, wenngleich diese für ihn ausbaufähig scheint. Der Austausch zwischen den in- und ausländischen KünstlerInnen und WissenschafterInnen ist im Vordergrund. Organisatorisch steht für Kaufmann der Mut zu Neuem vor einer fundierten Planung – oder vielleicht ist dies wieder als Calmierung zu verstehen, um Kritikern, die sich über eine marode Programmgestaltung monieren könnten, einen Beweis zu liefern, dass Idealismus strukturelle Unterlassungen ausgleichen kann.

Die Südost Tagespost druckt am 22. September einen ausführlichen Artikel von Wolfgang Arnold über den steirischen herbst, in dem die Intentionen des Festivals besprochen werden, die unterschiedlichen Genres, denen die Veranstaltungen gewidmet sind und die zahlreichen Widerstände mit denen die Gründer zu kämpfen hatten.339 Das musikprotokoll findet keine Erwähnung, wohl aber die Steirische

338 Paul Kaufmann: „Steirischer Herbst“ – Hoffnung auf neuen Frühling. Fernab vom europäischen Festspielrummel ein kultureller Schwerpunkt in Österreich. In: Tagespost 14.9.1968, S. 8. 339 Wolfgang Arnold: Der „Steirische Herbst“. In: Südost Tagespost 22.9.1968, S. 3

96 Akademie, Literaturabende und das Forum Stadtpark. Der musikalische Teil „unter den anderen Veranstaltungen, ob sie nun der Musikverein oder […] beisteuern, ist kaum einer, der nicht auch im Alltag des Kulturlebens denkbar wäre.“340

Ein kulturpolitischer Artikel, der künstlerische und soziologische Komponenten enthält jedoch der musikalische Aspekt fehlt auch hier wieder. Der Fokus des Schriftstellers und Kulturjournalisten Wolfgang Arnold war wohl vordergründig nicht auf musikalischem Gebiete positioniert. Der Artikel ist ein kultursoziologisch fundierter Bericht, der den Charakter des steirischen herbstes ins Zentrum stellt. Über welche Widerstände die Gründer zu kämpfen hatten, darüber schweigt der Autor.

Der Rheinische Merkur ergeht sich in seiner Vorankündigung in einer weitschweifigen Definition bezüglich des Begriffs „Innerösterreich“ (siehe auch im Kapitel „Innerösterreich“) und gesteht dem steirischen herbst zu, dass in der Bildenden Kunst und bei den wissenschaftlichen Veranstaltungen die „Begegnung [auf die] drei Völker Innerösterreichs eingegrenzt [werde], nur bei der Musik wurde der Raum auf ganz Europa erweitert und auch tschechische, ungarische und sowjetische Orchester [seien] eingeladen [worden].“341

Der Bericht ist eine soziopolitische Abhandlung, in der über den innerösterreichischen Gedanken referiert wird. Der Autor trifft die Intention des steirischen herbstes auf den Punkt. Kulturtheoretisch oder musikwissenschaftlich werden keine Aussagen getroffen.

In Italien sind in mehreren Printmedien Ankündigungen vom steirischen herbst zu finden: Das Mailänder Blatt Attualitá turistiche aus Mailand berichtet von 15 Informationen über Österreich unter Punkt drei „L’ „Autunno Stiriano“ a Graz“.342

340 Wolfgang Arnold: Der „Steirische Herbst“. In: Südost Tagespost 22.9.1968, S. 3. 341 G.A.: Steirischer Herbst. Neuer Kulturaustausch im ehemaligen Innerösterreich. In: Rheinischer Merkur 1968. 342 N.N.: L’ „Autunno Stiriano“ a Graz. In: Attualità Turistiche in Austria. Milano, Agosto 1968, S. 2.

97 Darin wird das musikprotokoll zwar nicht gesondert genannt, aber zwei Drittel der Ankündigung beschäftigen sich mit Details der Konzerte im musikprotokoll. Die ausführenden Ensembles und Orchester werden genannt und die Tatsache, dass Konzerte mit zeitgenössischen Komponisten aus Österreich und dessen Nachbarländer auf dem Programm stehen.343 Es handelt sich um eine rein informative Berichterstattung, die wie eine Programmankündigung firmiert.

Im Messaggero ist zu lesen, dass der Österreichische Rundfunk mit Sitz in Graz eine Konzertserie im „autunno stiriano“ organisiert, dessen elegant illustriertes Programmheft dreißig Stunden neue Musik von italienischen, jugoslawischen, tschechoslowakischen, ungarischen und österreichischen Komponisten verspricht – genau aus den fünf Ländern, die das Herz Europas bilden, so der unbekannte Autor des Artikels.344 Womit bewiesen ist, dass die Idee des innerösterreichischen Gedankens nicht obsolet ist. Im Artikel ist noch zu lesen, wann das Werk von Luigi Dallapiccola zur Aufführung kommt. Abschließend schreibt der unbekannte Autor / die unbekannte Autorin, dass diese Idee, zeitgenössische Werke von Komponisten aus dem Herzen Europas zur Aufführung zu bringen, nicht nur musikalisch lobenswert ist, sie fördere auch das Vertrauen und die gegenseitige Wertschätzung untereinander.345 Il Piccolound und Il Gazzetino bringen den identen Artikel unter einem jeweils anderen Titel, allerdings ist bei beiden der Schlussabsatz nicht vorhanden.346

Neben der reinen Information liegen dem Artikel kultur- und gesellschaftspolitische Aussagen zu Grunde. Die internationale Zusammenarbeit wird als Wachstum für persönliche soziale Kompetenz interpretiert. Trotzdem kommt ein gewisser Nationalstolz zum Tragen, wenn das Konzert mit dem italienischen Komponisten Luigi Dallapiccola hervorgehoben wird.

343 N.N.: 3) L’ „Autunno Stiriano“ a Graz. In: Attualità Turistiche in Austria. Milano, Agosto 1968, S. 2. 344 N.N.: Un’ opera di Dallapiccola sarà trasmessa da Graz. L’Autunno stiriano alla Radio. In: Messaggero del lunedi vom 9.9.1968. 345 N.N.: Un’ opera di Dallapiccola sarà trasmessa da Graz. L’Autunno stiriano alla Radio. In: Messaggero del lunedi vom 9.9.1968. 346 N.N.: Dallapiccolaaprirà l’ „Autunno stiriano“. In: Il Piccolo vom 12.9.1968. N.N.: Spettacoli di Trieste. Dall’istriano Dalla Piccola. „Job“ tradotto in tedesco all’autunno stiriano. In: Il Gazettino vom 15.9.1968.

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9.3. Die Gründung

Der steirische herbst wurde im Jahre 1968 als Avantgardefestival gegründet und im selben Jahr unter diesem Namen erstmals veranstaltet. Diese Bezeichnung gab es jedoch schon 1967 für eine kleine improvisierte Auswahl von Veranstaltungen. Die verschiedenen Genres der zusammengefassten Festival-VorläuferInnen sollten auch im steirischen herbst weiter bestehen. Neben steirischen KünstlerInnen und WissenschafterInnen würden aus umliegenden Ländern Personen miteinander in Wettstreit treten.347

In einem Landtagsbeschluss der 19. Sitzung vom 13., 14., 15. und 16. Dezember 1968 wurde bereits folgendes festgelegt: „Die Landesregierung wird aufgefordert, die Verlegung der Sommerspiele in den Herbst sowie eine Koordinierung dieser Veranstaltungsreihe mit der Steirischen Akademie und die Erstellung eines gemeinsamen Programmes zu prüfen bzw. in die Wege zu leiten.“348

Das Festival der steirische herbst basiert auf verschiedenen Institutionen, die bereits angeführt worden sind. Veranstaltungsreihen wie jene des bildnerischen Sektors, wurden zumindest in den ersten Jahren ähnlich weitergeführt wie vor der Gründung des steirischen herbstes. Bei anderen Institutionen des steirischen herbstes ist eine separate Betrachtungsweise nicht möglich. Dazu zählt auch das musikprotokoll. Die Entstehungsgeschichte des musikprotokolls kann von jener des steirischen herbstes nicht abstrahiert werden, da es vor dem musikprotokoll keine vergleichbare Veranstaltungsreihe in Graz gegeben hat. Der steirische herbst hat das musikprotokoll als neue Veranstaltungsform geschaffen.

347 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer herbst. In: Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Wien, 1977, S. 14. 348 http://www.landesarchiv.steiermark.at/cms.dokumente/12083709_111932290/265756e0/LTProt-Be- 1965-1970-Nr-181-310.pdf vom 20.4.2017.

99 Um den Charakter und die Identität des musikprotokolls zu analysieren, ist deshalb eine gründliche Analyse der Entstehungsgeschichte des steirischen herbstes notwendig. Ohne eine Einbettung des musikprotokolls in den steirischen herbst und seinen weitreichenden Auswirkungen mit den unterschiedlichsten Veranstaltungen, die viele künstlerischen Sparten abdecken, wäre dem musikprotokoll vermutlich weder Erfolg noch Zukunft beschieden gewesen.

Heribert Schwarzbauer bemerkt dazu: „So wurde mit diesem ersten ‚Steirischen Herbst’ zweifellos ein Fundament gelegt, auf dem die Kulturarbeit des Landes fruchtbringend weiterbauen kann. Die veranstaltenden Institutionen dürften die Überzeugung gewonnen haben, dass ein solches Zusammenwirken im Dienste einer übergeordneten Idee mit der Leistungsfreude des einzelnen auch das Interesse der Öffentlichkeit an diesen Darbietungen fördert.“349 Auch sei es von Vorteil, dass ein geistiges Thema in allen Institutionen des steirischen herbstes präsent sei.350 Diese Verbindung des musikprotokolls zu seiner Alma Mater, dem steirischen herbst, dem thematischen Grundgedanke, der sich durch alle Veranstaltungen ziehen soll, ist neben den organisatorischen und rechtlichen Grundlagen ein Aspekt, warum die Entstehungsgeschichte des steirischen herbstes hier einer genauen Analyse bedarf. Ein weiterer Grund ist darin zu suchen, dass der steirische herbst seine Prämisse der Darstellung des zeitgenössischen Kulturbildes auf musikalischem Sektor dem musikprotokoll zumindest im ersten Jahr fast völlig überlässt. Der Part der traditionellen Musik bleibt hingegen zur Gänze bei den Konzertveranstaltungen des steirischen herbstes.

Das Festival der steirische herbst ist eine „Zusammenführung und Zusammenfügung“351 von der Steirischen Akademie und Trigon mit den Grazer Sommerspielen. Hanns Koren hatte schon lange die Idee, ein geistiges Zentrum in

349 Heribert Schwarzbauer: Ballett, Kabarett und die Zukunft. Abschluß des „Steirischen Herbstes“ und Programmierung 1969. In: Die Presse vom Oktober 1968. 350 Heribert Schwarzbauer: Ballett, Kabarett und die Zukunft. Abschluß des „Steirischen Herbstes“ und Programmierung 1969. In: Die Presse vom Oktober 1968. 351 Hanns Koren: Rede zur Eröffnung des Festivals „Der steirische Herbst“ 1968. Archiv des steirischen herbstes Graz, S. 4.

100 Graz zu schaffen, indem er die „geistigen Kräfte“ bündeln wollte.352 Bereits zur Eröffnung der ersten steirischen Akademie im Jahre 1960 hat Hanns Koren den Wunsch geäußert, im Herbst ein Festival aller kulturellen Sparten zu veranstalten.353 Er hatte dabei gegen viele Widersprüche zu kämpfen, bis seine Ideen verwirklicht werden konnten: „einen Zusammenklang aller geistigen Kräfte und Schätze [zu] bilden: Musik, Theater, Wissenschaften und bildende Künste in einem Akkord, der weit über die Grenzen zu hören ist und in den von außen her die Stimmen der Nachbarn mit einbezogen werden sollten.“354

Alfred Kolleritsch bezeichnet den steirischen herbst als „Saat, des Forum Stadtpark, der Graz aus seiner Enge führende Prozeß“.355 Dies erscheint als besonders passende Metapher, biologisch betrachtet wird im Herbst gesät, was stark genug ist, um den Winter zu überstehen und was im Frühsommer geerntet werden soll. Der steirische herbst als Saat, die mögliche Fröste überdauert und danach zu blühen beginnt und Früchte trägt – eine auf botanischen Vorgängen fußende Metapher für ein Festival, das Graz aus der Enge führen soll.

Alfred Holzinger bespricht im Rundfunk den steirischen herbst als „eine Veranstaltungsreihe der Künste und der Wissenschaft. Bis 18. Oktober gibt es in Graz keinen Tag ohne steirischen herbst. Nicht weniger als 91 Darbietungen stehen auf seinem Programm, eine Zahl, die immer noch imposant bleibt, zieht man die Wiederholungen ab und wartet mit ‚nur’ 57 Programmpunkten auf.“356 Alfred Holzinger analysiert in weiterer Folge die Entstehungsgeschichte „dieser Monsterveranstaltung“.357 Neben den schon erwähnten VorläuferInnen wie der

352 Heribert Schwarzbauer: Schwerpunkt im Südosten. Der „Steirische Herbst“ findet in Graz zum erstenmal und erfolgreich statt. In: Die Presse vom 1.10. 1968. 353 N.N.: Der „Steirische Herbst“ wird Wirklichkeit! In: Steirische Berichte 1/2 1968. Hrsg.: Steirisches Volksbildungswerk, gemeinsam mit der Kulturabteilung der Steiermärkischen Landesregierung 1968, S. 97. 354 D.R.: Steirischer Herbst. In: Steirische Berichte April 1968, S. 147. 355 Alfred Kolleritsch: Forum Stadtpark. In: Zitzenbacher, Walter (Hg.): Landeschronik Steiermark, 1988, S. 382. 356 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, [S. 1]. 357 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, [S. 1].

101 steirischen Akademie358 und Trigon seien an Veranstalter das Grazer Theater und der Österreichische Rundfunk hinzugekommen.359

9.4. Der steirische herbst ´67

Von 28. August bis 23. September fand unter diesem Titel die erste derartige Veranstaltungsserie statt. Die Programmgestaltung ließ bereits die avantgardistische Linie des folgenden gleichnamigen Festivals spüren. Die Veranstaltungen setzten sich aus den Internationalen Malerwochen und der Ausstellung dazu zusammen, ebenso wie aus der Ausstellung von Trigon 67, der Steirischen Akademie 1967 und drei Theateraufführungen (von Max Frisch, Luigi Pirandello und Hugo von Hofmannsthal) und folgenden musikalischen Veranstaltungen:  Volksmusik im Biedermeier am 27. und 28. 10. im Schloss Eggenberg  Festkonzert anlässlich des 200. Todestages von Georg Philipp Telemann am 23. 11. im Schloss Eggenberg  Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen im Opernhaus Graz vom 30. 9. – 19. 11.  Johann Strauß: 1001 Nacht im Opernhaus Graz am 4.10. Von zeitgenössischer Musik war also beim Vorläufer des musikprotokolls genauso wie von zeitgenössischem Theater in der Programmauswahl nichts zu bemerken. Die bildende zeitgenössische Kunst war jedoch vertreten: Der Forumkunstpreis für zeitgenössische Österreichische Originalgraphik wurde vergeben. Bei der Trigon 67 trafen in der Drei-Länder-Ausstellung wie auch bei den Internationalen Malerwochen TeilnehmerInnen aus Italien, Jugoslawien und Österreich aufeinander. Dem „innerösterreichischen Gedanken“ wurde hiermit Rechnung getragen. Die Steirische Akademie hielt erstens einen Rückblick mit „50 Jahre Republik Österreich“ und beschäftigte sich zweitens mit einem aktuellen Thema: „Das Selbstverständnis der Österreicher. Österreich im Urteil seiner Nachbarn. Österreich

358 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, [S. 1]. 359 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, [S. 1].

102 heute und morgen.“360 Warum alle Sparten einen zeitgenössischen Thementeil, die Musik jedoch diesen nicht aufwies, ist rückblickend nicht erklärbar.

9.5. Der steirische herbst 1968

Das Jahr 1968 wird als Gründungsjahr des Festivals betrachtet und in diesem Jahr wird auch das musikprotokoll erstmals auf der Bühne des steirischen herbstes erscheinen. Die Eröffnungsfeierlichkeiten fanden pünktlich zu Herbstbeginn, am 23. September im Rittersaal des Grazer Landhauses statt. Der Akademie-Kammerchor unter der Leitung von Karl Ernst Hoffmann sang Werke von Heinrich Schütz (1585-1672), Hugo Wolf (1860-1903) und Darius Milhaud (1892-1974). Anschließend hielt Hanns Koren die Eröffnungsrede.361 Hanns Koren definiert das neu gegründete Festival in seiner Eröffnungsrede in folgender Weise:

„Der STEIRISCHE HERBST soll eine repräsentative Zusammenfassung der künstlerischen und wissenschaftlichen Kräfte des Landes Steiermark in einer zusammenhängenden Veranstaltungsreihe in den Monaten September und Oktober jedes Jahres sein. Sinn und Zweck des STEIRISCHEN HERBSTES ist die Rechenschaft über die besten im Lande möglichen Leistungen, die aus ihm selber hervorgebracht werden können und die im gleichen Rahmen den künstlerischen Darbietungen und wissenschaftlichen Veranstaltungen aus anderen Nationen als Ergänzung und im Wettstreit gegenübergestellt werden sollen. Die internationale Komponente erwächst aus der organischen Nachbarschaft und Überlieferung, für welche der Name des alten Innerösterreich das Zeichen ist. Kontakte über Slowenien nach Jugoslawien und über Friaul nach Italien haben sich bewährt und werden im STEIRISCHEN HERBST besonders gepflegt.“362

360 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Eine Dokumentation herausgegeben von Paul Kaufmann. Wien Darmstadt (Paul Zsolnay) 1988, S. 417ff. 361 N.N.: Ein Zeugnis, ein Beispiel. Gestern wurde in Graz der erste „Steirische Herbst“ eröffnet. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 24. September 1968. 362 Hanns Koren: Rede zur Eröffnung des Festivals „Der steirische Herbst“ 1968. Archiv des steirischen herbstes Graz, S. 1.

103 Die Veranstaltungen: Bildende Kunst Die dritten Internationalen Malerwochen wurden am 23. September eröffnet. Ausstellungen Hans Fronius: Archiv und Graphik im Joanneum – Ecksaal Graz vom 4.10.-3.11. Mario Decleva: Radierungen und Handzeichnungen im Forum Stadtpark vom 8.10.-3.11. Graphik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: aus Italien, Jugoslawien und Österreich in der Neuen Galerie und im Palais Attems vom 11.10.-17.11.

Extern Gottfried Fabian. Malerei in der Galerie Eder in Köflach vom 13.-20. 10. Gerhard Moswitzer. Zeichnungen und Plastiken in der Galerie Eder in Köflach vom 13.-20.10. Kunstpreis der Stadt Köflach für zeitgenössische Malerei – Gottfried Fabian und Rudolf Pointner - im Pfarrsaal Köflach vom 13.-20.10.

Schauspiel Peter Handke: Kaspar (ÖE) Paul Claudel: Der Bürge William Shakespeare: Was ihr wollt Kabarett Franz Josef Bogner: KLMNOPQRZALGÖETÄFAZ. Absurditatives Kabarett. Gastspiel. Dieter Hallervorden: Seltsame Begegnung. Gastspiel. Hans Dieter Hüsch: Eine schöne Gesellschaft. Kabarettistisches Theater. Gastspiel. Wolf Rahtjen: Mit Hirn, Charme und Zitrone. Solo für Satiriker. Gastspiel. Oper Giuseppe Verdi: Falstaff (Neuinszenierung) Johann Joseph Fux: Julio Ascanio (Neuinszenierung) Darius Milhaud: Christoph Columbus (Wiederaufnahme)

104 Theater Bertold Brecht / Kurt Weill: Die sieben Todsünden der Kleinbürger. Ballett in acht Teilen. Jazz Dieter Glawischnig: Jazz-Suite 68 Nr. 4. Ballett (UA) Dieter Glawischnig: Jazz-Suite 68 Nr. 5. Ballett (UA) Konzerte (außerhalb des musikprotokolls) 28. September, Stephaniensaal Graz: Gioachino Rossini: Ouvertüre zu Semiramis William Turner Walton: Partita César Franck: Symphonische Variationen Vaughan Williams: Phantasie über Greensleeves Edward Elgar: Enigma Variations Leicestershire Schools Symphony Dirigent: Eric Pinkett 3.Oktober Landhaus Graz Bläserserenade Werke von W.A. Mozart, Jospeh Haydn, Antonio Vivaldi und Charles Edouard Lefebvre. Bläservereinigung der Grazer Philharmoniker. 9.Oktober Stephaniensaal Graz Alexander Borodin: 2. Streichquartett in D-Dur Dimitri Schostakowitsch: 4. Streichquartett in D-Dur op. 83 Anton Webern: 5 Stücke für Streichquartett op. 5 Ludwig van Beethoven: Streichquartett in f-moll, op. 95 Borodin-Quartett 13. Oktober Stephaniensaal Graz Orchesterkonzert W.A. Mozart: Konzert für Klavier und Orchester in d-moll, KV 466. Robert Schumann: Konzert für Klavier und Orchester in a-moll, op. 54. Bela Bartók: Concerto für Orchester Walter Klien, Klavier; Grazer Philharmonisches Orchester

105 Dirigent: Miltiades Caridis 16. Oktober, Stephaniensaal Graz Festkonzert – 750 Jahre Diözese Graz – Seckau J.S. Bach: Messe in h-moll (Hohe Messe) BWV 232 Rotraut Hansmann, Sopran; Ruth Hesse, Alt; Thomas Page, Tenor; Karl Christian Kohn, Bass, Grazer Domchor, Grazer Philharmonisches Orchester Dirigent: Alois J. Hochstrasser 17.Oktober Barmherzigenkirche Graz Pontifikalamt Johann Joseph Fux: Missa Corporis Christi Friedl Pöltinger, Sopran; Hilde Roser, Alt; Hans Fragner, Bass; Günther Eisel, Orgel, Choralschola des Juvenates der Barmherzigen Brüder Graz-Eggenberg, Grazer Kammerchor, Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Graz. musikprotokoll Diese Veranstaltungsreihe dauerte vom 23. September bis zum 2. Oktober und wird, dem Thema der Arbeit entsprechend, gesondert behandelt.

Symposien Steirische Akademie: „Das Humane und die Manipulation des Menschen“ in Schloss Eggenberg vom 7.-11.10. Geschichte der Industrialisierung des Südostalpenraumes im 19. Jahrhundert (Symposion zugeordnet der steirischen Akademie) im Schloss Eggenberg 10. und 11.10. Peter Handke: Lesung aus eigenen Werken im Forum Stadtpark am 3.10. Filip Kalan, Kajetan Kovic und Lojze Krakar: Slowenische Lyrik der Gegenwart im Forum Stadtpark am 4.10. Franz Nabl: Matinee zum 85. Geburtstag im Weißen Saal der Burg am 6.10. Paul Hoffmann: Dichter über das Theater im Kammermusiksaal Graz am 7.10.

Beim ersten steirischen herbst wurde auch die 750-Jahr-Feier des Bestehens der Diözese Graz-Seckau gefeiert. Am 2. Oktober fand diesbezüglich eine Aufführung

106 von Paul Claudels Der Bürge statt. Gleichzeitig wurde dabei der 100. Geburtstag des Dichters begangen.

9.5. Titelgebung

Der Titel besteht aus der geographischen Lokalisierung und aus der jahreszeitlichen. Die Bezeichnung „steirisch“ fußt auf der Landesbezeichnung für „Steiermark“. Es lässt sich jedoch auch das Wort „steiermärkisch“ von der Landesbezeichnung ableiten, das hauptsächlich für amtliche Bezeichnungen verwendet wurde und wird: „Steiermärkische Landesregierung“, „Steiermärkische Sparkasse“ etc. Vermutlich war eine sperrige Lesbarkeit von „Steiermärkischer Herbst“ die Ursache, das gebräuchlichere „steirisch“ zu verwenden. Es wäre auch „Grazer Herbst“ eine Möglichkeit der Titelgebung gewesen. Hanns Koren vermerkt jedoch, dass „Grazer Herbst“ der Intention der Veranstaltungsreihe nicht gerecht geworden wäre. Es sollten aus der ganzen Steiermark Beiträge kommen und auch in der Peripherie des Landes Konzerte und Ausstellungen geboten werden.363

Ein Festival, das auf Internationalität hofft, mit einer geographisch eingeschränkten Bezeichnung zu benennen, scheint auf den ersten Blick dekonstruktiv. Die Namensgebung fußt vermutlich auf der Prämisse, dass die Grenzöffnung, die heute als Globalisierung begriffen wird, dem lokalen, nationalen und regionalen Aspekt wieder mehr Bedeutung verleiht.364 Für die Identitätsbildung der Stadt Graz als Landeshauptstadt der Steiermark ist die Bezeichnung steirischer herbst optimal, zumal die meisten Avantgarde-Festivals den Namen ihres Austragungsortes in ihrer Bezeichnung führen.

Jahreszeitenbedingte Titel sind für Avantgarde-Festivals nicht selten: so firmierte das „Journées de musique contemporaine“ zwischenzeitlich unter dem Namen

363 Hanns Koren: Steirischer Herbst – Kunstpreis der Stadt Köflach. In: Weststeirische Volkszeitung. Sondernummer Steirischer Herbst 1968. 12. Oktober 1968. 364 Rolf Lindner: Die Stadt als Resonanzboden. Über den Zusammenklang von Ort, Musik und Sound. In: Musik – Stadt. Traditionen und Perspektiven urbaner Musikkulturen Band 2. Musik als Agens urbaner Lebenswelten: Musiksoziologische, musikethnologische und organologische Perspektiven. Herausgegeben von Sebastian Klotz. Leipzig (Gudrun Schröder) 2012, S. 16.

107 „Festival d’Automne de Paris“, als weitere Beispiele können der „Warschauer Herbst“, der „Comer Herbst“, oder der „Posener Frühling“ genannt werden.365 Diese Bezeichnungen bieten sich an, sind doch die meisten Sommertermine bereits durch Festivals mit klassischem Programm vergeben.366 Zudem kann der Frühling und der Herbst dem geneigten Publikum etwas Aufbruchstimmung signalisieren.

Die jahreszeitliche Benennung des steirischen herbstes lag dem Bestreben zu Grunde, das Festival im September, Oktober und November zu veranstalten. Der Generalsekretär Paul Kaufmann schreibt darüber, dass „musische Menschen nicht nur für Musik und Literatur, sondern auch für die Schönheiten der Landschaft und des Stadtbildes in erhöhtem Maß empfänglich sind.“367

Die Organisatoren wollten damit auch dem überbordenden Kulturprogramm der Festivalsommer entgegentreten. Auch sei diese Jahreszeit „wetterfest“, wie Hanns Koren bemerkt.368 Die oft sehr heißen Sommer in der Landeshauptstadt der Steiermark, die im Grazer Becken gelegen ist, und wo sich aus diesem Grunde oft die Hitze staut, sind sicher weniger dazu angetan, als es stabile, kühle Herbstwochen sind, um qualitativ hochwertige künstlerische und wissenschaftliche Leistungen zu erbringen. Die Veränderungen in der Natur, wie sie im Herbst erscheinen, sollen für das Neue, aber auch für eine gewisse Reife der Festivalproduktionen Pate stehen.369

Das ist deshalb von Bedeutung, da Koren bemerkt: „Und das zweite entscheidende Merkmal370: die Stadt selbst mit ihrer Atmosphäre, mit dem Reiz der Eigenart ihrer Bauten und Plätze, wird eine vom frühen Herbst durchleuchtete große Bühne sein.

365 Reinhard Oehlschlägel: Das Festival der Neuen Musik: Analyse und These. In: Neue Musik und Festival. Herausgegeben von Otto Kolleritsch. Studien zur Wertungsforschung, Heft 6, Graz 1973, S. 51ff. 366 Hans G. Helms: Festivals für neue Musik. Ihre sozialökonomischen Bedingungen, Funktionen und Perspektiven. In: Neue Musik und Festival. Herausgegeben von Otto Kolleritsch. Studien zur Wertungsforschung, Heft 6, Graz 1973, S. 90ff. 367 Paul Kaufmann: „Steirischer Herbst“ – Hoffnung auf neuenFrühling. Fernab vom europäischen Festspielrummel ein kultureller Schwerpunkt in Österreich. In: Tagespost 14.9.1968, S. 8. 368 Hanns Koren: Rede zur Eröffnung des Festivals „Der steirische Herbst“ 1968. Archiv des steirischen herbstes Graz, S. 1. 369 Hanns Koren: Rede zur Eröffnung des Festivals „Der steirische Herbst“ 1968. Archiv des steirischen herbstes Graz, S. 2. 370 „Das erste bezeichnende Merkmal sind die Aufführungen in Bühne und Konzertsaal.“ Koren ebda.

108 […] so wird auch diese Stadt Kulisse bieten“371 Graz ist eine sehr grüne Stadt, der Stadtpark ist Mittelpunkt und auch außerhalb dieses Parks ist der Wechsel der Jahreszeiten anhand vieler Bäume und Grünanlagen gut mitzuerleben. Koren verwendet deshalb Stadt und Landschaft zu Recht synonym. Er lehnt sich dabei an die Idee des „Erhabenen“ in der Kunst an, wobei Sennett bemerkt, dass deren Wirkung der Sehnsucht des Menschen nach „Einheit zwischen Mensch und Gegenstand, zwischen Mensch und Natur, zwischen Mensch und Mensch.“372 zu Grunde liege. Die Wirkung aussagekräftiger Bauwerke stellt Botton vor die Wirkung der Natur auf den Menschen.373 Für den steirischen herbst wird als Kulisse nicht die Natur allein, sondern die Symbiose zwischen Architektur und Natur verstanden.

Freiluftaufführungen, wie sie für die Grazer Sommerspiele typisch waren, an deren Stelle ja der steirische herbst treten sollte, werden im kühlen Herbst eher nicht möglich sein. Dies moniert der Kulturberichterstatter unter dem Kürzel „hf“ des Blattes Grazer Wahrheit.374 Paul Kaufmann hält dagegen, dass Freiluftaufführungen ja weiterhin stattfinden könnten, dazu bedürfe es ja nicht unbedingt eines Festspielkonstrukts, auch die bestehenden Theater könnten während der warmen Zeit im Freien Aufführungen anbieten.375

Hingegen bemerkt Gaisbacher positiv, dass immer mehr Familien ihren Urlaub auf den Herbst verschieben, um dabei der kulturellen Bildung zu frönen.376 Dafür wäre die Positionierung günstig und auf dem Gebiet der Bildungsurlaube könnte der steirische herbst eine wichtige Rolle einnehmen.

371 Hanns Koren: Rede zur Eröffnung des Festivals „Der steirische Herbst“ 1968. Archiv des steirischen herbstes Graz, S. 3. 372 Richard Sennett: Civitas. Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds. Berlin (Taschenbuchverlag) 2009, S. 154. 373 Alain de Botton: Glück und Architektur. Von der Kunst, daheim zu Hause zu sein 2012. S. 249ff. 374 hf.: Perspektiven des „Steirischen Herbstes“. In: Grazer Wahrheit, 9. 3. 1968, S. 5. 375 Paul Kaufmann: „Steirischer Herbst“ – Hoffnung auf neuen Frühling. Fernab vom europäischen Festspielrummel ein kultureller Schwerpunkt in Österreich. In: Tagespost 14.9.1968, S. 8. 376 N.N.: Endlich trotz massiver Widerstände: Steirischer Herbst wird Wirklichkeit.Generalsekretär für die initiative Koordinierung der Veranstaltungen bestellt / Umfangreiches Programm. Eigenbericht der „Südost-Tagespost“. In: Südost-Tagespost vom 8. März 1968, S. 3.

109 Der Herbst ist in der europäischen Natur die Erntezeit des Jahres. Die Agrarzeitung „Der Bauernbündler“ berichtet denn auch vom Herbst als „Erfüllung des Jahres [und als] fruchtreiche[n] Ausklang eines reichen Jahres.“377 Auch die Bauern sollen nach ertragreicher Ernte, der ein meist mühevolles Jahr an Arbeit vorausgeht, die zeitgenössische Kultur erfahren, und das ist für diesen Berufsstand eben gut nach getaner Arbeit möglich. Metaphorisch betrachtet der Verfasser den steirischen herbst als eine Feier des Ausklangs des Jahres und der künstlerischen Ernte.378

Ein Rezensent mit dem Kürzel D.R. beschreibt überschwänglich die Fülle der Natur und das stabile Wetter der Steiermark. Dies würde sich anbieten für ein Festival, das alle geistigen und kulturellen Genres in einer Institution vereinigt. Das Festival möge ihren Spartenreichtum „in die ganze rauschende Symphonie der Landschaft“379 einfügen.380 Der Autor vergleicht die Fülle der Natur in der Steiermark mit der Programmvielfalt des Festivals.

Danhofer beschreibt, dass der Name steirischer herbst auf das Gedicht von Hans Kloepfer381 „Spätherbst“ zurückgeht. Dieses Gedicht beginnt bezeichnenderweise mit: „Das ist die hohe Zeit der Steier“.382 In der Südost-Tagespost sind weitere Autoren von Herbstgedichten angeführt, die bei der Namensgebung des Festivals zur Seite gestanden haben sollen: Ernst Goll383, Julius Franz Schütz384, Rudolf Hans Bartsch385 beschrieben in Gedichten die Schönheit des Herbstes in der Steiermark.386

377 N.N.: Bauernbündler. 23. September 1968. 378 N.N.: Bauernbündler. 23. September 1968. 379 D.R.: Steirischer Herbst. In: Steirische Berichte April 1968. Graz. S. 147. 380 D.R.: Steirischer Herbst. In: Steirische Berichte April 1968. Graz. S. 147. 381 Hans Klöpfer (1867-1844), steirischer Mundartdichter. 382 „Steier“ wird hier als Abkürzung für „Steiermark“ verwendet. Wilhelm Danhofer: Die Zeit der ersten Republik 1918-1938. In: Literatur in der Steiermark. Katalog zur Landesausstellung 1976. Graz Styria 1976. Arbeiten aus der Steiermärkischen Landesbibliothek Band 15, S. 342. 383 Ernst Goll (1887-1912). 384 Julius Franz Schütz (1889-1961), Lyriker, Direktor der steiermärkischen Landesbibliothek in Graz. 385 Rudolf Hans Bartsch (1873-1952), Schriftsteller. 386 Endlich trotz massiver Widerstände: Steirischer Herbst wird Wirklichkeit. Generalsekretär für die initiative Koordinierung der Veranstaltungen bestellt / Umfangreiches Programm. Eigenbericht der „Südost-Tagespost“. In: Südost-Tagespost vom 8.März 1968, S. 3.

110 Rudolf List lässt die „Herbstsymphonie“ von Joseph Marx „als unfreiwilligen Paten des kulturellen „Steirischen Herbstes“ erscheinen“387. Rudolf List ist dabei der einzige, der die Herbstsymphonie mit dem steirischen herbst in Verbindung bringt. Die Kleinschreibung des Titels ist der Intention der Grenzüberschreitung – in der Form der Sprache und weiters als Versprechen in der Programmgestaltung – zuzuschreiben.

9.7. Profil und Programmkonzeption

Kurt Jungwirth, Landesrat und Präsident des steirischen herbstes, charakterisiert zehn Jahre nach der Gründung das Festival folgendermaßen: Ein Hauptmerkmal des steirischen herbstes sei die Betrachtung der Zeit mit kritischem Auge, in Folge den Wandel der Gesellschaft zu forcieren und die Schöpfungskraft der Menschen zu protegieren. Die Pflege aller Vielfalt zu unterstützen sei wichtig, um die Menschen vor einer blinden Konsumation von Glücksversprechungen zu schützen.388

Diese Beschreibung trifft die Intention des ersten steirischen herbstes wohl genau. Die Initiatoren hatten sich eine große Aufgabe gestellt und nicht überall wurde die Vielfalt der Programmgestaltung wohlwollend aufgenommen. So schreibt etwa das Wiener Volksblatt in der Ankündigung des steirischen herbstes als Überschrift: „Gesucht wird die eigene Note“389. Auf eine intendierte fehlende Stringenz in der Programmauswahl wird jedoch im Text nicht weiter eingegangen. Aber eine gewisse nebulöse Unausgegorenheit der Themensetzung des Festivals ist wohl aus der Überschrift wahrzunehmen. Die Zielsetzung des neuen Festivals, ein zeitgenössisches Bild der Kultur mit dem der Gesellschaft zu verbinden und letztere damit positiv zu verändern, mag manchen KritikerInnen zu hoch gegriffen erscheinen.

387 Kurt Hildebrand Matzak: Kulturspätherbstliches aus Graz. In: Salzburger Volksblatt vom 28. Oktober 1968. 388 Kurt Jungwirth: In: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Graz 1977, S. 5f. 389 Wiener Volksblatt: Gesucht wird die eigene Note. Programmplanung für den „steirischen Herbst“. Vom 10. März 1968.

111 Als geglücktes Beispiel des Diskurses zwischen Kultur und Gesellschaftsbild kann in jedem Fall die Ausstellung trigon 69 angeführt werden. Diese hatte zum Thema „Architektur und Freiheit“. Dabei war nicht nur die Freiheit in der Architektur, sondern Freiheit als Prämisse humanitären Daseins Ziel der Auseinandersetzung. Welche Auswirkungen auf die geistige Neuorientierung des Menschen haben die Umwälzungen seiner Zeit, wie etwa technischer Fortschritt, Gentrifizierung, Umweltproblematik, so wurde gefragt. Der Plastiker und Bildhauer Heinz Leinfellner aus Zidani Most (Slowenien) stellte im Schloss Eggenberg eine Auswahl seiner Exponate aus den letzten 30 Jahren aus und protokollierte hiermit den gesellschaftlichen Wandel. Der Künstler betrachtete es als seine Kernaussage der Kunst, die Fülle der Möglichkeiten zu schätzen und daraus zu schöpfen. Bei der Ausstellung wurden ein Torso aus 1938 sowie zahlreiche Arbeiten aus der Nachkriegszeit gezeigt. Der Wandel der Gesellschaft im Auge der Kunst betrachtet, dieses von Jungwirth protegierte Charakteristikum ist hiermit erfüllend ausgeführt.390

Für einen Politiker ist diese Zuschreibung von erwünschten Wirkungen eine humanistisch-edle. Jungwirth liegt das seelische Wohl seiner BürgerInnen am Herzen, wohl wissend, dass nur eine Gesellschaft, in der die kreativen Potentiale ausgelebt werden können, lebendig bleiben kann. Dies ist aus der Sicht der Nachkriegszeit betrachtet verständlicher, als im 21. Jahrhundert. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren neben Muskelkraft auch schöpferische Ideen nötig, um den Wiederaufbau zu forcieren. Im 21. Jahrhundert erhält man auf die Frage, welche Auswirkungen ein Festival für eine Region haben könnte, von PolitikerInnen primär meist eine Antwort aus der ökonomischen oder finanziellen Sparte, gesellschaftspolitische und künstlerische Gründe stehen oft erst an zweiter Stelle.

Die Vielfalt, von der Jungwirth spricht, gründet vermutlich in der Sorge, das Nationalbewusstsein der Kriegszeit könnte wieder vermehrt aufflammen. Dies ist zum einen begründbar, da der Drill vor und während der Herrschaft des Nazi- Regimes doch ein effizienter war und mit Ende des Krieges nicht automatisch

390 Predrag Vranicki: 9. Steirische Akademie. Das Humane und die Manipulation des Menschen. In: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Paul Kaufmann (Hg.). Wien 1977, S. 42ff.

112 ungeschehen geworden ist. Zum anderen wurde 1956 die Freiheitliche Partei Österreichs mit deutlicher nationalistischer Orientierung gegründet.391 So gesehen ist diese zitierte Vielfalt durchaus als Mittel gegen Xenophobie jeglicher Coleur zu bezeichnen. Auch diese Intention könnte von den PolitikerInnen im 21. Jahrhundert intensiver genützt werden.

Die KünstlerInnen werden dabei nicht als Mittel zum Zweck, als Angestellte der Regierenden betrachtet, obgleich die künstlerischen Darbietungen das gesellschaftliche Bild der Stadt wiedergeben oder karikieren. Es soll der steirische herbst durch die Verbindung von wissenschaftlichen und musischen Genres ein Bekenntnis sein, was das Land zu leisten im Stande ist. Graz biete dazu weniger Kulisse als Versprechen, verantwortlich zu präsentieren, moralisch, leidenschaftlich und mit Stärke aus der Tradition heraus Neues zu entwickeln und zu entdecken. Die sittliche Standhaftigkeit, das Streben nach reinem Gewissen und der Wunsch nach Frieden ist auch für Hanns Koren ein weiteres wichtiges Wesensmerkmal des steirischen herbstes.392

Der Politiker Hanns Koren spricht hier von einer Regionalität und Heimatverbundenheit, die aus sich Kraft zu schöpfen vermag. Koren, der als Bauernsohn Naturverbundenheit erlebt hat, schreibt diese Kraft allen Kunstschaffenden zu. Weiters mögen die KünstlerInnen eine Diagnose der Gesellschaft geben, indem sie die künstlerische Tradition – besonders auch die architektonische sich vor Augen halten. Dieses Wohlfühlen in der Architektur wurde schon früher mit der positiven Assoziation von Heimat verbunden. Vor Nationalismus hingegen scheint er wenig Sorge zu haben. Der Stolz des Steirers ein Avantgardefestival in seiner Landeshauptstadt zu haben, spricht aus seinen Worten. Die Zuschreibung eines Festivalcharakters von ethischen Prämissen wie der Idee des Friedens und der humanitären Beibehaltung der Gesinnung erscheint uns heute, 40 Jahre später wohl euphemistisch, bei Koren gründet dieser Gedanke wohl in dem

391 Ernst Bruckmüller: Die Entwicklung des Österreichbewusstseins. In: Robert Kriechbaumer (Hg.): Österreichische Nationalgeschichte nach 1945. Der Spiegel der Erinnerung: Die Sicht von innen, Band 1. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 1998, S. 369-396. 392 Hanns Koren: So war es gedacht von Anfang an. In: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Styria Graz 1977, S. 6ff.

113 überstandenen Krieg. Auch das Wissen um die Gefahr der Instrumentalisierung von Musik, wie sie Koren und seine Zeitgenossen im Krieg erlebt haben, ist in diesen Gedanken enthalten.

9.7. Nationalität und Internationalität

Ein weiteres charakteristisches Merkmal des steirischen herbstes ist laut Koren die „Aufgeschlossenheit zu Kontakten mit aller Welt und […] die Aufgeschlossenheit dem Geiste und der Sprache dieses Jahrhunderts gegenüber.“393 Für Peter Vujica hingegen bezeichnet das Festival den Typus des „Ghettos“. Er beschreibt dies als geschützten Ort, in dem die Neue Musik leben kann, in seiner ganzen Vielfalt, jedoch abgeschieden von der Aufmerksamkeit der Mehrzahl der Bevölkerung. Dadurch könne dieses Festival in seiner Ghettoisierung eine fruchtbare Atmosphäre schaffen, die der Entwicklung der Neuen Musik aber auch der Bildung eines Publikums hierfür dienlich ist. Dass es für die Neue Musik keinen Weg aus dem Ghetto geben wird, liegt für Vujica in der desaströsen Bildungspolitik des österreichischen Staates.394

Der forcierte Blick über die südöstlichen Grenzen hinweg war dringend nötig, der Kultur kommt hier eine Vorreiterrolle zu. Die jahrhundertelange Abschottung den südöstlichen Nachbarländern gegenüber hat bis ins 19. Jahrhundert bei vielen SteirerInnen zu einer ausgeprägten Xenophobie geführt. Die nationalen Überzeugungen und die Desavouierung allem Slawischen gegenüber hatten sich in den Haltungen der Bevölkerung manifestiert. Die wirtschaftliche Öffnung in südöstliche Nachbarländer fand langsam statt, wie oben beschrieben. Diese schien jedoch keine allumfassende Änderung der xenophoben Haltung bewirkt zu haben. Auf dem Gebiet der Kunst und Kultur war noch Ausweitung möglich. Die Grazer Presse war in der Mitte des 20. Jahrhunderts derart regional fixiert, dass auch die Komponisten der Wiener Schule kaum positive Beachtung fanden. Erst mit der

393 Hanns Koren: Rede zur Eröffnung des Festivals „Der steirische Herbst“ 1968. Archiv des steirischen herbstes Graz, S. 5. 394 Peter Vujica: Festival – Ghetto der Neuen Musik. In: Neue Musik und Festival. Herausgegeben von Otto Kolleritsch. Studien zur Wertungsforschung, Heft 6, Graz 1973, S. 75ff.

114 Tätigkeit von Harald Kaufmann als Kulturredakteur änderte sich diese einseitige Betrachtungsweise.395

Den Boden für diese kulturelle Südostöffnung bereitete die Grazer Akademie für Musik und darstellende Kunst (sie sollte gar „Südost-Akademie für Musik und darstellende Kunst“ betitelt werden). Diese Idee wurde wegen möglicher missverständlicher Interpretation des Namens wieder verworfen. Die Intention des Kontaktes zu den südosteuropäischen Ländern blieb jedoch bestehen und wurde lebendig gepflegt. Der Grazer Akademie-Chor und das Orchester der Musikakademie in Ljubljana gestalteten gemeinsame Konzerte, aber auch mit Zagreb, Sarajevo und Maribor fand ein reger künstlerischer Austausch statt. Weiters gab es Kontakte zu Budapest, Hannover, Berlin, Prag, Bratislava und Brünn. Das Bemühen, Graz zu einer international florierenden Musikstadt werden zu lassen, hatte hier seinen Ursprung.396

Dass die Intention „Nationalität und Internationalität“ nicht nur Schlagworte geblieben, sondern auf fruchtbarem Boden gefallen sind, beweist auch die Aufnahme des Festivals – mit einstimmigem Wahlergebnis der Generalversammlung – in die Association Européenne des Festivals de Musique im Jahr 1969. In diesem Jahr war der steirische herbst das einzige Festival, das in diese renommierte Vereinigung aufgenommen worden war, und das zweite österreichische Festival nach den Wiener Festwochen. Seit der Gründung im Jahr 1952 waren bereits alle international renommierten Festspiele wie Aix-en-Provence, Athen, Edinburgh, Lissabon, Stockholm dort vertreten, nur Salzburg hielt sich nobel zurück. Die Aufnahme des steirischen herbstes darf zu Recht als „Dokumentation

395 Renate Bozic: Die Rolle der Wiener Schule und ihre Aufnahme in Graz von 1945 bis zum Beginn des „steirischen herbst“ 1968. In: Die Wiener Schule und das Hakenkreuz. Das Schicksal der Moderne im gesellschaftspolitischen Kontext des 20. Jahrhunderts. Studien zur Wertungsforschung Band 22. Herausgegeben von Otto Kolleritsch. Universal Edition für Institut für Wertungsforschung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. Wien, Graz 1990, S. 210ff. 396 Erich Marckhl: Die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Graz – Programm, Leistungen, Probleme. In: Festschrift zum zehnjährigen Bestand der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. Herausgegeben von Otto Kolleritsch und Friedrich Körner an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz, S. 12ff.

115 internationaler Anerkennung“397 gezählt werden, wie K.H. Ruppel in der Süddeutschen Zeitung bemerkt.398

9.8. Externe Standorte

Der steirische herbst war nicht nur in der Landeshauptstadt Graz, sondern auch außerhalb mit Veranstaltungen vertreten. Als Vorreiter, schon lange vor der Gründung des steirischen herbstes, wurde 1965 der Kunstpreis der Stadt Köflach für zeitgenössische Malerei ins Leben gerufen. Köflach, eine Kleinstadt westlich von Graz gelegen, ist eine industriell aktive Stadt, die diesen Preis ausschrieb, der zum Teil von Firmen, zum Teil privat und zusätzlich vom Unterrichtsministerium zur Verfügung gestellt worden war. KünstlerInnen wie Adolf Frohner, Gerhard Lojen oder Edith Temmel waren PreisträgerInnen des Köflacher Kunstpreises.399

9.9. Rechtliche Grundlagen des „steirischen herbstes“ Das Gründungskomitee (1968-1969)400 Im Kompendium von Paul Kaufmann ist folgende Besetzung protokolliert: Vorsitz: Dr. Hanns Koren, Univ.-Prof., Landeshauptmannstellvertreter, Steiermärkische Landesregierung Mitglieder: Emil Breisach, Intendant des ORF-Landesstudio Steiermark Dr. Erich Marckhl, Hochschulprofessor, Präsident der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Graz Reinhold Portisch, Generalsekretär des Musikvereins für Steiermark DDr. Wilfried Skreiner, Leiter der Neuen Galerie am Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum

397 Karl Heinrich Ruppel: Aspekte eines neuen Musikfestes. Bemerkungen zum Grazer Musikprotokoll `69. In: Süddeutsche Zeitung, München 1969. 398 Karl Heinrich Ruppel: Aspekte eines neuen Musikfestes. Bemerkungen zum Grazer Musikprotokoll `69. In: Süddeutsche Zeitung, München 1969. 399 Predrag Vranicki: 9. Steirische Akademie. Das Humane und die Manipulation des Menschen. In: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Paul Kaufmann (Hg. ) Wien 1977, S. 47. Siehe auch: http://www.koeflach.at/de-1950_bis_1999-62.html vom 17.7.2017. 400 Paul Kaufmann (Hg.): 20 Jahre steirischer herbst. Wien, S. 407.

116 Als Gast: Dr. Christian Kleinwächter, Ministerialrat im Bundesministerium für Unterricht, Wien Generalsekretär: Dr. Paul Kaufmann401

Noch zehn Jahre nach der Grundsteinlegung des Festivals konnte eine stabile Rechtsgrundlage nicht dingfest gemacht werden. Zuerst musste das erste Festival organisiert werden, der administrative und künstlerische Aspekt hatte Vorrangstellung. Einige Jahre später wurde zwischen Land Steiermark, Stadt Graz, dem ORF Studio Steiermark und weiteren privaten Institutionen um eine juridische Basis gefeilscht. Der Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung war der erste, sehr genügsame Grundpfeiler, auf dem das Festival gegründet wurde. Die lapidare Beschlussfassung lautete: „jährlich in den Monaten September, Oktober und November eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel ‚Steirischer Herbst’ zu veranstalten.“402 Dass diese Vorgehensweise ein gewisses Maß an Provisorium förderte und Flexibilität erforderte, erkannte auch der Generalsekretär des Festivals Dr. Paul Kaufmann. Ohne rechtlichen Entscheidungsträger war man mitunter gezwungen, die KünstlerInnen zu engagieren, die sich anboten bzw. finanzierbar waren und trotzdem das künstlerische Niveau nicht außer acht zu lassen.403 Die finanziellen Möglichkeiten waren zu Beginn demnach Vorgaben für die künstlerischen Wünsche.

Petz spricht gar von einem „Provisorium“404 und bezieht sich dabei auf eine Aussage Paul Kaufmanns. Er führt des Weiteren aus, dass die Veranstalterin des steirischen herbstes eine „steirische Gesellschaft“ sei, Präsidium, künstlerisches und wissenschaftliches Kuratorium und Generalsekretär inkludierend, sich jedoch noch in der Planungsphase befindend. Mit dieser Organisationsform solle gewährleistet

401 Paul Kaufmann (Hg.): 20 Jahre steirischer herbst. Wien, S. 407. 402 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer Herbst. Eine Dokumentation. In: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. MUNDUS Wien. 1977, S 14. 403 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer Herbst. Ebda. 1977, S 14. 404 J.M. Petz: Der Kultur-Herbst. In: Analyse im September 1968. [Kopie aus dem Archiv des steirischen herbstes], Graz.

117 sein, dass die Veranstaltungsreihe „aus dem üblichen Rahmen der Festspiele herauswächst und zu einer beispielhaften Manifestation geistiger und künstlerischer Bemühungen wird.“405

Es existierte offenbar im ersten Jahr lediglich ein Abkommen zwischen Land Steiermark, dem Österreichischen Rundfunk Landesstudio Steiermark und der Stadt Graz, die eine jährliche Durchführung des steirischen herbstes zum Inhalt hatte. Dies geht aus einem Vortrag von Hanns Koren hervor.406 Ein schriftliches diesbezügliches Dokument konnte nicht aufgefunden werden.

Diese nachhaltige Feststellung des Bedarfs einer stringenten Organisation scheint sich doch an der Notwendigkeit eines optimalen Feststpielablaufs zu orientieren und lässt die Vermutung zu, dass im Gründungsjahr des steirischen herbstes durch eine fehlende konstistente Verwaltung organisatorische und in Folge künstlerische Einbußen zu bemerken waren. Allein die Darstellung nach außen mit fehlender Verantwortlichkeit lässt den Schluss zu, die Festspiele mit minderer Qualität in Verbindung zu bringen. Fehlende oder suboptimale administrative und rechtliche Strukturen führen oft zu der Vermutung, die Qualitätsmängel würden für das gesamte Festival gelten, auch für die künstlerische Sparte.

Ein nicht genannter Berichterstatter der Neuen Zeit spricht schon im Titel seines Textes von einer „Improvisation des Steirischen Herbstes“.407 Er berichtet über die am 7. März stattgefundene Pressekonferenz im Weißen Saal der Grazer Burg, bei der der neue Generalsekretär des steirischen herbstes, Dr. Paul Kaufmann vorgestellt wurde. Es gebe Bestrebungen, das kulturelle Leben in Graz auf September und Oktober zu kompensieren mit Einbeziehung der Nachbarländer Italien und Jugoslawien. Hanns Koren habe erklärt, so der Rezensent, es solle der steirische herbst in „konzentrierterer Form als bisher abgewickelt werden, […] mit der man keinen Justamentstandpunkt in der Auseinandersetzung mit den Grazer

405 J.M. Petz: Der Kultur-Herbst. In: Analyse im September 1968 Ebda. 406 Hanns Koren: Der steirische Herbst. Vortrag and er Technischen Hochschule Graz am 30. Juni 1970. In: Hanns Koren: Verwandlung der Heimat. Graz, Wien, Köln (Styria) 1972, S. 36. 407 N.N.: Improvisation des Steirischen Herbstes. Programmvorschau 1968 – Vorstellung des neuen Generalsekretärs. In: Neue Zeit vom 8.3.1968, S. 4.

118 Sommerspielen schaffen wolle, als Fortführung der Veranstaltungen von Steirischer Akademie und Trigon. Man strebe eine Institutionalisierung des Steirischen Herbstes an.“408

Dies klingt aus dem Mund von Hanns Koren doch etwas nebulös, kein Wunder, dass der Autor von „Improvisation“ spricht. Von musikalischem Programm ist hier noch nicht die Rede. In der anschließenden Programmvorschau ist das musikprotokoll sehr wohl bereits angeführt:

„23. September bis 2. Oktober: Musikprotokoll 1968, musikalische Veranstaltungsreihe mit österreichischen Ur- und Erstaufführungen – veranstaltet vom Österreichischen Rundfunk (Radio Steiermark) in Zusammenarbeit mit Radio Laibach, Radio Zagreb und den Kulturaußenstellen Italien, Ungarn und Tschechoslowakei. Im Rahmenprogramm: Komponistentreffen.“409

Der Kulturjournalist Gerhard Mayer spricht in Bezug dessen von „einigen Kinderkrankheiten410, [wobei sich die Organisation] aber doch schon jetzt in erstaunlich guter, weil von einer ambitionierten Grundidee und viel echtem Idealismus getragenen Verfassung“411 befinde. Worauf jedoch die Überschrift des Artikels „Fettfreie Diät“412 anspielt, ist aus dem Text nicht zu eruieren. Mayer setzt eine „fettfreie Diätküche des Herbstes“413 den „kulinarischen Genüssen des Sommers“414 gegenüber, es ist jedoch nicht einsichtig, ob es sich bei der fettfreien Diät um musikalische oder organisatorische Aspekte handelt. Der Journalist und Gerhard Mayer hat als österreichischer und internationaler Theaterkritiker offensichtlich eine gute Urteilsfähigkeit bezüglich der Organisation eines Festivals,

408 N.N.: Improvisation des Steirischen Herbstes. Programmvorschau 1968 – Vorstellung des neuen Generalsekretärs. In: Neue Zeit vom 8.3.1968, S. 4. 409 N.N.: Improvisation des Steirischen Herbstes. Programmvorschau 1968 – Vorstellung des neuen Generalsekretärs. In: Neue Zeit vom 8.3.1968, S. 4. 410 Gerhard Brunner verwendet die gleiche Bezeichnung in seinem Artikel Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des ersten „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronen Zeitung vom 29. 09.1968, S. 19. 411 Gerhard Mayer: Fettfreie Diät. „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wochenpresse vom 2. Oktober 1968. 412 Gerhard Mayer: Fettfreie Diät. „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wochenpresse vom 2. Oktober 1968. 413 Gerhard Mayer: Fettfreie Diät. „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wochenpresse vom 2. Oktober 1968. 414 Gerhard Mayer: Fettfreie Diät. „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wochenpresse vom 2. Oktober 1968.

119 sodass er den anfänglichen Schwierigkeiten nicht so großes Gewicht beimisst, wie es von anderen Rezensenten zu lesen ist.

Im Gründungsjahr musste außerdem das Budget noch aus den finanziellen Ressourcen der Grazer Sommerspiele genommen werden, wie in der Sonntagspost vom 26.2.1969 zu lesen war, und auch die Verantwortlichkeit der Organisation sei nicht geklärt, so das Blatt.415 Auch die Grazer Wahrheit moniert die nebulöse finanzielle Gebarung und argumentiert, dass – wenn die Subventionen nicht ausreichend seien, was bei den zeitgenössischen Methoden der Kulturförderung zu befürchten sei – die Qualität des steirischen herbstes massiv darunter leiden würde.416

Auch die Neue Zeit berichtet am 8. März 1968 von einer unausgegorenen Idee, die zwar prinzipiell gut sei. Und endlich würde darüber nicht nur spekuliert, sondern es gäbe ja sogar schon einen Generalsekretär, aber solange die juridischen Belange nicht geklärt seien, „unterhielten wir uns nur im luftleeren Raum“.417

Zu Beginn des Festivals der steirische herbst, wie auch in einem Bericht vom Landesrechnungshof zu lesen ist, „fehlte für seine Durchführung eine verbindliche Rechtsgrundlage, zumal er nur auf einem Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung basierte, fortan gemeinsam mit der Stadt Graz und dem ORF alljährlich entsprechende Aktivitäten zu entfalten.“ 418 Erst im Jahr 1974 wurde eine Übereinkunft zwischen dem Land Steiermark und der Stadt Graz geschlossen, gemeinsam das Festival der steirische herbst durchzuführen. Dieser Beschluss manifestierte sich in Form der Gesellschaft des steirischen herbstes, einer GesBR, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes. Dieser Beschluss gilt für juridische und sachliche Belange bis in die Gegenwart.419

415 K 106 – „steirischer herbst“. In: Sonntagspost. 26.02.1969. 416 Hf: Perspektiven des „Steirischen Herbstes“. In: Grazer Wahrheit vom 9. März 1968, S. 5. 417 K-nn: Und der rechtliche Boden? In: Neue Zeit vom 8.3.1968, S. 4. 418http://www.landesrechnungshof.steiermark.at/cms/dokumente/10137541_583182/6827a520/Bericht%2 0Steir.Herbst%20LT.pdf vom 15.01.2017, S. 10. 419Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 30.9.1974, GZ 6-372/IIST/4-1974. Beschlussfassung des Gemeinerates der Stadt Graz vom 24.10.1974. Siehe auch:

120

9.10.Verein der Freunde des Steirischen Herbstes

Die Unsicherheit der rechtlichen und finanziellen Verwaltung des Festivals, die bereits vor Beginn der Veranstaltungen von den Medien aufgegriffen und dargestellt wurde, und die Rückschlüsse daraus, dass dies eine Qualitätsverminderung bedeuten würde, zeigte wohl nicht nur eine unausgegorene Organisation auf, sondern war wohl auch Motivation, das Festival auf ein juridisch festes Fundament zu stellen, was mit der Inauguration der Gesellschaft des steirischen herbstes, der Besetzung des Präsidiums durch Hanns Koren und des Generalsekretariats durch Paul Kaufmann begonnen wurde: 1969 wurde der Verein der Freunde des Steirischen Herbstes gegründet, mit dem Ziel Förderer zu aquirieren und eine persönliche Beziehung zum Avantgardefestival nach außen zu präsentieren. Dessen erster Präsident war Hans Mayer-Rieckh. Seine Durchsetzungskraft und Energie waren Vorbild für andere, zögerlich Agierende in diesem Festival.420 Welche Personen als „zögerlich Agierende“ gemeint waren, darüber schweigt sich der Autor aus.

Bei einem Gemeinderatsbeschluss der Stadt Graz vom 28.10.1968 wurde das Abkommen offiziell beschlossen. Im Jahr 1970 wurde schließlich der Verein ins Vereinsregister aufgenommen mit dem Titel: „Verein der Freunde des Steirischen Herbstes“. Die vorausgehenden Sitzungen waren am 6. 3.1969 und am 19.5.1969.421 Es war ein Verein mit dem Ziel, keine finanziellen Gewinne zu erzielen, sondern lediglich ideele und materielle Förderung der Veranstaltungen des steirischen herbstes zu betreiben, dies erforderte ein Generalsekretariat, das mit Programmgestaltung und Veranstaltungskoordination betraut ist. Der das Generalsekretariat leitende Generalsekretär wird von der Landesregierung

http://www.landesrechnungshof.steiermark.at/cms/dokumente/10137541_583182/6827a520/Bericht%20S teir.Herbst%20LT.pdf vom 15.01.2017, S. 10. 420 Predrag Vranicki: 9. Steirische Akademie. Das Humane und die Manipulation des Menschen. In: Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Wien 1977, S. 41. 421 Akt vom 6. März. Mappe „Verein der Freunde des Steirischen Herbstes“. In: Archiv des steirischen herbstes, Graz. In: Max Reisinger: Steirische Kulturpolitik 1965 bis 1975. Der Steirische Herbst. Dipl.Arb. masch. Graz, 1994, S. 19f.

121 bestellt.422 In der Ausführung wird der leitende Generalsekretär dann Präsident genannt, der auch den Verein nach außen vertritt. Das Präsidium setzte sich aus folgenden Personen zusammen: Präsident: Hans Mayer-Rieckh Erster Vizepräsident: Viktor Fogarassy Zweiter Vizepräsident: Günther Perner Geschäftsführer: Paul Kaufmann Rechnungsprüfer: Dr. Hans Wolf und Dkfm. Albin Sorger-Domenigg.423

Die Gesellschaft des Steirischen Herbstes zusammen mit dem Verein der Freunde des Steirischen Herbstes, letzterem unterstand später die Steirischer Herbst Veranstaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (sie wurde von Emil Breisach und Ilse Maria Vollmost am 2. Juli 1975 gegründet, die ein Jahr lang auch als TreuhänderIn dabei auftraten424) und diese drei bildeten ein Kuratorium, wobei der Intendant von der politischen Seite (von Land Steiermark und Stadt Graz) und der Geschäftsführer von Seite des Vereins der Freunde des Steirischen Herbstes rekrutiert wurde.425

10. Das erste musikprotokoll

Das musikprotokoll des ORF – so die korrekte Bezeichnung426, wurde gleichzeitig mit dem steirischen herbst im Jahre 1968 gegründet und ist in dieses Festival eingegliedert. Die Zielsetzung ist in einem Teil gleichen Inhalts wie der steirische herbst. Steirische und internationale KünstlerInnen sollen die musikalische Zeitgeschichte repräsentieren.427 Während jedoch der steirische herbst auch die Tradition repräsentiert und Werke aus allen Epochen der Musikgeschichte (und der

422http://www.landesrechnungshof.steiermark.at/cms/dokumente/10137541_583182/6827a520/Bericht%2 0Steir.Herbst%20LT.pdf vom 15.1.2017, S. 18. 423 Max Reisinger: Steirische Kulturpolitik 1965 bis 1975. Der Steirische Herbst. Dipl.Arb. masch. Graz, 1994, S. 20. 424http://www.landesrechnungshof.steiermark.at/cms/dokumente/10137541_583182/6827a520/Bericht%2 0Steir.Herbst%20LT.pdf vom 15.1.2017, S. 19. 425http://www.landesrechnungshof.steiermark.at/cms/dokumente/10137541_583182/6827a520/Bericht%2 0Steir.Herbst%20LT.pdf vom 15.1.12017, S. 11. 426 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer Herbst. Eine Dokumentation. In: Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer Herbst. Eine Bilanz.. Wien. 1977, S. 13. 427 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer Herbst. Eine Dokumentation. Ebda. 1977, S. 13.

122 gesamten Kunst- und Literaturgeschichte) bis zur Gegenwart darbietet, konzentriert sich das musikprotokoll auf die Produktion und Reproduktion von Werken der Gegenwart, wie es schon teilweise im Titel verpricht: Musik (der Gegenwart) zu protokollieren.

Hier unterscheidet sich das musikprotokoll dezidiert vom steirischen herbst: Während das musikprotokoll Werke aller Komponisten der Gegenwart, ohne spezifische Herkunftsgrenzen, zur Aufführung bringen möchte, hat der steirische herbst die „repräsentative Zusammenfassung der künstlerischen und wissenschaftlichen Kräfte des Landes Steiermark“428 als Zielsetzung, wenngleich hier das Land Steiermark inklusive der alten innerösterreichischen Grenzen gedacht wird.429 Das musikprotokoll hatte demnach vor, in dieser Beziehung weit über die Grenzen des steirischen herbstes hinauszugehen. Von dieser Idee wurde wieder Abstand genommen. Die Programmgestaltung beinhaltete im ersten Jahr nur Komponisten der südöstlichen Nachbarländer. Insofern fügte sich das musikprotokoll in die Intention des steirischen herbstes ein.

Emil Breisach war der Hauptinitiator der Gründung des musikprotokolls. In seiner Funktion als Intendant des ORF-Landesstudio Steiermark überzeugte er den Generalintendanten Gerd Bacher von seiner Idee eines musikalischen Avantgardefestivals, das die Dokumentation zeitgenössischer Musik zum Inhalt hat. Die Auseinandersetzung des österreichischen Publikums mit der musikalischen Sparte der Gegenwartskultur, die Präsentation von Werken klassischer Moderne, wie auch von Werken lebender Komponisten war Emil Breisach ein Hauptanliegen, ebenso wie der Blick über die Grenzen hinaus, den er mit Einladungen von Komponisten aus den angrenzenden Staaten verwirklichte.430

Lothar Knessl, Musikwissenschafter, Musikjournalist und Redakteur im Österreichischen Rundfunk, Mitgründer von Wien modern, er war auch später

428 Hanns Koren: So war es gedacht von Anfang an. In: Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Wien 1977, S. 6. 429 Hanns Koren: So war es gedacht von Anfang an. Ebda. 1977, S. 6. 430 Gernot Höfler: 30 Jahre musikprotokoll – ein Festival als Spiegel musikkulturellen Wandels. Diplomarbeit, masch. Graz 1997, S. 5.

123 Programmgestalter im musikprotokoll, erinnert sich an den Beginn des musikprotokolls: „AmAnfang agierte nicht A, sondern B; nicht B wie Beginn, sondern wie Breisach. Emil Breisach, einer der Geburtshelfer des steirischen herbstes, darf als Erfinder des Musikprotokolls gelten. Der frisch gekürte Intendant des ORF-Studio Steiermark überzeugte seinen damaligen Generalintendanten Bacher von der kulturpolitischen Notwendigkeit eines Musikprotokolls mit überregionalem und aktuellem Zuschnitt.“431

Emil Breisach schreibt in seinen „Erinnerungen an die ersten Jahre“: „Was ich damals im Sinn hatte, entsprang einem Gespräch mit Gerd Bacher, der mir abschlug, als künftiger Intendant des Landesstudios das Forum Stadtpark weiter zu führen. Doch dort war in nächtlichen Gesprächen mit Hanns Koren die Idee entstanden, einen Steirischen Herbst unter Einbeziehung aller Kunstsparten zu gründen. Ich erzählte von diesem wagemutigen Plan und schlug Bacher vor, durch das Landesstudio ein Programm mit neuer Musik und Literatur einzubringen. Er zeigte sich einverstanden.“432 So war es denn auch gelungen. Über die Programmgestaltung erinnert sich Emil Breisach: „Mit dem Gestaltungsteam Ernst Ludwig Uray, dem in der Organisation von Konzerten erfahrenen Leiter der Musikabteilung des Landesstudios, und Peter Vujica, den ich als bedeutenden Kenner der neuen Musikszene vertraglich binden konnte, wurde die Einbindung von Orchestern und Ensembles ausländischer Rundfunkstationen vereinbart. Lediglich die Reise- und Aufenthaltsspesen sollten zu Buche schlagen. Man sollte „zu Protokoll geben“, was man eben in Auftrag gegeben hatte, was man für die Entwicklung der Musica nova bedeutsam hielt.“433

Es schien hiermit urspünglich der Plan gewesen zu sein, nur Auftragswerke in den Konzerten darzubieten, was jedoch nicht ausgeführt wurde. Ob die ausführenden

431 Lothar Knessl: Konkurrenzloses Musikprotokoll. http://sendungen.orf.at/musikrptokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html vom 22.6.2017. 432 Emil Breisach: Erinnerungen an die ersten Jahre. http://sendungen.orf.at/musikprotokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html. vom 19.6.2017. 433 Emil Breisach: Erinnerungen an die ersten Jahre. http://sendungen.orf.at/musikprotokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html. vom 19.6.2017.

124 MusikerInnen ohne Honorar aufgetreten sind, ist fragwürdig und leider aufgrund der vermissenden budgetären Dokumentation nicht zu eruieren.

Im ersten Jahr wurden 22 Stunden neuer Musik geboten – Musik aus Österreich und seinen angrenzenden Ländern Jugoslawien, Ungarn und Tschechoslowakei. Zeitlich betrachtet war es in der Tat neue Musik, nicht weniger als einige Jahre alt. In zehn Konzerten stellten 35 Komponisten ihre Werke dar.434 Das entspricht en gros den Ideen der Organisatoren und erfüllt die Intention des Festivals in jenem Ausmaß, als man bemüht war, bedeutsame Werke oder Werke vielversprechender Komponisten zur Aufführung zu bringen.

Es sollte aber kein „Fest“ sein, sondern sollte sich von den Festivalgedanken der Avantgarde-Musikfeste unterscheiden. Neue Musik sollte von den üblichen marktlenkenden Programmzwängen absentiert werden und abseits von gängigen Darbietungsmöglichkeiten präsentiert werden, dies sei die Idee im Gründungsjahr gewesen, so Lothar Knessl.435 Die Programmgestaltung abseits der Wege der übrigen Neue-Musik-Festspiele mag zumindest im ersten Jahr gelungen sein, auch durch die Aufnahme der österreichischen Komponisten ins Programm. Die Konzertpräsentationen waren wohl doch die üblichen, es wurde in den Konzertsälen von Graz musiziert, wo auch alle anderen klassischen Konzerte stattgefunden haben.

Alfred Holzinger spricht in der Sendung „Steirischer Herbst 1968“ gar davon, dass das musikprotokoll „an der Spitze des Steirischen Herbstes steht“436. Peter Vujica befindet anlässlich des zweiten musikprotokolls im Jahr 1969: Durch das musikprotokoll „ist Graz zur Stätte der regelmäßigen Pflege neuer Musik geworden“. 437

434 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer Herbst. Eine Dokumentation. Ebda. S.16ff. 435 Lothar Knessl: Konkurrenzloses Musikprotokoll. http://sendungen.orf.at/musikrptokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html vom 22.6.2017. 436 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 2. 437 Peter Vujica: Neue Musik für oder gegen Graz? (Zum zweiten Musikprotokoll 1969). http://sendungen.orf.at/musikprotokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html. vom 19.6.2017.

125 Die Idee des Festivals war gut durchdacht und hervorragend in die Praxis umgesetzt worden. Das erste musikprotokoll war ein Erfolg bei den MusikerInnen, bei Publikum und bei der Kritik. Das erste Konzert war ausverkauft, die übrigen Konzerte erfreuten sich bezüglich der Besucherzahlen guter Auslastung. Der erfreulichste Beweis für eine positive Positionierung in der Grazer Kulturszene sei jedoch die eifrige mediale Berichterstattung, so Peter Vujica.438 Hatte man ursprünglich vorgesehen, das musikprotokoll nur alle zwei Jahre zu veranstalten, so brachten die gelungenen Aufführungen die Organisatoren dazu, das Festival jährlich durchzuführen.439

Der Vorsatz, das musikprotokoll jährlich zu veranstalten, wurde laut Emil Breisach während eines Gespräches im Oktober 1968 gefasst. Breisach selbst habe zu Beginn des ersten musikprotokolls ursprünglich die Idee eines zweijährigen Zyklus vertreten. Dies erklärte auch die finanzielle Misere des Festivals im Jahr 1969, da Breisach in der Planung damit rechnete, 1 Million Schilling440 für 1970 zur Verfügung zu haben, de facto waren es dann 700.000 Schilling für das Festival im Jahr 1969, die Planung musste nun rasch gehen, und das Jahr 1969 musste defizitär beschlossen werden. 441 Es wurde daraufhin Einsparungsmaßnahmen für das Jahr 1970 geplant, da von diesem Budget 100.000 Schilling für die Restfinanzierung von 1969 verwendet wurden.442 Vom Jahr 1968 liegen leider keine Zahlen oder budgetäre Dokumentationen vor.

Im Premierenjahr des musikprotokolls wurden 15 Österreichische Erstaufführungen (ÖE) und 14 Uraufführungen (UA) geboten. Diese Disposition hielt sich durch die ersten Jahre in etwa konstant, bis im Jahr 1972 ein Einbruch erfolgte, um sich dann wieder mit einem wechselvollen Angebot sich einzupendeln. (1969 waren es 26 ÖE

438Peter Vujica: Neue Musik für oder gegen Graz? (Zum zweiten Musikprotokoll 1969). http://sendungen.orf.at/musikprotokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html. vom 19.6.2017. 439 Gernot Höfler: 30 Jahre musikprotokoll – ein Festival als Spiegel musikkulturellen Wandels. Diplomarbeit, masch. Graz 1997, S. 4ff. 440 100 Schilling sind in etwa 7 Euro (Umrechnungswert von Juni 2017). https://www.online- rechner.at/waehrung/ats_eur vom 18.6.2017. 441 Emil Breisach: Interne Mitteilung an Herrn Lenhardt und Dr. Hartner, Graz 19.1.1970. ORF Archiv Lanadesstudio Steiermark. 442 Emil Breisach: Interne Mitteilung an Herrn Lenhardt und Dr. Hartner, Graz s.d. ORF Archiv Lanadesstudio Steiermark.

126 und 14 UA, 1970: 17 ÖE, 20 UA; 1971: 19 ÖE, 13 UA; 1972: keine ÖE, 5 UA). In den Jahren 1982 und 1984 gab es weder eine ÖE, noch eine UA. Ansonsten befand sich der Schnitt zwischen insgesamt zwölf (1980) und 66 Erst- bzw. Uraufführungen (1977).443

10.1. Charakter und Intention

Das musikprotokoll des ORF sollte das Publikum über die aktuelle Musik in Österreich, Jugoslawien, Ungarn und Tschechoslowakei in Kenntnis setzen. Dabei stand die Programmierung von Konzerten im Vordergrund, die Oper hatte nur einen marginalen Stellenwert. Nicht nur die Bandbreite der zeitgenössischen Musik sollte den RezipientInnen präsentiert werden, auch die Möglichkeiten und Grenzen der Aufführungsmodalitäten und derer des Konzertbetriebes sollten aufgezeigt werden.444

Ernst Ludwig Uray spricht in seiner Einladung an Luigi Dallapiccola davon, dass „hauptsächlich neue Werke österreichischer, ungarischer, jugoslawischer und tschechoslowakischer Komponisten aufgeführt werden.“445 Die Vorbereitung zum Festival lag in den Händen des Landesstudios Steiermark des Österreichischen Rundfunks, weiters waren Radio Agram, Radio Laibach und Radio Pressburg, nicht aber der italienische Rundfunk, der die Zusammenarbeit abgelehnt hat, daran beteiligt.446 Weitere Dokumente bezüglich der Mitarbeit ausländischer Radiostationen sind in den Archiven leider nicht erhalten.

Emil Breisach spricht in seinen Erinnerungen davon, dass „der Titel [sich herleitet aus] dem geringen Budgetansatz und der daraus abgeleiteten programmatischen

443 Gernot Höfler: 30 Jahre musikprotokoll – ein Festival als Spiegel musikkulturellen Wandels. Diplomarbeit, masch. Graz 1997, S. 42. 444 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Dokumentation. Ebda. S. 13ff. 445 Ernst Ludwig Uray: [Einladungsschreiben an Luigi Dallapiccola von 20.6.1968]. Masch. Kopie ORF Archiv Landesstudio Steiermark, Graz. [S. 1]. 446 Ernst Ludwig Uray: [Einladungsschreiben an Luigi Dallapiccola von 20.6.1968]. Masch. Kopie ORF Archiv Landesstudio Steiermark, Graz. S. [1f].

127 Absicht.“447 Jener Absicht, wie schon oben erwähnt, dass die Konzertprogramme lediglich aus Auftragswerken bestehen sollten und die Honorare sich nur in Reise- und Logierkosten beschränken sollten.

Die Bezeichnung musikprotokoll beinhaltet wohl nur einen Teil der Zielvorgaben, nämlich Musik zu protokollieren. Da die Musik der Gegenwart häufig noch nicht protokolliert, noch nicht gedruckt ist oder eben noch nie aufgeführt wurde, ist die Titelgebung hierfür klar. Über die geographische Herkunft der KomponistInnen sagt der Titel nichts aus, ebenso wenig erzeugt er Klarheit über die Zeit, aus der die Werke stammen. Über die Interpretierbarkeit des Titels wussten auch so manche Kritiker zu schreiben:

Der Rezensent des Kurier schreibt vom „diskret-nüchternen Sachtitel“448, Gerhard Mayer bezeichnet die Namensgebung als „völlig unprätentiösen Titel“449. Vielleicht aber ergab sich dadurch die gewünschte – und erreichte – Publikumsnähe, die sich andere große Avantgarde-Festivals wie Donaueschingen oder Darmstadt nur wünschen mochten und die auch die jugendlichen ZuhörerInnen mit einschloss. - Wobei Emil Breisach, Peter Vuijca und später Peter Oswald und Christian Scheib tatkräftig mithalfen, indem sie Aufklärungsarbeit in den Schulen leisteten.450

Dabei wurden die RezipientInnen als „lethargisch“451 qualifiziert, in der Weise, als sie gewisser Bildung bedürfen. Das musikprotokoll sollte zeigen, dass das klassische Konzertprogramm (im Sinne der musikgeschichtlichen Definition) nicht gerade obsolet, aber doch erweiterbar war. Mit György Ligetis Werk „Lux aeterna“ hatten es die Programmgestalter in der Tat geschafft, unterschiedliche Hörerschichten, von denen zumindest einige dem klassischen Hörertypus angehörten, anzusprechen.452

447 Emil Breisach: Erinnerungen an die ersten Jahre. http://sendungen.orf.at/musikprotokoll.mp_ARCHIV/1997_texte.html vom 19.6.2017. 448 Grazer Musikprotokoll 1968. Der Beitrag des ORF-Studios Steiermark zum Steirischen Herbst. In: Kurier vom 4. September 1968. 449 Gerhard Mayer: Fettfreie Diät. „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wochenpresse vom 2. Oktober 1968. 450 Reinhard Kager: Erinnerung eines verspäteten 68ers. http://sendungen.orf.at/musikprotokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html von 19.6.2017. 451 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Dokumentation. Ebda. S. 16. 452 Herbert Nichols: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Dokumentation. Ebda. S. 16.

128 Das musikprotokoll, so befindet Haslmayr „bot den prominentesten Komponisten der Gegenwart die Gelegenheit, eigene Werke erstmals zu Gehör zu bringen und diese meist auch selbst zu interpretieren“.453 Zu Beginn des Festivals waren hiefür sicher auch finanzielle Aspekte ausschlaggebend, aufgrund derer man die Komponisten ihre eigenen Werke dirigieren ließ.

Manfred Blumauer führt hierzu aus: „das musikprotokoll hat sich vom Anfang an als Ur- und Erstaufführungsfestival verstanden, das den jüngsten Stand des Komponierens, mit besonderer Berücksichtigung auch der Situation in den Nachbarländern, repräsentieren will. Zugleich wurde von Beginn an versucht, verschüttete Quellen der Gegenwartsmusik in Retrospektiven freizulegen.“454 Dabei wird auch auf die Situation der Wiener Schule angesprochen, die in Graz Reputation nötig hatte.

Der Rezensent des Grazer Montag berichtet, dass die Ambitionen des musikprotokolls begrüßenswert seien. Auch seien die Konzerte bei den Zuhörenden auf „überraschend lebendiges Echo gestoßen.“455 Die Programmgestaltung überwinde jede stilistische Grenze und bewege sich ohne Plan zwischen renommierten und unbekannten Kompositionen. Schon das erste Konzert zeigte internationales Niveau, so der Rezensent.456

Aber erst 1970 wurden Auftragskompositionen in weitreichendem Maße ins Festival aufgenommen. Die bisher präsentierten Komponisten wurden auf Folgewirkungen analysiert und die dabei effizientesten mit Kompositionsaufträgen bedacht. Diese

453 Harald Haslmayr: „Klingende Farbenspiele“ – zu Geschichte und Gegenwart der Musik in Graz. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter: vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2009, S. 390. 454 Manfred Blumauer: Das Musikleben seit 1945. In: Werner Strahalm: Graz. Eine Stadtgeschichte. Herausgegeben von Wilhelm Steinböck. Graz (Strahalm) 1989, S. 427f. 455 N.N.: Neue Musik in Graz. In: Grazer Montag vom 30.9.1968, S. 4. 456 Gerhard Brunner: Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des ersten „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronenzeitung vom 29.9.1968.

129 Form der Belebung der Tradition fand sich auch in der Literatursparte des steirischen herbstes wieder.457

Damit werden die Intention und die Wirkung des Festivals erweitert: Neben der Protokollierung, wie schon der Titel verspricht, der soeben entstehenden Musik sollen auch die Wurzeln der derzeitigen Schöpfungen präsentiert werden. Zudem wird auf die musikalische und in weiterem Sinne auch auf die politische Situation der Gastländer eingegangen. Im darauffolgenden Jahr wurde die Idee der Protokollierung noch erweitert: es wurde eine Musik-Messe gestaltet, die die zeitgenössische europäische Musik präsentierte.458

Als „Kampf zwischen Tradition und Innovation“459 wird das musikprotokoll von Werner Jauk 20 Jahre später bezeichnet. Die Hauptgefahr liege in der Affinität zur Heimat und zur Tradition, ohne über den musikalischen Tellerrand zu blicken. Es würde nichts Neues mehr in Graz geschaffen, das Festival bringe nur Neues von Außen, konservatives Gedankengut und Treue zur Region würden die Weiterentwicklung der Kunst behindern. 460 Jauk beschreibt hier eine typische Reaktion auf die Globalisierung, wo Rückbesinnung auf Regionalität gegen Internationalität und gleichmachendem Universalismus revoltierte. Werner Jauk hat hier möglicherweise eine treffende Diagnose gestellt. Da der Autor hierbei von den ersten 20 Jahren des musikprotokolls spricht, würde die Analyse derselben die Grenzen dieser Arbeit sprengen. Nur soviel sei angemerkt, dass es im ersten Jahr des Festivals diesbezüglich keine Klagen gab, dass die österreichischen Komponisten bevorzugt ins Programm aufgenommen worden wären. Es wurde vielmehr von beinah allen Rezensenten positiv vermerkt, dass die Werke von Komponisten aus den südöstlichen Nachbarländer in wohlfeilem Ausmaß auf dem Programm vertreten waren.

457 Paul Kaufmann: Steirische Akademie. Die Zukunft – Wille und Vorstellung. In: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Ebda. S. 56ff. 458 http://www.musiklexikon.ac.at/ml.musik_m/Musikprotokoll.xml. vom 10.10.2013. 459 Werner Jauk: Neue Musik und Musikkritik. Berichte aus dem Institut für Wertungsforschung der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. 1983, S. 37. 460 Werner Jauk: Neue Musik und Musikkritik. Berichte aus dem Institut für Wertungsforschung der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. 1983, S. 37.

130 10.2 Die wissenschaftlichen Veranstaltungen zum musikprotokoll 1968

Im Gründungsjahr 1968 gab es noch keine explizit wissenschaftlichen musikbezogenen Veranstaltungen, diese waren in toto dem steirischen herbst zugeordnet, sollen jedoch der Vollständigkeit halber hier Erwähnung finden. Die Veranstaltungen samt Programmen sind in Folge komplett dem Kompendium „20 Jahre steirischer herbst“ entnommen.461

24. September „Biennale – Documenta und die Situation der Kunst unserer Zeit“ Dieses Podiumsgespräch sollte Diskussionen über die zeitgenössische Kunst evozieren. Wilfried Skreiner (Neue Galerie Graz) hatte die organisatorische Leitung inne. Anhand der beiden Veranstaltungen für zeitgenössische Kunst, der Documenta in Kassel und der Biennale in Venedig, wurden die Positionierung und das Anrecht der zeitgenössischen Kunst analysiert. Die Diskussion schien aber schon nach den Kurzreferaten der Vortragenden Umbro Apollonio (Venedig), Gillo Dorfles (Mailand) und Dietrich Mahlow (Nürnberg) etwas emotional ausgeartet zu sein, trotz der Bemühungen von Dietrich Mahlow schlitterte sie in einen Publikumsdisput. Gillo Dorfles sprach sich für den intuitiven Auslöser als Beginn des Schöpfungsaktes aus und verurteilte eine rückgratlose weil zu freiheitswillige Kunst. Politische und finanzielle Aspekte hätten im Schöpfungsprozess nichts verloren. Dietrich Mahlow wiederum sprach sich für „l’art pour l’art“ aus, Kunst dürfe keine Mission in sich tragen, sie sei für den Künstler Ereignis. Dies ergab die Frage, ob „die klare Ordnung in der Konstruktion nicht zum Formalismus führe.“462 Er forderte weiters, neue Räume und neue Werte, die dem Ideenverlust entgegentreten könnten. Alle Vortragenden kamen zu dem einhelligen Schluss, dass die Vorbehalte gegenüber Gegenwartskunst darin begründet seien, dass diese in aussagelosen, monetär bedingten Strukturen gefangen seien.463

461 Vgl. Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Eine Dokumentation herausgegeben von Paul Kaufmann. Wien 1988. 462 Manfred Jaindl: Die Frage nach der Kunst. Eggenberger Podiumskiskussion um die Situation unserer Zeit. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 7.10.1968. 463 Manfred Jaindl: Die Frage nach der Kunst. Eggenberger Podiumskiskussion um die Situation unserer Zeit. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 7.10.1968.

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Karl Hans Haysen berichtet in der Kleinen Zeitung, dass der Vormittag der Veranstaltung den Vorträgen, der Nachmittag den Diskussionen gewidmet gewesen sei. Im einleitenden Referat argumentierte Wilfried Skreiner, sich auf den Kärntner Maler464 beziehend, der in der Sezession Graz ausstellte, dass der Künstler „nicht mehr für sich selbst arbeiten [dürfe], er müsse vielmehr wie ein Arzt oder ein Priester die Gesellschaft mitgestalten.“465 Dies sei eine neue Funktion, die aber bereits gelebt würde. Umbro Apollonio, der Generalsekretär der Biennale von Venedig, in Graz bereits als Vortragender renommiert, bemängelte, dass Kunst hauptsächlich für Ausstellungen und Museen geschaffen werde, nicht aber für den privaten Gebrauch. Der finanzielle Aspekt sei dafür ausschlaggebend, so der Referent Gillo Dorfles aus Mailand, der bemerkte, dass Kunst, die einer Ideologie verpflichtet sei, selten herausragende Qualität aufweise, hingegen völlig freie, von allen verpflichtenden Intentionen befreite Kunst eher merkantilen Versuchungen erliege. Dietrich Mahlow aus Nürnberg beschied, dass Kunst frei von jeglicher Funktion sein müsse. Kunst muss ein Ereignis sein. Jeder Mensch habe die Fähigkeit Werke zu schaffen, die nicht unbedingt Kunst sein müssen. „Kunst sei die Möglichkeit, geistiges Leben vor Augen zu führen und zu verändern.“466 Es muss davon abgegangen werden, philosophische Strukturen als Grundlage der Kunst zu sehen, „offenes Denken“467 müsse an deren Stelle treten. Der Rezensent schreibt nichts davon, dass die Vorträge durch Publikumsdiskussionen gestört worden seien. Über die am Nachmittag stattfindende Diskussion wolle er einen eigenen Artikel verfassen.468 Dieses Vorhaben scheint jedoch nicht ausgeführt worden zu sein.

Stefan Stachel vom Grazer Montag bemängelte das Fehlen der steirischen Künstler bei dieser Diskussionsrunde, insbesonders sei dies bemerkenswert, da diese über

464 Eventuell ist damit Rudolf Pointner gemeint, der 1907 in Zara (damals zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehörend, heute „Zadar“, Hauptstadt von Dalmatien) geboren ist und der ein Mitglied der Sezession war. http://sezession-graz.at/rudolf.pointner/ vom 18.6.2017. 465 Karl Hans Haysen: Kunst ereignet sich. „Steirischer Herbst 68“: Kunstgespräch im Schloss Eggenberg. In: Kleine Zeitung vom 25.9.1968, S. 3f. 466 Karl Hans Haysen: Kunst ereignet sich. „Steirischer Herbst 68“: Kunstgespräch im Schloss Eggenberg. In: Kleine Zeitung vom 25.9.1968, S. 3f. 467 Karl Hans Haysen: Kunst ereignet sich. „Steirischer Herbst 68“: Kunstgespräch im Schloss Eggenberg. In: Kleine Zeitung vom 25.9.1968, S. 3f. 468 Karl Hans Haysen: Kunst ereignet sich. „Steirischer Herbst 68“: Kunstgespräch im Schloss Eggenberg. In: Kleine Zeitung vom 25.9.1968, S. 3f.

132 den mangelnden Kontakt zur Gesellschaft Klage führten. Die Kulturpolitik des Landes Steiermark sei hingegen diesbezüglich innovativ und habe diese Vortragsreihe initiiert, leider haben die heimischen Künstler trotzig ihre Anwesenheit verweigert. Die „Müdigkeit“, wegen der ein Referent aus Wien seine Teilnahme absagte, sei hier im Titel verewigt.469

Auch Karl Hans Haysen, der zusätzlich unter dem Kürzel „Ypsilon“ firmiert, bemängelt in der Kleinen Zeitung die Abwesenheit der heimischen Künstler. Dr. Werner Hoffmann habe die Absage seiner Teilnahme mit „Mattigkeit“470 begründet. Wie ernst es den heimischen Künstlern mit der Verbindung zur Öffentlichkeit, zum Publikum sei, habe man bei dieser Veranstaltung ersehen können.471 Die harsche Kritik bezüglich der Abwesenheit der ansässigen Künstler ist allen Kritiken gemein und lässt die positiven Aspekte wie die Internationalität der Vortragenden, die unterschiedlichen Definitionen, der Funktion von Kunst und die offensichtlich doch zu fruchtbaren Ergebnissen gekommene Gesprächsrunde in den Hintergrund treten. Wohl hätten die steirischen Künstler gut daran getan, durch ihre Anwesenheit die Präsenz der Gegenwartskunst hervorzuheben und durch Beteiligung an der Diskussion ein florierendes Bild der zeitgenössischen Kunst zu geben.

29. September: Komponistentreffen mit Round-Table-Gespräch Der intellektuelle Anspruch der neuen Musik

Die Veranstaltung fand im Kammermusiksaal des Grazer Kongress statt. Die teilnehmenden Komponisten waren: Paul Angerer, Dubravko Detoni, Ivan Eröd, Karl Haidmayer, Josef Maria Horvath, Jiri Jaroch, Peter Kolman, Uroš Krek, Igor Kuljeric, Istvan Lang, Ivo Malec, Kresimir Sipus, Egon Wellesz, Ilja Zeljenka und Otto Zykan.472 Die Diskussion leitete Otto Sertl. Die Interaktion zwischen Künstler und Publikum war das Hauptthema der Diskussion, die in den Medien unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen hat.

469 Stefan Stachel: Stachel kontra Müdigkeit. In: Grazer Montag vom 30.9.1968, S. 4. 470 Ypsilon: Interesse. In: Kleine Zeitung vom 25.9.1968, S. 16. 471 Ypsilon: Interesse. In: Kleine Zeitung vom 25.9.1968, S. 16. 472 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Manuskript] Archiv des steirischen herbstes, Graz, S. 2.

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Peter Vujica spricht in der Vorankündigung zum Round-Table-Gespräch im ORF Landesstudio Steiermark davon, dass analysiert werden soll „wie weit im Musikschaffen der am ‚Musikprotokoll 1968’ beteiligten Länder konstruktive Formprinzipien für die Gestalt der neuen Werke ausschlaggebend werden.“473

Franz Giegling spricht von: „der brillanten Leitung“474 der Diskussion. Was leider nicht auf den Disput abgefärbt habe: „Wer aus diesem Kreis ein fachliches Gespräch erwartet hatte, sah sich indessen enttäuscht. Es wurden hauptsächlich Gemeinplätze angeschnitten“.475 Im Manuskript zur Sendung vom 2. Oktober führt Franz Giegling aus, dass man aufgrund dieser guten Diskussionsleitung unterschiedliche Probleme der Komponisten vernehmen konnte, insbesonders ob die Intuition oder der Intellekt die Hauptintention im Schaffensprozess spielen sollte. Egon Wellesz sprach sich für die Intuition aus, die jedoch vom Intellekt überwacht werden solle.476

Auch der Rezensent des Blattes Der Volkswille lobt den Diskussionsleiter Otto Sertl, aber auch seine Gesprächspartner, und deren Debatten, die vom Kritiker als hochinteressant und sehr fruchtbar eingestuft wurden.477

Manfred Blumauer hat nicht viel Positives über diese Veranstaltung zu berichten. Sie sei von soziologischer Unkenntnis des Diskussionsleiters geprägt, der sich als Vertreter eines imaginären Publikums sah, einer Imagination, die von einer kohärenten Masse an Zuhörenden ausging. Ausgiebig diskutiert wurde die Beziehung zwischen Komponist und Publikum und wie man letzteres aquirieren

473 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 28.9.1968. Archiv ORF Landesstudio Steiermark Graz. S. 1. 474 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Manuskript] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S. 2. 475 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Manuskript] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S. 2. 476 Franz Giegling, Basel: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik vom 2.10.1968. Archiv ORF Landesstudio Steiermark. [S.1.]. 477 Braucht der Komponist ein Publikum? Anregende Diskussion im „Musikprotokoll 1968“. In: Der Volkswille.

134 könnte. Erfreulicherweise gab es einige interessante Anmerkungen bezüglich neuer Konzertorte und Instrumente. Die Fülle an Ansichten und Strömungen sei begrüßenswert, beschied der Diskussionsleiter abschließend.478

Auch Johannes Frankfurter von der Neuen Zeit sah keine erfolgreichen Aspekte in dieser Diskussion. Es war eine redundante Gesprächsrunde mit unverbindlichen Aussagen über ein ignorantes Publikum und ebensolche Veranstalter und Interpreten, so der Rezensent.479

Der Rezensent der Grazer Wahrheit, der unter dem Kürzel „F.“ firmiert, beschreibt die Diskussion als wenig fruchtbar, aber als belebend.480 Die Ergebnisse dieser Fragen zählt er akribisch auf. Dabei lasse sich ersehen, was auch schon andere Rezensenten kritisiert haben: Die Essenz der Diskussion sei allzu nebulöses und klischeehaftes Geschwätz. Einige Beispiele dazu: „dass jede Musik, auch die Schuberts und Mozarts intellektuelle Ansprüche stellt.“481 Musikpsychologische Aspekte wurden dabei völlig negiert. „dass die Künstler, […] an das Publikum oft Anforderungen stellen, die sie selbst nicht erfüllen können.“482 Von welcher Art der Anforderungen hier gesprochen wird, bleibt im Dunkeln. „dass neue Musik, die neue Ziele verfolgt, nach anderen als den alten Kriterien gemessen werden müsse.“483 Welche Kriterien sich die doch zahlreich anwesenden Komponisten sich darunter vorstellen, darauf wurde – zumindest in der Kritik – nicht näher eingegangen. Auch hier wird von musikpsychologischem Wissensstandard kein Gebrauch gemacht.

478 Manfred Blumauer: Komponisten geben zu Protokoll. Das Round-table-Gespräch im Grazer Kammermusiksaal. In: Südost Tagespost vom 2.10.1968, S. 7. 479 Johannes Frankfurter: Die moderne Musik in Theorie und Praxis. Musikprotokoll 1968 am Sonntag: Podiumsdiskussion und Konzert der Kammermusikvereinigung des ORF in Graz. In: Neue Zeit vom 2.10.1968, S. 4. 480 F.: Braucht der Komponist ein Publikum? Anregende Diskussion im „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wahrheit vom 3.10.1968, S. 6. 481 F.: Braucht der Komponist ein Publikum? Anregende Diskussion im „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wahrheit vom 3.10.1968, S. 6. 482 F.: Braucht der Komponist ein Publikum? Anregende Diskussion im „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wahrheit vom 3.10.1968, S. 6. 483 F.: Braucht der Komponist ein Publikum? Anregende Diskussion im „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wahrheit vom 3.10.1968, S. 6.

135 Die ewige Frage von Intuition und Intellekt wurde ebenso diskutiert und von Otto Zykan in folgender Weise erläutert, dass eine Komposition in der Balance dieser beiden Gegensätze sich befinden müsse, um Interesse zu wecken. Ivo Malec bemerkte dazu, dass sich die neue Musik von westlichen Klangvorstellungen wegbewegen müsste in Richtung universeller Hörerlebnisse. Egon Wellesz sah in der guten Mischung von Altem und Neuem die optimale Schöpfung. Paul Angerer stand dieser Idee völlig kontrovers gegenüber. Kresimir Sipus bemängelte das Überhandnehmen des theoretischen Zugangs der Komponisten zu ihrem Schöpfungsprozess. Ein Werk habe vom Instrument auszugehen, dabei mangle es den Komponisten allerdings an Grundlagenwissen. Peter Kolman sprach darüber, dass neue Musik auch neue Konzerträume – eher als neue akustische Räume vorstellbar – schaffen könnte, gleich der bildenden Kunst, bei der auch die Werke die Ausstellungsart neu herausformte.484 Diese Forderung scheint eines der seltenen fruchtbaren Ergebnisse zu sein, die aus dieser Diskussion erwachsen sind. Diese detailreiche Kritik ließ erkennen, dass wohl ansonsten nicht viel Neues gesagt worden war und die Ergebnisse hauptsächlich Klischeehaftes brachten, die Diskussion jedoch trotzdem interessant gewesen sein musste.

Die Steirische Akademie 1968

Sie fand von 7.-11. Oktober im Schloss Eggenberg statt und hatte zum Thema: „Das Humane und die Manipulation des Menschen“. Es wurde ein weites Themenspektrum abgehandelt: von Erziehung, über technischen Fortschritt, Chirurgie, Pflanzenbau, Philosophie, Geschichte bis zu Literatur. Kulturelle Themen waren im weitesten Sinne vorhanden, literarische Aspekte wurden analysiert, Musik im Speziellen kam zumindest in den Themengebieten der einzelnen Redner nicht vor.

484 F.: Braucht der Komponist ein Publikum? Anregende Diskussion im „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wahrheit vom 3.10.1968, S. 6.

136 Symposion 1968

Dieses war der Steirischen Akademie zugeordnet und hatte die „Geschichte der Industrialisierung des Südostalpenraumes im 19. Jahrhundert“ als Titel. Neben reinen Industrialisierungsthemen sprach Alois Brusatti über „Technik, Wirtschaft und Kultur dargestellt an der industriellen Entwicklung in Österreich-Ungarn.“ Auch hier ist nicht eruierbar, ob der Musik im Referat Raum gegeben wurde.

Literarische Veranstaltungen 1968

Diese sind bei Harald Kaufmann neben der Steirischen Akademie und dem Symposion unter Symposien ´68 aufgeführt. Peter Handke las aus eigenen Werken. Ein Abend mit slowenischer Lyrik der Gegenwart wurde von Filip Kalan, Kajetan Kovic und Lojze Krakar bestritten, eine Matinee zum 85. Geburtstag des steirischen Dichters Franz Nabl wurde veranstaltet und Paul Hoffmann referierte über „Dichter über das Theater“.485 Ob bei den literarischen Veranstaltungen Musik auch dargeboten wurde, ist aus den Programmen nicht ersichtlich, und daher eher zu verneinen.

10.3. Medienberichte über die Eröffnungsveranstaltung des steirischen herbstes und des musikprotokolls 1968

Alle Veranstaltungen der unterschiedlichen Genres wurden unter dem Titel steirischer herbst am 23. September im Rittersaal des Landhauses feierlich eröffnet. Inwieweit dabei das musikprotokoll bei den Eröffnungsreden respektive in den medialen Rezensionen Erwähnung findet, wird im Folgenden analysiert.

Die Grazer Wahrheit berichtet in ihrer Rezension vom 24. 9. über beide Eröffnungsveranstaltungen des steirischen herbstes in einem Artikel: Die Eröffnung

485 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Eine Dokumentation herausgegeben von Paul Kaufmann. Ebda. S. 227.

137 im Rittersaal des Grazer Landhauses und die Eröffnung der Ausstellung in der Neuen Galerie. Das musikprotokoll wird mit keinem Wort erwähnt.486

Die Kleine Zeitung berichtet von der Eröffnungsrede von Hanns Koren, in dem er dem Rundfunkintendanten Emil Breisach dankt, dass das musikprotokoll einen „wesentlichen Beitrag zum ersten ‚Steirischen Herbst’“487 leistet.

In der Südost Tagespost wird am 24.9. von der Eröffnung des steirischen herbstes im Landhaus berichtet, der Bericht über die Eröffnung des musikprotkolls folgt an gesonderter Stelle. Bei der Eröffnung des steirischen herbstes hebt Hanns Koren die Wichtigkeit des musikprotokolls hervor, das neben der Steirischen Akademie große politische Kraft innehabe, da es gesellschaftliche Strukturen abbilde und in besonderer Weise den innerösterreichischen Gedanken der Mitverantwortung für die Völker der Nachbarländer lebe.488

Harald Kaufmann berichtet in der Neuen Zeit, dass das Festival „großstädtisches Gesicht nicht vermissen lässt“489 und hier besonders das musikprotokoll ein interessantes Programm bietet, da in Graz noch kaum je eine derart große Anzahl an Ur- und Erstaufführungen in so kurzer Zeit dargeboten worden sind. Was der Rezensent jedoch bedauert, ist die fehlende Stringenz bei der Programmauswahl, dabei stehe das musikprotokoll hinter den ausgefeilten und durchdachten Werklisten des Trigon.490

Emil Breisach schreibt in der Einladung an Honoratoren zum musikprotokoll 1969, dass im zweiten Jahr des Bestehens, „das Programm quantitativ ausgeweitet und

486 N.N.: Die Ouvertüre zum „Steirischen Herbst“. In: Grazer Wahrheit 24.9.1968, S. 3. 487 N.N.: Steirischer Herbst 68 eröffnet. Rechenschaft und Leistung in Kultur und Wissenschaft. Stadt Graz wird sich im nächsten Jahr beteiligen – Studio Steiermark initiativ. In: Kleine Zeitung 24.9.1968, S.14. 488 N.N.: „Steirischer Herbst“ gestern im Landhaus festlich eröffnet. In: Südost Tagespost 24.9.1968, S. 3. 489 Harald Kaufmann: Freuden und Bürden des „Steirischen Herbstes“. Gestern wurde die kulturelle Veranstaltungsfolge im Grazer Rittersaal eröffnet: Ein erster Kommentar zum Programm. In: Neue Zeit 24.9.1968, S. 4. 490 Harald Kaufmann: Freuden und Bürden des „Steirischen Herbstes“. Gestern wurde die kulturelle Veranstaltungsfolge im Grazer Rittersaal eröffnet: Ein erster Kommentar zum Programm. In: Neue Zeit 24.9.1968, S. 4.

138 qualitativ wesentlich verbessert werden […] weil sich im Vorjahr mehr Publikum bereitfand, sich mit der Musik unseres Jahrhunderts auseinanderzusetzen, als selbst Optimisten vorausgesehen hatten. Beobachter und Kritiker aus Wien, aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland bezeugten, dass dieses Interesse die Voraussetzung schaffe, dem ‚Musikprotokoll’ innerhalb von wenigen Jahren internationales Profil zu geben.“491

10.4. Die wissenschaftlichen Veranstaltungen zum musikprotokoll 1969

Das zweite Jahr in der Geschichte des musikprotokolls bot die erste rein musikalisch-wissenschaftliche Veranstaltung: Im Rahmen des Ernst-Krenek- Festivals, das im Zuge des musikprotokolls veranstaltet wurde, sprach der Komponist über „Welche Fassung ist besser? Über die Wertung eigener Kompositionen“ im Blauen Salon der Steiermärkischen Sparkasse in Graz.

Weiters wurde die Steirische Akademie unter dem Thema „Die Zukunft, Wille und Vorstellung“ veranstaltet. Die Annäherung im Titel an das Hauptwerk von Arthur Schopenhauer „Die Welt als Wille und Vorstellung“ ist offensichtlich. Die Referatsthemen waren in Fächern wie Mathematik, Architektur, Naturwissenschaft und Medizin beheimatet. Der Philosophie wurde – dem Titel gerecht werdend – breiter Raum gegeben: Siegfried Müller-Markus sprach über: „Die strukturierte Kreativität – Ein Blick in die Zukunft des Denkens“ und Friedrich St. Florian referierte über „Die Zukunft als Einbildung“. Karl Rahner hielt zum Thema „Die Frage nach der Zukunft“ einen Vortrag, Horst Wagenführ referierte über „Das Gesellschaftsimage der nahen Zukunft“. In diesem Jahr näherte man sich durch die Titelgebung der Zukunftsforschung eher dem Programm des steirischen herbstes als zeitgenössisches Festival. Es gab wohl mehr an kulturspezifischen Themata, ein rein musikalisches findet sich auch hier nicht. Das der Akademie zugeordnete Symposion fand im Jahr 1969 als Literatursymposion statt.492

491 Emil Breisach: Euer Wohlgeboren! [Einladung zum musikprotokoll 1969 an Honoratoren]. Masch. Graz 1969. Original im ORF-Archiv des Landes Steiermark. 492 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 229.

139

Im Jahr 1970 fand ein Symposion, der Steirischen Akademie zugeordnet, zum Thema: „Was wird aus der Revolution? Integrierte und nichtintegrierte Revolution in der Kunst.“ statt. Das Institut für Wertungsforschung der Kunstuniversität Graz war an der Organisation beteiligt. Es gab erstmals einen rein musikwissenschaftlichen Vortrag von Konrad Böhmer: „Musikalisches Material und gesellschaftlicher Fortschritt“. Weiters referierte Peter Gorsen über „Revision des Marxismus für die Ästhetik der Avantgarde“ und Hans Mayer sprach „Vom vorzeitigen Altern neuer Literatur“. Erst im Jahr 1971 fand das erste Musiksymposion statt, das nur rein musikalische Inhalte zum Thema hatte, jedoch noch unter keinem übergeordneten Leitmotiv stand.

10.5. Die musikalisch-wissenschaftlichen Veranstaltungen im Jahr 1971 Das Musiksymposion

Dieses erste Musiksymposion war nun der Steirischen Akademie – wie die Symposien in den vergangenen Jahren auch – zugeordnet. Die Referatsthemen scheinen relativ zusammenhanglos ausgewählt, kreisten jedoch hauptsächlich um zeitgenössische Musik.493 Es referierten Ulrich Dibelius über „Der Komponist und Dirigent Pierre Boulez“, Clytus Gottwald über „Die politischen Tendenzen der geistlichen Musik“; Lothar Knessl sprach über „Konstruktive Strenge und engagierter Ausdruckswille. Zu Luigi Nonos Intoleranza-Musik“. Josef Patkowski hielt einen Vortrag über „Die moderne polnische Musik: Ansatz, Einfluss und Ergebnis – dargestellt an den Werken Lutoslawskis und Pendereckis.“ Der letzte Redner war Wolfgang Sandner mit „Das Maß an ‚Freiheit’ in der neuen Musik.“ 494 Das Symposion dauerte von 19.-25. Oktober und wurde im Hotel Steirerhof abgehalten. Es war dies der Beginn einer Symposienreihe, die im darauffolgenden

493 U. Dibelius: „Der Komponist und Dirigent Pierre Boulez“. C. Gottwald: „Die politischen Tendenzen der geistlichen Musik“. L. Knessl: „Konstruktive Strenge und engagierter Ausdruckswille. Zu Luigi Nonos Intoleranza-Musik“. J. Patkowski: „Die moderne polnische Musik: Ansatz, Einfluss und Ergebnis – dargestellt an den Werken Lutoslawskis und Pendereckis“. W. Sandner: „Das Maß an ‚Freiheit’ in der neuen Musik“. In: Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Eine Dokumentation herausgegeben von Paul Kaufmann. S. 233. 494 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 231.

140 Jahr noch der Steirischen Akademie zugeordnet war, ab dem Jahr 1973 jedoch erschien die Zuordnung nicht mehr und das Musiksymposion stellte eine selbständige Form in den wissenschaftlichen Veranstaltungen dar. Es gewann an Dichte bezüglich der Programmauswahl, dauerte zwischen zwei und drei Tagen und wies ab dem Jahr 1972 ein Hauptthema auf.495

Die Hanns Eisler-Retrospektive

Diese eintägige Veranstaltung war im Forum Stadtpark lokalisiert. Hans-Klaus Jungheinrich sprach zum Thema „Musik und Realismus – einige Aspekte bei Hanns Eisler“. Rudolf STEPHAN referierte „Über die Versuche, die Musik von Hanns Eisler bekanntzumachen“ und Wilhelm Zobl hielt einen Vortrag zur „Kritik der westlichen Avantgarde und ihrer ökonomischen Widersprüche – ausgehend von Hanns Eislers Überlegungen“. Dazu fand ein Konzert im Festsaal der Stadtgemeinde Murau am 23. Oktober unter „musikprotokoll“ mit dem Titel „Hanns Eisler-Retrospektive“ statt. Das Konzertprogramm beinhaltete ausschließlich Kompositionen von Hanns Eisler und lautete wie folgt: Zeitungsausschnitte für Gesang und Klavier 14 Arten, den Regen zu beschreiben. Variationen für Flöte, Klarinette, Violine/Viola, Violoncello und Klavier, op. 70. Zwei Elegien nach Texten von Bertold Brecht. Für Gesang und Klavier. Die römische Kantate. Für Gesang, 2 Klarinetten, Viola und Violoncello (Worte aus dem Roman ‚Fontamara’ von Ignazio Silone), op. 60 (ÖE). Präludium und Fuge über B.A.C.H. Für Streichtrio, op. 46 (ÖE). Palmström. Zwölftonstudien nach Texten von Christian Morgenstern. Für Gesang, Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello, op. 5.496 Die Konzerte des musikprotokolls standen 1971 unter dem Titel „Hanns Eisler Retrospektive“, am 19. Oktober 1971 wurde ein Konzert im Stephaniensaal Graz mit einem reinen Eisler-Programm zur Aufführung gebracht, dies wurde auch im

495 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 234ff. 496 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 233 und S. 351.

141 Rundfunk übertragen. Das Programm unterschied sich völlig von jenem des Konzertes in Murau.497

11. Das musikprotokoll außerhalb von Graz

Im Gründungsjahr gab es keine musikbezogenen Veranstaltungen außerhalb von Graz. Die einzige Stadt, in der ansonsten Aktivitäten des steirischen herbstes im Jahr 1968 stattfanden, war Köflach in der Steiermark. Es waren dies Veranstaltungen im Bereich der bildenden Kunst: Der Maler Gottfried Fabian stellte seine Werke in der Galerie Eder in Köflach aus, Zeichnungen und Plastiken waren von Gerhardt Moswitzer in derselben Galerie zu sehen und im Pfarrsaal in Köflach war die Ausstellung „Kunstpreises der Stadt Köflach für zeitgenössische Malerei“ zu bewundern.498

Bereits im Jahre 1969 trat das musikprotokoll mit drei Konzerten mit jeweils differierenden Programmen in drei Orten der Steiermark auf: in der Basilika Seckau am 19. Oktober, im Volksheim Köflach am 20. Oktober und in der Werkhalle der Firma Binder & Co in Gleisdorf am 25. Oktober. Die Konzertprogramme waren keine Wiederholung von den Konzerten in Graz und blieben der Intention des Festivals treu, zeitgenössische Musik zu protokollieren – es war keine Scheu zu bemerken, Ur- oder Erstaufführungen dem Publikum am Land zu präsentieren.

Konzert in der Basilika Seckau Juan Allende-Blin: Sons brisés (in memoriam Lothar Schreyer, 1967) (ÖE) György Ligeti: Etude Nr. 1 (Harmonies, 1967) (ÖE) Etude Nr. 2 (UA) Gerd Zacher: 3 Interpretationen des Contrapunktes I aus Johann Sebastian Bachs ‚Kunst der Fuge’ (ÖE) Gerd Zacher: Szmaty (1968) (ÖE)

497 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 233 und 351ff. 498 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 345.

142 John Cage: Variations III (1963). Realisation von Juan Allende-Blin für die linke Hälfte einer Orgel, gleichzeitig mit der Realisation von Gerd Zacher für die rechte Hälfte einer Orgel (ÖE).

Konzert im Volksheim Köflach György Ligeti: Ramification (ÖE) Karl Haidmayer: Symbiose III. Für vier Gruppen (UA) Arnold Schönberg: Pierrot Lunaire.

Konzert in der Werkhalle der Firma Binder & Co in Gleisdorf György Ligeti: Apparitions Joseph Matthias Hauer: Wandlungen Bojidar Dimov: Continuum II (UA) Friedrich Cerha: Spiegel VI (UA) Egon Wellesz: Conticum sapientiae (UA).499

Mediale Resonanz Seckau Medial wurde das Konzert in der Basilika Seckau nur marginal erwähnt, in der Zeit ist zu lesen, dass durch das rasche Tempo der Etüde Nr. 2 von Ligeti die Einzeltöne nicht mehr hörbar seien.500 Herbert Schneiber schreibt im Kurier musikanalytisch über die Werke von Gerd Zacher und beendet seinen Bericht mit einer sehr persönlichen Einschätzung: „Faszinierend und ärgerlich“.501

Köflach Über das Konzert in Köflach wird nicht berichtet, über das Konzert in der Werkhalle in Gleisdorf schreibt die Zeit nur Negatives: Es stellt sich die ungeklärte Frage, warum mit den Konzerten überhaupt von Graz aufs Land gezogen werden muss, es

499 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 113ff. 500 Johann Nestray und Gerhard Brauner: Musik in der Werkhalle. Der „Steirische Herbst“ will des Guten zuviel. In: Die Zeit vom 14.11.1969. http://www.zeit.de/1969/46/musikprotokoll-in-der- werkhalle/komplettansicht vom 18.6.2017. 501 Herbert Schneiber: Experiment auf Reisen. Grazer Musikprotokoll macht Station in Seckau und Köflach. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 22.10.1969.

143 seien zwar Ehrengäste anwesend gewesen, aber sollte ein Bildungsauftrag dahinterstehen, so moniert der Kritiker, es sei ein Gerücht, dass auch nur ein Arbeiterehepaar im Publikum gesessen ist. Ein Werk von Matthias Hauer sei zu Unrecht reanimiert worden und insgesamt sei es ein Fehler gewesen, ein Konzert von Graz ausgerechnet in eine Fabrikshalle auf das Land zu verlegen.502 Herbert Schneiber schreibt dazu distanziert: „Die ganze Steiermark muss es sein: Ober-, West- und Ost-.503 Des Weiteren berichtet er positiv und musikanalytisch über das Konzert. Seine Berichterstattung endet mit: „Sehr lebhafte Zustimmung“.504 Gerhard Brunner berichtet in der Kronen Zeitung rein musikwissenschaftlich über die dargebrachten Werke ohne negativer oder positiver Wertung.505 Walter Kainz berichtet in der Weststeirischen Volkszeitung voll Freude darüber, dass es die Stadt Köflach gewagt hat, ein Orchesterkonzert mit einem rein zeitgenössischen Programm zu veranstalten. Das Konzert habe „weit über das Land hinaus Gewicht und Bedeutung.“506 Des Weiteren folgt eine fundierte musiktheoretische Analyse der Werke und die Freude darüber, dass dieses Konzert einen Bildungsauftrag für die BewohnerInnen auf dem Land erfülle.507

Gleisdorf Das Konzert in Gleisdorf wurde offensichtlich von einer Gruppe Studierender um Mitternacht mittels Lärmbelästigung gestört. Wie diese Lärmbelästigung ausgesehen hat, darüber gibt es verschiedene Ansichten. Gerhard Brunner schreibt von metallenen Geräten aus der Fabrikshalle, mit denen die Jugendlichen gelärmt haben. Gerhard Brunner schreibt dazu, dass das Konzert mehrere Stunden dauerte und langweilig war.

502 Johann Nestray und Gerhard Brauner: Musik in der Werkhalle. Der „Steirische Herbst“ will des Guten zuviel. In: Die Zeit vom 14.11.1969. http://www.zeit.de/1969/46/musikprotokoll-in-der- werkhalle/komplettansicht vom 18.6.2017. 503 Herbert Schneiber: Experiment auf Reisen. Grazer Musikprotokoll macht Station in Seckau und Köflach. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 22.10.1969. 504 Herbert Schneiber: Experiment auf Reisen. Grazer Musikprotokoll macht Station in Seckau und Köflach. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 22.10.1969. 505 Gerhard Brunner: Happening in Gleisdorf. Zu den letzten fünf Konzerten des ORF-Musikprotokolls. In: Kronen Zeitung vom 28.10.1969. 506 Walter Kainz: Orchesterkonzert neuer Musik in Köflach. In: Weststeirische Volkszeitung vom 1.11.1969, Voitsberg. 507 Walter Kainz: Orchesterkonzert neuer Musik in Köflach. In: Weststeirische Volkszeitung vom 1.11.1969, Voitsberg.

144 Die Reaktion der jungen Menschen sei eine „berechtigte Kritik“508 gewesen. Es sei ungeschickt, die klassische Konzertsituation in ein nicht-klassisches Ambiente zu übernehmen. Für eine Fabrikshalle hätte man sich andere Aufführungsmodalitäten überlegen müssen.509 Franz Endler schreibt in der Presse nichts über einen Eklat, er berichtet nur darüber, dass es schwierig war, sich in diesem Rahmen auf die musikalische Darbietung zu konzentrieren. Die Idee, neue Musik in die Diaspora zu bringen und damit neues Publikum zu gewinnen, sei aufgegangen.510 Karl S. Stein berichtet über das Konzert, dass es durch den umliegenden Autoverkehr laut gewesen sei, außerdem sei die Temperatur in der Halle kühl gewesen, da die Heizung wegen des Lärms ausgeschalten worden sei. Die Lärmbelästigung durch die Jugendlichen sei von Metallteilen hervorgegangen, weiters seien nach Mitternacht Volksmusikanten aufgetreten und hätten einfache ländliche Weisen gespielt.511 Der Rezensent berichtet dies mit heiterer Gelassenheit. Der Rezensent mit den Initialen K.B. der Volksstimme berichtet, dass das Geräusch der Heizung leider Pianotöne überdeckt habe und dass leider erst um Mitternacht eine Vorführung des Kölner Studios für elektronische Musik dargeboten wurde. Der Frack, die übliche Konzertkleidung der Musiker, sei hier nicht passend gewesen. Des Weiteren bietet der Kritiker eine musikwissenschaftliche Analyse, über Lärmbelästigungen spricht er hier nicht.512 Dafür ist bei Gerhard Mayer in der Wochenpresse detailliert zu lesen, dass „Grazer Jung-Intellektuelle zu Hammer, Raspel und anderen Metallgegenständen“513 griffen und sich komponierend in das Geschehen mischten. Für den Rezensenten war dies ein Zeichen für die Abwegigkeit des Festivals, dass revolutionär sein will, sich aber von der klassischen Aufführungstradition nicht wegbewege, weder Publikum noch die Ausführenden unterschieden sich vom Ambiente eines klassischen Konzertsaales, der

508 Gerhard Brunner: Happening in Gleisdorf. Zu den letzten fünf Konzerten des ORF-Musikprotokolls. In: Kronen Zeitung vom 28.10.1969. 509 Gerhard Brunner: Happening in Gleisdorf. Zu den letzten fünf Konzerten des ORF-Musikprotokolls. In: Kronen Zeitung vom 28.10.1969. 510 Franz Endler: Musik aus der Retorte. Wiener Ensembles beim Grazer „Musikprotokoll 1969“. In: Die Presse vom 29.10.1969. 511 Karl S. Stein: Unter dem Schloßberg. Randnotizen zum Steirischen Herbst. In: Die Presse vom 29.10.1969. 512 K.B.: Musik in der Werkhalle. In: Volksstimme vom 29.10.1969. 513 Gerhard Mayer: Reakionäre Revolutionäre. Musikprotokoll 1969. In: Wochenpresse vom 29.10.1969.

145 Umweg in eine Fabrikshalle wäre also unnötig gewesen. Auch habe sich der Lärm der Jugendlichen nicht von den Kompositionen unterschieden.514

Die Konzerttätigkeit außerhalb von Graz weitete sich in den darauffolgenden Jahren auf Murau, Leoben und Weiz (1970-73) aus. Im Jahr 1974 fanden lediglich in Deutschlandsberg die Internationalen Grazer Jazztage statt, die dem steirischen herbst zugeordnet waren. Im Jahr 1975 gab es keine Graz-externen Konzerte, im Jahr 1976 und 77 nur in Weiz. 1978 fand in Mürzzuschlag eine „Musikanimation“ unter dem Thema „Technik und Musik“ statt, die allerdings dem steirischen herbst und nicht dem musikprotokoll explizit zugeordnet war und in den folgenden Jahren weiter durchgeführt wurde: Ab 1982 wurden die Konzerte unter der Bezeichnung „Mürztaler Werkstatt“ in loser, nicht jährlicher Folge weitergeführt.

In der St. Georgs Kirche in Adriach bei Frohnleiten wurde im Jahr 1978 das einzige externe Konzert zum musikprotokoll veranstaltet. Auch 1979 gab es nur ein Konzert, es wurde in Mürzzuschlag veranstaltet. In den Jahren darauf häuften sich die externen Konzerte, wurden allerdings nicht explizit zum musikprotokoll gehörig bezeichnet.515

12. Die Veranstaltungen des musikprotokolls im Jahre 1968 - Programme, Programminformationen: und mediale Reaktionen

Die Veranstaltungen werden in chronologischer Folge aufgelistet, die Daten entstammen der lückenlosen Auflistung der Programme in der Dokumentation „20 Jahre steirischer herbst“ von Paul Kaufmann, die auch im Internet abrufbar ist.516

Die Veranstalter waren das Landesstudio Steiermark des Österreichischen Rundfunks, die Programmgestaltung hatten Ernst Ludwig Uray und Peter Vujica inne.517

514 Gerhard Mayer: Reakionäre Revolutionäre. Musikprotokoll 1969. In: Wochenpresse vom 29.10.1969. 515 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 345ff. 516 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 111ff. Siehe auch: http://musikprotokoll.orf.at/de/programm/archiv . 517 http://new.musikprotokoll.mur.at/de/1968/service/team-1968 Onlineversion vom 15.03.2015.

146 Die Archivierung der Berichterstattung durch die Printmedien ist im „Archiv steirischer herbst“ zu finden und wurde von diesem dankenswerterweise für die vorliegende Arbeit zur Verfügung gestellt.518 Die Biographien der Komponisten sind nur bei den heute weniger bekannten angeführt, um deren damalige nationale oder internationale Bedeutung und Positionierung in der Musikwelt zu dokumentieren.

Der ORF hat in Österreich / Regional – Radio Steiermark eine eigene Sendereihe unter dem Titel „Steirischer Herbst – Information und Kritik“ eingerichtet, die vom 23. September bis 12. Oktober 1968 auf Sendung war.519 Die Sendeprotokolle befinden sich im ORF-Archiv Landesstudio Steiermark und wurden für diese Arbeit freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Das Hauptaugenmerk dieser Sendungen lag wohl bei den Konzerten des musikprotokolls, es wurden jedoch auch Berichte über andere Veranstaltungen im steirisichen herbst gesendet.

23. September, Stefaniensaal Graz Vor Beginn des ersten Konzertes hielt Emil Breisach, der Rundfunkintendant des Studios Steiermark eine Eröffnungsrede, bei der er der Wichtigkeit Ausdruck verlieh, dass nur durch die Pflege von Neuem Tradition überhaupt erst entstehen kann. Der Programmchef des Österreichischen Hörfunks, Alfred Hartner ging mit den Aussagen seines Vorredners konform.520 Das erste Konzert des musikprotokolls war im Jahr 1968 zugleich die erste künstlerische Veranstaltung im steirischen herbst. Das Programm: György Ligeti (1923-2006): Lux aeterna. 16-stimmige Motette. Ernst Krenek (1900-1991): Aegrotavit Ezechias. Motette für drei Soli und Frauenchor (EE). Erich Marckhl (1902-1980): Messe für Chor und Instrumente (U). Luigi Dallapiccola (1904-1975): Hiob. Una sacra rappresentazione für Sprecher, Solisten, Chor und Kammerorchester (DE).

518 Archiv steirischer herbst. Graz. 519 Peter Vujica: [Manuskript zur Sendung Kritik und die andere Seite am 21.9.1966, 18.00-18.30 Uhr Studio Steiermark.] ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. 520 Herbert Schneiber: Der Herbst mit dem Frühling. Steirischer Herbst: Das erste Konzert des „Musikprotokolls“. In: Kurier vom 24. September 1968.

147 Dirigent: Karl Ernst Hoffmann. Mitwirkende: Artemis Gabor (Sopran), Renate Summer (Mezzosopran), Helga Wagner (Alt), Franz Lukasovsky (Tenor), Helmut Wildhaber (Bass), Akademiekammerchor Graz, Joseph-Haydn-Orchester.

Programminformationen: György Ligeti: Lux aeterna Das 1966 komponiertes Werk wurde am 2. November 1966 in Stuttgart mit der Schola Cantorum unter der Leitung von Clytus Gottwald zur Uraufführung gebracht. Die Komposition, die durch einen Kanon-förmigen Aufbau Clusterbildung und farbige Flächenharmonik bewirkt, gilt mit ihrer 16-stimmigen Besetzung als Ableger des zur gleichen Zeit entstanden Requiems. Ligeti hat „Lux aeterna“ als Andenken an seinen verstorbenen Freund Matjas Seiber komponiert. Zwei Jahre später wurde „Lux aeterna“ im Kinofilm von Stanley Kubrick „2001: A Space Odyssey“ verwendet und dies trug weiter zur Berühmtheit des Komponisten bei.521 Mit der Aufführung von Lux aeterna hat sich das musikprotokoll wohl ein neueres, aber nicht unbekanntes Werk aufs Programm gesetzt und damit die Konzertreihe eröffnet, der Komponist desselben zählte zu dieser Zeit jedoch bereits zu den berühmteren Zeitgenossen. Ein avantgardistisches Festival mit einem Werk eines Komponisten zu beginnen, der in der Musikwelt bereits bekannt ist, war sicher ein geschickter Schachzug der Programmgestalter. Auch werden die Verantwortlichen mit Ligeti als Österreicher mit ungarisch/rumänischen Wurzeln der Vorgabe der Einbeziehung der Künstler aus den Nachbarländern mehr als gerecht.

Ernst Krenek: Aegrotavit Ezechias: das 1945 entstandene Werk ist eine Motette für dreistimmigen Frauenchor und Klavier.522 Die Uraufführung fand 1947 an der Hamline University in St. Paul/Minnesota, der Choeur de l’Université sang, Robert Holliday hatte die Leitung inne, wer Klavier gespielt hat, ist leider nicht erhalten.523 Mit der Auswahl dieses Komponisten holte man einen weiteren etablierten Künstler

521 http://www.capriccio-kulturforum.de/vokalmusik/5539-ligeti-gyoergy- %E2%80%9Erequiem%E2%80%9C-1963-65-und-%E2%80%9Elux-aeterna%E2%80%9C-1966/ vom 18.02.2015. Siehe auch: http://www153.pair.com/bensav/Compositeurs/Ligeti.G.html vom 18.02.2015. 522 Claudia Maurer Zenck: http://www.krenek.at/index.php?id=148 vom 18.02.2015. Siehe auch: http://www.krenek.at/index.php?id=157 vom 18.02.2015. 523 http://brahms.ircam.fr/works/work/33802/ vom 18.02.2015.

148 ins Programm, der nicht nur wie Ligeti in der westlichen Musikwelt, sondern auch in Übersee Erfolge feierte. Ein Anreiz für Avantgarde-LiebhaberInnen war geschaffen. Nun konnte man in der weiteren Programmauswahl auf einen heimischen bekannten Komponisten setzen:

Erich Marckhl ist in Cilli /Untersteiermark im heutigen Slowenien geboren und war neben seiner kompositorischen Tätigkeit in der Steiermark von 1952-1970 als Landesmusikdirektor tätig. Seine Verdienste um das steirische Musikschulwesen und die Umwandlung des Steiermärkischen Landeskonservatoriums in die Akademie für Musik und Darstellende Kunst, ebenso wie die Wiederbelebung des Musikvereins für Steiermark sowie die Gründung des „Studios für zeitlich nahe Musik“524 in Graz trugen mit Sicherheit wesentlich dazu bei, dass hier die Messe für Chor und Instrumente von ihm, dessen Kompositionsstil selten von der Tradition abweicht, und somit eine außermusikalische Begründung zur Aufnahme in ein Eröffnungskonzert eines Avantgarde-Festivals benötigt, zur Uraufführung gelangte.

Luigi Dallapiccola ist in Pisino (Istrien) geboren, gilt als italienischer Komponist, da er einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend in Italien verbrachte. Während des Ersten Weltkrieges lebte er mit seinen Eltern in Graz, da sein Vater aus politischen Gründen aus Italien flüchten musste. Luigi Dallapiccola studierte in Florenz und war während des Zweiten Weltkrieges als Lehrer und Pianist tätig. Auf kompositorischem Gebiet begann er sich für Zwölftonmusik zu interessieren. Nach 1945 emigrierte er in die USA. In den 1950er und 1960er Jahren unterrichtete er in den USA Komposition.525 Er war der erste italienische Komponist, der sich mit Dodekaphonik beschäftigte, das Werk „Canti di prigionia“ wurde 1941 uraufgeführt. Sein Stil ist expressiv und hochlyrisch. Außer Opern komponierte er hauptsächlich Vokalwerke. Hiob. Una sacra rappresentazione für Sprecher, Solisten, Chor und Kammerorchester wurde bereits 1950 in Rom uraufgeführt.526 Dem Text liegt die biblische Vorlage des

524 http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_M/Marckhl_Erich.xml vom 18.02.2015. 525 http://www.britannica.com/EBchecked/topic/150204/Luigi-Dallapiccola vom 18.02.2015. Siehe auch: http://biography.yourdictionary.com/luigi-dallapiccola vom 18.02.2015. 526 Michael Walter: Biblische Sujets in der Oper. In: Irmtraud Fischer (Hg.): Bibel- und Antikenrezeption: Eine interdisziplinäre Annäherung. Berlin (Literaturverlag) 2014. S. 228.

149 Hiob zu Grunde. Dallapiccola hat darin in dodekaphonischem Stile das Leiden der Menschheit kompositorisch zum Ausdruck gebracht.527 Mit Dallapiccola wurde somit noch ein international renommierter Künstler in das Programm genommen, um so neben der lokalen Größe eines Erich Marckhl genügend bekannte Namen als Publikumsmagnet aufweisen zu können. Die Internationalität der Komponisten war durchaus gegeben, ebenso der Auftrag Künstler der Nachbarstaaten zu präsentieren. Die Bandbreite der Kompositionsstile wurde zwar nicht ausgeschöpft, aber es konnte doch ein guter Einblick in das zeitgenössische Musikschaffen gegeben werden. Die Thematik der Programmgestaltung des Eröffnungskonzertes ist insofern bemerkenswert, als mit Ligetis Lux aeterna, das als Erinnerung an den verstorbenen Freund komponiert wurde, die Messe von Marckhl und die Geschichte von Hiob von Dallapiccola so wie Aegrotavit (Die Befreiung des Ezechiel) von Krenek allesamt geistliche Werke biblischer Herkunft mit durchaus ernstem Text das Programm bestritten. Wollten die Programmgestalter damit die Religiosität und damit die Ernsthaftigkeit oder die Verwobenheit mit der lokalen, durchaus religiösen steirischen Kultur darstellen?

Mediale Resonanz - Printmedien

Die Programmwahl des Eröffnungskonzertes und deren Darbietung war eine glückliche, schenkt man dem Hauptteil der Rezensionen Glauben. Ligetis Werk für 16-stimmigen Chor Lux aeterna erhielt enthusiastische Kritiken. Auch in Berichterstattungen, die alle Veranstaltungen des musikprotokolls in toto besprachen, wurde die Wiedergabe des Lux aeterna gelobt. So schrieb etwa Reiner Puschnig in einer Gesamtrezension über den steirischen herbst, dass neben Ján Cikkers Orchesterstudie und den Verklärungen von Krešimir Šipuš Ligetis Werk: „den stärksten Eindruck hinterließ“, während die Stücke österreichischer Komponisten wenig überzeugend waren.528

527 Michael Heymel: Versa est cantatio mea in plorationem. Hiob und die Musik. In: Werner Schüßler und Marc Röbel (Hgg.): HIOB-transdisziplinär: Seine Bedeutung in Theologie und Philsophie, Kunst und Literatur, Lebenspraxis und Spiritualität. Berlin (Literaturverlag) 2014. S. 165. 528 Reiner Puschnig: Eine fruchtbare Jahreszeit. Der „Steirische Herbst“ – Grazer Kulturbericht unseres Mitarbeiters Reiner Puschnig. In: Salzburger Nachrichten vom 17. Oktober 1968.

150

Auch Herbert Schneiber rezensiert im Calwer Tagblatt in einem kurzen Artikel die gesamten Konzerte des musikprotokolls. Hier ist zu lesen, dass Lux aeterna „als stärkstes, sämtliche nachfolgende[n] Eindrücke überstrahlendes“529 Werk gewesen sei.

Im Kurier berichtet der gleiche Rezensent über das erste Konzert detailgetreu. Er schreibt über die Reden von Emil Breisach und Hörfunkprogrammchef Hartner, mit denen der Abend und das Festival eröffnet wurde, dass sie eindringlich dem Publikum erklärten, dass ohne den Blick auf die zeitgenössische Musik weder Bildung noch die Bewahrung der Tradition möglich seien. Über die musikalische Darbietung berichtet Schneiber musiktheoretisch fundiert und analytisch ausufernd. Die Interpretation des Lux aeterna verlasse trotz aller Grenzüberschreitung der Konventionen niemals Ligetis Stil, die Übereinanderlagerung von Harmonien und Klängen gelinge auch in heiklen stimmtechnischen Bereichen wie Summen oder Raunen und versetzte die Zuhörenden trotz der vorgeschriebenen Ausdrucksarmut in Hochspannung. Dem Akademiekammerchor Graz und dessen Dirigent Karl Ernst Hoffmann werden für die „exakte Einstudierung und auch geistig präsente Wiedergabe […] Anerkennung und Bewunderung“530 ausgesprochen. Hauptsächlich schreibt Schneiber über die Qualität der Kompositionen, etwa, dass „Lux aeterna“ „als Zeugnis schöpferischer Phantasie gelten“531 mag. Über die Motette von Ernst Krenek findet er wenig musikanalytisch positiven Worte: „Ein Entspannungskontrapunkt, dieser Krenek, nicht mehr.“532 Auch die Messe von Erich Markchl findet der Rezensent auf lange Strecken langweilig, obwohl er dem Komponisten seine Qualitäten nicht abspricht, auch sei das Orchester zu stark, aber es zeigt, dass der Komponist „Kenner und Könner [sei, doch] erst am Ende rühre es Herz und Verstand.“533 Leider sei die auf weite Strecken substanzlose und kontrastarme Komposition ermüdend, bis auf das Sanctus und das Agnus Dei, die

529 Herbert Schneiber: Steirischer Herbst. Über das „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Calwer Tagblatt, Calw vom 25.10.1968, S. 8. 530 Herbert Schneiber: Der Herbst mit dem Frühling. Steirischer Herbst: Das erste Konzert des „Musikprotokolls“. In: Kurier 24.9.1968. 531 Herbert Schneiber: Der Herbst mit dem Frühling. Steirischer Herbst: Das erste Konzert des „Musikprotokolls“. In: Kurier 24.9.1968. 532 Herbert Schneiber: Der Herbst mit dem Frühling. Steirischer Herbst: Das erste Konzert des „Musikprotokolls“. In: Kurier 24.9.1968. 533 Herbert Schneiber: Der Herbst mit dem Frühling. Steirischer Herbst: Das erste Konzert des „Musikprotokolls“. In: Kurier 24.9.1968.

151 berührend gewesen seien. Schlussendlich überzeugt das Ohr des Kritikers auch die Darbietung von Dallapiccola nicht, trotz des genialen Komponisten, Hiob sei wohl provozierend, der 5. Teil vortrefflich, doch das Orchester sei wieder zu laut, „man weiß nicht, wer gerade wen anbrüllt, es gibt grandiose Steigerungen durch Wiederholungen, doch keine Textverständlichkeit […]. Doch der Eindruck bleibt zwiespältig“.534 Abschließend stellt der Autor fest, dass der Landeshauptmann und sein erster Stellvertreter nach der Pause das Konzert verlassen hatten.535

Herbert Schneiber hat Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie studiert, leitete das Kulturresort des Kurier und arbeitete als Musikkritiker.536 Sein Bericht ist demnach auch eine fundierte musikwissenschaftliche Analyse, die soziologische Dimension des Festivals lässt er dabei nicht außer acht, indem er über den offiziellen Eröffnungsbeginn des Festivals spricht.

Der nicht genannte Autor im Volksblatt äußert sich nicht wertend über die musikalische Darbietung, führt lediglich in einem sehr knappen Artikel das gesamte Programm des ersten Konzertes an und schreibt verwundert, dass trotz der uneingeschränkt modernen Programmauswahl der Großteil der Konzerte beinah ausverkauft sei. Auch die Veranstaltungen der Steirischen Akademie seien heuer sehr gefragt.537

Der Autor dokumentiert dabei lediglich das Programm. Die fehlende Rezension mag in einem Fernstehen des Autors bezüglich zeitgenössischer Musik liegen. Was auch seine Überraschung über den guten Kartenverkauf dokumentiert. Diese liegt wohl zudem in der Annahme begründet, dass zeitgenössische Musik keinen großen Publikumskreis anzusprechen vermag und im weiteren, dass ein Festival diesen Umstand auch nicht ändern kann.

534 Herbert Schneiber: Der Herbst mit dem Frühling. Steirischer Herbst: Das erste Konzert des „Musikprotokolls“. In: Kurier 24.9.1968. 535 Herbert Schneiber: Der Herbst mit dem Frühling. Steirischer Herbst: Das erste Konzert des „Musikprotokolls“. In: Kurier 24.9.1968. 536 http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_S/Schneiber_Herbert.xml vom 30.6.32017. 537 N.N.: Die ersten „Musikprotokolle“. Eröffnungskonzert des „Steirischen Herbstes“. In: Volksblatt vom 25.9.1968.

152 Auch der Rezensent der Volksstimme scheint ähnlicher Meinung zu sein. Er erklärt ebenso seine Verwunderung über die fast ausverkauften Konzerte. Weiters schreibt er in seiner sehr kurzen Rezension, dass das Programm des ersten Konzertes „bemerkenswert“ gewesen sei. Außer Ankündigungen für die Steirische Akademie und die Internationale Malerwoche enthält der Bericht keine weiteren Informationen.538

Der Journalist Lothar Sträter beschreibt Graz als poetisches Arkadien, das seinen Rentner-Status geglückt mit einem Festival, das sich als solches jedoch nicht definiert, mit Erfolg aufzufrischen vermag. Ein Faktor für diese geglückte Konzertreihe des musikprotokolls sei dem Rundfunkintendanten Emil Breisach zu danken, da er die Konzerte in völlig klassisch traditionellem Rahmen stattfinden lässt. Der Südostausrichtung der Programmgestaltung sei ja bereits durch die Steirische Akademie und die Trigon -Ausstellungen der Weg geebnet worden. Vom innerösterreichischen Gedanken mit Graz als Zentrum ausgehend, die südöstlichen Nachbarn einzuladen, sei eine gelungene Idee, so der Autor. Lothar Sträter rezensierte das erste Konzert besonders in Hinblick auf die Ausführenden und belobigte den Kammerchor der Grazer Musikakademie als „hervorragenden Klangkörper, der die enormen Schwierigkeiten von […] ‚Lux aeterna’ vorbildlich meisterte, sich aber an Werken von Krenek, Dallapiccola und […] Erich Marckhl bewährte.“ Genaueres beschrieb der Kritiker nicht, es folgten nur Aufzählungen weiterer Konzertprogramme.539

Der Schwerpunkt der Rezension von Lothar Sträter liegt auf soziologischer Ebene. Dabei analysiert er sowohl die Konzertsitutation als auch den positiven Faktor der politischen Öffnung des Festivals. Der Kritiker ist vermutlich ebenso wenig wie viele seiner Kollegen firm in zeitgenössischer Musik und wählt als Berichterstattung die Qualität der Ausführenden, die in der Darstellung der emotionalen Wirkung der dargebotenen Werke auf ihn als Hörer zum Ausdruck kommt.

538 N.N.: Auftakt zum „Steirischen Herbst“. In: Volksstimme vom 25.9.1968. 539 Lothar Sträter: Festival der Modernen in Graz. Der „Steirische Herbst“ als Ort der Begegnung für Kenner. [s.l., s.d.].

153 Reiner Puschnig berichtet ausführlich in der Neuen Zeit über das erste Konzert, Werk-analytisch und mit großzügiger Interpretation der soziopolitischen Strukturen und des Publikumsverhaltens. Anders als manche seiner Kollegen ist er erfreut und nicht verwundert über das große Interesse des Publikums, das sich auch in deren hoher Anwesenheitsdichte darstellt. Auch dieser Rezensent bewundert die Darbietung von Lux aeterna, er lobt den Dirigenten und den Akademie-Kammerchor in höchsten Tönen: Karl Ernst Hoffmann sei ein „vortrefflicher[r] Erzieher und Musiker, […] der den Schatz der Chorliteratur von ältesten Zeiten bis zu unseren Tagen gültig interpretiert. Die Sänger zeichnen sich durch überdurchschnittliche Musikalität, echtes Arbeitsethos aus.“540 Über die Messe von Erich Marckhl berichtet er, dass sie eine Herausforderung für den Chor darstelle, über eine gewisse konservative Grenze jedoch nicht hinausfinde. In Kreneks Werk hebt er besonders die Leistungen der Solistinnen hervor, auch die gesprochenen Passagen finden seine Zustimmung. Über Sacra rappresentazione von Luigi Dallapiccola befindet der Autor, dass es ein vor Energie pulsierendes Werk sei, in dem zuweilen Herbheit und Schärfe überwiegt. Insgesamt steht für den Rezensenten das Positive im Vordergrund, was er im Schlusssatz zusammenfasst: „Der Auftakt des „Musikprotokolls 1968“ war interessant, qualitätvoll, einladend für die kommenden Ereignisse.“541

Der Historiker und Musikwissenschafter Reiner Puschnig berichtet musikanalytisch über die Werke ebenso wie soziologisch über den Wert des Festivals. Doch auch die Berichterstattung über die emotionalen Wirkungen des Hörerlebnisses findet in der Rezension Platz, ebenso wie die Leistungen der ausführenden MusikerInnen. Ein ausgewogener Artikel, in dem alle Dimensionen einer Kulturkritik enthalten sind.

Peter Vujica berichtet in der Kleinen Zeitung nur Positives über das Konzert, Werkauswahl, Qualität der Werke und Interpretation, ebenso schreibt er über die Intention des Festivals und den Erfolg des Eröffnungskonzertes. Der hauptsächliche

540 Reiner Puschnig: Ein Werk von György Ligeti an der Spitze. Eröffnung des Grazer „Musikrpotokolls“ im Stephaniensaal – Novitäten von Křenek, Marckhl und Dallapiccola. In: Neue Zeit 25.9.1968, S. 4. 541 Reiner Puschnig: Ein Werk von Györgi Ligeti an der Spitze. Eröffnung des Grazer „Musikprotokolls“ im Stephaniensaal – Novitäten von Křenek, Marckhl und Dallapiccola. In: Neue Zeit 25.9.1968, S. 4.

154 Erfolg des ersten Konzertes sei „dem Grazer Konzertpublikum, das den Stephaniensaal weit über Erwarten dicht gefüllt hat, die Furcht vor neuer Musik genommen zu haben. Vorliebe für zeitgenössische Musik galt bisher irgendwie als ein ins Ästhetische übertragener, ein bisschen unanständiger ‚Hang zum Küchenpersonal’, dem nachzugeben für nicht ganz comme il faut galt. Den überzeugenden Beweis, dass auch in Graz in weiten Publikumskreisen Interesse für das zeitgenössische Musikschaffen vorhanden ist, […] hat dieses Konzert erbracht.“542

Der Rezensent äußert sich positiv über das Festival, das Eröffnungskonzert und die Programmgestaltung. Dies sieht doch zumindest am Rande nach Eigenlob aus, ist Vujica doch als „spiritus rector“ im Organisationskomitee des musikprotokolls tätig. Eine gewisse Erleichterung bezüglich des guten Besuchs des ersten Konzertes interpretiert er dahingehend, dass das Grazer Publikum an zeitgenössischer Musik hoch interessiert ist. Das ist eventuell eine etwas vorschnelle Reaktion, war es doch das erste Konzert und eine Festivaleröffnung ist auch als soziales Ereignis zu sehen, wo so manche ZuhörerInnen aus außermusikalischen, das heißt gesellschaftspolitischen Gründen die Eröffnung besuchen und weniger aus Gründen des musikalischen Interesses. Peter Vujica ist trotz seiner Mitarbeit beim Festival im Folgenden zu objektiven Analysen bereit und es folgt eine musikwissenschaftliche Analyse, die auch die Arbeit der ausführenden MusikerInnen miteinschließt.

In der Kritik ist weiter zu lesen, dass (wie auch seine Kollegen befinden), Lux aeterna das herausragendste Werk des Abends war, auch die Interpreten dieses Werkes seien daran maßgeblich durch ihre herausragende Wiedergabe am Erfolg beteiligt. Ernst Kreneks Motette sei ein konventionelles Leichtgewicht, die Missa 1968 von Erich Markchl sei kompositionstechnisch zu sehr an der religiösen Kargheit orientiert, etwas mehr kontrastierende harmonische und rhythmische Effekte hätten dem Werk gut getan, so der Rezensent. Die Komposition von Luigi Dallapiccola habe den dramatischen Opernkomponisten gezeigt, die etwas

542 Peter Vujica: Neue Musik wird gesellschaftsfähig. Ermutigender Auftakt zum „Musikprotokoll 1968“. In: Kleine Zeitung vom 25. 9.1968, S. 16.

155 ausufernde dynamische Leistung des Orchesters habe aber dem eindrucksvollen Werk nicht viel geschadet. Die GesangssolistInnen und der Sprecher wurden von Peter Vujica noch separat gelobt.543

Auch Klaus Gruber würdigt den Kammerchor im Mindener Tagblatt, „Gleich beim ersten Konzert leistete der Akademiechor Erstaunliches. Neben Werken von Krenek und Marckhl […] und Dallapiccola […] war wohl der schwierigste, aber auch faszinierendste Programmpunkt […] „Lux aeterna“ […] Dieses einfach schöne Erlebnis, mit frappierender Exaktheit dargeboten, […] war sicher ein guter Anfang. Auch die anderen Werke waren – nicht zuletzt ihre religiöse Thematik – nicht unerfaßbar für den Laien.“544 Lux aeterna hat auch hier den größten Eindruck hinterlassen, einerseits hinsichtlich der Qualität der Ausführenden, andererseits der Komposition an sich. Die anderen Werke wurden nicht detailliert besprochen.

Klaus Gruber ergeht sich in dieser Rezension in einer Dokumentation über das emotionale Resultat des Konzertes. Musikwissenschaftliche Analyse ist wenig zu finden, außer bei Lux aeterna, doch die Wortwahl wie „gut“, „schön“ oder „schwierig“ lässt eine gewisse Distanziertheit des Autors zur zeitgenössischen Musik vermuten.

Der Grazer Harald Kaufmann, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das musikprotokoll rezensiert, schreibt über das erste Konzert, dass hier mit „Lux aeterna“ das einzige Werk aufgeführt wurde, das würdig war, in einem musikprotokoll auf dem Programm zu stehen. Das Lux aeterna sei „ein Markstein der Grazer Konzerte […] ein Stück von genialischer Klangvision, originell, persönlich und die verschiedensten Hörerschichten unmittelbar packend“545, gleichwohl dem Rezensenten Ligetis „Requiem“ als eher passend erschienen wäre, da es das musikprotokoll „über die Abfolge von Zufälligkeiten hinausgehoben

543 Peter Vujica: Neue Musik wird gesellschaftsfähig. Ermutigender Auftakt zum „Musikprotokoll 1968“. In: Kleine Zeitung vom 25. 9.1968, S. 16. 544 Klaus Gruber: Der „Steirische Herbst“ macht sich. Zehn Tage Neue Musik, und dennoch kam das Publikum. In: Mindener Tagblatt vom 16.10.1968, Minden. 545 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt.

156 hätte“546. Das Requiem wurde in Wien schon mehrmals erfolglos versucht, zur Aufführung zu bringen, und damit hätte sich Graz in eine Vormachtsstellung gegenüber Wien bringen können. Über die weitere Programmgestaltung des Abends hat Kaufmann nur frugale Sätze übrig: Die Werke Kreneks und Marckhls wären nur auf Grund der Ehrerbietung der Organisatoren auf dem Programm erschienen.547

Der Musikwissenschafter Harald Kaufmann kann aus seinem Wissen und seiner Erfahrung mit zeitgenössischer Musik schöpfen. Er analysiert die Programmgestaltung, dies ist wohl auch seiner Funktion als Gestalter von vielen Radiosendungen zu verdanken. Dadurch, durch seine Spezialisierung auf dem Gebiet der neuen Musik und durch seine Tätigkeit als Vortragender an der Erwachsenenbildungsanstalt Urania weiß er um die Wirkung der untschiedlichsten Werke zeitgenössischer Musik und kann fundiert Anregungen geben, wobei er sich in dem Artikel auch nicht zurückhaltend zeigt.

Dem Lob über Lux aeterna schließt sich auch Franz Giegling in seiner Radiosendung an. Für Aegrotavit Ezechias hat er hingegen wenig Freundliches zu berichten: „es wirkte daneben [neben Lux aeterna] wie eine Handgelenksübung, gekonnt zwar in den kompositionstechnischen Belangen, aber musikalisch vermochte sie nicht zu fesseln.“548 Positives weiß er auch von der Messe von Erich Marckhl zu berichten, sie „nahm sehr für sich ein. Sie klinge nüchtern, aber nicht kalt, ihre bewusst traditionelle Faktur betont den kirchlichen Charakter, sie ist Gebrauchsmusik im besten Sinn des Wortes.“549 Der deutschen Übersetzung des

546 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt. 547 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt. 548 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S. 4. 549 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S. 5.

157 Werkes von Dallapiccola konnte der Rezensent wenig abgewinnen, auch hätte die Aufführung unter der mangelhaften Sprechtechnik des Chores gelitten.550

Der Musikwissenschafter Franz Giegling analysiert nur wenig musiktheoretisch, der emotionale Gehalt und dessen Wirkung auf den Zuhörer sind neben der Qualität der Ausführenden in diesem Bericht vorherrschend. Über soziologische Belange schweigt der Autor.

Es findet sich erst am 25. 9. ein Artikel in der Grazer Wahrheit, bei der der Autor Richard Wehner vorwiegend lobende Worte findet. Wieder wird die Darbietung von Lux aeterna hervorgehoben. Der Akademiekammerchor habe hervorragend gesungen, der Dirigent bestach mit „überzeugende[r] Leistung“551. Nur die Wortdeutlichkeit vermisste er beim Chor, die jedoch ohnehin bei diesem Werk verzichtbar sei, so der Rezensent. Das Werk von Krenek wird nur angeführt. Die Messe von Erich Marckhl erfreute den Kritiker mit „eindrucksvollem Musizieren“552 von Soli, Chor und Orchester. Hiob „fesselte durch die dramatische Gestaltung des Stoffes ebenso wie durch die Interpretation“. Die marginalen Besucherzahlen führte der Autor teilweise auf die Direktübertragung im Rundfunk zurück.553

Es ist interessant, dass Richard Wehner von schwachem Besuch spricht, wo doch das Konzert beinahe ausverkauft war. Eventuell war es eine enttäuschte Erwartung, weil der Rezensent mit einem Besucheransturm gerechnet hatte. Musikalisch bewegt sich der Artikel in einer Leistungsdokumentation der ausführenden MusikerInnen und der Schilderung der emotionalen Resonanz der Werke. Dass die Wortdeutlichkeit in Lux aeterna eine große Herausforderung für die SängerInnen darstellt, ist in der Komposition begründet. Einerseits gibt es Passagen, wo ein Wort

550 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.5. 551 Richard Wehner: Imponierende Premiere des Musikprotokolls 1968. In: Grazer Wahrheit 25.9.1968, S. 6. 552 Richard Wehner: Imponierende Premiere des Musikprotokolls 1968. In: Grazer Wahrheit 25.9.1968, S. 6. 553 Richard Wehner: Imponierende Premiere des Musikprotokolls 1968. In: Grazer Wahrheit 25.9.1968, S. 6.

158 über lange Phrasen hin beibehalten wird, andererseits gibt es viele sehr kurze Passagen, wo auf zwei Sechzehntelnoten zweisilbige Wörter gesungen werden müssen. Zudem bewegt sich die Tessitura beispielsweise für den Sopran teilweise in Höhen, wo auf Wortdeutlichkeit zu Gunsten von Klangschönheit und Intonationssicherheit verzichtet wird.

Auch der Rezensent des Grazer Montag würdigt das Eröffnungskonzert, das „wirklich internationalen Maßstäben entsprechen“554 würde. Die Interpretation ebenso wie die Güte der dargebrachten Werke fanden die Anerkennung des Kritikers. Mit einer Ausnahme: die Messe von Erich Marckhl befand der Kritiker als „für den Konzertsaal nicht sehr attraktiv“.555

Wendelin Frauenhofer lobt in der Furche die grandiose Aufführung des Lux aeterna von György Ligeti, dieses Werk repräsentiere in späterer Zeit einmal die Kunst der geistlichen Musik von 1966. Hingegen befindet er die Motette von Ernst Krenek als „eher peinlich sentimental“556, der Messe von Erich Markchl spricht er jegliche Substanz ab und Luigi Dallapiccolas Werk biete mehr gesprochene Sprache als Musik. Jedoch wies die Musik „in gewaltigen Einwürfen den großen Italiener als Expressionisten der Dodekaphonie aus.557

Manfred Blumauer befindet: „für Graz war der Anfang dieses ‚Musikprotokolls’ recht gut.“558 Bisher mangelte es in Graz bei der Aufführung von zeitgenössischer Musik nicht an Ambitionen seitens der Ausführenden, sondern am guten Willen des Publikums und an der Information. Der Beginn des musikprotokolls sei deshalb ein erfreulicher, gemessen an den Grazer Umständen. Auch Manfred Blumauer spricht von Lux aeterna als Höhepunkt des Konzertes. Dies sei besonders den Ausführenden zu danken. Aber auch sei ein vokales Werk, das an

554 N.N.: Neue Musik in Graz. In: Grazer Montag vom 30.9.1968, S. 4. 555 N.N.: Neue Musik in Graz. In: Grazer Montag vom 30.9.1968, S. 4. 556 W. Frauenhofer: Neue Musik – exakt protokolliert. Bericht vom steirischen Herbst in Graz. In: Die Furche vom 5. 10.1968. 557 W. Frauenhofer: Neue Musik – exakt protokolliert. Bericht vom steirischen Herbst in Graz. In: Die Furche vom 5. 10.1968. 558 Manfred Blumauer: Das Neue hat viele Gesichter. Der Grazer Akademie-Kammerchor eröffnete „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost vom 25.9.1968, S. 7.

159 „Sphärenmusik“559 erinnere, leichter für die Zuhörenden zu rezipieren, als etwa ein Klavierkonzert, so der Rezensent. Das Werk Dallapiccolas empfand der Kritiker als beeindruckend, nicht nur durch die Interpreten, auch die Expressivität und Farbgebung der Komposition lobte Manfred Blumauer. Das Werk von Ernst Krenek beurteilte der Rezensent als nicht herausragend, gleichwohl der Komponist als herausragend bezeichnet werden könne. Die Messe von Erich Markhl empfand der Kritiker als blässlich, allzu sehr dem katholischen Messtext dienend, wie es die Intention des Komponisten gewesen sei.560

Manfred Blumauer, der als Leiter der musikalischen Sparte des forum stadtpark561 und als Musikjournalist in der zeitgenössischen Musikszene wohl beheimatet ist, liefert eine musikwissenschaftlich fundierte Analyse, inkludiert emotionale Hörempfindungen und gesellschaftspolitische Aspekte des Festivals. Wie auch sein Kollege Harald Kaufmann schöpft er aus seinem Erfahrungsschatz als Programmkoordinator und stellt Ideen zur Programmgestaltung zur Verfügung.

Conclusio

Das erste Konzert, der Beginn des musikprotokolls, war, laut Medienberichten, ein guter Erfolg. Es wurde in den Rezensionen nicht nur über das Konzert geschrieben, sondern es wurde allgemein über die Intention und die Idee des musikprotokolls berichtet. Über das Festival wurden zumeist positive Worte gefunden. Bei den Konzertberichten ist „Lux aeterna“ als Höhepunkt anzusehen, wohl war daran die herausragende Leistung des Grazer Akademiechores unter der Leitung von Karl Ernst Hoffmann beteiligt. Die Komposition „Lux aeterna“ hat die anderen Werke dieses Konzertes überstrahlt. Die Werke von Luigi Dallapiccola und Ernst Krenek sind ambivalent beurteilt worden, obwohl Krenek ein genialer Komponist sei, war es nicht sein herausragendstes Werk, das an diesem Abend dargeboten wurde, so die

559 Manfred Blumauer: Das Neue hat viele Gesichter. Der Grazer Akademie-Kammerchor eröffnete „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost vom 25.9.1968, S. 7. 560 Manfred Blumauer: Das Neue hat viele Gesichter. Der Grazer Akademie-Kammerchor eröffnete „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost vom 25.9.1968, S. 7. 561 Christine Rigler (Hg.): forum stadtpark – die grazer avantgarde von 1960 bis heute. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2002, S. 12.

160 Pressemeinungen. Die Messe von Erich Marckhl wurde auch unterschiedlich bewertet und hätte vielleicht in einer ihr angemessenen geistlichen Umgebung wie einer Kirche größeren Anklang gefunden.

Mediale Resonanz - Ankündigung im Rundfunk

Peter Vujica honoriert die Wahl des Grazer Akademiechores, habe er sich doch mit zeitgenössischen Werken auch international profiliert. Auch die SolistInnen, die mit einer Ausnahme heimische oder schon länger hier tätige KünstlerInnen sind, sei begrüßenswert, da hiermit demonstriert werden kann, dass schwierige Musik – als solches betrachtet der Autor die zeitgenössische – auf hohem Niveau zur Aufführung gebracht werden könne. Das Programm beschreibt er als „gegensatz- und abwechslungsreich, obwohl es sich ausschließlich um Werke geistlichen Inhalts handelt.“562 Über Lux aeterna berichtet der Autor, dass Ligeti hier „die polyphone Stimmführung […] zur Erzielung neuer in der Chormusik unüblicher Effekte einsetzt.“563 Als „Weniger avantgardistisch“564 bezeichnet der Verfasser Kreneks Motette, auch Hiob beschreibt Vujica als „Summierung abendländischer Oratorientradition“, wobei er dem Komponisten schlussendlich zu Gute hält, dass der „Einsatz von zehn Solisten, Chor, Sprechchor und Orchester mit wachem Zeitbewusstsein auf fesselnde Weise neu zu beleben versteht.“565

Herbert Schneiber spricht in der Sendung „Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik“ über zu viel an Rührung in der Komposition von Ernst Krenek. Der Messe von Erich Marckhl bescheinigt er in den Anfangssätzen fehlende „echte/musikalische Inspiration durch den Text“.566 Nur im Sanctus und im Agnus Dei sei die persönliche Handschrift des Komponisten zu merken. Am Werk

562 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 21.9.1968 von 18 Uhr bis 18.30. Graz, ORF-Archiv des Landesstudios Steiermark, S.1. 563 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 21.9.1968 von 18 Uhr bis 18.30. Graz, ORF-Archiv des Landesstudios Steiermark, S. 2. 564 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 21.9.1968 von 18 Uhr bis 18.30. Graz, ORF-Archiv des Landesstudios Steiermark, S. 2. 565 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 21.9.1968 von 18 Uhr bis 18.30. Graz, ORF-Archiv des Landesstudios Steiermark, S. 2. 566 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 24.9.1968, 19.15-19.35 Uhr / Ö-Regional. Graz, ORF-Archiv des Landesstudios Steiermark, [S. 1].

161 Dallapiccolas kritisiert Herbert Schneiber eine zu große Verwendung der Akteure, die zahlreichen Sprecher, Chöre und Sprechchöre würden zur Verwirrung aber nicht zur musikalischen Stringenz beitragen und wirkten, obwohl das Stück erstmals in deutscher Sprache zur Aufführung kam, für die Zuhörenden ermüdend. Auch musikalisch sei die Komposition nicht tiefgründig. „Lux aeterna“ lobt der Rezensent auch hier als „das beste Werk des Konzertes“567. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kritikern wird dabei besonders die Komposition gelobt, (wenngleich der Akademie-Kammerchor und sein Dirigent Karl Ernst Hoffmann ob seiner herausragenden Leistung hervorgehoben wird), dies aber exzessiv: „Und wie komponiert diese Communio der Totenmessen ist. Als feines, irrisierendes [sic], leuchtendes Gewebe der Stimmen, das meist instrumentalen Klang annimmt, oft elektronischen Charakter geheimnisvollster Art, Baustein um Baustein wird hörbar, auch in seiner Veränderung, selbst in der ästhetischen, die sich häufig mit der Erregung einer durch den Äther schwingenden Stille verbindet. Musik, die ihr Material überwunden zu haben scheint und nur noch Zeugnis gibt von göttlicher Offenbarung.“568

24. September, Kammermusiksaal Graz Zoltán Kodály (1882-1967): I. Streichquartett op. 2 István Láng (*1933): II. Streichquartett Béla Bartók (1881-1945): IV. Streichquartett Mitwirkende: Bartók-Quartett, Budapest.

Programminformationen: Zoltán Kodály: I. Streichquartett op. 2: das Werk ist 1908-09 entstanden und wurde 1910 in Zürich uraufgeführt.569

567 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 24.9.1968, 19.15-19.35 Uhr / Ö-Regional. Graz, ORF-Archiv des Landesstudios Steiermark, S. 2. 568 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 24.9.1968, 19.15-19.35 Uhr / Ö-Regional. Graz, ORF-Archiv des Landesstudios Steiermark, S. 2. 569 http://www.komponisten.at/komponisten/122.html vom 19.02.2015. Siehe auch: http://kodaly.hu/zoltan_kodaly vom 19.02.2015.

162 István Láng ist in Budapest geboren, studierte und lehrte später in Budapest und ist kompositorisch der zweiten Wiener und der Warschauer Schule zuzurechnen, weiters beschäftigte er sich mit serieller und elektronischer Musik. Der auf mathematischen Grundlagen beruhende kompositorische Schaffensprozess und das Ausloten aller musikalischen Möglichkeiten war seine große Leidenschaft. 1961 gewann er den Ludwigshafen Competition Prize, 1968 (und 1975) den Erkel Preis.570 Anerkennung erlangte er mit einem Konzert für Xylophon und Orchester, einer Oper und Kammermusikwerken.571 II. Streichquartett: Premiere 1966, ist im gleichen Jahr in Druck erschienen.572

Béla Bartók: IV. Streichquartett (1928), gewidmet Au Quatuor Pro Arte, Uraufführung in Budapest / Ungarn am 20.3.1929.573

Mediale Resonanz

Die meisten Kritiker, die im ersten und im zweiten Konzert des musikprotokolls anwesend waren, beschrieben das erste als herausragend, das zweite Konzert hatte meist die kürzeren Berichterstattungen. So auch Klaus Gruber vom Mindener Tagblatt. Für das zweite Konzert hatte er wohl auch Positives zu berichten: Das Streichquartett von István Láng sei „die – allen komplizierten Erläuterungen des Komponisten im Programmheft zum Trotz – ein temperamentvolles, mitreißendes Musikstück“.574 Auch beschied er, dass nach diesem zweiten Konzert der frenetische Applaus des Publikums zeigte, dass das Festival damit „etabliert“575 sei.

570 Don Michael Randel (Hg.): The Harvard Dictionary of Music. Fourth Edition. Harvard University Press 2003. Hungary, S. 397. Siehe auch: http://www.emb.hu/en/composers/lang vom 29.02.2015. 571 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] Archiv des steirischen herbstes, Graz, S.14. 572 http://www.worldcat.org/title/quartetto-ii-per-archi/oclc/50154093 vom 3.1.2017. 573 http://www.universaledition.com/komponisten-und-werke/Bela-Bartok/komponist/38/werk/645 vom 20.07.2017. 574 Klaus Gruber: Der „Steirische Herbst“ macht sich. Zehn Tage Neue Musik, und dennoch kam das Publikum. In: Mindener Tagblatt vom 16.10.1968, Minden. 575 Klaus Gruber: Der „Steirische Herbst“ macht sich. Zehn Tage Neue Musik, und dennoch kam das Publikum. In: Mindener Tagblatt vom 16.10.1968, Minden.

163 Für Franz Giegling ist gerade das Streichquartett von István Láng weniger herausragend, eventuell, wie er befindet, auch wegen der ungünstigen Positionierung im Programm zwischen den bekannteren und berühmteren Werken von Kodály und Bartók. Langs Werk sei „die Arbeit eines begabten, handwerklich geschickten Komponisten, sie klingt gelegentlich an Bartók an, trägt aber auch einen Hauch avantgardistischer Tendenzen.“576 Das Streichquartett ist eine Komposition aus profunder Werkstatt, die aber nicht viel Neues zu bieten vermag.

Herbert Schneiber berichtet im Kurier über das Budapester Bartók Quartett, dass es „eines jener Klasseensembles [sei], derer es ehedem auch in Österreich mehrere gab.“577 Heute gäbe es in Österreich nur wenige Idealisten, die auch internationale Reputation besäßen, alle anderen würden eher monetäre Vorlieben ausleben. Weiter ergeht sich der Rezensent in musikwissenschaftlichen Analysen der Werke, vergisst aber nie, die homogene, ausbalancierte, individualistische Interpretation des ungarischen Streichquartetts hervorzuheben. Das Streichquartett von István Láng bezeichnet er als positiv gelungen.578

Rudolf List schreibt in der Südost Tagespost, dass das größte Interesse schon im Vorhinein dem Streichquartett von István Láng entgegengebracht wurde. Und das Publikum wurde nicht enttäuscht. Vom Bartók-Quartett meisterhaft interpretiert, sei es „den interessantesten Beispielen junger Musik zuzurechnen.“579 Das Quartett von Zoltán Kodály findet ebenso die Begeisterung des Autors, „mit Elan dargebracht […] erwies [es] in dieser Wiedergabe vollends seine unverwelkte Frische und wohl auch Eingängigkeit.“580 Auch das Vierte Streichquartett von Belá Bartók erfreute den Rezensenten in großem Maße, obwohl es noch nicht die Ausdruckskraft und

576 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.14. 577 Herbert Schneiber: Komm mit nach Budapest. Über das zweite Konzert im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) 26.9.1968. 578 Herbert Schneiber: Komm mit nach Budapest. Über das zweite Konzert im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) 26.9.1968. 579 Rudolf List: Neuere Musik aus Ungarn. „Musikprotokoll 1968“: Budapester Bartok-Quartett im Kammermusiksaal. In: Südost-Tagespost 26.9.1968, S. 7. 580 Rudolf List: Neuere Musik aus Ungarn. „Musikprotokoll 1968“: Budapester Bartok-Quartett im Kammermusiksaal. In: Südost-Tagespost 26.9.1968, S. 7.

164 Meisterschaft des Fünften Streichquartetts des Komponisten besäße. Das Publikum bedankte sich, wie schon im ersten Teil des Abends, mit begeistertem Applaus.581

Auch Harald Kaufmann beklagt in der Neuen Zeit, dass in Ungarn die Kultur des Streichquartetts heute besser gepflegt werde, als dies in Österreich geschehe. Die Qualität der ungarischen Ensembles orientiere sich hauptsächlich an den sechs Streichquartetten von Belá Bartók insbesonders was präzise Virtuosität und dramatischen Ausdruck betrifft. Dem Streichquartett von Zoltán Kodály bescheinigt der Rezensent einen Blick in vergangene Zeiten, als Darstellung zeitgenössischen Schaffens wäre es mittlerweile obsolet, wenngleich es auch hervorragend vom Bartók-Quartett dargebracht worden sei. Das Streichquartett von Bartók beglücke trotz seines Alters immer wieder neu. Das Werk von István Láng bezeichnet der Autor als entbehrenswert und „Dutzendmusik“.582 Kaufmann zeigte sich erfreut über den guten Besuch des Konzerts und dessen ausdauernden Applaus.583

Karl Haidmayer berichtet in der Kleinen Zeitung, dass durch das Bartók-Quartett „ein künstlerischer Höhepunkt“584 stattfand, der kaum Wünsche offenließ. Das Quartett von Zoltán Kodály erfreute durch die geniale Wiedergabe der Musiker, das Quartett von István Láng beinhaltet für Haidmayer „alle möglichen Klangbilder, die durch eine große Bogenform miteinander verbunden sind, für den Hörer leicht fasslich, ansprechend und musikalisch logisch.“585 Für Bartók hat er Ehrerbietung ebenso wie für die ausführenden Musiker. Auch Haidmayer beschreibt den enthusiastischen Applaus des Publikums zum Schluss.586

581 Rudolf List: Neuere Musik aus Ungarn. „Musikprotokoll 1968“: Budapester Bartok-Quartett im Kammermusiksaal. In: Südost-Tagespost 26.9.1968, S. 7. 582 Harald Kaufmann: Modernes Streichquartettspiel aus Budapest. Zweites Konzert des Grazer Musikprotokolls im Kammermusiksaal: Das Bartók-Quartett zu Gast. In: Neue Zeit 26.9.1968, S. 4. 583 Harald Kaufmann: Modernes Streichquartettspiel aus Budapest. Zweites Konzert des Grazer Musikprotokolls im Kammermusiksaal: Das Bartók-Quartett zu Gast. In: Neue Zeit 26.9.1968, S. 4. 584 Karl Haidmayer: Das Bartók-Quartett. „Steirischer Herbst 86“: Musikprotokoll 1968. In: Kleine Zeitung 26.9.1968, S. 14. 585 Karl Haidmayer: Das Bartók-Quartett. „Steirischer Herbst 86“: Musikprotokoll 1968. In: Kleine Zeitung 26.9.1968, S.14. 586 Karl Haidmayer: Das Bartók-Quartett. „Steirischer Herbst 86“: Musikprotokoll 1968. In: Kleine Zeitung 26.9.1968, S. 14.

165 Der Komponist Karl Haidmayer streut seinen Kollegen wie auch den ausführenden Musikern Rosen. Er analysiert musiktheoretisch mit dem geübten Ohr des komponierenden Musikers die Werke. Dass beim Lob Loyalität zu den Kollegen oder vorauseilende Sorge für die Berichterstattung eigener Werke beim musikprotokoll beteiligt sind, kann nur vermutet werden.

Der Rezensent der Grazer Wahrheit ist voll des Lobes über das zweite Konzert. Die beiden renommierten Komponisten Belá Bartók und Zoltán Kodály werden ausführlich gewürdigt, aber auch der trotz seiner Jugend schon mit zahlreichen Preisen bedachte István Láng wird positiv hervorgehoben. Obwohl sein II. Streichquartett auf mathematischer Präzision beruhe, „hatte man nie den Eindruck einer gelehrten Trockenheit.“587

Wendelin Frauenhofer berichtet nur über ein Werk von diesem Konzert. Wobei anzumerken ist, dass er die ersten fünf Konzerte des musikprotokolls in einem Artikel zusammengefasst hat. Das Streichquartett von István Láng hat für den Rezensenten „musikantisches Temperament, […] handwerkliche Solidität und genaue Kenntnis bi- und polytonaler Spielregeln“.588 Etwas abrupt endende Phrasen würden durch wiederholtes Auftreten eine große Form bilden.589

Mediale Resonanz – Rundfunk

In der Vorankündigung zu diesem Konzert kündet Peter Vujica am gleichen Abend nur kurz das Programm an, die Sendung beginnt um 19.15 Uhr, das Konzert um 19.45 Uhr, diesbezüglich ist die Kürze begründet.590 Am Abend davor, in der Sendung vom 23. September, bespricht Peter Vujica ausführlich das Programm, analysiert die Kompositionen und stellt die Interpreten detailreich vor. Das Budapester Bartók-Quartett bespricht er als „eines der

587 N.N.: Hohe Kunst des Quartettspiels. In: Grazer Wahrheit 27.9.1968, S. 6. 588 W. Frauenhofer: Neue Musik – exakt protokolliert. Bericht vom steirischen Herbst in Graz. In: Die Furche vom 5. 10.1968. 589 W. Frauenhofer: Neue Musik – exakt protokolliert. Bericht vom steirischen Herbst in Graz. In: Die Furche vom 5. 10.1968. 590 Peter Vujica: Beitrag „Steirischer Herbst“, Montag, 23. September, 19.15-19.45 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 1.

166 Spitzenensembles unter den bekannten Streichquartetten“591. Er rührt auch eifrig die Werbetrommel für dieses Konzert und versucht, allen eventuell vorhandenen Skeptizismus gegenüber zeitgenössischer Musik ad absurdum zu führen und die VerehrerInnen der Avantgarde nicht zu enttäuschen: „Dieses Programm ist keineswegs avantgardistisch schockierend. Es bietet sowohl dem am zeitgenössischen Musikgeschehen Interessierten Neues, als es auch dem weniger Probleme suchenden Freund und Genießer […] Freude bereiten kann.“592 Einflüsse von Brahms, französischem Impressionismus und ungarischer Folklore sei in Kodálys I. Streichquartett zu finden und bilde für HörerInnen der klassischen Kammermusikszene allenfalls eine Symbiose dieser bereits besprochenen Einflüsse, die zusammen eine „Form – und Klangwelt des großeuropäischen Musikschaffens zu einer Klangsprache“593 zusammenfügen, die für Zoltán Kodály typisch ist. Den FreundInnen zeitgenössischer Musik legt er das Werk von István Láng ans Herz. Es sprenge die herkömmlichen Formen des Streichquartetts und besteche durch „in abwechslungsreicher Folge rhythmische Motorik, expressive Melodik und zerfaserte Themenkombinationen zu einem reizvollen Ganzen […] bewusst geordneten Mikrostrukturen.“594 Bartóks Streichquartett wiederum beschreibt der Sprecher als „bereits zu den klassischen Werken der Moderne“595 gehörend.

Die Berichterstattung wurde wieder von Herbert Schneiber am Tag darauf aus dem Studio Steiermark gesendet. Er bemängelt zu Beginn, dass es früher auch in Österreich kammermusikalische Ensembles auf hohem Niveau gegeben habe, nun aber die monetären Bemühungen gegenüber den musikalischen der Vorrang gegeben würde. Großes Lob zollte der Rezensent demnach dem Bartók-Quartett, als eine Vereinigung individueller Solisten, die „den Idealfall einer verschworenen

591 Peter Vujica: Beitrag „Steirischer Herbst“, Montag, 23. September, 19.15-19.45 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 1. 592 Peter Vujica: Beitrag „Steirischer Herbst“, Montag, 23. September, 19.15-19.45 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 1f. 593 Peter Vujica: Beitrag „Steirischer Herbst“, Montag, 23. September, 19.15-19.45 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 2. 594 Peter Vujica: Beitrag „Steirischer Herbst“, Montag, 23. September, 19.15-19.45 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 2. 595 Peter Vujica: Beitrag „Steirischer Herbst“, Montag, 23. September, 19.15-19.45 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 2.

167 Gemeinschaft“596 bildeten. Ausdrucksvoll, lyrisch, mit Romantik und großer Empfindung wurde das Streichquartett von Kodály dargeboten. Auch kompositionstechnisch fand Schneiber Gefallen an dem Werk. Die Komposition von István Láng analysierte der Kritiker etwas intensiver, gab jedoch zu bedenken, dass die Zuhörenden ohne eine Partitur vor sich zu haben, in den kompositionstechnischen Raffinessen geringe Relevanz sahen. Trotzdem sei es ein Werk, das das Interesse des Publikums zu schüren vermochte. Durch die Unterteilung des einsätzigen Werkes in acht Partien, in leidenschaftlicher Expressivität musiziert – die freilich manchmal etwas zu überdimensional ausfiel – und durch einen dissonanzenreichen Klang und scharfe Rhythmik entstehe ein ansprechendes Klangbild. Dem Streichquartett Belá Bartóks beschied Schneiber ein „Zeugnis der Reife, der vollendeten Beherrschung des Materials und seiner Durchdringung von Geist und Seele.“597 Die Interpretation sei hochsensibel gewesen. Als Zugabe wurde das Allegro Pizzicato wiederholt.598 Im Sendungsprotokoll ist noch zu lesen, dass das Konzert „vom überraschend zahlreich erschienenen Publikum (die Verwunderung darüber, dass Graz also doch keine so erzkonservative Musikstadt sei, ist deutlich herauszuhören) lebhaft akklamiert wurde.599

25. September, Stefaniensaal Graz Thomas Christian DAVID (1925-2006): Konzert für Gitarre und Streichorchester (UA) weitere Aufführungen in Mühlheim an der Ruhr und Basel600

Egon Wellesz (1885-1974): Ode an die Musik (aus Pindars erster Pythischer Ode, mit freier Benützung der Nachdichtung Hölderlins) für Alt- oder Bariton und Kammerorchester op. 92 (ÖE)

596 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung vom 25.9.1968, 19.15-1935 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, [S. 1]. 597 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung vom 25.9.1968, 19.15-1935 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 2. 598 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung vom 25.9.1968, 19.15-1935 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S 2. 599 Peter Vujica: Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 25. September 1968, 19.15-19.35 Uhr /Ö Regional. Graz, ORF-Archiv, S. 1. 600 Die genauen Konzertorte und –daten dieser Gastspiele konnten leider nicht eruiert werden.

168 Paul Angerer (*1927): Konzert für Viola da Gamba, Streichorchester und Schlagzeug (ÖE) Helmut Eder (1916-2005): Nil admirari. Für Orchester op. 46 (ÖE) Dirigent: Max Heider. Mitwirkende: Ulrike Kneuer (Viola da Gamba), Hilde Roser (Alt), Konrad Ragossnig (Gitarre), Collegium musicum instrumentale der Akademie für Musik und darstellende Kunst Graz.

Programminformationen: Thomas Christian David ist ein österreichischer Komponist, in Wels geboren und Sohn des Komponisten Johann Nepomuk David. Er war Chorknabe im Thomaschor in Leipzig, studierte an der dortigen Musikhochschule Komposition, Flöte und Klavier. Seine Studien beendete er am Mozarteum in Salzburg. Dort hatte er anschließend eine Lehrtätigkeit inne, ab 1948 unterrichtete er in Stuttgart, studierte in Tübingen Musikwissenschaft und dirigierte und leitete Chöre. Ab 1958 lehrte er in Wien. Er war Leiter des Sinfonieorchesters Berlin, des Wiener Akademie- Kammerchores, mit dem er eine Welttournee unternahm und dirigierte Opern in Teheran und Kairo. Ab 1967 war er Chefdirigent des Orchesters des Iranischen Fernsehens und war mitbeteiligt am Aufbau der Music School an der Universität Teheran, wo er auch eine Professur bekleidete. Sein Konzert für Gitarre und Streichorchester ist 1963 entstanden. Davor hatte er bereits Werke für Chor, Kammerorchester, Orgel, Flöte und kammermusikalische Besetzungen komponiert. Bei den Kasseler Musiktagen 1964 wurde ein Werk von ihm zur Aufführung gebracht. (Leider ließ sich nicht eruieren, um welches Werk es sich dabei gehandelt hat). Er erfreute sich über zahlreiche Preise. Ab dem Jahr 1955 erhielt er Förderungen und Stipendien für sein kompositorisches Schaffen. Im Jahr 1963 erreichte er den zweiten Preis beim Kompositionswettbewerb der Radiodiffusion- Télevision Français.601 Für die Präsentation der österreichischen Avantgarde war er als aufstrebendes Talent bestens geeignet.

601 http://db.musicaustria.at/node/52378 vom 09.04.2015.

169 Egon Wellesz: Ode an die Musik op. 92 für Alt (oder Bariton) und Kammerorchester wurde 1965 in Wien uraufgeführt. Der Text ist von Friedrich Hölderlin und stammt in freier Nachdichtung aus Pindars Erster Pythischer Ode.602

Paul Angerer ist in Wien geboren, war Solobratschist, Violinist, Cembalist, Gambist und von 1956-1963 Chefdirigent der Wiener Konzerthausgesellschaft, ab 1960 Kapellmeister und Komponist am Wiener Burgtheater und bei den Salzburger und Bregenzer Festspielen. Seit 1947 war er als Komponist bekannt; er schuf Bühnen- und Orchesterwerke, sowie Theatermusik und Musik fürs Fernsehen. 1956 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für Musik. Später gründete er das „Concilium musicum Wien“, ein Ensemble für Musik des 17.-19. Jahrhunderts. 603 Das Konzert für Viola da Gamba, Streichorchester und Schlagzeug wurde 1962 in Zug uraufgeführt.604

Helmut Eder ist in Linz geboren und hat Komposition in München bei Johann Nepomuk David und Carl Orff studiert. 1950-1967 lehrte er Musiktheorie und Komposition am Brucknerkonservatorium Linz, ab 1967 lehrte er am Mozarteum in Salzburg. 1959 gründete er ein Studio für elektronische Musik in Linz. Er erhielt zahlreiche nationale Auszeichnungen, wie den Bruckner-Preis des Landes Oberösterreich im Jahre 1966 und den Würdigungspreis für Musik des Ministeriums für Unterricht und Kunst 1972.605 Nil admirari für Orchester op. 46 wurde am 2. Oktober 1967 in Linz (Österreich) uraufgeführt beim „Zyklus der Avantgarde“ mit dem Biennale-Ensemble Zagreb unter der Leitung von Igo Gjadrov.606 Trotzdem erscheint die Komposition im Programm des musikprotokolls als österreichische Erstaufführung.

602 Paul Conway: Egon Wellesz. http://www.klassika.info/Komponisten/Wellesz/Lied/092/index.html Onlineversion vom 19.02.2015. 603 http://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Biographien/Angerer,_Paul vom 20.02.2015. Siehe auch: http://www.concilium.at/indexPAngerer.html vom 20.02.2015. 604 http://db.musicaustria.at/node/123452 vom 20.02.2015. 605 http://www.komponisten.at/komponisten/257.html vom 20.02.2015. 606 http://db.musicaustria.at/node/96742 vom20.02.2015. Siehe auch: http://www.doblinger- musikverlag.at/dyn/kataloge/wv_Eder.PDF vom 20.02.2015.

170 Egon Wellesz war an diesem Abend der bekannteste Komponist, mit Paul Angerer und Helmut Eder wurde ein guter Blick in die österreichische zeitgenössische Musikkultur der Avantgarde gegeben.

Mediale Resonanz

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist im weitestgehend kritischen Artikel von Paul Kaufmann zu lesen, dass die „Pindar-Ode“ von Egon Wellesz nur als Honneur für den Komponisten ins Programm genommen worden war, und über die beiden weiteren Werke beschreibt er die Kompositionsmethoden: „die fragwürdige Ernsthaftigkeit Helmut Eders, […] und Paul Angerers“.607

Franz Giegling betrachtet in seinem Bericht für die Rundfunksendung die Uraufführung von Thomas Christian DAVID als „stimmungsvolles Werk traditioneller Richtung. Es ist erstaunlich, was für Farben und Spielfiguren der Komponist dem Soloinstrument entlockt.“608 Der Rezensent beglückwünscht auch den Solisten zu seiner vorzüglichen Interpretation. Das Werk von Paul Angerer hinterließ bei Giegling ein Bild des Anachronismus. Die Viola da Gamba beschreibt er als unpassend für neue Musik. Die Ode an die Musik empfindet der Kritiker als Technik, die „aussparenden, abgeklärten Altersstil von grosser klanglicher Schönheit“609 in sich vereine. Er bewundert die Melodieführung der Altstimme und deren Textausdeutung, während die Begleitung auf Grundlegendes fokussiert sei. Das avantgardistische Werk des Abends sei jedoch Helmut Eders Nil admirari gewesen. Das Themen-freie Werk lebe durch die komplexen rhythmischen patterns, mit denen der Komponist brillant die Stimmen zu einem Ensemble fügte.610

607 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt. 608 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.5. 609 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.6. 610 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.6.

171 Herbert Schneiber berichtet in der Morgenausgabe im Kurier, dass die Unterscheidung in ernste und Unterhaltungsmusik nicht immer gelingt, so auch bei den Werken an diesem Abend. Das Konzert von Paul Angerer sei vom Publikum als „Unterhaltungsmusik“611 bezeichnet worden. Der Rezensent weiß nicht viel Positives über das Werk zu berichten. Es berste vor Paraphrasen und Zitaten, die an viele bekannte Musikstücke erinnern, aber als neu könne hier nichts gelten. Auch dem Werk von Helmut Eder bescheinigt der Autor keinen Novitätsstatus im musikalischen Schaffen. Es sei eine Hommage an Anton von Webern, nur „in witzigerer Form, differenzierter, sensibler, […] leider eine Mentalität der Gewalttätigkeit, […] das Modell […] ist nur noch als Karikatur auszunehmen“.612 Etwas mehr Wohlwollen bringt der Rezensent der Uraufführung von Thomas Christian Davids Konzert für Gitarre und Streichorchester entgegen. Zumindest „der erste Satz mit seiner einprägsamen Passacaglia und reizvollem, durchsichtigem Wechselspiel von Orchester und Soloinstrument“613 vermochte gute Stimmung zu hinterlassen. Der zweite Satz erschien zu kurz und lasse damit den Eindruck der Unausgewogenheit des Werkes zurück. Das „einzig erregende Stück neue Musik“614, so der Rezensent, sei die Ode an die Musik von Egon Wellesz gewesen. Die Ode sei „überzeugend in ihrem hymnisch-beschwörenden Charakter“615, sie war in seiner Qualität die Krönung des Abends. Den Ausführenden widmete der Autor ebenfalls lobende Worte.616

Klaus Stzatecsny schreibt in der Südost Tagespost, dass die Ausführenden mit ihren qualitativ hohen Darbietungen beinahe das einzig Positive waren. Die Überschrift zu seinem Text ist denn auch diesbezüglich aussagekräftig: „Nicht zuviel zu

611 Herbert Schneiber: „Neue“ und – gute Musik. Über den dritten Abend im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 24.9.1968. 612 Herbert Schneiber: „Neue“ und – gute Musik. Über den dritten Abend im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 24.9.1968. 613 Herbert Schneiber: „Neue“ und – gute Musik. Über den dritten Abend im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 24.9.1968. 614 Herbert Schneiber: „Neue“ und – gute Musik. Über den dritten Abend im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 24.9.1968. 615 Herbert Schneiber: „Neue“ und – gute Musik. Über den dritten Abend im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 24.9.1968. 616 Herbert Schneiber: „Neue“ und – gute Musik. Über den dritten Abend im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 24.9.1968.

172 bewundern“617. Das „Konzert für Viola da Gamba“ von Paul Angerer sei nicht sein gelungenstes Werk, die Solistin an der Viola da Gamba wird am meisten gelobt. Auch im Vortrag der „Ode an die Musik“ erhält die Solistin Hilde Roser (Alt) die bessere Bewertung gegenüber der Komposition, obwohl der Rezensent zugibt, dass die Altistin zusammen mit dem Komponisten vom Publikum „herzlich gefeiert“618 wurde. Nach diesem nicht herausragenden ersten Teil sei das Werk von Thomas Christian DAVID direkt „faszinierend“619 gelungen. Auch hier wird der Solist an der Gitarre gelobt, jedoch erhält auch das Werk ein hohes Maß an positiver Zuschreibung. Die Komposition von Helmut Eder findet auch hier keinen besonderen Anklang, diese „dürfte seine Entstehung mehr dem Nachgeben gegenüber einem Zeitgeist als einem inneren Bedürfnis verdanken“620, so der Rezensent. Bewunderung zollt der Kritiker fast nur den Ausführenden, nicht den Werken.

Auch in der Grazer Wahrheit ist schon im Titel des Artikels über das Konzert zu lesen, dass es den Rezensenten nicht sonderlich beeindruckt habe: „Ein schwach besuchter schwacher Abend“621 schreibt Richard Wehner. Er bemängelt, dass das Konzert im kleineren Kammermusiksaal hätte stattfinden können, da es so schlecht besucht war, allein die MusikerInnen hätten nicht Platz gefunden. Für den Rezensenten war das Konzert für Viola da Gamba, Streichorchester und Schlagzeug von Paul Angerer das beste Werk des Abends. Wellesz Ode an die Musik bezeichnet der Kritiker in dieser Fassung als „langweilig“622, auch die ansprechende Interpretation der Altistin konnte das Werk nicht retten, zudem sei das Orchester zu laut gewesen. Auch die Uraufführung des Gitarrenkonzertes ließ viele Wünsche offen, darunter jenen, dass wieder das Orchester zu stark gewesen sei und die Gitarre über lange Passagen unhörbar war. Die Komposition von Helmut Eder

617 Klaus Szatecsny: Nicht zuviel zu bewundern. Das dritte Konzert im „Musikprotokoll“ des Steirischen Herbstes. In: Südost Tagespost vom 27.9.1968, S. 7. 618 Klaus Szatecsny: Nicht zuviel zu bewundern. Das dritte Konzert im „Musikprotokoll“ des Steirischen Herbstes. In: Südost Tagespost vom 27.9.1968, S. 7. 619 Klaus Szatecsny: Nicht zuviel zu bewundern. Das dritte Konzert im „Musikprotokoll“ des Steirischen Herbstes. In: Südost Tagespost vom 27.9.1968, S. 7. 620 Klaus Szatecsny: Nicht zuviel zu bewundern. Das dritte Konzert im „Musikprotokoll“ des Steirischen Herbstes. In: Südost Tagespost vom 27.9.1968, S. 7. 621 Richard Wehner: Ein schwach besuchter schwacher Abend. In: Grazer Wahrheit vom 27.9.1968, S. 6. 622 Klaus Szatecsny: Nicht zuviel zu bewundern. Das dritte Konzert im „Musikprotokoll“ des Steirischen Herbstes. In: Südost Tagespost vom 27.9.1968, S. 7.

173 beschreibt der Autor folgendermaßen: Es ist wohl so, dass „für derlei Spielereien ein Konzertsaal nicht geschaffen wurde, es sei denn, man verstehe das Opus als Spaß. Nach dem Motto: zeige jeder, was er kann auf seinem Instrument, wird da lustig drauflosgeklopft, gestrichen, so dass visionär allerlei Getierlaute auftauchen.“623 Wehner befand, dass dieser Abend nach der äußerst gelungenen Premiere eine Enttäuschung gewesen sei.624 Dass ein Konzert dazwischen veranstaltet wurde, davon berichtet der Kritiker nicht.

Reiner Puschnig schreibt in der Neuen Zeit von diesem Konzert positiver als seine Kollegen. Ihn habe das Gambenkonzert, das reich an Charakter und Melodieführung sei, sehr beeindruckt, von der „Ode an die Musik“ bespricht er vorwiegend die durchwegs großartigen Leistungen der Ausführenden. Die beiden weiterenWerke des Abends fand der Autor wenig überzeugend. Das Werk von Helmut Eder wirke sehr fragmentarisch, ein durchgängiges Motiv fehle, die exakte Wiedergabe der Interpreten sei zu Recht gelobt worden. Das Konzert von Thomas Christian DAVID beschreibt der Kritiker Reiner Puschnig als rhythmisch interessant und durchwegs gut ausgearbeitet und er hebt die Leistung des Solisten hervor.625

Peter Vujica berichtet in der Kleinen Zeitung, dass die Ode an die Musik das herausragendste Werk des Abends war, das alle anderen Kompositionen in den Schatten gestellt habe. Wie auch schon in den vorherigen Besprechungen herauszulesen war, schreibt auch Vujica, dass „die Qualität der Interpretation die des Interpretierten weit überstieg.“626 Beim Konzert von Paul Angerer kritisiert der Autor die „Ergötzlichkeit“627, die das Publikum immer noch von neuer Musik erwarte, und deren Aufforderung der Komponist leider nachgekommen sei. Thomas Christian DAVIDs Werk sei zu schülerhaft und sehr der polyphonen Prämisse

623 Klaus Szatecsny: Nicht zuviel zu bewundern. Das dritte Konzert im „Musikprotokoll“ des Steirischen Herbstes. In: Südost Tagespost vom 27.9.1968, S. 7. 624 Klaus Szatecsny: Nicht zuviel zu bewundern. Das dritte Konzert im „Musikprotokoll“ des Steirischen Herbstes. In: Südost Tagespost vom 27.9.1968, S. 7. 625 Reiner Puschnig: Neue Musik in unterschiedlicher Neuheit. Drittes Konzert des Grazer „Musikprotokolls“ im Stephaniensaal – Collegium musicum unter Max Heider. In: Neue Zeit 27.9.1968, S. 4. 626 Peter Vujica: Trauriges Kapitel Österreich. Steirischer Herbst: Viertes Konzert im Grazer „Musikprotokoll“. In: Kleine Zeitung 27.9.1968, S. 12. 627 Peter Vujica: Trauriges Kapitel Österreich. Steirischer Herbst: Viertes Konzert im Grazer „Musikprotokoll“. In: Kleine Zeitung 27.9.1968, S. 12.

174 verhaftet. Helmut Eder zeige einen Stil, der vor 20 Jahren modern gewesen sei. Für den Rezensenten war der Abend eine „notwendige Konfrontation“628 mit der neuen Musik. Das steirische Publikum und der konservativste Konzertbesucher sollte sehen, wie notwendig das Festival und die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik sei, so Peter Vujica.629

Gerhard Brunner bemängelt die Programmgestaltung des musikprotokolls, jedem gefallen zu wollen. Darunter habe besonders die Qualität dieses Konzertes gelitten. So befindet er ziemlich harsch: „Im Konzert unter Max Heider stand [sic] drei Nieten von Paul Angerer, T. C. David und leider auch dem hochverehrlichen Altmeister Egon Wellesz […] ein einziges Stück von einigem Profil gegenüber: Helmut Eders kurzes Orchesterwerk“.630

Wendelin Frauenhofer berichtet in der Furche über das Konzert von Thomas Christian DAVID, dass es eine gefällige Komposition sei, die gut zum Anhören ist, aber auch ebenso gut wieder vergessen werden wird. Das Werk von Helmut Eder befindet der Rezensent als grobe und überflüssige Übung einer Webern-Studie. Daher sei es klar, dass die Komposition von Egon Wellesz dreimal soviel Applaus erhalten habe.631

Conclusio

Eine gewisse Müdigkeit, wenn nicht sogar ein Überdruss, ist in den Kritiken über das dritte Konzert zu spüren. Nach dem fulminanten ersten Konzert mit Lux aeterna als alles überstrahlendes Werk, das zweite Konzert galt gemeinhin noch als gelungen und interessant, wurde wohl erwartet, dass das dritte Konzert wieder ein Höhepunkt sein müsse. Dass dem offensichtlich nicht so war, rief eine gewisse

628 Peter Vujica: Trauriges Kapitel Österreich. Steirischer Herbst: Viertes Konzert im Grazer „Musikprotokoll“. In: Kleine Zeitung 27.9.1968, S. 12. 629 Peter Vujica: Trauriges Kapitel Österreich. Steirischer Herbst: Viertes Konzert im Grazer „Musikprotokoll“. In: Kleine Zeitung 27.9.1968, S. 12. 630 Gerhard Brunner: Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des ersten „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronenzeitung vom 29.9.1968. 631 W. Frauenhofer: Neue Musik – exakt protokolliert. Bericht vom steirischen Herbst in Graz. In: Die Furche vom 5. 10.1968.

175 Verärgerung bei den Rezensenten hervor. Vujica moniert, dass sich das Publikum bei zeitgenössischer Musik noch immer hofft, sich zu ergötzen, und dass der Hoffnung leider im Werk von Paul Angerer stattgegeben wurde. Demgegenüber bemängelt Richard Wehner Langeweile im Werk von Egon Wellesz. Die Komposition von Helmut Eder sei höchstens spaßig gewesen. Auch Herbert Schneiber spricht von Unterhaltungsmusik. Der emotionalen Aussage der Werke widmeten die Kritiker reichlich Raum, die Intention des Festivals, sich mit neuer Musik auseinanderzusetzen, scheint sich für dieses Konzert dennoch auf oberflächlicherer Ebene zu bewegen. In der qualitativen Beurteilung der dargebrachten Werke unterscheiden sich die Rezensenten fundamental. Das zweite Zentrum der Berichterstattung beruht auf der Dokumentation der hervorragenden Leistungen der ausführenden MusikerInnen.

Mediale Resonanz – Rundfunk

In der Vorschau zum Konzert berichtet Peter Vujica am 24. September ausführlich zum Werk von Thomas Christian DAVID, der stilistisch als Freigeist gilt und neue Ideen mit den gewohnten Methoden zu interessanten Ergebnissen verwebe. In diesem Werk versuchte er die japanische Laute Koto auf der Gitarre akustisch nachzuahmen. Die Komposition verbleibe im Bereich tradierter Formen: der erste Satz sei eine Chaconne, dem zweiten Satz liege ein japanisches Melodiemuster zu Grunde. Die Komposition von Egon Wellesz beschreibt der Sprecher nur kurz, als „reichen melismatischen Gesang“632, dem der Hauptteil der Musik gehört, die instrumentale Begleitung trete dabei zurück. Der Dichtung Pindars als geistige Vorlage werde hiermit Ausdruck verliehen. Paul Angerers Konzert sei mit dem Vorsatz, die Viola da Gamba in zeitgenössischen Kontext zu integrieren, entstanden. Ohne Effekthascherei zeige das dreisätzige Werk im ersten und dritten Teil durch Verwendung unterschiedlicher Metren Anklänge des Jazz. In Helmut Eders Orchesterwerk, so der Kritiker, habe der Komponist „Elemente der punktuellen Musik zu komplizierten rhythmischen Mustern vereinigt, die teils in kammermusikalischen Klangstrukturen, teils in blockartigen Klangballungen

632 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung vom 25.9.1968, 19.15-19.35 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, [S. 1].

176 wirksam werden.“633 Gesendet wurde abschließend ein Gespräch mit Ernst Ludwig Uray und Max Heider, davon liegt jedoch keine Abschrift vor.634

Von der Sendung am Tag nach dem Konzert liegt ein Manuskript mit der Nachbesprechung vor, wo leider die Urheberschaft fehlt. Es ist jedoch anzunehmen, dass Herbert Schneiber der Autor ist, wie bei allen übrigen Konzertnachbesprechungen des musikprotokolls, die im Rundfunk übertragen wurden. Über das Werk Paul Angerers spricht er freundlich und so manche von ihm zitierten Stimmen aus dem Publikum werten die Komposition als „Unterhaltungsmusik“.635 Es sei an diesem Werk jedoch nichts Neues zu bemerken, gleichwohl das „Unterhaltende“ vom Komponisten beabsichtigt sein mochte und nicht zu verurteilen sei. Auch Helmut Eders Komposition gelte nicht als neue Musik, sie erinnere an Epigonen von Anton von Webern, erscheine jedoch humorvoller, gefühlvoller und nuancierter, aber auch gewalttätiger. Die deutsche Übersetzung des Titels „Sich über nichts wundern!“ sei ein guter Ratschlag für das Publikum. Das Werk von Thomas Christian DAVID bespricht der Rezensent positiver, besonders der erste Satz besteche durch ansprechende Verwendung von Soloinstrument und Orchester. Der zweite Satz wirke durch seine Rhythmik unausgewogen. Die „Ode an die Musik“ sei das einzig überzeugende Werk des Abends gewesen. Es sei ein „hymnisch beschwörender Charakter von den ersten harten Bläserakkorden bis zum Melismengeist, der die vokale Linie beseelte.“636

26. September, Stefaniensaal Graz Stanko Horvat (1930-2006): Taches. Für Klavier und Kammerorchester (U) Igor Kuljeric (1938-2006): Sequenzen (U) Ruben Radica (*1931): Komposition für Ondes Martenots und Kammerorchester (U)

633 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung vom 25.9.1968, 19.15-1935 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 2. 634 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung vom 25.9.1968, 19.15-1935 Uhr. Graz, Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 2. 635 N.N.: [Manuskript] zur Sendung vom 25.9.1968, Graz. Radio Steiermark. ORF-Archiv, [S.1.]. 636 N.N.: [Manuskript] zur Sendung vom 25.9.1968, Graz. Radio Steiermark. ORF-Archiv, S. 2.

177 Weitere Aufführungen dieser drei Werke in Istra, Zagreb / Kroatische Musikanstalt Zagreb Krešimir Sipuš (1930-2014): Verklärungen. Für Solostimmen und Orchester (U). Dubravko Detoni (*1937): Formen und Flächen. (U). Weitere Aufführungen dieser beiden Werke in Istra, Zagreb, Opatija /Belgrad, Paris, Laibach, Ostrava, Osijek, Venedig, Skoplje, Ost-Berlin, Hilden. Dirigent: Krešimir Sipuš. Mitwirkende: Janka Sanjek (Ondes Martenots), Ranko Filjak (Klavier), Vladimir Ruždijak (Bariton), Kammerorchester von Radio- televizija Zagreb.

Programminformationen: Stanko Horvat ist in Zagreb (Kroatien) geboren und studierte in Zagreb und Paris bei Tony Aubin und René Leibowitz. Ab 1961 lehrte er an der Akademie in Zagreb. Seine Musik ist von Béla Bartók und der minimalistischen Komposition inspiriert. Zu Beginn seines kompositorischen Schaffens liebäugelte er mit dem Neoklassizismus, später wandte er sich moderneren Techniken, wie etwa dem Minimalismus zu. Er zählt zu den bedeutendsten kroatischen Komponisten des 20. Jahrhunderts.637 Taches. Für Klavier und Kammerorchester (U) ist von Radio Zagreb in Auftrag gegeben worden.638

Igor Kuljeric ist in Kroatien geboren. Er studierte in Zagreb Musik, Englisch, Französisch und Literatur. 1965, im Jahr seines Studienabschlusses in Musik, wurde sein Ballett „Final role“ an der Oper Zagreb uraufgeführt. Studien in Mailand, unter anderem bei Luigi Nono und Marino Zuccheri und in Monte Carlo bei Igor Markevitch vervollständigten seine Fähigkeiten. 1966 begann er eine ruhmreiche internationale Karriere als Dirigent der Zagreb Soloists und bei der Kroatischen Rundfunk-Anstalt, darauf folgten Dirigate aller bedeutenden kroatischen Orchester.

637 http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_K/kroatien.xml vom 20.02.2015. Siehe auch: Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Graz, S.20. 638 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.20

178 Kompositorisch war er besonders bei der Biennale Zagreb aktiv, deren künstlerische Leitung er 1981 und 1983 innehatte. Die erste Aufführung einer Komposition von ihm war im Jahr 1960. Die Zeit ab 1968 bezeichnet er als seine avantgardistische Phase, in der auch das Werk dieses Konzert, Sequenzen entsteht.639 Ins Programm aufgenommen wurde er vermutlich eher auf Grund seiner Profilierung als Dirigent, denn als renommierter Komponist, da im Jahr 1968 die Aufführungen seiner Werke noch als marginal erschienen. Die Jahre darauf wurden die Aufführungen seiner Werke zahlreicher.

Ruben Radica ist in Split (Dalmatien) geboren. Er studierte in Zagreb Dirigieren und Komposition. Ab 1959 lehrte er an der Musikakademie Sarajevo, ab 1963 in Zagreb.640 Kompositorisch spielte er mit Tonhöhen und sämtlichen musikalischen Parametern.641

Krešimir Sipuš ist in Zagreb geboren, er studierte in Zagreb Klavier, Violine und Komposition. Als Geiger war er solistisch und kammermusikalisch erfolgreich. Ab 1939 lehrte er am Konservatorium in Zagreb Violine und Komposition. Als Kompositionslehrer prägte er viele bedeutende kroatische Komponisten, wie Milko Kelemen, Stanko Horvat oder Dubravko Detoni. Ab 1945 wurden seine Kompositionen weltweit dargeboten. 1958 begann seine Karriere als Dirigent. 642 Das Werk Verklärungen. Für Solostimmen und Orchester (U) wurde auf Verse des kroatischen Poeten Antun Branko Šimič komponiert.643

Dubravko Detoni ist in Kroatien geboren. Außer in seiner Funktion als Komponist war er auch als Pianist und Schriftsteller tätig. Er studierte in Zagreb, Siena, Warschau (bei Witold Lutoslawski), Darmstadt (bei Karlheinz Stockhausen und

639 http://www.igorkuljeric.com/news.php?kat_id=85 vom 20.02.2015. 640 http://www.discogs.com/artist/1140408-Ruben-Radica vom 20.02.2015. 641 Mirjana Veselinovic-Hofmann: Problems and Paradoxes of Yugoslav Avant-garde Music (Outlines for a Reinterpretation). In: Dubravka Djuric und Misko Suvakovic (Hgg.): Impossible Histories: Historic Avant-Gardes, Neo-Avant-Gardes, and Post-Avant-Gardes in Yugoslavia 1918-1991. London (MIT Press) 2003. S. 431. 642 http://www.abebooks.com/book-search/author/sipus-kresimir/ vom 20.02.2015 643 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.19.

179 György Ligeti) und vervollkommnete seine Studien in Paris bei John Cage. Er gründete das Ensemble für moderne Musik ACEZANTEZ, mit dem er in Europa, Asien und Amerika Auftritte feierte.644

Mediale Resonanz – Printmedien

Das Volksblatt beschreibt, dass die Uraufführung der Formen und Flächen von Dubrawko Detoni einen „starken Eindruck“645 beim Publikum hinterlassen habe. Dem Dirigenten Krezimir Sipus bescheinigt das Blatt größere Überzeugungskraft als dem Komponisten. Den letzten beiden Uraufführungen des Abends gesteht der Bericht die Beschreibung „interessant“646 zu. Das Publikum habe ausgiebigen Beifall gespendet.647

Insgesamt ist die Rezension von emotionalen Höreindrücken geprägt, die wenig musikalische Aussage evozieren. Aber auch der Musikkritiker Herbert Schneiber äußert sich in musikfernem Vokabular, wenngleich auch wesentlich aussagekräftiger zu diesem Konzert in unterschiedlichen Printmedien und mit nicht immer derselben Beurteilung der Werke.

Von ihm ist im Calwer Tagblatt, im Geislinger Fünftälerboten, in den Göppinger Kreisnachrichten, in der Heidenheimer Neuen Presse, in der Leonberger Kreiszeitung, in der Sindelfinger Zeitung und in den NWZ Schorndorfer Nachrichten in einem identen Artikel als Bericht über die gesamte Festivalzeit zu lesen, dass die Formen und Flächen „graphisch reiz- und ästhetisch phantasievoll erfunden – poetische Musik“648 seien. Taches „verblüfften durch den nahtlosen Übergangseffekt von aufgefächerten Strukturen im Orchester zu den motorisch-

644 Miloš Djurdjević: Dubravko Detoni. http://www.poetryinternationalweb.net/pi/site/poet/item/17129/17/Dubravko-Detoni Onlineversion vom 20.02.2015. 645 N.N.: Neu und erfolgreich. Jugoslawische Gäste bei den „Musikprotokollen“. Ebda. 646 N.N.: Neu und erfolgreich. Jugoslawische Gäste bei den „Musikprotokollen“. Ebda. 647 N.N.: Neu und erfolgreich. Jugoslawische Gäste bei den „Musikprotokollen“. Ebda. 648 Herbert Schneiber: Steirischer Herbst. Über das „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Calwer Tagblatt, Calw vom 25.10.1968, S. 8. Dies ist ein Bericht über das gesamte Festival.

180 musikantischen Passagen des Soloinstruments.“649 Für den größten Erfolg hielt der Rezensent jedoch die beiden Werke Drei Orchesterstücke und Monumento per sei milioni.650

In etwas erweiterter Form erschien die eben besprochene Kritik im Darmstädter Echo vom 15. Oktober. Hier bemerkt der Autor noch zur Aufführung von Hiob, es „fiel am Schluss völlig ab“.651 Die Musik für Ballett erhält hier, bis auf die konservativen Kompositionstechniken, eine bessere Besprechung als im Calwer Tagblatt: „eine[r] reich assortierte[n] Geräuschpalette mit tückischen Injektionen althergebrachter Kompositionstechniken, die Vergnügen bereiten. Musik zum Schmunzeln.“652

Das ergibt eine literarisch üppige Berichterstattung, die auf ein musikalisch farbenreiches Konzert schließen lässt. Ob diese Form der Rezension eine gewisse Vorsicht gegenüber musiktheoretischen Analysen der Uraufführungen zu Grunde liegt, kann nur vermutet werden. Die musikwissenschaftliche Analyse ist trotz der Dokumentation emotionaler Hörerlebnisse keineswegs untergeordnet.

In einer Rezension für den Kurier beschreibt Herbert Schneiber das Konzert separat und lobt die Idee der fünf Uraufführungen kroatischer Komponisten, wenngleich er sich über das Ergebnis nicht nur erfreut artikuliert. Es sei anstrengend gewesen, die Sequenzen haben außer „physikalischen Effekte[n]“653 und außer einer übergebührlichen Länge nicht viel zu bieten. Formen und Flächen werden auch hier bewundert, insbesonders die charakteristische und intelligente Verwendung der

649 Herbert Schneiber: Steirischer Herbst. Über das „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Calwer Tagblatt, Calw vom 25.10.1968, S. 8. Unter dem identen Titel auch in: Heidenheimer Neue Presse vom 25.10. Sowie: Geislinger Fünftälerbote vom 24.10., NWZ Göppinger Kreisnachrichten vom 24.10., Leonberger Kreiszeitung vom 25.10., NWZ Schorndorfer Nachrichten, Schorndorf vom 24.10. und Sindelfingener Zeitung vom 25.10. 1968. 650 Herbert Schneiber: Steirischer Herbst. Über das „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Calwer Tagblatt, Calw vom 25.10.1968, S. 8. 651 Herbert Schneiber: Das „Musikprotokoll“ in Graz. Begegnung mit zeitgenössischer Musik aus den Nachbarländern. In: Darmstädter Echo, Darmstadt vom 15. 10.1968, S. 8. 652 Herbert Schneiber: Das „Musikprotokoll“ in Graz. Begegnung mit zeitgenössischer Musik aus den Nachbarländern. In: Darmstädter Echo, Darmstadt vom 15. 10.1968, S. 8. 653 Herbert Schneiber: Fünf Kroaten unter Vierzig. Über das 4. Konzert im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 28. September 1968.

181 unterschiedlichen Instrumente. Dem Werk von Ruben Radica bestätigt der Rezensent Langeweile und fehlende Phantasie. Dafür bedachte er Verklärungen und Taches mit reichlich Beifall, ersteres für „Intimität und Intensität“654, letzteres für „experimentelle Klangerlebnisse“655, die in der Verwendung kompositorischer Elemente an Prokofieff erinnerten,656 so empfand der Kritiker, wenngleich die Verbindung von Prokofiew mit experimentellem Klang schwer nachzuvollziehen ist.

Rudolf List erörtert in der Südost Tagespost zu Beginn seiner Rezension die strittige Frage, ob die Uraufführungen der Werke dieser fünf kroatischen Komponisten ein vollständiges zeitgenössisches musikalisches Bild des Landes geben könnten und bleibt die Antwort schuldig. Was aber sicher zu bemerken sei, ist, dass im Ausland wie überall auch, „Webern-Epigonen und Stockhausen-Epigonen“657 existieren – neben Komponisten, die sich über tatsächlich Neues wagen. Für Solisten, Orchester und Dirigent hat der Rezensent nur lobende Worte. Für Rudolf List war Verklärungen das Erfolgswerk des Abends, obgleich es an Debussy, Bartók und Messiaen erinnerte, war doch der neuromantische Nimbus spürbar und ein großes Maß an Können, was die Darstellung der poetischen Emotionen im musikalischen Ausdruck anbelangt, spürbar. Formen und Flächen und Taches nennt List als weitere große Werke zeitgenössischer Literatur. Ersteres bezeichnet er als „ein Stück von genialischem Wurf“.658 Wie viele seiner Kritikerkollegen auch, befindet List das Werk von Ruben Radicas als weniger interessant, zwar zeige es zu Beginn „heimliche[n] Romantik und lyrische[r] Einsprengsel, verliert sich dann aber in eine zähflüssige, orchestrale Lavamasse“659. Für die Sequenzen hat der Rezensent

654 Herbert Schneiber: Fünf Kroaten unter Vierzig. Über das 4. Konzert im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 28. September 1968. 655 Herbert Schneiber: Fünf Kroaten unter Vierzig. Über das 4. Konzert im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 28. September 1968. 656 Herbert Schneiber: Fünf Kroaten unter Vierzig. Über das 4. Konzert im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 28. September 1968. 657 Rudolf List: Ein Abend der Uraufführungen. Musik jüngerer kroatischer Komponisten im „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost vom 28. September 1968, S. 8 658 Rudolf List: Ein Abend der Uraufführungen. Musik jüngerer kroatischer Komponisten im „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost vom 28. September 1968, S. 8. 659 Rudolf List: Ein Abend der Uraufführungen. Musik jüngerer kroatischer Komponisten im „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost vom 28. September 1968, S. 8.

182 gar kein positives Wort übrig: „das Schulbeispiel einer seelenlos und geräuschvoll gewordenen „Musik“.“660

Wenig Lobenswertes findet Dietmar Polaczek in der Neuen Zeit über den Abend zu berichten. Schon der Titel der Rezension „Musikalische Diätkost, lau temperiert“661 spricht Bände. Er bezeichnet das gesamte Programm als „ein wenig enttäuschend […] in geringem Maß Offenbarung“662. Trotzdem wagte der Rezensent die Behauptung, diese fünf Werke seien repräsentativ für die Vorstellung von zeitgenössischer Musik in Jugoslawien. Auch zeigten sich die üblichen politischen Tendenzen des südlichen Nachbarlandes, wobei nicht Wien, sondern Paris als geistige Größe Einfluss auf die Komponisten und deren Kompositionen genommen hatte. Die stilistischen Komponenten bezeugten dies, wie etwa die an Maurice Ravel gemahnende Instrumentationsmethode, Klangfarbe aus der Struktur zu begründen. Verklärungen empfand der Kritiker als zu lange und reizlos. Dem Werk Taches beschied er eine etwas positivere Beurteilung. Es sei „zwar nicht genial, aber seriös gearbeitet“.663 Auch über Sequenzen hat Polaczek nicht viel Erfreuliches zu berichten: Es habe wohl „kompositorische Stringenz, verfällt aber doch zu häufig in bloße Aneinanderreihung filmmusikhafter Plakatwirkungen.“664 Auch für diesen Rezensenten war Formen und Flächen das herausragendste Werk des Abends. Mit den Worten „ein achtbares, ausdrucksstarkes Stück Musik“665 ist das jedoch ein allzu blasses Lob. Den Dirigenten des Konzertes findet der Rezensent langweilig, in seiner Funktion als musikalischer Leiter ebenso wie als Komponist.666

660 Rudolf List: Ein Abend der Uraufführungen. Musik jüngerer kroatischer Komponisten im „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost vom 28. September 1968, S. 8. 661 Dietmar Polaczek: Musikalische Diätkost, lau temperiert. Zagreber Radio-Kammerorchester mit fünf Uraufführungen in Graz. In: Neue Zeit vom 28. September 1968, S. 4. 662 Dietmar Polaczek: Musikalische Diätkost, lau temperiert. Zagreber Radio-Kammerorchester mit fünf Uraufführungen in Graz. In: Neue Zeit vom 28. September 1968, S. 4. 663 Dietmar Polaczek: Musikalische Diätkost, lau temperiert. Zagreber Radio-Kammerorchester mit fünf Uraufführungen in Graz. In: Neue Zeit vom 28. September 1968, S. 4. 664 Dietmar Polaczek: Musikalische Diätkost, lau temperiert. Zagreber Radio-Kammerorchester mit fünf Uraufführungen in Graz. In: Neue Zeit vom 28. September 1968, S. 4. 665 Dietmar Polaczek: Musikalische Diätkost, lau temperiert. Zagreber Radio-Kammerorchester mit fünf Uraufführungen in Graz. In: Neue Zeit vom 28. September 1968, S. 4. 666 Dietmar Polaczek: Musikalische Diätkost, lau temperiert. Zagreber Radio-Kammerorchester mit fünf Uraufführungen in Graz. In: Neue Zeit vom 28. September 1968, S. 4.

183 Die Auseinandersetzung des Rezensenten ist fundiert und auf musiktheoretischem hohem Niveau positioniert. Es handelt sich um eine objektive aussagekräftige Kritik, in der wenig emotionale Hörerlebnisse dokumentiert sind und die vom großen Wissen und der Analysefähigkeit des Autors sprechen.

Richard Wehner findet in der Wahrheit wenig Erfreuliches über das Konzert zu berichten, außer, dass das Programm „in Bezug auf serielle Musik ausgeglichen“667 war. Den Sequenzen bechied er „bisweilen markerschütternde Misstöne [sowie] Effekte, […] die am Materiellen im Geistigen vorbeiziehen.“668 Formen und Flächen beurteilt der Rezensent noch negativer, er befindet, dass dieses Werk „das Ende der Musik, der holden Kunst, bedeuten könnte.“669 Während Richard Wehner bei den Sequenzen noch die Reihentechnik erörtert – sie seien „streng organisiert […], scheinen […] doch mehr willkürlich und zufällig zu sein. Es komme Effekte zum Vorschein, die am Materiellen im Geistigen vorbeizielen. Schade!“670 Im Werk von Ruben Radica kritisiert er die Art der Verwendung des Soloinstrumentes. Die Darbietung der Verklärungen hätte durch eine qualitativ schlechte Leistung des Solisten gelitten, wobei dies in der Komposition begründet sei. Allein die Komposition Taches erfährt eine positive Beschreibung: „Die vielschichtigen Klangeffekte dieses Stückes […] machen das Opus interessant.“671 Das große Können des Pianisten trug ebenso dazu bei. Einen gleichwohl lapidaren wie aussagekräftigen Satz bezüglich seiner eigenen Präferenzen stellte der Kritiker an den Schluss seines Textes: „Die ausschließliche Moderne des Musikprotokolls 1968 hat sich offenbar in Graz herumgesprochen. Immer weniger Menschen zeigen daran Interesse.“672

667 Richard Wehner: Die südlichen Nachbarn im Musikprotokoll 1968. In: Die Wahrheit vom 29. 9. 1968, S. 7. 668 Richard Wehner: Die südlichen Nachbarn im Musikprotokoll 1968. In: Die Wahrheit vom 29. 9. 1968, S. 7. 669 Richard Wehner: Die südlichen Nachbarn im Musikprotokoll 1968. In: Die Wahrheit vom 29. 9. 1968, S. 7. 670 Richard Wehner: Die südlichen Nachbarn im Musikprotokoll 1968. In: Die Wahrheit vom 29. 9. 1968, S. 7. 671 Richard Wehner: Die südlichen Nachbarn im Musikprotokoll 1968. In: Die Wahrheit vom 29. 9. 1968, S. 7. 672 Richard Wehner: Die südlichen Nachbarn im Musikprotokoll 1968. In: Die Wahrheit vom 29. 9. 1968, S. 7.

184 Karl Haidmayer lobt den Dirigenten, die Solisten und die „erstklassige Interpretation“673 aller an diesem Abend aufgeführten Werke in der Neuen Zeit. Als bestes Werk des Abends empfand Haidmayer und, wie der Rezensent bemerkte, vermutlich auch ein Großteil des Publikums Formen und Flächen. Die „Wirkung der Orgel und […] die phantastischen, auch rhythmisch faszinierenden Klangeffekte[n]“674 seien für den Erfolg dieses Werkes verantwortlich. Die Komposition von Ruben Radica bewertete Karl Haidmayer als wenig ausdrucksstark. Hingegen befand der Rezensent Verklärungen ebenso wie Taches als kompositorisch äußerst gelungen und eindrucksstark. Trotz des als schwach beschriebenen Werkes von Ruben Radica ist die Rezension von Respekt und positiver Grundhaltung gezeichnet.675 Die positive Grundhaltung des Autors gegenüber seinen Komponistenkollegen ist auch hier zu bemerken.

Gerhard Brunner fand positive Worte zur Programmgestaltung und zur Idee des musikprotokolls, die südöstlichen Nachbarn miteinzubinden. Die geistige Debatte mit den Musikern der Nachbarländer sei lobenswert, da sich dort die „die Jugend im Aufbruch befinde“676. Das Konzert mit dem Zagreber Orchester bezeuge dies. Die Kompositionen von Detoni und Kuljeric fanden am meisten Anklang bei Gerhard Brunner.677

Es handelt sich um eine allgemeine kulturpolitische Auseinandersetzung zur Intention des Festivals, die vor musikwissenschaftlichen Analysen zum Konzert zu fliehen scheint. Die zentrale Frage dieses Konzerts, ob die Werke des Abends

673 Karl Haidmayer: Neue Musik – neue Aspekte. Steirischer Herbst – „Musikprotokoll 1968“. In: Neue Zeit vom 28. September 1968, S. 4. 674 Karl Haidmayer: Neue Musik – neue Aspekte. Steirischer Herbst – „Musikprotokoll 1968“. In: Neue Zeit vom 28. September 1968, S. 4. 675 Karl Haidmayer: Neue Musik – neue Aspekte. Steirischer Herbst – „Musikprotokoll 1968“. In: Neue Zeit vom 28. September 1968, S. 4. 676 Gerhard Brunner: Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des ersten „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronenzeitung vom 29.9.1968. 677 Gerhard Brunner: Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des ersten „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronenzeitung vom 29.9.1968.

185 einen guten Überblick erlauben, wie unterschiedliche Kompositionen in einem soziopolitisch ähnlichen Umfeld entstehen und klingen,678 wurde am kurz behandelt. Ob die Werkauswahl als repräsentativ für die zeitgenössische Musik Jugoslawiens gelten kann, diese Frage wurde von den Kritikern unterschiedlich beurteilt, aber kaum analysiert. Die Auswahlkriterien hinsichtlich künstlerischer Qualität der Werke scheinen doch – wenn man den Kritikern Glauben schenken darf – zumindest was die erste Hälfte des Programms betrifft – optimierbar zu sein.

Wendelin Frauenhofer fand in der Furche, dass drei von den fünf uraufgeführten Werken bemerkenswert gewesen seien: Die Komposition von Dubravko Detoni, sei geheimnisumwittert und zuweilen lichtvoll. Das Werk von Kresimir Sipus zeige „hochromantisch-expressiv[e] freie Reihentechnik“679 auf. Das herausragendste Werk sei jedoch jenes von Stanko Horvat, „eine köstliche Kombination von instrumentalen Verfremdungseffekten mit den Wirkungen motorisch vorangetriebener polytonaler Musik à la Strawinsky oder Prokofieff.“680

Mediale Resonanz – Rundfunk

In der Vorankündigung vom 25.9. spricht Peter Vujica darüber, dass in Zagreb die zeitgenössische Musik mehr Förderung als in anderen Ländern erlebe. Allen voran sei hier die Zagreber Musikbiennale erwähnt, die sich schon zehn Jahre an der Beteiligung durch Komponisten unterschiedlichster Nationen erfreue. Seit Beginn der Zagreber Musikbiennale habe sich auch die Kompositionsweise vieler kroatischer Musiker geändert. Sie absentierten sich von der kroatischen, folkloristischen Musiktradition und wandten sich vorwiegend serieller Kompositionsweise zu. Stanko Horvat sei ein gutes Beispiel dafür, er zeige in seinem Werk Taches Formen neuer Ausdrucksmöglichkeiten, in denen der emotionale Gehalt im Vordergrund stehe, da der Komponist gegen die allzu

678 Siehe auch die Einschätzung dazu von Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.18. 679 W. Frauenhofer: Neue Musik – exakt protokolliert. Bericht vom steirischen Herbst in Graz. In: Die Furche vom 5. 10.1968. 680 W. Frauenhofer: Neue Musik – exakt protokolliert. Bericht vom steirischen Herbst in Graz. In: Die Furche vom 5. 10.1968.

186 vordringlichen mathematischen Überlegungen in den avantgardistischen Werken einen Kontrapunkt setzen möchte. Weiters möchte er „der Dehumanisierung und Entpoetisierung der Musik entgegenwirken“681, so Peter Vujica. Die Sequenzen von Igor Kuljeric bespricht Peter Vujica ebenso ausführlich. Sie seien „eine Reihe von Klangsituationen, […] eine Spiegelung der Bezüge, die zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, zwischen Materiellem und Geistigem bestehen.“682 Bei Igor Kuljeric sei keine scharfe Abwendung vom traditionellen Liedgut zu bemerken, sein reiches Schaffen zeige jedoch gleichwohl die Verwendung zeitgenössischer Kompositionsweisen. Ruben Radica wiederum sei ein „radikaler Avantgardist“, sein bei diesem Konzert aufgeführtes Werk stelle eine Zäsur in seinem Schaffen dar. Kresimir Sipus’ Oevre sei mystisch und er zeige weniger Radikalität als seine kroatischen Kollegen. Dubvravko Detoni übertrage graphische Szenerien in musikalische. Die Grenze zwischen Ton und Geräusch werde unklar. Das Werk sei dreigeteilt, in eine „streng klassische, in eine halbfrei graphische und in eine ganz frei aleatorische“683 Sequenz. Neben einem ausführlichen Blick in die Biographie der Komponisten stellt der Sprecher auch die Solisten als renommierte Musiker vor.684

In der Vorankündigung am Konzerttag gibt Peter Vujica die Programmpunkte bekannt, ohne dass eine weitere Analyse folgt, lediglich die zwei Solisten werden gesondert besprochen: Der Bariton Vladimir Ruzdjak und „der bekannte Agramer Pianist Ranko Filjak“.685

Herbert Schneiber berichtet am Tag nach dem Konzert in der täglichen Sendung „Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik“ über die intelligente Weise, wie das Orchester fünf Uraufführungen beim musikprotokoll quasi erprobt. Gleichwohl

681 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 25.9.1968 „Steirischer Herbst“. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. S. 1f. 682 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 25.9.1968 „Steirischer Herbst“. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. S. 2f. 683 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 25.9.1968 „Steirischer Herbst“. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. S. 5. 684 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 25.9.1968 „Steirischer Herbst“. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. S. 1-5. 685 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 26.9.1968 „Steirischer Herbst“. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. [S.1.].

187 war der Abend weder für die MusikerInnen noch für das Publikum als mühelos zu bezeichnen. In Sequenzen komme der Komponist „über physikalische Effekte kaum hinaus. Zwar raunt, schwirrt, winselt, zischt, zwitschert und quietscht es im Instrumentarium fortgesetzt, so es nicht gerade pfeift, miaut, läutet, poltert, summt, quakt oder dröhnt. Doch darüber weiß man nach drei Minuten Bescheid.“686 Leider habe das Werk aber länger gedauert. Im Gegensatz dazu sei die Komposition von Dubravko Detoni interessant, besitze eine ansprechende Kürze und gute Qualität. Der Komponist verstehe mit verschiedenen Formen und Effekten phantasievoll zu spielen und bringt nicht avantgardistische Novi in die Komposition, nur um Anbiederung an Neues zu forcieren. Ästhetik hat für ihn durchaus Polarität. Das Werk von Ruben Radica ermüde durch Länge und Langatmigkeit in Komposition und uninspirierte Verwendung des phantasielosen Instrumentes Ondes Martenot und sei keine Offenbarung. „Also stapft ein vierschrittiges und vierschrötiges Thema in mäßigen Imitationen und instrumentalen Varianten müde dahin, wird langsam durch das Orchester gezogen wie durch einen Fleischwolf und bleibt dennoch ungenießbar.“687 Nach der Pause brachte das Konzert „Gästen wie Publikum reichen Gewinn.“688 Großes Lob beschied der Rezensent der Komposition von Kresimir Sipus. Es sei „ein ungewöhnlich ausdrucksstarkes, im farbigen Orchesterklang wie in der gescheit ausgesparten Solostimme durch Intimität und Intensität fesselndes Werk“.689 Auch streute Herbert Schneiber dem Bariton Vladimir Ruzdjak Rosen für seine sensible Darbietung. Das Publikum dankte mit langanhaltendem Beifall. Noch mehr Applaus habe das anschließend dargebrachte Werk von Stanko Horvat erhalten. Schneiber bezeichnete es als gelungene Symbiose „von experimentellen Klangergebnissen der Flächen- und Formenforschung mit dem temperamentvollen Einsatz traditioneller Mittel, wie sie schon Sergej Prokofieff in seinen polyrhythmischen Klavierkonzerten verwendete. Der Pianist Ranko Filjak schuf dabei ein akustisches Vergnügen am Klavier. Dem genau und sensibel

686 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung am 27.9.1968 „Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. S. 1. 687 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung am 27.9.1968 „Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. S. 2. 688 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung am 27.9.1968 „Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. S. 2. 689 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung am 27.9.1968 „Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. S. 2.

188 musizierenden Orchester gebührte ebensoviel Applaus wie dem Solisten und dem Komponisten.690

Für den Kultursender Ö1 des österreichischen Rundfunks liegt ebenfalls ein Manuskript von Herbert Schneiber vor, in dem er über das Konzert teilweise in anderen Worten, jedoch mit gleichem Tenor berichtet. Auch hier spricht er darüber, dass fünf Uraufführungen „auch für den professionellen Hörer eine harte Nuss.“691 seien. Über den zweiten Programmteil äußert er sich auch hier lobend und spricht über das letzte Werk Taches: Nicht nur die Komposition sei äußerst ansprechend, wirkungsvoll und spritzig, auch der Pianist bewies, „dass traditionelle Instrumente auf althergebrachte Weise eingesetzt, durchaus Effekt machen können, immer noch. Das Publikum stimmte begeistert zu.“692

Franz Giegling beschreibt die Werke von Igor Kuljeric und Dubravko Detoni begeistert als „ausgesprochen experimentell“.693 Die Komposition von Ruben Radica verzichte auf jegliche harmonische Konsonanz, trotz so mancher ansprechenden klangvollen Wirkungen verharre das Werk im Stillstand, es „lebt fast nur von Klangfarben und dynamischen Schattierungen.“694 Für die Verklärungen von Kresimir Sipus findet der Rezensent nur Positives: „Die Singstimme ist sensibel und ausdrucksstark geführt […] Die Übergänge [zur Sprechstimme oder zum Sprechgesang] sind indessen nie hart, sondern weich gestuft und schmiegsam.“695 Auch das Orchester ist nicht nur Begleitung sondern akzentuiert sensibel die Motivik der Singstimme. Taches von Stanko Horvat sei ein auf Emotionen ausgerichtetes Werk, das mit reicher Verwendung von Motiven sich der

690 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung am 27.9.1968 „Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. Graz, ORF-Archiv Landesstudio Steiermark. S. 2. 691 Herbert Schneiber: [Manuskript] Für Ö1. ORF Archiv Landesstudio Steiermark. S.d. S.1. 692 Herbert Schneiber: [Manuskript] Für Ö1. ORF Archiv Landesstudio Steiermark. S.d. S.2. 693 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.19. 694 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.19. 695 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.19.

189 vergangenen Zeit annähere, durch zeitgenössische Kompositionstechnik aber sich mit der Avantgarde verbinde.696 Eine Komposition, die Altes und Neues verbindet und dabei trotzdem interessant und positiv bewertet wurde.

18.5. 27. September Stefaniensaal Graz Petar Bergamo (*1930): Musica concertante, op. 7 (ÖE) Arnold Schönberg (1874-1951): Klavierkonzert, op. 42 Friedrich Leitermeyer (1925-2006): Konzert für Trompete und Orchester, op. 37 (U). Béla Bartók (1881-1945): Suite Der wunderbare Mandarin Dirigent: Miltiades Caridis. Mitwirkende: Adolf Holler (Trompete), Walter Klien (Klavier), Großes Orchester des ORF.

Programminformationen: Petar Bergamo ist in Split (Kroatien) geboren und hat in Belgrad studiert, dort lebte er bis 1972. Er hatte ein Faible für polnische Komponisten und er verehrte György Ligeti. Französische Musikstile verwob er mit Einflüssen moderner Musik. In seiner Sinfonia Concertante kommen erstmals Cluster in serbischer Musik vor.697 1960 bis 1963 erreichte er einen großen Bekanntheitsgrad, der dann wieder etwas abflaute, da er sich zu sehr eines obsolet gewordenen Stils befleißigte.698 Musica concertante, op. 7 wurde in Wien 1962 uraufgeführt.699

Arnold Schönberg: Klavierkonzert op. 42: ist 1942 entstanden, es war ein Auftragswerk von seinem Schüler Oscar Levant. Das Werk ist in vier Sätzen angelegt, diese treten in der Endfassung jedoch nicht in Erscheinung, das Konzert

696 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.20. 697Melita Milin: Serbian Music of the Second Half of the 20th Century: From Socialist Realism to Postmodernism. In: Katy Romanou (Hg.): Serbian and Greek Art Music: A Patch to Western Music. Bristol (History Intellect Books) 2009. S. 89. 698 Simonivić-Schiff Jelena D.: Petar Bergamo’s symphonic compositions: Perspectives of the 1960s and 1990s. In: Muzikologija 2004, Issue 4. S. 197-222. http://www.doiserbia.nb.rs/Article.aspx?id=1450- 98140404197S&AspxAutoDetectCookieSupport=1#.VOeLChErnIU Onlineversion vom 20.02.2015. 699 http://muzickaakademija.net/index.php?option=com_content&task=view&id=295&Itemid=2 vom 20.02.2015.

190 gilt als einsätzig. Es beinhaltet alle Teile der Zwölftonreihe. Drei programmatische Aussagen, die von der Forschung autobiographisch gedeutet werden, liegen dem Werk zugrunde: „Life was so easy“, „Suddenly hatred broke“, „A grave situation was created“ und „But life goes on“.700 Das Klavierkonzert op. 42 wurde 1944 mit dem NBC Symphony Orchestra unter Leopold Stokowski in New York uraufgeführt. Dem Pianisten der Uraufführung, die in ganz USA per Radio übertragen wurde, Eduard Steuermann, gelang damit der internationale Durchbruch.701

Friedrich Leitermeyer ist in Wien geboren und studierte in Wien. Er war Geiger bei den Wiener Philharmonikern und Dirigent an der Wiener Kammeroper. Er komponierte ab 1941 gehobene Unterhaltungsmusik und nach autodidaktischer Beschäftigung mit Kompositionstechniken des 20. Jahrhunderts verschrieb er sich ab 1959 der Zweiten Wiener Schule. Bereits 1963 erhielt er den Österreichischen Staatspreis und den Förderungspreis der Stadt Wien, 1967 errang er den 3. Preis beim Prix Italia (Luigi Nono und Krzysztof Penderecki nahmen die beiden höheren Platzierungen ein). Er verfasste Ballett- und Bühnenmusik, Kammermusik, Orchesterwerke, Symphonien, Chöre und Lieder.702

Béla Bartók: Der wunderbare Mandarin op. 19 Die Suite „Der wunderbare Mandarin“ op. 19 wurde 1926 in Köln uraufgeführt. Der Komponist beschreibt den programmatischen Inhalt der Pantomime folgendermaßen:

In ihrem Unterschlupf zwingen drei Zuhälter ein schönes junges Mädchen, Männer zu sich auf die Stube zu locken, die dann die drei vereint ausrauben. Der erste ist ein armer Bursche, der zweite auch nicht viel besser, jedoch der dritte, ein reicher Chinese, verspricht einen guten Fang. Das Mädchen tanzt für den Mandarin und erweckt seine heftige Begierde. Er ist in Liebe entbrannt, dem Mädchen graut es jedoch vor ihm. Die Zuhälter überfallen den Chinesen, rauben ihn aus, ersticken ihn in den

700 http://www.schoenberg.at/index.php/de/joomla-license-sp-1943310035/concerto-for-piano-and- orchestra-op-42-1942 vom 20.02.2015. 701 Arne Gadomski: Eduard Steuermann. 2014. http://www.lexm.uni- hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00003691 Onlineversion vom 20.02.2015. Siehe auch: http://www.hpk-info.de/musik/jued_musik/2004_10_24-01.htm vom 20.02.2015. 702 http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_L/Leitermeyer_Fritz.xml vom 20.02.2015.

191 Kissen, durchstechen ihn mit dem Degen, können aber nicht mit ihm fertig werden: er wendet die sehnsuchtsvoll verliebten Augen nicht von dem Mädchen. Endlich folgt das Mädchen seinen weiblichen Instinkten, ist ihm zu Willen, und der Mandarin sinkt leblos zu Boden.703

Weil die Reaktionen des Publikums bei der Urauffführung herausragend waren, sollen sie hier wiedergegeben werden. Das Sujet galt als anrüchig und diese Zuschreibung war es auch hauptsächlich, weswegen das Publikum und die Musikkritiker sich über die Darbietung bei der Uraufführung sehr alterierten. Der Abscheu gegenüber dem Inhalt wirkte sich auch negativ auf die Beurteilung der musikalischen Fakten aus. Pfiffe während der Aufführung und eine Applaus-Pfeifkonzert-Fehde des Publikums sowie mediale Reaktionen, die in Bezeichnungen wie „Hottentottenkralsmusik“, […] das Entsetzlichste, was einem menschlichen Ohr zugemutet werden kann“ oder „reicher kakophoner Segen“704 gipfelten, sind nur eine Auswahl unter der reichen Anzahl an Beschimpfungen. Die überschäumenden Reaktionen auf die Uraufführung waren zum Teil politisch und sozialpsychologisch begründet. Zum einen waren zu dieser Zeit antisemitische und nationalistische Strömungen virulent, die Anhänger dieser nahmen die Uraufführung zum Anlass, sich in großmächtigen Diffamierungen zu ergehen, noch dazu war der Dirigent der Uraufführung Eugen Szenkar ein gebürtiger ungarischer Jude. Zum anderen war damals das sogenannte „Schmutz- und Schundgesetz“705 in aller Munde, das am 18. Dezember 1926 beschlossen wurde. Auf Grund der Proteste ließ der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer das Werk vor seiner zweiten Aufführung vom Spielplan absetzen. Weder die Stadtverwaltung, noch die Theaterleitung kümmerten sich darum, sie ließen eine Pressenotiz im Kölner Tagblatt erscheinen, die auf fachliche Weise die sensationswütigen Kritiker in ihre Schranken verwies. Der Komponist war frappiert über die Reaktionen, er sah das Werk nicht als pornographische Darstellung, sondern als paraphrasierte Darstellung der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts. Musikalisch hielt er sie zeitlebens für eine seiner besten Kompositionen. Er

703 György Kroó: Bartók Handbuch, Wien 1974, S. 98. 704 Wolfgang Lempfrid: Warum diese Töne? Skandal und Provokation in der Musik. http://www.koelnklavier.de/texte/varia/skandal_4.html Onlineversion vom 20.02.2015. 705 Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften. 18. Dezember 1926. (R.G.Bl. 1926 I S. 505). Abgeordnete unter anderem für Kunst und Literatur prüften die Werke. http://www.zaoerv.de/01_1929/1_1929_2_b_533_2_536_1.pdf vom 20.02.2015.

192 versuchte immer wieder, das Werk zur Aufführung zu bringen, aber die politischen Umstände waren nicht immer geeignet dafür.706

Mediale Resonanz - Printmedien

Von Harald Kaufmann ist in einer Rezension, die die gesamte erste Konzertwoche des musikprotokolls zum Inhalt hat, viel Kritisches über die allgemeine Programmgestaltung zu lesen. Es sei löblich, dass ein Bildungsauftrag ausgeführt werden will, aber ebenso schwierig wie aussichtslos, einen repräsentativen Querschnitt der zeitgenössischen Musik in so kurzer Zeit zu bieten. Die Programmgestaltung sei trotzdem sehr bemüht und man könne durchaus ersehen, dass auch in den Nachbarländern von Österreich die Avantgarde-Kompositionen nicht allesamt interessant und bemerkenswert seien. Die Musik von Petar Bergamo, so Harald Kaufmann, „war zwar nicht schlimm, aber auch nicht hervorstechend.“ Die Suite Der wunderbare Mandarin und Schönbergs Klavierkonzert bezeichnet der Rezensent als „Ausschmückung des Programms mit arrivierten Werken der klassischen Moderne“707, wogegen man nichts sagen könne, es diene eben dem Marketing des Festivals. Währenddessen er die Aufnahme der Komposition von Friedrich Leitermeyer ins Programm als „unvermeidlich“708 bezeichnet, da er von seinen Philharmoniker-Kollegen wegen seiner spieltechnisch freundlichen Kompositionsweise sehr geschätzt werde. Der Schwerpunkt der Kritik an der Programmgestaltung und der Analyse kulturpolitischer Aspekte wurde oben bereits besprochen. Ansonsten beinhaltet der Artikel wenig musikwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Konzert.

706 Wolfgang Lempfrid: Warum diese Töne? Skandal und Provokation in der Musik. http://www.koelnklavier.de/texte/varia/skandal_4.html Onlineversion vom 20.02.2015. 707 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt. 708 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt.

193 Franz Giegling bezeichnet die Aufführung von Schönbergs Klavierkonzert als „ergreifend“709 und zusammen mit Bartóks Der wunderbare Mandarin als Werke, die den Ursprung der Avantgarde markierten. Neben diesen beiden Kompositionen hätten die übrigen Stücke selbstverständlich Schwierigkeiten mit einer erfolgreichen Reputation.710

Herbert Schneiber räsoniert detailliert über die Programmgestaltung, ob es wohl beabsichtigt war, Werke unbekannter mit Werken zweier renommierter Komponisten an einem Abend gegenüberzustellen. Der Vergleich der Vertreter klassischer Moderne mit den „Jungen“ hätte Vorteile bewiesen, zeige er doch, wo die Qualität und deren Maßstäbe sich befänden. Beiden jungen Komponisten, Petar Bergamo wie Friedrich Leitermeyer bezichtigte er einer großen musikalischen Nähe zu Schönberg, ersterem auch zu Strawinsky. Die Komposition von Petar Bergamo glänze hauptsächlich durch große Lautstärke, da diese durch weite Strecken der Komposition durchgehalten wurde sei dieses Fortissimo auch das einzig hervorstechende Merkmal dieses Werkes. Das Konzert für Trompete und Orchester von Friedrich Leitermeyer sei zwar in der Lautstärke gemäßigter aber auch in der stilistischen Prägnanz nicht eben bedeutungsvoll und klinge eher wie eine Kompositionsübung, deren Fugato und Choralthema eines gewissen Effekts nicht entbehre, aber unausgegoren erschien und an Hindemith gemahne. Das zahlreich erschienene Publikum nahm beide Werke wohlwollend auf. Der Hauptjubel galt jedoch dem Dirigenten und Wahlgrazer Miltiades Caridis sowie dem gebürtigen Grazer Pianisten Walter Klien. Dem bei diesem Konzert hervorragend musizierenden Großen Orchester des Österreichischen Rundfunks galt ebenso großer Applaus. Den beiden Klassikern des Programms, dem Klavierkonzert op. 42 von Arnold Schönberg und Bartóks Werk Der wunderbare Mandarin, zollte der Rezensent großes Lob und tiefen Respekt bezüglich der Qualität der Werke wie

709 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S. 7. 710 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.8.

194 deren Ausführung.711 Dass Herbert Schneiber die letzten beiden Werke als „für die Ewigkeit“712 betitelt und erstere unter „A la mode“713 fungieren, ist eindeutig zu ersehen.

Herbert Schneiber analysiert in dieser Kritik zu einem großen Teil die Position der Komponisten in der zeitgenössischen Musikszene. Musikanalytisch hält er sich dabei eher bedeckt. Den Ausführenden zollt er großes Lob, die Programmgestaltung findet er ambivalent.

Für Richard Wehner liegt der Haupterfolg dieses Konzertes beim Dirigenten, was er im Titel seiner Kritik festhält: „Ovationen für Miltiades“.714 Für die Komposition von Petar Bergamo findet Wehner keine negativen Worte: „In kühner, atonaler Harmonie und unkonventioneller Form mit starken Effekten“715 habe sich dieses Werk positioniert, und sei „ein Stück, das durch seine Aufführung faszinierte.“716 Offensichtlich fühlte sich Richard Wehner weniger als Herbert Schneiber durch die Lautstärke der Darbietung gestört. Dafür war er vom Klavierkonzert von Arnold Schönberg nicht in großem Maße beeindruckt. Zwar lobte er die inspirierte Interpretation von Solist und Orchester, aber das Werk evoziere keine Geistveränderung, wie es H.H. Stuckenschmidt beschreibe. Über das Trompetenkonzert berichtet Wehner lediglich über die professionelle Ausführung der Musiker und dass das Konzert dem Solisten Gelegenheit biete sein technisches Können zu präsentieren. Das Finale sei „formvollendet“.717 Das Highlight des Konzertes war nach Wehner jedoch Béla Bartóks Werk Der wunderbare Mandarin. Die Größe der Komposition wurde durch das Dirigat von Caridis Miltiades „zu einem selten zu hörenden, ganz großen Erlebnis.“718 Auch Wehner beschreibt den

711 Herbert Schneiber: A la mode und für die Ewigkeit. Über das fünfte Konzert im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 30.9.1968. 712 Herbert Schneiber: A la mode und für die Ewigkeit. Über das fünfte Konzert im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 30.9.1968. 713 Herbert Schneiber: A la mode und für die Ewigkeit. Über das fünfte Konzert im Grazer „Musikprotokoll“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 30.9.1968. 714 Richard Wehner: Ovationen für Miltiades. In: Grazer Wahrheit vom 29.9.1968, S. 7. 715 Richard Wehner: Ovationen für Miltiades. In: Grazer Wahrheit vom 29.9.1968, S. 7. 716 Richard Wehner: Ovationen für Miltiades. In: Grazer Wahrheit vom 29.9.1968, S. 7. 717 Richard Wehner: Ovationen für Miltiades. In: Grazer Wahrheit vom 29.9.1968, S. 7. 718 Richard Wehner: Ovationen für Miltiades. In: Grazer Wahrheit vom 29.9.1968, S. 7.

195 begeisterten Applaus. Seiner Einschätzung zufolge war dieses Konzert das vortrefflichste der bisherigen Konzerte im musikprotokoll.719

Karl Haidmayer befand ebenso, wie die meisten seiner Kritikerkollegen, dass „Der wunderbare Mandarin“ das beste Werk des Abends gewesen sei. Dieser Erfolg lag zu einem großen Teil in den Händen des Dirigenten Caridis Miltiades. Für das Klavierkonzert von Arnold Schönberg hatte der Rezensent wohl auch lobende Worte, die hauptsächlich den Ausführenden und weniger dem Werk an sich galten. Die Komposition von Petar Bergamo analysiert Karl Haidmayer eingehend. Er spricht von „flirrenden Tremolo-Effekten der Primgeiger und näselndem ‚Sul- ponticello-Klang’ der Celli, die mit […] kräftigen Schlägen des Blechs unterbrochen“720 werden. Die Begeisterung lässt in Folge etwas nach, der Rezensent bescheinigt dem Komponisten eine ungesunde Annäherung an Berlioz und Tschaikowsky. Von Friedrich Leitermeyers Konzert für Trompete war der Kritiker am wenigsten beeindruckt. Auch er hörte eine Unausgegorenheit und an Studien erinnernde Kompositionsweise heraus, gleichwohl das Stück gute Ideen beherbergen würde und „neue Effekte“721 für die Solotrompete vorweise. Die Programmauswahl befand der Kritiker für sehr gut, dadurch sei dieses Konzert zu einem „anregenden und interessanten Erlebnis“722 geworden.723

Karl Haidmayer lässt auch hier von seiner positiven Grundhaltung zu seinen komponierenden Kollegen nicht ab, ausgenommen ist Friedrich Leitermeyer. Der Kritiker analysiert musiktheoretisch genauer als bei den vorangegangenen Konzerten, gleichwohl die Ausführenden und die emotionalen Effekte des Konzertes breiten Raum finden.

719 Richard Wehner: Ovationen für Miltiades. In: Grazer Wahrheit vom 29.9.1968, S. 7. 720 Karl Haidmayer: Wahre „Feste im Herbst“. Miltiades Caridis im „Musikprotokoll 1968“. In: Kleine Zeitung vom 29.9.1968, S. 16. 721 Karl Haidmayer: Wahre „Feste im Herbst“. Miltiades Caridis im „Musikprotokoll 1968“. In: Kleine Zeitung vom 29.9.1968, S. 16. 722 Karl Haidmayer: Wahre „Feste im Herbst“. Miltiades Caridis im „Musikprotokoll 1968“. In: Kleine Zeitung vom 29.9.1968, S. 16. 723 Karl Haidmayer: Wahre „Feste im Herbst“. Miltiades Caridis im „Musikprotokoll 1968“. In: Kleine Zeitung vom 29.9.1968, S. 16.

196 Auch Reiner Puschnig befindet mit Der wunderbare Mandarin sei ein Meisterwerk zur Aufführung gebracht worden. Dieses Werk sei immer noch mitreißend, voll gegensätzlicher Effekte und es sei unglaublich, dass es schon fünfzig Jahre alt sei. Das Klavierkonzert von Arnold Schönberg erschien dem Rezensenten „klassisch gebändigt“,724 gleichwohl dem Pianisten bezüglich seiner meisterhaften Interpretation großer Respekt gezollt wird. Das Trompetenkonzert von Friedrich Leitermeyer wird von Reiner Puschnig als großteils uninteressant beschrieben, obwohl es große Herausforderungen für den Solisten birgt. Die Komposition von Petar Bergamo befand dieser Kritiker – als einer der wenigen - als „einen ausgezeichneten Eindruck“725 hinterlassend. Rhythmus und Klang seien ebenso faszinierend wie die Satztechnik, die Dichte des Strukturaufbaues und die Kraft, die diesem Werk innewohne. Auch Reiner Puschnig bezeugt, dass der große Erfolg des Konzertes bei den Ausführenden liegen mag. Insbesonders beim Dirigenten, der, obzwar schon neun Jahre nicht mehr in Graz engagiert, sich noch immer der Sympathie des Grazer Publikums erfreue. Der gute Ruf des Rundfunkorchesters mag ebenso dazu beigetragen haben, dass sich das Konzert einer großen Zuhörerschar erfreuen konnte und es zum Highlight des musikprotokolls wurde,726 so die Einschätzung des Rezensenten.

Reiner Puschnig bietet eine musikanalytische Rezension, obgleich er allgemeine Phrasen wie uninteressant etc., nicht scheut. Dass ein Gutteil des Erfolges in der Leistung der Ausführenden liegt und hier auch die Grazer Herkunft von Dirigent und Solist als positiv für das Konzert und für das entgegenkommende Wohlwollen des Publikums beschrieben wird, dieser Meinung sind auch andere Kritikerkollegen.

Manfred Blumauer befand ebenfalls, dass dieses Konzert als das bisher beste des musikprotokolls gelten konnte. Laut ihm beruhte dieser Erfolg auf den zwei Meisterwerken, die auf dem Programm standen. Auch der Heimat-Aspekt, das

724 Reiner Puschnig: Ein Höhepunkt des Grazer Musikprotokolls. Miltiades Caridis dirigierte im Stephaniensaal das Große Orchester des Österreichischen Rundfunks aus Wien. In: Neue Zeit vom 29.9.1968, S. 4. 725 Karl Haidmayer: Wahre „Feste im Herbst“. Miltiades Caridis im „Musikprotokoll 1968“. In: Kleine Zeitung vom 29.9.1968, S. 16. 726 Karl Haidmayer: Wahre „Feste im Herbst“. Miltiades Caridis im „Musikprotokoll 1968“. In: Kleine Zeitung vom 29.9.1968, S. 16.

197 Gastspiel von Caridis Miltiades und Walter Klien, trug wesentlich dazu bei, dass der Stephaniensaal voll war. Die Gegenüberstellung der Klassiker und der Werke neueren Datums fand der Rezensent nicht so günstig, da die Qualitätsunterschiede der beiden neueren Werke gegenüber den Klassikern sehr deutlich zutage traten. Blumauer erwärmte sich für Bergamos Komposition in weit größerem Maße als für das Trompetenkonzert von Leitermeyer. Bergamos Stück sei effektvoller, aber auf unterem Niveau. Leitermeyers Komposition erinnere an die Zwölftonmusik von Arnold Schönberg, auch Anklänge an Joseph Matthias Hauer seien zu hören gewesen, was der Rezensent als kompositionsgeschichtlich interessant findet. Für das Klavierkonzert von Schönberg fand der Kritiker nur lobende Worte, ebenso für den Pianisten. Die Suite Der wunderbare Mandarin bezeichnete Manfred Blumauer als Krönung des Abends, deren Erfolg beim Dirigenten und dem ausführenden Orchester begründet lag.727

Wendelin Frauenhofer bemängelt ebenso wie manche seiner Kollegen die undankbare Programmgestaltung, bei der durch die Übermacht des erfolgreichen Klavierkonzerts von Schönberg und Bartóks Der wunderbare Mandarin die übrigen Kompositionen schwer bestehen könnten und die beiden ersteren zudem hervorragend dargeboten worden waren. Über Petar Bergamos Werk sei nur zu sagen, dass es laut und wohl strukturiert sei. Über dieses Werk gab es wenigstens strittigen Disput, so der Rezensent. Der Abend sei der beste gewesen, dank der ausgezeichneten Leistung der ausführenden Musiker.728

Conclusio

Die Form der Gegenüberstellung von renommierten und völlig neuen Werken wird von den Rezensenten ambivalent gesehen. Einerseits kann es als Ehre für aufstrebende Komponisten verstanden werden, wenn ihr Werk neben einem „Klassiker“ zur Aufführung kommt, andererseits ist es heikel, da die

727 Manfred Blumauer: Maßstäbe und Einisichten. „Musikprotokoll 1968“: Großes Rundfunkorchester unter Caridis. In: Südost Tagespost vom 29.9.1968, S. 7 728 W. Frauenhofer: Neue Musik – exakt protokolliert. Bericht vom steirischen Herbst in Graz. In: Die Furche vom 5. 10.1968.

198 Gegenüberstellung auch die Unterschiede deutlich spüren lässt, und diese müssen nicht immer in der Qualität begründet sein. Mängel, seien sie interpretatorisch oder spieltechnisch, treten bei einem Uraufführungswerk eher auf, als bei Kompositionen, die ein Ensemble schon öfters gespielt hat. So gesehen war die Entscheidung der Programmkuratoren eine mutige. Die Frische und die energetische Konzentration, die eine Uraufführung mit sich bringt, können allerdings so manche Mängel aufheben. Außerdem ist es durchaus möglich, dass ein neues Werk von der Qualität seiner Komposition über einem „klassischen Meisterwerk“ steht. Für ein Avantgardefestival ist es nur legitim, diese Unwägbarkeiten einzugehen und eine derartige Gegenüberstellung ins Programm aufzunehmen.

Mediale Reaktionen – Rundfunk

Peter Vujica informiert am Konzerttag nur über die Eckdaten des Konzertes, er führt Titel und Komponisten ebenso wie die Ausführenden an – ohne weitere Erläuterungen. Den weitaus größeren Teil der Ankündigung erhält das am Tag darauf stattfindende Salonkonzert von Otto Maria Zykan.729

Am Tag vor dem Konzert erfolgte ein detaillierteres Aviso im ORF. Schönbergs Klavierkonzert sei demnach ein Gradmesser für die anderen dargebotenen Kompositionen, Peter Vujica liefert eine genaue Analyse des Werkes in ausschließlich positiver Darstellung. Das Klavierkonzert erfreue sich außerdem der Grazer Erstaufführung. Der wunderbare Mandarin sei eine effektvolle zeitgenössische Komposition. Die Komposition von Petar Bergamo sei ein vielversprechendes, faszinierendes Orchesterwerk, das von großem Ausdruckswillen, frei von jeglicher Tonalität und hervorragender Verwendung unterschiedlichster Instrumentationseffekte lebe. Das Trompetenkonzert von Friedrich Leitermayer, einem erfolgshonorierten Komponisten und Musiker, sei

729 Peter Vujica: [Manuskript zur Sendung am 3. 10.1968]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, Graz.

199 teilweise den konservativen Ohren des Publikums entgegenkommend komponiert und trotzdem zeitgenössichen Formen nicht abgeneigt.730

Ein unbekannter Verfasser (eventuell handelt es sich um Herbert Schneiber, der häufig Rundfunkbeiträge verfasste) schreibt für die Radiosendung, dass die Programmgestaltung dieses Konzertes durchaus berechtigt war. Ob eine Absicht dahinter lag, konnte er zwar nicht bestätigen, der Autor fand es jedoch positiv, dass die Gegenüberstellung von Klassikern und jungen Komponisten sinnvoll war, vorausgesetzt, so der Rezensent, dass die aufstrebenden Komponisten ihre Meisterwerke noch vor sich hätten. Die „Musica concertante“ von Petar Bergamo habe spannend begonnen, mit leisen Bläser- und tremolierenden Streicherklängen. „Ein heftiger rhythmischer Schlag, dessen Lautstärke einen schon ins Jenseits befördern kann vor Schreck, schafft die Zäsur“731 zum polyrhythmischen Ende. Jedoch ruiniere die ständige Erinnerung an Strawinsky, aber hauptsächlich überdimensionale und allzu lange Verwendung von Forte-Klängen, die Form des Werkes und auch deren musikalische Qualität. Wohl weniger laut, aber auch qualitativ nicht eben wertvoller, beschreibt der Verfasser das Trompetenkonzert von Fritz Leitermeyer. Wirkungsvoll instrumentiert sei es, geschmackvoll zuweilen, aber im Gesamten doch substanzlos und oft an Hindemith erinnernd. Das Konzert sei eher Studie als fertig komponiertes Werk. Das Publikum nahm beide Werke wohlwollend auf, den großen Jubel aber erhielt Arnold Schönbergs Klavierkonzert, das engagiert musizierende Orchester und allen voran der Pianist Walter Klien, der trotz großer Virtuosität hochsensibel und mit nuanciertem Ausdruck dieses, eines seiner Lieblingskonzerte, darbot. Der wunderbare Mandarin war für den Autor eine wohlgelungene Demonstration des professionell agierenden Orchesters einerseits und andererseits eine Beweisführung, dass großes Fortissimo bei qualitativ hochwertigen Kompositionen durchaus seine Berechtigung habe und nicht als

730 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst vom 27.9.1968. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark. S. 1f. 731 [Herbert Schneiber?]: [Manuskript] zu Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 28.9.1968. Studio Steiermark. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, S. 2.

200 anstrengend, sondern als ergreifend wahrgenommen werden würde. Der Applaus dafür sei ausgiebig gewesen.732

28. September Kammermusiksaal Graz: Salonkonzert mit Otto M. Zykan Kurt Schwertsik (*1935): 3 Chansons nach Texten von Richard Bletschacher und Erich Fried. Peter Greenham (1909-1992): Lautgedicht Otto M. Zykan (1935-2006): Klavierstück Hans Otte (1926-2007): Noli me tangere Otto M. Zykan: Stück für Kontrabaß und Klavier Heinz Karl Gruber (*1943): 3 Klavierstücke Otto M. Zykan: Inszene für 5 Sprecher und einen nicht ganz unbeteiligten Dirigenten nach einem Text von Weissenbüttel von Otto M. Zykan. Mitwirkende: Eva Pils (Rezitation), Ludwig Streicher (Kontrabass), Otto M. Zykan (Klavier), Singer-Singers.

Programminformationen: Kurt Schwertsik: Veränderungen: 1962 wurde das Werk, ein Melodram für Klavier und Sprecher nach einem Text von Friedrich Achleitner in Darmstadt uraufgeführt.733

Peter Greenham ist in Großbritannien geboren und ist als Maler der figurativen Periode bekannt. Er zählt zu den einflussreichsten Künstlern der Nachkriegszeit in Großbritannien.1960 trat er in die Royal Academy ein, wo er von 1964-1985 als „Keeper“ die Verantwortung der Academy Schools innehatte. Er studierte Fine Arts bei Byam Shaw. Vor seiner künstlerischen Laufbahn erwarb er einen Abschluss in Englisch am Magdalen College in Oxford, er war für seine wohlklingenden Formulierungen der englischen Sprache berühmt. 1969 veröffentlichte er ein Buch über Velazquez.734 Er war ab 1967 des Öfteren zusammen mit österreichischen

732 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 30.9.1968. Studio Steiermark. Archiv des ORF Landesstudio Steiermark, S. 2f. 733 http://www.kunstsenat.at/mitglieder/schwertsik.htm vom 21.02.2015. 734 http://www.independent.co.uk/news/people/obituary-peter-greenham-1533001.html vom 1.03.2015. Siehe auch: http://www.jennaburlingham.com/news/30/ vom 01.03.2015.

201 Musikern und Schriftstellern in Maria Saal in Kärnten im „Tonhof“, einer avantgardistischen künstlerischen Sommerfrische, zu Gast. Neben Otto M. Zykan, Ivan Eröd, (um nur die Komponistenkollegen des musikprotokolls zu nennen), waren auch Peter Turrini, Friedrich Cerha und viele andere VertreterInnen der europäischen Avantgarde dort zu Gast.735

Otto Matthäus Zykan ist in Wien geboren. Er war ein hochbegabter Pianist und als „Komponist und Interpret gestischer Text-Musik-Strukturen“736 gefeiert. Studiert hat er Komposition bei Karl Schiske, Klavier bei verschiedenen Lehrern, der häufige Wechsel erfolgte wegen seiner mangelnden Übe-Bereitschaft. Nichtsdestotrotz gewann er 1958 einen Klavierwettbewerb in Darmstadt und schloss 1960 das Klavierstudium ab. Er war Mitbegründer der Wiener Salonkonzerte (1965), des Ensembles MOB art & tone ART (1968) und 1969 konzertierte er bei den Wiener Festwochen und bot alle Kompositionen für Klavier von Arnold Schönberg auswendig dar.737 Die Definition von Zykan für Salonkonzert lautet folgendermaßen: „Wenn ich mir eine Nelke ins Knopfloch stecke!“738

Hans Otte ist in Sachsen (Deutschland) geboren. Er studierte ab 1946 in Weimar Komposition bei Kurt Rasch, Dirigieren bei Herman Abendroth, weiters bildende Kunst und an der Stanislawski-Schauspielschule Theater. 1948-50 studierte er weiter in Stuttgart Klavier bei Armin Erfurth und Komposition bei Johann Nepomuk David. 1950-51 studierte er bei Paul Hindemith an der Yale University in New Haven.739 Bereits 1959 wurde er künstlerischer Leiter von Radio Bremen. Dort gründete er zwei Festivals Pro Musica Nova und Pro Musica Antiqua. Ersteres

735 Klaus Amann und Johann Strutz: Das literarische Leben. In: Herbert Dachs, Ernst Hanisch und Robert Kriechbaumer (Hgg.): Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945. (Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für Politisch-Historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Bd. 6). 2. Kärnten: von der deutschen Grenzmark zum österreichischen Bundesland. Hg: Helmut Rumpler unter Mitarbeit von Ulfried Burz: S. 560ff. 736 Irene Suchy: Otto M. Zykan. Band 1. Materialien zu Leben und Werk. http://www.sandammeer.at/gendub/zykan.htm Onlineversion vom 21.02.2015. 737 Wolfgang Fuhrmann: Otto M. Zykan – Biogramm. https://www.nachschlage.net/search/kdg/Otto+M+Zykan/663.html Onlineversion vom 21.02.2015. 738 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Graz, S.14. 739 Ingo Ahmels: Hans Otte – Biogramm. https://www.nachschlage.net/search/kdg/Hans+Otte/723.html Onlineversion vom 21.02.2105.

202 beinhaltete Programme mit den bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten. Er zählt zu den profiliertesten Komponisten der Avantgarde. Bereits im ersten Studienjahr erhielt er für seine Klaviersonate über ein Thema aus Mozarts „Jupitersinfonie“ den Weimarer Staatspreis.740 Er lud prominente amerikanische KomponistInnen nach Deutschland, wie John Cage, Meredith Monk oder Steve Reich.741 „Das Buch der Klänge“ (1979-1982) und das „Stundenbuch“ (1991-1998) werden international häufig zur Aufführung gebracht. Sein Stil ist geprägt von der Idee, die Natur des Klanges zu erfahren. Hinter der Harmonik lauere die musikalische Welt, diese möchte er sichtbar machen. Von musikalischer Komposition, Zeichnung und Aquarell bis zu Film, Theater und Klanginstallationen reicht sein Oeuvre.742

Heinz Karl Gruber ist in Wien geboren und studierte in Wien Komposition bei Erwin Ratz und Gottfried von Einem, weiters Musiktheorie und Kontrabass. Ab 1961 spielte er Im Ensemble die reihe, 1969 erhielt er eine Stelle im ORF- Symphonieorchester. Im Ensemble MOB art und tone ART, deren Mitbegründer er war, sang er und trat als Schauspieler auf. Seine internationale Bekanntheit begann 1978, als sein Werk „Frankenstein“ uraufgeführt wurde.743

Mediale Resonanz

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtet Harald Kaufmann über Otto M. Zykans Kompositionen, „die ihre eigene Note an Charme und Zynismus haben“.744 Das ist mit Vorsicht durchaus als Lob zu lesen, betrachtet man die gesamte Berichterstattung von Kaufmann, die generell nicht sehr positiv ist. Über die anderen Komponisten dieses Abends schweigt Kaufmann.

740 Benjamin G. Cohrs: Hans Otte. http://www.klassik- heute.com/4daction/www_komponist_text?id=2120&text=836 Onlineversion vom 21.02.2015. 741 Gerhard Koch: Bewegung aus der Ruhe bringen. Bildnis eines Metamusikers: Zum Tode von Hans Otte. http://www.nmz.de/artikel/bewegung-aus-der-ruhe-bringen Onlineversion vom 21.02.2105. 742 http://www.weserburg.de/index.php?id=236 vom 21.02.2015. 743 http://www.boosey.com/cr/catalogue/ps/powersearch_results.asp?composerid=2843 vom 21.02.2015. 744 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt.

203 Auch Franz Giegling urteilt in seinem Bericht für die Rundfunksendungen für den Abend nicht günstig. Das Konzert sei ein „Fremdkörper“745 im musikprotokoll gewesen. Weder die Kompositionen, noch die Texte und auch nicht die Interpretation zeugten von hohem Niveau. „Man wartete […] ständig auf die Pointe. Sie kam nicht.“746 Ein Kritiker soll auf das bekannteste Werk von Zykan, die Oper „Singers Nähmaschine ist die beste“, nach dem Grazer Salonkonzert gedichtet haben: „Zykans Schmähmaschine ist nicht die beste!“747

Karl Haidmayer hat seine Rezension mit eben diesem Titel überschrieben.748 Haidmayer war in keiner Weise begeistert von diesem Konzert, er sprach ihm jegliche Ernsthaftigkeit und auch jegliche Heiterkeit ab. Schon die Beginnzeit erinnere ans Kabarett, Otto Zykan positionierte sich als „undeutlich sprechender Conférencier, […] und als ganz hervorragender Pianist.“749 Die Auswahl des Programmes sei unpassend, die Interpretation, mit Ausnahme des hervorragend musizierenden Kontrabassisten Ludwig Streicher, Otto Zykan als Pianist und der Sprecherin Eva Pilz, nicht von hoher Qualität. Weder die Klavierstücke von Karlheinz Gruber seien weiter bemerkenswert, noch die Chancons von Kurt Schwertsik oder Peter Greham, auch nicht die Komposition von Hans Otte fand die Anerkennung des Rezensenten. Am ehesten konnte sich der Rezensent noch für das Stück von Otto Zykan für fünf Sprecher erwärmen, wenn man sich alles Störende wegdenkt.750

745 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.14. 746 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.14. 747 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.14. 748 Karl Haidmayer: Zykans Schmähmaschine – nicht die beste! Musikprotokoll 1968 – Mitternächtliches „Salonkonzert“. In: Kleine Zeitung vom 1.10.1968, S. 14. 749 Karl Haidmayer: Zykans Schmähmaschine – nicht die beste! Musikprotokoll 1968 – Mitternächtliches „Salonkonzert“. In: Kleine Zeitung vom 1.10.1968, S. 14. 750 Karl Haidmayer: Zykans Schmähmaschine – nicht die beste! Musikprotokoll 1968 – Mitternächtliches „Salonkonzert“. In: Kleine Zeitung vom 1.10.1968, S. 14.

204 Dietmar Polaczeks Bericht wirkt hingegen begeistert, er erklärt mit launigen Worten die Szenerie der Salonkonzerte und erweckt den Eindruck, dies sei eine von Belustigung und Heiterkeit geprägte Veranstaltung, zu deren Intention auch das Publikum angehalten ist, wie etwa mit einer Blume im Knopfloch zu erscheinen. Ganz nach Otto Zykan, dessen Definition für Salonkonzert lautet: „Ein Salonkonzert ist ein Konzert, bei dem ich eine weiße Nelke im Knopfloch trage“.751 Die Kompositionen von Karlheinz Gruber skizziert der Rezensent als „hübsche, sehr gescheite und rhythmisch interessante Klavierstücke“.752 Das Werk für Kontrabass und Klavier von Otto Zykan litt etwas unter der erregten Atmosphäre, der Kontrabassist wurde ob seiner großartigen Leistung gewürdigt. „Noli me tangere“ von Hans Otte war trotz seiner gekürzten Version etwas zu lang geraten. Das Werk von Otto Zykan für „einen nicht ganz unbeteiligten Dirigenten und fünf Sprecher“ fand eine vorsichtige Zustimmung des Kritikers. Die Programmgestaltung fand Dietmar Polaczek schlüssig, die Interpretation verlange „keine Kritik“.753 Insgesamt sei dieses Konzert „Ein heiterer Farbtupfen im strengen, scharfkantigen Gemälde des ernsthaften Musikprotokolls“.754

Conclusio

Dieses Konzert scheint die gegensätzlichsten Kritiken aufzuweisen, denen jedoch eine gewisse Oberflächlichkeit in der Berichterstattung gemein ist. Es findet sich wenig Musikanalytisches, der emotionale Aspekt des Hörerlebnisses steht im Vordergrund. Die negativen Einschätzungen mögen auch mit einer gewissen Ermüdung der Kritiker zu erklären sein, kommt doch in anderen Medienberichten des musikprotokolls immer wieder vor, dass zehn Konzerte nur mit zeitgenössischer Musik doch etwas anstrengend sein könnten. Bezeichnend dafür ist auch, dass es für dieses Konzert weniger Berichterstattung gab als bei den vorangegangenen. Auch

751 In: Dietmar Polaczek: Das ironisch ersehnte Biedermeier. Zykans Salonkonzerte sind die besten – Etwas über den Grazer Abend. In: Neue Zeit vom 1.10.1968, S. 4 752 Dietmar Polaczek: Das ironisch ersehnte Biedermeier. Zykans Salonkonzerte sind die besten – Etwas über den Grazer Abend. In: Neue Zeit vom 1.10.1968, S. 4. 753 Dietmar Polaczek: Das ironisch ersehnte Biedermeier. Zykans Salonkonzerte sind die besten – Etwas über den Grazer Abend. In: Neue Zeit vom 1.10.1968, S. 4 754 Dietmar Polaczek: Das ironisch ersehnte Biedermeier. Zykans Salonkonzerte sind die besten – Etwas über den Grazer Abend. In: Neue Zeit vom 1.10.1968, S. 4.

205 scheint der Aspekt der Heiterkeit in diesem Konzert eine gewisse Rolle zu spielen. Jene, die die Kompositionen dieses Programms als heiter empfanden, beurteilten das Konzert generell wohlwollender. Dies ist insofern interessant, als bei früheren Konzerten des musikprotokolls der Unterhaltungsaspekt (siehe oben) als negativ beurteilt worden war. Möglicherweise war die Form der Unterhaltung bei diesem Konzert auch für manche Rezensenten eine ansprechendere.

29. September Kammermusiksaal Graz Egon Wellesz (1885-1974): Streichquartett Nr. 9, op. 97 (ÖE) Gottfried von Einem (1918-1996): Alpbacher Tanzserenade „Glück, Tod und Traum“. Jiří Jaroch (1920-1986): Nonett (ÖE) Josef Maria Horvath (*1931): Redundanz II. Für Streichquartett (EE). Leitung: Viktor Redtenbacher. Ausführende: Kammermusikvereinigung des ORF.

Programminformationen: Egon Wellesz: Streichquartett Nr. 9, op. 97 (ÖE). Es wurde am 21. April 1970 in Bromsgrove (GB) zur Uraufführung gebracht. Entstanden ist das Werk 1966.755

Gottfried von Einem: Alpbacher Tanzserenade „Gd Traum“ mit der Überschrift: Glück, Tod und Traum, wurde am 23.8. 1954 in Alpbach unter der Leitung von Kurt Rapf, Choreographie von Ivonne Goergi mit dem Ensemble des Landestheaters Hannover zur Uraufführung gebracht.756

Jiří Jaroch ist ein tschechischer Komponist, er studierte in Prag und war zuerst als Viola-Spieler engagiert. 1947 erhielt er eine Anstellung beim tschechischen Rundfunk, wo er als Komponist und Dramaturg arbeitete. Eine kurze Zeit gab er Jiří Teml Unterricht in Komposition. Sein Stil bewegt sich von später Romantik in seiner frühen Periode über einem von ihm kreierten eigenen Modalsystem, das auf Tritonus-Intervallen und Akkord-Beziehungen beruht, bis zur besonderen Gewichtung von Ausdruck und formalem System in seinen Spätwerken. 1947 wurde

755 http://www.doblinger-musikverlag.at/dyn/kataloge/Wellesz_komplett_3.pdf vom 22.02.2015. 756 Thomas Leibnitz: Lebenslauf. http://www.einem.org/de/komp_ll.htm Onlineversion vom 22.02.2015.

206 erstmals eine Komposition von ihm aufgeführt, mehr als zehn große Orchesterwerke folgten bis zum Jahr seiner Einladung nach Graz. Seine drei Symphonien repräsentieren jeweils einen unterschiedlichen Stil. Seine zweite Symphonie wurde 1962 beim Warschauer Herbst uraufgeführt, ebenso die „Fantasie für Viola und Orchester“. Das „Symphonische Poem“, das 1964 vom tschechischen Radiosymphonieorchester zu dessen 35. Bestandsjubiläum komponiert und von diesem uraufgeführt wurde „Stařec a moře. Symf. poema podle Hemingwaye“. (Old Man and Sea. Symphonic poem after Hemingway) fand internationales Echo, nicht nur im sowjetischen Bereich, sondern über Westeuropa hinaus bis nach Kuba. Das Nonett, eine verspielte und poetische Kindersuite für neun Bläser, komponierte Jaroch als Geschenk für die Kinder der Mitglieder des Czech Nonet. Die Komposition war über Jahre hindurch die meistaufgeführte dieses Ensembles, das sich damit auf Welttournee begab.757 Uraufgeführt wurde das Werk 1952 unter dem Titel „Childrens’s Suite for Nonet“758

Josef Maria Horvath wurde in Ungarn geboren und studierte von 1948-1956 in Budapest Komposition und Dirigieren. Von 1957-1961 studierte er am Mozarteum Salzburg Klavier bei Kurt Leimer und Komposition bei Cesar Bresgen. Am Beginn seiner Laufbahn war er als Konzertpianist erfolgreich. Diese Karriere beendete er, sobald er als Komponist renommiert war. Bereits 1961 wurde sein Trio für Horn, Violine und Klavier von Radio Budapest aufgenommen, fortan reüssierte er mit zahlreichen Uraufführungen in Montreal, Canada, Baden-Baden, bei Radio Warschau, Wien und Salzburg. Ab 1962 lehrte er am Mozarteum Salzburg moderne Kammermusik und ab 1970 Theorie und Praxis der neuen Musik.759 Die Komposition Redundanz II ist mittlerer Bestandteil des Streichquartettzyklus Redundanz (I, II und III). Mit diesem II. Streichquartett gewann Josef Maria Horvath 1967 (als österreichischen Beitrag) den ersten Preis beim Jeunesse Musicale Kompositionswettbewerb in Montreal. Neben einem erklecklichen Preisgeld standen ihm auch 500 Aufführungen des prämierten Werkes in den

757 http://www.musicbase.cz/composers/355-jaroch-jiri/ vom 22.02.2015. Siehe auch: http://www.musica.cz/en/composers/show?itemId=55#work vom 22.02.2015. 758 http://www.musica.cz/en/composers/show?itemId=55#work vom 22.02.2015. 759 https://www.moz.ac.at/de/university/personen/emeriti_bio.php?l=de&nr=138 vom 22.02.2015.

207 Mitgliedsländern der Jeunesse Musicale zu. Auf Grund der hohen Anforderung an die Musizierenden blieb es bei einem guten Dutzend Darbietungen.760

Mediale Resonanz - Printmedien

Gerhard Brunner berichtet in der Stuttgarter Zeitung mit großem Enthusiasmus von Josef Maria Horvath. Sein Werk „Redundanz 2 [sic] [sei] „eine der kühnsten, erregendsten und meisterlichsten Hervorbringungen der neueren österreichischen Kammermusik.“761 In einer ausführlichen musikalischen Analyse würdigt der Rezensent das „fast geometrisch streng strukturierte Stück“762, das „sich niemals in aufgesetzten, äußerlichen Effekten erschöpft, sondern selbst die abenteuerlichsten Tempi oder Spielarten als musikalisch integrierte, zwingende Ausdrucksmittel erkennen lässt.“763 Er erwähnt auch lobend die Arbeit des Orchesters der Kammermusikvereinigung des Österreichischen Rundfunks unter seinem Dirigenten Viktor Redtenbacher, da das Werk das „Äußerste an Klangdisziplin, Präzision und Konzentration“764 erforderte. Der gleiche Rezensent berichtet in der Illustrierten Kronen Zeitung von diesem Konzert, das er nicht am Konzertabend sondern „in fortgeschrittenem Probenstadium“765 erlebt habe. Der Bericht umfasst die Rezension von vier live erlebten Konzerten und dieses fünften, in einer Probe rezensierten, einzig Redundanz II von Joseph Maria Horvath wird hier besprochen. Dieses Werk zählt Gerhard Brunner zu „den kühnsten, erregendsten und meisterlichsten Hervorbringungen der neueren Kammermusik.“766 Der Rezensent äußert sich

760 Christian Heindl: Markenzeichen Redundanz. Der Komponist und Exilungar Maria Horvath wird 75. http://www.doblinger-musikverlag.at/dyn/klangpunkte/kp_klangpunkte_23_web.pdf Onlineversion vom 22.02.2105. 761 Gerhard Brunner: Steirische Initiative. Musikprotokoll 1968. Der Preis für Josef Maria Horvath. In: Stuttgarter Zeitung, Stuttgart. 762 Gerhard Brunner: Steirische Initiative. Musikprotokoll 1968. Der Preis für Josef Maria Horvath. In: Stuttgarter Zeitung, Stuttgart. 763 Gerhard Brunner: Steirische Initiative. Musikprotokoll 1968. Der Preis für Josef Maria Horvath. In: Stuttgarter Zeitung, Stuttgart. 764 Gerhard Brunner: Steirische Initiative. Musikprotokoll 1968. Der Preis für Josef Maria Horvath. In: Stuttgarter Zeitung, Stuttgart. 765 Gerhard Brunner: Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des ersten „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronenzeitung vom 29.9.1968. 766 Gerhard Brunner: Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des ersten „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronenzeitung vom 29.9.1968.

208 lobenswert über Klangausdruck, Tempogebarung und Phantasie des Komponisten insbesonders bei dem besagten Werk. Der Österreichische Rundfunk täte gut daran, Joseph Maria Horvath einen Kompositionsauftrag zu erteilen.767 Über die weiteren Werke des Konzerts schweigt der Kritiker.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung räsoniert Harald Kaufmann über die „frivol- herausfordernde Billigkeit“768 im Werk von Gottfried von Einem und befindet, dass die an diesem Abend dargebrachten Werke von Josef Maria Horvath „zwar nicht schlimm, aber auch nicht hervorstechend“769 waren. Die avantgardistische Musik aus Laibach, Agram und Pressburg beschreibt der Kritiker als einen Stil, der einen gewissen Reiz ausübe, sich aber unterschiedlicher Qualität erfreue und bis „ins Souterrain der Illustrations- und Unterhaltungsmusik“770 reiche. Kaufmann hat die einzelnen Konzerte nicht separat beschrieben. Die vorhergehende Einschätzung gilt demzufolge auch für die weiteren Konzerte, die Werke von Komponisten aus Laibach, Agram oder Pressburg auf dem Programm hatten.

Hier findet sich wieder die Kritik der „Unterhaltung“. An musikanalytischer Berichterstattung ist wenig zu finden, es herrscht allgemeiner journalistischer Jargon vor, der sich eher auf gefühlsbetonte Erfahrungen beim Hören der einzelnen Werke erstreckt. Dies ist für den Musikwissenschafter Harald Kaufmann nicht bezeichnend, ob Verärgerung in Bezug auf das musikprotokoll aus welchen Gründen auch immer, hier die Ursache sind, lässt sich nachträglich nicht eruieren.

Franz Giegling beschreibt die beiden Werke von Egon Wellesz und Josef Maria Horvath als die Höhepunkte des Konzertes. Das Streichquartett von Wellesz erfreue sich “reifen, abgeklärten Stils […] mit weiser Ökonomie sind hier die musikalischen

767 Gerhard Brunner: Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des ersten „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronenzeitung vom 29.9.1968. 768 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt. 769 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt. 770 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt.

209 Gedanken gesetzt, […] keine Experimente, nur das Wesentliche.“771 Es ist eindeutig zu bemerken, dass der Musikwissenschafter Giegling seine Freude an der ausgereiften Kompositionstechnik des Altmeisters Wellesz hatte. Aber auch dem 37-jährigen Joseph Maria Horvath streut er Lorbeeren, wenn er bemerkt, Redundanz II sei ein „intelligent gestaltetes Stück, stilistisch der Avantgarde verpflichtet, teilweise pointillistisch, reich an Einfällen, die gekonnt verarbeitet und formal beherrscht sind.“772 Den beiden anderen Werken des Abends, Einems Tanzserenade und Jarochs Zweitem Nonett gesteht er konservativen Stil und nette Einfälle zu.773 Diese beiden Werke repräsentierten für Giegling keine avantgardistische Schaffensepoche.

Herbert Schneiber berichtet in der Morgenausgabe des Kurier beifällig über das Werk von Gottfried von Einem als lustig und poetisch. Die Komposition von Egon Wellesz beschreibt der Rezensent als angenehm, frei von Effekten und klarer Struktur. Die Einförmigkeit des Klanges und der vorwiegend polyphonen Stimmführung stehe einer eindeutigen Erkennung einer Aussage entgegen. Das Werk von Joseph Maria Horvath analysierte der Rezensent als „Miau-Gewinsel oder Stratosphärenklang […] mit hervorragender formaler Organisation […]. Eine Köstlichkeit von Graden spendiert das staubtrockene Pizzicato-Intermezzo“.774 Das Nonett von Jiři Jaroch befindet Herbert Schneiber zwar etwas zu lang, es sei jedoch ein gewichtiges Stück Musik und führe von der Spätromantik in die neue Sachlichkeit der zeitgenössischen Kultur.775

771 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.15. 772 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.15. 773 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.16. 774 Herbert Schneiber: Von Alpbach bis Fünfkirchen. Vom Kammermusik-Protokoll des „Steirischen Herbstes“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 11.10.1968. 775 Herbert Schneiber: Von Alpbach bis Fünfkirchen. Vom Kammermusik-Protokoll des „Steirischen Herbstes“ berichtet Herbert Schneiber. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 11.10.1968.

210 Bei Herbert Schneiber findet die Heiterkeit wieder positive Beschreibung, zusätzlich zu verbal blassen, nicht-musikalisch-aussagekräftigen Phrasen ist seine musikalische Analyse fundiert, behandelt nicht nur musiktheoretisch die Kompositionen, sondern auch deren Positionierung in der Musikgeschichte.

Karl Haidmayer äußert sich höchst lobend über Interpretation und Qualität der Werke. Die Werke seien so unterschiedlich wie spannend, Jarochs Werk vielleicht etwas zu lang, aber trotzdem am beeindruckendsten von allen. Einems Komposition besteche durch Gegensätzlichkeit und Horvaths Komposition sei effektvoll und könne sich „richtungsweisender Notation“776 rühmen.777

Richard Wehner berichtet anerkennend über das gesamte Konzert: Das Streichquartett von Egon Wellesz findet seinen Gefallen mit ansprechender Form und ebensolchem Klang. Die Alpbacher Tanzserenade von Gottfried von Einem beschreibt der Rezensent mit eindrucksvoller Rhythmusgebung und heiterer volkstümlicher Farbe. Dieses Werk sei die Krönung des Abends gewesen. Hingegen empfand Richard Wehner „Redundanz II“ von Joseph Maria Horvath als geisterhaft und mit reichlich technischen Finessen ausgestattet. Das II. Nonett von Jiři Jaroch beeindruckte den Kritiker mit politischer Programmatik der Augusttage der Tschechoslowakei, mit der Verwendung großer melodischer Phrasen. Das Kammermusikensemble samt ihrem Dirigenten wurde hinsichtlich ihrer ausgezeichneten Interpretation gelobt.778

Johannes Frankfurter hält die Tanzserenade von Gottfried von Einem für verzichtenswert und geistlos, auch die Kommentare des Komponisten zu seinem Werk zählen zu dieser Beschreibung. Das Werk von Josef Maria Horvath bezeichnet der Rezensent als das „modernste des Abends“.779 Ein spannungsgeladenes Werk,

776 Karl Haidmayer: Zykans Schmähmaschine – nicht die beste! Musikprotokoll 1968 – Mitternächtliches „Salonkonzert“. In: Kleine Zeitung vom 1.10.1968, S. 14. 777 Karl Haidmayer: Zykans Schmähmaschine – nicht die beste! Musikprotokoll 1968 – Mitternächtliches „Salonkonzert“. In: Kleine Zeitung vom 1.10.1968, S. 14. 778 Richard Wehner: Kammermusik verschiedener Qualität. In: Die Wahrheit vom 2.10.1968, S. 6. 779 Johannes Frankfurter: Die moderne Musik in Theorie und Praxis. Musikprotokoll 1968 am Sonntag: Podiumsdiskussion und Konzert der Kammermusikvereinigung des ORF in Graz. In: Neue Zeit vom 2.10.1968, S. 4

211 reich an Klangerlebnissen und technischen Finessen, dies zuweilen ohne fixer Notation der Notenwerte. Das Streichquartett von Egon Wellesz findet der Rezensent in seiner geschlossenen Form bemerkenswert, den Komponisten rechnet er den Klassikern der Moderne zu. Das Nonett von Jiři Jaroch erinnere an die impressionistischen Kompositionen Bartóks, erfreue durch konventionelle Instrumentation und sei reich an Farben. Die Kammermusikvereinigung habe sich durch hervorragende Leistung ausgezeichnet.780

Manfred Blumauer würdigt Redundanz II als eine sensible, seinem Titel gerecht werdende, aus der Fülle neuer Stilmittel schöpfende Komposition. Joseph Maria Horvath lasse dabei Béla Bartók oder Alban Berg (Lyrische Suite) weit hinter sich. Das Streichquartett von Egon Wellesz sei hingegen lediglich schön und bezeuge den Stil seines Lehrers Arnold Schönberg. Die Komposition von Gottfried von Einem befindet der Kritiker als harmlose volkstümliche Unterhaltung. Das Nonett von Jiři Jaroch hätte zwar seine Reize, sei aber wegen der „gemäßigten Modernität“781 nicht repräsentativ für die Kompositionsweise der südosteuropäischen Nachbarn.782

Conclusio

Die Beurteilung der Werke dieses Konzertes ist sehr divergierend. Bei den Beschreibungen der Hörerlebnisse schrecken die Rezensenten vor bildhaften Extremen nicht zurück. Gerade die unterschiedlichen Auffassungen von der Qualität einer Komposition und von deren Gefallen zeugen von einem interessanten Konzert. Kompositionen, die sich nicht so leicht einordnen lassen und Vergleiche mit Bildern aus fremden Genres evozieren, scheinen doch an neuem Klangmaterial reich zu sein. Als Emotion findet sich hier wieder das Heitere, oft auch Lustige, das jedoch nicht als negativ bewertet wird. Es tritt die Frage auf, ob zeitgenössische Musik

780 Johannes Frankfurter: Die moderne Musik in Theorie und Praxis. Musikprotokoll 1968 am Sonntag: Podiumsdiskussion und Konzert der Kammermusikvereinigung des ORF in Graz. In: Neue Zeit vom 2.10.1968, S. 4. 781 Manfred Blumauer: Zeitgenössisches in bunter Folge. Kammermusik im „Musikprotokoll“ / Uraufführungen zweier Grazer. In: Südost Tagespost vom 3.10.1968, S: 7. [Unter demselben Titel erschien auch eine Rezension von Klaus Sztatecsny.] 782 Manfred Blumauer: Zeitgenössisches in bunter Folge. Kammermusik im „Musikprotokoll“ / Uraufführungen zweier Grazer. Ebda.

212 heiter sein darf, oder ob sie nur eine ernste Auseinandersetzung mit der Gegenwart bedeuten muss. Auch stellt sich hier die Frage, wie heiter oder unbeschwert die Gegenwart empfunden wird. Während noch zu Beginn des Festivals Heiterkeit als negativ bewertet wurde, scheint sich vordergründig betrachtet, diese Einschätzung unter den Rezensenten gewandelt zu haben. Ob dies von der Grundaussage der Werke abhängt, ob die Heiterkeit generell als wertvoll oder als banal bewertet wird, ob die Qualität der Werke diesmal eine höhere war als zu Beginn, dies alles sind Fragen, die wohl auch in der Wertvorstellung und in der subjektiven Empfindung des Einzelnen begründet liegen.

Mediale Resonanz – Rundfunk

In der Vorankündigung vom 29. September hebt Peter Vujica Redundanz II „als besonders interessant“783 hervor. Es habe den ersten Preis beim internationalen Kompositionswettbewerb im Vorjahr erhalten und sei wegen erheblicher musiziertechnischer Herausforderungen bisher in Österreich noch nicht aufgeführt worden. Dieses Werk zähle zu den besten der Zeit und sei auch für das musikprotokoll von herausragender Bedeutung. Jedoch seien auch die weiteren Programmpunkte des Konzertes interessant. Egon Wellesz stehe mit dem 9. Streichquartett über „allen Zeitmoden und orthodoxen Kompositionspraktiken […], dem es in diesem Quartett weniger um den Erwerb neuer Erfahrungen, vielmehr als um die Sicherung des bereits Erworbenen geht.“784 Die Tanzserenade zeige Vergnügen am Effekt und im Ballet von Jiři Jaroch herrsche das traditionelle Element mit wenigen Unterbrechungen. Thematisch wird dabei die Frage der existenziellen Sicherheit behandelt.785

Herbert Schneiber spricht am 30. September über das Konzert in Radio Steiermark, dass von den vier Werken des Abends nur die Alpbacher Tanzserenade bereits

783 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 29.9.1968. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, Graz. S. 1. 784 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 29.9.1968. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, Graz. S. 2. 785 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 29.9.1968. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark Graz. S. 2.

213 zuvor in Österreich aufgeführt worden war. Es folgt eine Analyse der Bedeutung von Alpbach in Tirol für Wissenschaft und Kunst. Das Werk Einems habe Humor, sei reich an poetischer Vielfalt und rhythmischer Spielerei. Die Komposition von Egon Wellesz sei auf Grund der großen Wertigkeit des polyphonen gleichförmigen Satzes etwas schwierig anzuhören, gleichwohl es mit klarer Stimmführung und aparter Dissonanz nicht an Reibung spare. In Redundanz II“beeindruckte hauptsächlich „die Verfremdung des gestrichenen Tones zu Miau-Gewinsel oder Stratosphärenklang, [der] dank hervorragender formaler Organisation des Materials erstaunlich lange anhält. Eine Köstlichkeit von Graden spendiert das staubtrockene Pizzicato-Intermezzo.“786 [Hier ist die Beurteilung ident mit dem Bericht für die Zeitung Kurier]. Das letzte Werk schließlich, das Nonett von Jiři Jaroch wäre wohl etwas zu lange, jedoch von ausdruckstarker Qualität, von der Spätromantik reichende Klangvorstellungen bis zur Sachlichkeit der Jetztzeit reiche die kompositorische Bandbreite. Der Rezensent gibt der Hoffnung Ausdruck, die Komposition möge noch weitere Aufführungen erleben.787

30. September Stefaniensaal Graz Eugen Suchon (1908-1993): Drei Stücke für Orchester (ÖE) Ivan Parik (1936-2005): Musik für ein Ballett (ÖE) Ilja Zeljenka (1932-2007): Karikatur (ÖE) Ján Cikker (1911-1989): Orchesterstudie (ÖE) Peter Kolman (*1937): Monumento per sei milioni (ÖE) Dirigent: Bystrik Režucha. Mitwirkende: Großes Sinfonieorchester des Tschechoslowakischen Rundfunks Bratislava.

Programminformationen: Eugen Suchon wurde in Pezinok bei Bratislava in der Slowakei geboren. Er studierte zuerst in Bratislava, dann in Prag bei Viteslav Novak. Er war Lehrer an der Musikakademie in Prag 1933-1941, Professor 1941-1947 am dortigen

786 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 30.9.1968. Studio Steiermark. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, S. 2. 787 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 30.9.1968. Studio Steiermark. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, S. 2.

214 Staatskonservatorium, 1948-1950 und 1960-1974 an der Komenský-Universität und 1950-1960 an der Pädagogischen Hochschule.788 Sein Stil ist stark an der slowakischen Sprache orientiert, er setzt sich aber weitaus freier damit auseinander als sein ideeller Vorfahre Leos Janácek. Suchon verlässt die Dur-Moll-Harmonik und schafft neue Tonsysteme, die von der slowakischen Volksmusik inspiriert sind. Berührungen mit Dodekaphonie und Kontrapunktik sind ebenso zu finden, wie emotionale Expressivität. Das Musikdrama Svätopluk, das 1960 entstand, ist als das Hauptwerk Suchons zu betrachten. Darin setzt er sich philosophisch mit Geschichte und Zukunft seiner Heimat, der Slowakei, aber auch der gesamten westlichen Welt und deren Spannungen mit dem Osten auseinander. Zu seiner Zeit war Suchon als wichtiger Vertreter der zeitgenössischen slowakischen Musik bekannt, besonders seit der Uraufführung der Opern Der Strudel 1949 und Svätopluk 1960. Die Beliebtheit des Komponisten sank wieder und im Jahre seines 100. Geburtstages wurde das letzte Tondokument aus dem deutschsprachigen Handelsregister genommen.789

Ivan Parik ist in Bratislava geboren und hat am dortigen Konservatorium 1953- 1958 Komposition bei Andrej Očenáš und Dirigieren bei Kornel Schimpl studiert. 1958-1962 nahm er Kompositionsunterricht bei Alexander Moyzes an der Akademie für Darstellende Kunst in Bratislava. Von 1959-1962 war er Programmdirektor der Tschechischen Television in Bratislava. Ab 1962 lehrte er Musiktheorie und Komposition an der Akademie in Bratislava. Musik für ein Ballett wurde am 7. April 1968 in Bratislava mit dem Tschechischen Radiosymphonieorchester unter der Leitung von Bystrík Režucha uraufgeführt. 790

788 http://universal_lexikon.deacademic.com/306497/Sucho%C5%88 vom 22.02.2015. 789 Christian Tepe: Das Schicksal der kleinen Nation – Eugen Suchon zum 100. Geburtstag. http://www.nmz.de/artikel/das-schicksal-der-kleinen-nation-eugen-suchon-zum-100-geburtstag-0 Onlineversion vom 22.02.2015. Siehe auch: http://www.whoswho.de/bio/eugen-suchon.html vom 22.02.2015. Siehe auch: Jana Lengová: Die slowakische Musik des 20. Jahrhunderts und die Idee der Nationalmusik. S. 90ff. http://www.gko.uni- leipzig.de/fileadmin/user_upload/musikwissenschaft/pdf_allgemein/arbeitsgemeinschaft/nationale_musik/ 09P92_104.pdf Onlineversion vom 22.02.2015. 790 http://old.hc.sk/src/osobnost.php?lg=en&oid=569 vom 22.02.2015.

215 Ilja Zeljenka ist tschechischer Abstammung und „im Westen kein ganz Unbekannter mehr, seit sein Klavierquintett beim Kopenhagener Festival der Internationalen Gesellschaft für neue Musik 1964 starke Beachtung fand.791

Ján Cikker wurde in Banská Bystrica, Slowakei geboren. Er studierte in Prag Dirigieren und Komposition bei Vitězslav Novák. Nach einem kurzen Aufenthalt in Wien, wo er bei Felix Weingartner privat Unterricht erhielt, folgte er 1951 dem Ruf an die Akademie nach Bratislava, wo er kriegsbedingt mit Unterbrechungen bis 1977 Komposition lehrte und zudem als Dramaturg am Slowakischen Nationaltheater engagiert war. Sein Stil zeichnet sich durch die Verbindung von slowakischer Volksmusik mit modernen tonalen Kompositionstechniken aus.792 Er komponierte mit Vorliebe Opern. Bis zum Jahr 1968 hatten bereits fünf Bühnenwerke ihre Uraufführung erlebt, neben Bratislava auch in Prag, Dresden und Kassel.793 Cikker kann demnach zum Zeitpunkt des musikprotokolls 1968 als renommierter Komponist der Avantgarde gelten.

Peter Kolman ist in Bratislava (Tschechoslowakei) geboren. Er war als Kind 1944- 1945 im Konzentrationslager Theresienstadt interniert. 1951-1960 studierte er in Bratislava Komposition. Von 1961-1965 war er Redakteur beim Tschechoslowakischen Rundfunk. 1965-1977 leitete er das Experimentalstudio für elektronische Musik. 1972 wurde er aus politischen Gründen vom Slowakischen Komponistenverband ausgeschlossen und mit einem Aufführungs- und Publikationsverbot bestraft. 1977 emigrierte er nach Österreich. Monumento per sei milioni ist auf der Homepage des Komponisten in Zahlen notiert: Monumento per 6,000.000. 1996 hat er das Werk neu bearbeitet. Es ist 1964 mit folgender Widmung entstanden: „Zum Gedenken an die Umgekommenen, zur Mahnung an die Überlebenden“794, und ist seit 1958 in chronologischer Reihenfolge seine zehnte

791 Fred I. Prieberg: Zwölftonmusik auch in Prag. Neue Musik in der Tschechoslowakei. In: Zeitonline/Kultur vom 25. 12. 1964. http://www.zeit.de/1964/52/zwoelftonmusik-auch-in-prag/seite-2 Onlineversion vom 22.02.2015. 792 http://www.jan-cikker.org/de/jan-cikker.html vom 22.02.2015. Siehe auch: http://www.wissen.de/lexikon/cikker-jan vom 22.02.2015. 793 http://www.operone.de/komponist/cikker.html vom 22.02.2015. 794 http://www.universaledition.com/Monumento-per-6-000-000-1964-rev-1996-Peter- Kolman/komponisten-und-werke/komponist/380/werk/3707 vom 22.02.2015.

216 Komposition. Uraufgeführt wurde das Werk am 25.04.1965 in Bratislava / Slowakei unter dem Dirigenten Andrzej Markowski.795 Der Kompositionsstil von Peter Kolman ist von der Wiener Schule und den internationalen Musikstilen der Nachkriegszeit inspiriert.796

Mediale Resonanz - Printmedien

Harald Kaufmann schreibt in seiner Kritik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lediglich über Kolman und Zeljenka, das „was man in dieser Richtung vernahm, war zwar nicht schlimm, aber auch nicht hervorstechend“797 sei. Auch Petar Bergamo und Josef Maria Horvath zählt der Rezensent bei dieser Einschätzung dazu.

In seiner fundierten und detaillierten Analyse erwähnt Franz Giegling bei den drei Stücken von Eugen Suchon deren Kürze und klanglich unterschiedliche Teile, die in Balance zueinander stünden. Cikkers Orchesterstudien bescheinigt er Charakterreichtum und deutliche personelle Identität in den einzelnen Variationen. Der romantische Stil des Komponisten sei auch in diesem Werk gut zu hören. Die Komposition von Ivan Parik scheint den Musikwissenschafter sehr begeistert zu haben. Dessen Abwechslungsreichtum an Effekten und Gegensätzlichkeiten „entfesselt zuweilen einen wahren Hexensabbat.“798 Als seltsam und epigonenhaft, an Mussorgskys Bilder einer Ausstellung erinnernd, bemängelt er die „Karikatur“ von Ilja Zelenka. Den größten Eindruck des Abends hat bei dem Rezensenten das Werk von Peter Kolmann hinterlassen. Er lobt dabei „seine eindeutige stilistische Grundhaltung, durch seine klare formale Gliederung und die von ihm ausgehende machtvolle seelische Komponente.“799

795 http://www.kolman.at/de.htm vom 22.02.2015. 796 http://www.universaledition.com/Peter-Kolman/komponisten-und-werke/komponist/380/biographie vom 22.02.2015. 797 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt. 798 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.9. 799 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S. 10.

217 Rudolf List schreibt in der Südost Tagespost über die Drei Stücke für Orchester von Suchon, dass sie Einflüsse von Brahms und französischen Impressionisten erkennen ließen. Die Stücke seien wohl interessant, aber nicht innovativ. Die „Orchesterstudien“ von Jan Cikker seien schon bedeutsamer: „ein genialisches Werk, das unbedenklich, doch mit sicherer Hand die neueren Kompositionstechniken mixt.“800 Für die Musik für ein Ballett hat Rudolf List eine kompositorische Analyse parat, die nur selten bewertend wird, ob sie dem Rezensenten gefallen hat, kann eher negativ beantwortet werden. Hingegen als erfrischend beschreibt List die Karikatur. Das Werk von Peter Kolman rezensiert der Kritiker blumig und bescheinigt ihm „suggestive[r] Kraft des vielfältigen Ausdruckes.“801 Über das Orchester samt seinem Dirigenten hat der Kritiker nur Lobendes zu sagen: Ein sensibler Dirigent, der ein ausgezeichnetes Orchester über alle schwierigen Hürden virtuos zu führen vermag.802

Herbert Schneiber analysiert detailliert das Konzert im Kurier: Beim Werk von Eugen Suchon ist er von der „Wellenfigur“,803 die sich durch das gesamte Stück zieht, äußerst begeistert. Ein charaktervolles Werk der klassischen Moderne, urteilt der Rezensent. Der Komposition von Ivan Parik bescheinigt der Kritiker Phantasie, das Spielen mit neuen Klangstrukturen, ungewohnten Effekten, die sich in das Tongemälde einfügten und ihr Poesie verleihen. Die zeitweise Verwendung von konventionellen Techniken sei dabei als apart zu bezeichnen. Der Komposition Karikatur von Ilja Zeljenka beschied der Rezensent eine gewisse Farblosigkeit und Verharren in der Konvention. Die Grundidee dieser Komposition (Goyas Zyklus Schrecken des Krieges und des Komponisten eigene Erfahrungen mit Waffenübungen) sei in der Aufführung nicht spür- oder hörbar geworden. Die 33 Variationen der Orchesterstudien von Jan Cikker seien thematisch bereits „nach der

800 Rudolf List: Neue Musik aus der Slowakei. Konzert des Pressburger Ruudfunkorchesters [sic] im „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost, vom 2.10.1968, S. 7. 801 Rudolf List: Neue Musik aus der Slowakei. Konzert des Pressburger Ruudfunkorchesters [sic] im „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost, vom 2.10.1968, S. 7. 802 Rudolf List: Neue Musik aus der Slowakei. Konzert des Pressburger Ruudfunkorchesters [sic] im „Musikprotokoll 1968“. In: Südost Tagespost, vom 2.10.1968, S. 7. 803 Herbert Schneiber: Im Schweigemarsch aufs Podium. Beim „Grazer Musikprotokoll“ war Pressburgs Rundfunksinfonieorchester zu Gast. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 2.10.1968.

218 dritten verschlissen“.804 Das Werk von Peter Kolman bespricht der Rezensent als ambivalent, zwar sei es von Form und Klang her reizvoll, auch an Effekten mangle es nicht, insgesamt wirke das Stück jedoch zu lang und ermüde teilweise durch Übertreibung, teilweise durch nicht erfüllte kompositorische Erwartungshaltung. Das Orchester wie auch der Dirigent erhalten Lob für eine ausgewogene Darbietung. Der Titel der Rezension „Im Schweigemarsch aufs Podium“ bezog sich auf die zu Beginn sehr ernst erscheinenden Musiker. Deren Gemütszustand änderte sich bei den Zugaben von Antonin Dvorak, denen das Publikum erfreut applaudierte.805 Herbert Schneiber sprach mit Peter Kolman nach dessen Konzert. Dabei bemerkte der Komponist, dass er die Aufführung seiner Komposition verhindert hätte, wenn er gewusst hätte, dass das Orchester zwei Zugaben von Antonin Dvorak spielen wird.806

Richard Wehner spricht von den Komponisten dieses Konzerts als homogene Einheit. „Die Gruppe dieser Komponisten geht eigene Wege und treibt die Entwicklung der Moderne einem Höhepunkt zu.“807 Eugen Suchons Werk spricht er „romantische Melodieführung“808 zu, Ivan Pariks Komposition findet er durch die Verwendung unterschiedlicher akustischer Effekte und eine ausgewogene Struktur raffiniert. Die Karikatur von Ilja Zeljenka sei eine gelungene Satire auf den Krieg. Die Krönung des Konzerts ist für den Kritiker Jan Cikkers „Orchesterstudie“. Mit Monumento per sei millioni sei Peter Kolmans ein berührendes Werk über die Grauen des Krieges gelungen. Das Orchester wurde bezüglich seiner Exaktheit der Wiedergabe der Kompositionen gelobt. Das Publikum war zahlreich vorhanden und applaudierte begeistert.809

804 Herbert Schneiber: Im Schweigemarsch aufs Podium. Beim „Grazer Musikprotokoll“ war Preßburgs Rundfunkorchester zu Gast. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 2.10.1968. 805 Herbert Schneiber: Im Schweigemarsch aufs Podium. Beim „Grazer Musikprotokoll“ war Preßburgs Rundfunkorchester zu Gast. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 2.10.1968. 806 Herbert Schneiber: Der Dvorak tat ihm weh. Ein Komponist ist schwer zu trösten / Mit Peter Kolman sprach Herbert Schneiber beim „Steirischen Herbst.“ In: Kurier (Morgenausgabe) vom 4.10.1968. 807 Richard Wehner: Slowakische Musik auf Grazer Podium. In: Die Wahrheit vom 3.10.1968, S. 6. Die Kritik ist unter dem selben Titel auch im Klagenfurter Volkswillen zum selben Datum erschienen. 808 Richard Wehner: Slowakische Musik auf Grazer Podium. In: Die Wahrheit vom 3.10.1968, S. 6. 809 Richard Wehner: Slowakische Musik auf Grazer Podium. In: Die Wahrheit vom 3.10.1968, S. 6.

219 Reiner Puschnig stellt fest, dass die Werke der zeitgenössischen Komponisten Parallelen aufweisen: „die geteilten hohen Streicher, die einen Klangteppich weben, rhythmisch amorph durchgehalten, doch zeitweise belebt durch übergroße Vibrati, Kurz-Glissandi […] unabhängig voneinander ausgeführt, ebensolche Pianissimo- Spiccati aufsteigender Dreiklänge, […] bevorzugt werden Posaunen und die Tuba, wogegen Hörner und Holz relativ wenig solistische Aufgaben erhalten. Das Arsenal an Schlagzeug wird zeitweise von acht Mann bedient.“810 Am wenigsten begeistert war der Rezensent von der Karikatur von Zeljenka, die üppige Verwendung von Effekten aus der Militärmusik sei substanzlos geblieben. Den Bericht über die Musik für ein Ballett von Parik lässt Reiner Puschnig in einer Aufzählung der akustischen Effekte verhallen. Das Werk von Peter Kolman zeige wohl auch viele Effekte, „aus dem dann aber doch nichts Rechtes wird“811. Eugen Suchons Komposition findet schon eher die Zustimmung des Rezensenten, die Balance zwischen Soli und Tutti stimme, aber das Werk ende sehr plötzlich. Jan Cikkers Komposition hat dem Kritiker die positivsten Worte entlockt. Es sei die „farbigste und profilierteste Komposition des Abends.“812 Die Form sei ansprechend und der Spannungsbogen führe durch alle 33 Variationen hindurch.813

Ein Rezensent mit dem Kürzel K.H. schreibt in der Kleinen Zeitung einen kurzen Bericht über das Konzert, der sich vorwiegend in einer Werkanalyse erstreckt. Er bescheinigt beim Werk von Eugen Suchon Intonationsprobleme im Orchester, der Komposition von Ivan Parik schreibt er „verschiedene Tonmalereien in experimenteller Gegenüberstellung“814 zu. Für das Werk von Ilja Zeljenka befand der Kritiker, es sei eine stilistische Satire auf die Geschichte des Soldaten, jedoch angenehm kurz und Jan Cikker zeige eine souveräne Beherrschung der kompositorischen Kunstfertigkeit. Das Werk von Peter Kolman wusste der

810 Reiner Puschnig: Orchestermusik unserer tschechischen Nachbarn. Rundfunkorchester Bratislava in Graz: Nicht durchwegs repräsentative Werke zeitgenössischer Komponisten. In: Neue Zeit vom 3.10.1968, S. 8. 811 Reiner Puschnig: Orchestermusik unserer tschechischen Nachbarn. Rundfunkorchester Bratislava in Graz: Nicht durchwegs repräsentative Werke zeitgenössischer Komponisten. Ebda. 812 Reiner Puschnig: Orchestermusik unserer tschechischen Nachbarn. Rundfunkorchester Bratislava in Graz: Nicht durchwegs repräsentative Werke zeitgenössischer Komponisten. Ebda. 813 Reiner Puschnig: Orchestermusik unserer tschechischen Nachbarn. Rundfunkorchester Bratislava in Graz: Nicht durchwegs repräsentative Werke zeitgenössischer Komponisten. Ebda. 814 K. H.: Fünf Erstaufführungen. Musikprotokoll 1968. In: Kleine Zeitung vom 3.10.1968, S. 13.

220 Rezensent am meisten zu schätzen: mit „einfachsten Mitteln erzielt er überraschende Effekte, klagende, sphärische Klänge, Blechballungen und Reflexionen mit dem Schlagwerk […], sodass dem Konzert allein schon durch die Entdeckung dieser großen Begabung ein voller Erfolg beschieden war.“815

Conclusio

Das Programm bestand aus Werken tschechischer renommierter Komponisten (im Jahr 1968 war die Tschechoslowakei noch nicht getrennt in Tschechien und Slowakei) und bot damit einen guten Querschnitt der musikalischen Avantgarde dieses Landes. Dass dabei nicht nur die Elite der Komponisten, sondern ein mittlerer Durchschnitt auf dem Programm stand, empfanden manche Rezensenten als Darstellung eines normalen Zustandsbildes. Die Wahl der Zugabenstücke war wohl singulär in der Reihe der Konzerte des musikprotokolls. Zusammenfassend betrachtend, schrieben alle Rezensenten musikwissenschaftlich fundierte Analysen. Nach den vorigen Konzerten mit teilweise eher oberflächlichen oder lediglich emotionalen Dokumentationen schienen sie wieder neue Energien und größeres Interesse an den Konzerten gewonnen zu haben. Die detailliertere Berichterstattung spricht wohl auch für ein kompositionstechnisch interessantes Konzert.

Mediale Resonanz – Rundfunk

In der Vorschau zum Konzert am selben Tag spricht Peter Vujica davon, dass „sowohl die Klassiker der slowakischen Gegenwartsmusik als auch deren Avantgardisten“816 auf dem Programm stünden. Jan Cikker zähle zu den wichtigsten Komponisten der zeitgenössischen slowakischen Musik und Eugen Suchon sei ein Klassiker per definitionem.817 Die Rundfunkankündigung zwei Tage zuvor ist wie üblich ausführlicher. Peter Vujica bezeichnet das Konzert als eine „Protokollaufnahme tschechischer Musik.“ Das Programm werde „mit besonderem

815 K. H.: Fünf Erstaufführungen. Musikprotokoll 1968. In: Kleine Zeitung vom 3.10.1968, S. 13. 816 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 30.9.1968. ORF Archiv Landesstudio Steiermark Graz, S. 1. 817 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 30.9.1968. Studio Steiermark. Archiv des ORF Landesstudio Steiermark, S. 2.

221 Interesse erwartet“.818 Jan Cikker und Eugen Suchon werden wie am Konzerttag beschrieben (siehe oben), Ivan Parik verspräche neuere kompositorische Methoden sowie Ilja Zeljenka, der serielle Elemente effektvoll in Szene setze. Peter Kolmans Monumento per sei millioni sei eine Friedensmahnung.819

In der Sendung am 1.Oktober gibt Herbert Schneiber über die drei Stücke von Suchon zuerst eine wertfreie musikalische Analyse um dann mit einem Lob zu enden: „Musik der klassischen Moderne, die fesselnd konzipiert ist und durch Persönlichkeit besticht.“820 Für das Werk Ivan Pariks hat Herbert Schneiber nur lobende Worte, es sei das Beste des Abends gewesen. Ein Reichtum an Phantasie, Ästhetik, intelligent eingesetzten Effekten, Poesie, Spielerei und die Verschmelzung neuer und konventioneller Klangphrasen sei für die Qualität dieses Werkes bezeichnend. Das als am wenigsten ansprechende Stück des Abends sei Ilja Zeljenkas Karikatur zu werten. Die musikalische Ausdeutung sei eher unmodern und von der Thematik der Inspiration durch Goyas Schrecken des Krieges und des Komponisten erlebte Waffenübungen sei nichts zu merken gewesen. Peter Kolmans Komposition empfand Herbert Schneiber als ambivalent. Sie sei zu lange, habe jedoch durchaus ihre Reize, Effekte seien manchmal gut, manchmal weniger gut eingesetzt, die Persönlichkeit des Komponisten schimmert durch, weiters ist keine Angst vor Vulgarität zu bemerken. Das Orchester spielte zwei Zugaben von Antonin Dvorák, was den Komponisten Peter Kolman klarerweise wenig erfreute.821

1. Oktober Kammermusiksaal Graz Karl Haidmayer (*1927): IV. Bläserquintett (U) Ferenc Farkas (1905-2000): Bläserquintett (U)

818 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 28.9.1968. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark Graz. S. 2. Die Zuschreibungen „interessant“ finden sich häufig in den Ankündigungen zu den Werken. 819 Peter Vujica: [Manuskript] zur Sendung am 28.9.1968. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark Graz. S. 1-3. 820 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. am 1.10.1968. Archiv ORF Landesstudio Steiermark Graz, [S. 1]. 821 Herbert Schneiber: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. am 1.10.1968. Archiv ORF Landesstudio Steiermark Graz, S. 2f.

222 Weitere Aufführungen: Budapest, Bern, Laupen, Aarberg, Biel, Dulliken, Spiez, Basel, Oberdiessbach, All-Saints/Waltara, Paris, SRTR, Eger, Nürnberg, Lahti, Birmensdorf, Hartvan, Stein. Dietmar Polaczek (*1942): Lesabendio, musica centralis (U). Ivan Eröd (*1936): Recercare ed aria. Für Flöte, Oboe, Bassklarinette und Horn (ÖE). Mitwirkende: Wiener Bläserquintett: Gottfried Hechtl, Flöte; Manfred Kautsky, Oboe; Alfred Rosé, Klarinette; Robert Freund, Horn; Karl Dvorak, Fagott.822

Programminformationen: Karl Haidmayer ist in Hollabrunn in Österreich geboren. Er studierte Musikwissenschaft und Kunstgeschichte in Graz und am dortigen Landeskonservatorium Klavier und Komposition bei Waldemar Bloch. Sein Klavier-Diplom erhielt er in Bukarest. 1954 erhielt er eine Stelle als Lehrer für Theorie und Klavier am Konservatorium in Graz und lehrte ab 1963 an der Grazer Musikakademie. Sein Stil ist geprägt von freier Tonalität, strenger Formgebung, Verwendung von Motivik, Kirchentonarten und Tritoni.823 Der Komponist schreibt selbst über seinen Stil:

Ich habe in strenger und freier Dodekaphonie geschrieben und mich der graphischen Notation bedient, bin aber bestrebt, meinen klanglichen Intentionen möglichst nahe zu kommen. Das rhythmische Element steht bei mir oft im Vordergrund; ich vertrete den Standpunkt einer a-thematischen, wohl motivisch orientierten, freitonalen, aber formal strengen Musik. Heutzutage ist meine Musik improvisatorisch ungebunden, stilistisch völlig frei, keiner Mode verpflichtet und vor allem so, dass sie mir persönlich gefällt und ich von dem, was ich schreibe, völlig überzeugt bin. Die Meinungen von Kritikern sind mir völlig egal.824

1951 erhielt er den Joseph-Marx-Musikpreis des Landes Steiermark, 1959 den Kompositionspreis der Stadt Graz, 1962 einen staatlichen und 1967 den

822 Peter Vujica: [Manuskript] zu „Steirischer Herbst“. am 1.10.1968. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark Graz, [S. 1]. 823 http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_H/Haidmayer_Karl.xml vom 22.02.2015. Siehe auch: http://web199.users.cms.aboliton.at/mitglieder/haidmayer.html vom 22.02.2015. 824 Karl Haidmayer: http://www.dombrowski-stiftung.at/index.php?id=16 Onlineversion vom 22.02.2015.

223 niederösterreichischen Förderungspreis. 1968 war er ein bereits anerkannter Komponist der zumindest nationalen Szenerie.825

Ferenc Farkas ist in Nagykanizsa in Ungarn geboren. Er studierte in Budapest an der Hochschule Franz Liszt bei Leò Weiner und Albert Siklòs von 1922-1927. Von 1929-1931 studierte er bei Ottorino Respighi in Rom. 1932-1936 hatte er ein Engagement als Filmkomponist bei Pàl Fejös. Dann lehrte er und war als Musikdirektor in Budapest, Kolozsvàr und Székesfehèrvàr tätig. 1949 erhielt er eine Professur für Komposition an der Hochschule Franz Liszt in Budapest. Zu seinen Schülern zählen unter anderem György Ligeti, György Kurtàg, Emil Petrovics. Sein Kompositionsstil ist von ungarischer und italienischer Volksmusik inspiriert sowie von der Dodekaphonie. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen. 1950 wurde er mit dem Kossuth-Preis ausgezeichnet.826 Das Bläserquintett findet sich mit dieser Bezeichnung – ohne Titelzusatz - nicht im Werkverzeichnis auf der Homepage des Komponisten. Die folgenden Satzbezeichnungen Marsch / Menuett / in Modo Hungarico / deutsche Tanzweise / Rondo“827 im Programmheft des musikprotokolls lassen auf Lavottiana schließen, wobei der vierte Satz offensichtlich erst nach der Uraufführung dazugekommen ist. Der Titel stammt vom Geiger Janos Lavotta, Farkas hatte Versatzstücke aus dessen Werken genommen, um zusammen mit eigenen Stilmitteln „ein ungarisches Frühbiedermeier“828 zu evozieren. Lavottiana for wind quintet after themes from Jànos von Lavotta (1764-1820) Composed 1967 Parts 1) Indulàs Pannònia felé / Marsch nach Pannonien 2) Menüett / Minuetto 3) Lassù verbunk és figura / Langsamer Werbungstanz und Figura – 4) Német tàncnòta / Deutsche Tanzweise

825 http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_H/Haidmayer_Karl.xml vom 22.02.2015. Siehe auch: http://web199.users.cms.aboliton.at/mitglieder/haidmayer.html vom 22.02.2015. 826 http://www.ferencfarkas.org/Biography.phtml vom 22.02.2015. 827 http://new.musikprotokoll.mur.at/de/programm/1968 vom 22.02.2015. 828 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Graz, S.16.

224 5) Rondo “ Vigadòzàs a korcsmàban ” / Rondo “ Im Wirtshaus ”.829

Dietmar Polaczek ist in Bendsburg/Oberschlesien geboren. Er studierte zuerst Architektur und gleichzeitig begann er ein Musikstudium in Graz: Violine, Viola, Orgel und bei Waldemar Bloch Komposition. Außerdem studierte er Musikwissenschaft und Kunstgeschichte. Er übte laut eigener Homepage während des Studiums zwölf verschiedene Berufe aus, dabei war er auch Kirchenmusiker. 1964 erhielt er den 1. Kompositionspreis in Innsbruck. 1967-1968 war er als Kulturredakteur in Graz tätig. Später war er als Journalist erwerbstätig, auf seiner Homepage tituliert er sich als „Journalist und Schriftsteller“.830 Das erweckt etwas den Anschein, er wäre ins Programm aufgenommen worden, weil er als Kulturredakteur in Graz tätig war. In den 1960er Jahren war er durchaus als Komponist aktiv. Bei den Jugendkulturwochen des Karl Schiske wurde 1964 sein Werk Vernissage septenaire uraufgeführt. Zwei Jahre später – die Jugendkulturwochen wurden als Biennale veranstaltet – erschien Dietmar Polaczek neben Horst Ebenhöh und Anton Püringer wieder auf dem Programm.831 Lesabendio, musica centralis - Das Werk steht in zwei Teilen, die auf strenger Reihentechnik fundieren. Der Titel entstammt einer Romanfigur Paul Scheerbarts.832

Ivan Eröd: Mit ihm holte sich das musikprotokoll einen wichtigen Vertreter der Avantgarde-Musik ins Programm. Der Programmgestalter Peter Vujica schreibt über Ivan Eröd:

Dein Leben und Deine Kunst werden zum Signal der Hoffnung. Denn es könnte doch wohl auch sein, dass das Verhältnis zwischen Welt und Kunst dereinst umkehrbar ist. Dass nicht immer nur Kunst das Leid der Welt zu spiegeln hat, sondern dass an

829 http://www.ferencfarkas.org/Biography.phtml vom 22.02.2015. 830 http://www.dietmar-polaczek.de/biographie.htm vom 23.02.2015. 831 Jutta Höpfel: Karl Schiske und die „Österreichischen Jugendkulturwochen“ in Innsbruck: Wegbereiter einer jungen Moderne. In: Gottfried Scholz, Markus Grassl, Eike Rathgeber und Reinhard Kapp (Hgg.): Österreichs Neue Musik nach 1945: Karl Schiske. Böhlau Verlag Wien, 2008, S. 222. 832 Klaus Sztatecsny: Zeitgenössisches in bunter Folge. Kammermusik im „Musikprotokoll“ / Uraufführungen zweier Grazer. In: Südost Tagespost vom 3.10.1968, S. 7. [Unter demselben Titel erschien auch eine Rezension von Manfred Blumauer.]

225 irgendeinem Tag die Welt nach dem Muster Deiner Kunst zu Schönheit, Glück und Harmonie gesundet.833

Ricercare ed aria für Flöte, Oboe, Bassklarinette und Horn wurde später als op. 11 mit dem Zusatz „S. C. H. E.“ versehen. Der Komposition wohnt eine Zwölftonstruktur inne.834 Eröd verwendet die Töne es, c, h, e – die aus dem Namen seines Lehrers Karl Schiske stammen. Ihm ist auch das Werk zugeeignet.835 Das Werk wurde am 16. Februar 1966 in Wien im Verlagshaus Doblinger in dessen Barocksaal mit dem Eichendorff-Quintett uraufgeführt und ist Karl Schiske zum 50. Geburtstag gewidmet.836

Mediale Resonanz - Printmedien

Herbert Schneiber berichtet im Calwer Tagblatt nicht gerade positiv. Die Musik für Ballett bezeichnete er mit konservativer Kompositionstechnik. Auch den österreichischen Kompositionen war kein großes Lob beschieden: „am besten (und höflichsten) [bezeichnet er] Lesabendio, einer rhythmisch mächtig angezeihten Materialschlacht der Töne und Formen, der Bewegungen und Gegenbewegungen.“837 Der Rezensent bemerkt abschließend, dass die Programmgestalter sich im kommenden Jahr anstrengen müssen, das Niveau der österreichischen Kompositionen an das der ausländischen Gäste anzupassen.838

Eine weitere Rezension von Herbert Schneiber ist in der Morgenausgabe des Kurier erschienen. Auch hier befindet er, dass die Uraufführungen „um Himmels willen nicht samt und sonders großen Aufhebens wert“839 seien. Trotzdem bespricht er hier das Werk Lesabendio als heiter, spannend und stilistisch interessant angelegt. Auch

833 http://www.ivan-eroed.at/de/musik.htm vom 23.02.2015. 834 Christian Heindl: Iván Eröd. http://www.doblinger-musikverlag.at/dyn/kataloge/wv_Eroed.PDF vom 23.02.2015. 835 Klaus Sztatecsny: Zeitgenössisches in bunter Folge. Kammermusik im „Musikprotokoll“ / Uraufführungen zweier Grazer. Ebda. 836 http://db.musicaustria.at/node/92092 vom 23.02.2015. 837 Herbert Schneiber: Steirischer Herbst. Über das „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Calwer Tagblatt, Calw vom 25.10.1968, S. 8. 838 Herbert Schneiber: Steirischer Herbst. Über das „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Calwer Tagblatt, Calw vom 25.10.1968, S. 8. 839 Herbert Schneiber: Nicht gehupft wie gesprungen. Fünf neue Bläserquintette wurden ins „Musikprotokoll“ geschrieben. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 3.10.1968.

226 für Ivan Eröds Ricercare ed Aria findet er anerkennende Worte, seine Poesie und expressive Farbgebung konterkariere hervorragend die polyphone gemächliche Bewegung. Das Bläserquintett von Ferenc Farkas empfindet der Rezensent als langweilig, das Werk von Karl Haidmayer impliziere einen gut erholten Komponisten und sei von „unbekümmerter Munterkeit“.840 Dem Wiener Bläserquintett wurden Honneurs zu teil, bezüglich ihrer Virtuosität, die diese schwierigen Werke verlangte.841

Klaus Sztatecsny findet für das gesamte Konzert anerkennende Worte, für die Programmgestaltung, die hohe Qualität der Werke und das superbe Wiener Bläserquintett. Das Werk von Karl Haidmayer beschreibt der Rezensent als gefällig und freundliche Stimmung verbreitend. Dem Komponisten sei es außerdem gelungen, das Lokalkolorit einzufangen. Die Komposition von Ferenc Farkas besteche durch eine interessante Aneinanderreihung von „derb fröhliche[n] Tänze[n] an ‚gehobenere’ musikalische Formen, immer auf klanglichen Farbreichtum bedacht.“842 Die Komposition von Ivan Eröd bezeichnet der Kritiker als die herausragendste des Abends. Mit souveräner Handhabung der technischen Mittel, ohne Effekthascherei habe Eröd ein ergreifendes Werk geschaffen. Lesabendio von Dietmar Polaczek habe spielerische Elemente und sei für die Musiker nicht unproblematisch.843

Johannes Frankfurter fand das Konzert erheiternd. Die Musiker hätten dazu beigetragen, indem sie die „Schwächen der einzelnen Werke mit solch geschickter Ironie zu überspielen [wussten], dass selbst ansonsten peinliche Plattitüden noch zu einem Vergnügen wurden.“844 Dies sei besonders beim Werk von Ferenc Farkas nötig gewesen, da dieser gesuchte frühbiedermeierliche Stil offensichtlich vom

840 Herbert Schneiber: Nicht gehupft wie gesprungen. Fünf neue Bläserquintette wurden ins „Musikprotokoll“ geschrieben. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 3.10.1968. 841 Herbert Schneiber: Nicht gehupft wie gesprungen. Fünf neue Bläserquintette wurden ins „Musikprotokoll“ geschrieben. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 3.10.1968. 842Klaus Sztatecsny: Zeitgenössisches in bunter Folge. Kammermusik im „Musikprotokoll“ / Uraufführungen zweier Grazer. Ebda. 843 Klaus Sztatecsny: Zeitgenössisches in bunter Folge. Kammermusik im „Musikprotokoll“ / Uraufführungen zweier Grazer. Ebda. 844 Johannes Frankfurter: Ernst und unfreiwilliges Augenzwinkern. Das brillante Wiener Bläserquintett im Grazer Kammermusiksaal. In: Neue Zeit vom 3.10.1968, S. 8.

227 Komponisten nicht gefunden wurde. Auch dem Werk Karl Haidmayers habe die Ironie der Musiker wohl getan: Die ersten drei Sätze sind von Aleatorik gekennzeichnet, der vierte Satz ist im konventionellen Kompositionsstil gehalten, der Haidmayer eher liegt und somit auch ein akzeptables Ergebnis vorweise. Die Komposition von Ivan Eröd habe hingegen nichts Spaßiges an sich, es gebe auch keinerlei Anlass zur Ironie, es sei ein Stück zum Innehalten. Lesabendio von Dietmar Polaczek habe sich durch seine strenge Form, durch die Verwendung von Reihentechnik und eine Fülle an rhythmischen Strukturen ausgezeichnet.845

Jörg Wallmüller erfreut sich an der Komposition von Karl Haidmayer, sie sei schwungvoll durch die Triolen im ersten und dritten Satz, „lyrisch-heiter“846, das ganze Werk ein harmonisches Ganzes und habe den Instrumentalisten großzügige Freiheit gewährt, die auch das Publikum genossen habe. Die Komposition von Ferenc Farkas bot den Zuhörenden reichlich Vergnügen durch den Versuch des ungarischen frühbiedermeierlichen Stils ein „kaum beabsichtigt[es] Pop-Element in den Abend.“847 Das Werk von Ivan Eröd befand der Rezensent interessanter als das vorangegangene von Ferenc Farkas. Außerdem würde es seine Positionierung im Programm rechtfertigen, wieder im Gegensatz zu Farkas. Lesabendio von Dietmar Polaczek biete eine starke Komposition, die durch eine stringente Struktur und eine große Herausforderung der Interpreten gekennzeichnet sei. Abschließend lobt der Kritiker die brillante Leistung der Musiker des Abends.848

Conclusio

In diesem Konzert schien trotz aller avantgardistischen Werke eine gewisse Bodenständigkeit vorzuherrschen, mit Ausnahme des Bläserquintetts von Dietmar Polaczek, das ja auch als einziges Werk vom Rundfunk gesendet wurde. Dass Bodenständigkeit nicht als langweilig eingestuft werden muss und die Kompositionen doch reizvoll waren, mitunter sogar lustig, beschrieben die

845 Johannes Frankfurter: Ernst und unfreiwilliges Augenzwinkern. Das brillante Wiener Bläserquintett im Grazer Kammermusiksaal. In: Neue Zeit vom 3.10.1968, S. 8. 846 Jörg Wallmüller: Musikprotokolle: Ur-vergnügt. In: Kleine Zeitung vom 3.10.1968, S. 16. 847 Jörg Wallmüller: Musikprotokolle: Ur-vergnügt. In: Kleine Zeitung vom 3.10.1968, S. 16. 848 Jörg Wallmüller: Musikprotokolle: Ur-vergnügt. In: Kleine Zeitung vom 30.10.1968, S. 16.

228 Rezensenten in unterschiedlicher Bewertung. Eine herausragende Präsentation einer innovativen Darbietung zeitgenössischen Musikschaffens schien der Abend dennoch nicht gewesen zu sein. Dies ist besonders in der Beurteilung der Komposition von Karl Haidmayer zu bemerken, der für seinen konventionellen Stil geradezu gelobt wird. Heiterkeit ist auch hier wieder ein Thema, und sie wird nicht als negativ beurteilt, jedoch weniger positiv als in den letzten Konzerten. Die Rezensenten mischten in ihren Artikeln musikwissenschaftliche Analysen mit blassen Füllwörtern und der Dokumentation emotionaler Höreindrücke.

Mediale Resonanz – Rundfunk

In der Vorankündigung am Tag vor dem Konzert spricht Peter Vujica wie gewohnt ausführlich über das Programm, die Komponisten und die Ausführenden. Der Grazer Karl Haidmayer wird mit einer ausführlichen Biographie gewürdigt, er sei „einer der vielseitigsten Persönlichkeiten des Grazer Musiklebens.“849 Sein IV. Bläserquintett besteche durch Verwendung neuerer Kompositionstechniken, sei in den ersten drei Sätzen frei von Motiven und gebe durch teilweise graphische Notation Spielraum zur Improvisation. Im vierten Satz includiere er alle Effekte, die an slowakische Volksmusik gemahnten. Lesabendio ist auf einer Zwölftonreihe gegründet. Dieses Werk sei formal insofern interessant, als es keine festgelegte Reihenfolge der einzelnen Teile gibt. Ivan Eröds Werk bespricht Peter Vujica in einem einzigen Satz als zeitgenössisch in seiner Struktur. Als Imitation des Stiles Janos von Lavotta aus dem 18. Jahrhundert stellt der Sprecher das Bläserquintett von Ferenc Farkas vor.850 Am Konzerttag erwähnt Peter Vujica die Mitwirkenden des Bläserquintetts einzeln namentlich und zählt die einzelnen Programmpunkte auf.851

849 Peter Vujica: [Manuskript] zu Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 30.9.1968. Studio Steiermark. Archiv des ORF Landesstudio Steiermark, S. 1. 850 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik. 30.9.1968. Studio Steiermark. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, S. 2. 851 Peter Vujica: [Manuskript] zu „Steirischer Herbst“. am 1.10.1968. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark Graz, [S. 1].

229 Herbert Schneiber findet das Konzert, ebenso wie sein Kollege Frankfurter, erheiternd – nicht eben im positiven Sinne. „bis zur Pause gab es da eher nichts zu protokollieren. Aber lustig ging’s zu.“852 Für Karl Haidmayers Bläserquintett hat der Rezensent nur belächelnde Worte, „in einem gewissen Hurrastil greift Haidmayer hinein ins volle Töneleben und dammelt die Notenköpfe ganz nach rhythmischer Laune. […] eine hurtige Sache, Unterhaltungsmusik von bestem Schrot und Korn, von Dalmatiens Sonne sanft beschienen.“853 Auch für das Bläserquintett von Ferenc Farkas findet Herbert Schneiber keine freundliche Kritik: „Das Stück ist unendlich laut und langweilig und kaum mit Charme durchsetzt. […] Farkas demonstriert diesen Biedersinn fünf Sätze lang.“854 Ivan Eröds kurze Komposition, ein Geburtstagsständchen an seinen Lehrer Karl Schiske, beschreibt Herbert Schneiber in einer kurzen Analyse und gewährt ihm, dass es zum Teil doch spannend sei. Der Höhepunkt des Abends sei Lesabendio von Dietmar Polaczek, „ein brillant erechnetes Form- und Materialspiel von unalltäglicher Vitalität und Dichte“.855 Heiterkeit, Spannung und ästhetische Freude sind in diesem Werk zu hören. Dietmar Polaczek erhielt demnach auch den größten Beifall. Lob huldigt Herbert Schneiber auch dem perfekt agierenden Bläserquintett.856

Von Herbert Schneiber liegt ein Manuskript für den Radiosender Ö1 vor, in dem er dieses Konzert beschreibt als: „Was […] gegeben wurde, ist um Himmels willen nicht samt und sonders großen Aufhebens wert.“857 Auch hier beschreibt er Lesabendio als bestes Werk des Abends in ähnlichen Worten wie in seinem Manuskript für Radio Steiermark. Die Komposition von Ivan Eröd wird hier positiver bewertet als „Gut anzuhören […], erstaunliche poetische Strahlung.“858 Das Bläserquintett von Ferenc Farkas betitelt Herbert Schneiber auch hier als langweilig. Für Karl Haidmayer hat er die sparsamen Abschlussworte: „Eröffnet wurde der Abend mit Karl Haidmayers viertem Bläserquintett, das letzten Sommer in Dalmatien und Kroatien geschrieben worden ist und in seiner unbekümmerten

852 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu „Steirischer Herbst“. am 2.10.1968. Ebda. [S. 1]. 853 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu „Steirischer Herbst“. am 2.10.1968. Ebda. [S. 1]. 854 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu „Steirischer Herbst“. am 2.10.1968. Ebda. S. 2. 855 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu „Steirischer Herbst“. am 2.10.1968 Ebda. S. 2. 856 Herbert Schneiber: [Manuskript] zu „Steirischer Herbst“. am 2.10.1968. Ebda. S. 2. 857 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript für] Ö1. S.d. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, S. 1. 858 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript für] Ö1. S.d. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, S. 1.

230 Munterkeit die Annahme gestattet, dass sich der Komponist im Jahre 1968 gut erholt hat. Immerhin etwas.“859

„Einen aufs musikantische gerichteten Abend“860 konnte man bei diesem Konzert erleben, so befindet Franz Giegling in seinem Rundfunkbericht. Der Uraufführung von Ferenc Farkas spricht er jegliches Recht ab, da sie weder eindeutig im Frühbiedermeier, noch im 20. Jahrhundert positioniert sei. Die Bearbeitung der Motive von Lavotta sei nicht als Uraufführung zu rechnen und auch wegen des unklaren zeitlichen Stils sei das Werk nicht als Zeichen der Avantgarde zu betrachten. Das Quintett von Karl Haidmayer „sucht verschiedene Stilrichtungen unter einen Hut zu bringen.“861 Auch diese Bemerkung zeugt nicht von großer Begeisterung. Die Musiker durften in den ersten drei Sätzen marginal improvisieren, es existierte kein durchgehendes Thema, der letzte Satz fundiere auf einem freundlichen Motiv aus der Volksmusik. Das Werk von Eröd bestehe auch aus Motiven, und zwar seines Lehrers Karl Schiske, die sich in einer melodiösen, melancholischen Arie wiederfinden. Als das herausragendste Werk des Abends befindet Giegling das Bläserquintett von Dietmar Polaczek. Dieses basiere auf einer literarischen Vorlage und einem ringförmigen Aufbau einer Zwölftonreihe. Die reiche Motivik lässt den einseitigen Charakter nicht spüren und so werden aus den vielen Wiederholungen kontrastreiche Sätze.862 Das Bläserquintett war auch das einzige Werk, das bei der Rundfunkübertragung ausschnittweise gesendet wurde.

Franz Giegling wurde eingeladen, in der Sendung am 2. 10.1968 einen Schlussbericht über das gesamte musikprotokoll zu geben. Er spricht dabei von diesem Konzert, dass die Kompositionen Karl Haidmayers, Ivan Eröds und Dietmar

859 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript für] Ö1. S.d. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, S. 2. Die letzten beiden Worte sind durchgestrichen. 860 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.16. 861 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.16. 862 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.17f.

231 Polaczeks „künstlerisch auf ziemlich gleichen Niveau standen.“863 Haidmayers Quintett „zeugt von solidem Handwerk und spezifischem Verständnis für die Eigenheiten der einzelnen Instrumente.Im „Ricercare ed aria“ […] beeindruckt vor allem die Aria als durchaus expressiv gestalteter Satz. Und Dietmar Polaczek gibt sich […] als begabter Musiker zu erkennen.864 Damit endet auch seine Besprechung dieses Konzertes.

2. Oktober Stefaniensaal Graz Uroš Krek (1922-2008): Mouvements concertants (ÖE) Alban Berg (1885-1935): Konzert für Violine und Orchester Janez Matičič (*1926): Konzert für Klavier und Orchester (ÖE) Ivo Malec (*1925): Mouvements en couleur (ÖE) Dirigent: Samo Hubad. Mitwirkende: Janez Matičič (Klavier), Igor Ozim (Violine), Sinfonieorchester von Radio-televizija Ljubljana.

Programminformationen: Uroš Krek wurde in Ljubljana /Slowenien geboren. Dort studierte er Dirigieren und schloss das Studium mit Summa cum laude ab. Er studierte weiters auch Slawistik. 1947-1958 war er bei Radio Ljubljana engagiert, zuerst als Redakteur für symphonische Musik, mit zunehmender nationaler Anerkennung als Komponist, er erhielt auch dementsprechende Auszeichnungen (1949 und 1952 den höchsten nationalen Preis für künstlerischen Leistungen, den France Presern-Preis und ab 1968 erhielt er sechsmal eine Auszeichnung von der Jugoslawischen Radiotelevision) wo er Hauptredakteur des musikalischen Programmes war. 1958- 1982 hatte er eine Professur an der dortigen Musikakademie inne.865 Sein Stil bewegt sich von neoklassizistisch mit Inspirationen aus der slowenischen Volksmusik866, dazu kommen melodische Phrasen. Der Komponist war lange Zeit

863 Franz Giegling, Basel: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik vom 2.10.1968. Archiv ORF Landesstudio Steiermark. S. 2. 864 Franz Giegling, Basel: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik vom 2.10.1968. Archiv ORF Landesstudio Steiermark. S. 2. 865 https://www.zhdk.ch/?Uros vom 23.02.2015. 866 Ivan Klemenčič: Slowenische Musik zwischen dem Europäischen und dem Originellen. In: France Bernik, Reinhard Lauer (Hgg.): Die Grundlagen der slowenischen Kultur. Abhandlungen der Wissenschaften zu Göttingen, Neue Folge, Bd. 6. Berlin, New York (De Gruyter) 2010. S. 293.

232 für seine qualitativ anspruchsvollen und in der Aussage klaren Kompositionen bekannt. Die Beziehung zur Natur und zu den eigenen Emotionen spielte wie bei vielen Komponisten aus dem slawischen Raum eine große Rolle in seinem Schaffen. Sein Werk kann in vier Perioden eingeteilt werden: 1946-1958 die frühe neoklassizistische Phase, 1958-1969 hatte die Slowenische Volksmusik große Einwirkung auf seine Kompositionen, 1970-1980 wurden die melodischen Phrasen bedeutsam und nach 1980 verschmolzen die einzelnen Perioden zu einem Ganzen. Die Mouvements concertants sind der ersten Periode zuzurechnen, sie sind 1955 entstanden.867 Im Dezember 1963 hat er sie, mit kleinen Änderungen versehen, beendet. Die Uraufführung war im Dezember 1963 mit dem Slowenischen Radiosymphonieorchester, Dirigent war der Chef des Orchesters Bogo Leskovic.868 1967 hat der Komponist das Werk wiederum umgearbeitet.869

Alban Berg Das Konzert für Violine und Orchester „Dem Andenken eines Engels“ ist 1935 entstanden. Auftraggeber war der amerikanische Geiger Louis Krasner. Das Werk ist Manon Gropius, der 1935 an Kinderlähmung verstorbenen Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius gewidmet. Uraufgeführt wurde die Komposition 1936 mit Louis Krasner als Solisten und dem Casals-Orchester unter Herrman Scherchen in Barcelona / Spanien.870

Janez Matičič ist in Laibach, Slowenien geboren. Er studierte zuerst in Laibach und ging dann nach Paris, wo er bei Nadja Boulanger seine Studien fortsetzte. Seit 1966 arbeitet er mit Pierre Schäffer. Das Konzert für Klavier und Orchester basiert auf seinem Studium bei Nadja Boulanger.871

867 O’Loughlin, Niall: The Music of Uroš Krek: Towards a Definition of its Style. Loughborough University 2008. www.dlib.si/stream/URN:NBN:SI:doc./PDF. Onlineversion vom 23.02.2015. 868 http://www.classictic.com/fr/karmen_pe%C4%8Dar___rtv_slovenia_symphony_orchestra/25245/ Onlineversion vom 23.02.2015. 869 http://www.dss.si/krek-uros.html Onlineversion vom 23.02.2015. 870 http://www.universaledition.com/komponisten-und-werke/Alban-Berg/komponist/51/werk/5675 vom 19.7.2017. 871 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes, Graz, S.12f.

233 Ivo Malec ist ein französischer Komponist mit kroatischen Wurzeln, er ist in Agram geboren. Er studierte in Zagreb und Paris bei Olivier Messiaen, war in der Groupe de Musique concrète involviert und seit 1960 bei der Groupe de Recherches musicales der ORTF tätig. Seine Kompositionweise verbindet traditionelle Technik mit konkreter und später elektroakustischer Musik.872 In Paris stand er weiters in Kontakt mit Pierre Schaeffer und befasste sich mit Musique concréte. Beim Konzert der Internationalen Musikfestwochen Luzern kam sein Werk „Lumina“ für Streicher und Tonband zur Uraufführung, dies bedeutete seine Inauguration in die Musik der Avantgarde. Mouvements en couleur sind eine Auftragskomposition des französischen Rundfunks aus den Jahren 1958/59.873

Mediale Resonanz – Printmedien

Harald Kaufmann schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Mouvements en couleur sie seien „in ihrer Konsequenz gewiss das Beste“874 gewesen, (verglichen mit Werken von Petar Bergamo, Josef Maria Horvath, Peter Kolmann und Ilja Zeljenka) währenddessen er sich über die anderen Komponisten dieses Konzerts in Schweigen hüllt.

Herbert Schneiber kürt die Komposition von Ivo Malec als Herausragendste des Abends. Die ungewöhnliche Besetzung sei maßgeblich verantwortlich für das reizvolle Ergebnis, “wahrhaftig Bewegungen in Farben, auch Bewegungen im Sinne von Erlebnis, Erregung, Emotion.“875 Das Klavierkonzert von Janez Matičič rief durch das beinah authentische Zitat aus Bartóks drittem Klavierkonzert das meiste Erstaunen hervor. Die Komposition von Uroš Krek bestach durch „expressive[r]

872 http://universal_lexikon.deacademic.com/269620/Malec vom 18.02.2015. siehe auch: http://www.enzyklo.de/lokal/42134 vom 18.02.2015 873 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.12. 874 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt. 875 Herbert Schneiber: Protokollschluß. Die letzten Gäste des Grazer „Musikprotokolls“: Laibacher Musiker. In: Kurier (Morgenausgabe) vom 4.10.1968.

234 Polyphonie der Streicher“876 und endete in einem emotionsgeladenen Choral. Alban Bergs Violinkonzert schließlich sei reich an Intensität, alle Tiefen auslotend, von Solist und Orchester musiziert worden. Abschließend gab sich der Rezensent der Hoffnung hin, das musikprotokoll müsste im kommenden Jahr bei der Programmauswahl mehr darauf achten, „die Suche nach Messbarem, das Ermitteln von Maßstäben […] zur Basis […] zu machen.“877

Wie in der Musik, einer ephemeren Kunst Maßstäbe und messbare Parameter gefunden werden könnten, darüber hat sich der Rezensent leider nicht geäußert. In dieser Rezension findet sich zum ersten Mal die Emotion des „Erstaunens“, was verwunderlich ist für ein Festival für zeitgenössische Musik. Hingegen wurde „reizvoll“ oder „interessant“ bereits des Öfteren verwendet. Möglicherweise finden es Rezensenten als Minderung ihres Wissens und ihrer Erfahrung, wenn sie etwas in Erstaunen versetzt oder es sind die Wörter „reizvoll“ oder „interessant“ einfach bisher zutreffender erschienen.

Richard Wehner beschreibt die Komposition von Uroš Krek, obwohl sie ursprünglich in der Fassung für Bläserensemble komponiert worden war, als reine Streicherfassung durch ihre „musikantische Melodieführung in tragisch-ernster Stimmung“878 auch sehr geltungsvoll. Im Klavierkonzert von Janes Matičič lobt er besonders die brillante Leistung des Solisten (die der Komponist selbst übernommen hatte), der Stil des Werkes sei repräsentativ für die tschechische Kompositionsweise. Das Werk von Ivo Malaec besticht durch seine Besetzung und wirkt dadurch sehr effektvoll. Alban Bergs Violinkonzert hat der Rezensent nur insofern erwähnt, als er die vortreffliche Interpretation des Solisten bewunderte.879

Manfred Blumauer bemängelte die unausgegorene Programmauswahl, da dem bekannten und bereits renommierten Violinkonzert von Alban Berg zeitgenössische

876 Herbert Schneiber: Protokollschluß. Die letzten Gäste des Grazer „Musikprotokolls“: Laibacher Musiker. Ebda. 877 Herbert Schneiber: Protokollschluß. Die letzten Gäste des Grazer „Musikprotokolls“: Laibacher Musiker. Ebda. 878 Richard Wehner: Schlußpunkt im Musikprotokoll. In: Die Wahrheit vom 4.10. 1968, S. 5. 879 Herbert Schneiber: Protokollschluß. Die letzten Gäste des Grazer „Musikprotokolls“: Laibacher Musiker. Ebda.

235 Kompositionen unterschiedlicher Bekanntheit gegenüber gestellt worden sind. Das Violinkonzert nimmt zwei Drittel der Berichterstattung in Anspruch, dem Rezensenten war es jedoch zu wenig geheimnisvoll.880 Das Klavierkonzert von Janez Matičič befand der Rezensent als ein zu viel bezüglich Lautstärke, Gesten und Effekthascherei. Der Kompositionsstil sei obsolet. Die Komposition von Uroš Krek fand der Kritiker als eine gute Balance, neue Harmonik in konventioneller Komponierweise zu weben, die Mouvements concertants seien somit ein gutes Beispiel für die slowenische Musik der 50er Jahre. Das Werk von Ivo Malec fand die Zustimmung des Kritikers, der Komponist sei „der eigentliche erklärte Avantgardist in diesem Kreise“ [das Werk sei] eine Arbeit des Eintretens in die neuen musikalischen Räume881. Abschließend würdigte Manfred Blumauer die großartige Leistung des Orchesters bei diesem Werk, ein Orchester, das trotz einer etwas langweiligen Interpretation des Violinkonzerts von Alban Berg jederzeit in Graz herzlich willkommen sei.882

Martin Klietmann befindet die Mouvements concertants von Uroš Krek als zu dramatisch-düster, kaum ein Höhepunkt sei vorhanden, alles fließe gleichförmig dahin. Das Violinkonzert empfand der Kritiker zwar in seinen emotionalen Höhen und Tiefen gut dargebracht, allerdings habe der Solist etwas schlampig agiert. Großes Lob findet der Rezensent für das Klavierkonzert von Janez Matičičs und auch für die Interpretation des Soloparts durch den Komponisten. Das Werk sprühe geradezu vor überbordender Freude, es habe eine formidable Dauer, stringente Struktur und die Effekte wurden dazu genutzt, eine schwungvolle Lebensfreude darzustellen. Das Werk von Ivo Malec interessiere schon durch die aparte Besetzung und sei dem Ruf des Komponisten als einer der herausragendsten jugoslawischen Avantgardisten mehr als gerecht geworden. „farbenprächtige Gemälde, ein Spiel mit

880 Manfred Blumauer: Slowenen setzen Schlußakkord. Leibacher Rundfunkorchester im letzten Konzert des „Musikprotokolls“. In: Südost Tagespost vom 4.10.1968, S. 8. 881 Manfred Blumauer: Slowenen setzen Schlußakkord. Leibacher Rundfunkorchester im letzten Konzert des „Musikprotokolls“. Ebda. 882 Manfred Blumauer: Slowenen setzen Schlußakkord. Leibacher Rundfunkorchester im letzten Konzert des „Musikprotokolls“. Ebda.

236 Farben, Strichen, Klecksen.“883 Abschließend lobte der Rezensent noch die exakte Wiedergabe der musikalischen Darbietung durch das Orchester.884

Die musikalische Herkunft des Kritikers, er ist Sänger, ist in dieser Kritik gut zu lesen – der emotionale Aspekt hat hier breiten Raum. Die Interpretation wird detailiert gewürdigt, ebenso die emotionalen Evokationen der Werke. Trotz nur kurzer musikwissenschaftlicher Analyse ist der Bericht aussagekräftig und detailliert. Die Stellung des Komponisten im musikalischen Zeitgeschehen wird besprochen. Der Sänger Martin Klietmann weiß gut über die emotionale Wirkung der Werke und des diesbezüglichen Wertes der ausführenden Musiker zu referieren.

Mediale Resonanz – Rundfunk

Peter Vujica berichtete am 1. Oktober gewohnt ausführlich über das letzte Konzert des musikprotokolls und stellte das Programm und das ausführende Orchester, ebenso wie den Sologeiger Igor Ozim vor. Über Uroš Krek erwähnte er biographische Details und bezeichnete seine Kompositionsweise als eine Symbiose aus spätromantischen Methoden und zeitgenössischen Effekten. Die Mouvements concertante seien 1954/55 entstanden, viersätzig und ein Auftragswerk des Kammerorchesters von Radio Agram. Alban Bergs Violinkonzert sei das bedeutendste Werk dieses Komponisten und beeindrucke besonders durch die Zweiseitigkeit von Zwölftonmusik und folkloristischen Melodiephrasen. Das Klavierkonzert von Janez Matičič erlebe seine österreichische Erstaufführung, der Komponist selbst übernimmt dabei den Klavierpart. Auch über diesen Komponisten erzählte Peter Vujica Biographisches, etwa über dessen Lehrjahre bei Nadja Boulanger in Paris. Dieses Werk sei insbesondere spannend, als es den künstlerischen Wandel des Komponisten dokumentiere, da die ersten beiden Sätze entstanden, bevor Matičič dem musikalischen Experimentalstudio Groupe des Recherches musicales beigetreten ist. Der Komponist sucht in diesem

883 Martin Klietmann: Alban Berg, so modern wie die Zeitgenossen. Schlußkonzert des Musikprotokolls 1968 in Graz – Sinfonieorchester von Radio Ljubljana unter Samo Hubad. In: Neue Zeit vom 5.10.1968, S. 10. 884 Martin Klietmann: Alban Berg, so modern wie die Zeitgenossen. Schlußkonzert des Musikprotokolls 1968 in Graz – Sinfonieorchester von Radio Ljubljana unter Samo Hubad. Ebda.

237 Klavierkonzert die Antipoden „apollinisch“ und „dionysisch“ besonders zur Expression zu führen. Die Mouvements en couleur von Ivo Malec beschließen das Konzert, es war dies ein Auftragswerk des französischen Rundfunks. Die Komposition ist 1958/59 entstanden und verspricht rein experimentelle Musik, da sich der Komponist ausschließlich mit diesem Genre befasse.885

In der Zusammenfassung aller Konzerte berichtet Herbert Schneiber am 5. Oktober über das letzte Konzert, dass „im dicht besetzten Stephaniensaal […] Ivo Malec mit seinen Mouvements en couleur den stärksten Eindruck hinterließ – mit einer Musik, deren Farbigkeit nicht allein im ästhetischen Bewegungsspiel aufglänzt, sondern auch in echter Erregung, in gebändigter Emotion. Sie gab dem Abend wie der ganzen Veranstaltungsserie einen gehaltvollen Ausklang.“886

Der Bericht für den Rundfunk von Franz Giegling kann hier nur eingeschränkt verwendet werden, da im Radio lediglich drei Werke wiedergegeben wurden und die übrigen deshalb auch nicht rezensiert wurden. Diese Vorgehensweise spricht selbstredend, zumindest teilweise, für die Qualität der Werke. Das Violinkonzert von Alban Berg beschreibt Giegling als sehr gelungen, Solist und Orchester hätten gut miteinander harmoniert. Die Mouvements concertants von Uroš Krek seien dem traditionellen Stil verhaftet, aber die einzelnen Sätze doch kontrastreich angelegt. Das Werk von Ivo Malec sei zwar rhythmisch ansprechend, klanglich wirke es jedoch redundant. Das Konzert für Klavier und Orchester von Matičič beschreibt der Musikwissenschafter als höchst interessant, abwechslungsreich in Instrumentierung von Soloinstrument wie auch der Orchesterstimmen.887 „Der Gegensatz „apollinisch-dionysisch“ ist in diesem Werk sehr ausgeprägt. […] glanzvolle, höchst farbige Instrumentierung […] viel Laufwerk, kühnen Sprüngen, dichten Tontrauben ebenso versehen wie mit zarten, fast impressionistisch wirkenden Klängen […] dass

885 Peter Vujica: [Manuskript] zu „Steirischer Herbst“. am 1.10.1968. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark Graz, S. 2f. 886 Herbert Schneiber: Wien: [Manuskript zur Sendung Kritik und die andere Seite, 5.10.1968]. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark, Graz, [S. 1]. 887 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S. 10ff.

238 diese Partitur nach der Wiedergabe von Alban Bergs Violinkonzert nochbestehen konnte, spricht sehr für sie.“888

In einem Manuskript adressiert an Dr. Holzinger bespricht Peter Vujica das Orchester sehr ausführlich und lobenswert als das „derzeit beste innerhalb Jugoslawiens.“889 Es habe viele Gastspielreisen unternommen, die es zu einem Ensemble voll Präzision haben werden lassen. Uroš Kreks Werk bezeichnet er als dem traditionellen Stile verhaftet, analysiert es jedoch gründlich und auf Interesse hoffend. Im Klavierkonzert von Janez Matičič seien bereits experimentelle Formen zu finden und der letzte Komponist Ivo Malec sei ein bedeutender Vertreter der Avantgarde Jugoslawiens, er sei betont experimentell.890

Conclusio

Im Gründungsjahr veranstaltete das musikprotokoll zehn Konzerte, die allesamt in Graz im Stephaniensaal beziehungsweise im Kammermusiksaal stattfanden. Die beiden Konzertsäle befinden sich im selben Gebäude, das mittlerweile unter Grazer Kongress firmiert. Einige Konzerte, oder Teile daraus, wie oben angeführt, fanden auf nationaler und internationaler Ebene statt.

43 Werke von 39 Komponisten standen auf dem Programm, es ist kein Werk einer Komponistin aufgeführt worden. Kompositionen von Béla Bartók und Egon Wellesz wurden bei zwei Konzerten dargebracht. Es stand kein Werk zweimal am Programm. Von Otto Zykan wurden bei einem Konzert zwei Stücke dargeboten. Die Komponisten waren aus Österreich und den umliegenden Nachbarländern Tschechien, Slowakei, Kroatien, Serbien, Slowenien, Ungarn, Deutschland, weiters stammte – bei Berücksichtigung der Geburtsorte – ein Komponist aus Rumänien (György Ligeti) und einer kam aus der Schweiz (Gottfried von Einem), bei

888 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S.13. 889 Peter Vujica: [Manuskript] Herrn Dr. Holzinger Mittwoch, 2. Oktober 19.15 bis 19.35. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark Graz. [S. 1]. 890 Peter Vujica: [Manuskript] Herrn Dr. Holzinger Mittwoch, 2. Oktober 19.15 bis 19.35. Archiv des ORF Landesstudios Steiermark Graz. S. 1f.

239 Berücksichtigung der Zuschreibungen stand ein italienischer Komponist auf dem Programm (Luigi Dallapiccola) und ein Komponist stammte aus Großbritannien. Elf Komponisten sind in Österreich gebürtig. Der Gründungsprämisse der südosteuropäischen Öffnung und der Einbeziehung von Komponisten aus den Nachbarländern wurde demnach Rechnung getragen.

Halbzeit

Nach dem fünften Konzert wurde offensichtlich gefeiert – es gab einen Empfang in der Neuen Galerie Graz, Künstler und Gäste diskutierten über die vergangenen Konzerte. Der Österreichische Rundfunk sendete eine Zwischenbilanz in Ö1, zu der Herbert Schneiber (Wien) und Franz Giegling (Basel) sprachen, weiters hatte der Moderator Alfred Holzinger für das musikprotokoll bedeutende Personen zu einem Gespräch in der Sendung eingeladen: Hanns Koren, Paul Kaufmann, Ernst Ludwig Uray. Reinhold Schubert und Dietmar Polaczek sprachen über die erste Woche des steirischen herbstes auf den Grazer Theaterbühnen.891 Von den Gesprächen existieren keine Manuskripte. Die beiden Musikkritiker Herbert Schneiber und Franz Giegling sprachen dem Festival großes Lob aus. Herbert Schneiber zeigte sich erfreut über das „derart animierte und interessierte Publikum“892, das in keiner anderen österreichischen Stadt zu finden sei. Über Lux aeterna wusste er schon, wie auch zuvor in seinen Berichten, nur überschwänglich Gutes zu berichten. Die Motette von Ernst Krenek sei bei diesem Konzert „eher peinlich“893 gewesen, die Messe von Erich Markchl sei außer im Agnus Dei substanzlos, wohingegen Hiob von Luigi Dallapiccola zwar sehr viel gesprochenes Wort und wenig Musik aber doch expressionistische Zwölftonmusik in mächtigen Phrasen zeigte. Vom zweiten Konzert besprach Schneiber einzig das Streichquartett von Istvan Lang. Der Komponist habe „musikantisches Temperament, […]

891 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. Archiv des ORF Landesstudio Steiermark, S. 1f. 892 Herbert Schneiber: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. Archiv des ORF Landesstudio Steiermark, [S. 1]. 893 Herbert Schneiber: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. Archiv des ORF Landesstudio Steiermark, S. 2.

240 handwerkliche Solitdität und genaue Kenntnis bi- und polytonaler Spielregeln.“894 Vom dritten Konzert war der Kritiker hauptsächlich vom Gitarrenkonzert von Thomas Christian DAVID begeistert und von der Ode an die Musik von Egon Wellesz. Paul Angerers Werk sei ein „liebenswürdiger Beitrag österreichischen Musikantentums“895 und Helmut Eder habe sich bemüht, eine wenig subtile Hommage an Anton Webern herauszugeben. Der vierte Abend sei mit drei bemerkenswerten Kompositionen hervorgetreten: Dubravko Detonis Werk „geheimnisvoll aufleuchtend“896, die Verklärungen von Kresimir Sipus, in freier Verwendung von Zwölftonreihen und als bestes Werk des Abends Taches, das zwar an in Rhythmus und polytonaler Verwendung an Strawinsky und Prokofieff erinnere, was Herbert Schneiber aber nicht negativ fand. Es sei „eine köstliche Kombination von instrumentalen Verfremdungseffekten“.897 Das fünfte Konzert schließlich sei das beste bisher gewesen, daran hätten die herausragenden Musiker des Großen Orchesters des Österreichischen Rundfunks großen Anteil gehabt. Nur über Petar Bergamos Werk ließe sich streiten und disputieren.898

Franz Giegling spricht in derselben Sendung zur Halbzeit und zeigt sich erfreut über das ambitionierte Publikum und die hohe Qualität der ausführenden MusikerInnen ebenso wie von der Üppigkeit des Programms. Über die Konzeption der Programme schreibt er: „es gibt da einige sehr gut konzipierte Abende“899 und führt als Beispiel das Konzert mit dem Kammerorchester von Radio Zagreb an. Gleichwohl einige Kompositionen lediglich wie Übungen erschienen, gab es auch Herausragendes zu hören. Die Verklärungen und Taches zählten zu den Meisterwerken. Auch für Giegling war das Eröffnungskonzert ein gut positionierter Programmbeginn. Lux aeterna hinterließ auch bei ihm großen Eindruck, er besprach die herausragende

894 Herbert Schneiber: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 2. 895 Herbert Schneiber: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 3. 896 Herbert Schneiber: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 3. 897 Herbert Schneiber: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 3. 898 Herbert Schneiber: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 4. 899 Franz Giegling: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, [S. 1].

241 Interpretation. Erich Marckhls Messe bezeichnet er als kühl und einfach, Dallapiccolas Werk findet nur Erwähnung. Das Streichquartettkonzert erklärte Franz Giegling in seiner Programmauswahl als wenig gelungen. Die Quartette von Kodály und Bartók – zudem letzteres hinreißend interpretiert worden sei – überstrahlten Istvan Langs Quartett. Es soll sich diese Programmgestaltung jedoch „aus den Repertoirewünschen der Künstler ergeben“900 haben. Franz Giegling nimmt die Programmverantwortlichen des musikprotokolls dahingehend in Schutz, dass die Organisation des neuen Festivals sehr rasch und in Zeitnot habe geschehen müssen. Weiters lobt Franz Giegling die hervorragende Interpretation aller Musizierenden und erklärt analysierend die Schwierigkeiten der Ausführung. Musizieren ohne Gefühl sei generell nicht möglich und wünschenswert, außer das Werk verstehe sich als Experiment, wo der Intellekt vorherrschend ist, dann steht es jedoch isoliert da. Giegling vermerkt positiv, dass auch derartige Kompositionen beim musikprotokoll vorgestellt wurden, wie etwa Formen und Flächen von Detoni und Sequenzen von Kuljeric. Hier sei das direkte Konzerterlebnis für die Zuhörenden eminent wichtig. Zum Schluss gratulierte Franz Giegling noch den Organisatoren für die Programmauswahl und gab sich der Hoffnung hin, dass diese in Zukunft differenzierter getätigt werden würde. Traditionelle und avantgardistische Stilrichtungen sollten nicht vermischt werden. Und weiter ist der Musikkritiker „überzeugt, dass sich das Musikprotokoll bei sorgfältiger Planung zu einem bedeutenden Forum zeitgenössischen Musikschaffens entwickeln wird.“901

Das Landesstudio Steiermark sendete während der Festivalzeit des steirischen herbstes täglich 30 Minuten von 19.15-19.30 in Radio Steiermark eine Sendung mit dem Titel „Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik“, in der Vorankündigungen, Gespräche mit KünstlerInnen und PolitikerInnen und Kritiken der vergangenen Veranstaltungen dargeboten wurden. Für das musikprotokoll engagierte das Landesstudio Steiermark den in Wien lebenden Musikkritiker

900 Franz Giegling: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 2. 901 Franz Giegling: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 3.

242 Herbert Schneiber, der schonungslos über die Konzerte berichtete. Man wollte wohl einer lokal bedingten Lobhudelei aus dem Weg gehen. Was auch Alfred Holzer in der Sendung „Steirischer Herbst“ betonte: „Sie hören, damit nicht der Verdacht provinzieller Überdimensionierung aufkommen kann, den Wiener Kritiker Herbert Schneiber.902 Auch Franz Giegling von Radio Basel wurde zuweilen gebeten, Kritisches zum musikprotokoll im österreichischen Rundfunk zu verlesen.903

Peter Vujica, der meist die Vorankündigungen verlas, tat dies mit spannungsverheißender und das Interesse der Zuhörenden und potentiellen KonzertbesucherInnen weckenden analytischen Wissenschaft, der doch eine gewisse Vorsicht innewohnte, wohl um das Publikum nicht zu vergrämen.

Herbert Schneiber hingegen sorgte sich diesbezüglich nicht und hielt sich auch vor negativen Beschreibungen der vergangenen Konzerte nicht zurück. Dass dies den Verantwortlichen des Landesstudios Steiermark nicht immer konveniert haben dürfte, ist zumindest im Manuskript zur Ansage der letzten Berichterstattung Schneibers herauszulesen. Der unbekannte Verfasser des Manuskripts schreibt: „Vorvorgestern wurde das Musikprotokoll 1968 zugeschlagen. Wir berichteten darüber, dass es ohne Zorn geschah. Doch inzwischen hat der Wiener Musikkritiker Herbert Schneiber drei Nächte nach dem Ende der Notationen moderner Musik geschlafen, seine Urteile überschlafen, und gibt zusammenfassend ad notam.“904 Für Herbert Schneiber scheint dieses Engagement neben den positiven Eindrücken doch zuweilen auch ein anstrengendes gewesen zu sein. Er schreibt zu Beginn seines Manuskripts für die letzte zusammenfassende Sendung bevor er voll des Lobes ist: „Selbst professionelle Konzertbesucher, die an neuen Abenden 37 Werke zu prüfen hatten, darunter neun in Uraufführungen, zwei in europäischen, eine in deutschsprachiger und 16 in österreichischen Erstaufführungen – selbst die

902 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 2. 903 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 2f. 904 N.N.: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. 18.00-18.30. ORF Archiv Landesstudio Steiermark Graz, [S. 1].

243 geplagten Rezensenten hatten am Ende in summa Eindrücke empfangen, die sie des Lebens und ihres Berufes durchaus froh sein ließen. Nicht alle Tage und nicht überall findet der Musikfreund solche Chancen vor, sich zu informieren, vergleichen und ermessen zu können, wohin die Musik unserer Zeit sich dreht und wendet, welche Kapriolen sie schlägt, in welche Sackgassen sie schlittert. Und das ausgerechnet in Graz“.905 Wohingegen die Festivals neuer Musik in Warschau und Agram hinsichtlich ihrer Programmauswahl nicht mehr frei wären und Donaueschingen sich über Prestige definiere.906

Hauptsächlich wurde der marginale Anteil der österreichischen Komponisten moniert: Wendelin Frauenhofer betitelt seinen Bericht mit „Beinahe ein slawisches Fest“907 und vermutet in der Programmgestaltung entweder „Veranstalternoblesse“908 oder die Sorge, aus der Fülle der österreichischen Künstler einen repräsentativen Querschnitt zu wählen. Frauenhofer befindet weiters, dass die Werke der österreichischen Komponisten ohnedies bezüglich der Qualität durchschnittlich gewesen seien. Auch Richard Wehner befindet in seiner Besprechung vom letzten Konzert, dass die heimischen Komponisten zu wenig vertreten waren.909

Franz Giegling sprach in der Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik am 2. Oktober darüber, dass sich das musikprotokoll bei umsichtiger Planung zu einem „internationalen Forum entwickeln“910 werde. Schon im ersten Jahr seien wichtige Schritte dazu gesetzt worden. Für Giegling war die Programmgestaltung dahingehend ideal, da er sich für eine große Bandbreite an unterschiedlichen Kompositionsrichtungen wie auch differierender Reife – und Bekanntheitsgrade der Komponisten ausspricht. Mit einer Ausnahme ist der Rezensent über die

905 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. 18.00-18.30. ORF Archiv Landesstudio Steiermark Graz, [S. 1.]. 906 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. 18.00-18.30. ORF Archiv Landesstudio Steiermark Graz, [S. 1.]. 907 Wendelin Frauenhofer: Beinahe ein slawisches Fest. Bericht vom steirischen herbst in Graz. In: Die Furche vom 12. Oktober 1968, S. 27. 908 Wendelin Frauenhofer: Beinahe ein slawisches Fest. Bericht vom steirischen herbst in Graz. In: Die Furche vom 12. Oktober 1968, S. 27. 909 Richard Wehner: Schlußpunkt im Musikprotokoll 1968. In: Die Wahrheit vom 4.10.1968, S. 5 910 Franz Giegling, Basel: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik vom 2.10.1968. Archiv ORF Landesstudio Steiermark. [S.1.].

244 Programmwahl glücklich: Beim Streichquartettabend moniert er, dass Istvan Lang von Kodály und Bartók überstrahlt worden war. Franz Giegling hebt jedoch generell die Leistung der Programmgestalter hervor: „Sie haben mit dem „Musikprotokoll“ ein Forum musikalischer und geistiger Begegnungen ins Leben gerufen, auf dessen weitere Entwicklung man mit Fug und Recht höchst gespannt sein darf.“911 Großes Lob spricht er auch den ausführenden Musikern aus, die wesentlich zum Erfolg des Festivals beigetragen haben. Am Ende seines Sendebeitrages führt der Rezensent die Liste jener Kompositionen an, die er als die reifsten und wertvollsten betrachtet:

Egon Wellesz: Ode an die Musik und Streichquartett. Kresimir Sipus: Verklärungen. Stanko Horvat: Taches. Arnold Schönberg: Klavierkonzert op. 42. Peter Kolman: Monumente per sei milioni. Josef Maria Horvath: Redundanz II. Karl Haidmayer: Bläserquintett, Ivan Eröd: Ricercare ed aria. Dietmar Polaczek: Lesabendio.912

In seinem zusammenfassenden Bericht, der am 5.Oktober gesendet wurde, referiert Herbert Schneiber, dass das letzte Konzert mit dem Werk von Ivo Malec „der ganzen Veranstaltungsserie einen gehaltvollen Ausklang“913 gegeben habe. Lux aeterna sei die Komposition, die am stärksten in der Erinnerung bleibe. „Ligetis Motette war stark genug, das ganze Fest (das nicht als solches deklariert wurde) zu überstrahlen.“914 Weiters seien Formen und Flächen von Dubravko Detoni wertvoll, besonders der ästhetisch-poetische Zugang zum Thema „Werden und Vergehen von Klanggeschichten“915 sei bemerkenswert. Ein weiteres Werk Stanko Horvats Taches hebt Herbert Schneiber hervor, als erstaunte „durch den nahtlosen und zugleich effektvollen Übergang vom strukturell aufgefächerten Orchesterklang zu den motorisch-musikantischen Passagen des Soloinstruments, den polyrhythmischen

911 Franz Giegling, Basel: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik vom 2.10.1968. Archiv ORF Landesstudio Steiermark. S. 2. 912 Franz Giegling, Basel: [Manuskript] zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Information und Kritik vom 2.10.1968. Archiv ORF Landesstudio Steiermark. S. 2f. 913 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. 18.00-18.30. ORF Archiv Landesstudio Steiermark Graz, [S. 1]. 914 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. Ebda, S. 1f. 915 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. Ebda, S. 2.

245 und polytonalen Einwürfen des Klaviers.“916 Als das beste Konzert insgesamt, das auch an Qualität am ausgewogensten vom Rezensenten beschrieben wird, sei das Konzert vom 30. September. Eugen Suchons Orchesterstücke „wiesen im expressiven Gewand der Spätromantik plastischen Einfall und brillante Verarbeitung nach“,917 die Komposition Peter Kolmans besteche durch die Verwendung unterschiedlicher Effekte von Echo und Nachhall, während Ivan Parik in seinem Werk traditionelle mit neuen instrumentalen Klängen vermischt und damit eine heitere Symbiose schafft. Besonders die humorvolle Seite und das Imitieren von Klängen, die nicht der Funktion der Instrumente entsprechen, findet Herbert Schneiber beeindruckend. Als „überaus fesselnd“918 bezeichnet der Rezensent auch das Werk von Dietmar Polaczek „Lesabendio“. Auch hier beschreibt er die neuartige Verwendung des Klangmaterials als besonders reizvoll.

Die österreichische Beteiligung der zeitgenössischen Komponisten sei nicht von der Werkanzahl, aber von der Qualität her „eher bescheiden“.919 Herbert Schneiber vermutet: „Möglicherweise spiegelte sich darin Veranstalternoblesse oder auch die Hypothek, im Lande bleiben und sich redlich durch die Qual der Wahl schlagen zu müssen.“920 Er hofft auf eine qualitätsvollerer Programmauswahl für das kommende Jahr, oder auch andere Komponisten wie Hans Erich Apostel oder Marcel Rugin, Haubenstock-Ramati könnten in die engere Wahl genommen werden. Diese Programmmängel seien jedoch nicht in der Lage gewesen, den Erfolg des ersten musikprotokolls zu schmälern. Der Erfolg „machte sich nicht zuletzt an der Präsenz eines begeisterungswilligen Publikums bemerkbar, das gekommen war, zu hören, und gehört hatte, um wiederzukommen.“921

916 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. Ebda, S. 2. 917 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. Ebda, S. 2. 918 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. 18.00-18.30. ORF Archiv Landesstudio Steiermark Graz, S. 3. 919 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. Ebda, S. 3. 920 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. Ebda, S. 3. 921 Herbert Schneiber, Wien: [Manuskript zu Kritik und die andere Seite]. Studio Steiermark. 5.10.1968. Ebda, S. 3.

246 Snješka Knežević berichtet von ihren beiden Haupteindrücken des steirischen herbstes, „als Allgemeineindruck einer einheitlichen Atmosphäre, die in Graz besteht, […] die Tendenz des Dialogs und der Wille zum Dialog, Dialog zwischen verschiedenen Weltanschauungen, Ideologien, verschiedenen Denkmodellen.“922 Die Autorin beschreibt diese Denkweise als „typisch österreichische“,923 die besonders in der heiklen politischen europäischen Lage an Wichtigkeit gewinne. Der Kontakt zu den Nachbarländern auf künstlerischer, sozialer und menschlicher Ebene sei somit ein herausragendes Charakteristikum des steirischen herbstes. Als zweiten Punkt ihrer Beurteilung des Festivals hebt die Autorin die geglückte Symbiose zwischen Tradition und Avantgarde hervor. Sie stellt dies anhand zweier Lesungen von Franz Nabl und Peter Handke dar, die als bezeichnend für weitere Veranstaltungen gelten. „Die Bereitwilligkeit, mit der man das Neue aufnimmt, der Wunsch, dem Neuen zum Durchbruch zu helfen, das Vertrauen, das man ihm gegenüber aufweist, […] andererseits das ausgewogene Gefühl für Maß und guten Geschmack, womit ältere Werke präsentiert werden, das alles erzeugt in diesen Tagen in Graz eine Atmosphäre des Unkonventionellen, Vertrauten, des gegenseitigen Vertrauens und des Wunsches zur Mitarbeit.“924 Wenngleich aus dem Manuskript nicht hervorgeht, ob die Kritikerin auch Konzerte des musikprotokolls besucht hat, kann dieser Bericht doch als eine Zusammenfassung dessen gelesen werden, was die Intention der Programmgestalter zum Inhalt hatte.

Publikumsbesuch

Die Zahlen des Kartenbüros liegen leider nicht mehr vor. Alfred Holzinger spricht in seiner Sendung vom 28. September davon, dass sie bisher durchwegs erfreulich gewesen seien. Das Konzert am 27. September wiese die bisher höchste BesucherInnenzahl auf, die 1000 Plätze im Stephaniensaal seien beinahe ausverkauft gewesen. Das Eröffnungskonzert erfreute sich mit 704 verkauften Karten und „das am schlechtesten besuchte Konzert […] blieb um etliches über jener Zahl, die als Grund genannt wurde, weshalb der Musikverein für Steiermark

922 Snješka Knežević (Zagreb): [Manuskript]. Masch. ORF Archiv Landesstudio Steiermark Graz, [S. 1.] 923 Snješka Knežević (Zagreb): [Manuskript]. Ebda, [S. 1.] 924 Snješka Knežević (Zagreb): [Manuskript]. Masch. ORF Archiv Landesstudio Steiermark Graz, S. 2.

247 keine ähnlich programmierten Abende veranstalte.“925 In derselben Sendung äußerte sich auch Franz Giegling positiv über die BesucherInnenzahlen des musikprotokolls926 und über das entgegenkommende Publikum, das aufgeschlossen und aufmerksam sei. Viele junge Menschen, SchülerInnen und Studierende würden sensibel auf die Werke reagieren und nicht nur netten Applaus herschenken.927 Auch Herbert Schneiber sprach lobend darüber, dass Graz ein „derart animiertes und interessiertes Publikum“928 habe, das man in keiner anderen Stadt Österreichs finden würde. Zu dieser Zeit war erst die Hälfte der Konzerte vorüber. In der Neuen Galerie Graz fand nach dem fünften Konzert ein Empfang statt (wie unter dem Titel „Halbzeit“ bereits oben berichtet wurde), wo ebenso über das große Interesse des Publikums gestaunt wurde.929

Bis auf den Bereich Oper waren alle Sparten der musikalischen Genres vertreten: Orchesterkonzert, Soloinstrument und Solostimme mit Orchester oder Kammerensemble, Streichquartett, Bläserensemble, Chor, Rezitation mit und ohne Instrumentalbegleitung und Ballettmusik. Von den 43 Werken waren zehn Uraufführungen, zwei europäische Erstaufführungen, eine Erstaufführung im deutschsprachigen Gebiet und 15 österreichische Erstaufführungen.

Im steirischen herbst 1968 fanden außerhalb des musikprotokolls sechs weitere musikalische Veranstaltungen statt, deren Programme hauptsächlich aus Werken der klassischen Literatur bestanden.

925 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, S. 2. 926 Alfred Holzinger: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. Ebda, S. 2. 927 Franz Giegling: Musikprotokoll 1968 in Graz. [Manuskript zur Sendung Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, [S. 1]. 928 Herbert Schneiber: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, [S. 1]. 929 Herbert Schneiber: [Manuskript zu Steirischer Herbst 1968. Sendung vom 28.9.1968, 17.10-18.00 / Ö1]. ORF Archiv Landesstudio Steiermark, [S. 1].

248 Allgemeine Berichterstattung

Die Eröffnung des steirischen herbstes und des musikprotokolls erfreute sich national und international medialer Beobachtung. Die Berichterstattung reichte von frugaler Darstellung wie in der Kärntner Tageszeitung zu lesen: „Mit dem ersten Konzert der „Musikprotokolle“ wurde Montag abend der „Steirische Herbst“ musikalisch eingeleitet“930, darauf folgt eine Auflistung des Programmes; (in den Vorarlberger Nachrichten war der idente Text abgedruckt)931; bis zu detaillierten musikalischen aber auch philosophisch-soziologischen Analysen des neu begonnenen Festivals, zu denen in Folge näher eingegangen wird.

In einer allgemeinen Reminiszenz ergeht sich Gerhard Mayer in der Wochenpresse am 2. Oktober. Er beschreibt das musikprotokoll als „kritisch sichtende Bestandsaufnahme […] und die Möglichkeit, durch die Konfrontation mit allen möglichen musikalischen Strömungen schöpferisch-geistige Anregungen zu empfangen und zu vermitteln.“932 Dies sei ebenso geglückt wie die Prämisse, der Einbeziehung und gegenseitigen Inspiration der südlichen und südöstlichen Nachbarländer. Der Veranstaltungsbesuch sei zeitweise dürftig gewesen, trotzdem könne Graz auf die neue Veranstaltungsreihe mit Stolz blicken.933

Weniger freundlich schreibt der pensionierte Landtagsabgeordnete Friedrich Hueber in der Neuen Front: „Das sogenannte „Musikprotokoll 1968“ war gewiß ein schätzenswerter Beitrag des Österreichischen Rundfunks“934, es sei jedoch zu bemängeln, dass für die Auswahl der Werke ein Kuratorium nötig gewesen wäre, um durchgehend qualitativ hochwertige Aufführungen zu ermöglichen. Auch führt er die wenigen österreichischen, insbesonders steirischen Komponisten an, die auf

930 N.N.: Musischer „Steirischer Herbst“. In: Kärntner Tageszeitung vom 26. 9. 1968, Klagenfurt. Entnommen: Observer. 1. österr. behördlich konzessionierte Unternehmen für Zeitungsausschnitte, Wien. 931 N.N.: [ohne Titel]. In: Vorarlberger Nachrichten vom 25. 9. 1968, Bregenz. Entnommen: Observer. 1. österr. behördlich konzessionierte Unternehmen für Zeitungsausschnitte, Wien. 932 Gerhard Mayer: Fettfreie Diät. „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wochenpresse. 2. Oktober 1968. 933 Gerhard Mayer: Fettfreie Diät. „Musikprotokoll 1968“. In: Die Wochenpresse. 2. Oktober 1968. 934 Friedrich Hueber: Ein Nachwort zum „Steirischen Herbst“. Nach bestandener Probe sind einige Mängel abzustellen. In: Neue Front vom 26. Oktober 1968.

249 dem Programm zu finden waren. Weiters befand er: „Der Steirische Herbst kann nicht der sogenannten ‚zeitgenössischen’ Kunst als Experimentierfeld dienen.“935

Diese doch harsche und teilweise unfachliche Kritik zusammen mit dem Setzen von Anführungszeichen bei Wörtern wie „zeitgenössischen“ lässt die Vermutung entstehen, dass der Autor wenig Affinität zur zeitgenössischen Kunst hegt, auch in seinem Abschlussplädoyer lässt er dies spüren: „Das Land Steiermark und in Besonderheit die Landeshauptstadt Graz sind so sehr mit den Kulturwerten der Vergangenheit verbunden, dass die Pflege und Förderung der ‚modernen’ Kunst nicht ohne Einbeziehung der ‚alten’ Kunst von Erfolg sein kann.“936 Dass dies eine Kernaussage der Prämissen des steirischen herbstes ist, und auch im Programm des Jahres 1968 so gelebt wurde, scheint dem Kritiker entgangen zu sein.

Heribert Schwarzbauer von der Presse urteilt wesentlich enthusiastischer. Als einzigen Kritikpunkt bemängelt er die schwache Beteiligung der österreichischen Komponisten. Ansonsten ist er voll des Lobes, wenn er befindet, dass der Rundfunk Steiermark unter seinem Intendanten Emil Breisach der „ersten Veranstaltungswoche [des steirischen herbstes] sein spezifisches Gepräge gab: durch ein musikprotokoll 1968, das mit einem beachtlichen Aufwand an in- und ausländischen Ensembles, Dirigenten und Solisten den tatsächlich sehr erheblichen Nachholbedarf des Grazer Konzertlebens an zeitgenössischem Musikschaffen deckte.“937 Dazu muss angemerkt werden, dass bei dem Hauptteil der Kritiker das erste Konzert, insbesonders das Lux aeterna von György Ligeti großen Eindruck hinterließ.

Der Wiener Kulturjournalist Lothar Sträter schreibt äußerst wohlwollend über die Idee des Festivals, beschreibt auch deren Vorläufer wie Steirische Akademie und Trigon, hebt den Begriff „Innerösterreich“ mit der Steiermark als Kernpunkt hervor

935 Friedrich Hueber: Ein Nachwort zum „Steirischen Herbst“. Nach bestandener Probe sind einige Mängel abzustellen. Ebda. 936 Friedrich Hueber: Ein Nachwort zum „Steirischen Herbst“. Nach bestandener Probe sind einige Mängel abzustellen. In: Neue Front vom 26. Oktober 1968. 937 Heribert Schwarzbauer: Schwerpunkt im Südosten. Der „Steirische Herbst“ findet in Graz zum erstenmal und erfolgreich statt. In: Die Presse vom 1. Oktober 1968.

250 und befindet, dass der Österreichische Rundfunk mit Emil Breisach als Intendant der steirischen Landesstudios einen „entscheidenden Impuls“938 für den steirischen herbst gegeben habe. Offensichtlich ist für den Rezensenten das musikprotokoll ein immens wichtiger Part des steirischen herbstes, da ihm wohl bewusst ist, dass dieses nur Teil des Festivals ist, er schreibt weiter, „Emil Breisach ergänzte das Programm durch die „Musikprotokolle““.939 Den Erfolg der musikprotokoll-Konzerte führt der Journalist darauf zurück, dass sie, obwohl avantgardistische Musik, nicht in avantgardistischem Ambiente, sondern in konservativem, „festlichen Rahmen im vertrauten Konzertsaal“940 aufgeführt worden sind.

Vom Musikwissenschafter Franz Giegling liegen aus dem Archiv des steirischen herbstes Berichte über das musikprotokoll vor, die als Grundlage für Radiosendungen im November 1968 des Rundfunks der Deutschen und Rätoromanischen Schweiz dienten. Darin ist er voll des Lobes über die Organisatoren des musikprotokolls Emil Breisach und Ernst Ludwig Uray, die sich über alle finanziellen Schwierigkeiten hinwegsetzten und auch die Definitionsfrage, was denn Neue Musik alles beinhalte, nicht abschrecken konnte, dieses Festival zu initiieren. Giegling bewertet die Vorbereitungsarbeiten der Veranstaltungen sehr hoch, ebenso das Niveau der einzelnen Konzerte. Auch das Publikum sei ein interessiertes gewesen. Für diesen Rezensenten war es erfreulich, dass nicht nur Meisterwerke der zeitgenössischen Musik auf dem Programm standen. „Denn es ist nicht der Sinn eines solchen Forums“941 und „der Wettbewerb soll offen bleiben“942. Auch Giegling spricht davon, dass sich das musikprotokoll zu einem internationalen Festival entwickeln kann, wenn die Planung optimiert wird und die Phase des Experimentierens der Stringenz weicht. Eine Ungereimtheit ist in dem en gros doch wohl recherchierten Bericht zu bemerken: Der Musikwissenschafter schreibt zu

938 Lothar Sträter: Festival der Modernen in Graz. Der „Steirische Herbst“ als Ort der Begegnung für Kenner. [s.d., s.l.]. 939 Lothar Sträter: Festival der Modernen in Graz. Der „Steirische Herbst“ als Ort der Begegnung für Kenner. [s.d., s.l.]. 940 Lothar Sträter: Festival der Modernen in Graz. Der „Steirische Herbst“ als Ort der Begegnung für Kenner. 941 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. [Sendebericht] aus dem Archiv des steirischen herbstes. Sackstrasse Graz, S. 4. 942 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. Ebda. S. 4.

251 Beginn, dass Graz „seit einigen Jahren unter dem Titel ‚Steirischer Herbst’ Kunstausstellungen, Theateraufführungen, Vorträge, Rezitations- und Diskussionsabende“943 veranstalte. Hierin hat er sich geirrt, im Jahr 1967 trat zum ersten Mal der Titel steirischer herbst in Erscheinung.

In der Weihnachtsausgabe der Grazer Wahrheit schreibt ein nicht genannter Autor einen doppelseitigen Bericht über den vergangenen steirischen herbst. Er bemängelt, dass steirische Autoren nicht ins Programm aufgenommen worden waren, obwohl sie teilweise sogar Gedenkjahre gefeiert hätten, wie Peter Rosegger, Alexander Sacher-Masoch, Ernst Goll, Julius Franz Schütz und Herr von Reininghaus, Max Mell ebenso wie Berta Liebmann und Therese Haslacher. Generell sei zu bemerken, dass das Thema Literatur sehr marginal im Programm behandelt wurde, obwohl der Generalsekretär doch selbst literarisch interessiert war. Hiebei befürchtet der Autor ein Überverhältnis der Musik gegenüber der Literatur.

Den Titel steirischer herbst hält der Autor für „provinziell“944, da das Wort „steirisch“ als Ort des Geschehens darin enthalten sei. Der Hauptgrund des Festivals sei die Tradition und das sei, so der Autor, als positiv zu betrachten. Ebenso wie die Saarbrückener Landeszeitung berichtet: „Was nützt’s, daß seit Jahren regelmäßig lautstark verkündet wird, Graz ist keine Pensionopolis mehr! Gerade dies aber ist der Humus, auf dem das Neue gedeiht!“945 Der Autor stimmt diesem Ausspruch voll und ganz zu. Die Intention des steirischen herbstes sei hervorragend, der Ausführung des Festivals muss die kurze Vorbereitungszeit mildernd zugesprochen werden. Intendant Haberland habe drei Jahre die Entstehung des Festivals unter Zuhilfenahme von vorgetäuschen Gründen zu verhindern gewusst. Aber die wichtigsten Kulturinstitutionen – Vereinigte Bühnen, Musikverein Steiermark, Österreichischer Rundfunk und das forum stadtpark – haben die Entstehung forciert. Die katholischen Institutionen verurteilt

943 Franz Giegling: Das Musikprotokoll 1968. Bericht über die Konzerte Neuer Musik in den Veranstaltungen „Steirischer Herbst“ in Graz. Ebda. S.1. 944 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. In: Die Wahrheit vom 23./25./26. 12. 1968, S. 11f. 945 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. In: Die Wahrheit vom 23./25./26. 12. 1968, S. 11f.

252 der Autor aufs Gröbste, sie hätten, außer dass sie die Vorstellung des Dramas „Die Bürger“ von Paul Claudel initiierten, aber nicht beworben haben, nichts weiter unternommen. Außerdem sei eine Tagung im Bildungshaus Mariatrost anberaumt worden, zum Thema „Autorität in der Kirche“, bei der das Drama von Claudel gar nicht zur Sprache kam, sondern nur die Debatte um die damals neu im Handel gekommene Antibabypille geführt wurde. Verbesserungen könne es einige geben, gleichwohl der steirische herbst so erfolgreich war, dass die Grazer Sommerspiele ohne großen Aufhebens ihr Ende erreicht hätten. Der steirische herbst solle die ganze Steiermark miteinbeziehen, so der Autor und sich nicht nur auf Graz beschränken. Auch die Städte Köflach oder Mürzzuschlag seien kulturell bedeutsam. Dann aber begibt sich der Autor auf allzu gefährliches Terrain. Er behauptet, „ein Hausmusikabend […], das ist mehr Kultur als eine zwar besuchsarme, aber offiziell subventionierte Demonstration moderner Kakophonie.“946 oder ein „Weihnachtsspiel der Hausfrau“947 in einem Bürgerhaus, sei kulturell hochwertiger „als die Aufführung des handkeschen Kaspar auf der Probebühne.“948 Kulturförderung sei nur insofern gerechtfertigt, als es im privaten Bereich angenommen wird. Der steirische herbst müsse mit „Einbeziehung privater, familiärer Intiativen“949 kooperieren, sonst wäre dem Festival kein dauerhafter Erfolg beschieden, so der Autor.950

Wenn der Kritiker damit Recht hätte, würde Neues niemals gefördert und die „Anbetung der Asche“ wäre Hauptzweck aller Kunst. Es ist auch frappant, wie der Autor Professionalität mit der Kunstausübung von Laien vermischt.

946 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. In: Die Wahrheit vom 23./25./26. 12. 1968, S. 11f. 947 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. Ebda. S. 11f. 948 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. Ebda. S. 11f. 949 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. Ebda. S. 11f. 950 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. Ebda. S. 11f.

253 Obgleich er im nächsten Abschnitt einen „lebendigen Dilettantismus“951 protegiert und das Neue in der Kunst im familiären Kreis anfänglich zu positionieren sei, verschließt er doch die Augen davor, dass Kunst Ausbildung, Wissen und Können voraussetzt.

Abschließend bemerkt der Autor lobend, dass die politische Wirkung des steirischen herbstes, gerade wo „der Eiserne Vorhang brüchig geworden ist“952, als höchst positiv zu bewerten ist. Obwohl der steirische herbst keinen persönlichen Star, etwa wie Mozart in Salzburg, vorweisen kann, habe das Festival einen großen Gedanken als Intention: den der Freiheit, wie sie in der letzten Epoche des alten Innerösterreich gelebt worden war. In diesem Sinne entstehe Politik durch Kultur.953

Internationale Berichterstattung Rezensionen

Das mediale Interesse international war bereits im ersten Jahr erfreulich und weitaus umfangreicher, als es Gerhard Melzer in seiner Untersuchung im Kompendium 10 Jahre steirischer herbst publizierte, er spricht von lediglich zwei ausländischen Tageszeitungen.954 Es waren jedoch 15 Printmedien, hauptsächlich aus Deutschland und ein geringer Teil stammte aus Italien.

Die Kulturredakteurin des Radios Zagreb, Snjeska Knesevic, so ist in der Grazer Wahrheit zu lesen, habe folgende Aussage über das österreichische Volk anhand des steirischen herbstes getroffen: Es sei in der Umgebung des steirischen herbstes folgendes zu bemerken: „eine Eigenschaft einer neuen, ich möchte fast sagen, typisch österreichischen, modernen Weltanschauung […]. Das ist die Tendenz zum Dialog und der Wille zum Dialog. Dialog zwischen verschiedenen

951 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. Ebda. S. 11f. 952 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. Ebda. S. 11f. 953 N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. Ebda. S. 11f. 954 Gerhard Melzer: Auswertung des Untersuchungszeitraumes 1968 bis 1973. In: 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Herausgegeben von Paul Kaufmann. (Mundus) Wien 1977, S. 255ff.

254 Weltanschauungen, Ideologien, verschiedenen Denkmodellen. Diese Tendenz, so scheint mir, entfalte sich in Österreich in allen Formen des Lebens immer mehr, bekommt immer mehr an Tiefe und Sinn, besonders heute, in der Zeit einer akuten europäischen Krise.“955

Wenn diese positive gesellschaftspolitische Wirkung des steirischen herbstes bis ins benachbarte Ausland spürbar ist, ist wohl eine außermusikalische Berechtigung des Festivals erwiesen. Der nichtgenannte Autor des Artikels ist lediglich darüber erfreut, dass die Nachbarländer nun wissen, dass Österreich nicht nur aus Salzburg und Wien besteht. Die alte Fehde, wer in der Kultur führend ist, oder eher, welche Stadt mehr finanzielle Mittel dafür erhält, Graz oder Wien, wird hier wieder aufgenommen.

Ein nichtgenannter Autor der Nürnberger Nachrichten unterscheidet die Veranstaltungen des musikprotokolls nicht von den Konzerten des steirischen herbstes. Es wird von „Kulturfeiertage[n]“956 gesprochen, die Aufführungen der Grazer Oper und des Schauspielhauses, Lesungen, Kabarett und wissenschaftliche Veranstaltungen sowie die Malerwochen angekündig. Das musikprotokoll erhält keine eigene Erwähnung, weder der Name noch das Programm werden kundgetan. Der lapidare Abschlusssatz des Artikels lautet: „Das Musikprogramm führt Orchester und Dirigenten u.a. aus Zagreb, Laibach, Pressburg auf.“957 Der Artikel liest sich wie eine Vorankündigung, ist jedoch drei Tage nach Eröffnung des Festivals erschienen.

Herbert Schneiber im Calwer Tagblatt (der idente Artikel ist in fünf weiteren deutschen Blättern erschienen, wie bereits oben festgestellt) bemerkte am 25. Oktober zusammenfassend und voll des Lobes über die Gründung des Festivals, trotz der harten Bedingungen, mit denen gleichwertige Veranstaltungsreihen wie

955 Snjeska Knesevic In: N.N.: „Steirischer Herbst“ und anderes. Einige Gedanken zur Kulturförderung / Der Anfang in der Familie / Eine staatsmännische Entscheidung. In: Die Wahrheit vom 23./25./26. 12. 1968, S. 11f. 956 N.N.: Steirische Festwochen 1968. Theater, Konzerte, Kunst, Diskussion. In: Nürnberger Nachrichten vom 26.9.1968. 957 N.N.: Steirische Festwochen 1968. Theater, Konzerte, Kunst, Diskussion. In: Nürnberger Nachrichten vom 26.9.1968.

255 etwa der Warschauer Herbst oder Donaueschingen zu kämpfen haben: „ Der ‚Steirische Herbst’ zählt zu den neuesten Gezeiten der Kunst, die in der allem Festspieltrubel abholden Landeshauptstadt Graz einige Wellenbewegungen verursacht haben. Eine der Hauptattraktionen bildete das „Musikprotokoll 1968“. […] Am Erfolg des ersten „Musikprotokolls ist nicht zu zweifeln. Er machte sich nicht zuletzt an der Präsenz eines begeisterungsfähigen Publikums bemerkbar.“958

Die Stuttgarter Zeitung druckt einen ausführlichen Artikel von Gerhard Brunner ab, in dem er befindet, dass es Zeit wurde, dass sich der Österreichische Rundfunk auf seine Aufgabe der Präsentation zeitgenössischer Musik besinne. Dass dies in Graz und nicht in Wien geschah, beschreibt er als „Kampfansage an die träge Metropole Wien“959. Für den Rezensenten ist das musikprotokoll der an Umfang größte Teil des steirischen herbstes und es könne im darauffolgenden Jahr bereits internationale Reputation erhalten, wenn die Programmgestaltung geschickter vonstattengehen würde. Dass im ersten Jahr alle stilistischen Genres vertreten waren, sei zwar positiv für den Diskurs zeitgenössischer Musik, jedoch dürften in Hinkunft weniger private oder persönliche Bündnisse mit den Komponisten für die Programmauswahl ausschlaggebend sein. Vielmehr müsse es ein Festival der Jugend werden, in denen zwar die großen Komponisten der Wiener Schule wie Egon Wellesz, Hans Erich Apostel und Ernst Krenek aufscheinen sollen, aber keinesfalls die weniger bekannten Zeitgenossen. Österreich habe genügend interessante junge Komponisten wie etwa Friedrich Cerha, Gerhard Lampersberg, Kurt Schwertsik, Otto Zykan, Ivan Eröd, Dietmar Polaczek und Josef Maria Horvath.960 Es ist augenfällig, dass hier der Rezensent großzügig mit den Herkunftsländern der Komponisten ist. Das letzte Drittel der Kritik bespricht, wie der Untertitel des Artikels vermuten lässt, denn auch das Werk „Redundanz II“ von Josef Maria Horvath.961

958 Herbert Schneiber: Steirischer Herbst. Über das „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Calwer Tagblatt, Calw vom 25.10.1968, S. 8. 959 Gerhard Brunner: Steirische Initiative. Musikprotokoll 1968. Der Preis für Josef Maria Horvath. In: Stuttgarter Zeitung, Stuttgart. [s.d.]. 960 Gerhard Brunner: Steirische Initiative. Musikprotokoll 1968. Der Preis für Josef Maria Horvath. Ebda. 961 Gerhard Brunner: Steirische Initiative. Musikprotokoll 1968. Der Preis für Josef Maria Horvath. Ebda.

256 Klaus Gruber schreibt im Mindener Tagblatt, dass die Avantgarde sich in Graz trotz der Ablehnung der BewohnerInnen zu behaupten vermochte, im Gegensatz zum Wiener Publikum, deren Haltung eine offenere sei und es dort deshalb leichter sei, Konzerte mit zeitgenössischer Musik zu veranstalten. In Graz sei jedoch die positiv gestimmte Fraktion eine starke, und dies manifestierte sich im forum stadtpark. Emil Breisach hatte die Unterstützung seines Landesvorgesetzten Gerd Bacher, der die finanzielle Sicherheit für das musikprotokoll gewährleistet hatte. Als weiter erfreulich merkt der Rezensent an, dass die Konzerte nicht im Radiostudio aufgenommen wurden, sondern im „traditionsreichen Stephaniensaal“962. Die ersten beiden Konzerte besuchte der Kritiker und am Ende des zweiten befand er, „Das Publikum klatschte begeistert. Und dann war eigentlich der Bann schon gebrochen, das Fest etabliert.“ 963In diesem Artikel wird zum Großteil nur vom musikprotokoll berichtet, in der Überschrift findet sich jedoch nichts vom musikprotokoll, im Untertitel kommt die Bezeichnung auch nicht vor: „Der ‚Steirische Herbst’ macht sich. Zehn Tage Neue Musik und dennoch kam das Publikum“.964

Der österreichische Musikkritiker Harald Kaufmann veröffentlicht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Gesamtrezension des musikprotokolls unter dem Titel „Die Idee ist so übel nicht“965. Der vorsichtige Optimismus des Titels bleibt Programm für die ausführliche, teilweise harsche Kritik. Eingangs erwähnt auch er die Müdigkeit des Österreichischen Rundfunks gegenüber den Strömungen der Avantgarde. Allerdings sei das Ergebnis „freilich allzu additiv und bescheiden in seinen wenigen Höhepunkten“.966 Über die Programmwahl der Veranstaltungen mokierte er sich im Schlusssatz: „Eine bunte, allzu bunte Reihung, die es vielen recht machen wollte.“967 Mit dieser Einschätzung war er unter seinen Kollegen nicht alleine, wie bereits zu lesen war. Er geizt weiter mit Lob und schreibt

962 Klaus Gruber: Der „Steirische Herbst“ macht sich. Zehn Tage Neue Musik, und dennoch kam das Publikum. In: Mindener Tagblatt vom 16.10.1968, Minden. 963 Klaus Gruber: Der „Steirische Herbst“ macht sich. Zehn Tage Neue Musik, und dennoch kam das Publikum. In: Mindener Tagblatt vom 16.10.1968, Minden. 964 Klaus Gruber: Der „Steirische Herbst“ macht sich. Zehn Tage Neue Musik, und dennoch kam das Publikum. Ebda. 965 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.1968, Frankfurt. 966 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. Ebda. 967 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. Ebda.

257 abschwächend, dass das Festival wohl teilweise gelungen sei, die Intention sei in Ordnung, „Es könnte aus dieser Sache einmal etwas werden.“968 Generell seien es zu viele Konzerte in zu kurzer Zeit auf den kleinen Einzugsbereich des Grazer Konzertlebens bezogen. Es wären auch zu viele persönliche Rücksichtnahmen, möglicherweise sogar Vorgaben von Orchestermanager und Dirigenten in Hinsicht der Programmgestaltung zu bemerken und zu wenig gründliches Partiturstudium der Programmgestalter im Vorfeld. Er stellt sogar die Frage: „Wozu ein Musikprotokoll 1968? Um zu demonstrieren, dass man auch in Laibach und Bratisalva Dutzendmusik komponiert?“969

Ob sich der Grazer Musikkritiker extra mit Lob zurückhielt, um nicht des lokalen Patriotismus schuldig gesprochen zu werden, oder ob er aus persönlichen Gründen derart kritisierend schrieb, eventuell auch vom Organisationskomitee in irgendeiner Weise desavouiert wurde, scheint fast naheliegend, ist aber für den vorliegenden Fall nicht zu statuieren.

Snjeska Knezević schildert ihre beiden bemerkenswertesten Eindrücke vom steirischen herbst in einem Bericht in Radio Zagreb, dabei kam zwar das musikprotokoll nicht vor, es waren zwei Lesungen und die Malerwochen auf Schloss Retzhof, über die sie berichtete. Ihre Stellungnahme ist jedoch insofern hervorzuheben, weil sie die gesellschaftspolitische Komponente, die diesem Festival innewohnt, herausstreicht. Sie bezeichnet das Festival und Graz als „einheitliche Atmosphäre, […], eine Eigenschaft einer neuen, […] typisch österreichischen modernen Weltanschauung, […] die Tendenz des Dialogs und der Wille zum Dialog, Dialog zwischen verschiedenen Weltanschauungen, Ideologien, verschiedenen Denkmodellen“ bilde den Grundcharakter des Festivals, so die Rezensentin.970 Diese so soziopolitische Denkweise habe sich im steirischen herbst manifestiert. Die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten, den persönlichen und künstlerischen

968 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. Ebda. 969 Harald Kaufmann: Die Idee ist so übel nicht. Eine Woche „Musikprotokoll 1968“ in Graz. Ebda. 970 Snjeska Knezević: [Zusammenfassender Bericht im Radio Zagreb der Kulturredakteuin Snjeska Knezević]. Zagreb, S. 1. Die Abschrift des Berichts befindet sich im Archiv des steirischen herbstes, Sackstrasse Graz.

258 Kontakt, der in dem derzeitigen Europa dringend vonnöten sei, bewertet sie aufs Positivste. Die Wertschätzung der jahrhundertelangen Beziehungen zu den Nachbarländern sei soziopolitisch und künstlerisch gar nicht hoch genug einzuschätzen.971 Die Kulturredakteurin verwendet in keinem Satz das Wort musikprotokoll, wobei sich die künstlerische Dialogbereitschaft mit den Nachbarländern in großem Maße beim musikprotokoll finden lässt. Diese Gesamtbewertung des steirischen herbstes außermusikalische Wirkungen betreffend, ist dessen ungeachtet eine äußerst positive, darüber wird noch detailliert im nächsten Kapitel die Rede sein.

Guido Piamonte zählt in dem Turiner Blatt Stampa-Sera die Festivals von Österreich, Deutschland und der Schweiz in einem Artikel auf. Das neue Festival in Graz erfreue sich international großer Zustimmung. Zuerst berichtet der Autor, dass zehn Konzerte der zeitgenössischen Musik gewidmet und aus der Feder von Komponisten der vier Staaten Österreich, Ungarn, Jugoslawien und Tschechoslowakei auf dem Programm stünden. Schließlich sei auch ein Konzert eines Italieners, Luigi Dallapiccola, zur Aufführung gebracht worden. Es folgen die Aufzählungen der Oper, der Theaterstücke und einiger anderer Konzerte des steirischen herbstes.972

Das musikprotokoll wird nicht separat genannt, die Konzerte daraus haben aber einen großen Stellenwert in der Berichterstattung.

13. Ausblicke auf das musikprotokoll / den steirischen herbst im Jahr 1969 Politische Aspekte

Die Tagespost vom ersten November bringt eine erfreuliche Meldung:

971 Snjeska Knezević: [Zusammenfassender Bericht im Radio Zagreb der Kulturredakteuin Snjeska Knezević]. Ebda. S. 1-2. 972 Guido Piamonte: Itinerari musicali per chi viaggia attraverso l’Europa. Gli ultimi Festival dell’anno. In: Stampa-Sera, Turin vom 1.10.1968.

259 „Die Steiermärkische Landesregierung hat […] die kulturelle Veranstaltungsreihe „Steirischer Herbst“ einstimmig zum Beschluß erhoben. Demnach wird die Steiermärkische Landesregierung gemeinsam mit der Stadtgemeinde Graz und dem Österreichischen Rundfunk, Studio Steiermark, jährlich in den Monaten September und Oktober eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Steirischer Herbst“ durchführen, in der ein umfassendes Bild der geistigen Kräfte und Leistungen des Landes auf dem Gebiete der Wissenschaft, der darstellenden und bildenden Kunst, der Musik und der Literatur gegeben werden soll. Gastspiele und Vorträge, die von Künstlern und Gelehrten aus anderen Ländern im Programm einbezogen sind, zielen auf die Aktualität der Anliegen des Landes und ihrer Einbindung in den Zusammenhang der Zeit und der Welt.“973

Die Organisation soll ein Präsidium innehaben, das aus je einem/r Delegierten vom Land Steiermark, der Stadt Graz und des Österreichischen Rundfunks bestehen soll. Weiters soll ein Generalsekretär, vom Land Steiermark inauguriert, die Einhaltung eines Konzepts überwachen und die unterschiedlichen Veranstaltungen diesbezüglich abstimmen. Marketing und finanzielle Gebarung werden ebenfalls zu seinen Obliegenheiten zählen. Die Steirische Akademie, Trigon und die Internationalen Malerwochen in Retzhof sollen neben Vorstellungen der Vereinigten Grazer Bühnen zum Fixbestandteil des Steirischen Herbstes gehören.974 Das musikprotokoll wird hier nicht erwähnt.

Finanzielle Aspekte

Das Landesbudget für Kultur in der Steiermark ist für das Jahr 1969 auf 85,5 Millionen Schilling veranschlagt worden, im Jahr 1968 waren es 73,3 Millionen Schilling.975 Im Jahr 1967 betrug das Budget für Kultur 66,89 Millionen Schilling.976

973 N.N.: Nun durch Beschluß der Landesregierung. In: Tagespost vom 1.12.1968, S. 9. 974 N.N.: Nun durch Beschluß der Landesregierung. In: Tagespost vom 1.12.1968, S. 9. 975 N.N.: Steiermark erhöht Kulturbudget. In: Tagespost vom 10.12.1968, S. 7. 976 19. Sitzung des Steierm. Landtages, VI. Periode – 13., 14., 15. und 16. Dezember 1966, S. 610.

260 Für das Jahr 1969 bedeutete dies eine erfreuliche Entwicklung: „Die wesentlichen Vorhaben, so vor allem der ‚Steirische Herbst’ sind gesichert.“977 Anlässlich dieser Budgeterhöhung erklärte der steirische Kulturreferent und Landeshauptmannstellvertreter Hanns Koren, er beabsichtige die Veranstaltungen im steirischen herbst im Jahr 1969 nicht nur in Graz, sondern im ganzen Land Steiermark verstreut stattfinden zu lassen.978

14. Das musikprotokoll als identitätsbildender Faktor für die Stadt Graz

Auch hier ist das musikprotokoll nur schwer vom steirischen herbst zu separieren. Dabei wird der Tatsache Rechnung getragen, dass das musikprotokoll Teil des steirischen herbstes ist und bei vielen RezensentInnen und vermutlich auch RezipientInnen so wahrgenommen wird. Allgemein künstlerische Prämissen (mit Ausnahme der rein zeitgenössischen Musikdarbietung des musikprotokolls) und organisatorische Fakten treffen auf das musikprotokoll wie auf den steirischen herbst insgesamt zu. Rein musikalische Auswirkungen lassen sich schwerlich feststellen, die genreübergreifenden und außermusikalischen Komponenten sind der Hauptteil und deshalb werden die Aspekte auch in gesamtkünstlerischer Hinsicht in Beachtung des steirischen herbstes untersucht werden. Siehe auch der Bericht der Zagreber Kulturredakteurin im vorigen Kapitel, die das musikprotokoll überhaupt nicht erwähnt, die Redaktionen und Wirkungen, die sie beschreibt, wie die Einbeziehung der Nachbarländer, können jedoch vorwiegend dem musikprotokoll zugerechnet werden.979

977 N.N.: Steiermark erhöht Kulturbudget. In: Tagespost vom 10.12.1968, S. 7. 978 N.N.: Steiermark erhöht Kulturbudget. In: Tagespost vom 10.12.1968, S. 7. 979 Snjeska Knezević: [Zusammenfassender Bericht im Radio Zagreb der Kulturredakteuin Snjeska Knezević]. Zagreb, S. 1-2. Die Abschrift des Berichts befindet sich im Archiv des steirischen herbstes, Sackstrasse Graz.

261 Soziokulturelle Wirkungen

Schon Platon verstand Musik als soziokulturellen Parameter, die ein Abbild einer stabilen Regierung darstellt.980 Musik wird instrumentalisiert und ideologisch verwendet, und deren Ergebnisse evozieren gesellschaftliche, wissenschaftliche und künstlerische Wirkungen, und dies geschieht nicht nur durch politische Lenkung und Kontrolle.981 Wieweit sich das bestätigen lässt, wird das folgende Kapitel zeigen, denn wenn der zeitgenössischen Musik eine isolierte Stellung zugeschrieben wird, wie es in der Literatur häufig zitiert wird, beispielsweise bei Michael Custodis982, ist dann die gesellschaftliche Reaktion darauf eine sehr eingeschränkte? Oder sind die Auswirkungen umso dramatischer, je spezieller das Genre? Die Antwort wird nur eine Annäherung sein können, da die vielfältigen Auswirkungen nicht immer explizit auf den Grund rückführbar sein werden. Laut Custodis korreliert die Reaktion mit der Rezeption. Er bescheinigt der zeitgenössischen Musik nur mehr eine marginale Wirkung auf gesellschaftliche Aspekte, nachdem sie ihre Schockwirkung verloren hat.983

Michael Custodis hat seinen Artikel im Jahr 2004, also 36 Jahre nach dem musikprotokoll 1968 veröffentlicht. Die „Schockwirkung der zeitgenössischen Musik“ war wohl im Jahr 1968 durchaus noch spürbar und ist es im Jahr 2017 zuweilen immer noch. Eine tiefgehende Wirkung auf die soziokulturellen Strukturen einer Gesellschaft kann man der zeitgenössischen Musik heute trotzdem nicht zuschreiben.

Einen Versuch der Hinführung zur gesellschaftlichen Akzeptanz der avantgardistischen Musik hat der Conferencier Heinz Conrads (1913-1986) unternommen. Er moderierte wöchentlich am Sonntagvormittag seit 1946 vierzig

980 Anastasios Giannarás: Das Wachthaus im Bezirk der Musen. Zum Verhältnis von Musik und Politik bei Plato. In: Archiv für Musikwissenschaft 32, 1975, S. 166. 981 Michael Custodis: Die soziale Isolation der neuen Musik. Zum Kölner Musikleben nach 1945. Stuttgart (Franz Steiner) 2004, S. 13. 982 Michael Custodis: Die soziale Isolation der neuen Musik. Zum Kölner Musikleben nach 1945. Ebda. S 25ff. 983 Michael Custodis: Die soziale Isolation der neuen Musik. Zum Kölner Musikleben nach 1945. Ebda. S. 24ff.

262 Jahre lang die Rundfunksendung „Was machen wir am Sonntag, wenn es schön ist?“984, die später als „Was gibt es Neues“ firmierte und erreichte damit eine breite Bevölkerungsschicht.985 1967 begann er mit einer Sendung am Samstagabend im Fernsehen mit dem Titel „Guten Abend am Samstag“986. Später unter dem Titel „Guten Abend in Österreich sagt Heinz Conrads“987 hatte Conrads die Idee, einmal im Monat den Bundesländerstudios Gelegenheit zu geben, ein Programm mit aufstrebenden Talenten aber auch bereits profilierten Stars verschiedenster Genres zu gestalten.988 Die Sendung erfreute sich großer Beliebtheit und lief 40 Jahre bis zum Tode des Moderators989. Den Anfang der steirischen Beteiligung bestritt der steirische herbst. Der Expreß schrieb am 28. September unter dem Titel: „Heute bei Conrads: „Steirischer Herbst“. Folklore, Musik und Brettl aus der Steiermark“.990 Die Präsenz des steirischen herbstes in der doch allgemein populären Sendung des Heinz Conrads ist durchaus als identitätsbildend für die Stadt Graz zu betrachten.

Luigi Nono fasst im Jahr 1969 zusammen: Die Musik kann den Zustand der Gesellschaft darstellen, sie ist nicht fähig, Revolutionen auszulösen, aber mit der Zurschaustellung negativer sozialer Gegebenheiten kann sie das Bewusstsein öffnen, so sie die technischen Voraussetzungen mitbringt, die den ideologischen in nichts nachstehen dürfen.991 Ein Festival wie das musikprotokoll bietet sich geradezu an, eine Plattform für die Darstellung gesellschaftlicher Missstände zu schaffen. Oder wie im vorliegenden Fall des musikprotokolls 1968, das die Südostöffnung durch Einbeziehung der Künstler aus diesen Nachbarländern protegiert.

984 http://wien.orf.at/news/stories/2621655/ vom 08.03.2015. 985 http://www.wienbibliothek.at/veranstaltungen-und-ausstellungen/veranstaltungen/heinz-conrads.html vom 08.03.2015. 986 http://www.mein-oesterreich.info/persoenlichkeiten/conrads.htm vom 08.03.2015. 987 http://www.wienbibliothek.at/veranstaltungen-und-ausstellungen/veranstaltungen/heinz-conrads.html vom 08.03.2015. 988 http://www.mein-oesterreich.info/persoenlichkeiten/conrads.htm vom 08.03.2015. 989 Johannes Naderhirn: Das Österreichische Fernsehen – demokratiepolitischer Bildungsauftrag oder Quote? Vom Volksbegehren bis zur Gegenwart. Diss. masch. Wien 2009, S. 114. http://othes.univie.ac.at/8814/1/2009-12-20_7855230.pdf Onlineversion vom 08.03.2015. 990 N.N.: Heute bei Conrads: „Steirischer Herbst“. In: Expreß vom 28. September 1968. 991 Joachim Noller: Kleine Philosophie der musikalischen Moderne. Musik und Ästhetik im 20. Jahrhundert. St. Ingbert (Röhrig Universitätsverlag) 2003, S.164.

263 Auch Jean-Paul Sartre ist der Überzeugung, Kunst muss sozialrelevanten Charakter haben und humanitäre Intentionen neben den ästhetischen Prämissen vorweisen. Seinen Ideen, die er im Essay „Was ist Literatur?“ zusammengefasst hat – die zwar explizit zwischen Literatur und Moral unterscheiden, jedoch könne eine ernstzunehmende Kunst niemals ohne Conditio humaine existieren – haben sich einige Komponisten der Avantgarde angeschlossen.992

„Im Feld der Kultur werden politische und soziale Identitäten produziert und reproduziert.“993 Die Stabilität dieser unterschiedlichen Identitäten wird mittels Machtgebrauch verteidigt. Die Machtverhältnisse entspringen wiederum dem politischen und sozialen Gerüst einer Stadt. Kultur, Macht und Identität sind somit in einem dynamischen Geflecht miteinander verbunden.994 Die politische Macht mit ihren finanziellen Ressourcen ist dabei meist die bestimmendste und einflussreichste. Ihr ist es am ehesten möglich, Identitätsbildungen in eine ihr angenehme Richtung zu lenken. Demgegenüber stehen die Individualität der KünstlerInnen, die künstlerische Freiheit und auch eine Entwicklung der Eigendynamik von künstlerischen Werken, die sich in scheinbar banalen Ereignissen des Alltagslebens niederschlagen, wie Bezeichnungen von Speisen in Lokalen.995

Wenn ein Festival als „kulturelle Repräsentation“996 verstanden wird, was beim musikprotokoll der Fall ist, werden gleichzeitig die politischen, sozialen, religiösen und kulturellen Strukturen der Gesellschaft offengelegt. Dies beinhaltet auch die Definition der teilnehmenden KünstlerInnen und des Publikums und die Abgrenzung der Abwesenden. Die Form der Organisation, Ort und Zeit der

992 Constantin Floros: Musik als Botschaft. In: Otto Kolleritsch (Hg.): Verbalisierung und Sinngehalt. Über semantische Tendenzen in und über Musik heute. Studien zur Wertungsforschung. Band 21. Universal Edition für Institut für Wertungsforschung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. Wien, Graz 1989, S. 119. 993 Oliver Machart: Cultural Studies. Konstanz (UVK) 2008, S. 12. 994 Oliver Machart: Cultural Studies. Ebda. S. 12ff. 995 Roland Barthes: Mythen des Alltags 1964, S. 38ff. 996 Katharina Hottmann und Christine Siegert: Musik als kulturelle Repräsentation – Einleitung. In: Katharina Hottmann und Christine Siegert (Hgg.): Feste- Oper-Prozessionen. Musik als kulturelle Repräsentation. Hildesheim, Zürich, New York (Georg Olms) 2008, Jahrbuch Musik und Gender. Herausgegeben vom Forschungszentrum Musik und Gender und der Fachgruppe Frauen – und Geschlechterstudien in der GfM. Band 1, S. 13.

264 Darbietung, geographische und intellektuelle Erreichbarkeit beeinflussen Lebensgewohnheiten und Rituale der BewohnerInnen einer Stadt. Kollektive Identität wird mit der Repräsentation in engem Zusammenhang gesehen, da die kulturelle Repräsentation, das Festival, Grenzen aufzeigt, auflöst, aber auch neue schafft.997

Durch die Wahl des Veranstaltungsortes der Konzerte im musikprotokoll waren die Organisatoren bemüht, die Zugangsgrenzen so gering wie möglich zu halten. Der Stephaniensaal und der Kammermusiksaal im Grazer Kongress waren für seine klassischen Konzerte bekannt. Eine Hemmschwelle in Bezug auf den Konzertort war also nicht vorhanden. Der Angst vor der Neuen Musik eines großen Teils des Publikums wurde somit erfolgreich entgegengetreten. Damit hat sich aber auch die Neue Musik als bereits bestehende Größe im Grazer Konzertleben positioniert. Als sei keinerlei Reputation mehr nötig. Besonders vor den eingeladenen externen Gästen konnte so die Imagination aufrechterhalten werden, in Graz haben Konzerte Neuer Musik bereits Einzug ins klassische Konzertleben gefunden. Was eine etwas euphemistische Betrachtung des Grazer Konzertlebens ist, wie schon weiter oben bemerkt wurde. Inwieweit diese Darstellung jedoch kontraproduktiv für die Neue Musik ist und war, die doch nicht nur musikalische Strukturen, sondern zumeist auch außermusikalische Ordnungen in Frage stellt, darauf sind manche Kritiker eingegangen, wenn sie den Konzertort als konservativ oder traditionsreich bezeichneten. Zusammenfassend kann wohl bemerkt werden, dass der traditionsreiche Konzertsaal die positive Imagebildung von Neuer Musik und auch die Offenheit für Neue Musik der GrazerInnen, gefördert hat. Hinsichtlich der Identitätsbildung von Graz im Allgemeinen war die Wahl des Konzertortes vermutlich von Vorteil. Zumal es in einer Stadt ja nicht unbegrenzt Orte gibt, wo 700 ZuhörerInnen und ein Orchester Platz finden, die zuvor nicht als Konzertort genutzt wurde. Falls der Wunsch nach einem ungewöhnlichen, avantgardistischen Konzertort beständen hätte, wäre er wohl in Graz zu dieser Zeit nicht so leicht zu finden gewesen.

997 Katharina Hottmann und Christine Siegert: Musik als kulturelle Repräsentation – Einleitung. Ebda. S. 13ff.

265 Musik und Identität ist im österreichischen Denken seit wenigstens hundert Jahren ein eng miteinander verwobenes Konstrukt. Gruber fasst zusammen: „So als sei das Musische und speziell das Musikalische ein Wesensmerkmal des Österreichischen “998. Diese kollektive österreichische Vorstellung trägt wesentlich dazu bei, ein Musikfestival zur Identitätsbildung heranzuziehen. Wenn Grubers Behauptung zutrifft, dass „Identitätspolitik […] nur Gruppenidentitäten bilden oder transformieren“999 kann, dann ist das musikprotokoll für die Imagebildung der Grazer Gesellschaft eine zielführende Komponente.

Die Darstellung von Kunst, insbesondere der „neuen“, avantgardistischen, hier wird immer über die öffentliche Form der Darbietung gesprochen, stellt permanent Grenzen der sozialen Akzeptanz dar und gibt auch Einblicke in gesellschaftliche Ordnungen und politische Strukturen, Interaktionen und in die Handhabung mit Konflikten in einer Stadt. In manchen Fällen stellt die Kunst auch Werthaltungen dar oder in Frage, hinterfragt die soziale Ordnung oder kritisiert politische oder wirtschaftliche Entscheidungen. Als Reaktion auf zu harsche Kritik konnte sich die Politik bis 19821000 mit Gerichtsverfahren wehren, da mit der Entscheidung, dass einem Kunstwerk jeglicher künstlerischer Wert abgesprochen wurde, strafrechtliche Verfolgung der KünstlerInnen möglich war.1001

Nach 1945 war zumindest bis in die 1970er Jahre eine problematische Einstellung zur zeitgenössischen Kunst im Allgemeinen festzustellen. Die nationalsozialistische Instrumentrierung von Kulturgut und die Abgrenzung in „entartete Kunst“ führte zu einer hochsensiblen Behandlung von Kunst und Kultur. Die Befürchtung, eine

998 Gernot Gruber: Identität und Identitätspolitik. In: Musik-Stadt. Traditionen und Perspektiven urbaner Musikkulturen. Band 3. Musik in Leipzig, Wien und anderen Städten im 19. und 20. Jahrhundert: Verlage-Konservatorien-Salons-Vereine-Konzerte. Herausgegeben von Stefan Keym und Katrin Ströck. Leipzig (Gudrun Schröder) 2011, S.226. 999 Gernot Gruber: Identität und Identitätspolitik. Ebda. S.234. 1000 1982 wurde das Verfassungsgesetz zur Kunstfreiheit (Art. 17a StGG) verabschiedet. Die RichterInnen konnten ab da nicht mehr so einfach einem Werk den künstlerischen Wert absprechen. Thomas Zembylas: Kunst in der Öffentlichkeit. Versuch über die Grenzen des Erlaubten. In: Lutz Hieber und Stephan Moebius (Hgg.): Avantgarden und Politik. Künstlerischer Aktivismus von Dada bis zur Postmoderne. Bielefeld (Transcript) 2009, S. 242. 1001 Thomas Zembylas: Kunst in der Öffentlichkeit. Versuch über die Grenzen des Erlaubten. Ebda. S. 231-244.

266 Aufarbeitung würde gesellschaftlich destabilisierend wirken, führte zu einer Desavouierung zeitgenössischem Kulturschaffen.1002

Ob die Aktivitäten von Radio Prag eine Auswirkung der Intention des steirischen herbstes der Einbeziehung der osteuropäischen Länder waren, kann nur vermutet werden. Am 27. 9. ist in der Grazer Wahrheit zu lesen, dass Radio Prag seine deutschsprachigen Sendungen für Österreich zur Gänze wieder zu senden begonnen hat.1003

Mit Förderung von Kunst und Kultur kann sich eine Regierung hervorragend in ihrer Subjektivität, ihrer Identität positionieren. Sie kann dadurch eine Orientierung vorgeben und die Blickrichtung der BewohnerInnen beeinflussen, sei es in Hinblick auf Öffnung der Grenzen, auf Loyalität, oder auch als Ablenkungsmanöver bei nicht funktionierenden Prozessen der Regierung oder Skandalen. Das Forcieren von moderner Kunst kann ebenso als ein Kontrapunkt gegenüber antiquierter Aspekte des Stadtlebens, wie beispielsweise ein architektonisch alter Stadtkern, gesetzt werden. Dadurch wird auf die individuelle geistige und soziale Entwicklung der BewohnerInnen Einfluss genommen.1004

In der Landesbudgetsitzung für 1969 setzt Abgeordneter Herman Schaller seine unbedingte Zustimmung zur Kulturpolitik des Landes, die eine Balance zwischen Tradition und einer „bewussten Öffnung gegenüber dem zeitgenössischen Schaffen einen durchaus eigenen „steirischen“ Weg geht.“1005

1002 Ernst Fischer und Georg Jäger: Von der Wiener Gruppe zum Wiener Aktionismus – Problemfelder zur Erforschung der Wiener Avantgarde zwischen 1950 und 1970. In: Herbert Zeman (Hg.): Die österreichische Literatur. Ihr Profil von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart. (1880-1980): Teil 1. Graz 1989, S. 617ff. 1003 N.N.: „Radio Prag“ spricht wieder. In: Grazer Wahrheit vom 27.9.1968, S. 4. 1004 Richard Sennet: Civitas. Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds. Berlin. 2009, S. 177-244. 1005 N.N.: Kultur besänftigt die Gemüter. Aus der Landstube / Der „steirische“ Weg des Professor Koren / Autorität ohne „Amtskappel-Gesinnung“. In: Tagespost vom 10.12.1968, S. 1f.

267 Unter dem „steirischen Weg“ ist die Idee von Hanns Koren gemeint, die nicht ein stures Traditionsbewusstsein unter Kultur versteht, sondern die Besinnung auf die Stärke, die dem Land als geographische Größe innewohnt.1006

Diese Wirkung funktioniert ungeachtet der Diskussion von Max Paddison, ob zeitgenössische Musik nun im historischen und soziokulturellen Kontext betrachtet werden sollte, oder ob sie beziehungslos in dialektischer musiktheoretischer Diskussion analysiert werden sollte.1007 Sobald eine Musikdarbietung öffentlich ist, besteht eine Reaktion auf die Zuhörenden und in weiterem Sinne entsteht eine Wirkung auf die Gesellschaft.

Zudem ist Fact, dass zeitgenössische Musik meist von offizieller Förderung abhängig ist. Dies mag vordergründig nationalen oder regionalpolitischen Charakter haben, in zweiter Instanz, über mediale Verbreitung, wird es internationale Effekte evozieren. Diese interkulturelle Aneignung kann durchaus der lokalen Identitätsbildung zuwiderlaufen. 1008 Dies gilt hier insbesondere für das musikprotokoll, ist dieses Festival doch durch den Österreichischen Rundfunk, also auf nationaler Ebene gegründet, und erfährt erstens durch Radioübertragungen, zweitens durch Aufnahmen auf Tonträger internationale Beachtung. Insofern muss sich Graz nicht sorgen, dass sich diese internationale Präsenz der eigenen Identität einerseits des Festivals andererseits der Stadt Graz entgegenstellt, weil, so Brunner „Nichts, was in Graz gezeigt, gespielt und diskutiert wird, hat den Charakter des wohlfeil Vermarkteten“.1009 Doch die gegenseitigen Wirkungen von Wissenschaft und Kunst werden nicht negiert, sondern als „thematische Ganzheit“1010 manifestiert.

1006 N.N.: Korens Kulturpolitik. In: Tagespost vom 10.12.1968, S. 1f. 1007 Max Paddison: Contemporary Music: Theory, Aestetics, Critical Theory. In: Max Paddison and Irene Deliege (Hgg.): Contemporary Music. Theoretical and Philosophical Perspectives. Ashgate 2010, S. 1. 1008 Martin Elste: Entfaltung der Stereo- und Langspielplattenkultur. Neue E-Musik und die Phonoindustrie. In: Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert. Band 3. Hanns-Werner Heister (Hg.): Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert: 1945-1975. Laaber, S. 217-224. 1009 Gerhard Brunner: Graz. In: Europäische Musikfestspiele. Herausgegeben von der Vereinigung der Europäischen Musikfestspiele. (Atlantis) Lausanne 1977, S. 121. 1010 Gerhard Brunner: Graz. In: Europäische Musikfestspiele. Herausgegeben von der Vereinigung der Europäischen Musikfestspiele. (Atlantis) Lausanne 1977, S. 119.

268 Graz ist für seine Südost- und Ostöffnung in künstlerischer und wissenschaftlicher Hinsicht bereits bekannt: Die Akademie für Musik und darstellende Kunst und auch das Landeskonservatorium bemühten sich erfolgreich, Kontakte zu den Nachbarstaaten im Süden, Südosten und Osten herzustellen. Austauschstudierende und Austauschkonzerte befruchteten das musikalische Leben von Graz und ihren Nachbarländern.1011

Das musikprotokoll setzte diesbezüglich Zeichen: Schon im Jahre der Eröffnung wurden Konzerte, die in Graz ihre Uraufführung oder österreichische Erstaufführung erlebten, in Form von Gastspielen in Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Ungarn, im damaligen Jugoslawien, in der Schweiz und in Amerika dargeboten.

Im Jahr 1968 waren dies folgende Konzertveranstaltungen:  Thomas Christian DAVID: Konzert für Gitarre und Streichorchester (UA). Konzert im Stephaniensaal Graz am 25. September. Weitere Aufführungen in Mülheim an der Ruhr und Basel.  Stanko HORVAT: Taches. Für Klavier und Kammerorchester (UA).  Igor KULJERIC: Sequenzen (UA). Ruben RADICA: Komposition für Ondes Marnots und Kammerorchester (UA). Konzert im Stephaniensaal Graz am 26. September. Weitere Aufführungen in Istra, Zagreb und in der Kroatischen Musikanstalt Zagreb.  Kresimir SIPUS: Verklärungen. Für Solostimmen und Orchester (UA). Dubravko DETONI: Formen und Flächen (UA). Konzert im Stephaniensaal Graz am 26. September (2. Teil des oben genannten Konzertes). Weitere Aufführungen in Istra, Zagreb; im Kroatischen Musikverein Zagreb, auf der Jugoslawischen Musiktribüne in Opatija; in Belgrad; in Paris; im Saal

1011 Erich Marckhl: Der Weg zur Akademie für Musik und darstellende Kunst in Graz. In: Österreichische Musikzeitschrift. Sonderheft April 1963, Wien. S. 4-20.

269 der Slowenischen Philharmonie Laibach; in Ostrava, in Osijek; im Teatro Fenice in Venedig; in Skopje; in der Komischen Oper Ost-Berlin und in Hilden.  Karl HAIDMAYER: IV. Bläserquintett (UA).  Ferenc FARKAS: Bläserquintett (UA). Konzert im Kammermusiksaal Graz am 1. Oktober. Weitere Aufführungen in Budapest; Bern, Laupen, Aarberg, Biel, Dulliken, Spiez, Basel, Oberdiessbach, Birmensdorf, (alle Schweiz), Waltara (USA), Hatvan, SRTR, Paris, Eger, Nürnberg, Lahti (Finnland) CIBA-Geigy-Werk in Stein (A). 1012

Die Gastspieltätigkeit der Konzertierenden setzte sich in den folgenden Jahren fort, jedoch mit unterschiedlicher Intensität. So kann etwa zu Beginn der 80er Jahre ein leichter Rückgang festgestellt werden, der sich nach 1985 hin wieder löste. Die Reisetätigkeit weitete sich sogar auf den asiatischen Kontinent aus.1013

Diese Auslandsgastspiele können für die Stadt Graz als identitätsstiftend bezeichnet werden und haben vermutlich dazu beigetragen, dass sich Graz als Stadt der Moderne und in Folge als Kulturhauptstadt (2003) positioniert hat.

Interpersonelle Wirkungen

Für den Großteil der BürgerInnen einer Stadt wird zeitgenössische Musik mit „modern, avantgardistisch, neu, unverständlich, grenzüberschreitend“ affirmiert werden, ungeachtet der Tatsache, dass Musik im historischen und soziokulturellen Umfeld entstanden ist. Für die Identitätsbildung ist diese Unterscheidung von marginalem Interesse, da die Rezeption der avantgardistischen Musik mit ihrer neuen Tonsprache im Zentrum des Interesses wahrgenommen wird. Allerdings stellt sich hiebei die Frage, ob die zeitgenössische Musik von einem Hauptteil der Bevölkerung wahrgenommen werden muss, um identitätsbildend zu wirken, oder ob diese Wirkung erst effizient wird,

1012 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 111ff. 1013 Paul Kaufmann: 20 Jahre steirischer herbst. Ebda. S. 111-173.

270 wenn die Musik zeitgenössische soziokulturell relevante Fragen thematisiert. Dass sich dafür die musiktheatralische Sparte und die Programmmusik eher eignen, ist einsichtig.

Kunst, in diesem Fall Musik, kann niemals solitär, also außerhalb gesellschaftlicher Kreise stehen. Selbstverständlich kann jegliche Musik, so auch zeitgenössische. nur um ihrer selbst willen in Form von musiktheoretischer oder aufführungspraktischer Sicht diskutiert werden; gleichzeitig erscheint die Musik, sofern sie vor Publikum zur Aufführung gelangt, im soziokulturellen Gefüge und hat somit eine Wirkung auf die Gesellschaft.

Wie die Art der Vermittlung von zeitgenössischer Musik Einfluss auf die RezipientInnen nimmt, beschreibt Paddison als eine bewegliche, hermeneutische, reflexive.1014 Für die Identitätsbildung, die eine Stadt anstrebt, scheint eine „ehrliche“ – in Fact: „typische“ Vermittlung die einzig funktionierende zu sein. Sprich: eine zeitgenössische Darbietung zeitgenössischer Musik. Diese müsste dann alle herkömmlichen Konzert- und Opernsituationen ad absurdum führen. Dass das musikprotokoll dieser Anforderung nicht nachgekommen ist, sondern sich an etablierte Konzerträume gehalten hat, um die fundierte Positionierung der zeitgenössischen Musik in der Gesellschaft zu evozieren, wurde bereits beschrieben. Für Werner Jauk ist bei der Bewertung der Presseberichte der „Grad der Originalität“1015 der aufgeführten Werke der Parameter des gelungenen Avantgardefestivals.

Dass ein konventioneller Konzertort per se nicht als originell eingestuft werden kann, scheint klar. Inwieweit eine objektive Beurteilung von Originalität bezüglich musikalischer Werke durchführbar ist, liegt wohl auch im Auge oder hier Ohr des/der Rezensenten/in. Die Grundaussage von Werner Jauk ist für eine Identitätsbildung einer Gesellschaft jedoch von Interesse. Lassen eine gute Publikumsakzeptanz von „originellen“ Konzerten oder Musikstücken auf originelle, nicht langweilige oder wenig konservative Menschen des Ortes schließen?

1014 Max Paddison: music and Social Relations: Towards a Theory of Mediation. In: Max Paddison and Irene Deliege (Hgg.): Contemporary Music. Theoretical and Philosophical Perspectives. Ashgate 2010, S. 259ff. 1015 Werner Jauk: Neue Musik und Musikkritik. Berichte aus dem Institut für Wertungsforschung der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. 1983, S. 2.

271

Das Umfeld, in dem sich die Menschen bewegen, führt zu sensiblen Reaktionen bei denselben, voraussetzend, dass die innere Stimmung ein äußeres Äquivalent sucht. Diese Reaktionen werden durch Architektur ebenso wie durch kulturelle Angebote und gesellschaftliche Ereignisse beeinflusst. Harmonischer Einklang und provozierende Herausforderungen sind gleichermaßen für eine Identitätsbildung der Stadt wie seiner BewohnerInnen nötig.1016

Nicht nur das Vorhandensein von Mäzenen, von personellen oder räumlichen Ressourcen, auch Angebote, Verbote, die Hindernisse und das Entgegenkommende, das eine städtische Struktur bei den BewohnerInnen evoziert, regt KünstlerInnen an, mit ihrem Material eine Reaktion auf diese Wirkungen zu suchen.1017 Die Komplexität einer städtischen Administration kann mit dem Wissen um Auswirkungen einer Bereitstellung von Räumen für Kunst und Kultur gelenkt werden. Obgleich dies für eine Struktur, die Zielgerichtetsein als ihr Leitbild vertritt, diffizil zu sein scheint, sofern Walter Benjamins Präambel für Kunst berücksichtigt wird: „Es ist von jeher eine der wichtigsten Aufgaben der Kunst gewesen, eine Nachfrage zu erzeugen, für deren volle Befriedigung die Stunde noch nicht gekommen ist.“1018 Diese Ambiguität, diese Investition in die Zukunft, scheint jedoch bei einem Avantgardefestival eher gerechtfertigt zu sein.

Sobald sich die Politik auch in den Prozess der Gestaltung oder Organisation eines Festivals einbringt und nicht nur reine Finanzierstätigkeit ausübt, wird die Verknüpfung, ja die gegenseitige Befruchtung zwischen den verschiedenen Sparten wie Kunst, Wirtschaft, und allen Bereichen des täglichen Lebens, spruchreif. Die Identitätsbildung wird außerdem in soziologischer Hinsicht durch den globalen Gedanken der Öffnung der Grenzen Europas erweitert.1019

1016 Alain de Botton: Glück und Architektur. Von der Kunst, daheim zu sein. Frankfurt am Main (Fischer Taschenbuchverlag) 2012, S. 107ff. 1017 Richard Sennett: Civitas. Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds. Berlin 2009, S. 301ff. 1018 Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. 2006, S. 63. 1019 Peter Krön: Ein Plädoyer aus der Sicht der Kulturpolitik. In: Irmgard Bontinck (Hg.): Kulturpolitik, Kunst, Musik. Fragen an die Soziologie. Schriftenreihe „Musik und Gesellschaft“ begründet 1967 von Kurt Blaukopf. VWGÖ Wien Heft 22, 1992. S 101.

272 Ist es nun Graz mit dem musikprotokoll gelungen, einen marktwirtschaftlich und identitätsbezogenen bedeutsamen „Sound der Stadt“1020 zu kreieren? Ja, wenn hier als „Sound der Stadt“ eine Offenheit und Akzeptanz gegenüber zeitgenössischer Musik bezeichnet wird. Der wirtschaftliche Wert einer Stadt, dabei wird nicht nur von touristischen Erfolgen, sondern auch von steigenden Produktimages gesprochen, lässt sich nach Barber-Kersovan mit vordringlich nonkonformistischen kreativen Darbietungen erhöhen. Ein gut florierendes künstlerisches Milieu wirke sich nicht nur auf die wirtschaftliche Situation der Stadt aus, es evoziere auch die Stärkung der sozialen Kompetenz der Bevölkerung. Ökonomisches Wachstum geht konform mit einem positiven Image einer Stadt.1021

Die Idee von Peter Wicke, dass sie die Avantgarde vom Mäzenatentum der öffentlichen Hand wie auch der kommerziellen Medienindustrie lossagen muss, wenn sie Avantgarde bleiben will,1022 ist wohl noch ein hoffnungsfroher Euphemismus. Auch Cesar Bresgen stoßt ins gleiche Horn, wenn er die finanzielle Unterstützung von Rundfunk und dem ihm nahe stehenden Verlagswesen der Avantgarde anprangert und ihre positive Wirkung bezüglich Dominanz im Musikleben, aber auch die negative Auswirkung der Abschottung der Avantgarde beschreibt.1023 Für das musikprotokoll mag dies wohl in besonderer Weise gelten, war es schon mit dem ersten politischen Beschluss im Landtag durch finanzielle Belange an die öffentliche Hand gebunden und konnte auch von den positiven Seiten profitieren. Dass dies auch gefährlich sein kann, ist aus der Zeit der Nationalsozialisten nur allzu gut bekannt.

Da gilt es einerseits in außermusikalische Prämissen – hier das Festival, und andererseits innermusikalische – die Musik selbst zu untersuchen. Inwieweit sich das eine vom anderen trennen lässt, ist nicht immer zu verifizieren. Und wenn Floros meint,

1020 Dietrich Helms und Thomas Phleps: Editorial. In: Dietrich Helms und Thomas Phleps (Hgg.): Sound and the City. Populäre Musik im urbanen Kontext. Beiträge zur Popularmusikforschung 35. Bielefeld S. 9. 1021 Alenka Barber-Kersovan: Creative Class, Creative Industries, Creative City. Ein musikpolitisches Paradigma. In: Dietrich Helms und Thomas Phleps (Hgg.): Sound and the City. Populäre Musik im urbanen Kontext. Beiträge zur Popularmusikforschung 35. Transcript Verlag 2007 Bielefeld, S. 11ff. 1022 Peter Wicke: Avantgarde im Rock. In: Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert. Band 3. Hanns- Werner Heister (Hg.): Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert: 1945-1975, S. 322-325. 1023 Cesar Bresgen: Der Künstler, stellvertretend für die Gesellschaft. Die soziologische Funktion der zeitgenössischen Musik. In: Fragmente als Beiträge zur Musiksoziologie. Herausgegeben von Elisabeth Haslauer, Band 3. Wien-München (Doblinger) 1977, S. 22.

273 „Die Musik des 20. Jahrhunderts hat – wie die moderne Kunst überhaupt – eine Affinität zum Zweideutigen, zum Mehrdeutigen, zur Ambiguität.“1024 wird eine Zuordnung noch diffiziler. Dass diese Ambiguität auch der Reaktion auf die Instrumentalisierung in der Nazizeit zuzurechnen ist, ist einleuchtend.

Neben der Charakterisierung der Stadt nach außen soll die Partnerschaft zwischen Ökonomie, Politik und Kunst auch in Hinblick auf Strukturveränderungen positive Effekte erzielen. Das Bild einer kreativen Stadt scheint global und lokal im Vorteil zu sein, wenn auf organisatorische Veränderungen jedweder Art reagiert werden muss.1025 Dies scheint aber doch den ökonomischen Verbindungen zu Grunde zu liegen. Wenngleich auch einer gewissen „Aura“ – ähnlich der Pariser Boheme – positive Beeinflussungen unterstellt werden kann.1026

Die Imagebildung einer Stadt mittels Design einer kreativen, respektiven musikalischen Szene ist selbstredend auch touristisch nutzbar.1027 In dem sich Graz als avantgardistisch-affine Stadt präsentiert, deklariert sie sich im Nebengleis auch als modern in anderen Sparten. Eine Stadt hofft somit auf unbewusste Assoziationen.

15. Die Rolle des Rundfunks in der Vermittlung neuer Musik

Für zeitgenössische Musik war die Rezeption über den Rundfunk für die Verbreitung von enormer Wichtigkeit. Vor der Möglichkeit, Musik über das Internet zu hören, war die Chance, zeitgenössische Musik zu rezipieren, auf den Besuch von Live-Konzerten und auf den Erwerb von Tonträgern reduziert. Beides war nicht in ausreichendem Maße verfügbar. So stellte der Rundfunk eine große Breitenwirkung bei der Repräsentation

1024 Constantin Floros: Musik als Botschaft. In: Otto Kolleritsch (Hg.): Verbalisierung und Sinngehalt. Über semantische Tendenzen im Denken in und über Musik heute. Studien zur Wertungsforschung Band 21, Wien, Graz 1989, S. 125. 1025 Alenka Barber-Kersovan: Creative Class, Creative Industries, Creative City. Ein musikpolitisches Paradigma. In: Dietrich Helms und Thomas Phleps (Hgg.): Sound and the City. Populäre Musik im urbanen Kontext. Beiträge zur Popularmusikforschung 35Bielefeld (Transcript) 2007, S. 18ff. 1026 Alenka Barber-Kersovan: Creative Class, Creative Industries, Creative City. Ein musikpolitisches Paradigma. Ebda. S. 28. 1027 Malte Friedrich: Lärm, Montage und Rhythmus. Urbane Prinzipien populärer Musik. In: Alenka Barber-Kersovan: Creative Class, Creative Industries, Creative City. Ein musikpolitisches Paradigma. In: Dietrich Helms und Thomas Phleps (Hgg.): Sound and the City. Populäre Musik im urbanen Kontext. Beiträge zur Popularmusikforschung 35. Bielefeld (Transcript) 2007, S. 31ff.

274 von avantgardistischer Musik dar. Dass sich viele Rundfunkstationen in Europa dieser Aufgabe bewusst waren, darauf wurde bereits im Kapitel über internationale Festspiele hingewiesen.

In den Theaternachrichten ist dazu zu lesen:

Der Rundfunk, vielfach nur als Mittler und Verbreiter des aktuellen und kulturellen Geschehens angesehen, gewinnt in partiellen Bereichen zunehmend die Funktion eines Auftraggebers und Mäzens. Sein jeweiliger Standort wird Sammelpunkt der künstlerischen Elite, er dient der Avantgarde als Diskussionsforum, er sprengt die räumliche Beengtheit geistiger Auseinandersetzung durch die Reichweite seiner Ausstrahlung, er vermittelt Bindungen Gleichgesinnter, unbehindert durch staatliche und sprachliche Grenzen.1028

Der Österreichische Rundfunk, hier das Landesstudio Steiermark, ist besonders im Sinne des musikprotokolls diesem Bildungsauftrag gerecht geworden. Die Radiostationen der Nachbarländer wurden gebeten, dabei mitzuarbeiten, ein musikalisches Zeitbild von Italien, Tschechoslowakei, Jugoslawien, Ungarn und Österreich zu vermitteln.1029 Den HörerInnen wurde hiermit, wie es die Zielsetzung des musikprotokolls beinhaltete, ein Bild vom gegenwärtigen Stand des musikalischen Schaffens der fünf Länder geboten.

Der Österreichische Rundfunk hat ab dem Jahr 1969 die Konzerte des musikprotokolls auf Schallplatte und später auf CD aufnehmen lassen, so besteht bis heute eine lückenlose Dokumentation.1030 Ob auch im Jahr 1968 bereits Tondokumente erzeugt wurden, geht aus dem Archiv nicht hervor, es gibt keine diesbezüglichen Verträge. Es existiert im Archiv auch keine Schallplatte aus dem Jahr 1968.

1028 N.N.: Musikprotokoll 1968. In: Theaternachrichten. Mitteilungen der Grazer Theatergemeinschaft. Theater-Konzerte-Ausstellungen-Vorträge. 17. Jahrgang Folge 2, Graz, 14. September 1968. S. 1. 1029 Musikprotokoll 1968. In: Theaternachrichten. Mitteilungen der Grazer Theatergemeinschaft. Theater- Konzerte-Ausstellungen-Vorträge. 17. Jahrgang Folge 2, Graz, 14. September 1968. S. 1. 1030 Siehe auch: Vertrag zwischen Österreichischen Rundfunk und Amadeo Österreichische Schallplatten Aktiengesellschaft. ORF Archiv Radio Steiermark, Graz.

275 Im Blick von außen ist die Rolle des Rundfunks beim musikprotokoll eine immense. Gerhard Brunner schreibt dazu: „“Musikprotokoll 1968“ nennt das ORF-Studio Steiermark seinen Versuch, der zeitgenössischen Musik in Österreich ein neues Forum zu geben.“1031 Der Rezensent honoriert diesen „Versuch“ und hofft, dass Wien durch ein florierendes Avantgarde-Festival in Graz auch auf Ideen in dieser Richtung kommen würde.1032

Eva Sedak schreibt über die Bedeutung des Rundfunks ein Jahr nach der Gründung des musikprotokolls: „Denn ich erachte, dass der Rundfunk nicht nur ein reproduktiver Partner ist und auch nicht sein dürfte, sondern dass es seine Pflicht ist, das Kulturklima der Umgebung, in welcher er wirkt, aktiv zu beeinflussen. Es war völlig logisch, dass dieser Beitrag auch auf dem Felde der Musik seinen Ausdruck finidet; umso mehr als das Musik-, d.h. das Konzertleben Österreichs in beträchtlichem Maße zurückgeblieben ist und es notwendig ist, manche Leere durch das Verbinden von Tradition mit zeitgenössischem Geschehen auszufüllen.“1033 Für Eva Sedmak ist ein weiterer wichtiger Aspekt dabei die Zusammenarbeit mit ausländischen Rundfunkstationen und deren Orchestern. Diese würden als „Multiplikatoren“1034 wirken und eine Reproduktion im gesamteuropäischen Bereich wäre denkbar.1035

Obgleich das musikprotokoll eng mit dem Rundfunk verwoben ist, verlassen sich die Organisatoren nicht allein auf dessen Breitenwirkung. Schon im Jahr 1969 werden außerhalb von Graz, in Gleisdorf, Köflach und in der Basilika in Seckau Konzerte veranstaltet. Dass diese Diaspora derart viele Probleme aufwirft, bezüglich

1031 Gerhard Brunner: Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronen Zeitung vom 29. Sept. 1968, S. 19. 1032 Gerhard Brunner: Horvaths schöpferische Herausforderung. Ein Bericht vom „Musikprotokoll 1968“ im Rahmen des „Steirischen Herbstes“. In: Illustrierte Kronen Zeitung vom 29. Sept. 1968, S. 19. 1033 Eva Sedak: Musikprotokoll 1969. In: Telegram, 31.10.1969, S. 7. 1034 Eva Sedak: Musikprotokoll 1969. In: Telegram, 31.10.1969, S. 7. 1035 Eva Sedak: Musikprotokoll 1969. In: Telegram, 31.10.1969, S. 7.

276 Publikumsaquise und Programmauswahl auf den regionalen Aspekt hin orientiert, war nicht vorauszuahnen.1036

In Deutschland reagierten viele Rundfunkstationen auf den nachkriegsbedingten Nachholbedarf und stellten ihre Orchester und Chöre für Aufführungen moderner Musik zur Verfügung1037. Genauso agierte das Landesstudio Steiermark des Österreichischen Rundfunks beim musikprotokoll.

Alfred Pranzl diagnostiziert sehr vehement: „Eine Musik, über die geschrieben wird, und sei sie noch so schwierig, sollte via Äther gehört werden können. Sonst ist sie inexistent.“1038 Dies kann auch als Fördermaßnahme für die Existenz des Rundfunks betrachtet werden, denn durch die Instrumentalisierung von Musik durch Nazi-Regime hatten die Rundfunkanstalten lange danach noch unter einem negativen Image zu leiden. Dies war ein politisches und auch ein künstlerisches Problem.

Die Daseinsberechtigung des Rundfunks auf künstlerischer Ebene bedurfte noch in den 1950er Jahren einer unterstützenden Klientel, da nicht wenige KünstlerInnen dem neuen Medium skeptisch gegenüberstanden. So befindet Alois Melichar 1952: „wonach der Rundfunk eine moderne Ergänzung unseres alten Musiklebens darstellt, wird auf entschiedenen Widerspruch vieler Musiker, Musikschriftsteller und anderer Fachleute stoßen. Diese glauben nämlich, dass die mechanische Musikausübung nicht eine Ergänzung, sondern die Vernichtung, das allmähliche Absterben der lebendigen Musikpraxis bedeute.“1039

Die Feststellung von Alfred Pranzl impliziert den Rückschluss, dass ohne vorherige Erklärung der Hörgenuss nicht optimal ist. Die Rundfunk- und Fernsehstationen haben bei der Vermittlung eine intellektuell-analytische Aufgabe neben der musikalischen

1036 Predrag Vranicki: 9. Steirische Akademie. Das Humane und die Manipulation des Menschen. In: Paul Kaufmann (Hg.): 10 Jahre steirischer herbst. Eine Bilanz. Ebda. S. 32. 1037 Hans Vogt: Neue Musik seit 1945. Stuttgart, 1972, S. 17. 1038 Alfred Pranzl: Medienlandschaft und Musikleben. In: E. Schimana und J. Gründler (Hgg.): Zur Wahrnehmung zeitgenössischer Musik. On the Perception of Contemporary Music. V:NM Forum 01. 24. u. 25. Mai 2001, S. 66. 1039 Alois Melichar: Die unteilbare Musik. Betrachtungen zur Problematik des modernen Musiklebens. Wien, London (Weinberger) 1952, S. 96.

277 Übertragung der Werke. Sie stellen sich dieser in erweiterter Form auch durch das Senden von KomponistInnenporträts und tragen so weiter zur Publikumsbildung bei. Eine positive Nebenwirkung davon ist, dass zunehmend auch herkömmliche, bekannte Werke aus den vergangenen Jahrhunderten erklärt werden und so manches Verhältnis zu einem „Meisterwerk“ entspannter wird.1040 Der Bildungsauftrag und die Kommunikation des bildungswilligen musikalischen Laien bis hin zum Proletariat dürfen auch in der Mitte des 20. Jahrhunderts nicht unterschätzt werden.

Mit dem musikprotokoll im steirischen herbst ist ein Festival geschaffen worden, das sich von Beginn an regional herausragend guter und bald internationaler Reputation erfreute. Mitschnitte der Konzerte wurden über Rundfunkstationen bald in ganz Europa, Amerika und Japan gesendet. Die internationale Berichterstattung durch Printmedien stieg nach dem ersten Jahr deutlich an. Die Auszeichnung, dass im Jahr 1972 die Organisatoren eingeladen wurden, das Weltmusikfest der IGNM (Internationalen Gesellschaft für Neue Musik) zu gestalten, ist ein weiteres Zeichen für die internationale Anerkennung in der Reihe der Avantgarde-Festivals. Wenn der Gründer des Festivals Emil Breisach nach zwanzig Jahren Rückschau hält und das Festival in der internationalen Bewertung neben dem Warschauer Herbst positioniert, ist dies nicht nur Ausdruck der Freude über die eigene gelungene Lebensarbeit, sondern wohlbegründet.1041 Durch die Publikumsnähe sei das musikprotokoll nie „zum Spezialistenghetto verkommen, was gerade seinen unverkennbaren Reiz ausmacht“.1042 Dies sei auch ein wichtiger Aspekt, wodurch sich das musikprotokoll von anderen Avantgarde-Festivals unterscheide.1043 Heute, beinahe 50 Jahre nach der Gründung, gibt es keine Skandale mehr, wie sie in den ersten Jahren bei Konzerten durchaus vorgekommen sind, die Protokollierung zeitgenössischer Musik ist jedoch immer noch nicht obsolet

1040 Hans-Christian Schmidt: Anmerkungen und Fragen zur vom Zweck geheiligten Vermittlung. In: Hans- Christian Schmidt (Hg.): Neue Musik und ihre Vermittlung. Sechs Beiträge und vier Seminarberichte. Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt. Band 27. Mainz (Schott) .1986, S. 9ff. 1041Emil Breisach: Erinnerungen an die ersten Jahre. http://sendungen.orf.at/musikrptokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html vom 22.6.2017. 1042 Peter Vuijca: Neue Musik für oder gegen Graz? (Zum zweiten Musikprotokoll 1969). http://sendungen.orf.at/musikrptokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html vom 22.6.2017. 1043 Peter Vuijca: Neue Musik für oder gegen Graz? (Zum zweiten Musikprotokoll 1969). http://sendungen.orf.at/musikrptokoll/mp_ARCHIV/1997_texte.html vom 22.6.2017.

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