Kunstgeschichte

Angelika Plum

Die Karikatur im Spannungsfeld von Kunstgeschichte und Politikwissenschaft

Eine ikonologische Untersuchung zu Feindbildern in Karikaturen

Shaker Verlag DIE KARIKATUR IM SPANNUNGSFELD VON

KUNSTGESCHICHTE

UND

POLITIKWISSENSCHAFT

EINE IKONOLOGISCHE UNTERSUCHUNG ZU

FEINDBILDERN IN KARIKATUREN

Von der Philosophischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Philosophie genehmigte Dissertation

vorgelegt von Plum, Angelika, MA aus Setterich, Kreis Aachen

Referent: Universitätsprofessor Dr. Hans Holländer Korreferent: Universitätsprofessor Dr. Helmut König Tag der mündlichen Prüfung: 12. Dezember 1997

D 82 (Diss. RWTH Aachen) Berichte aus der Kunstgeschichte

Angelika Plum

Die Karikatur im Spannungsfeld von Kunstgeschichte und Politikwissenschaft

Eine ikonologische Untersuchung zu Feindbildern in Karikaturen

D 82 (Diss. RWTH Aachen)

Shaker Verlag Aachen 1998 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Plum, Angelika: Die Karikatur im Spannungsfeld von Kunstgeschichte und Politikwissenschaft: Eine ikonologische Untersuchung zu Feindbildern in Karikaturen/ Angelika Plum. –Als Ms. gedr.- Aachen: Shaker, 1998 (Berichte aus der Kunstgeschichte) Zugl.: Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 1998 ISBN 3-8265-4159-6

Copyright Shaker Verlag 1998 Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Nachdruckes, der auszugsweisen oder vollständigen Wiedergabe, der Speicherung in Datenverarbeitungs- anlagen und der Übersetzung, vorbehalten.

Als Manuskript gedruckt. Printed in Germany.

ISBN 3-8265-4159-6 ISBN 0946-395X

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0 Einleitung: Der Mythos vom kritischen und aufklärerischen „Wesen“ der Karikatur 7

1 Die Karikatur und ihre Rezeption in der Wissenschaft 27 1.1 Begriffsbestimmung 27 1.2 Die Karikatur in Ästhetik und Kunstwissenschaft vom Klassizismus bis zum 20. Jahrhundert 33 1.3 Psychologische Forschungsansätze 40 1.4 Geistesgeschichtliche Forschungsansätze 42 1.5 Karikatur und Kunstgeschichte: Weiterhin ein schwieriges Verhältnis 49 1.5.1 Funktion contra Kunst 58 1.5.2 Karikatur, Kunst und Können 60 1.5.3 Die Karikatur als Wegbereiterin moderner Kunststile 61 1.5.4 Die Karikatur als Pressezeichnung 62 1.5.5 Der Karikaturist als Künstler 65 1.5.6 Karikatur und Stil 68 1.5.7 Die Karikatur als "auf die Gasse übertragene Kunst" 72

2 Zum Zusammenhang zwischen Karikaturen, Stereotypen und Feindbildern 77 2.1 Stereotyp: Begriff und Theorie 78 2.2 Stereotype in Karikaturen 81 2.2.1 Übertreibung oder Hyperbel 83 2.2.2 Reduktion 89 2.2.3 Metapher 91 2.2.4 Synekdoche, Allegorie, Typisierung und Klischee 95 2.3 Feindbild: Begriff und Theorie 104 2.3.1 Wahrnehmungsstrukturierende Funktion von Feindbildern 105 2.3.2 Feindbild und Selbstbild 107 2.3.3 Identifikation und Systemstabilisierung 109 2.3.4 Handlungskonsequenzen 111

5 3 Die Archetypen der Feindbildkarikaturen 113

3.1 Der Feind als Witzfigur: Humor in der Karikatur 114 EXKURS 1: Feindbildkarikaturen in Napoleonischer Zeit 115-116 3.2 Der Feind als Bestie: Grauen in der Karikatur 121 EXKURS 2: Feindbildkarikaturen im Ersten Weltkrieg 123-125 3.3 Der Feind als Negativ-Bild: Antithetische Kampfbilder 130 EXKURS 3: Feindbildkarikaturen im Nationalsozialismus 133-144 3.4 Der Feind in bedrohlicher Perspektive 145 EXKURS 4: Feindbildkarikaturen im Kalten Krieg 148-153 3.5 Der Feind als Plutokrat: Kapital in der Karikatur 155 EXKURS 5: Feindbildkarikaturen im Kommunismus 156-162 3.6 Der Feind als Tod: (Un)Sterblichkeit in der Karikatur 164 3.7 Der Feind als apokalyptischer Reiter: Endzeitliches in der Karikatur 168 3.8 Der Feind als Spieler: Risiko in der Karikatur 170 EXKURS 6: Nach dem Kalten Krieg: Das Feindbild "Süd" 177-183 3.9 Orientalismen in der Karikatur 184 3.10 Der Feind als Fanatiker: Wahnsinn und Chaos in der Karikatur 187

4 Analytische Karikaturen 201

5 Zur Wirksamkeit und zum aufklärerischen Potential von Karikaturen 207

Anhang 221 Abbildungen 223 Abbildungsnachweise 359 Künstlerverzeichnis 363 Literaturverzeichnis 371

6 0 Einleitung: Der Mythos vom kritischen und aufklärerischen „Wesen“ der Karikatur

Die Analyse von Karikaturen ist eine Domäne der KunsthistorikerInnen1, die sie (entsprechend ihrer Disziplin) unter ästhetischen oder eben kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten begreifen und dabei eine Berücksichtigung der politischen Bezüge weitgehend vermissen lassen, während Sozialwissenschaftler das Potential der Karikaturen als Konkretisierung gesellschaftlicher und politischer Symptome nur unzureichend erkennen. Der Mangel einer gesellschafts- theoretisch fundierten Untersuchung von Karikaturen wird deutlich. So wie die Kunstgeschichte zuwenig Rücksicht auf die politischen Tendenzen nimmt, die sich in der Karikatur ausdrücken, so ist die Politikwissenschaft zu wenig um den Bereich des Künstlerischen bzw. Ikonischen bemüht. Auch hier tun sich Defizite auf. Durch ihr Vermögen, komplexe Sachverhalte „auf den Punkt“ zu bringen, kann die Karikatur Tatbestände augenfällig darstellen und sie in prägnanter Weise dem Betrachter nahebringen. Sie kann politische Hintergründe „klar“ machen und damit Aufklärungsarbeit leisten. Dieses Potential hat ihr ein bestimmtes Image eingebracht. In Publikationen wird die Karikatur zumeist als ein politisch kritischer Ausdruck aufgefaßt, der Entlarvung betreibt und aufklärerische Ambitionen hat. Diese Auffassung von der Karikatur durchzieht die Fachliteratur wie ein roter Faden. Fast durchweg wird die Karikatur als Mittel der Aufklärung begriffen, progressiv, gegen überholte Konventionen kämpfend, stets bemüht, Mißstände zu benennen und ihre wahren Ursachen zu entlarven. Die Tradierung einer solchen Vorstellung von der Karikatur bis in die Gegenwart hinein läßt sich als Mythos bezeichnen. Die Karikatur wird mythologisiert, wenn es als ihr „Wesens“-merkmal gilt, daß sie grundsätzlich kritisch und unbestechlich ist. Die mythologisierte Karikatur wird in eine Sphäre entrückt, die sie bar jeder Trivialität oder interessen- und machtpolitischen Dependenz erscheinen läßt.2

1 Auf die Endung „Innen“ wird aufgrund der besseren Lesbarkeit des Textes im weiteren verzichtet. Begriffe wie „Kunsthistoriker“ oder „Karikaturist“ etc. werden in dieser Arbeit geschlechtsneutral verwandt. 2 Mythen dienen dazu, Abstrakta anschaulich zu machen und Mehrdeutiges zu konkretisieren. Dies geschieht, indem das entsprechende Phänomen auf ein „Bild“ (der anglikanische Terminus „Image“ ist treffender) festgelegt und die Vorstellungen so zementiert werden.

7 Als Problemaufriß soll anhand einer Montage von Zitaten gezeigt werden, daß in der Literatur die Losungen von der immer kompromißlosen, die Wahrheit ans Licht bringenden Karikatur geradezu klassisch sind (zur Betonung des subjektiven Charakters der jeweiligen Betrachtungsweise wird im folgenden hauptsächlich mit Zitaten gearbeitet). In dem Moment, in dem die Karikatur eine gewisse Aufmerksamkeit als künstlerisches oder journalistisches Medium erhält, wird sie bereits verklärt. Seit der Jahrhundertwende wird der Topos von der mutig für Wahrheit und Fortschritt streitenden Karikatur kolportiert - so in einem Zeitungsartikel von 1908, in dem es heißt: „Die Eigenschaften der Karikatur machen diese besonders wirkungsvoll in den Händen einer energischen, nach vorwärts drängenden Opposition. [...] Diese Voraussetzungen finden sich aber nur, wo um die Ideale der Zukunft gerungen wird. Andererseits sind die Hauptmächte und Haupt- bundesgenossen der Reaktion die festwurzelnden alten Vorurteile und die überwundenen Begriffe, mit denen sie ihre historisch nicht mehr gerechtfertigten Anschauungen und Vorrechte stützen und verteidigen - die dankbarsten Objekte jeder tiefgreifenden Kritik. [...] Ebenso folgerichtig ist freilich aus denselben Gründen, daß von den reaktionären Parteien die Satire höchst selten zu einer schneidenden Waffe gemacht worden ist.“3 Diese Vorstellung von der Karikatur wird ebenfalls deutlich, wenn der Kunsthistoriker und spätere Bundespräsident THEODOR HEUSS in einem zwei Jahre später erscheinenden Artikel von der Karikatur sagt, sie sei „überwiegend radikal, demokratisch, teils antimonarchisch, teils antiklerikal gefärbt. [...] Freilich nicht durchgehend, aber doch im Grund- charakter; denn dem Konservatismus fehlt seiner Natur nach die Stoßkraft positiver Kritik.“4 Solche Meinungen zur Karikatur sind kein euphorisches Produkt des noch jungen 20. Jahrhunderts. Auch ein halbes Jahrhundert später, nach den Erfahrungen zweier Weltkriege mitsamt ihrer verheerenden Propaganda, ist das

3 Ohne Verfasserangabe: Die Karikatur. Ihr Wesen, ihre historische Rolle, ihr internationaler Charakter. In: Vorwärts (Berlin) v. 26.11.1903. 4 Heuss, Theodor: Zur Ästhetik der Karikatur. In: Der Deutsche in seiner Karikatur. Hrsg. v. Friedrich Bohne. Stuttgart 1963, S. 169-190 (im folgenden: Heuss 1910/1963); hier: S. 181. Heuss veröffentlichte diesen Aufsatz 1910 in: Patria. Bücher für Kultur und Freiheit, Bd. 10. Hrsg. v. Friedrich Naumann. Berlin-Schöneberg 1910, S. 113-133. Ein Neudruck erschien 1954 anläßlich seines siebzigsten Geburtstages, hrsg. v. d. Gesell- schaft der Bibliophilen. Stuttgart 1954.

8 Positiv-Image der Karikatur weiterhin präsent. Gleichgültig, aus welcher Warte die Karikatur betrachtet wird, ihr wird das Prädikat „kritisch“ verliehen. Aus sozialistischer Sicht beschreibt JOACHIM UHLITZSCH 1953 in einem Aufsatz das seiner Meinung nach Besondere der Karikatur: „Sie ist nicht eine bloße humorvolle Zeichnung, die amüsieren will, sondern sie ist eine furchtbare Waffe gegen alle antihumanistischen Bestrebungen der reaktionären Kräfte der Gesellschaft. Das Lachen, das sie hervorruft, leiht dem, der sich der Vergänglichkeit aller reaktionären Mächte bewußt geworden ist, Kraft und Mut, wie sie andererseits den Feind des Fortschrittes und der Menschlichkeit demaskiert, erschreckt und lähmt.“5 So heißt es denn auch 1955 in einer in der DDR erscheinenden Monographie über den polnisch-französischen, kommunistischen Karikaturisten LOUIS MITELBERG, die Karikatur sei die „Kunst der Wachsamkeit“ und MITELBERG „einer der Wachsamsten“ dieser Zunft, er sei ein „Röntgenologe, der seine ´Patienten´ gegen deren Willen vor dem Schirm der Wahrheit durchleuchtet“6. Auch auf „demokratischer“ Seite stehen die Publizisten dieser Einschätzung in nichts nach. GEORG RAMSEGER leitet sein 1955 verfaßtes Buch über Karikaturen mit folgenden Worten ein: „Der Karikaturist sitzt immer zwischen den Stühlen. [...] Der Karikaturist ist ein Mann, der den Mut hat, es sich mit allen zu verderben. [...] Das Verletzte ist es, das ihn auf die Barrikade jagt - die verletzte Scham, der verletzte Anstand, die verletzte Unschuld, Wahrheit, Würde.“7 Hier wird ein Bild des Karikaturisten als Krieger der Wahrheit und Aufklärung, als Anwalt der Unterdrückten entworfen. Laut RAMSEGER „rettet“ der Karikaturist „das kritische Element in einem konformistischem Zeitalter“8 (womit er die Gegenwart meint). Der Karikaturist wird von ihm als politische „Vorhut“ bezeichnet: „Wenn der Karikaturist heute den Manager, den Funktionär, den Lobbyisten, wenn er die Prototypen der Unterhaltungsindustrie, den Produzenten, den Star, den Schlagerkomponisten, wenn er Vertreter eines kommerziellen Parlamentarismus, den blind nur im Sinne der Interessen

5 Uhlitzsch, Joachim: Die Wirkung der realistischen Karikatur. In: Volkskunst, 1953, Nr.9, S. 18-20; hier: S. 13. 6 Heynowski, Walter (Hrsg.): Louis Mitelberg. Das Vierte Reich. Berlin (DDR) 1955 (im folgenden: Heynowski 1955), o. S. 7 Ramseger, Georg: Duell mit der Geschichte. Oldenburg/Hamburg 1955 (im folgenden: Ramseger 1955), S. 2. 8 Ramseger 1955, S. 9.

9 funktionierenden Politiker, Kirchenmann oder Militär - wenn er allen diesen noch verschwommenen, noch nicht fixierten, aber wirkenden Gestalten ahnungsvoll Kontur gibt, dann erfüllt er die Aufgabe des Propheten, des Kanzelredners, des Savonarola unserer Epoche.“9 Diese pathetischen Worte spiegeln die mythologisierte Auffassung von der Karikatur. RAMSEGER schränkt allerdings ein, daß diese Leistung, dieser „hohe Gipfel der prophetischen Anklage“ nur dann vom Karikaturisten erreicht wird, wenn der aktuelle Anlaß in einer Form karikiert wird, die eine überzeitliche Anklage darstellt.10 Von der Bestimmung des Karikaturisten besitzt RAMSEGER eine hohe Meinung. Dies wird deutlich, wenn dessen Funktion benannt wird: Der Karikaturist soll ein „Sandstrahlgebläse gegen die verschmierten Fassaden der politischen Lüge, Salzsäure für die plakatverklebten Fliesen der Propaganda, Dampf- hammer gegen die Schweinsledertüren des Funktionär-Kalküls - und uns allen der Bimssteinlieferant für die schmutzigen Hände [sein].“11

Auch in einem Karikaturen-Band, den RAMSEGER ein Jahr später herausgibt, ist jener Tenor gegeben, und einmal mehr wird das schon bekannte Bild gezeichnet: „Man ist gewohnt, Karikatur mit ´Zerrbild´ zu übersetzen. Man vergleicht sie also gern mit den Scherzen des Lachkabinetts auf dem Jahrmarkt, jenen gebogenen Spiegeln, in die die Wirklichkeit zwar hineinfällt, ohne ihnen aber wieder zu entkommen. Gebogene Spiegel müssen lügen. Karikatur lügt nie. Sie enthüllt. Die Karikatur ist ein Spiegel, in dessen magischer Unendlichkeit der Putz und die Tünche aller Lügen abgeschlagen werden, die Gesellschaft, Institutionen und Personen erfanden. [...] In der Spiegelfläche der Karikatur vollzieht sich die Entzerrung der Wirklichkeit. Keiner gibt sich, wie er ist. Jeder spielt seine Rolle. Ja, wer weiß, wer er ist? Wer kann unterscheiden zwischen sich und seinem Kostüm? In der Wirklichkeit finden die Verkleidungen statt, die der Karikaturist gelassen abreißt und wegwirft, damit aus der Wirklichkeit Wahrheit werde.“12

9 Ramseger 1955, S. 10. 10 Ramseger grenzt die tagespolitische Karikatur aus dieser Ehrung aus: „Wie er [der Karikaturist - A.P.] sich in unser aller ungeschriebenen Auftrag der Bösen erwehrt, das macht seinen Stil aus. Hier gibt es eine Art leichter Truppe, die das Tagesgeschehen anfällt, die die Scharmützel liefert, die, im Dienste großer Zeitungen, das politische Ereignis des Tages anbohrt und auf seinen Gehalt hin prüft. Was diese Vorausabteilung der Karikatur in den Tageszeitungen leistet, ist das schnelle Gefecht, der kurze Feuerstoß.“ Ramseger 1955, S. 11. 11 Ramseger 1955, S. 13. 12 Ramseger, Georg (Hrsg.): Ohne Putz und Tünche. Deutsche Karikaturisten und die Kultur. Oldenburg/Hamburg 1956, S. 15.

10 Die Tradition bezüglich des moralischen Images von der Karikatur, die diese Beispiele bereits zu erkennen geben, setzt sich ungebrochen fort. Auch in Zeiten der politischen Protestbewegungen mit ihren Kämpfen gegen das Establishment wird die Karikatur als progressives Element begriffen. WERNER KRÜGER, der die Karikatur als Medium der politischen Bildung im Schulunterricht untersucht, hält ihre Relevanz für den sozialkundlichen Unterricht schon deshalb für gegeben, weil „die politische Karikatur als spezifisches Medium in einem Fachgebiet gelten muß, das sich ja vor allem der rationalen Aufklärung und dem autonomen Denken verpflichtet weiß und deshalb ein Anschauungsmittel bevorzugen muß, bei dem kritische Distanz und Aktivierung intellek- tueller Fähigkeiten als Wirkungsfaktoren schon implizite vorausgesetzt werden dürfen.“13 Der Unterricht, der sich die Erziehung zum politisch kritischen Menschen zur Aufgabe gestellt hat, soll also von der Karikatur, die sich ihrerseits „Aufklärung“ und „autonomes Denken“ auf die Fahnen geschrieben hat, zehren. In dem Anspruch, den die Karikatur schon bei der Rezeption an die intellektuelle Beteiligung des Betrachters stellt, sieht KRÜGER die Einschätzung der Karikatur als Mittel der Aufklärung und des kritischen Denkens bestätigt. Die Karikatur in ihrer Reduktion erfordere vom Betrachter bereits im Augenblick der optischen Wahrnehmung eine Ergänzung und Deutung der Darstellung und insofern eine aktive intellektuelle Mitarbeit. Damit siedelt er die Karikatur in einer mentalen Sphäre an, die sie als Moment des Intellekts, der Reflexion und der Progressivität auszeichnet.14

Als demokratisches Informationsmittel wird die Karikatur von LUTZ RÖSSNER dargestellt. In seinem 1971 herausgegebenen Buch, das als Anleitung für die Verwendung von Karikaturen im Unterricht gedacht ist, behauptet er: „so kann eine vielseitige Konfrontation mit verschiedenen, insbesondere auch in ihrer Aussage gegensätzlichen Karikaturen das Informiertsein fördern, das Wissen erhöhen und somit die Findung eines selbst- bestimmten Urteils, Standorts erleichtern. [...] Im Hinblick auf eine vielseitige Information bzw. insbesondere auf die Findung eines selbstbestimmten Urteils gegenüber gesellschaftlich-politischen Pro- blemen, Standorten und Personen (Repräsentanten) hat die Karikatur

13 Krüger, Werner: Karikatur als Medium der politischen Bildung. Opladen 1969 (im folgenden: Krüger 1969), S. 25. 14 Vgl.: Krüger 1969, S. 25.

11 einen weiteren wichtigen Vorzug: Sie verhindert blinde Autoritäts- gläubigkeit.“15 Hier ist also wieder eine verklärte Vorstellung von Demokratie gegeben und eine nicht minder verklärte Vorstellung davon, was die Karikatur zu leisten imstande ist. Zwar verweist RÖSSNER selbst auf den Ausspruch des Schrift- stellers und Philosophen LUDWIG MARCUSE: „Der Glaube an das Gedruckte ist seit Gutenberg einer der mächtigsten Aberglauben der Welt“.16 Doch dies macht ihn nicht skeptisch gegenüber der Karikatur, sondern er legt ihre Funktion jenseits aller Manipulation auf Aufklärung fest, indem er noch einmal betont, die Karikatur stehe kritisch Autoritäten gegenüber, denn sie habe eine kathartische Kraft, „die uns freisetzt aus der Unterordnung unter das Erhabene. Die Karikatur führt insbesondere die ´Großen´ des öffentlichen Lebens, die nur allzu- leicht ein Meinungsbildungs-Monopol kraft Amts erlangen, auf ihre ´Gewöhnlichkeit´ zurück, auf ihre Normalität, und so wird auch der normale Umgang mit ihnen erleichtert; die Karikatur kann uns an der gehorsamen Unterwerfung hindern!“17 Allen Theorien über Manipulation durch die Medien (und dazu gehören auch die Karikaturen) zum Trotz gilt hier die Karikatur als Garant einer freien und selbstbestimmten Meinungs- und Urteilsbildung; „sie mindert Fremdbe- stimmung und erhöht somit Selbstbestimmung“18.

Auch BERND BORNEMANN klassifiziert in einem Katalogtext von 1972 die Karikatur als Element der Aufklärung und als demokratisch, indem er sie als „ein unentbehrliches demokratisches Regulativ“19 bezeichnet: „Die Karikatur ist insofern eine wahre demokratische Kunstform, als sie a) die Anliegen des Volkes gegen seine Unterdrücker wahrnimmt (Gillray, Daumier, Grosz, Heartfield usw.), b) in billigen und jedermann zugänglichen Publikationsorganen erscheint. Die letzte Bedingung ist heute, dank allgemein zugänglichen Medien, mehr denn je gegeben.“20

15 Rössner, Lutz: Karikaturen zu Politik und Zeitgeschichte. Frankfurt 1971 (im folgenden: Rössner 1971), S. 43. 16 Marcuse, Ludwig: Mein 20. Jahrhundert. München 1960, S. 89. Zitiert nach: Rössner 1971, S. 43. 17 Rössner 1971, S. 49. 18 Rössner 1971, S. 49. 19 Bornemann, Bernd: Theorie der Karikatur. In: Karikaturen - Karikaturen? Kunsthaus Zürich 1972, S. 5-23 (im folgenden: Bornemann 1972); hier: S. 8. 20 Bornemann 1972, S. 8. Gleichzeitig wägt er aber ihr aktuelles demokratisierendes Mo- ment ab. Die Karikatur spiele diesbezüglich „nur mehr eine bescheidene Rolle“, da die

12 Als Zeichner, die politisch etwas bewirken wollen und sich als Mittler der Aufklärung verstehen, stellt KLAUS VÖLKER in einem Artikel von 1975 die Karikaturisten aus der linken Szene dar: „Rainer Hachfeld, Walter Kurowski, Arno Ploog, Clodwig Poth, Stefan Siegert, Ernst Volland und Guido Zingerl [...] vermitteln [..] wieder einen Begriff von politischer Karikatur, der mehr und anderes beinhaltet, als nur prominente Politiker zu zeichnen. Gesellschaftliche Verhältnisse und Prozesse durchschaubar zu machen und die Wahrheit ins Bild zu bringen, betrachten diese Künstler als ihre Aufgabe. Außer auf den Lacherfolg hoffen sie auch auf den Lernerfolg ihrer Arbeiten.“21

HERBERT UPPENDAHL äußert sich zur Funktion der Karikatur eher einschränkend. Schließlich habe die nationalsozialistische Karikatur gezeigt, daß sie sehr wohl Instrument einer menschenverachtenden Politik sein könne. Solcherlei reaktionäre Tendenzen in der Karikatur seien allerdings marginal im Vergleich zum Gros der Karikaturen, das denn doch als progressiv einzustufen sei: „Gleichwohl gilt es, der ethischen Didaxis der politischen Karikatur Rechnung zu tragen, wie sie etwa auch von Ifland nachhaltig vertreten worden ist. Jeder Karikaturist - so Ifland - sei vor allem daran interessiert, ´die Welt zu verbessern´, und das selbst dann, wenn er dieses Ziel offiziell negiere. Die Negation ändere nichts an der unterschwelligen Intention.“ 22

INGRID und GÜNTER OESTERLE bewerten in einem Text von 1980 die Absicht, die der Karikaturist verfolgt, als grundsätzlich aufklärerisch. Sie sehen die Karikatur im „Bündnis mit der Wahrheit“23 die Wirklichkeit entschleiernd. Auch in unserem Jahrzehnt lebt diese Vorstellung von der Karikatur weiter. Um einige Positionen anzuführen sei beispielsweise auf WOLFGANG MARIENFELD verwiesen, der in seinem Buch von 1991 in der Karikatur mehr als nur eine

heutigen, sich gegen das Establishment auflehnenden, den Klassenkampf weiter tragenden Karikaturisten nicht (mehr) dem Volk aus der Seele sprechen. 21 Völker, Klaus: Die Wirklichkeit ist oft die größere Übertreibung. In: Frankfurter Rund- schau, 1975, Nr. 182 (im folgenden: Völker 1975), Feuilleton S. III. 22 Uppendahl, Herbert (Hrsg.): Die Karikatur im historisch-politischen Unterricht. Freiburg/Würzburg 1978 (im folgenden: Uppendahl 1978), S. 10. 23 Oesterle, Günter / Oesterle, Ingrid: Gegenfüßler des Ideals - Prozessgestalt der Kunst - Mémoire processive der Geschichte. Zur ästhetischen Fragwürdigkeit von Karikatur seit dem 13. Jahrhundert. In: Karikaturen. Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979. Gießen 1980, S. 1980, S. 90 (im folgenden: Oesterle 1980).

13 „witzige Illustration zum Geschehen“24 erkennt. In seiner Definition kommt (wie in der Fachliteratur überhaupt) der aufklärerische Anspruch zum Ausdruck: „Sie [die Karikatur] möchte die Sachverhalte entwirren, ihres Ranken- werks entkleiden, auf den entscheidenden Punkt hin durchleuchten, die verborgene Wahrheit aufdecken, den Widerspruch zwischen Schein und Sein bloßlegen.“25

Ähnlich liest sich die im selben Jahr geäußerte Auffassung HERWIG GURATZSCHs von der Karikatur: „Der Künstler [= der Karikaturist - A.P.] tritt mit dem Anspruch auf, uns hinter die Dinge blicken zu lassen. Seine Pose ist die des Philosophen und Querulanten: er kennt die Wahrheit sehr wohl und scheut sich nicht, sie bekannt zu machen; die des Pathologen und Spielverderbers: er legt die geheimen Übel, Geschwülste, Verspannungen des Zeitgeistes bloß, ohne den Patienten wieder zuzunähen; die des Hofnarren, Possenreißers, Seiltänzers: er leistet sich die derbsten Späße und halsbrecherischsten Verknüpfungen - und kann dennoch mit Toleranz rechnen.“26

Anfügen läßt sich die Einschätzung von WALTER KOSCHATZKY, der die Karikatur in einem Katalogtext von 1992 betrachtet als „Auflehnung gegen Macht und Waffe gegen Überwältigung zunächst einmal, dann als Aufschrei gegen Unmenschlichkeit, erschütternde Ohnmacht, Anklage von Schein und Trug; bald geht es darum, den Verfall der Sitten und Unmoral offenzulegen, dann die Winkelzüge der Politik zu demaskieren, soziales Elend anzuprangern, aber nicht minder Dünkel und Dummheit bloßzustellen, die Torheit bornierter Menschen und deren Mißgeschicke schonungslos dem Gelächter preiszugeben.“27

Auch der Nachrichtenredakteur REINER LATSCH und der Karikaturist GERHARD MESTER stimmen in ihrer Einleitung zu einem 1993 erschienenen Band über Karikaturen in den Tenor ein: „Karikatur übertreibt, verformt, verzerrt, verspottet, ist aber ehrlich: Karikatur kritisiert die Wirklichkeit [...] Die Sicht ist immer die von unten

24 Marienfeld, Wolfgang: Die Geschichte des Deutschlandproblems im Spiegel der politischen Karikatur. Hrsg. v. d. Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Hannover/Bonn 1991 (im folgenden: Marienfeld 1991), S. 2. 25 Marienfeld 1991, S. 2. 26 Guratzsch, Herwig: Vorwort. In: Karikaturen der Gegenwart. Europäische Künstler. Hrsg. v. Herwig Guratzsch. Wilhelm-Busch-Museum Hannover v. Nov. 1991 - März 1992. Stuttgart 1991, S. 9-15 (im folgenden: Guratzsch 1991); hier: S. 14. 27 Koschatzky, Walter: Die Kunst der Karikatur. In: Karikatur und Satire. Fünf Jahrhunderte Zeitkritik. Hrsg. v. Walter Koschatzky. Kunsthalle der Hypo-Stiftung München v. 5.6.1992-13.10.1992. München 1992, S. 11-27 (im folgenden: Koschatzky 1992); hier: S. 16.

14 nach oben, nur so entfaltet Karikatur ihre Wirkung. [...] Satire findet sich immer auf der Seite der Machtlosen; Bild als Waffe ist ein Kampfmittel der Schwachen gegen die Übermächtigen.“28 Die Vorstellung von einer selbstverständlichen „ideological correctness“, wie man den Topos von der „höheren“ Werten fröhnenden Karikatur nennen könnte, liest man allenthalben in der Literatur. So spricht erst jüngst WALTHER KEIM von der Karikatur als freiheitlichen Idealen verpflichtetes Medium: „Karikatur will bloßstellen, verzerren, auch verletzen, aber es fließt kein Blut wie bei den Kampfbildern im Dritten Reich. Karikaturen sind immer auf der Seite der Freiheit.“29

Beispiele für solche Auffassungen von der Karikatur, wie sie hier wiedergegeben sind, ließen sich noch beliebig nennen. Durchweg wird bei sämtlichen Stimmen eine Meinung von der Karikatur deutlich, die auf die Gleichung Karikatur = Aufklärung zu reduzieren ist. Eine propagandistisch mißbrauchte oder reaktionäre oder opportunistische Karikatur wird in der Literatur zumeist ausgeklammert. Hin und wieder werden solche Tendenzen in der Karikatur von den Autoren abgewogen. Um eine Relativierung des progressiven Moments, das der Karikatur unterstellt wird, bemüht sich ERNST H. GOMBRICH: „Die Waffen, die ihr Arsenal enthält, können für das Gute wie für das Böse eingesetzt werden. Der Karikaturist kann die Welt mythologisieren, oder er kann versuchen, gefährliche Illusionen unschädlich zu machen. Er kann gedankenlos Phrasen so groß aufblasen, daß sie zur Wirklichkeit

28 Latsch, Reiner / Mester, Gerhard (Hrsg.): Brüder zur Sonne, zur Freiheit. Karikaturen über soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Köln 1993 (im folgenden: Latsch / Mester 1993), S. 2. Die beiden Autoren überdenken das Image, in dessen Fahrwasser sie hier noch schwimmen, an anderer Stelle selbst: „Heute ist Karikatur anerkannt, zunehmend auch vereinnahmt. Selbst Birnen werden vom demokratischen Hofstaat in Bonn gesammelt und nicht mehr verboten. Minister laden die Zeichner zum kalten Büffet, Versicherungen sponsern Cartoonbände - wieder ist es schick. Die Bilderflut verdrängt den Text und Tiefgang, Witz statt Wahrheit gilt als Qualitätsmerkmal. Und dennoch, solange Karikatur die Mißstände immer noch beim Namen nennt, solange die politische Zeichnung nicht zur bloßen Unterhaltung verkommt, so lange bleibt Karikatur im demokratischen Willensbildungsprozeß hilfreich und notwendig - als Mahnung und An- klage zugleich.“ Latsch / Mester 1993, S. 3. 29 Keim, Walther in einem Interview mit Bernd Müllender. In: die tageszeitung v. 12.4.1996, S. 13.

15 werden, oder er kann sie zum Platzen bringen, indem er ihre hohle Rhetorik der nackten Wirklichkeit gegenüberstellt.“30

Der Karikaturist ARNO PLOOG stellt 1972 in einem Interview mit der Zeitschrift „tendenzen“ die Forderung auf, der progressive Karikaturist dürfe nicht Vor- urteile bestätigen, wie das oft in „reaktionären“ Zeitungen der Fall sei, wo mit Pauschalurteilen gearbeitet werde, die auch in der Karikatur vorhanden seien. Im Gegensatz zu dem bequemen Verfahren, mittels Bestätigung vorhandener Vorurteile die „Lacher zu erzielen“, soll die progressive Karikatur Aufklärung betreiben, indem sie Vorurteile gerade abbaut. Hierin sieht PLOOG den qualitativen Unterschied zwischen „progressiver“ und „reaktionärer“ Karikatur.31

Die Funktion der Karikatur macht FRANZ W. SEIDLER in seiner 1982 erschienenen Monographie von dem Herrschaftssystem abhängig, in dem sie wirkt. In totalitären Systemen sei die Karikatur ein „propagandistischer oder ideologischer Knüppel, direkter, einfallsloser und witzloser als in Demo- kratien“32, wo sie ein oppositionelles Mittel sei. Auch hier wird die Karikatur also als demokratisches Regulativ gesehen. Die gesellschaftliche Funktion, die der Karikatur damit innewohnt, führt zu Ansprüchen an den Karikaturisten. Er muß in der Lage sein, die politischen Vorgänge kritisch und analytisch zu betrachten. Diese Fähigkeit wird ihm von SEIDLER zugestanden: „Satirikern und Karikaturisten fällt es schwer, die Gegenwart zu bejahen. Sie haben einen Blick für die negativen Seiten der historisch- gesellschaftlichen Entwicklung. Die positiven Ansätze werden ignoriert. Ihnen kommt es auf die Schwachstellen und Angriffspunkte an. Die Unzufriedenheit der Karikaturisten mit der Welt, in der sie leben, macht sie hellsichtig und missionarisch. Sie lehnen es ab, die Dinge objektiv zu sehen. Ihr Streben gilt einer besseren Welt.“33

30 Gombrich, Ernst H.: Das Arsenal der Karikaturisten. Vortrag an der Duke University, North Carolina, 1962; gleichzeitig Beitrag zum Ausstellungskatalog „Bild als Waffe“. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Wilhelm-Busch-Museum Hannover v. 2.10.1984-2.1.1985. Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch / Ch. Schölzl. München 1984, S. 384-401 (im folgenden: Gombrich 1962/1984); hier: S. 401. 31 Vgl.: Ploog, Arno in einem Interview mit der Zeitschrift „tendenzen“. In: tendenzen, Jg. 13, 1972, Nr. 83, S. 23. 32 Seidler, Franz W.: Das Militär in der Karikatur. München 1982 (im folgenden: Seidler 1982), S. 2. 33 Seidler 1982, S. 10.

16 Aus der positiven Intention wird bei SEIDLER eine politische Kraft. Die Karikatur sei nicht nur „Orchesterbegleitung zum Stück auf der Weltbühne“, wie HEUSS sie genannt hat, sondern sie agiere selbst auf diesen Brettern und nehme „Anteil am Kampf“.34 In bezug auf Karikaturen aus totalitären Staaten wird der aufklärerische Anspruch der Karikatur also relativiert. So wird darauf hingewiesen, daß die Nationalsozialisten die Möglichkeiten der Karikatur auszunutzen wußten. Dieses Abwägen gilt jedoch nicht für die Karikatur in Demokratien. Im „Lexikon der Kunst“ wird die Karikatur „hauptsächlich“ kritisch eingestellt genannt35, was immerhin eine Einschränkung ist, doch wenige Zeilen tiefer lesen wir, wo diese Relativierung angesetzt wird, nämlich wieder bei den nationalsozialistischen Karikaturen. Die nationalsozialistische Karikatur wird in der Literatur immer wieder wie ein „Ausrutscher“ behandelt. FRANZ SCHNEIDER beispielsweise beschreibt in seinem Buch von 1988 die Verwertung der Karikatur im Dritten Reich: „Denn der Nationalsozialismus hatte sehr wohl die Chance erkannt, welche die Karikatur im Dienste der Propaganda bot: ´Die Karikatur geht ihrem Wesen nach auf groteske, ironische und manchmal auch zynische Wirkungen aus. Sie regen mehr das Lach- als das Denkvermögen an, und wer die Lacher auf seiner Seite hat, hat bekanntlich immer recht.´ Joseph Goebbels hat dies geschrieben. Als Ziel der Propagandastrategie ent- puppte sich, den Gegner lächerlich zu machen, um ihn durch Lächerlichkeit zu vernichten.“36

Doch das von SCHNEIDER konstatierte Prinzip, daß die Karikatur den Rezi- pienten zu einer „Denkleistung“ anregt und somit an den Verstand gerichtet ist und wahre Sachverhalte entschleiert, ist von dieser Feststellung nicht berührt, denn solcherlei propagandistische Instrumentalisierung der Karikatur, wie der Nationalsozialismus sie betrieb, sei eine Pervertierung der Karikatur. Eine solche In-Dienst-Nahme der Karikatur als Waffe „entfremde“ die Karikatur ihrer selbst. „In die Gefahr solcher Entfremdung gerät die bloße Freude an der Erniedrigung des Gegners als Ausdruck des Hasses.“37 In diesen Fällen kann sie

34 Seidler 1982, S. 21. 35 „Die Karikatur ist eine militante, eine hauptsächlich kritisch eingestellte Kunstgattung.“ Lexikon der Kunst, Bd. III. Leipzig 1991. Hrsg. v. Harald Olbrich (im folgenden: Lexikon der Kunst 1991), S. 649. 36 Schneider, Franz: Die politische Karikatur. München 1988 (im folgenden: Schneider 1988), S. 30. Zitat Joseph Goebbels: Kampf um Berlin. München 1939 (16./12. Aufl.), S. 201. 37 Schneider 1988, S. 32.

17 den Anspruch auf Aufklärung oder „Denkleistung“ nicht erfüllen, dann handelt es sich aber nach Meinung SCHNEIDERs auch nicht mehr um Karikaturen: „Und vor allem ist die Karikatur ihrem Ursprung nach ´Geist´. Imitative Gedankenlosigkeit und Scheuklappenintelligenz können sich zwar formal karikaturistischer Mittel bedienen. Karikatur im Sinne eines Qualitätsbegriffs ist damit aber nicht erreicht.“38 Hier wird offensichtlich, daß unterschieden wird zwischen der „wahren“ Karikatur, die aufklärerische Qualitäten besitzt, und jenen Karikaturen, die instrumentalisiert werden für propagandistische Zwecke. Letztere zählt SCHNEIDER nicht als Karikaturen, sondern eher als Unfälle. „Generell“ gelte für die Karikatur: „das Wesen der Karikatur wird nicht nur durch formale Kriterien oder Sachinhalte bestimmt, sondern auch durch das moralische Kriterium der Wahrung der Menschenwürde.“39 Doch es gibt auch Skepsis an der oben genannten Gleichung Karikatur = Aufklärung. So ist beispielsweise in MICHEL RAGONs Buch „Witz und Karikatur in Frankreich“ (1961) zu lesen: „Wenn die Karikatur auch mitunter eine großmütige und ge- rechtigkeitsliebende Gesinnung zeigt (wie bei Daumier), oder, noch seltener, erzieherisch wirkt, so ist sie doch leicht geneigt, sich genauso rückständig zu gebärden wie das Publikum, dem sie schmeicheln will.“40

RAGON zählt Beispiele für eine reaktionäre Karikatur auf. Mit „seltener Aus- dauer“ sei in der Karikatur sowohl über technische als auch politische Innovationen gelästert worden: „über die Eisenbahn, die Telegraphie, die asphaltierten Straßen, das Fahrrad, die Emanzipation der Frauen, das Auto usw. Cham griff erbittert den Impressionismus an. Die Wochenzeitschrift Punch forderte zur Unterdrückung Indiens auf und nahm Partei gegen Turner und Hume. Chauvinismus und Karikatur scheinen erklärte Bündnispartner zu sein. Und der Antisemitismus? Angefangen bei mittelalterlichen Skulpturen und Stichen, wo Jude, Wucherer und Schwein ein und dasselbe verkörpern, bis zu den Beiträgen bekannter Zeichner wie Steinlen, Forain und Caran d´Ache zur Affäre Dreyfus: nicht nur der Chauvinismus, sondern auch der Antisemitismus scheint für die Gesinnung vieler Karikaturisten bezeichnend zu sein.“41

38 Schneider 1988, S. 132. 39 Schneider 1988, S. 32. 40 Ragon, Michel: Witz und Karikatur in Frankreich. Hamburg 1961 (frz. Erstausgabe: 1960, im folgenden: Ragon 1960/1961), S. 12. 41 Ragon 1960/1961, S. 12.

18 Ebenfalls UWE TIMM hält es in einem 1972 verfaßten Artikel für voreilig, Karikaturen an sich als aufklärerisch und emanzipativ auszugeben. Dieses Image sieht er in Nazi-Witzen über Juden und den „Iwan“ revidiert: „Die Karikatur ist also keineswegs eine zeichnerische Form, die notwendig entlarvt, sondern sie kann sehr wohl auch verdecken und verschleiern.“42 Diese Gefahr sieht schließlich auch VÖLKER: „Solange die Karikatur ihre aufklärerische, wider den Stachel löckende Funktion erfüllt, sind ihr alle Mittel erlaubt, darf sie auch plump und unfein sein. Karikatur kann aber auch zur unlauteren Gegenpropaganda ausarten und der Sache des Unrechts, der Niedertracht und Feigheit dienen. In diesem Fall verschleiert sie die Wahrheit, appelliert sie an bestehende Vorurteile und macht mit den Herrschenden gemein.“43

WILLEM LANGEVELD beargwöhnt ebenfalls die ideologische Lauterkeit manch eines Karikaturisten und kritisiert, daß dem zuwenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Auch er konstatiert, daß allgemein der Glaube herrscht, die Karikaturisten würden progressive oder humanistische Positionen beziehen. Als Gegenbeispiel nennt er einen der bedeutendsten englischen Karikaturisten des 19. Jahrhunderts, JAMES GILLRAY (1757-1815), der die Seiten wechselte und von den Whigs zu den Torys überging und zwar aus ökonomischen Gründen, denn er wurde finanziell unterstützt von der Regierung. Wirtschaftliche Motivationen macht er auch bei dem deutsch-norwegischen Zeichner des Simplicissimus, THOMAS THEODOR HEINE (1867-1948), aus, der (wie auch andere Verleger deutscher Satiremagazine) sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs völlig von ihren vorherigen politischen Standpunkten ab- und dem Nationalismus zuwenden. LANGEVELD unterstellt, daß, wenn Karikaturisten eine mehr oder weniger feste Anstellung bei einer Zeitung haben, sie dann auch dem Verlagshaus oder dem Chefredakteur Konzessionen machen müssen. Insofern ist das vermeintliche Freidenkertum der Karikaturisten durchaus gebunden. Die Karikatur schwebt keineswegs über den Dingen.44 Einige Beispiele von Karikaturen, in denen längst gewonnene Schlachten geschlagen werden, zählt MATHIAS SCHREIBER auf. So werden Personen

42 Timm, Uwe: Die politische Karikatur. In: tendenzen-Sonderheft, 1972, S. 11-20 (im folgenden: Timm 1972); hier: S. 11. 43 Völker 1975, o.S. 44 Vgl.: Langeveld, Willem: Political Cartoons as a Medium of Political Communication. In: International Journal of Political Education, 1981, Nr. 4, S. 343-371 (im folgenden: Langeveld 1981); hier: S. 355.

19 diffamiert, die bereits politisch erledigt sind.45 Insofern ist der Karikaturist hier nicht Aufklärer, er rüttelt nicht die Öffentlichkeit wach, sondern er wird erst in dem Moment einem Mächtigen gegenüber kämpferisch, wenn dieser schon seiner Macht oder Stellung entledigt ist. Der Karikaturist riskiert also nichts. SCHREIBER kommentiert diese Fälle: „Im Kampf der Streitbilder haben die Karikaturisten den Mächtigen häufiger gehuldigt als widerstanden.“46 Trotzdem sagt er: „Der Ruhm der unbequemen, aufsässigen Karikatur ist dennoch gerechtfertigt“47

Kritischer zum Image, das die Karikatur genießt, äußert sich MICHAEL KLANT: „Wohlbemerkt sind Bildsatiren nicht a priori fortschrittlich. [...] Noch immer wird die formal progressive Funktion der Karikatur in ihrer Geschichtsschreibung überbetont, obwohl sie auch von der konservativen und reaktionären Gegenseite benutzt wird.“48

Auch MICHAELA VEITH schlägt vor, die Karikatur mit mehr Vorsicht zu betrachten: „Wichtig scheint es mir festzuhalten, daß die Kritik, die also der politischen Karikatur als Wesensmerkmal innewohnt, nicht mit einem ewig progressiven Standpunkt verwechselt wird. Der Karikaturist nimmt durch seine politische Karikatur Stellung, doch wo er diese bezieht, ist seine Angelegenheit (möglicherweise auch die seines Auftraggebers).“49

HANNES HAAS, der die Karikaturen der Satirezeitschrift Kikeriki der 20er und 30er Jahre auf ihren Antisemitismus hin untersucht, bemerkt ebenfalls, daß die Karikaturen häufig nicht von der Fähigkeit zur kritischen Analyse zeugen: „Satire und Karikatur sind im Positiven wie im Negativen der ideale Ort für Stereotypenbildung, der Reduktion komplexer Wirklichkeiten auf

45 Z.B. eine Karikatur von 1871, in der der Vetter Napoleons III. verhöhnt wird, zu einem Zeitpunkt, als sein mächtiger Cousin schon gestürzt war und selbst in den Karikaturen „verrissen“ wurde; oder eine Karikatur von 1899, die Emile Zola angreift aufgrund seiner Verteidigung des jüdischen Offiziers Dreyfus, während dieser bereits wegen Verleumdung verurteilt war. 46 Schreiber, Mathias: Das allzu menschliche Tier. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 252 v. 29.10.1983 (im folgenden: Schreiber 1983). 47 Schreiber 1983. 48 Klant, Michael (Hrsg.): Universität in der Karikatur. Hannover 1984 (im folgenden: Klant 1984), S. 9. 49 Veith, Michaela: Journalismus in schwarz-weiß. Untersuchung des journalistischen Ar- beitsalltags der Karikaturisten in der Tagespresse. (Diplomarbeit im Fachbereich Journalistik, Universität Dortmund). 1986 (im folgenden: Veith 1986), S. 46.

20 einige wenige, immer wiederkehrende Symbole, Signalbotschaften, re- dundante Merkmale, Accessoires und Ambientes.“50

Konsequenterweise empfiehlt MICHAEL RINGL einen regelmäßigen Wettbewerb um die „dümmste Karikatur des Jahres“. In einer fiktiven Preisverleihung für 1996 „würdigt“ er WALTER HANEL als Karikaturisten, der „in beeindruckender Weise bewiesen [hat], daß jemand, der aber auch nicht die geringste Spur einer Ahnung von den Dingen des Lebens hat, sich zum Hausmeister seines Fachs hochdienen kann“51. Der Autor des ironischen Artikels prangert einen plakativen Umgang mit Allegorien und das Aufgreifen von Phrasen an, die eine tatsächliche politische Analyse vermissen lassen.

Als Essenz der gegebenen Darstellung von Fiktionen über die Karikatur kristallisiert sich die Dominanz eines positiven Bildes heraus. Diese allgemein herrschende Vorstellung des prinzipiell kritischen Phänomens „Karikatur“ wird in der vorliegenden Arbeit einer kritischen Betrachtung unterzogen, verbunden mit der Frage, ob die Karikatur diesem Image, das ihr gemeinhin nachgesagt wird, gerecht wird. In Karikaturen sind psychische Dispositionen der Gesellschaft fixiert. Begreift man die „Bilder“ in Karikaturen als visuelle Knotenpunkte im Netz der Wahrnehmung und Kommunikation, so wird deutlich, daß sie nicht in erster Linie Ausdruck einer subjektiven Meinung sind, sondern Spiegel kollektiver Vorstellungen. Zwar werden einzelne, historisch eng eingegrenzte Erscheinungsformen der Karikatur kritisch behandelt. Vor allem über Karikaturen des III. Reiches ist einiges geschrieben worden, was konkret auf die ideologische Verwendbarkeit der Karikatur verweist. Auch kommunistische Karikaturen hat man unter diesem Gesichtspunkt gesehen. So gibt es etliche Werke, die sich mit Karikaturen im Ersten und Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen, weil sie monokausal Vehikel für Vorurteile und Feindbilder sind. Doch gilt dieser differenzierte Blick nicht für die Karikatur im allgemeinen. Die Forschung beschäftigt sich nur in solchen Fällen mit der Karikatur als Ideologie-Träger, in denen ihre Instrumentalisierung für totalitäre Zwecke ganz offensichtlich ist, und dann verweist man sie in den

50 Haas, Hannes: Die Publizistik des Vorurteils. Antisemitismus in Karikatur und Satire am Beispiel des „Kikeriki“. In: Medien und Zeit, Jg. 3, 1988, H. 3, S. 3-7 (im folgenden: Haas 1988); hier: S 3. 51 Ringel, Michael: Schon jetzt gewählt: Die dümmste Karikatur des Jahres. In: die tageszeitung v. 26.11.1996, S. 20.

21 Bereich der Propaganda und schließt sie somit aus dem Gegenstandsbereich der Karikatur aus. Indem derartige Karikaturen wie ein „Unfall“ in der Geschichte des „von Natur aus“ kritischen und aufklärerischen Mediums gehandelt werden, unterscheidet man zwischen Propaganda und Karikaturen. Die (mehr oder weniger) wissenschaftlich orientierten Publikationen sind dementsprechend der Karikatur gegenüber eher unkritisch. „Es gibt eine Fülle von Arbeiten über künstlerisch und politisch erfolgreiche Satiriker und Karikaturisten, die Geschichte des Versagens dieser Genres und seiner moralischen Schuld ist noch nicht geschrieben.“52 In bezug auf anti-aufklärerische Tendenzen in der Karikatur ist die Forschung zumeist blind. In der Literatur wird weitgehend ignoriert, daß die Karikatur nicht immer nur Hintergründe offenlegt und zur (Auf-)Klärung eines politischen Sachverhalts beitragen will, sondern sehr schnell auch Agitation betreibt und unter Zuhilfenahme psychologischer Mittel lediglich an Emotionen rührt, statt an den Verstand. In diesen Fällen leistet die Karikatur einer verkürzten, irrationalen Sicht der tatsächlich komplexen Wirklichkeit Vorschub. Um diesem Aspekt gerecht zu werden, soll hier das „Versagen“ der politischen Karikatur - gemessen an den hohen Vorschußlorbeeren, die ihr zuteil werden - thematisiert werden. Die vorliegende Arbeit will dazu beitragen, Karikaturen unter einer veränderten Perspektive zu betrachten. Dabei soll insbesondere die Korrelation zwischen Karikaturen und Stereotypen bzw. Feindbildern dargelegt werden, um die tatsächliche politische Bedeutung von Karikaturen zu betrachten. Karikaturen arbeiten immer mit Typisierungen bzw. Stereotypen und Klischees und damit mit Verallgemeinerungen, die eine Reduktion der tatsächlichen Vielschichtigkeit sind. Gerade wenn diese Methode des Karikierens näher betrachtet wird, müßte offensichtlich werden, daß die Karikatur mitnichten das ist, als was sie immer gesehen wird, nämlich ein Moment der Enthüllung der Wahrheit, eine Pionierin der Aufklärung. Eine drastische Form von Typisierungen und Stereotypisierungen sind Feindbilder. Die Geschichte der politischen Karikatur ist gleichzeitig eine Geschichte von Feindbildern in Karikaturen, denn in dem Moment, in dem die Karikatur als politisches Ausdrucks- und Kampfmittel benutzt wird, fungiert sie als Austragungsort politischer Gegnerschaften. Somit ist kontinuierlich eine Verknüpfung von

52 Haas 1988, S. 3.

22 Karikatur und Feindbildern gegeben. Es bedarf theoretischer Einschübe aus der Feindbildforschung, um die politische Dimension von solchen Karikaturen, die Vorurteile und Feindbilder aufgreifen und verstärken, erfassen zu können. Die Fachliteratur widmet sich nur marginal der Manifestation von Klischees und Feindbildern in Karikaturen. Die Autoren, die sich unter diesem Aspekt der Karikaturen annehmen, kommen aber nicht aus der kunstgeschichtlichen Disziplin, sondern haben zumeist ein historisches, psychologisches oder politologisches Interesse, so daß den nicht-kunsthistorischen Analysen ikonologische Gesichtspunkte fehlen. Eine fundierte Berücksichtigung der Bedeutung von Stereotypen und Feindbildern in Karikaturen, die diesem Gegenstand auf kunsthistorischer und politologischer Ebene gerecht wird, fehlt bislang. Entsprechend mündet diese Arbeit in eine Analyse der Motive bzw. der Archetypen in Feindbild-Karikaturen. Klassische Bildbeschreibungen oder Stilanalysen erscheinen in diesem Zusammenhang obsolet, da kunsthistorische Ansätze zur Karikaturenbetrachtung in der Literatur bereits erschöpfend behandelt wurden. Die vorliegende Arbeit ist keine Untersuchung der historischen oder der zeitgenössischen Karikatur schlechthin, es wird auch kein repräsentativer Überblick über die aktuelle Situation der Karikatur gegeben. Ebenfalls steht nicht das Werk einzelner Karikaturisten im Vordergrund, sondern dies ist ein Versuch, Charakteristisches und Auffälliges der in der meinungsbildenden (vorwiegend deutschen) Presse verankerten Karikatur aufzuzeigen. Zu diesem Zweck wird eine Phänomenologie von Motiven aufgestellt. Die Karikaturen werden daraufhin untersucht, ob und in welcher Form sie Feindbilder präsentieren, ob sich tradierte „Bilder“ halten, auch bei wechselnder Tendenz, oder ob eine neue Ikonographie entsteht, ein Paradigmenwechsel feststellbar ist. Dabei werden in Exkurs-Form geschicht- liche Stationen aufgezeigt, in denen sich entsprechende Feindbildkarikaturen manifestieren. Eine Bestandsaufnahme der Pressekarikaturen verdeutlicht, daß bestimmte „Archetypen“ von Feindbildern vorkommen, die eine lange Tradition in der Geschichte der Karikatur haben. Der Feind als lächerliche Figur, als Bestie, als direkte oder globale Bedrohung, als Plutokrat, als Tod, etc. sind klassische Motive in Feindbildern und als solche aus friedenspädagogischer Sicht von der ARBEITSGEMEINSCHAFT FRIEDENSPÄDAGOGIK (1983) und von dem Psychologen SAM KEEN (1986) auch unter Berücksichtigung von Karikaturen behandelt

23 worden.53 Offensichtlich sind die Feindbild-Archetypen konstant in Karikaturen vorhanden. Diese Ikonographie besteht über die kriegerischen Konflikte hinweg. In der vorliegenden Untersuchung wird vor allem den jüngsten Tendenzen der Feindbildkarikaturen Rechnung getragen. Beispiele zeitgenössischer Kari- katuren belegen, daß auch hier (und nicht nur in den einschlägig bekannten historischen Propaganda-Karikaturen) Feindbilder propagiert werden. Dabei bestätigt sich, daß sich direkte ikonographische Linien ziehen lassen zwischen historischen Feindbildkarikaturen bzw. Plakaten oder Illustrationen und heutigen. Es wird deutlich, daß auch in zeitgenössischen Karikaturen ein ganzer Motiv-Katalog zu finden ist, dessen Vorläufer mühelos bis zum Ersten Weltkrieg (und darüber hinaus zuweilen sogar bis zu den Napoleonischen Kriegen) zurückzuverfolgen sind. Neben der Feststellung, daß die klassischen Traditionen ungebrochen sind, lassen sich auch Motiv-Zäsuren feststellen. Auffallend ist die Renaissance einer Bildformel, die den Feind als (Gegen-) Spieler darstellt - beispielsweise haben Visualisierungen von Wortspielen, die sich offensichtlich den Karikaturisten anläßlich des Zweiten Golfkrieges aufdrängen, Konjunktur. Die Charakteri- sierung des Feindes als desjenigen, der sein Spiel treibt, die gerade das taktische und intellektuelle Vermögen des Feindes als Gefahr benennt, ist in den Karikaturen der 90er Jahre unseres Jahrhunderts, die den Feind topographisch im Süden (Naher Osten und „Dritte Welt“) orten, relativ häufig zu finden.

53 1983 erschien die Broschüre „Das Bild vom Feind“, herausgegeben von der Arbeits- gemeinschaft Friedenspädagogik e.v., München 1983 (im folgenden: AGFP 1983), in der eine recht grobe Unterscheidung von Feindbildtypen vorgenommen wird. Die Behand- lung der einzelnen Typen („Tod / Gerippe“, „Tier / Bestie / Ungeheuer“, „Monster“, „Verbrecher / Räuber / Gangster“, „Militarist“, „Untermenschen“, „Lächerliche Figuren“ und „Abstrakte / Anonyme Bedrohung“ hat eher exemplarischen Charakter und leistet keine tatsächliche Analyse von Karikaturen - vor allem keine kunsthistorische. Eine differenziertere Einteilung von Feindbildern in Archetypen bringt Sam Keen in seinem 1986 veröffentlichten Buch „Bilder des Bösen. Wie man sich Feinde macht“, Weinheim/Basel 1987, amerik. Erstausgabe: 1986 (im folgenden: Keen 1986/1987). Er klassifiziert die Feindtypen wie folgt: „Der Feind als Fremder“, „Der Feind als Angreifer“, „Der gesichtslose Feind“, „Der Feind als Feind Gottes“, „Der Feind als Barbar“, „Der gefräßige Feind“, „Der Feind als Verbrecher“, „Der Feind als Folterer“, „Der Feind als Vergewaltiger“, „Der Feind als Bestie, Kriechtier, Insekt und Krankheitserreger“, „Der Feind als Tod“, „Der Feind als gleichwertiger Gegner“, „Der Feind als Abstraktum“. Keens Ansatz bei der Bearbeitung ist ein sozialpsychologischer bzw. friedenspolitischer. Dementsprechend ist seine Untersuchung auch keine Kunst- und Politikwissenschaft verbindende Methode und keine Betrachtung der Karikaturen unter ikonologischen Gesichtspunkten.

24 Im Widerspruch dazu steht eine konträr angelegte neue Archetypus-Generation, der hier besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird: Der Feind wird als geifernder Despot in Szene gesetzt, als Bombenleger und Terrorist. Beachtlich ist, daß in diesem Zusammenhang ein Motiv aufersteht, das zu Beginn des Kalten Krieges in sowjetischen Karikaturen äußerst beliebt war: Der Vergleich mit Hitler wird bemüht, um das (vermeintlich) irrationale Wesen des Feindes zum Ausdruck zu bringen. In den Karikaturen der 90er Jahre kristallisiert sich weiterhin ein Moment heraus, das früher lediglich marginal war: Der Feind wird mit Dunkelheit und Chaos identifiziert. Als Komplementärmethode zu den in bezug auf die politischen Aspekte unzureichenden rein formalkritischen Analysen wird die Diskursanalyse (ursprünglich eine Methode zur Analyse von Texten) vorgestellt. Die Diskurs- analyse befaßt sich mit der Stereotypie von „Bildern“ in der Sprache, mit ihrer Verbreitung, ihrer Wiederholung, ihrer Entwicklung und ihrer funktionalen Beziehung zu Verhaltensweisen. Sie eignet sich zur Untersuchung von (scheinbar) non-verbalen Karikaturen, da die Karikatur das Medium ist, in dem sich Bilder aus dem Sprachgebrauch konkretisieren. „Bilder“ in Karikaturen gehen mit „Bildern“ im Wortsinne einher. Es wird der Frage nachgegangen, wofür das verwendete Vokabular Symptom ist.

Vor dem Hintergrund einer Untersuchung, die thematische Tendenzen in Feindbildkarikaturen aufzeigt und nach dem Zusammenhang zwischen Karikatursujet und der jeweiligen politischen „Großwetterlage“ fragt, ist die Annahme von der grundsätzlich kritischen und aufklärerischen Karikatur zu relativieren. Indem (oft propagandistisch-plakativ statt analytisch-subtil) Politik in Form von Feindbild-Karikaturen dramaturgisch aufbereitet wird, ist die Karikatur nicht mit ihrem Ruf, ein aufklärendes Medium zu sein, vereinbar. In der aktuellen Politikwissenschaft wird in immer stärkerem Maße der Zusammenhang zwischen Wirklichkeitswahrnehmung und Konstituierung von Realität durch Diskurse und Medien erkannt. Die Medien stellen „Bilder“ von der Realität her. An dieser Produktion sind Karikaturen beteiligt. Im Falle von Feindbild- karikaturen tragen die Bilder dazu bei, Bedrohungsängste zu schüren. Dies schafft eher eine größere Distanz zwischen den Kulturen, anstatt Einfühlung, Reflexion und Verstehen beim Betrachter zu fördern.

25 Bei der Beschäftigung mit Karikaturen im Kontext mit Feindbildern wird deutlich, daß die Karikatur nie den Anspruch der „Reinheit“ und Un- bestechlichkeit erfüllt hat. Dies ist eine Fiktion, die sich bis heute in der Forschung hält, auch wenn zeitgenössische Karikaturen-Beispiele zeigen, daß Karikaturen auch gegenwärtig propagandistische Züge haben und sich mitunter in Vorurteilen ergehen und so helfen, diese zu verbreiten und in den Köpfen der Menschen festzusetzen. So zeigt sich, daß sich die Karikatur durchaus nicht immer kritisch zu herrschenden Systemen verhält, sondern sehr wohl vom politischen „mainstream“ bestimmt ist und in dem Spektrum zwischen Kritik und Propaganda nicht eindeutig anzusiedeln ist. Damit geht sie nicht mit ihrem aufklärerischen Anspruch konform.

Doch lassen sich die Karikaturen nicht „über einen Kamm scheren“. In einem Kapitel über analytische Karikaturen wird gezeigt, daß es daneben auch Karikaturen gibt, für die ein intellektueller Anspruch geltend gemacht werden kann, wenn die Darstellungen so angelegt sind, wie es dem Image der Karikatur entspricht: wenn Hintergründe aufgedeckt werden und dem Rezipienten eine tiefere Einsicht in die politischen Gegebenheiten gewährt wird. Daran anschließend ist darüber nachzudenken, inwieweit die Karikatur selbst politische Prozesse in Gang setzten kann insofern, als sie die Wahrnehmung politischer Gegebenheiten manipuliert.

Bevor angesichts permanent vorhandener Feindbilder in den Karikaturen eine Relativierung des Positiv-Images, das die Karikatur heute genießt, erfolgt, dient im ersten Kapitel der Arbeit die Vergegenwärtigung dessen, welchen Stellenwert die Karikatur unter welchen Prämissen in Ästhetik und Forschung einnahm und –nimmt als Grundlage für die Einordnung der Bedeutung der Karikatur als Gegenstand aktueller Wissenschaft. Das erste Kapitel dieser Untersuchung ist entsprechend wissenschaftshistorisch angelegt.

26 1 Die Karikatur und ihre Rezeption in der Wissenschaft

Parallel mit der Entwicklung des Phänomens „Karikatur“ vollzieht sich die des Begriffs. Sowohl die Geschichte des einen wie die des anderen ist in der kunstgeschichtlichen Forschung bereits ausführlich dargestellt worden. Die Klärung der Begriffsgeschichte ist hauptsächlich das Verdienst von GERD UNVERFEHRT.54 Interessant als Grundstein für die weitere Beschäftigung mit Karikaturen ist, in welchen inhaltlichen und raum-zeitlichen Zusammenhängen sich der Terminus „Karikatur“ entwickelt und wie der Karikaturbegriff heute besetzt ist.

1.1 Begriffsbestimmung Das Wort „Karikatur“ leitet sich ab vom italienischen „caricare“ („laden“, „überladen“, „übertreiben“, „stark auftragen“). Der heutige Gebrauch des Begriffs „Karikatur“ ist zweideutig. Zum einen verstehen wir darunter die in wenigen Strichen erzielte, übertriebene Porträtzeichnung. Doch auch die ausführlichere, komponierte Bildsatire fällt unter den Begriff Karikatur55. Die gleiche Bezeichnung für zwei so ganz unterschiedliche Bildformen ergibt sich aus der Tradition der Karikatur, die ihre Vorläufer sowohl in den realistisch und minutiös gezeichneten Schand- und Schmähbildern des Mittelalters hat als auch

54 Vgl.: Unverfehrt, Gerd: Karikatur. Zur Geschichte eines Begriffs. In: Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Wilhelm-Busch-Museum Hannover v. 7.10.1984-2.1.1985. Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch / Ch. Schölzl. München 1984, S. 345-354 (im folgenden: Unverfehrt 1984). 55 Diese beiden Phänomene werden in anderen Sprachen allerdings begrifflich getrennt: Das englische Wort „caricature“, das niederländische „Karikatuur“ und das französische „portrait chargé“ bezeichnen die Porträtzeichnung. Die aufwendiger gezeichnete, szeni- sche Satire heißt im Englischen „cartoon“, im Niederländischen „Spotprent“ und im Französischen „caricature“. Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 354. Der Name „cartoon“ bürgerte sich im Anglikanischen für Karikaturen ein, wobei der Begriff in den USA eine Modifikation erfahren hat, da er mittlerweile eher gezeichnete Witze meint statt politische Karikaturen. Vgl.: Grünewald, Dietrich: Die Karikatur im Unterricht. Geschichte, Analysen, Schulpraxis. Weinheim/Basel 1979 (im folgenden: Grünewald 1979), S. 11 und Husemann, Harald: Ich denke, also denke ich in Stereotypen, deshalb karikiere ich, also bin ich. In: Coping with the Relations. Deutsch-britische Karikaturen von den fünfziger bis zu den neunziger Jahren. Hrsg. v. Goethe-Institut, London und der Universität Osnabrück. Osnabrück 1993, S. 20-29 (im folgenden: Husemann 1993); hier: S. 22f.

27 in den reduktionistischen, abstrahierenden Skizzen manieristischer Künstler. Die Ambivalenz des Begriffs entspricht den unterschiedlichen Erscheinungsformen der Karikatur. Die karikaturistischen Bildinstrumentarien und auch die Medien sind vielgestaltig, so daß die Karikatur nicht als eine streng festgelegte Erscheinungsform begriffen werden kann, sondern als ein karikaturistisches Verfahren, „dessen Grundmerkmale - Überspitzen und Reduzieren - teilweise voneinander getrennt neue mediale Verbindungen eingegangen sind.“56 Bei aller Beliebigkeit im Umgang mit diesen Begriffen ist zu unterscheiden zwischen Comic und Cartoons, die gezeichnete Witze sind und damit „visuelle Konsumgüter“57, und der Karikatur, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie eine Kritik impliziert. Damit grenzt man das eine auf den Bereich der Unterhaltung, das andere auf den des Politischen ein.58 Die Abgrenzung der Karikatur von anderen Gattungen der (mehr oder weniger) humoristischen Zeichenkunst, darf jedoch nicht als Rangzuordnung interpretiert werden, sondern als Sensibilisierung für disparate Ausprägungen der graphischen Satire. Comic, Cartoon, Plakat, Bildsatire, Witzzeichnung oder Trompe-l´œil haben die gleiche Tradition. Gleichzeitig mit der Karikatur entwickelt sich das Genre des moralischen Sittenbildes in Zyklen59. Solche Bilderzählungen führen zum heutigen comic strip und Zeichentrickfilm.60 Daneben entwickeln sich andere Gattungen wie z.B. das gezeichnete Bonmot, das Vorläufer unseres Cartoons ist. Die sozialkritische und politische Karikatur ist nur eine Variante der zeichnerischen Satire. Die vielfältigen Definitionsversuche in der Literatur veranschaulichen, daß die Begriffsbestimmung nach wie vor nicht eindeutig ist.61 Als kleinster gemeinsamer Nenner läßt sich allenfalls die Aussage

56 Herding, Klaus: Karikaturen-Perspektiven. In: Karikaturen. Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979. Gießen 1980, S. 353-386 (im folgenden: Herding 1980); hier: S. 358. 57 Bornemann 1972, S. 7. 58 Letztlich ist jedoch jede Zeichnung politisch. „Wenn heute jemand in einem Schmuddelschundblatt einen kleinen Chauviwitz macht mit einer Sexbombe, die abends in der Bar sitzt, wo gleichzeitig der Bodenkrieg [im Zweiten Golfkrieg - A.P.] beginnt, dann ist auch das politisch. Er wird seine Gründe haben.“ Weigle, Fritz (alias F.W. Bernstein) in einem Interview mit Harald Neckelmann. In: die tageszeitung v. 10.4.1991 (im folgenden: Weigle 1991), S. 17. 59 Man denke an die Bilderfolgen des britischen „Karikaturisten“ des 18. Jahrhunderts, William Hogarth (1697-1764) und an die Bildmoritat bzw. Bilderzählung, deren berühmtester Vertreter hierzulande wohl Wilhelm Busch (1832-1908) ist. 60 Vgl.: Hofmann 1953, S. 951. 61 Die Schwierigkeiten, die der Versuch einer Definition bereitet, lassen sich folgender- maßen beschreiben: „Was ist eigentlich Karikatur? Merkwürdigerweise ist die in der

28 festhalten, daß die Karikatur die Konzentration auf ein übertriebenes, ungemein augenfälliges Bild und eine Mischung von Komik und Grauen ist.62

Zur Benennung von zeichnerischen Produkten taucht der Begriff „caricatura“ zum erstenmal 1646 auf. In einem vom päpstlichen Haushofmeister GIOVANNI ANTONIO MASSANI verfaßten Vorwort zu einer Mappe von Radierungen63 sagt dieser, er habe die Begriffe „caricatura“ und „ritrattini carichi“ („übertriebene Bildnisse“) von dem bolognesischen Künstler ANNIBALE CARRACCI (1560- 1609) als Bezeichnungen übernommen64. Die Radierungen nach CARRACCIs Zeichnungen geben „den Menschen auf der Straße“ wieder. Ihr Sujet sind Handwerker, Bettler, Gaukler, Händler, etc., ins Häßliche übertrieben dargestellt (Abb. 1). Diese „caricatura“ hat nichts mit mittelalterlichen Schandbildern zu tun, den szenisch angelegten, ausführlich gezeichneten Satiren, die in Italien unter dem Terminus „pittura infamata“ gefaßt wurden, sondern diese neuartigen, in wenigen Strichen vollzogenen Zeichnungen sind Porträts.65 ANNIBALE CARRACCI, der wie sein Bruder AGOSTINO (1557-1602) ansonsten in seinem Werk ausgesprochen einem Schönheitsideal nachstrebt, wendet sich in seinen

ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts begonnene Diskussion um diese Frage noch immer nicht beendet. Künstler, Philologen, Ästhetiker, Psychologen, Kunsthistoriker sowie Publizisten und andere Dilettanten bemühten sich nach- und nebeneinander um Definitionen. Eine eindeutige Antwort wurde nicht gefunden. Rückschauend kann gesagt werden, und solch ein Umblick führt tief in die Geschichte der unfreiwilligen Komik, daß alle diese Erklärungen jeweils nur für bestimmte Karikaturen zutreffen.“ Schwarz, Waltraut: Die politische Karikatur. In: Civis. Zeitschrift für christlich- demokratische Politik, 1957, Nr. 29, S. 17-18 (im folgenden: Schwarz 1957); hier: S. 17. Eine ähnliche Meinung bezüglich irgendwelcher Bestrebungen, den Begriff zu bestimmen, wird auch andernorts vertreten: „Zu den ziemlich komischen Umgangsformen mit der Karikatur gehört der Versuch, sie zu definieren. [...] Verabreden wir uns doch, unter einer Karikatur eine Zeichnung zu verstehen, die meist in der Presse erscheint und gekennzeichnet ist von den drei großen G: Grafik, Gritik und Gomik.“ Weigle, Fritz (unter dem Pseudonym F.W. Bernstein): Zu schöner Mißgestalt verhelfen. In: 70 Mal die volle Wahrheit. Ein Querschnitt durch die bundesdeutsche Karikatur der Gegenwart. Kassel v. 19.6.-20.9.1987. Hrsg. v. Achim Frenz / Claus Heinz / Uli Müller / Andreas Sandmann. Hamburg 1987, S. 16-17; hier: S. 16f. 62 Vgl.: Thomsen, Christian W.: Menschenfresser. Eine kannibalische Text-Bild-Dokumen- tation. Wien 1983 (im folgenden: Thomsen 1983), S. 177. 63 Es handelt sich um Radierungen Simon Guillains nach Zeichnungen von Annibale Carracci. 64 Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 345. 65 Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 354.

29 Zeichnungen den „niedrigen, minderwertigen und mit Mängeln behafteten Dingen“66 zu. Mit Entstehung des Begriffs beginnt auch eine schriftliche Beschäftigung mit dem, was er bezeichnet. So führt MASSANI aus, was es mit ANNIBALE CARRACCIs Zeichnungen auf sich hat: Die übertriebenen Figuren zeichnet er nach der Natur. Er greift in der Natur vorgefundene, von ihr selbst hervorgebrachte Mängel auf und übersteigert diese. Die Darstellungen gründen sich also auf Naturanschauung. In der Natur gibt es weder ideale Schönheit noch vollkommene Häßlichkeit. Ebenso wie ein Maler die ideale Schönheit nicht von der Natur abmalt, sondern sie in seinem Gemälde komponiert, aus einzelnen schönen Teilen zusammensetzt und so eine Vollkommenheit erreicht, die in der Natur nicht gegeben ist, so gehe es in den „ritrattini carichi“ darum, eine perfekte Mißgestalt zu schaffen.67 Der Karikaturist strebt eine „perfetta deformità“ an, die totale Negation der vollkommen schönen Gestalt.68 Eine modifizierte Einschätzung der Karikatur begegnet in einer 1713 erschie- nenen Biographie des italienischen Architekten und Bildhauers GIANLORENZO BERNINI (1598-1680): Er habe Bildnisse zum Scherz deformiert, „jedoch nur in jenen Teilen, wo die Natur selbst auf irgendeine Weise gefehlt hatte, und ohne seinem Vorbild die Ähnlichkeit zu nehmen, gab er es auf dem Papier sehr ähnlich und seinem innersten Wesen entsprechend wieder, obwohl man sah, daß er einen Teil bemerkenswert verändert und übertrieben hatte.“69 Bedeutend in diesem Zitat ist die Formulierung „seinem innersten Wesen entsprechend“. Die neue Qualität der Karikatur liegt nun in ihrem Vermögen, den Charakter des Karikierten offenzulegen. BERNINI geht es weniger darum, ein äußeres Erscheinungsbild auf die Spitze getrieben wiederzugeben, sondern

66 Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 346. 67 Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 346 und Panofsky: „Dem ganz entsprechend wird nun auch das negative Phänomen der Häßlichkeit in einem neuen Sinne verstanden [...]. [Dem Künstler] wird nun die durchaus metaphysische Aufgabe zugewiesen, die unterhalb der Erscheinung verborgenen Prinzipien ihr gegenüber wieder zur Geltung zu bringen.“ Panofsky Erwin: Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie. Leipzig 1924. Hier verwandte Fassung: (Studien der Bibliothek Warburg). Hrsg. v. Fritz Saxl. Berlin 1960 (im folgenden: Panofsky 1924/1960), S. 53. 68 Vgl.: Hofmann, Werner: Die Karikatur von Leonardo bis Picasso. Wien 1956 (im folgenden: Hofmann 1956), S. 15. 69 Domenico Bernini. Zitiert nach: Brauer, Heinrich / Wittkower, Rudolf: Die Zeichnungen des Gianlorenzo Bernini. (Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Bd. 9). Berlin 1931 (im folgenden: Brauer / Wittkower 1931), S. 182.

30 vielmehr um Charakterstudien. Seine Zeichnung des Kardinals Scipione Borghese, die etwa 1650 entsteht, ist als eine solche Studie der Persönlichkeit des Karikierten zu begreifen (Abb. 2). Die Karikatur erhält eine Stoßrichtung auf ein bestimmtes charakterliches Merkmal einer Person hin. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts bleibt die Karikatur ausschließlich eine italie- nische Angelegenheit. 1665 geht BERNINI nach Frankreich an den Hof Ludwigs XIV. und verblüfft dort durch das Verfahren, mit wenigen Strichen übertriebene Bildnisse zu zeichnen, mit dem Zweck der Verhöhnung einer Person. Die ge- fürchteten Karikaturen werden von den Franzosen „portrait chargé“ genannt70. Durch diesen Import der karikierenden Methode wird das Phänomen Karikatur über italienische Grenzen hinausgetragen.

Zu Zeiten PIERLEONE GHEZZIs (1674-1755) ist es in italienischen wohlhabenden Kreisen „in“, sich karikieren zu lassen, so daß er „hauptberuflich“ Karikaturen zeichnen kann. Seine Porträtkarikaturen sind allerdings dem an der „hohen“ Kunst orientierten Geschmack seiner Kunden angepaßt: Zumeist erlaubt er sich keine Porträts in nur wenigen Strichen, sondern zeichnet die physiognomischen Verzerrungen sehr detailreich.71 Seine Don Saverio Brunetti da Corinaldo und Don Giovanni Battista Ruelle „aufs Korn nehmende“ Federzeichnung von 1720 ist ein Beispiel für seinen Stil (Abb. 3). In Italien und Frankreich dient auch im 18. Jahrhunderts der Karikaturbegriff unverändert der Benennung des Phänomens, das ANNIBALE CARRACCI meinte, nämlich die übertriebene Porträtkarikatur. Der Terminus findet Eingang in Wörterbücher - wie auch das Wort „chargé“, das synonym verwandt wird. Das Wort „caricature“ erscheint in England zum ersten Mal 1686 in der „Bibliotheca abscondita“ von SIR THOMAS BROWNE. Doch unter diesem Begriff versteht er nicht Porträtkarikatur im Sinne der Brüder CARRACCI, sondern zunächst die Verzerrung menschlicher Züge ins Tierische. Hier wird Karikatur begriffen als willkürliche Vereinigung des Disparaten. Darunter fallen Formverzerrungen und Formenkombinationen, Bilderrätsel, Kinderzeichnungen und überhaupt alles, was disproportioniert erscheint.72 Unter dem Begriff „outré“ faßt so auch der englische Karikaturist WILLIAM HOGARTH (1697-1764) sämtliche

70 Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 347f. 71 Vgl.: Döring, Jürgen: Zum Katalog / Vereinfachung. In: Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Wilhelm-Busch-Museum Hannover v. 7.10.1984-2.1.1985. Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch / Ch. Schölzl. München 1984, S. 12-17 und 63-69 (im folgenden: Döring 1984); hier: S. 67. 72 Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 348.

31 zeichnerischen Formverzerrungen zusammen. Die bewußte Formverknappung, die zuvor als das Charakteristikum der Karikatur erkannt wurde, lehnt HOGARTH als Dilettantismus ab73. Seine sozialkritischen satirischen Kupferstiche nennt HOGARTH selbst „comic history painting“. Zwar wird auch bei ihm das Dargestellte mittels komischer Übertreibung der Lächerlichkeit preisgegeben und eine Bloßstellung aktueller Verhältnisse betrieben - so wie in dem Blatt „Scolars at a Lecture“ von 1731 (Abb. 4) -, womit heutige Karikaturen durchaus in den Graphiken HOGARTHs inhaltlich ihre Vorläufer haben, doch seine Arbeiten sind detailreich und minutiös ausgeführt. Dies ist eine Angleichung an die akademische Kunst, um eine Chance zu haben, die gezeichnete Satire als künstlerischen Ausdruck zu etablieren. Zudem entstehen solche satirischen Zeichnungen nun als Kupferstich-Drucke. Dieses Medium setzt eine andere zeichnerische Motorik voraus als die Federzeichnung (da beim Kupferstich die Zeichnung in die Metallplatte gestochen werden muß, verliert sie im Vergleich zur Federzeichnung an Spontaneität). Obwohl HOGARTH sich gegen die Bezeichnung „Karikaturist“ wehrte, werden er und seine Nachfolger heute unter diesem Begriff gefaßt, weil sie ihr Thema inhaltlich (wenn auch nicht formal) komisch und übertrieben darstellen. Das Wort „Karikatur“ wird nun international gebraucht, wobei die Bedeutung zum einen die des CARRACCI-Begriffs ist, zum anderen die des englischen „comic painting“, womit die szenisch angelegte zeichnerische Satire gemeint ist. Die satirischen Blätter, die im weiteren nun „Karikaturen“ genannt werden, erhalten jetzt ihre öffentliche Funktion. Zunächst in Form von einzelnen Blättern, die in den Schaufenstern der Druckereien ausgehangen und verkauft werden, richtet sich die gezeichnete Kritik an ihr Publikum. Somit besteht der Kreis, in dem die Karikatur wirkt, bereits bevor sich die Karikatur mit dem Journalismus paart nicht mehr nur aus Künstlerkollegen und einzelnen Sammlern, sondern mittlerweile wird sie der räsonnierenden Öffentlichkeit dargeboten. Aus dem einstigen Ateliereinfall ist ein Sprachrohr für die politische Meinungsäußerung geworden. Eine solche öffentliche Bloßstellung - auch in Zyklen - haben in England z.B. HOGARTH, THOMAS ROWLANDSON (1756-1827, vgl. Abb. 122 und 129), GILLRAY und GEORGE CRUIKSHANK (1792-1878) be- trieben.

73 Das geht aus einer Schrift seines Freundes Henry Fielding von 1742 hervor und wird 1758 in Hogarths Erklärung zum Gerichtshof (abgedruckt im London Chronicle vom 5./7. Sept. 1758 und in der Monthly Review vom Sept. 1758) bestätigt. Vgl.: Unverfehrt 1984, S. 348f.

32 Nach dem Vorkommen des Begriffs „Karikatur“ in Enzyklopädien läßt eine wissenschaftliche Untersuchung der Karikatur noch auf sich warten, bis schließ- lich vor dem Hintergrund klassizistischer ästhetischer Vorstellungen die Karikatur von Kunsttheoretikern „entdeckt“ wird.

1.2 Die Karikatur in Ästhetik und Kunstwissenschaft vom Klassizismus bis zum 20. Jahrhundert Die Geschichte der Erforschung der Karikatur entwickelt sich analog zu der ästhetischen Bedeutung, die man ihr beimißt. Ästhetik und Kunstwissenschaft tun sich lange schwer mit der Karikatur. Die Kunsttheorie bezieht die Karikatur als Forschungsgegenstand dann ein, wenn sie in ästhetischen Klassizis- mustheorien als Gegenpol dienen soll.74 Abhängig vom klassizistischen Nor- menkorsett, etabliert sie sich als Gegenstand kunstwissenschaftlicher Forschung vorerst als exotische Randerscheinung. Der Begriff „Karikatur“ taucht bei JOHANN JOACHIM WINCKELMANN zum ersten Mal im Kontext einer Ästhetik auf. Er gibt der Karikatur innerhalb seines Klassizismuskonzepts eine antithetische Rolle zum klassischen Ideal. Die ästhetischen Konzepte des 18. Jahrhunderts sind der idealen Schönheit verschworen. Harmonie gilt als der zu erstrebende Ausdruck der Kunst. In dieser Auffassung gibt es nur Platz für Idealisierungen. WINCKELMANN, der in seinen „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst“ (1755) jenes auf Nachahmung der griechischen Antike (und nicht der Natur) beruhendes klassisches Ideal entwickelt, das zur „Programmschrift neuklassizistischer Kunstanschauung“75 wird, erwartet vom Künstler, daß sich in seinem Werk die

74 Mit der Bedeutung der Karikatur in der Ästhetik haben sich besonders Günter und Ingrid Oesterle beschäftigt. Vgl.: Oesterle 1980, S. 87-130 und vgl.: Oesterle, Günter: „Mit sich zugleich etwas Anderes darzustellen“. Die Entdeckung der Dialogizität der Karikatur in der spätidealistischen Ästhetik von Karl Rosenkranz und Friedrich Theodor Vischer. In: Die Karikatur zwischen Republik und Zensur. Bildsatire in Frankreich 1830-1880. Eine Sprache des Widerstands? Hrsg. v. Raimund Rütten / Ruth Jung / Gerhard Schneider. Marburg 1991, S. 153-158 (im folgenden: Oesterle 1991). 75 Pochat, Götz: Geschichte der Ästhetik und Kunsttheorie. Von der Antike bis zum 19. Jahrhundert. Köln 1986 (im folgenden: Pochat 1986), S. 403. Die Bedeutung Winckel- manns für die Geschichte der Ästhetik verdeutlicht Kultermann an der Rezeption seines Hauptwerks „Geschichte der Kunst des Altertums“ (1764): „Nicht allein die Tatsache, daß Kunstgeschichte als wissenschaftliche Disziplin mit diesem Werk seinen Ausgang nahm, auch die auf eine neue Basis gestellte Anschauung von Kunst überhaupt war eine

33 ideale Schönheit manifestiert und auch die innere moralische Größe, die er in der antiken Kunst wahrnimmt, verkörpert wird. Gemäß dieser Anschauung fungiert die Karikatur bei WINCKELMANN als Anti-Beispiel. Ideal und Karikatur sind ein Oppositionspaar.76 Die „Entdeckung“ der Karikatur lediglich als Widerpart zum Klassischen bedeutet also keine echte Würdigung der Karikatur als eigenständiges Phänomen der Kunst. Ihr gilt „eher wissenschaftliche Ab- denn Zuwendung“77. Dennoch ist einem wissenschaftlichen Interesse der Boden bereitet. Die nun einsetzende geschichtliche Betrachtung der Karikatur vollzieht sich zunächst in Form von Zusammenstellungen von Karikaturen als Zeitdokumente in Sammlungen und in kunstkritischen Kommentaren zu einzelnen Werken. Neben diesen „historiographischen Versuchen“78 erscheinen erste Abhandlungen, in denen die Grundlagen des Karikaturzeichnens vermittelt werden. Die Karikatur erfährt zum ersten Mal eine wissenschaftliche Untersuchung als Gattung 1813 mit der in London erscheinenden Gesamtdarstellung „An Historical Sketch of the Art of Caricaturing“ von J.P. MALCOLM. Hier ist ein Karikaturbegriff gegeben, der sämtliche Phänomene der darstellenden Kunst, in der Erfindung und Deformierung der geschauten Natur im Zentrum stehen, umfaßt. Als Karikaturen lassen sich demnach auch Ungeheuergestalten der Antike und mittelalterliche Fratzen an Kapitellen bezeichnen - eine Auffassung, die die Karikatur auch an die Seite des Lapidaren und Naiven stellt.

revolutionäre Neuerung und wurde von den Zeitgenossen als solche aufgenommen.“ Kultermann, Udo: Kleine Geschichte der Kunsttheorie. Darmstadt 1987, S. 99f. 76 Vgl.: Oesterle 1991, S. 153f. 77 Oesterle 1980, S. 91. „Wem die Welt als vernünftiger Sinnzusammenhang erscheint, in dem das Schöne die höchste Stelle einnimmt, der erlebt alles Niedrige als komisch, alles Alltägliche als grotesk - dem muß sich schließlich die Karikatur als gefährlicher Verstoß gegen die Regel und als provozierender Widerspruch darstellen, kurz: als eine ´Art Ausschweifung der Einbildungskraft´, wie es in der ´Encyclopédie´ von 1751 heißt, mit der man nur zur Unterhaltung und Belustigung Umgang haben dürfte. Das Zerrbild wurde aus dem Weihebezirk der Kunst gedrängt, seine Bedrohung gebannt, indem man es auf das ´Komische´ festlegte, wo es keinen Schaden zu stiften vermochte.“ Hofmann 1956, S. 9. Gemeint ist die „Encyclopédie ou Dictionnaire raisonnée des sciences, des arts et des métiers“ von Diderot und d´Alembert (1751-1780). Hier wird die Karikatur als „libertinage d´imagination“ charakterisiert. Vgl.: Schmied, Wieland: Wegbereiterin der modernen Kunst. In: Neue Deutsche Hefte, Jg. 4, 1957, Nr. 40, S. 728-735 (im folgenden: Schmied 1957); hier: S. 728. 78 Hofmann 1956, S. 9.

34 Von der Strenge der klassizistischen Ästhetik zeugt, daß die Karikatur lediglich im Anhang ästhetischer Betrachtungen Platz hat - so in dem Aufsatz „Über das Erhabene und Komische“ (1837), den FRIEDRICH THEODOR VISCHER als Appen- dix seiner „Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen“ (1846-1857) beifügt. Er erkennt die ästhetische „Immanenz“ der Karikatur, denn sie muß in der Gestaltung des Disharmonischen konsequent einem Prinzip Folge leisten. Alle Einzelheiten sind trotz Übertreibung aufeinander abgestimmt, sind insofern harmonisch. Er betrachtet die Karikatur also durchaus unter ästhetischem Blickwinkel. Sie kann die Schwelle der klassizistischen Ästhetik jedoch nicht überwinden, da sie tendenzbehaftet ist.79 Immerhin stellt VISCHER an die wissenschaftliche Untersuchung der Karikatur die gleichen Ansprüche, wie an jeden anderen Gegenstand der Kunstwissenschaft.80 Damit betreibt er eine gewisse Aufwertung der Karikatur.

KARL ROSENKRANZ schreibt 1853 eine „Ästhetik des Häßlichen“, in der er auch die Karikatur ansiedelt. Für ihn war es an der Zeit für eine Wissenschaft des Häßlichen, und zwar, um die Wissenschaft zu komplettieren, nicht etwa um des Häßlichen selbst willen. Das Häßliche wird als das Pendant zum Schönen gehandelt, so wie das Begriffspaar „Recht“ und „Unrecht“ ein Verhältnis von Antipoden bezeichnet.81 Die Karikatur ist der Extrempunkt der verschiedenen Stufen des Häßlichen von der Formlosigkeit und Asymmetrie, über die „Incorrectheit“ bis zur „Deformität der Verbildung“82. Auf diese Weise gibt ROSENKRANZ der Karikatur immerhin überhaupt einen Platz unter den Künsten. Er gesteht ihr zu, daß sie den allgemeinen Gesetzen der Kunst Folge leisten muß (was bereits eine progressive Anschauung ist). Die Ästhetik ROSENKRANZ´, die er „mitten im borniertesten Klassizismus zu schreiben die Souveränität hatte“83,

79 Vgl.: Oesterle 1991, S. 156f. 80 In einem Kapitel seiner Veröffentlichung „Altes und Neues“ (1881) kommt zum Ausdruck, daß Vischer anscheinend die Defizite in der wissenschaftlichen Bearbeitung der Karikatur als gravierend empfindet. Er drückt den Wunsch nach einer umfassenden Untersuchung der Geschichte der Karikatur aus, die er selbst sich außerstande zu leisten sieht, denn ein solches Unterfangen setzt disziplinüberschreitende Kenntnisse voraus. „Beides, Kunst und Leben müßte der Starke, der diese Arbeit wagen wollte, so tief verstehen, daß er ebenso fähig wäre, eine Geschichte des Ideals - des ästhetischen wie des sittlich religiösen - zu schreiben, denn das Komische ist das umgekehrte Ideal“. Vischer, Friedrich Theodor: Altes und Neues. Stuttgart 1881, S. 150. 81 Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg 1853. Hier verwandte Fassung: Faksimile Darmstadt 1973 (im folgenden: Rosenkranz 1853), S. IV. 82 Rosenkranz 1853, S. IV. 83 Gorsen, Peter: Das Prinzip Obszön. (rororo sexologie). Hrsg. v. Hans Giese. Reinbek 1969 (im folgenden: Gorsen 1969), S. 16.

35 läßt sich begreifen als Beginn neuzeitlicher Bemühungen, in der Wissenschaft Phänomene wahrzunehmen und zu untersuchen, die zuvor verpönt waren. Sein Verdienst liegt darin, die Erscheinungsformen des Häßlichen ästhetisch enttabuisiert und ernstgenommen zu haben. Dennoch verläßt er den Boden der Klassik nicht, denn nur innerhalb der tradierten Ästhetik gelingt es ihm, einen Ort für die nicht dem Ideal entsprechenden Erscheinungen zu finden.84 Allmählich werden die Interessensgegenstände der klassizistischen Ästhetik abgelöst. Neben die höfische Kunst, die sich in Huldigung der Mythologie ergeht und in dieser pathetischen Repräsentationskunst eine Scheinwelt bannt, bildet sich nun ein zweiter Strang in der Kunst immer stärker aus: Die prosaische Kunst der volkstümlichen Bilderreigen und Sittenbilder wendet sich dem Alltäglichen zu, so daß realistische Tendenzen und ein Interesse an einfachen und intimen Dingen deutlicher hervortreten.85 Mit der Romantik ereignet sich ein Wandel in der Bewertung der Karikatur, als nun ihre Sinnbildhaftigkeit erkannt wird. Im Fahrwasser von Vorstellungen, in denen das Gefühl den höchsten Ausdruckswert erhält, in denen das Gewaltige, das Tiefempfundene und Überwältigende in der Kunst bewundert wird, dezimiert sich das negative Bild von der Karikatur. Die Diskrepanz zwischen einem ästhetischen Ideal und Verzerrung wird der Karikatur nicht mehr angelastet, sondern als ihr Vermögen betrachtet, Einbildungskraft und Reflexion zu entwickeln. Die Karikatur wird nun begriffen als Sichtbarmachung des Verborgenen, als Aufklärung, als spontane Verbindung von Ahnung mit Reflexion.86 Im Zuge der Romantik werden der Karikatur also tiefsinniger künstlerischer Ausdruck und eigene ästhetische Qualitäten zugebilligt. Sie wird somit als ein eigenständiges Kunstwerk begriffen. Dem folgt die wissenschaftliche Einverleibung der Karikatur. Eine „Histoire de la Caricature Antique“ und in einem zweiten Band eine „Histoire de la Caricature Moderne“ wird 1865 von dem französischen Schrift- steller JULES CHAMPFLEURY geschrieben. Die beiden Bände umfassen die Spanne von der Antike bis zum 19. Jahrhundert, bis zu dem französischen Karikaturisten HONORÉ DAUMIER (1808-1879). Damit ist die Karikatur selbst Sujet der Forschung. CHAMPFLEURY setzt in seiner Geschichte der Karikatur bereits bei antiken Graffiti an und wendet sich im zweiten Band der

84 Vgl.: Gorsen 1969, S. 16f. 85 Vgl.: Hofmann 1956, S. 42. 86 Vgl.: Oesterle 1980, S. 98.

36 zeitgenössischen Karikatur zu. Er fühlt sich berufen, der Karikatur mit diesen beiden Büchern endlich die ihr gebührende Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen.87

Ebenfalls 1865 erscheint THOMAS WRIGHTs „History of Caricature and Grotesque“. Während CHAMPFLEURY eine völlig neue Wertung der Karikatur liefert, läßt sich die gleichzeitige Arbeit WRIGHTs als „konventionell“ bezeichnen88, denn sein Karikaturbegriff bleibt der konservativen Ästhetik verhaftet. Auch er begreift Harmonie als eigentliche Aufgabe der Kunst und siedelt die Karikatur zusammen mit Kinderzeichnungen, stümperhaften Versuchen oder urgeschichtlichen Höhlenmalereien als jenseits der Erfüllung des Ideals an.89

Ungewohnte Beachtung erhält die Karikatur in RICHARD MUTHERs „Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert“ (München 1893/94). HUGO von HOFMANNSTHAL schätzt an diesem 3-bändigem Werk, daß der bislang bei Veröffentlichungen über Kunstwerke übliche Rahmen akademischer Werke gesprengt wird, weil alles eingeschloßen wird, „wovon wir nur je Formen- und Farboffenbarungen empfingen“90. Der Karikatur wird in avantgardistischem Maße Aufmerksamkeit zuteil, denn auch Karikaturisten wie den Franzosen PAUL GAVARNI (Pseudonym für HIPPOLYTE–GUILLAUME-SULPICE CHEVALIER, 1804-1866) und DAUMIER werden einige Seiten gewidmet.

87 Les hommes sérieux [...] médisent de la caricature et ne savent quelles rigeurs invoquer contre elle. C´est ce qui m´a fait prendre sa défense dans ces deux volumes, sans cacher toutefois les torts d´un art qui, placé sur un terrain déjà étroit, court risque d´être entraîné dans les chemins voisins qui sont ceux de la haine et de la calomnie.“ Champfleury, Jules (alias Jules Fleury-Husson): Histoire de la Caricature Moderne. Paris 1865, S. 315. 88 Vgl. Schmied 1957, S. 731. 89 Vgl.: Schmied 1957, S. 728. 90 Hofmannsthal, Hugo von: Die malerische Arbeit unseres Jahrhunderts (1894). In: Gesam- melte Werke in Einzelausgaben. Bd. 1, Prosa. Hrsg. v. Herbert Steiner. Frankfurt a.M. 1956 (im folgenden: Hofmannsthal 1894/1956), S. 142. In seiner Kritik der Bände Muthers über die Malerei äußert Hofmannsthal Genugtuung darüber, daß der tatsächlichen Kunst Gerechtigkeit widerfahre und die Historienmalerei disqualifiziert werde. Hofmannsthal fordert dazu auf, die Bedeutung der Karikatur zu erkennen: „Aber während sich die ´große´ Malerei der ersten Hälfte des Jahrhunderts mehr und mehr dem lebendigen Leben entfremdet, im Kolorit alter Meister nach historischen Anekdoten leblose Puppen in schönkomponierten Gruppen darstellt, bemächtigt sich unscheinbar der Bleistift der Zeichner und Karikaturisten des wirklichen Lebens, hält seine Gebärden und Grimassen, seinen charakteristischen Ausdruck in Lust und Schmerz fest und zieht zuerst das moderne Leben in den Kreis der Kunst.“ Hofmannsthal 1894/1956, S. 145.

37 1901 verfaßt EDUARD FUCHS den ersten seiner beiden Bände der „Karikatur der europäischen Völker“. Im Vorwort charakterisiert er seine Arbeit als „erste systematische, mit den Hilfsmitteln der modernen Wissenschaft und Technik ausgerüstete Forschungsreise in ein Gebiet, in welches die Menschen bisher immer nur Vergnügungsfahrten unternommen haben.“91 FUCHS´ Werk ist zum ersten Mal ein Versuch, die Karikatur vollständig zu erfassen. Das besondere an diesem Ansatz ist die Tatsache, daß die Gestaltungsmittel der Karikatur als bewußte künstlerische Formsetzung gewürdigt werden. Hier wird verdeutlicht, daß die Karikatur ein eigenes System künstlerischer Ausdrucksmittel entwickelt hat. Willkür und Albernheit herrschen nur scheinbar in ihr. Tatsächlich gibt es nichts Zufälliges in der Karikatur. Jeder Strich, jede Form ist klar auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet. Der Karikaturist stellt an die Karikatur gleiche kompositorische Maßstäbe, wie der Historienmaler an sein Werk. Die Karikatur als „bewußtes Hervorheben des Charakterisierenden einer Erscheinung, Abstrahieren von dem Nebensächlichen, dem Allgemeinen“92 definierend, ordnet FUCHS sie eindeutig dem Bereich der Künste zu. Dies sei durch eine „sehr interessante Beobachtung“ gerechtfertigt: „Jenes Hervorheben ist nämlich im letzten Grunde das, was Kunst immer thut.“93 Dieser Karikaturbegriff geht (wieder) auf den Aspekt der Naturanschauung ein als Grundlage für die bewußte Übertreibung, deren Produkt ein gekonntes künstlerisches Ergebnis ist. Bei FUCHS ist eine volle ästhetische Emanzipation der Karikatur als Kunstgattung erreicht. Sie ist eine künstlerische Darstellung, eine Gattung innerhalb der Künste, die sich von dilettantischen Zufallsprodukten unterscheidet.94 Entgegen einer auf alle möglichen satirischen oder grotesken Erscheinungen ausgedehnte Verwendung des Begriffs „Karikatur“ faßt FUCHS in Anlehnung an ANNIBALE CARRACCI den Karikaturbegriff wieder enger.95

91 Fuchs, Eduard: Die Karikatur der europäischen Völker. Bd. 1. Berlin 1901. Hier verwandte Fassung: 4. Auflage, München 1921 (im folgenden: Fuchs 1901/1921) S. V. 92 Fuchs 1901/1921, S. 4. 93 Fuchs 1901/1921, S. 4. 94 Vgl.: Fuchs 1901/1921, S. 2f. 95 „Nach dieser Festsetzung des Begriffs Karikatur darf man somit strenggenommen nicht, so wie es gewöhnlich geschieht, jede mögliche durch Bild und Text unser Lachen erzeugende und satirisch wirken sollende Darstellung mit dem Namen Karikatur bezeichnen. Karikieren ist eine ganz bestimmt umgrenzte Art der Anwendung der zeichnerischen Mittel. Aber dieser Rahmen ist, wenn man auch alle anderen zeichnerischen Formen, deren sich die Satire bedient, ausschließen würde, doch nicht klein. Dieser Rahmen umfaßt eine endlos lange Skala des Ausdrucks, vom feinen geistreichen Pointieren eines einzelnen charakterisierenden Zuges bis zur grotesken Überladung, für die es scheinbar gar keine Grenze gibt.“ Fuchs 1901/1921, S. 8

38 FUCHS mißt der Karikatur eine ganz neue künstlerische Bedeutung bei. Er betrachtet sie als Pionierin für zukünftige Ausdrucksmittel und Tendenzen in der Kunst überhaupt. Die Karikatur ist Teststrecke für die Avantgarde, was den Gebrauch zeichnerischer Mittel und Abstraktionen angeht, aber auch in inhaltlicher Hinsicht, weil sie bisher verschmähte Themen für die „hohe“ Kunst vorkostet. Für ihn steht die gesamte zeitgenössische Kunst unter dem Einfluß der Karikatur. Insofern dient ihm die Erforschung der Karikatur als Folie für die Erforschung der Kunst der Gegenwart. Doch nicht nur für die Entwicklung der Kunst selbst ist die Karikatur von Wichtigkeit, sondern auch für das Verhältnis von Kunst und Rezipient, denn die Karikatur ist für ihn „auf die Gasse übertragene Kunst“96. Im Gegensatz zur akademischen Kunst, die von einer Elite für eine Elite produziert wird, betrachtet er die Karikatur als eine Kunst, die sich an die Masse richtet, aber nicht von Personen aus der Masse produziert wird. So wird sie zur Vermittlerin zwischen Kunst und Volk.97 Mit dem Eintritt in das 20. Jahrhundert kann die Karikatur also endlich einen Platz in der kunstgeschichtlichen Disziplin beanspruchen. Es ist auffallend, daß nach dem Erscheinen der Arbeit FUCHS´ über die ersten beiden Jahrzehnte des Jahrhunderts hinweg eine Fülle von Zeitungsartikeln die Karikatur (vorzugs- weise ihr „Wesen“) zum Thema hat, wissenschaftliche Untersuchungen aber allem Anschein nach bis in die 30er Jahre dieses Jahrhunderts nicht mehr angeregt wurden. Die allmähliche wissenschaftliche Annäherung an die Karikatur ist letztlich auch im Kontext einer Tradition zu sehen, wie ABY M. WARBURG (1866-1929) sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts initiiert. Der „Kunsthistoriker von Beruf und polyhistorischer Grenzgänger zwischen den Wissenschaften von Berufung“98 bezieht sich zwar nicht ausgesprochen auf die Karikatur, leistet aber übergeordnet Pionierarbeit mit seiner „Hinwendung zu einer mit den Problemen

(Hervorhebung im Original). Doch auch Fuchs kann sich der Ausweitung des Begriffs nicht entziehen. Als Anpassung an den allgemeinen Sprachgebrauch schlägt er vor, nicht so streng in der Handhabung des Begriffs zu sein und, um Verwirrung zu vermeiden, ihn durchaus auf jede gezeichnete Satire anzuwenden. 96 Fuchs 1901/1921, S. 16. 97 Vgl.: Fuchs 1901/1921, S. 16f. 98 Kipphoff, Petra: Das Labor des Seelenarchivs. In: Die Zeit, Nr. 17 v. 21.4.1995 (im folgenden: Kipphoff 1995), S. 59.

39 des Alltagslebens verbundenen Position“99. Er befreit das Kunstwerk „aus der Isolierung, in die es durch eine rein ästhetische und formale Methode oft gebracht wurde“100, indem er sich gegen die ansonsten in der Kunstgeschichte konstruierten Grenzen zwischen rein-künstlerischen und nicht-künstlerischen Werken wendet. WARBURG, der 1926 die legendäre kulturwissenschaftliche Bibliothek in Hamburg gründete101, schuf eine Forschungsstätte, die sich rasch den Ruf einer umfassenden Erforschung geistes- und kulturgeschichtlicher Strömungen erwarb. Für WARBURG ist die Kunst nicht autonom, sondern Dokument des jeweiligen zeitgeschichtlichen Hintergrundes. Das Kunstwerk ist „Teil eines größeren Zusammenhangs, für den er den Begriff ´soziales Gedächtnis´ prägte.“102 Gleichzeitig sind gegensätzliche Positionen in der Ästhetik zu beobachten: Kunsthistoriker wie HEINRICH WÖLFFLIN und JULIUS von SCHLOSSER glauben an die Autonomie des Kunstwerks, an seine Unabhängigkeit von einem zeitgeschichtlichen Hintergrund und an das Verständnis des Werks durch das bloße, unvoreingenommene Sehen. Dabei wird unterschieden zwischen Kunstwerken, die in ihrer Singularität und Kontextlosigkeit erhaben sind und aktualitätsgebunder Massenkunst, die profan ist.103 Trotz solcher Standpunkte setzt sich im Laufe des 20. Jahrhunderts ein erweiterter Kunstbegriff durch, was auch für die Karikatur eine Emanzipation mit sich bringt.

1.3 Psychologische Forschungsansätze Die Warburgsche Auffassung von der Kunstwissenschaft bereitet einer Disziplinerweiterung den Boden. Die Wissenschaftler wenden sich neuen Methoden zu. Nachdem SIGMUND FREUD seine Untersuchungen über die psychologische Bedeutung des Witzes angestellt hat, wird in den 30er Jahren

99 Knuth, Michael: Studien zu Problemen der kunstwissenschaftlichen Analyse von Karikaturen/Pressezeichnungen. (Diss.) Berlin (DDR) 1979 (im folgenden: Knuth 1979), S. 17. 100 Knuth 1979, S. 17. 101 Diese Bibliothek ging 1933 nach London ins Exil. Heute ist sie wiederum in Hamburg beheimatet, dem kunstgeschichtlichen Seminar der Universität unter der Leitung von Martin Warnke angeschlossen. 102 Kipphoff 1995, S. 59. 103 Vgl.: Knuth 1979, S. 18.

40 vor allem von ERNST KRIS und ERNST H. GOMBRICH eine Forschungslinie initiiert, die sich mit den psychologischen Aspekten der Karikatur beschäftigt.104 Der Kunsthistoriker KRIS (der zur Psychoanalyse überwechselt) und dessen Schüler GOMBRICH, einer der Direktoren der Warburg-Bibliothek, verbinden kunsthistorische mit FREUDs psychoanalytischen Erkenntnissen.105 Sie legen die Anwendbarkeit psychoanalytischer Begriffe auf das künstlerische Phänomen Karikatur dar und untersuchen die psychologischen Mechanismen, mit denen die Karikatur seit je her ihre Wirkung entfalten kann. Charakteristika der Karikatur wie Doppeldeutigkeit, Transformation und Verdichtung sind der Psychoanalyse ebenfalls vertraut. Das Autorengespann weist auf die bildmagische Wirkung von Bildern hin. Erfahrungen der Psychologie vermitteln, daß Bilder im Bewußtsein eine andere Rolle spielen als Worte. Bilder wurzeln tiefer. In Träumen greift das Unbewußte auf sie ebenso zurück wie auf Gefühle.106 Obwohl es sich bei der karikaturistischen Verzerrung um einen Witz handelt, lebt unter der Oberfläche von Spiel und Spaß archaische Bildmagie weiter. Karikatur ist eben nicht ein unschuldiges Spiel der Transformation von Formen, sondern dank der zeichnerischen Fähigkeit des Künstlers verwandelt sich das Bild vom Karikierten. Er ist in dem Bild des Künstlers interpretiert, und in Form dieser Interpretation ist Kritik und Aggression eingeschlossen. Das Opfer transformiert sich tatsächlich in den Augen der Betrachter, die den Karikierten nun so sehen, wie der Karikaturist ihn vorführen will. Und dieser Eindruck von der Person bleibt haften.107

GOMBRICH hält neben dem Aspekt der Bildmagie ebenso die Unterscheidung zwischen Ähnlichkeit und Äquivalenz für ein grundlegendes Motiv der Karikatur. Die Karikatur betreibt eine Divergenz in ihren einzelnen Teilen, aber eine Äquivalenz zum Karikierten als ganzes Bild.108 Dieses Verfahren treibt der

104 Vgl.: Kris, Ernst: Die Psychologie der Karikatur. Erste Veröffentlichung des Aufsatzes: 1935. Hier verwandte Fassung in: Die ästhetische Illusion. Phänomene der Kunst aus der Sicht der Psychoanalyse. Frankfurt a.M. 1977 (im folgenden: Kris 1935/1977) und vgl.: Kris, Ernst / Gombrich, Ernst H.: The principles of caricature. Reprinted from the British Journal of Medical Psychology, 1938, H. 3-4, S. 319-342 (im folgenden: Kris / Gombrich 1938). 105 Während Herding in der Arbeit Gombrichs und Kris´ keine wirkliche Innovation, eher eine Popularisierung der Ergebnisse Freuds sieht (vgl.: Herding 1980, S. 381), ist ihren Forschungen laut Hofmann die Kenntnis der geistesgeschichtlichen Wurzeln der Karikatur zu verdanken. 106 Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 339. 107 Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 339f. 108 Vgl.: Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Stuttgart/Zürich 1978 (im folgenden: Gombrich 1978), S. 376.

41 französische Verleger und Graphiker CHARLES PHILIPON (1806-1862) in seiner 1831 gezeichneten Metamorphose auf die Spitze (Abb. 5). Zu sehen ist die Verwandlung vom realistischen Porträt des wenig geliebten Königs Louis- Philippe bis zur Birne („poire“ bedeutet in der französischen Umgangssprache auch „Dummkopf“)109. Damit initiiert PHILIPON eine Tradition in der Karikatur- zeichnung. Trotz der Abwandlung einzelner Details weicht die Darstellung der Person als Ganzes nur wenig von ihrem Vorbild ab, so daß dem Betrachter automatisch eine Formübereinstimmung zwischen dem Gesicht des Königs und einer Birne oktroyiert wird. Die Karikatur verschafft der Physiognomie Louis- Philippes eine neue Interpretation, die sie nicht mehr abschütteln kann. Die Linie der Karikaturforschung, die einen wahrnehmungspsychologischen Ansatz verfolgt, wird in den 50er Jahren von WERNER HOFMANN und in den 70er Jahren von DIETRICH GRÜNEWALD fortgesetzt. 110

1.4 Geistesgeschichtliche Forschungsansätze

Ausgehend von Überlegungen RUDOLF WITTKOWERs und HEINRICH BRAUERs111 befassen sich GOMBRICH, KRIS und schließlich WERNER HOFMANN damit, wie die Karikatur historisch zu bestimmen sei. Es beginnt eine Diskussion, die seit den 50er Jahren die Karikaturforschung kennzeichnet, seit HOFMANN sowohl den Begriff als auch das Phänomen „Karikatur“ im 16. Jahrhundert verankert. Es geht dabei um die Klärung der historischen bzw. philosophisch- soziologischen Determinanten des Entstehens der Karikatur.

109 Zu der interessanten Geschichte dieser Zeichnung vgl.: Döring, Jürgen: Die Presse ist vollkommen frei. La Caricature und die Zensur. In: La Caricature. Bildsatire in Frankreich aus der Sammlung v. Kritter. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster v. 16.6.1980-10.5.1980, Kunstsammlung der Universität Göttingen v. 26.10.1980-7.12.1980, Gutenberg-Museum Mainz v. 20.4.1981-7.6.1981. Münster 1980, S. 27-43 und 97-99; hier: S. 97. Die gezeichnete Birne als Reduzierung des Konterfeis des Königs auf seine charakteristische Kopfform mit der ebenso charakteristischen Haartolle wird zum Symbol für den sogenannten „Bürgerkönig“, dessen Herrschaft sich durch Korruption und Repressalien v.a. gegen die Presse auszeichnet. Andere Zeichner seiner Zeit (z.B. Daumier) umgehen durch solcherlei graphische Spielereien die Zensur, denn nach verschiedenen Prozessen darf Louis- Philippe nicht mehr in Karikaturen dargestellt werden. 110 Vgl.: Hofmann, Werner: Bemerkungen zur Karikatur. In: Merkur, Jg. VII, 1953, H. 10 (im folgenden: Hofmann 1953); vgl.: Hofmann 1956 und vgl.: Grünewald 1979. 111 Vgl.: Brauer / Wittkower.

42 BRAUER und WITTKOWER lokalisieren 1931 im Zusammenhang ihrer Bearbeitung der Zeichnungen BERNINIs die Geburt der Karikatur im Umkreis einer philosophischen Haltung, wie sie im Bologneser Kreis der CARRACCI gegeben war.112 Allerdings schreiben sie die eigentliche Erfindung der Karikatur BERNINI zu. Die Karikaturen der CARRACCI gelten ihnen als experimentelle Vorstufen zu der von ihnen so genannten „reinen“ Karikatur, die ihre Wirkung aus der bloßen Zeichnung bezieht und die, indem sie allein ein Blatt füllt, eine abgeschlossene Aussage vermittelt. In diesem Sinne sei erst BERNINI der Begründer der Karikatur, wie wir sie heute verstehen113 (Abb. 2). Diese These bezüglich des geistigen Ursprungs der Karikatur im Manierismus wird dann 1938 von KRIS und GOMBRICH, 1947 von DENIS MAHON114 und seit den 50er Jahren von HOFMANN wieder aufgegriffen. Für diese Autoren sind jedoch die CARRACCI mit ihren hyperbolischen Porträtzeichnungen die Erfinder der karikierenden Reduktion und damit die Erfinder der Karikatur. KRIS und GOMBRICH liefern - sich auf BRAUER und WITTKOWER berufend - eine historische Einordnung der Karikatur, nach der sie Produkt einer gewissen Geisteshaltung ist, die erst im Zuge einer im Manierismus wurzelnden Liberalisierung und Individualisierung des Menschen und des Künstlers im Besonderen anzutreffen ist.115 Weder in der klassischen Antike noch im Mittelalter oder in der Renaissance war die Karikatur als bewußte Zerstörung der Gesichtszüge einer Person mit dem Ziel des Lächerlich-Machens bekannt. Komische oder groteske Kunst gab es sehr wohl. Seit der Antike wurden Bettler, Sklaven, Bucklige oder Alte übertrieben dargestellt, doch handelt es sich nicht um Verzerrungen eines konkreten Vorbildes, sondern vielmehr um Phantasien über groteske Typen. Sie sind eher Genreskizzen. Karikaturen aber müssen das Kriterium erfüllen, daß sie ein zeichnerisches Abkürzungsverfahren darstellen, und daß sie außerdem auf bestimmte Personen zielen. Deshalb läßt sich bei den satirischen und

112 Vgl.: Brauer / Wittkower 1931, S. 180f. 113 Vgl.: Brauer / Wittkower 1931, S.182f. 114 Vgl.: Mahon, Denis: Studies in Seicento Art and Theory. (Studies Of The Warburg Institute, Vol. 16). London 1947, S. 116, Anm. 27 und S. 259-263, Anm. 43-47. 115 „Art in the time of Carracci and of Poussin no longer meant a simple ´imitation of nature´ as Aristotle had put it. It meant to them penetration of the innermost essence of reality, to ´ideas´ in a platonic sense (Panofsky, 1924). It was no longer skill alone that made the artist, but the gift of vision which enabled him to see the everlasting truth of ideas beyond the veil of nature.“ Kris / Gombrich 1938, S. 321f.

43 übertriebenen Darstellungen aus der Antike nicht von Karikaturen sprechen.116 Auch die verzerrten und auf uns komisch wirkenden Bilder der mittelalterlichen Kunst haben nichts mit Karikaturen gemein, denn das Komische ist im Mittelalter ein Sinnbild des Teuflischen und als solches ein integrierter Bestandteil einer Welt, die alle Daseinsbereiche in das Transzendente einschließt. Komik und Verzerrung gehören genauso zum religiösen Weltbild wie das Erhabene.117 Zwar bediente man sich im Mittelalter und in der Renaissance aggressiver Schmäh- und Spottbilder, um ein Opfer zu demütigen. Diese Schmähungen sind allerdings nicht als Karikaturen zu bezeichnen. Sie benutzen nicht bewußt das Mittel der Verzerrung. Dies ist auch der Fall bei den Schmähzeichnungen der Reformationszeit, die z.B. Luther in Form eines Wolfes zeigen, in denen sich aber keine „Wölfischkeit“ ausdrückt.118 Entsprechendes gilt auch für die graphischen Angriffe der Gegenseite. In einem um 1521 zu datierenden Holzschnitt beispielsweise sind der Papst und neben ihm andere Widersacher Luthers Gegenstand der Verunglimpfung. Statt mittels einer Verzerrung ihrer Porträts sind die Charaktere der durch die Beschriftung identifizierbaren Dargestellten durch Tierköpfe versinnbildlicht (Abb. 6). Obwohl die politischen Graphiken des Lutherschen Zeitalters den Anspruch von Kritik und Vernichtung des Gegners haben - wie später die politische Karikatur - unterscheiden sie sich von dieser durch ihr Verfahren: Den Zweck der Propaganda erfüllen beide, doch die Reformationssatire ist in ihrer Bildsprache noch einer ausführlichen und textunterstützten Darstellungsweise verhaftet, während die Karikatur sich durch ihr reduktionistisches Zeichenverfahren auszeichnet. Die sogenannte Re- formationssatire ist aber in technischer Hinsicht bereits Vorläufer der späteren politischen Karikatur, weil beide die Druckgraphik als ihr Medium wählen. Die Graphik ist Träger des politischen Kampfes. Mit der Entwicklung des Holzstichs kann die gezeichnete Satire in einer größeren Auflage produziert werden. Wie

116 Vgl.: Lucie-Smith, Edward: Die Kunst der Karikatur. Weingarten 1981 (im folgenden: Lucie-Smith 1981), S. 22. 117 Dabei muß berücksichtigt werden, „daß sich die mittelalterlich-christliche Welt einer Gestaltungsfreiheit bediente, die ihre Rechtfertigung nicht, wie später die Karikatur, aus der subjektiven Phantasie der Künstlerlaune bezog, sondern aus der allgemeinen Struktur des Weltbildes ableitete. Allein diese Erwägung verbietet es, die oftmals ungezwungen anmutende Ausdruckssprache des Mittelalters kurzerhand für die Karikatur und deren bewußte ´Leichtfertigkeit´ in Anspruch zu nehmen.“ Hofmann 1956, S. 26. 118 Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 326-329.

44 die politische Karikatur bedarf sie einer optimal großen Verbreitung, um als Kritik möglichst wirksam zu sein.

Bildsatiren wie z.B. die Blätter des Franzosen JACQUES CALLOT (1592-1635), die sich großer Popularität erfreuten und entsprechend breit produziert wurden, fallen ebenso nicht unter den Begriff „Karikatur“. Sie stellen ihr Sujet zwar vergröbert und vereinfacht dar, doch nicht aufgrund der Absicht, durch ein künstlerisches Abkürzungsverfahren Wesensmerkmale der Dargestellten herauszuarbeiten, sondern um mit dem ornamentalen Charakter physiog- nomischer Verzerrungen zu spielen.119 Der Bezug auf ein bestimmtes Ereignis, eine bestimmte Person oder eine weitere Zielsetzung (z.B. eine moralische) fehlt. Vor allem aber handelt es sich nicht um Reduktionen, um hyperbolische Zeichnungen, die aus wenigen Strichen bestehen. CALLOTs um 1622 ent- standenen Radierungen aus der Reihe der „Gobbi“ verdeutlichen den Unterschied zur eigentlichen Karikatur (Abb. 7). Diese Form der Bildsatire bereitet allerdings die Karikatur insofern vor, als „sie die öffentliche Meinung bilden hilft, sich also dorthin wendet, wo später die Karikatur ihr Publikum finden wird.“120 In der Renaissance sind Komik und das Absurde aus dem „Weihebezirk der Kunst“ (HOFMANN) gedrängt. Die Idealisierung der Welt im Kunstwerk schließt alles aus, was nicht dem Ideal entspricht. Die von LEONARDO da VINCI (1452- 1519) zwischen 1485 und 1490 gezeichneten grotesken Köpfe (Abb. 8) sind keineswegs Karikaturen, sondern Ausdruck einer naturwissenschaftlichen Be- schäftigung mit allen Phänomenen der Natur. Es sind keine satirischen oder verunglimpfenden Zeichnungen, sie sollten nicht komisch wirken, sondern es sind Studien absonderlicher Formen der Natur oder deren kombinatorischer Möglichkeiten.121 Die vereinfachte Zeichnung, die mit wenigen Strichen aus- kommt, ist bei AGOSTINO CARRACCI das gesuchte Ergebnis, während es sich bei LEONARDO dabei noch um den Ausgangspunkt handelt.122 Obwohl es den Künstlern früherer Zeitalter sicher nicht an zeichnerischer Geschicklichkeit mangelte, ihr Spiel mit den Gesichtszügen des Opfers zu

119 Vgl.: Hofmann, Werner: Die Karikatur - eine Gegenkunst. In: Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Hannover, Wilhelm-Busch-Museum v. 7.10.1984-2.1.1985. Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch / Ch. Schölzl. München 1984, S. 355-383 (im folgenden: Hofmann 1984); hier: S. 363. 120 Hofmann 1956, S. 40. 121 Vgl.: Hofmann 1956, S. 18. 122 Vgl.: Döring 1984, S. 65.

45 treiben, entwickelt sich das, was die Karikatur ausmacht, nämlich mit den graphischen Mitteln der Verzerrung, Reduktion und Verdichtung einen spottenden Angriff auf eine konkrete Person zu unternehmen, erst in einer späteren historischen Epoche. Das Aufkommen der Karikatur ist an bestimmte philosophische Entwicklungen gebunden: Der Zeitpunkt, zu dem die Karikatur zum ersten Mal erscheint, nämlich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ist markiert durch einen vollständigen Wechsel der Rolle des Künstlers und seiner Stellung in der Gesellschaft. Dies bezieht sich auf seine soziale Zugehörigkeit und insbesondere auf den Umstand, daß er nicht länger als Handwerker gilt. Er wird vielmehr als Schöpfer betrachtet. Der Künstler ist nun nicht länger an festgelegte Muster gebunden, wie im Mittelalter, noch ist er zur Nachahmung der Wirklichkeit verpflichtet. Er teilt nun das Recht der Dichter, eine Realität selbst zu formen. Mehr als das Vermögen der technischen Fähigkeiten machen nun die Gabe der Vorstellungskraft, die Inspiration und Erfindung den Künstler aus. Der Imitator wird zum Schöpfer, „from a disciple of nature its master“123. Das Kunstwerk selbst ist die Verwirklichung einer Vision. Die Realisierung ist nur ein mechanischer Prozeß, der zu dem eigentlichen ästhetischen Wert nichts mehr hinzufügt. Der Platonismus liefert den Hintergrund dieser Ästhetik, und entsprechend wird der Künstler nun nicht als Imitator der bloßen Realität gesehen, sondern er „hintergeht“ die Wirklichkeit und visualisiert die „Ideen“, das Wesen der Dinge.124 Kraft seines künstlerischen Genies, das der Vision fähig ist, vermag der Künstler sein Bewußtsein für die Idee der Wahrheit und Schönheit zu öffnen und sie mit seiner Hand in einem Kunstwerk zu verwirklichen. Seine „invenzione“ gilt jetzt als sein wertvollstes Vermögen.125 Auf die Karikatur bezogen resultiert daraus:

123 Kris / Gombrich 1938, S. 331. 124 Zur Bedeutung des Idee-Begriffs vgl.: Panofsky 1924/1960. 125 Gombrich und Kris verweisen auf die Bewertung, die seinerzeit die unvollendeten Marmorblöcke der „Sklaven“ Michelangelos erfuhren: Ihr fragmentarischer Zustand erhöht eher ihren künstlerischen Wert, weil sie in dieser Form näher am Zustand der Konzeption sind. Ebenfalls die Skizze wird nun als direktes Dokument der Inspiration geachtet. Gleichzeitig gewinnen künstlerische Produkte an Ansehen, die ein scheinbar bedeutungsloses Spiel mit den Formen betreiben. Phantastische und groteske Ornamente, in früheren Zeiten nur Muster oder Füllungen, erreichen nun im Manierismus Freiheit und Autonomie. Das phantastische Spiel mit Formen und deren Zweideutigkeiten und mit Metamorphosen erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Es entwickelt sich eine Tradition der Formvertauschungen und -kombinationen, die oft Mensch-Tier- Verknüpfungen zeigen. Von hier aus und begleitet von mehr oder weniger wissenschaftlichen physiognomischen Traktaten entwickeln sich auch Mensch-Tier-

46 „By the seventeenth century the portrait painter´s task was to reveal the character, the essence of the man in an heroic sense. The caricaturist has a corresponding aim. He does not seek the perfect form but the perfect deformity, thus penetrating through the mere outward appearance to the inner being in all its littleness or ugliness.“126 Indem die Karikatur die äußere Erscheinung verzerrt und übertreibt, betont sie die schwächsten Züge des Karikierten und entlarvt mit der Zerstörung der äußeren Form sein inneres Wesen. Obwohl einzelne Züge übersteigert und gänzlich unrealistisch dargestellt werden, ähnelt das Ergebnis dem wahren Charakter des Opfers. Anstatt ein objektives Porträt der Außenwelt zu geben, ersetzt der Künstler es durch seine subjektive Vision.127 Das ist eine „wahrere“ Ähnlichkeit, als dies eine Imitation sein kann. Die Karikatur zeigt mehr vom Wesentlichen und ist damit „wahrer“ als die Realität selbst.128

An diese Auffassung knüpft HOFMANN an. Seine Leistung in bezug auf die Erforschung der Karikatur liegt in der Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Schönheitsideal und Karikatur, wodurch er die Festlegung der Karikatur als manieristisches Phänomen bestätigt. Ausgerechnet die Brüder AGOSTINO und ANNIBALE CARRACCI, Begründer einer Schule in Bologna, die in eklektischer Weise danach strebt, im Rückgriff auf die Meister der klassischen Epoche „aus deren Stil ein gereinigtes, lehrbares Ideal zu destillieren“129, erfanden die Porträtkarikatur. Die CARRACCI schufen die Karikatur als künstlerischen Protest zum ästhetischen Ideal, als artistischen Gegenentwurf gegen die ideale Schönförmigkeit, für die die italienische Renaissance die Regeln aufgestellt hat.130 Indem die Karikatur verzerrt, bricht sie mit dem geltenden Schönheitskanon. Erst nachdem ein Dogma vom Edlen und Schönen aufgestellt worden ist, kann es bewußt gebrochen werden, und die Karikatur als

Vergleiche zu den Vorläufern der Karikaturen. Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 332 und 334. 126 Kris / Gombrich 1938, S. 322. 127 Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 338. 128 Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 320f. 129 Hofmann 1953, S. 950. 130 „Die Proklamation des Häßlichen als einer künstlerischen Ausdruckskategorie ist ebenso alt wie die Inthronisierung des Gegenbegriffs, des Idealschönen. Sie fällt in die Geburtsstunde des europäischen Klassizismus, sie ist, so paradox es klingen mag, das Werk seiner Begründer. [...] Ihr Interesse am Alltäglichen und Gewöhnlichen sollte weitreichende Konsequenzen haben: ihm entsprang die Erfindung der Karikatur.“ Hofmann, Werner: Ist die Karikatur am Ende? In: Der Monat. Eine internationale Zeitschrift, Jg. 11, 1959, H. 128, S. 54-60 (im folgenden: Hofmann 1959); hier: S. 54.

47 solch ein Bruch erkannt und eingeordnet werden.131 Entsprechend ereignet sich dieser Bruch und mit ihm die Karikatur erst in einer Epoche, die auf die Renaissance folgt.132 Das Zerrbild ist zunächst als eine Art Privatsache des Künstlers in Skizzenbüchern zu finden. Hier hat er den Spielraum, sich vom Regelgebäude zu entfernen. In dieser Sphäre wird dann schließlich im Zuge des Manierismus, in dem der Künstler als subjektiv wahrnehmend begriffen wird, aus dem übertriebenen Bild als Studie eine bewußte Verletzung von Regel und Kanon. Die Karikatur ist eine Kuriosität, über die man in Künstler- und Interessiertenkreisen diskutiert und die als solche gesammelt wird.133 Die Renaissance-Forderung nach Eindeutigkeit und Klarheit weicht einer Skepsis den Dingen gegenüber, die sich künstlerisch in der Abkehr von den Bindungen der Renaissance-Ästhetik ausdrückt.134 Gleichzeitig ereignet sich der beschriebene Bedeutungswandel in der Auffassung vom Künstler. Im Zuge dieser Entwicklungen entsteht die Karikatur.135 Zwar wurde HOFMANNs Bestimmung der Karikatur, wie er sie bereits 1953 zum Ausdruck bringt und in seinen späteren Veröffentlichungen bekräftigt, vielfach kritisiert136, dennoch:

131 „Nicht die der Wirklichkeit zugewandten Venezianer - man denke an die ´Alte Frau´ des Giorgione (Venedig, Accademia) - noch weniger die Nordländer mit ihrer Vorliebe für das Charakteristisch-Häßliche konnten die Karikatur ´erfinden´, sondern ein künstlerisches Bewußtsein, das sowohl um die ideale Gesetzlichkeit der Erscheinungs- form als auch um deren Gegensatz wußte. Das Wissen um Regel und Kanon mußte deren bewußter Verletzung vorausgehen.“ Hofmann 1956, S. 18. 132 Vgl. hierzu Panofsky, der seinerseits von dem „Protest gegen die Regeln“ als Charakteristikum des Manierismus spricht. Panofsky 1924/1960, S. 39-56. 133 Vgl.: Hofmann 1953, S. 951f. 134 Vgl.: Hofmann 1956, S. 21. 135 Vgl.: Hofmann 1956, S. 27. 136 Es gibt durchaus unterschiedliche Positionen zu der These, die Karikatur sei erst im Manierismus entstanden. Hofmanns Ansatz wird beispielsweise von Waltraut Schwarz kritisiert. Sie hält diese Datierung für einen philologischen Irrtum, da von dem Wort „caricare“ ausgegangen wird. Tatsächlich habe es eine Karikatur „avant la lettre“ gegeben, was bei solcher „etymologischer Akribie“ untergegangen sei. Schwarz beklagt die Vernachlässigung von Inhalten vor lauter Formalismus und vermißt die Berücksichtigung früherer Zeichnungen. Sie definiert Karikatur als „künstlerische Ausdrucksform der Kritik, die in bestimmten Epochen möglich wird und sich dann gegen alles und jedes richtet.“ Schwarz 1957, S. 17. Damit begreift sie die Karikatur als ein überzeitliches Phänomen, das eben auch schon vor dem Manierismus existierte. Auch Uppendahl geht davon aus, daß das Entstehen des Begriffs von der Erscheinung unabhängig ist: „Als Ursprungsland der politischen Karikatur gilt allerdings nicht Italien, sondern vielmehr das Ägypten der Zeit Ramses´ III. Ein aus dieser Zeit erhaltenes Papyros zeigt einen Löwen, der mit einer Antilope Schach spielt [es handelt sich hier

48 Daß sich die Begriffsfestlegung HOFMANNs in der kunstgeschichtlichen Forschung durchgesetzt hat, ist letztlich daran zu sehen, daß sie 30 Jahre später in dem Katalog „Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten“ (1984) fast unverändert eine neue Veröffentlichung erfährt und zwar in einem Kontext, der die Karikaturforschung auf der Höhe ihrer Zeit repräsentiert.137

1.5 Karikatur und Kunstgeschichte: Weiterhin ein schwieriges Verhältnis

Das Besondere an den Untersuchungen von Kunsthistorikern wie HOFMANN und GOMBRICH ist der Umstand, daß sie den Blick über den eigentlichen Gegenstand „Karikatur“ hinaus richten. Ein derart breit angelegter Ansatz wird in der Karikaturforschung über einen langen Zeitraum nicht mehr angestrebt. Wissenschaftler betrachten die Karikatur fast ausschließlich unter Einzel- gesichtspunkten - so läßt sich beispielsweise seit Ende der 60er Jahre der Beginn einer Reihe von Autoren ausmachen, die überprüfen, inwiefern die Karikatur zur

nicht um Schach, sondern um Senet - A.P.]. Das der Karikatur zugrundeliegende Phänomen selbst ist mithin nahezu 3000 Jahre älter als der Versuch, diese Phänomen auf den Begriff zu bringen.“ Uppendahl 1978, S. 9. Für Michel Melot bedeutet die Datierung Hofmanns einen „Verzicht auf jede Untersuchung der ´vorklassischen´ Karikatur“, was zu dem Schluß führen kann, es habe vor 1600 keine Karikatur gegeben - für ihn ein Fehlschluß. Vgl.: Melot, Michel: Die Karikatur. Das Komische in der Kunst. Stuttgart 1975 (im folgenden: Melot 1975), S. 10. Den Gegensatz zwischen den Auffassungen relativiert Wilhelm Boeck, indem er zugesteht, daß Zeichnungen aus früheren Epochen wie der Antike und dem Mittelalter heute als Karikaturen empfunden werden mögen. Dennoch wurde nicht nur der Terminus „Karikatur“ erst im 17. Jahrhundert erfunden, sondern „auch die besondere Gattung, die er bezeichnet, nahm erst damals ihren Anfang und ist durch die verschiedensten Bedingungen an die geistige Entwicklung der Neuzeit gebunden.“ Boeck, Wilhelm: Inkunabeln der Bildniskarikatur bei Bologneser Zeichnern des 17. Jahrhunderts. Stuttgart o.J. (1968), S. XI. Auch Edward Lucie-Smith bestätigt die Hofmannsche Datierung mit der Äußerung, karikaturistische Elemente würden später in antike und mittelalterliche Werke hineininterpretiert, dabei fehle es den satirischen Zeichnungen an der erforderlichen Stoßrichtung bzw. dem Bezug auf bestimmte Personen. Vgl.: Lucie-Smith 1981, S. 26. 137 Trotz dieser Forschungslage erscheint noch 1995 eine Veröffentlichung unter dem Titel: „Deutsche Karikaturen vom Mittelalter bis heute“ von Gisold Lammel. Metzlar/Weimar 1995 (im folgenden: Lammel 1995).

49 Vermittlung politischer Bildung tauglich ist.138 Sowohl in Dissertationen als auch in Veröffentlichungen überhaupt wird die Karikatur in der Regel im Kontext des Werkes eines Künstlers, im Zusammenhang einer bestimmten Zeitschrift oder im Rahmen einer historisch mehr oder weniger eng begrenzten Epoche behandelt. In den 70er Jahren nimmt jedoch die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Karikatur zu. Zu erklären ist diese Konjunktur mit der Tatsache, daß nach zwei Dekaden, die im Zeichen der Massenmedien gestanden haben, eine wissenschaftliche Aufarbeitung dessen beginnt, was die „Trivialkunst“ hervor- gebracht hat. Daß sich die Kunstgeschichte nun mit der „niederen“ Kunst und dabei auch mit der Karikatur beschäftigt, ist determiniert durch die medialen Erfahrungen. Außerdem wird infolge der APO-Bewegung die politische Apathie der Nachkriegszeit von einem neuen politischen Interesse und Bewußtsein abgelöst. Das bewirkt auch eine stärkere Aufmerksamkeit für die Karikatur als politisches Medium. Es läßt sich gleichzeitig eine Revision des Kunstbegriffs konstatieren. Eine Zunahme der Präsenz der Karikatur in Ausstellungen markiert seit Beginn der 70er Jahre einen neuen Aufschwung der wissenschaftlichen Bearbeitung dieser Kunstform.139 Nach und nach finden sich Institutionen, die sich der

138 Damit beschäftigen sich: Krüger, Werner: Karikatur als Medium der politischen Bildung. Opladen 1969 · Krause, Alfried: Die politische Karikatur im Geschichtsunterricht. Berlin (DDR) 1975 · Brucher, Ambros: Die Verwendung von Karikaturen im Geographieunterricht. In: Geographie im Unterricht, 1976, H. 7 · Uppendahl, Herbert (Hrsg.): Die Karikatur im historisch-politischen Unterricht. Freiburg/Würzburg 1978 · Grünewald, Dietrich: Karikatur im Unterricht. Geschichte, Analysen, Schulpraxis. Weinheim/Basel 1979 · Fritz, Jürgen: Satire und Karikatur. Fächerübergreifender Unterricht in Deutsch, Politik, Kunst, Musik. Braunschweig 1980 · Krüger, Herbert / Krüger, Werner: (Hrsg.): Geschichte in Karikaturen von 1848 bis zur Gegenwart. Stuttgart 1981 · Loch, Werner / Görres, Karl: Politische Karikatur und ihr Einsatz im Unterricht. Limburg 1985 · Sangs, Heribert: Die Karikatur. Didaktische Hinweise zu Einsatzmöglichkeiten im Unterricht. Darmstadt 1985 · Ernst, Wolfgang: Historiograffiti. Karikatur als Geschichtsschreibung. In: Kritische Berichte, Jg. 17, 1989, Nr. 1. Die Zeitschrift „Geschichte lernen“ widmete 1990 eine Ausgabe der Karikatur als pädagogisches Medium. 139 Hier eine Auflistung von Ausstellungen, die sich übergreifend mit der Karikatur beschäftigten. Ausstellungen zu einzelnen Themen der Karikatur oder Werkaustellungen sind hier nicht genannt: 1972: Karikaturen - Karikaturen? Kunsthaus Zürich · 1972: Zeitgenossen karikieren Zeitgenossen. Kunsthalle Recklinghausen · 1977: Satire und Karikatur. Gesamthochschule Siegen · 1978: Bizarr, grotesk, monströs. Ausstellung zeitgenössischer Karikaturisten. Kestner-Gesellschaft Hannover · 1979: Karikaturen.

50 Karikatur verschreiben. Im thüringischen Greiz beispielsweise entsteht 1975 das „Satiricum“140. In der BRD ist das Wilhelm-Busch-Museum/Deutsches Museum für Karikatur und kritische Grafik in Hannover das einzige Museum, das ausschließlich Karikaturen als Sammlungsgegenstand hat und regelmäßig Karikaturenausstellungen veranstaltet.141

Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg · 1983: Ereigniskarikaturen. Geschichte in Spottbildern 1600-1930. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster · 1984: Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Wilhelm- Busch-Museum Hannover · 1986: Bilderwelten. Satirische Illustrationen aus der Sammlung von Kritter. Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund · 1987: 70 mal die volle Wahrheit. Ein Querschnitt durch die bundesdeutsche Karikatur der Gegenwart. Kassel · 1991: Karikaturen der Gegenwart. Europäische Künstler. Wilhelm-Busch-Museum Hannover · 1992: Karikatur und Satire. Fünf Jahrhunderte Zeitkritik. Kunsthalle Hypo-Stiftung München (eigene Zusammenstellung der Aufzählung). 140 Es handelt sich um eine aus der fürstlichen Sammlung Reuß hervorgegangene Kollektion historischer und zeitgenössischer Karikaturen seit dem 17. Jahrhundert als Bestandteil der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung. Trotz der beachtlichen Sammlung aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert setzt sich die Hälfte des Bestandes aus Karikaturen der letzten 50 Jahre zusammen. Es wurde als zentrales Karikaturenmuseum der DDR gegründet, wenn auch seine Lage eher peripher zu nennen ist. In Zusammenarbeit mit dem Satiremagazin „Eulenspiegel“ und dem Verband bildender Künstler, Sektion Karikatur und Pressezeichnung, fanden hier von 1980 bis 1990 Biennalen zum zeitgenössischen karikaturistischen Schaffen in der DDR statt. Mit der „Wende“ kam das „Aus“ für das Karikaturenmuseum, weil es als Relikt der DDR begriffen wurde und die Biennalen als Leistungsschau. Der Direktor, Gotthard Brandler, rettete das Satiricum jedoch hinüber in die wiedervereinigte BRD als Archiv für die DDR-Zeitgeschichte und als „Fundus der DDR-Kulturgeschichte“. Vgl.: Köhler, Peter: Documenta der Karikatur. In: die tageszeitung v. 20.8.1994, S. 14. Im August 1994 ereignete sich die erste Triennale, in der Cartoons und Karikaturen aus Ost- und Westdeutschland ausgestellt wurden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang eine weitere Initiative, die seit 1994 Karikaturenausstellungen veranstaltet: Die „Cartoonfabrik Köpenick e.V.“. Sie begreift sich als Verein zur Förderung von Cartoonisten und Karikaturisten und veranstaltet seit 1992 einen jährlichen „Köpenicker Kultursommer“. 141 In der Direktionszeit von Friedrich Bohne (1957-1978) und zunehmend unter der Leitung von Herwig Guratzsch seit 1978 erweitert das Wilhelm-Busch-Museum seine 1930 entstandene Sammlung, indem sie verstärkt durch historische und zeitgenössische kritische Graphik angereichert wird. Neben den Katalogen wird eine Schriftenreihe (das Jahrbuch der Wilhelm-Busch-Gesellschaft) publiziert als wissenschaftliches Forum der Karikaturforschung. Das Wilhem-Busch-Museum nimmt für sich in Anspruch, durch seine Tätigkeit progressiv dazu beigetragen zu haben, „jenen Kunstzweig, der lange am Rande der sogenannten Hochkunst stand - die Karikatur - in der allgemeinen Einschätzung aufzuwerten.“ Wilhelm-Busch-Museum Hannover. Deutsches Museum für Karikatur und kritische Grafik (Bestandskatalog). Braunschweig 1990, S. 12.

51 Gleichzeitig mit der erstarkten Beteiligung der Karikatur an Ausstellungen erweitert sich der Markt für Karikaturen. Karikaturisten bringen Bildbände mit ihren Arbeiten heraus. Personen- oder themenbezogene Karikaturenbände werden mitunter sogar von institutioneller Seite editiert (z.B. veröffentlichte das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung bereits mehrfach Kari- katuren-Anthologien). Auch Fachzeitschriften widmen der Karikatur ganze Sonderhefte142. Dabei wird jedoch auch deutlich, daß es noch immer Probleme mit der Akzeptanz der Karikatur als Kunst gibt.

Obwohl Autoren wie GOMBRICH und HOFMANN die Merkmale der Karikatur in prägnanter Weise charakterisieren und damit für die kunsthistorische Unter- suchung der Karikatur die Weichen gestellt haben, erfährt die Karikatur in der universitären Praxis noch immer keine ihr angemessene Beachtung: Kunsthistoriker tun sich schwer, von den Höhen der Meisterwerke in die Niederungen für den massenhaften Konsum produzierter Zeichnungen hinabzusteigen. Betrachtet man die Relation zwischen Karikatur und Kunst, so zeigt sich, daß es auch in der aktuellen Situation keine eindeutige wissenschaftliche Position zur Karikatur gibt. Offensichtlich bietet das Sujet „Karikatur“ in der Kunstwissenschaft noch immer Anlaß für Kontroversen.

FUCHS prognostizierte 1901, die Karikatur werde in Zukunft in der Wissenschaft volle Gleichberechtigung erfahren: „Werden die lebenden und die kommenden Geschlechter die Sünden der Vergangenheit zu den ihrigen machen? Nein. Diese Zeiten nahen bereits ihrem sicheren Ende. Der Hofnarr S. Majestät Publikum, wofür der Karikaturist einst von den meisten angesehen wurde, hat seinen Rang gewechselt, er ist daran, sich das volle Bürgerrecht in der Kunst zu erwerben. [...] Sie [die Karikaturisten] werden von diesem Rang nicht mehr verdrängt werden. Heute weiß man, daß sie die unwiderstehliche Avantgarde des Morgen sind, des Kommenden, in Kunst und im Leben. Und wie die strenge Hierarchie der ernsten Kunst vor dem Stift des Satirikers kapituliert hat, so wird es auch die Wissenschaft wohl thun müssen.“143 Diese Erwartungen haben sich jedoch keineswegs erfüllt. 1970 erscheint ein Artikel von HOFMANN, dem er ganz programmatisch den Titel „Zu kunsthistorischen Problemen der Comic Strips“ gibt. Er beklagt hierin, daß massenhafte Rezeption und Kunst noch immer als sich einander ausschließende

142 Z.B.: tendenzen, Jg. 13, 1972, Nr. 83 · Bildende Kunst, Jg. 22, 1974, Nr. 10 · Kunst und Unterricht, 1977, Nr. 43 · Oxford Art Journal, Jg. 8, 1985, Nr. 1. 143 Fuchs 1901/1921, S. 475.

52 Phänomene betrachtet werden.144 Diese Feststellung ist auf die Beziehung der Wissenschaft zur Karikatur übertragbar. Daß Karikatur noch lange nicht selbstverständlich auch als Kunst aufgefaßt werden muß, wird deutlich an einer Bemerkung zur Zürcher Ausstellung „Karikaturen - Karikaturen?“ (Kunsthaus 1972). In der Besprechung wird lobend hervorgehoben, daß durch die Präsen- tation von Karikaturen in einer so großen Kunstausstellung der Öffentlichkeit demonstriert wird, daß Karikatur Kunst ist. Der „Normalverbraucher“, der Karikatur nicht unter die Kategorie „Kunst“ faßt, wird nun eines besseren belehrt.145 Der gleiche Aspekt ist im selben Jahr einem Katalogbeitrag zur Ausstellung „Kunstpreis Junger Westen ´72“ (Kunsthalle Recklinghausen) zu entnehmen. Die Tatsache, daß Kunstpreise an Karikaturisten verliehen werden, laufe auf „die längst fällige Aufwertung der Karikatur in der öffentlichen Meinung hinaus“146. Die Kategorien „Gebrauchswert“ und „Ausstellungswert“ sind zu überdenken. Die Drucke von DAUMIER beispielsweise wurden bereits seinerzeit in Mappen gesammelt. Damit waren sie ein Sammler- und Kunstliebhaberobjekt und eindeutig Kunst. Was aber, wenn die Karikaturen eine solche „Weihe“ nicht erfahren hätten und lediglich in den Zeitschriften La Caricature und Le Charivari erschienen wären, wo sie „einen massenhaften Konsum zu befriedigen hatten?“147 Auch auf die heutige Situation bezogen zeigt sich, daß Zeichnungen zumeist erst in dem Moment als „Kunst“ betitelt werden, wenn sie in Sammlermappen erscheinen oder in Museen ausgestellt werden, während in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte Karikaturen (selbst wenn sie vom selben Zeichner stammen) unter dieser Kategorie keine Berücksichtigung finden. Damit ist immer noch ein Kunstbegriff gegeben, den HOFMANN „monolithisch“ und „überheblich“ nennt.148 In seiner Rede zur Karikaturen-Ausstellung „Bizarr-Grotesk-Monströs“ (Kestner-Gesellschaft, Hannover 1978) macht der Karikaturist LORIOT (alias

144 Vgl.: Hofmann, Werner: Zu kunsthistorischen Problemen der Comic Strips. In: Vom Geist der Superhelden. Comic Strips. Zur Theorie der Bildergeschichte. Redaktion: Hans Dieter Zimmermann. München 1973, S. 64-81 (1. Auflage: Berlin 1970, im folgenden: Hofmann 1970/1973); hier: S. 64. 145 Vgl.: Ausstellungsbesprechung in „Turicum“, September 1972. Hier verwandte Fassung in: Karikaturen - Karikaturen? Kunsthaus Zürich 1972, S. 162. 146 Bohne, Friedrich: Zur Situation des Karikaturisten. In: Kunstpreis Junger Westen ´72. Recklinghausen 1972 (im folgenden: Bohne 1972), o.S. 147 Hofmann 1970/1973, S. 65. 148 Vgl.: Hofmann 1970/1973, S. 65.

53 VICCO VON BÜLOW) auf die Stellung der Karikatur als „kulturellen Außenseiter“ aufmerksam. Er bezeichnet die Ausstellung als Wagnis, weil man Karikaturisten „in gefährlicher Nachbarschaft zur leichten Muse“ wähnt.149 LORIOT sinnt über das „jungfräuliche Verhältnis zwischen Kunstbetrachtung und Karikatur“ nach und empfiehlt, die Etikettierung der Sparten in der Kunst so zu handhaben, wie dies in der Musik geschieht. Dort verfügt man über die Einteilung in E-Musik (ernste Musik) und U-Musik (Unterhaltung). Durch solcherlei Kennzeichnung seitens der Plattenfirmen entfällt die lästige Frage nach der Zuständigkeit, wie die Kunstkritiker und Kolumnisten sie z.B. bei Karikaturen-Ausstellungen haben: „Jeder Musikkritiker weiß seitdem, daß die ´Götterdämmerung´ etwas ganz anderes ist als beispielsweise ´Pack die Badehose ein´“150. Zwar machen manche Künstler dieser sauberen Einteilung einen Strich durch die Rechnung - so z.B., wenn der Jazz so „cool“ wird, daß man nicht mehr weiß, ob das „U“ noch gerechtfertigt ist. Auch die Klassiker vermögen einen noch zu verwirren, wenn Mozart selbst seine Divertimenti doch ausdrücklich zur Unterhaltung geschaffen hat, wir sie aber zur ernsten Musik rechnen. LORIOT beschreibt, daß früher feststand, was Kunst ist und was nicht: „Die Mona Lisa hatte mit Mickymaus eben doch wenig Gemeinsames, und der Mann mit dem Goldhelm war mit bloßem Auge von Snoopy zu unterscheiden.“151 Selbst Grenzgänger wie DAUMIER oder TOULOUSE-LAUTREC wurden eindeutig in die Kategorie „E- Malerei“ eingeordnet, da in ihren Werken humoristische Elemente marginal sind. Die Karikatur hatte ihren festen Platz in der „U-Spalte“. Nun jedoch muß man feststellen, daß es mit der eleganten Trennung der Künste vorbei ist. Im Zuge des Gebrauchs neuer Materialien und Praktiken in der Kunst seit den 60er Jahren, in der sich nun ein „erweiterter“ Kunstbegriff manifestiert, laufen die Kriterien der Kunstbetrachtung aus dem Ruder, und es „nahte das Verhängnis. Seriöse Maler, die auf sich hielten, legten ihren Pinsel aus der Hand, griffen zu Hammer und Nagel, Lötkolben, Bohrer, Kreissäge, Spaten, Diaprojektor und okkupierten im Handumdrehen ein Terrain, das als Zielgebiet auch der Karikaturist hätte vor Augen haben können. Der hingegen begann, völlig überraschend, Originalzeichnungen anzubieten, handsigniert, und als die langsam knapp und teuer wurden, fertigte er auch satirische Siebdrucke und Lithos, signiert und numeriert.

149 Loriot (alias Vicco von Bülow): Bizarr-Grotesk-Monströs. Rede zur Ausstellung zeit- genössischer Karikaturisten in der Kestner-Gesellschaft in Hannover am 17.2.1978. Hier verwandte Fassung in: Bernsteins Buch der Zeichnerei. Hrsg. v. F.W. Bernstein. Zürich 1989, S. 225-226 (im folgenden: Loriot 1978/1989); hier: S. 226. 150 Loriot 1978/1989, S. 226. 151 Loriot 1978/1989, S. 226.

54 Ehe man sich´s versah, war ein Steinberg-Original so teuer wie eine Hand- zeichnung von Klee. Das war nicht vorgesehen. Die Kunstbetrachtung sah geniert zur Seite, das Verhältnis zur Karikatur blieb platonisch und somit ohne Folgen.“152 Die Karikatur läßt sich also nach wie vor nicht eindeutig an die Seite anderer Objekte der Kunstgeschichte stellen. Nicht nur in klassizistischen Zeiten wurde der Karikatur abgesprochen, daß sie Kunst ist. Auch heute gibt es mitunter noch das Bedürfnis nach Rechtfertigung, wenn die satirische Zeichnung zum Gegen- stand einer kritischen oder kunsttheoretischen Besprechung wird: „Und deshalb wird es so bleiben, daß sich auch in Zukunft niemand im Ernst für die komische Zeichnung verantwortlich fühlen wird, weder der Kunst- noch der Literaturkritiker. Daß die sich, wenn sie überhaupt was sagen, weiterhin halbherzig und schulterklopfend aus der Affäre ziehen. Indem sie dem komischen Zeichner beispielsweise attestieren, daß er im Grunde seines Herzens eigentlich ein ernsthafter Künstler sei, der bei Licht betrachtet... Er sei der ´Michelangelo der Karikatur´ hörte ich während einer Buchmesse den Schreiber Herbert Rosendorfer dem Zeichner Hans Georg Rauch ins Gesicht salben. Darunter tun sie es nicht.“153 Anstrengungen, sich ausdrücklich mit für Massenmedien und für die visuelle Alltagskultur produzierten Kunst-Objekten auseinanderzusetzen, gibt es bei- spielsweise von Seiten des Greizer Museums „Satiricum“. Indem der Kunstrezipient als Teil einer modernen Welt begriffen wird, die von den Bildern der Massenmedien geprägt ist, soll einem neuen Anspruch der

152 Loriot 1978/1989, S. 226 (Hervorhebung im Original). Interessant ist, wie Loriot sich die zukünftige Position der Karikatur im Ausstellungswesen und damit die seiner eigenen Kunst vorstellt: „Und doch... sehe ich da nicht gegen Ende des kommenden Jahrhunderts diese endlose Menschenschlange, die sich um mehrere New Yorker Häuserblocks windet? Mit Klappstühlen und Schlafsäcken hat sie bei eisigem Wind die Nacht durchwacht, um erst gegen 9 Uhr morgens Einlaß im Metropolitan Museum zu finden. Dann schiebt sich die geduldige Menge zwei Stockwerke hoch in jenen repräsentativen Saal, der für das Künstlerische Ereignis des Jahres völlig ausgeräumt und renoviert worden ist. Im Zentrum des Riesenraumes steht eine einzige Vitrine aus Panzerglas, an der die Menschen entblößten Hauptes schweigend vorbeidefilieren. Eine diskret angebrachte Starkstromleitung und vierzig Polizeibeamte in Zivil sichern das angestrahlte Kleinod. Es ist ein stockfleckiges Blatt aus meinem Notizblock, 9 x 12 cm, darauf ein Nasenmännchen in Bleistift, nicht signiert, mit Expertise der Kestner- Gesellschaft.“ Loriot 1978/1989, S. 226. 153 Gernhardt, Robert: 10 Sätze betreffs Komik, Komische Zeichnung, Bildende Kunst und Literatur nebst einem Zusatz. In: Die Neue Frankfurter Schule. 25 Jahre Scherz, Satire und schiefere Bedeutung aus Frankfurt am Main. Hrsg. v. W.P. Fahrenberg. Frankfurt a.M. 1987, S. 385-386 (im folgenden: Gernhardt 1987); hier: S. 385.

55 Kunstwissenschaft genüge getan werden.154 Demgegenüber warnte noch 1985 WILLIBALD SAUERLÄNDER vor der Gefahr einer Gleichmachung der gehobenen ästhetischen Erfahrung mit alltäglicher Wahrnehmung155. Auch MARTIN WARNKE vertritt einen eher konservativen Kunstbegriff, wenn er 1986 vor einer Inflation des Kunstbegriffs mahnt: „Wenn man alle visuellen Angebote, die mit der Absicht einer Wirkung hervorgebracht sind, für Gegenstände der Kunstgeschichte hält, dann ist nicht mehr allein die Entstehung aus einem individuellen Schöpfungsakt, sondern der Tatbestand einer augensinnlichen Einflußnahme maß- gebend.“156 Doch die Kunstgeschichte muß der Tatsache, daß sich die Grenzen ihres Gegenstandes verwischen, Rechnung tragen. Nach einer langen Tradition eines exklusiven Kunstbegriffs beginnen wir nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte nun allmählich, uns solcher Einschränkungen zu entledigen. Die ästhetische Distanz, die die Kunstgeschichte aufgebaut hat, ist im Schwinden. Damit läßt sich aber das Problem nicht leugnen: „Soll die Kunstwissenschaft die Qualitas-Dimension aufgeben zugunsten eines gleichmacherischen Kunst- begriffs?“157 Diese Prognose ist für HARALD OLBRICH, den Herausgeber der „Greizer Studien“, zu radikal. Er propagiert nicht Gleichmacherei, sondern Erweiterung. Die Kunstgeschichte muß sich in ihren Methoden und in ihrer Quantität öffnen. Sie muß wegkommen vom Eurozentrismus und ihr Interesse auch stofflich ausweiten, ihr Material vergrößern. OLBRICH verweist auf „einige Beispiele unerschrockenen kunstwissenschaftlichen Grenzgängertums“158 und nennt neben WARBURG auch FUCHS. Gerade in den Arbeiten von FUCHS ist ein frühes Bemühen, sittengeschichtlich-soziologische Kunstgeschichte zu betreiben, zu sehen. Entsprechend fordert BORNEMANN eine „mehr ikono- graphisch-soziologisch statt formal-stilkritisch ausgerichtete, weniger ´klassische´ Kunstgeschichte“.159 Ein solcher Anspruch folgt dem Plädoyer für

154 Vgl.: Harald Olbrich (Hrsg.): Greizer Studien. Materialien und Texte zur visuellen Alltagskultur, Karikatur, Pressezeichnung und verwandter Bereiche. Greiz 1989 (im folgenden: Olbrich 1989), S. 5f. 155 In seinem Aufsatz: Der Kunsthistoriker angesichts des entlaufenen Kunstbegriffs. Entfällt das Paradigma einer Disziplin? In: Jahrbuch des Zentralinstituts für Kunstgeschichte, 1985, Bd. 1, S. 375-399. Vgl.: Olbrich 1989, S. 6. 156 Warnke, Martin: Gegenstandsbereiche der Kunstgeschichte. In: Kunstgeschichte. Eine Einführung. Hrsg. v. Hans Belting / Heinrich Dilly / Wolfgang Kemp / Willibald Sauerländer / Martin Warnke. Berlin 1985. Zitiert nach: Olbrich 1989, S. 6. 157 Olbrich 1989, S. 7. 158 Olbrich 1989, S. 7. 159 Bornemann 1972, S. 7.

56 eine methodische Grenzerweiterung, das WARBURG 1920 auf dem Inter- nationalen Kunsthistorikerkongreß in Rom hielt. Das 1979 an der Universität Hamburg veranstaltete Symposium „Karikaturen - Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens“ leitet seinen Titel von der Maxime WARBURGs ab, den die „wirkungsgeschichtlichen Brechungen im Alltag, die Funktionen des Bildes als ´Gerät´ in seiner praktischen An- wendung“ interessierten, „weil sie nervöse Auffassungsorgane des zeitgenössischen inneren und äußeren Lebens sind“160. Die Arbeiten der Teilnehmer des Symposiums stehen in einer Tradition, „die in Karikaturen feinnervige Verarbeitungsinstrumente der Wirklichkeit erkennt und in diesem Kontext ihre künstlerischen Mittel analysiert.“161 Kulturwissenschaftliche Ambitionen, wie WARBURG sie vorgegeben hat, dienen als Vorbild. Gegen- seitige Anstöße der Nachbardisziplinen Geschichte, Ethnologie, Literatur-, Kultur- und Kunstwissenschaft sind mittlerweile häufiger zu konstatieren. Insofern befinden sich die Wissenschaften auf dem Weg zur disziplinüberschreitenden Offenheit, die sich WARBURG gewünscht hatte. Dennoch bleibt die Karikatur als Forschungsgegenstand der Kunstgeschichte eine schwer faßbare Sondererscheinung. Noch 1991 sieht sich GURATZSCH im Vorwort zum Katalog einer Karikaturen-Ausstellung im Wilhelm-Busch- Museum veranlaßt, ausdrücklich zu betonen, daß Karikatur Kunst ist. In der Anerkennung der Karikatur „allen Diffamierungsversuchen, die ihren Weg durch die Geschichte begleitet haben“162 zum Trotz, sieht er das Anliegen der Ausstellung. Und noch 1992 schreibt KOSCHATZKY in seinem Aufsatz zum Ausstellungskatalog „Fünf Jahrhunderte Zeitkritik“: „Es dürfte nur von wenigen bezweifelt werden, daß Karikatur auf einer niedrigeren Ebene rangiert als die hohe Kunst. Mir ist es eine große Freude, mich zu diesen wenigen zu zählen.“163 Es ist offensichtlich, worin sich die Zurückhaltung der Kunsthistoriker gegenüber der Karikatur begründet. Zumeist sieht sich die Kunstgeschichte lediglich dann in die Pflicht genommen, die Karikatur zu beachten, wenn sich „große“ Künstler als Karikaturisten betätigen. Die Kunstgeschichte delegiert die Erforschung der Karikatur lieber an die Politikwissenschaft oder die

160 Herding, Klaus / Otto, Gunter: Vorwort. In: Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979. Gießen 1980, S. 7-11; hier: S. 8. 161 Herding 1980, S. 375 (Hervorhebung im Original). 162 Guratzsch 1991, S. 9. 163 Koschatzky 1992, S. 11.

57 Geschichtswissenschaft, da es ihr einerseits zu aufwendig ist, die gesell- schaftlichen und politischen Hintergründe zu erarbeiten und andererseits auch die Mühe gescheut wird, die Karikaturen in ihre Ästhetik einzubauen.164 Gerade der zeitliche Abstand zu den Ereignissen, auf die die Karikatur Bezug nimmt, bereitet der Kunstgeschichte Schwierigkeiten. Das Interesse an der Karikatur schwindet, sobald „uns inzwischen das Objekt der satirischen Begierde abhanden gekommen ist und die komische Paradoxie zwischen Vorbild und Zerrbild sich nicht wieder herstellen lassen will“.165 Aus den genannten Gründen ist die bisherige Erforschung der Karikatur vor allem als Pressezeichnung mangelhaft. Vielleicht sind die Kunsthistoriker ja tatsächlich noch „zu nah am Geschehen dran, als daß [sie] etwas merkten“ 166, nämlich daß viele der satirischen Arbeiten Kulturgeschichte mit anderen Mitteln schreiben. HELMUT GRILL spricht davon, daß erst in Zukunft die kunst- historische Bedeutung der satirischen Kunst überhaupt (nicht nur die der Karikatur) erkannt werden wird. Als „Zeitzeugen von starker ethischer Mahnkraft“ werde die satirische Kunst Eingang in Sammlungen und Museen finden.167 Doch bislang ist die Grillsche Erkenntnis „Was soll sie [die satirische Kunst - A.P.] anderes sein als Kunst“168 noch nicht unbedingt bis in die Wissenschaft vorgedrungen.

1.5.1 Funktion contra Kunst Bei der Frage nach dem Kunstgehalt von Karikaturen wird in erster Linie das Argument ihrer Funktionsgebundenheit angeführt. Die Karikatur wird als „angewandte Kunst“ aufgefaßt, die ihre Legitimation nur aus der Wirkung bezieht169. Die Karikatur hat offensichtlich eine Funktion und steht somit Forderungen nach einer Autonomie der Kunst entgegen. So ist für die „Tatsache

164 Vgl.: Gombrich 1962/1984, S. 384. 165 Nobis, Beatrix: Diabolika mit Verfallsdatum. In: Süddeutsche Zeitung v. 26.11.1991 (im folgenden: Nobis 1991). 166 Grill, Helmut: Der gestrichelte Weltschmerz. Spiegelbilder des Zeit-Geistes. In: Karikatur und Satire. Fünf Jahrhunderte Zeitkritik. Hrsg. v. Walter Koschatzky. Kunst- halle der Hypostiftung München v. 5.6.1992-18.10.1992, S. 28-32 (im folgenden: Grill 1992); hier: S. 32. 167 Vgl.: Grill 1992, S. 32. 168 Grill 1992, S. 32. 169 Vgl.: Guratzsch 1991, S. 13.

58 einer kaum vorhandenen kunstwissenschaftlichen Bearbeitung von Populär- graphik und Pressezeichnung neben dem Nachwirken eines von der bürgerlichen Gesellschaft entwickelten ästhetischen Kunstverständnisses“170 die Funktion der Karikatur verantwortlich zu machen. Ein Anspruch wie „l´art pour l´art“ kann für den Karikaturisten nicht maßgebend sein - im Gegenteil: sein Bestreben ist das Engagement, das Erzielen einer Wirkung. Gerade die „fehlende Aura, Kunst sein zu müssen“171 hat der Karikatur ihre Funktion erleichtert. Sie hat ungestört unmittelbar Bezug genommen. Der Karikaturist besitzt nicht die sprichwörtliche künstlerische Freiheit. Die Eindeutigkeit der Absicht der Karikatur macht es scheinbar schwierig, sie als Kunst zu deklarieren, so daß sicherheitshalber Unterscheidungen wie „hohe“ und Trivialkunst herangezogen werden. Doch den Aspekt der Funktion als Ausgrenzungskriterium zu wählen, wird zum Eigentor: Die Karikatur verfährt nicht anders, als Kunst überhaupt, die nie funktionsfrei ist. Insofern ist die Bestimmung des Kunstwerkes als ein autonomes zweifelhaft, „denn die Konsequenz dieser Forderung würde ja alle Auftragskunst ausgrenzen“172. Ein Objekt aufgrund seiner primären, offensichtlichen Funktionsgebundenheit aus dem Bereich der Kunst auszugrenzen, ist also ein kunsttheoretischer Trugschluß.173 Nach den (zweifelhaften) Versuchen der Unterscheidung zwischen der „ernsten“ Kunst und der Karikatur ist auch eine Übereinstimmung zwischen beiden zu konstatieren, nämlich in der Absicht, eine Aussage zu vermitteln. Lediglich die Technik, diese zu transportieren, unterscheidet sich.174 Also sind auch auf anderer Ebene (nicht nur auf der der Funktion) Kunst und Karikatur nicht widersprüchlich: auf der Ebene des „Könnens“. „Karikatur ist Kunst insoweit,

170 Knuth 1979, S. 22. 171 Knuth 1979, S. 20. 172 Langemeyer, Gerhard: Einleitung. In: Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Hannover, Wilhelm-Busch-Museum v. 7.10.1984-2.1.1985 Hrsg. v. O. Langemeyer / G. Unverfehrt / H. Guratzsch / Ch. Schölzl. München 1984, S. 7-12 (im folgenden: Langemeyer 1984); hier: S. 10. 173 Koschatzky sagt dazu: „Und ich weiß auch, daß nicht jedes Alltagsthema, rasch spöttisch hingekritzelt, künstlerische Bedeutung besitzt. Aber ich bin überzeugt, daß es sie besitzen kann.“ Koschatzky 1992, S. 11. 174 Vgl.: Lucie-Smith 1981, S. 11.

59 als Kunst von Können kommt. Karikatur erfordert stets eine in den Dienst eines bestimmten Zwecks gestellte künstlerische Fähigkeit.“175

1.5.2 Karikatur, Kunst und Können Da die Karikatur auf der gleichen künstlerischen Anschauung beruht, wie jedes andere Kunstwerk auch, sie „als Kunstübung die Mittel, Werkzeuge, Fertig- keiten und Beobachtungen des Künstlers erfordert“176, nur ein „Zuviel“ an bestimmten Merkmalen ihres Gegenstandes darstellt, ist sie gleichberechtigt an die Seite anderer Kunstgattungen zu stellen. Die künstlerische Versiertheit in der Technik ist geradezu Voraussetzung, um in der Lage zu sein, das reduk- tionistische Verfahren anzuwenden.177 Eine Reduktion, wie sie in der aus wenigen Strichen bestehenden Karikatur gegeben ist, erfordert nicht nur Abstraktionsfähigkeit, sondern ein hohes zeichnerisches Können. Die Reduktion gründet sich „auf dem sicheren Fundament üblicher künstlerischer Tätigkeit. Was als Definition guter Karikatur gelten darf - inhaltliche und formale Zuspitzung, Konzentration auf das Wesentliche, schlagbildartige Ausdrucks- weise -, gilt gemeinhin auch als Indiz für künstlerische Qualität.“178 Da der Karikaturist bewußt die herkömmlichen Kunstregeln mißachtet, ist seine „Kritzelei“ Methode. Der „Kritzel-Stil“ (die aus wenigen Strichen bestehende Zeichnung) wird zum Signal für satirische Absichten. Seine Unbedarftheit ist nur scheinbar, „tatsächlich aber ein ausgewähltes künstlerisches Mittel. Daß sich eine komische Kunst das Medium der Schnellzeichnung wählt, bietet sich an: „Es gibt viele komische Zeichnungen, wenige komische Ölbilder, kaum komische Plastiken. Offenbar besteht eine Relation zwischen Arbeits- aufwand und Effekt - für einen Lacher lohnt es sich nicht, monatelang an

175 Schwalbe, Hans-Hermann: Die Grundlagen für die publizistische Bedeutung der Karikatur in Deutschland. (Diss.) Berlin 1937 (im folgenden: Schwalbe 1937), S. 24. 176 Heuss 1910/1963, S. 170. 177 „Wenn er [Rembrandt] nicht zum Beispiel die Darstellung schimmernder Goldborten, wie sie zu seiner Zeit die festliche Kleidung verzierten, bis ins minuziöseste Detail beherrscht hätte, hätte er niemals darangehen können, herauszufinden, wieviel er weglassen durfte, falls nur der Beschauer gewillt war, ihm auf halbem Wege entgegen- zukommen. Auf dem berühmten Bildnis seines kunstverständigen Gönners Jan Six genügte schließlich ein einziger Pinselstrich, um den Betrachter eine Goldborte sehen zu machen, aber bis diese an Zauberei grenzende Vereinfachung gelang, werden wohl ungezählte Versuche nötig gewesen sein!“ Gombrich 1978, S. 365. 178 Langemeyer 1984, S. 10.

60 einem Stein herumzuhämmern. Auch bei komischen Ölbildern stört der mangelnde Sinn für Ökonomie. Den pinkelnden und greinenden, vom Adler entführten ´Ganymed´ hätte Rembrandt billiger haben können. Eine Zeichnung hätte es auch getan.“179

Die Zeichnung BERNINIs vom Kardinal Scipione (Abb. 2) ist ein Beispiel dafür, daß die schnell gezeichnete Form nicht die Suche nach der festen Gestalt, sondern das Ziel ist. Während eine Skizze eine vorläufige Form ist, ist die Karikatur die endgültige. Ausgehend von der reduktionistischen und stark verfremdeten Porträtkarikatur, die ein Blatt für sich allein in Anspruch nimmt und deshalb am Beginn der Selbständigkeit der Karikatur steht, wird der „Kritzel-Stil“ schließlich zum Charakteristikum der Karikaturen. Die Zeichnung in wenigen Strichen ist nur vermeintlich primitiv, tatsächlich aber ein Ausdruck neuer künstlerischer Freiheiten, rein subjektiv darzustellen. KRIS und GOMBRICH haben dargelegt, wie künstlerisch diese „Primitivität“ ist und mit welcher Mühe sie in der Geschichte des künstlerischen Schaffens erworben wurde.180 Nicht zuletzt die zeichnerischen Ansprüche, denen der Karikaturist genügen muß, um die hohen Erwartungen des Rezipienten an eine geistreiche Formulierung und einen besonderen Witz des Einfalls zu decken, verlangen nach einer Überwindung der „spätbürgerlichen Aufspaltung in eine sogenannte anspruchslose, unterhaltende und in eine sogenannte anspruchsvolle Kunst“181.

1.5.3 Die Karikatur als Wegbereiterin moderner Kunststile Ein weiterer Aspekt, der zur Nobilitierung der Karikatur beiträgt, ist ihre Vorreiterfunktion bezüglich innovativer Darstellungsformen, die später Eingang in die avantgardistische Kunst finden. Wie bereits FUCHS bemerkte, kommt der Karikatur das Verdienst zu, Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts den Boden bereitet zu haben. HOFMANN greift diese These auf und wendet sie auf die einzelnen Kunststile des 20. Jahrhunderts an: Die genaue Wirklichkeits- beobachtung, die der Karikatur zugrunde liegt, bereitet im 19. Jahrhundert den Realismus vor. So wie Motive, die die Karikatur der Alltagswelt entleiht, bei Realisten und Impressionisten wieder auftauchen, so ist das Übersteigerte und

179 Gernhardt 1987, S. 385. 180 Vgl.: Kris / Gombrich 1938, S. 341. 181 Olbrich, Harald: Karikatur heute. In: Bildende Kunst. Sonderheft 1974, S. 470-472 (im folgenden: Olbrich 1974); hier: S. 472.

61 Extreme, das in der Karikatur erst zum Ausdrucksträger wurde, im Expressionismus wieder anzutreffen. Schließlich läutete die Karikatur mit ihrer Art, Merkmale zu Formzeichen zu reduzieren, die abstrakte Kunst ein.182 Die Karikatur bringt ein neues Formempfinden mit sich, denn das Abkürzungs- verfahren des Karikaturisten bedeutet Reduzierung auf elementare Formen. Dies ist „das Ausdrucksmittel eines neuen Kunstwollens, dessen Ziel die Verdichtung der Erscheinungswelt zur Ausdrucksformel sein wird“183. Zur Charakterisierung des Wesentlichen der Karikatur hat HOFMANN das Wort von der „Umsetzung der Wirklichkeit in die Chiffre“184 geprägt. Bedingungen hierfür sind gleicher- maßen die Fähigkeit des Karikaturisten zur Wahrnehmung der Realität und zur Abstraktion.

Während in den 50er Jahren von HOFMANN die Rolle der Karikatur bezüglich der Kunststile der klassischen Moderne aufgezeigt wird, verdeutlicht Ende der 80er Jahre der amerikanische Künstler MIKE KELLEY ihre Relevanz für die jüngsten Tendenzen in der Kunst. Er spürt die Prinzipien der Karikatur nicht nur bei den Expressionisten oder Konstruktivisten auf, sondern auch in der zeit- genössischen Kunst und betont somit die Bedeutung dieser „essentials“ für die Kunst überhaupt. Dies ist auch für KELLEY Anlaß, darauf hinzuweisen, daß eine Unterscheidung zwischen „hoher“ und „niedriger“ Kunst nicht zulässig ist.185

1.5.4 Die Karikatur als Pressezeichnung Seit Anfang des 19. Jahrhunderts, mit dem technisch vollentwickelten Verfahren der Lithographie (1798 von ALOIS SENEFELDER erfunden), das eine schnelle und preiswerte Möglichkeit bietet, Drucke in unbegrenzter Auflagenhöhe zu reproduzieren, etabliert sich die Karikatur in der Presse. Durch die Lithographie ist für den Künstler eine Methode geschaffen, direkt mit Pinsel, Feder oder Kreide auf dem Stein als Druckträger zu arbeiten und damit seinen Entwurf

182 Vgl.: Hofmann 1953, S. 950 und vgl.: Hofmann 1956, S. 55-57. 183 Hofmann 1956, S. 54. Die Einschätzung der Vorreiterfunktion der Karikatur für die moderne Kunst wird 1957 von Schmied wieder angesprochen. Ausführlich macht er die Auswirkung der „Errungenschaften“ der Karikatur auf die einzelnen „Ismen“ der modernen Kunst deutlich. Vgl.: Schmied 1957, S. 733f. 184 Hofmann 1956, S. 54. 185 Vgl.: Kelley, Mike: Foul perfection: Thoughts on caricature. In: Artforum, Jg. 27, 1989, Nr. 5, S. 92-99.

62 zügig umzusetzen und so ein spontanes Reagieren auf tagespolitische Geschehnisse zu gewährleisten.

Der von LOUIS JACQUES MANDÉ DAGUERRE und JOSEPH NICÉPHORE NIEPCE 1839 entwickelte chemisch-optische Vorgang der Daguerreotypie ermöglicht abermals eine wesentlich einfachere Reproduktion von Vorlagen, initiiert den offset-Druck und beschleunigt die Entwicklung von Zeitschriften zu Massenmedien. In der Presse kann die Graphik ihre Möglichkeiten der Kommunikation optimal ausnutzen: Sie erreicht den einzelnen und die Menge gleichermaßen. Das Zeitungswesen, das seine Käuferschaft aus dem Bürgertum rekrutiert, boomt. Es werden sogar Zeitschriften gegründet, die ausschließlich der Karikatur gewidmet sind. Künstler werden zu Berufskarikaturisten. Zunächst in England (wo das Recht auf freie Meinungsäußerung 1689 als eines der Grundrechte in der Bill of Rights garantiert wird, nachdem das englische Bürgertum sich seine Rechte erstritten hat) und in Frankreich (wo im Zuge der Revolution von 1789 ebenfalls die Grundrechte und mit ihnen die Meinungsfreiheit verankert werden) und schließlich etwas zögerlich im deutschen Sprachraum (wo weniger liberale Tendenzen, dafür eine rigidere Zensur herrschen) entfaltet sich die Karikatur in ihrer Symbiose mit dem Journalismus, der ihr eine größtmögliche Verbreitung bietet, zum politischen Kampfmittel. Doch die Geschichte der satirischen Presse ist begleitet von immer wiederkehrender Unterdrückung ihrer Rechte.186 Bis zum Zweiten Weltkrieg ist die Karikatur in Deutschland hauptsächlich in der satirischen Presse vertreten. In der Nachkriegszeit ändert sich das. Nach dem Vorbild des angelsächsischen „editorial cartoons“, der mit der britischen Besatzungsmacht nach Deutschland kommt, bildet sich die redaktionelle Karikatur heraus, die in der Tagespresse aktuelle Ereignisse kommentiert. Die

186 Es sei an dieser Stelle auf Arbeiten verwiesen, die sich mit der Zensur beschäftigen und die zumeist frühe satirische Zeitschriften des 19. Jahrhunderts untersuchen: Vgl.: Wendel, Friedrich: Das neunzehnte Jahrhundert in der Karikatur. Berlin 1925 · Max, Hubert: Die Satire in der französischen Publizistik unter besonderer Berücksichtigung des französischen Witzblattes. Die Entwicklung von den Anfängen bis zum Jahre 1880. (Schriftenreihe Zeitung und Leben, Bd. 7). Hrsg. v. Karl d´Ester. München 1934 · Piltz, Georg: Die Geschichte der europäischen Karikatur. Berlin 1976 · Kiel-Remer, Margarete: Die liberale Epoche Louis-Philippes (1830-1835) im Spiegel kritischer Werke Barbiers, Daumiers, Dumas´ und Stendhals. (Diss.) Würzburg 1977 · Bayer- Klötzer, Eva-Susanne: Die Tendenzen der französischen Karikatur 1830-1848. (Diss.) Würzburg 1980 · Bilderwelten I. Satirische Illustrationen aus der Sammlung von Kritter. Dortmund, Museum für Kunst und Kulturgeschichte. 1986.

63 Karikaturisten wenden sich verstärkt an die breite Öffentlichkeit. Sie finden ihr Forum in den für sie reservierten Plätzen der großen überregionalen Zeitungen und Magazine, der sogenannten opinion press. Fast jede Zeitung „hält“ sich mindestens einen Karikaturisten. Der Anspruch des Zeichners an die Rezeption ist bei der Karikatur im Vergleich zu anderen künstlerischen Produkten eine Besonderheit, da das Motiv der Verbreitung maßgebend ist. Soll die Karikatur in einer Zeitung gedruckt werden, muß sie den technischen und formalen Anforderungen des Mediums Folge leisten. Die künstlerische Freiheit des Zeichners ist damit eingeschränkt. Reduziert ist diese Freiheit auch durch die Notwendigkeit der tagespolitischen Brisanz des Themas. Dieser Umstand beschert der Karikatur den Ruf, sie habe nur eine kurze Haltbarkeit, ihr künstlerischer Ausdruck sei nicht von Dauer, sie teile „die Kurzlebigkeit als ein Charakteristikum alles in Zeitungen Gedruckten“187. Ihr könne keine Dauerhaftigkeit beschieden sein, denn da sie der Gegenwart gelte, trage „jedes dieser gezeichneten Diabolika sein Verfallsdatum mit sich“188. In diesem Zusammenhang ist das Bild von der „Marsriegel-Schule“ treffend, die die Position vertritt, Karikaturen seien - wie der Verzehr eines Schoko-Riegels - ein „Ex-und-hopp-Amüsement“189. Die durch den zeitlichen Abstand verschleierte oder gar unzugängliche Aussage eines Kunstwerks ist jedoch in der Kunstwissenschaft allgegenwärtig und nicht nur auf politische Karikaturen zu beziehen. Dennoch kann die Karikatur als Kunstwerk über den Tag hinaus Bedeutung gewinnen. Ein Fall, der für die Unsterblichkeit steht, die eine Pressezeichnung erlangen kann, ist die Karikatur „Dropping The Pilot“ von JOHN TENNIEL (1820- 1914), die 1890 in dem englischen Satiremagazin Punch erschien (Abb. 9). Das Motiv dieses Druckes wurde dermaßen oft zitiert, daß das Wilhelm-Busch- Museum in Hannover zum 100. Geburtstag der Karikatur sogar eine Ausstellung veranstaltete, die eigens der Rezeption dieser Karikatur gewidmet war.190. Das Thema „Der Lotse geht von Bord“ begegnet einem auch in der gegenwärtigen Karikatur immer wieder. Um eine jüngere Variante des Sujets als Beispiel für

187 Lucie-Smith 1981, S. 13. 188 Nobis 1991, o.S. 189 Husemann 1993, S. 20. 190 Vgl.: „Zum 100. Geburtstag der Karikatur ´Der Lotse geht von Bord´“. Wilhelm-Busch- Museum Hannover v. 11.11.1990-20.1.1991. Bielefeld 1990. Zu Beispielen von Zitaten der Karikatur Tenniels vgl. auch Schneider 1988, S. 41, 107 und 109 und vgl. Smula, Hans-Jürgen: Der Lotse geht von Bord. Karikatur als historisches Zitat. In: Geschichte lernen, 1990, Nr. 18, S. 46-52.

64 die ungebrochene Adaption der Tennielschen Bildfindung zu zeigen, mag hier eine Zeichnung des Berliner Karikaturisten KLAUS STUTTMANN dienen (Abb. 10).191 Der Untertitel der Karikatur „Der Lotse verläßt das Boot“ ist ein direktes Zitat und nimmt somit eindeutig Bezug auf TENNIEL - allerdings nur inhaltlich. Formal ist die Szene modifiziert. Der Titel der Karikatur TENNIELs wurde zum „geflügelten Wort“.192 Das Beispiel dieses Motivs zeigt, daß die Karikatur genauso ikonographische Traditionen und Modifikationen aufweist, wie die Kunst überhaupt, trotz des tagespolitischen Bezugs der Zeichnung.

1.5.5 Der Karikaturist als Künstler Im Gegensatz zum „freien“ Künstler hat der Karikaturist mehr oder weniger regelmäßig seinen Auftrag zu erfüllen und seine Arbeiten dem Verleger oder Redakteur abzuliefern. Der Wandel in der Bestimmung der Karikatur läßt sich mit den Worten HEUSS´ ausdrücken: „was vorher die Betätigung einer freien Laune war, die sich Objekt und Stimmung frei aussuchte, kommt nun in ein Geschäftssystem“193. Der Karikaturist muß sich an redaktionellen Vorgaben orientieren; seine Zeichnung muß erst vom Chefredakteur „abgenommen“ werden, der sie unter identikativen oder juristischen Bedenken disqualifizieren kann, denn der Beitrag soll beim Leser „ankommen“; er soll nicht verprellt werden. Die Karikaturisten besitzen in der deutschen Presselandschaft einen relativ niedrigen Rang. Der Vergleich mit Honoraren, die Kollegen im Ausland beziehen, zeigt, daß der Karikaturist in unserem Land am unteren Ende der Journalistenhierarchie angesiedelt ist. Außerdem findet sich in den Impressen kein Hinweis auf Urheberrechte ihrer Produkte, wie es doch beispielsweise für Photographien üblich ist. Diese Indizien für die stiefmütterliche Behandlung der

191 Sie illustriert einen Artikel der „taz“ vom 27. Januar 1995, der sich mit der Zukunft der FDP auseinandersetzt. Hier ist zwar auch ein Boot dargestellt, das ist aber bereits bis zum Meeresgrund gesunken, und Klaus Kinkel verläßt keineswegs aus freier Überlegung heraus das Boot (wie Bismarck), sondern versucht, sich an die Oberfläche zu retten. 192 So ist am 1. Mai 1992 in der Wochenzeitung „Die Zeit“ der Leitartikel über Genschers Rücktritt mit diesem Karikaturtitel überschrieben. Vgl.: Sommer, Theo: Der Lotse geht von Bord. In: Die Zeit, Nr. 19 v. 1.5.1992, Titelseite. Entsprechend betitelt ist auch in der „Frankfurter Rundschau“ vom 24. Juni 1995 ein Artikel über den Rücktritt des britischen Außenministers Douglas Hurd. Vgl.: Frankfurter Rundschau, Nr. 144 v. 24.6.1995, S. 3. 193 Heuss 1910/1963, S. 175.

65 Zeichner bestätigt der Karikaturist FRITZ WOLF, der seine eigene Position innerhalb des Journalisten-Kollegiums als „Pausenclown“ charakterisiert.194 So in die Kategorien des Journalismus integriert, zeigt die Arbeit des Karikaturisten zunächst Parallelen zu der des Journalisten. Zwar schafft der Karikaturist ein journalistisches und ein künstlerisches Produkt zugleich, dennoch ist er eindeutig nicht als Journalist, sondern als Künstler zu begreifen. Sein Metier ist die Schnellzeichnung, die eigenen Gestaltungsprinzipien unterworfen ist und sich nicht mit zeitgenössischen Trends in der Kunst vergleichen läßt. Doch die Verarbeitung des Themas in der Karikatur ist von der Findung der Bildidee bis zur technischen Ausführung künstlerisch.195 Und wie jeder Künstler muß auch der Karikaturist über gewisse psychologische Fähigkeiten verfügen: „Der große Karikaturist bedarf der Intuition wie der echte Künstler; durch eine einzige Linie vermag er eine Seele zu entlarven. [...] er vermag - noch mehr - das Wesen eines Menschen zu erhellen, indem er es in einen historischen Bereich hinüberdeutet, mit dem jener in seiner Wirklichkeit nichts zu schaffen hat, vielleicht aber in einer höheren Sphäre der Wahrheit.“196 Auch dem Karikaturisten selbst werden (in Analogie zur langen Tradition von Künstlerlegenden) gewisse psychische Merkmale unterstellt. Sie „machen“ ihn erst zum Karikaturisten: „Er ist höhnisch und menschenfeindlich und geht durch die Welt mit dem Willen, in jeder Seele den Keim des Schlechten und des Widerlichen zu finden [...] Es liegt eine gewisse unheimliche Versuchung darin, sich beständig mit den Menschen zu beschäftigen, nicht mit Gegenständen, mit Gedanken, mit der Natur - der Karikaturist ist dieser Gefahr ganz verfallen. [...] Und mit der Welt zerstört er sich selbst in Hohn und Haß.“197

194 Vgl.: Hachfeld, Rainer: Die Pausenclowns. In: die tageszeitung v. 17.4.1996 (im folgenden: Hachfeld 1996), S. 15. 195 Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich der Frage, wer Karikaturist wird, lassen sich nicht aufstellen. Nach einer Recherche von Bornemann haben fünfzig von achtzig Karika- turisten der Gegenwart eine Ausbildung in einem künstlerischen Metier abgeschlossen, elf ein Architekturstudium, neun ein anderes Hochschulstudium und wiederum neun eine vollkommen anderes geartete Ausbildung. Vgl.: Bornemann 1972, S. 16. Häufig sind die Karikaturisten Autodidakten oder sie absolvierten eine Schule für angewandte Kunst. Weniger häufig besuchten sie eine Akademie der Schönen Künste. Vgl.: Bohne 1972, o.S. 196 Lucka, Emil: Vom Sinn der Karikatur. In: Deutsche Allgemeine Zeitung v. 21.11.1926 (im folgenden: Lucka 1926), o.S. 197 Lucka 1926, o.S.

66 Ebenfalls um die Psyche des Karikaturisten - allerdings mit einer abweichenden Auffassung - geht es auch, wenn ihm ein besonderer Idealismus angedichtet wird.198 Demnach wäre der Reiz des Widerspruchs zu konstatierten Mißständen der Motor der „Berufung“ des Karikaturisten. Was er in seiner Umwelt wahr- nimmt, widerspricht seinem Ideal und fordert seinen Einwand heraus, der sich dann in der verzerrenden Zeichnung entlädt. Dann bedarf der Karikaturist aber auch des Glaubens an die Erziehbarkeit der Menschen als Voraussetzung, um zu einer besseren Welt gelangen zu können. Dieser Optimismus, die persönlichen Erkenntnisse in Form der Karikatur an andere weiterzugeben, kann als Moti- vation der Karikaturisten aufgefaßt werden. Gerade der Konflikt zwischen Ideal und Realität, zwischen seiner Auffassung und seiner Umwelt, gebiert nach dieser Vorstellung den Karikaturisten. Das Zeichnen von Karikaturen wird zum Befreiungsakt aus diesem Dilemma.199 Die Einschätzungen der psychischen Motive des Karikaturisten reichen also von der Auffassung, er sei ein Misanthrop, bis dahin, er sei der Idealist schlechthin.200 Als besondere Fähigkeit des Karikaturisten gilt sein Vermögen, das jeweils Wesentliche einer Erscheinung erfassen und dies in einem Kürzel reduziert wiedergeben zu können. Dazu bedarf es eines geschulten Blicks für das Charakteristische des betrachteten Gegenstandes und der Vorstellungskraft, wie die überspitzte Interpretation des Geschauten in der Zeichnung verwirklicht werden soll. Unabhängig davon muß der Karikaturist die Publikumswirksamkeit seiner Zeichnung bedenken. Mit diesen gestalterischen Problemen muß sich der Karikaturist genauso beschäftigen, wie jeder andere Künstler auch. Nicht nur nach der Qualität des zeichnerischen Handwerks sind die Karikaturen zu beurteilen, sondern unabhängig davon auch nach der Verarbeitung der Idee. Es besteht die Forderung an die Karikatur, daß sie eine intellektuelle Erwartung

198 So heißt es beispielsweise in einer Ausstellungsbesprechung von 1927: „Denn im Grunde sind diese Karikaturisten fast alle, die großen mehr, die kleinen weniger, heimliche Idea- listen, vielleicht echtere Idealisten als mancher andere, der es nur aus Bequemlichkeit ist.“ „Meister der Karikatur seit 1800“. Ausstellungsbesprechung in: Hannoverscher Anzeiger, Nr. 237, v. 9.10.1927. 199 Vgl.: Nemitz, Fritz: Vom Wesen der Karikatur. In: Illustrierte Zeitung, Nr. 4421, 1929, S, 796. 200 Auffallend ist, daß gerade in den 20er Jahren Autoren über die psychischen Dispositionen des Karikaturisten spekulieren - allerdings nur im Rahmen von einzelnen Zeitungs- artikeln und nicht im Sinne größerer wissenschaftlicher Arbeiten.

67 erfüllt.201 Neben die zeichnerische Gestaltung der Linien und des Bildaufbaus tritt die Komponente der Originalität und Witzigkeit des Einfalls. Die Kreation der Karikatur ist nicht nur eine individuelle Angelegenheit eines Künstlers, denn der Karikaturist schafft Formeln, die eine Eigendynamik gewinnen, d.h. sie werden zu Symbolen, derer andere Karikaturisten sich bedienen. Die Kollegen schöpfen gleichsam aus einem Fonds an Formen, Gestalten und Symbolen, die - einmal erfunden - eine Tradition begründen. Hinzu kommt, daß der Karikaturist die Formen vereinfacht, er reduziert das Geschaute auf wenige Striche, und „eben darum ist seine Kunst, sobald deren Verfahren aufgedeckt ist, ´entzaubert´ und kann in Lehrbüchern kodifiziert werden.“202 Traktate zum Lehren dieser Technik vergleicht HOFMANN mit Rezeptbüchern. Zwar ist die Karikatur an sich ein Widerspruch zur Ästhetik des Schönen und ein Protest gegen deren Gesetzmäßigkeiten, sie hat allerdings ihre eigenen. Sie erfindet im Protest eine Norm, „in der ihre Formensprache mit einer verbindlichen Grammatik versehen wird.“203

1.5.6 Karikatur und Stil Für die Angewohnheit der Kunstgeschichte, die Kunst in Stilepochen mit ihren „Ismen“ einzuteilen, ist die Karikatur ungeeignet. Eine Stilentwicklung, adäquat der ansonsten in der Kunst sich vollziehenden, ist bei der Karikatur nur latent vorhanden, weil ihre jeweilige Ausdrucksform sich nach dem Zweck richtet und deshalb eine gewisse Unabhängigkeit von zeitgenössischen Stilrichtungen zeigt. Losgelöst von Stilkategorien lassen sich aus dem karikaturistischen Tun einzelne „Handschriften“ herauskristallisieren.204 Künstler wie DAUMIER oder GUSTAVE DORÉ (1832-1883) unterscheiden sich durch ihren eigenen Stil von

201 Vgl.: Guratzsch 1991, S. 13. 202 Hofmann 1984, S. 369. 203 Hofmann 1984, S. 369. Schon Fuchs hatte von der der Karikatur eigenen Sprache und von der ihr eigenen Grammatik gesprochen. 204 Zur Erläuterung, was unter dem Begriff „Handschrift“ zu verstehen ist: „Handschrift des Künstlers nennt man die seinen Werken eigentüml. techn. und v.a. formalen Besonder- heiten, in denen Zeittypisches, spezifisch techn. Möglichkeiten und der bes. Ausdruck des Künstlers zusammenfließen. [...] Die H[andschrift] d[es] K[ünstlers] hat zeitbedingte Elemente, die dem allg. Stand der künstler. Wiedergabe entsprechen (vermittelt durch Schule oder Werkstatt), stellt jedoch eine individuelle Modifikation dar.“ Lexikon der Kunst 1991, S. 122.

68 anderen Zeichnern.205 Die Skala des Ausdrucks reicht von dem mehr oder weniger „naiven“ Kritzelstil bis zur expressiven oder sogar manierierten Linienführung. Will man die Karikaturen innerhalb ihres Genres verschiedenen Stilkategorien zuordnen206, so lassen sich verschiedene Umgangsweisen mit der Linienführung unterscheiden: DAUMIER läutet den „dynamischen Stil“ ein (Abb. 11), der sich durch einen Wechsel von schwungvollen Linien und Flächen auszeichnet. Vor allem künstlerischen Ansprüchen verpflichtet ist der „ästhetisch-betonte Stil“, der vorzugsweise von Simplicissimus-Zeichnern wie BRUNO PAUL (1874-1966) und OLAF GULBRANSSON (1873-1958) vertreten wurde (Abb. 12). Der virtuose, teilweise ornamentale Umgang mit Linie und Bildaufbau lassen die zeichnerische Qualität vor der Aussage dominieren.207 Auf Verzerrung und Abstraktion verzichtet der „naturalistische Stil“. Er stellt seinen Gegenstand in einer veristischen Zeichnung dar. Dieser Stil wird zumeist in Positiv- Karikaturen favorisiert, so z.B. während des Nationalsozialismus von OSKAR GARVENS (1874-1951, Abb. 66) oder in ideologisch motivierten kommunis- tischen Karikaturen.208 ALFRED KUBIN (1877-1959) und ANDREAS PAUL WEBER (1893-1980) sind Protagonisten eines Stils, der erst in einem verwirrenden und bizarren horrorvacui der Striche den Ausdruck findet. Mit diesem „grotesk- verwirrenden Stil“ suchen die Zeichner den Inhalt zu ergänzen, ein Gefühl des Unheimlichen zu vermitteln und eine mahnende Wirkung zu entfalten (Abb. 266). Auch die Photomontage ist ein häufig vertretener Karikatur-Stil, der, durch Da-Da beeinflußt, in den 20er Jahren als Collage von Photographien und/oder Zeichnungen aufkommt. JOHN HEARTFIELD (Pseudonym für

205 Die Handschrift eines Karikaturisten kann sogar zum politischen Programm werden: „Es fällt auf, daß die Zeichner der nationalsozialistischen Brennessel, die im Kopieren nicht kleinlich waren und viele Arbeiten (selbst Zeichnungen der Käthe Kollwitz) inhaltlich umfunktionierten, den Stil von George Grosz nicht nachahmten. Offensichtlich ist Grosz´ Strich so charakteristisch, daß er schon unabhängig vom Inhalt den Lesern der damaligen Zeit seine sozialistische Parteinahme vermittelte. Ähnliches trifft wohl auf einen der Hauptzeichner des sozialistischen Wahren Jakob der Weimarer Zeit, Karl Holtz, zu. Auch seine Handschrift ist charakteristisch, und sicher liegt hier der Grund, warum Holtz selbst unpolitisch humoristische Zeichnungen im Simplicissimus des Dritten Reiches nicht veröffentlichen durfte.“ Grünewald 1979, S. 110 (Hervorhebung im Original). 206 Vgl.: Grünewald 1979, S. 112ff. Auch Reumann vollzieht eine solche Einteilung. Vgl.: Reumann, Kurt: Das antithetische Kampfbild. Beiträge zur Bestimmung seines Wesens und seiner Wirkung. (Diss.) Berlin 1966 (im folgenden: Reumann 1966). 207 Vgl.: Grünewald 1979, S. 114. 208 Vgl.: Grünewald 1979, S. 116.

69 HELLMUTH FRANZ JOSEPH HERZFELD209, 1891-1968) machte die Technik der Photomontage zum Ausdrucksmittel seiner Karikaturen (Abb. 135 und Abb. 240)210. Seine Nachfolge hat er heute z.B. in den Arbeiten des Graphikers KLAUS STAECK gefunden, dessen Spezialität politische Plakate sind. Aber auch Magazine wie Der Spiegel, Der Stern und Focus zeigen häufig karikierende Photomontagen als Titelbilder. Ihre Wirkung zieht die Photomontage aus der Verfremdung von Dokumentarphotos bekannter Personen. Damit färbt auf die Karikatur die Authentizität ab, die dem Photo unterstellt wird.211 Während im 19. Jahrhundert die Karikaturen noch vergleichsweise detailreich ausgeführt waren, sind die Zerrbilder unserer Zeit asketischer gezeichnet. In der Pressezeichnung begegnen wir dem Stil, der einerseits drucktechnisch die ökonomischste Variante ist und andererseits einem kritisch-analysierenden Schlagzeilencharakter entspricht: dem „kurzschriftartigen Stil“. Details und Nebensächlichkeiten gänzlich weglassend, streben die heutigen Karikaturisten nach einer graphischen Reduktion und Vereinfachung der Linien.212 Die farbige Karikatur ist in diesem Metier nicht anzutreffen. Es besteht eine gewisse Notwendigkeit des Pressezeichners, sich einen schematisierten Stil zuzulegen, um schnell auf Ereignisse reagieren zu können und um in der Tagespresse aktuell zu sein. Der Karikaturist zeichnet zunächst (mit Zeichenstift, Feder, Kreide, Tusche, mittels Computermau, „touchscreen“ oder wie es ihm ansonsten beliebt) einen Entwurf, der (meist in mehreren Stationen) zur Reproduktionsvorlage heranreift. Der Pressezeichner stellt heute selbst keine Druckplatte her. Die Zeichnung wird nicht von ihm selbst reproduziert, sondern als Druckvorlage in ein

209 Er anglisierte seinen Namen aus Protest gegen den deutschen Chauvinismus. Vgl.: Flemig, Kurt: Karikaturisten-Lexikon. München 1993 (im folgenden: Flemig 1993), S. 110. 210 Die gleiche Technik verwandte der Photograph Erwin Blumenfeld, ein Zeitgenosse Heartfields, der zwar nicht als Karikaturist zu begreifen ist, der aber ebenfalls mittels Photomontage die Absicht hatte, „das Unsichtbare sichtbar“ zu machen, und dessen Hitler-Portät, das hinter dem Konterfei des Diktators einen verwesenden Schädel zum Vorschein kommen läßt, von den Alliierten 1943 als Flugblatt in ihrer Anti-Hitler- Propaganda eingesetzt wurde. Vgl.: Ihle, Pascal: Ikonen des Grauens - die Hitler-Bilder von Erwin Blumenfeld. In: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 58 v. 11.3.1997, S. 32. 211 „Unser Vorurteil, das Foto dokumentiere Wirklichkeit, wird partiell auf die Collage übertragen. So wird die Interpretation und Kritik der Fotosatire in ihrem Wahrheits- anspruch verstärkt. Dokumentationspartikel der Realität vermitteln zusammengefügt den Blick hinter die gewohnte Fassade.“ Grünewald 1979, S. 116. 212 Vgl.: Grünewald 1979, S. 113.

70 Druckklischee umgesetzt. Egal, ob die Zeichnung dem Computer direkt via Datenübertragung eingespeist wird, oder ob sie zuerst noch gescannt werden muß, der Druckcomputer verfährt mit den ihm eingegebenen Daten gleich: Mit den gespeicherten Daten steuert dieser Computer eine Laserdiode, die die Tonwerte photoelektrisch von der Zeichnung abtastet und in die Druckplatten jene winzigen Vertiefungen einbrennt, die dann die Druckfarbe auf das Papier übertragen (bei einzelnen Systemen sind sogar die Druckplatten überflüssig; sie arbeiten - ähnlich wie Kopierer - mit Toner, der zunächst auf eine Trommel und dann auf das Papier übertragen wird). Zur Reproduktion in der Zeitung wird die Vorlage des Karikaturisten auf ein passendes Maß verkleinert maschinell in ein Kunststoffklischee graviert, wobei die ganz feinen Striche verlorengehen. Dieses Offset-Druck-Verfahren vermag es nicht, Tonwerte wiederzugeben. Dazu bedarf es der wesentlich aufwendigeren Autotypie (Rasterätzung). Die Zwischentöne in der Zeichnung - wie die Lithographie sie noch vorweisen kann - fallen weg; der Schwarz-Weiß-Kontrast und die scharfe Linie sind dominierende Träger der Darstellung. Genau dieser Zustand, den an der kräftigen Zeichnung orientierten Druck, wird von HEYNOWSKI als das eigentliche künstlerische Original bezeichnet: „Das eigentliche Original deshalb, weil es die Qualität der hunderttausendfachen Reproduktion in der Presse und damit die Wirksamkeit der Zeichnung bestimmt.“213 Das Reproduktionsverfahren der Zeitungspresse bestimmt die Drucktechnik, in der die Vorlage des Zeichners umgesetzt wird. Damit kann sich der Karikaturist die Drucktechnik mitsamt der Charakteristika ihrer Produkte nicht wie ein „freier“ Graphiker aussuchen, wodurch sein graphisch-künstlerischer Spielraum enger ist. Er kann nicht aus unterschiedlichen „Ausdruckssprachen“ diverser technischer Medien wie Radierung, Holzschnitt, Lithographie etc. wählen. Deshalb kann es bei der Beurteilung von Karikaturen nicht darum gehen, die ihnen inhärente zeichnerische Qualität gegen andere zeichnerische Produkte der historischen oder der „hohen“ Kunst auszuspielen. Die Frage nach der künstlerischen „Handschrift“ ist in diesem Rahmen der technischen Bedingungen und der Gebundenheit an Aktualität eine besondere. Was die sogenannten „zeitbedingten Elemente“ einer „Handschrift“ anbelangt, lassen sich Gemeinsamkeiten im Zeichenstil der Pressegraphiken schon durch ihr reduktionistisches Verfahren konstatieren. Dennoch sind ihre Produkte keineswegs gleich, sondern eine „Handschrift“ ist an ihnen ablesbar. Für den

213 Heynowski 1955, o. S.

71 Karikaturisten besteht sogar eine Notwendigkeit, sich durch einen unverwechselbaren Stil bzw. einen für ihn typischen „Strich“ einen „Namen“ aufzubauen als Erkennungsmerkmal. Das Entwickeln von Identifikations- merkmalen oder „Markenzeichen“ ist Voraussetzung für den Bekanntheitsgrad des Zeichners. In der Identifizierbarkeit der Karikatur liegt der Gradmesser nicht nur für den existentiellen Erfolg des Zeichners, sondern auch für die Wirksamkeit seiner Zeichnungen.214

Für SCHWALBE ist nicht die künstlerische Form bei der Karikatur das Entscheidende. Sie ist lediglich „würzende Beigabe“. Die Karikatur kann „künstlerisch wertvoll“ sein, muß es aber nicht, denn das künstlerische Niveau ist nicht ausschlaggebend für die Absicht und ihre Wirkung.215 In bezug auf die publizistische Funktion der Karikatur kann ein künstlerischer Anspruch sogar eher hinderlich sein, weshalb ästhetische Kriterien kein Maßstab für die Qualität einer Karikatur sind. Deshalb sei es unsinnig, die Karikatur nach künstlerischen oder ästhetischen Gesichtspunkten bewerten zu wollen. Die Aussage FUCHS, die Karikatur sei „auf die Gasse übertragene Kunst“, ist laut SCHWALBE somit nicht haltbar.216 Wie an anderer Stelle bereits beschrieben, meint FUCHS eine Kunst, die die „Masse“ der Menschen direkt anspricht, vergleichbar der Kirchenkunst früherer Epochen, ohne daß die Rezipienten sich zur Kunstbetrachtung entschließen müssen, ohne daß die Aufnahme von Kunst bewußt getätigt wird.

1.5.7 Die Karikatur als „auf die Gasse übertragene Kunst“ Nun gibt es verschiedene Auffassungen darüber, welcher kunsttheoretische Stellenwert der Rezeption von Karikaturen zukommen soll. Es geht dabei um die Frage, ob sie als Kunst wahrgenommen wird, und wie dies in Beziehung zu setzen ist zum Verhältnis von Betrachter und Kunst im allgemeinen. Die ästhetische Würdigung der Karikatur als Kunst ist für HEUSS notwendig, „weil heute die Karikatur im Gewand des Witzblattes die Kunstform ist, die

214 Vgl.: Fecht, Thomas (Hrsg.): Politische Karikatur in der BRD. Reinbek 1974, S. 8f. 215 „Die publizistische Wirksamkeit etwa der Karikatur im Kladderadatsch des 19. Jh. nahm in dem Maße ab, als die künstlerische Qualität des Blattes zunahm. [...] Das soll nicht etwa heißen, daß ´guter Künstler´ immer gleichbedeutend ist mit ´schlechter Karika- turist´. Im Gegenteil. Der Künstler ist für die Karikatur nicht zu entbehren. Wohl aber das Künstlerische.“ Schwalbe 1937, S. 26. 216 Vgl.: Schwalbe 1937, S. 25, Anmerk. 45.

72 ununterbrochen und am ausgedehntesten ein Publikum findet“.217 Dieser Gedanke ist insofern folgerichtig, als davon auszugehen ist, daß der Zeitungs- leser der Karikatur zwangsläufig ausgesetzt ist, gleichgültig, ob er sie nun rezipieren möchte oder nicht. Die Karikatur ist eine Kunst, die auf jeden Fall ihr Publikum findet, und zwar ein sehr breit gefächertes, was von der zeit- genössischen Kunst ansonsten wohl kaum behauptet werden kann. „Die Kunst ist eine Sprache“ - sagt IRING FETSCHER - und wie bei jeder Sprache bedarf es des Verstehens zwischen Sprechenden und Hörenden bzw. zwischen Kunst und Rezipient. Diese selbstverständliche Wechselseitigkeit ist nicht mehr unbedingt gegeben, wenn in voneinander isolierten Gruppen die verschiedensten „Sprachen“ gesprochen werden. Die Kommunikation zwischen Künstler und Betrachter ist demgemäß eingeschränkt. Nur eine spezielle Zielgruppe „versteht“ die ohnehin nur für sie produzierte Kunst. „Immer häufiger begegnen wir dem Phänomen der Esoterik, der ´Kunst für die Eingeweihten´, für die wenigen wirklichen oder vermeintlichen Kenner“ konstatiert FETSCHER und stellt weiterhin fest, daß die Kunst „bei aller prinzipieller Freiheit - als bloßer Luxus an den Rand gedrängt wird und zur Sache weniger Experten verkommt“.218 Betrachtet man den Kunstbetrieb der Gegenwart, dann bestätigt sich, daß sich die Rezipienten von Kunst nur aus einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung rekrutieren, der zudem in einer elitären Schicht angesiedelt ist, da sich die zeitgenössische Kunst und ihre Vermarktung an ein entsprechend gebildetes und vermögendes Bürgertum wenden. „In den Werken der jüngsten Gegenwart wird die Sprache der Farben, des Materials und der Formen von philosophischen Chiffren und Konnotationen überlagert und dominiert. Der Abstraktionsprozeß, der am Anfang unseres Jahrhunderts zu absoluter Form, zu komprimierter Ästhetik fand, hat eine Verfremdung durch schwergewichtige Gedanklich- keit, eine Aufblähung durch Zufuhr von interpretatorischen, psycholo- gischen, didaktischen, moralischen, sozial-romantischen Nährstoffen und Treibmitteln erfahren. Das Kunstwerk strotzt nun von sinnpotenzierter Gravität, hochgezüchtetem Intellektualismus, aber auch von quälender Schwangerschaft (für die meist vergeblich nach Geburtshilfe Ausschau gehalten wird).“219 Die „Inthronisation unübersteigbarer Denkmonumente“ und die Unzugänglich- keit des Inhalts der Kunstwerke haben zur Folge, daß „die überwiegende

217 Heuss 1910/1963, S. 190. 218 Fetscher, Iring: Kunst und Macht. In: Information der Hochschule der Künste, 1979, S. 3- 8; hier: S. 7. 219 Guratzsch 1991, S. 15.

73 Mehrheit der Zuschauer zu Unmündigen erklärt“220 wird. Die „hohe“ Kunst hat ihren Ort nur noch im Gefolge der Interessen einer bestimmten gesellschaft- lichen Gruppe und fungiert somit als Identifikationsmoment eben dieser Bevölkerungsgruppe und nicht der Menschen überhaupt. Diese Kunst ist elitär und auch nur deshalb und solange für den Betrachterkreis interessant, wie sie es bleibt. Völlig anders verhält es sich mit der Karikatur. „Wer geht in die Museen, und wie viele verlassen die Museen mit einem Mehr an künstlerischer Einsicht? Alle besuchen die jährlichen Kunstausstellungen, aber was haben sie davon? Die Karikatur kommt zu jedem; er kann ihr so schwer entgehen wie den Fotografien des ´Weltspiegels´ und der ´Woche´. [...] Da bleibt wenig neben der Karikatur, die als Zeugnis eines bestimmten Kunstwillens und formalen Könnens den Durchschnittsbürger regelmässig erreicht.“221 Eine Wertschätzung der Karikatur auf ästhetischem Gebiet ist deshalb so wichtig, weil sie die einzige Kunstform ist, die heute noch eine breite Rezeption erfährt, selbst wenn der Betrachter ihrer unfreiwillig und ohne sie als Kunst zu deklarieren anschauig wird. Damit ist die Karikatur doch „auf die Gasse übertragene Kunst“. Jeder, auch der an Kunst nicht Interessierte, begegnet der Kunst in Form von Plakaten und Zeitungskarikaturen täglich. Diese „Galerie der Straße und der Zeitungen“ (SCHMIED) formt den Geschmack des (unfreiwilligen) Betrachters. SCHMIED wagt darüber hinaus die These, die Kunst der Plakate und Karikaturen, in der sich bestimmte künstlerische Ausdrucks- mittel manifestieren, könne zum Verständnis der modernen Kunst beitragen. Er nennt die Karikatur eine „sehr demokratische Sache“, weil sie eine Kunst ist, die allen „gehört“. Deshalb ist sie „Kunst für das Volk“.222 Der Karikaturist GUIDO ZINGERL begreift vor allem unterprivilegierte Schichten als von der „hohen“ Kunst ausgeschlossen, in der Karikatur aber repräsentiert.223 Das Bildbedürfnis breiter Schichten wird durch die zeitgenössische Kunst nicht mehr befriedigt. Gemeinsam mit der Karikatur wird diese „Marktlücke“ von der Bilderzählung und dem Film wieder ausgefüllt, wobei diese Bilderwelt die

220 Guratzsch 1991, S. 15, Anmerkung. 221 Heuss 1910/1963, S. 190. 222 Schmied 1957, S. 735. 223 „Der Schnittpunkt aber, wo sich die arbeitende Klasse optisch dargestellt sieht, ihre Identität findet, wo sie den Künstler das erste Mal braucht, wo der Künstler das erste Mal spürt, daß er der Arbeiterklasse nützlich ist, der Schnittpunkt nämlich, wo sich zuallererst der gemeinsame Weg zeigt: Das ist die Karikatur im Klassenkampf.“ Zingerl, Guido: Karikatur und Klassenkämpfe. In: tendenzen, Jg. 13, 1972, Nr. 83, S. 1-10 (im folgenden: Zingerl 1972); hier: S. 10.

74 gesamte Skala vom Banalen bis zum Erhabenen abdeckt.224 HOFMANN spricht von einer kollektiven Sehnsucht der „Konsumenten“, die den Drang befriedigen wollen, „die Dinge einmal in ihrer konkreten Situation, in ihrer Zuständlichkeit zu sehen. Man will Konflikte erleben, die dem Alltäglichen entspringen, man will die Bilderwelt des Hier und Jetzt, die konzentrierte Tatsächlichkeit auskosten, eine Wirklichkeit, in der jeder sich selbst zu sehen vermag. So gesehen stellt heute die Karikatur einen Akt der Versinnlichung dar, indem sie versucht, der Welt ihr ´mittleres Maß´ der Anschaulichkeit wiederzugeben.“225 Die „Hochkunst“ hat insofern versagt, als sie keine normative Kraft mehr ist. Aufgrund ihrer Kopflastigkeit, die jenseits des Nachvollziehbaren liegt, mangelt es ihr an Kommunikation mit der Realität. GURATZSCH mokiert sich, die Kunst erhebe selbst den Schluck aus der Kaffeetasse zur mythenschweren Daseinsbewältigung. Dementsprechend konstatiert er einen Wandel im Bedeutungsverhältnis von „hoher“ Kunst und Karikatur: „In dem Maße nämlich, in dem moderne Kunst unverständlicher geworden ist, weil sie zunehmend mit Interpretationsschwierigkeiten ihrer Betrachter zu kämpfen hat, erlebt die Karikatur, die im wesentlichen ihren vertrauten Kodex an Mitteln und Motiven beibehielt, dank ihrer Verständlichkeit eine enorme Aufwertung.“226 Er sieht seine These belegt durch die Resonanz und Nachahmungsbemühungen an anderen Orten, die das bislang einzige Museum, das systematisch zeit- genössische satirische Zeichnungen ankauft (das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover) in steigendem Maße findet. Auch auf wissenschaftlicher Ebene registriert er eine Karriere der Karikatur: „Mühelos ließen sich zwanzig Lehrstuhlinhaber und ebenso viele Museumsleiter allein in Deutschland nennen, die der Karikatur heute erhöhte Aufmerksamkeit schenken.“227 Dies wirkt sich

224 Vgl.: Hofmann 1984, S. 383. 225 Hofmann 1984, S. 383. 226 Guratzsch 1991, S. 14. 227 Guratzsch 1991, S. 14. Beispielsweise beschäftigt sich ein Graduiertenkolleg an der Uni- versität Hamburg, Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde mit politischer Ikono- graphie und dabei u.a. mit Karikaturen. Das von Guratzsch konstatierte Interesse bedeutet jedoch nicht, daß es Lehrstühle für Karikaturenanalyse oder -zeichnen gibt. Zwar wurden einzelne Gastdozenturen an Karikaturisten vergeben (so 1971 an Klaus Staeck an der Gesamthochschule Kassel und 1973 an der Universität Gießen, und Hans Traxler erhielt an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach einen Lehrauftrag), doch im Verzeichnis deutscher Lehr- und Forschungsstätten (Vademecum, Bd. 1 und 2. Hrsg. v. Raabe Fachverlag für Wissenschaftsinformation. Bonn 1994, 11. Auflage) ist kein Lehrstuhl für Karikatur vermerkt. Der Karikaturist (unter dem Pseudonym F.W.

75 wiederum auf den Kunstmarkt aus, auf dem die Karikatur als Sammelobjekt boomt.228 Die Karikatur muß kompensieren, daß sich die moderne Kunst ansonsten von der sichtbaren Realität entfernt. „Der kommunikativen Kunstrichtung Karikatur steht der auffällige Verlust an Kommunika- tionsfähigkeit in den Werken des ´ernsthaften´ Kunstschaffens gegenüber.“229 Spätestens angesichts des Vakuums, das die „hohe“ Kunst nicht auszufüllen imstande ist, wird die Bedeutung der Karikatur offensichtlich und damit gleichzeitig der Bedarf an ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung – auch unter dem Aspekt ihres politischen Potentials.

Bernstein) und Professor für Karikatur und Bildergeschichte an der Hochschule der Künste Berlin, Fritz Weigle, ist der einzige deutsche Professor, der innerhalb eines Kunst- oder Ästhetik-Fachbereichs über Karikaturen lehrt, nämlich im Fachbereich „Ästhetische Erziehung, Kunst- und Kulturwissenschaften“. 228 Vgl.: Guratzsch 1991, S. 15. 229 Guratzsch 1991, S. 15.

76 2 Zum Zusammenhang zwischen Karikaturen, Stereotypen und Feindbildern

Die Karikatur ist ein bevorzugtes Medium für Feindbilder. Sie wird in die Propaganda eingebunden. Das ist auch bei aktuellen Karikaturen nicht anders. Das Verhältnis der Feindbilder zu Karikaturen ist das der Benennung und Bebilderung. Indem der Feind auf das Papier gebannt wird, wird er konkret, bekommt ein Gesicht und läßt sich beim Namen nennen. Durch die Konkretisierung des Feindes im Bild wird er zum greifbaren Gegenüber. War er vorher zumeist ein Abstraktum, so wird er mit der Abbildung gleichsam erst geschaffen.230 Bilder (und Karikaturen) vom Feind sind somit ein Faktor bei der Produktion von Feindbildern. Die Feinde wechseln im Laufe der Geschichte. Vor dem Hintergrund der Ablösung alter Feindbilder durch neue soll hier untersucht werden, ob und wie sich mit wechselndem Personal der Feindbilder auch die Motive ändern. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts entwickeln sich aus ehemaligen Feinden Freunde. LUIS MURSCHETZ zeigt in der Karikatur „Männerfreunde“ vom Februar 1996 (Abb. 13) diese mittlerweile veränderte „Gefühlslage“ sehr treffend (wobei er mit Merkur als Aufziehfigur auf den Punkt bringt, daß die „Freundschaft“ auf wirtschaftlichen Interessen beruht). Durch den Wegfall alter Gegnerschaften droht ein Feindbild-Vakuum zu entstehen. Ein neues Feindbild muß gefunden werden, was auch im Zuge des sich verschärfenden Nord-Süd-Konflikts und spätestens mit dem Zweiten Golfkrieg rasch geschieht. Es scheint einen immerwährenden Bedarf an Feindbildern zu geben. Die psychosozialen Hintergründe von Feindbildern sollen im folgenden reflektiert werden. Bevor eine Phänomenologie der Feindbildtypen vorgenommen wird, ist es zunächst sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, was es mit Stereotypen und

230 Das heißt, „daß es sehr wohl Feindbilder gibt, die den Feind als Feind erst hervorbringen, die ihn nicht bloß konturieren und kenntlich machen, sondern überhaupt erst konstituieren.“ Münkler, Herfried: Politische Bilder. Politik der Metaphern. Frankfurt a.M. 1994 (im folgenden: Münkler 1994), S. 30. Selbst wenn vorausgesetzt wird, Feindschaft sei in der Psyche des Menschen veranlagt (muß also nicht erst durch Bebilderung geschaffen werden) und wartet nur auf ein Objekt, auf das sie sich richten kann, dann bleibt dennoch die Verantwortung der Abbildung des Feindes, denn „der bestimmte Name und die Art der Bilder [sind] dafür ausschlaggebend, ob Frieden möglich ist oder nicht.“ Münkler 1994, S. 22f.

77 Feindbildern aus psychologischer und politologischer Sicht auf sich hat und welche immanente Bedeutung sie für Karikaturen haben.

2.1 Stereotyp: Begriff und Theorie Die Karikatur arbeitet mit Übertreibung, mit Reduktion, also Zuspitzung auf ein bestimmtes Merkmal hin, mit Metaphern, Symbolen und Synekdochen. An diese Linie schließt sich das Verfahren der Typisierung an. Die Typisierung ist in unserem Kontext von besonderem Interesse. Die Termini „Typisierung“ und „Stereotypisierung“ können als Synonyme behandelt werden, denn das karikaturistische Mittel der Typisierung entspricht dem, was auch Stereotype leisten: „Stereotypie in der Typisierung ist gegeben, wenn eine Visualisierung für einen bestimmten Typ nicht als Einzelfall auftritt, sondern regelmäßig zur Typisierung einer Gruppe bzw. eines Gruppenangehörigen eingesetzt wird, wobei es gleichgültig ist, ob dies mittels Betonung physischer (Gesichtszüge, Leibumfang bzw. Körpergröße und -statur) oder anderer Merkmale geschieht (z.B. Kleidung, Kopfbedeckung). Die Kennzeich- nung kann auch unter Nutzung von Emblemen und Symbolen erfolgen.“231 Genau diese Verfahren sind in der Karikatur allgegenwärtig, weshalb es unabdingbar ist, sich mit der Bedeutung von Stereotypen näher zu beschäftigen. Der Begriff „Stereotyp“ meint verallgemeinernde, klischeehafte und vereinfachende Vorstellungen. Stereotype sind „geistige Schubladen“ und lassen sich als das „starre Festhalten an bzw. die Wiederholung von immer denselben Haltungen und Sätzen bzw. Vorstellungen“ definieren.232 Der Terminus

231 Handl, Haimo L.: Stereotypie in der Massenkommunikation am Beispiel von Karika- turen. In: Angewandte Sozialforschung, Jg. 16, 1990/91, H. 1/2, S. 101-107 (im folgenden: Handl 1990/91); hier: S. 101. 232 Vgl.: Flohr, Anne Katrin: Feindbilder in der internationalen Politik. Ihre Entstehung und Funktion. (Bonner Beiträge zur Politikwissenschaft, Bd. 2). Münster 1991 (im folgenden: Flohr 1991), S. 23. Vgl. auch: Barres, Egon: Vorurteile. Theorie - Forschungsergebnisse - Praxisrelevanz. Opladen 1978, S. 65: „Das Phänomen, daß sich Urteile und Attitüden innerhalb von zahlenmäßig größeren Gruppen gegenüber anderen sozialen Gruppen oder auch gegenüber der eigenen sozialen Gruppe häufig stark ähneln [...] bezeichnet man mit dem Ausdruck ´Stereotypisierung´, die Sachverhalte solcher ähnlicher Urteile oder Attituden als Stereotypen.“ Ergänzen läßt sich diese Begriffsbestimmung mit der Einschätzung Hofstätters: „Stereotype präsentieren sich zwar als Aussagen über Bestände, wir werden ihnen aber wohl nur gerecht, wenn wir sie als ´Erwartungen´

78 „Stereotyp“ steht in mehr oder weniger großer Nähe zu anderen Begriffen wie „Meinung“, „Image“, „Vorurteil“, „Einstellung“ und „Feindbild“.233 Er geht auf WALTER LIPPMANN zurück234, der ihn in die Sozialpsychologie einführte als Bezeichnung von „pictures in our heads“235. Demnach sind Stereotype oder Vorurteile Vorstellungen, denen keine eigene Anschauungen bzw. keine Erfahrungen oder Verifizierungen an der Realität vorausgehen, sondern sozial vermittelte Bilder. Das Wahrnehmen und Denken in Stereotypen kann „ökonomisch“ im Sinne von zeit- und energiesparend genannt werden, weil wir die Komplexität der Erscheinungswelt mittels Stereotypisierung bewältigen, indem wir den Phäno- menen ein grobes Raster auflegen, nach dem wir das Geschaute einordnen und auf diese Weise damit umgehen können.236 Der psychologische Faktor bei der Stereotypisierung wird von LIPPMANN damit erklärt, daß sie es uns ermöglicht, ein einfaches Weltbild zu erstellen, das zunächst keinen Anspruch auf Genauigkeit oder Vollständigkeit bietet, das aber den Dingen und Menschen einen festen Platz und feste Verhaltensweisen und Potentiale zuordnet. Damit werden die Erscheinungen dieser Welt übersichtlich und berechenbar, womit ein Gefühl der Sicherheit, der Kalkulierbarkeit und der Vertrautheit einhergeht. Stereotype befriedigen das Bedürfnis nach einer strukturierten Schwarz-Weiß- Welt, in der es keine Grauzonen, keine Überraschungen oder Risiken gibt, in der wir uns auskennen und in der wir uns zu Hause fühlen können.237 Stereotype dienen also dazu, ohne weiteren (Denk-)Aufwand die Dinge zu begreifen und zu handhaben. Man braucht sie, um mit komplexen, undurchsichtigen und unberechenbaren Gegebenheiten unmittelbar fertig zu werden.

auffassen, die wir hinsichtlich einer Menschengruppe hegen.“ Hofstätter, Peter R.: Das Denken in Stereotypen. Göttingen 1960 (im folgenden: Hofstätter 1960), S. 12. 233 Übereinstimmungen ergeben sich auch mit dem Begriff „Stigmatisierung“: Der soziologische Stigma-Begriff „bezeichnet ein negativ bewertetes Merkmal, durch das sich eine Person oder Personengruppe von anderen Gesellschaftsmitgliedern unter- scheidet. Merkmale können sowohl äußerliche Kennzeichen als auch Verhaltens- eigenschaften sein. Ein solches Merkmal wird oft zum Ausgangspunkt negativer Bewertung der ganzen Persönlichkeit. Den Prozeß der Verallgemeinerung negativer Bewertungen nennt man Stigmatisierung. Diese werden von Emotionen begleitet und sind äußerst resistent gegen konträre Informationen.“ Flohr, Anne Katrin: Fremden- feindlichkeit. Biosoziale Grundlagen von Ethnozentrismus. Opladen 1994, S. 86. 234 Vgl.: Lippmann, Walter: Die öffentliche Meinung. München 1964 (Erstausgabe: New York 1922) (im folgenden: Lippmann 1922/1964). 235 Hofstätter 1960, S. 7. 236 Vgl.: Lippmann 1922/1964, S. 67. 237 Vgl.: Lippmann 1922/1964, S. 72.

79 Davon ausgehend, daß der Mensch darauf angewiesen ist, „aus einer chaotischen Fülle von Informationen ein Ordnungssystem aufzubauen, das ihm hilft, Erfahrungen einzuordnen, Gegenwärtiges richtig zu beurteilen und Zukünftiges möglichst genau abzuschätzen“238, kann Stereotypisierung auch als eine psychologisch zwingende und sinnige Konstante für den Menschen dargestellt werden, die außerdem kulturell geformt ist - und von kulturellen Determinanten kann sich das Individuum nicht (völlig) lossagen. So gibt es Forschungsansätze, die Stereotypisierungen nicht negativ bewerten, weil sie als unvermeidlich gesehen werden239, ihnen ein größerer Realitätsgehalt unterstellt wird oder weil ihre orientierungs- und identifikationsstiftende Funktionen als Positivum aufgefaßt werden.240 Nach dieser Auffassung werden Stereotypien nicht als Verzerrungen der Wahrnehmung und als irrationale Affekte klassi- fiziert, die es mittels Aufklärung zu bekämpfen gelte. Zwar muß zugestanden werden, daß die schablonenhaften Vorstellungen über Andersdenkende, „Andersgeartete“ und Fremde von einem Ordnungs- und Sicherheitsbestreben herrühren und damit in der Psyche des Menschen verankert sind. Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß aufgrund der psychologischen Erklärbarkeit die politischen Dimensionen verharmlost werden.241 Der Vorgang

238 Spillmann, Kurt R. / Spillmann, Kati: Feindbilder. Entstehung, Funktion und Möglich- keiten ihres Abbaus. Zürich 1989 (im folgenden: Spillmann/Spillmann 1989), S. 29. 239 Vgl.: Ostermann, Änne: Das Freund-Feind-Schema als stereotypes Perzeptionsmuster internationaler Politik. (Diss.) Frankfurt 1977 (im folgenden: Ostermann 1977), S. 115. 240 Vgl.: Bausinger, Hermann: Name und Stereotyp. In: Festschrift für R. Schroubek. (Münchener Beiträge für Volkskunde, Bd. 8). Hrsg. v. Institut für vergleichende Volks- kunde der Universität München. München 1988, S. 13; und vgl.: Manz, Wolfgang: Das Stereotyp. Zur Operationalisierung eines sozialwissenschaftlichen Begriffs. (Kölner Beiträge zur Sozialforschung und angewandten Soziologie, Bd. 8). Hrsg. v. René König / Erwin K. Scheuch. Meisenheim am Glan 1974 (im folgenden: Manz 1974), S. 7f. Vgl. auch: Spillmann/Spillmann 1989, S. 30: „Stereotypien sind zunächst einmal Kategorien, die die soziale Umwelt in verständliche und überschaubare Einheiten aufteilen, damit Chaos verhindern und eine auf gemeinsamen Werten, Erwartungen und Vorstellungen aufgebaute Organisation und ein entsprechend sinnvolles Verhalten in der sozialen Umwelt möglich machen.“ 241 „Dahinter verbirgt sich die Angst, daß die Öffnung nach außen, das Gewährenlassen des Neuen, Andersartigen Besitzstände schmälert, Sand ins Getriebe der ´guten´ und ´bewährten´ Normalität streut, Stabilität und Ordnung gefährdet und sozialen Wandel mit zweifelhaftem Ausgang fördert. Die Emotionen, auf denen negative Vorurteile und feind- liche Gefühle basieren, beinhalten also immer ein konservatives Moment, nämlich den ausgeprägten Wunsch nach Erhaltung des Gewohnten bzw. in seiner aggressiven Variante: nach dessen (gewaltsamer) Durchsetzung gegenüber anderen.“ Schöneberg, Ulrike: Vorurteile - Feindbilder. Wurzeln und Dynamik. In: Das Ende der Gemütlichkeit. (Schriftenreihe Arbeitshilfen für die politische Bildung. Hrsg. v. d. Bundeszentrale für

80 der Stereotypisierung ist zwar psychologisch vorgegeben, dennoch darf er nicht als positives, weil naturgegebenes Merkmal des Menschen weiterer Betrachtung entzogen werden.242 Stereotypisierung ist politisch steuerbar und läßt sich hervorragend zu politischen Zwecken einsetzen. Ein prägnantes Beispiel ist der Rassismus des Nationalsozialismus, der schließlich zum Genozid an Juden führte. In unserem Zusammenhang sollen primär Stereotype untersucht werden, in denen sich kollektive Vorstellungen und Urteile über andere Völker und Nationen akkumu- lieren und die - wie noch zu sehen sein wird - politische Relevanz haben.

2.2 Stereotype in Karikaturen Die ausführliche Einleitung in den Gegenstand der Stereotypisierung dient dazu, sich der Karikatur aus diesem Blickwinkel anzunähern, denn eindeutig besteht eine Korrelation zwischen Stereotypen und Karikatur: „Ein Bereich scheint von seiner Art her unabdingbar mit Stereotypie ver- bunden und hat von daher ein besonderes Naheverhältnis zum Vorurteil: die Karikatur. [...] Die Karikatur ist nicht Abbild, sondern visuelle Dar- stellung eines komplexen Textes. Verallgemeinerungen, Stereotypen,

politische Bildung, Bd. 316). Bonn 1993, S. 37-50 (im folgenden: Schöneberg 1993); hier: S. 39. 242 „Daraus, daß es sich bei stereotypen Systemen um generell vorhandene Formen der Per- zeption von Realität handelt, folgt nicht, daß die Verzerrungen, der sie bei gegebenen gesellschaftlichen Strukturen unterliegen, gleichsam als Naturkonstanten akzeptiert werden müßten. [...] Stereotype Kategorien sind in der Tat ubiquitäre Formen der Wahrnehmung. Aber aus ihrer Ubiquität folgt nicht ihre Notwendigkeit.“ Ostermann 1977, S. 124. Deshalb läßt sich bezüglich der Analyse von Stereotypen die gleiche Empfehlung anwenden, die Brassel-Moser bei Vorurteilen ausspricht: „Gezeigt hat sich dabei, dass Vorurteile nicht einfach aus unserem Wahrnehmen und Erkennen weg- denkbare Elemente sind. Gerade deshalb ist aber notwendig, ihre Mechanismen und Funktionen zu hinterfragen. Insbesondere dort, wo negativ gebündelte Vorurteile sich zu Feindbildern verdichten, besteht ein erhöhter Reflexionsbedarf. [...] So können wohl Vorurteile gegen bestimmte Gruppen oder Nationalitäten kritisiert werden, die Neigung zur Vorurteilshaftigkeit aus dem Wunsch zur Abgrenzung gegen andere ist damit aber noch nicht offengelegt, geschweige denn beseitigt.“ Brassel-Moser, Ruedi: Vorurteil im Feindbild - Vorbild im Feindurteil. Überlegungen zu Vorurteilen, Selbst- und Feind- bildern in der Schweiz. Hrsg. v. Forum für praxisbezogene Friedensforschung. Basel 1989 (im folgenden: Brassel-Moser 1989), S. 123.

81 Vorurteilshaltungen, Images, Projektionen werden transportiert bzw. manifestieren sich darin.“243 Im Katalog zu der vom Londoner Goethe-Institut gemeinsam mit der Osnabrücker Universität im Dezember 1993 veranstalteten Ausstellung „Coping with the Relations“, die das wechselseitige Bild der Deutschen und Engländer behandelte, werden die Begriffe „Karikaturen“ und „Stereotype“ sogar als Syno- nyme gehandhabt.244 Beide zeichnen sich durch Verallgemeinerung und Überzeichnung aus. Der Karikaturist konzentriert sich auf Stereotype und betreibt so nicht nur eine Hervorhebung, sondern auch eine Verstärkung. Die Ausstellung nimmt diese Eigenschaft von Karikaturen zum Anlaß, das deutsch- britische Verhältnis zu reflektieren und gleichzeitig das Denken in Klischees zu verdeutlichen. Den Anteil, den die Medien, aber auch die Literatur und die Kunst, an der Etablierung von Stereotypen und Feindbildern haben, beschreibt HEINRICH BÖLL: „Wie sind die Bilder voneinander entstanden? Ich fürchte, das Geschriebene in jeder Form, Journalistik, Publizistik, auch die sogenannte schöne Literatur, spielen da keine erfreuliche Rolle. Schon bei der bloßen Verwendung einer Nationalitätsbezeichnung tauchen Bilder auf, die wir meistens nicht einmal mehr kontrollieren und auch nicht mehr korrigieren können.“245

Die Auffassung BÖLLs, die „schöne Literatur“ habe - sicherlich unbeabsichtigt - manches Mal die Propaganda mitgetragen, die Kriege vorbereitet und damit das niedrigste Niveau der Propaganda erreicht246, läßt sich auf die Kunst im all- gemeinen und auf die Karikatur im besonderen übertragen. Betrachtet man die Methoden der Karikaturisten unter wahrnehmungspsychologischen Gesichts- punkten, so wird offensichtlich, daß die Karikatur Mittel wie Symbole und Typisierungen zum „Zünden“ braucht. Sie dienen als Informationen auf den ersten Blick. Dieser Vorgang funktioniert nicht über die ratio, nicht der Verstand oder die Reflexion werden zunächst angesprochen, sondern es geht um ein rasches - eben unreflektiertes - Einordnen des Dargestellten. Es wird sozusagen

243 Handl 1990/1991, S. 101. 244 Vgl.: Hartmann, Peter: Vorwort. In: Coping with the Relations. Deutsch-britische Karikaturen von den fünfziger bis zu den neunziger Jahren. Hrsg. v. Goethe-Institut, London und der Universität Osnabrück. Osnabrück 1993, S. 6-7; hier: S. 6. 245 Böll, Heinrich: Feindbild und Frieden (1982). In: Schriften 1982-1983. München 1987 (im folgenden: Böll 1982/1987), S. 25-32; hier: S. 25. 246 Vgl.: Böll 1982/1987, S. 27.

82 eine „Schublade“ im Kopf aufgezogen. Dazu werden Klischees verinnerlicht; sie gehen uns „ins Blut über“; sie prägen Einstellungen. Deshalb ist es gefährlich, es so zu halten, wie im Katalog „Coping with the Relations“ vorgeschlagen wird: „Es liegt vielleicht in der Natur des klaren Federstrichs und der Notwendigkeit, sofortiges Wiedererkennen zu ermöglichen, daß Karikatur und Cartoon sich bildlicher Stereotype bedienen müssen. Der Cartoon ist stereotyp in der Quintessenz. Akzeptieren wir Lippmanns Argument, daß Stereotype zum Los des Menschen seit dem Sündenfall gehören, so können wir uns ruhig in das Unvermeidliche ergeben und witzige und gehässige Cartoons auf die gleiche Weise genießen, wie die anderen läßlichen Sünden, welche unserem Leben etwas Würze geben.“247 Bei den Typisierungen geht es jedoch nicht nur um (mehr oder weniger) lustige, harmlose, nicht ernst zu nehmende Äußerlichkeiten, sondern um Wesens- merkmale, die unterstellt werden. Karikaturen, die eigentlich als kritisch, aufklärerisch und aufmüpfig gelten, transportieren mitunter Platitüden und Vorurteile. Und genau in diesem Moment sind sie alles andere als kritisch und haben mit Aufklärung wohl kaum noch etwas zu tun. Bei Stereotypen handelt es sich um immer gleiche Bilder, die stellvertretend für die Beschreibung eines Zusammenhanges als Kürzel dienen. Somit sind sie eine Reduktion eines Phänomens auf ein bestimmtes Bild, das ohne eine Analyse des Gegenstandes, den es zeichnet, auskommt, und das allgemein und kontinuierlich rezipiert wird und sich (scheinbar) immer wieder selbst bestätigt. Stereotypisierung ist also eine anti-aufklärerische Handlung. Das Abtun landläufiger Stereotype mit dem Hinweis, sie seien eben „dumme Sprüche“, ist eine Verharmlosung. Es em- pfiehlt sich statt dessen, ihnen größte Aufmerksamkeit zu schenken. Um diesen Zusammenhang deutlich zu machen, werden im folgenden die karikaturistischen Darstellungsmittel und ihre wahrnehmungspsychologischen Implikate be- handelt.

2.2.1 Übertreibung oder Hyperbel Karikaturen sind (wie die Etymologie des Wortes bereits besagt) Über- treibungen. Ein besonders hervorstechendes äußerliches Merkmal wird zum Erkennungszeichen. Dies setzt das bereits beschriebene Abstraktionsvermögen

247 Husemann 1993, S. 26.

83 des Karikaturisten voraus.248 Die „Intensivierung der Darstellung repräsentativer Merkmale eines Karikaturobjekts durch Übertreibung“249 wird sogar als die Technik der Karikatur schlechthin bezeichnet. Bei der - zumeist ins Häßliche gehenden - Übersteigerung geht es nicht um eine Verzerrung des Dargestellten aufgrund eventueller körperlich häßlicher Merkmale, sondern um die Kenn- zeichnung eines abstoßenden bzw. abgelehnten Verhaltens. Der Zeichner ignoriert die anatomische Realität und entwickelt „auf der Basis der Realität Phantasie“250. Mit der Überbetonung will der Karikaturist den oder das Dargestellte lächerlich machen und gleichzeitig die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen, um ihn für die Kritik empfänglich zu machen. Der Betrachter muß die inhaltliche Übertreibung ablösen, damit sich der Kern des Problems herausschält.251 Die Übertreibung (Hyperbel) kann von der gering verstärkten Wiedergabe eines Merkmals bis hin zur grotesken Überladung reichen. Dabei ist die Karikatur kein Produkt der freien Phantasie, sondern sie ist an die Realität gebunden und grenzt sich somit von der Groteske ab, die hier vollkommen frei ist und als ornamentales Spiel mit Formen ihren eigentlichen Gegenstand verläßt.252 In der Karikatur sind die Antagonismen Abhängigkeit und Freiheit vereint. Abhängig ist die Karikatur durch ihre Bindung an ein Vorbild. Dem Karikaturisten geht es darum, durch Übertreibung das von ihm Karikierte lächerlich zu machen und bloßzustellen. Dazu muß die Karikatur ihrem Gegenstand derart verhaftet bleiben, daß der oder das Dargestellte erkennbar ist. Der Karikaturist ist somit zu striktem Wirklichkeitsbezug genötigt. Gleichzeitig besitzt die Karikatur in ihrer Skizzenhaftigkeit eine einzigartige Freiheit des Ausdrucks. So bedarf sie sowohl der abstrahierenden

248 Vgl.: Hofmann 1953, S. 955. 249 Vgl.: Quintus, Vera: Karikatur als Wirkungsmittel im oppositionellen Chanson Berangers. Frankfurt a.M. 1983 (im folgenden: Quintus 1983), S. 96. 250 Fischer, Guenter: Einige psychologische Gesichtspunkte der Karikatur und der Satire. In: Theorie und Praxis des sozialistischen Journalismus, Jg. 13, 1985, Nr. 4, S. 236-241 (im folgenden: Fischer 1985); hier: S. 237. 251 Vgl.: Grünewald 1979, S. 91f. 252 Vgl.: Grünewald 1979, S. 12 und Hofmann: „Dort, wo es gilt, das Unvereinbare zu formen, tritt sie [die Karikatur] ihr Vermögen an die Groteske ab: die formensprengende Einbildungskraft eines Rabelais, diese fortgesetzte Evokation von Ungeheuerlichkeiten, kann mit den Mitteln der Karikatur nicht mehr bewältigt werden; dort wo die Phantasie sich an der Begründung einer Welt des Traumhaft-Irrealen versucht und sich der Imagination alle Schranken öffnen, ist für die Karikatur kein Handlungsort mehr.“ Hofmann 1956, S. 33.

84 Reduktion auf das Pointierte als auch des Realismus, denn der „Karikaturist lebt, wie jeder Revolutionär, von dem System, das er angreift.“253 Besonders in der Verzerrung der Physiognomien drückt der Karikaturist sein satirisches Anliegen aus.254 Die Charakterisierung des Feindes als das Böse und als Gefahr setzt zumeist bei der Physiognomie an. Die Verzerrung der Gesichts- züge in der Darstellung zur Fratze kann vom psychologischen Ansatz her als Akt der Erleichterung begriffen werden: Die eigene, „im Gefängnis des Unbewußten eingesperrte und rumorende Aggressivität“255 entlädt sich, indem diese Aggression nach außen, in die Gesichtszüge einer anderen Person, projiziert wird. In der nichtaufgeklärten Welt verstand der einzelne die Natur als beseelt. Dämonen u.ä. hatten den gleichen Realitätsgehalt wie er selbst. Eine entsprechende Kompensation mittels Götzen- und Geisterbilder, die er in seinem unmittelbaren Lebensbereich errichtete oder im Christentum durch den Dua- lismus von Gott und Teufel bewerkstelligen konnte, fehlt dem durch die bürgerliche Aufklärung auf ratio geeichten Menschen. Er muß auf solcherlei Aggressionsableiter verzichten und verarbeitet seine nach wie vor vorhandenen Ängste und Aggressionen (die nun „psychisch“ geworden sind), indem er sie z.B. in Form von Verzerrung des Gesichts einer anderen Person nach außen verlagert.256 Die Tradition der Verzerrung der Physiognomien und die damit verbundene Verunglimpfung des politischen Gegners genießt stetige Präsenz in den Karikaturen. Sie dient nur nebenbei dem Lächerlich-Machen. Eine noch relativ harmlose Variante physiognomischer Verzerrung zeigt ein Plakat aus dem Ersten Weltkrieg von 1917, entworfen von dem Deutschen ROBERT LEONARD (Abb. 14). Das Nationalstereotyp „John Bull“ wird hier aufgegriffen, indem dem englischen Feind die Gesichtsmerkmale der gleichnamigen Hunderasse, des Bullterriers, ins Gesicht gezeichnet werden (zur Bekräftigung gab der Zeichner den Hund noch als Zugabe). Drastischer, an Nazi-Karikaturen erinnernd, ist eine

253 Hofmann 1984, S. 358. 254 Melot hat auf die lange Tradition physiognomischer Studien und Theorien über Prin- zipien der Mimik aufmerksam gemacht. Vgl.: Melot 1975, S. 42-53. 255 Marks, Stephan: Hüter des Schlafs. (Diss. Giessen 1981). Berlin 1983 (im folgenden: Marks 1983), S. 12. 256 Vgl.: Marks 1983, S. 13 und 15. „In seiner Propaganda [der des Faschismus - A.P.] wurde dieser alte Mechanismus der Projektion und der alte Glaube an Teufel, Hexe und andere dämonische Nachtwesen aufgegriffen. [...] Aus dem ´mittelalterlichen´ Glauben an den Teufel wurde die ´moderne´ politische Meinung und das Vorurteil - von der offiziellen Propaganda unterstützt.“ Marks 1983, S. 16.

85 lange vor dem Holocaust der Nazis, nämlich 1905, entstandene Karikatur mit dem Schriftzug „Das jüdische Pferd, oder: wie der Herr so´s Gescherr“, die BENNO BERNEIS als Holzschnitt anfertigte (Abb. 15). Besonders deutlich wird die Funktion der physiognomischen Hyperbolisierung im Antisemitismus. Sie betreibt eine Charakterisierung des Gegners als Untermensch, wobei keine reale Person karikiert wird, sondern „der“ Jude. Das Plakat, das in den besetzten Niederlanden für den Film „Der ewige Jude“ (1940) warb, steht stellvertretend für Karikaturen, die auf diese Weise während der Nazi-Herrschaft die Juden diffamieren (Abb. 16). Für die nationalsozialistische Karikatur ist die Typisierung, die sich mit „kontradiktorischem Gegen- satzdenken verbindet“257 charakteristisch. Entsprechend der Einteilung in Über- und Untermenschen, die mit dem Selbstbild als germanischen Herrenmenschen einhergeht, wird der Gegner in Typisierungen eingeteilt nach Nationalität, Rasse oder Klasse. Bei der NS-Karikatur sind es vor allem „Rassetypen“, die zum Einsatz kommen. Die „Rassenkunde“, die nach nationalsozialistischem Wissen- schaftsverständnis äußere und Charakterunterscheidungen liefert, bildet die Grundlage. „Der“ Jude ist als Repräsentant einer Rasse angesiedelt. Als Antithese tritt zum Übermenschen der Untermensch, der als Gegensatz zum „nordischen“ den „ostischen“ oder „jüdischen“ Typ verkörpert. Der spätere Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, ALFRED ROSENBERG, hat in seinem Buch „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ (München 1930), das dem Nationalsozialismus die pseudowissenschaftliche Legitimation für die völkische Ideologie lieferte, auch das gewünschte charakterliche Bild des Untermenschen formuliert (bemerkenswert ist, daß ROSENBERG in der gesamten Kunstgeschichte von der griechischen Antike über VAN EYCK bis VELASQUEZ Beispiele ausmacht, in denen er die nordische „Rasse“ als Schönheitsideal bestätigt sieht, wobei er den jeweiligen Künstlern unterstellt, der Rassegedanke sei auch ihre Intention gewesen). Der „Rassetypus des rein ostischen dunklen Menschen“ sei: „abergläubisch, kulturunfähig, schwunglos, materialistisch; bis zu einem gewissen Grade ´treu´, meistens jedoch nur unterwürfig“258. „Weder Jan van Eyck noch Michelangelo konnten ihr Ideal von Hoheit, Kraft und Würde durch ein jüdisches Rassenantlitz verkörpern. Man stelle sich bloß ein Gesicht mit krummer Nase, hängender Lippe, stechenden schwarzen Augen und Wollhaaren vor, um sogleich die plastische

257 Reumann 1966, S. 108. 258 Rosenberg, Alfred: Der Mythos des 20. Jahrhunderts. München 1930. Hier verwandte Fassung: 33.-34. Auflage, München 1934 (im folgenden: Rosenberg 1930/1934), S. 290.

86 Unmöglichkeit der Verkörperung des europäischen Gottes durch einen jüdischen Kopf (geschweige denn durch eine jüdische ´Gestalt´) zu empfinden.“259 Wie das Feindbild „Jude“ dann tatsächlich aussah, ist hinlänglich bekannt: klein, feist, mit ausgeprägter Hakennase, manchmal mit dunkler Brille versehen, weil er sich nicht in die „verschlagenen“ Augen sehen lassen will, bevölkert er Karikaturen und Plakate. Vom Karikaturisten jener Zeit wird erwartet, daß er „den“ Juden „angemessen“ darstellt.260 Die Tragweite der faschistischen Unterscheidung zwischen Über- und Untermenschen für die Karikatur kommt anhand einer Themenstellung, wie sie 1932 für eine Dissertation möglich war, zum Ausdruck. KARL JOHANN AUGUST RÜGHEIMER verfaßte eine Promotionsschrift mit dem Titel: „Über den Zusammenhang von Körperbau und Charakter nach Befunden aus der Karikatur“261. Ein solches Thema verweist bereits auf den ideologischen Hintergrund. RÜGHEIMER stellte sich die Aufgabe, an den in Karikaturen vorkommenden Typen rassenkundliche, sowohl physiologische als auch charakterliche Unterscheidungen der Menschen vorzunehmen. Diese Methode setzt voraus, daß die Karikatur die Wirklichkeit objektiv wiedergibt - eine Annahme, die für RÜGHEIMER Geltung hatte. Die Tatsache, daß seinerzeit eine solche Dissertation verfaßt wurde, zeigt, welchen Stellenwert man dem karikaturistischen Mittel der Verunglimpfung der Physiognomien für die damalige Zeit beimessen muß und verdeutlicht die Brisanz, die dieses Verfahren der Karikaturisten hatte, wenn man glaubte, die übersteigerten, ins absolut Negative verzerrten Darstellungen hätten einen derartigen Realitätsgehalt. 262 Aber nicht nur Juden waren (und sind) Gegenstand der Diffamierung durch Verzerrung der Gesichtszüge. Zu allen Zeiten wird die Hyperbolisierung der Gesichter eingesetzt, um den Gegner bestialisch oder bösartig darzustellen. Die Palette der Intentionen reicht von der eben beschriebenen Deklassierung des

259 Rosenberg 1930/1934, S. 294. 260 „Es darf z.B. nicht vorkommen, daß der Zeichner Murr in der ´Brennessel´ den jüdischen Bolschewisten Bela Khun porträtiert, ohne sich scheinbar ein entsprechendes Photo verschafft zu haben, so daß das Ergebnis eine völlig unähnliche, fast sympathische Darstellung dieses roten Massenschlächters ist.“ Mjölnir (alias Hans Schweitzer): Politisches Denken - Voraussetzung für die politische Zeichnung. In: Deutsche Presse, Jg. 26, Nr. 17 v. 25.4.1936, S. 193-194 (im folgenden: Mjölnir 1936); hier: S. 193. 261 Rügheimer, Karl Johann August: Über den Zusammenhang von Körperbau und Charakter nach Befunden aus der Karikatur. (Diss. Leipzig 1932). Würzburg 1932. 262 Vgl.: Reumann 1966, S. 114.

87 politischen Gegners zum Untermenschen bis hin zur weniger aggressiven bloßen Steigerung der Physiognomien. Mit der Überzeichnung der Gesichter geht häufig zumindest eine Unterscheidung in sympathisch und unsympathisch einher.

Eine von FRITZ BEHRENDT gezeichnete Karikatur von 1971 ist ein Beispiel, in dem Israel durch einen eindeutig positiv gezeichneten und in keiner Weise verzerrten jungen David repräsentiert wird, während die Gesichter der Vertreter anderer Nationen übertriebene Physiognomien vorweisen (Abb. 17). Das Gefälle in der Überzeichnung der Gesichter ist deutlich. Markant ist vor allem „der“ Araber, der ungleich schlechter „abschneidet“ hinsichtlich seiner Gesichtszüge, die ihn unzweifelhaft als obskur und hinterhältig ausweisen: Arafat, als Vertreter der arabischen Welt, ist ein häßlicher kleiner Gnom, der dazu noch heimtückisch zum Tritt gegen David ausholt (derjenige, dem diese Aggression gilt, sieht dagegen wie ein Peter Pan aus.)

Eine weitere Karikatur BEHRENDTs aus dem Jahre 1987 veranschaulicht, wie die Überzeichnung der Physiognomie zur Typisierung gerät (Abb. 18). Bei den Verhandlungspartnern, die sich hier gegenüberstehen, handelt es sich um denkbar große Gegensätze: Einem seriös gekleideten Mann, dessen intellektueller und rationeller Charakter durch die Brille betont wird (er hat den „Durchblick“) stehen lauter unrasierte, ungepflegte, verlotterte Typen gegenüber, denen offensichtlich der „Durchblick“ fehlt. Es ist nur ein kleiner Schritt, bis aus solchen Typisierungen Feindbilder werden.

WEIGLE beschreibt, wie die Hyperbolisierung des Feindes in der Praxis des Karikaturisten aussieht: „Wir machen regelrechte Karikierübungen [im Zeichenunterricht mit den Studierenden - A.P.], zum Beispiel einen Bösen zeichnen. Im Dezember waren das Variationen über Saddam, als er mit den ersten Bildern gleich der Bösewicht war. Mit allen Klischees aus der Sicht von uns Mittel- europäern: unrasiert, also unzuverlässig und ein finsterer Blick. Erst probierten wir noch seine Kampfuniform. Aber die Guten, der dicke Schwarzkopf und die anderen, trugen noch albernere Uniformen. Das ging dann nicht mehr. Oft vertreten ist bei den Karikaturen das Fremdartige von Saddam: der Kameltreiber, der Araber, der von unten. Auch die Aufrechtesten der Zunft können da die Sau rauslassen.“263

263 Weigle 1991, S. 17.

88 Die verunglimpfende Porträtkarikatur scheint zur Prägung eines Feindbildes unumgänglich zu sein.264 Doch neben der Karikatur, die den Karikierten als Typus zeichnet und daraus ihre Aussage zieht (wie in Abb. 17 die Identifizierung Arafats in erster Linie durch die Konstellation und durch seine Kennzeichnung als Araber geleistet wird), gibt es auch die Form der Karikatur, die ein tatsächliches Porträt des Gemeinten anstrebt, indem seine individuellen Gesichtszüge herausgearbeitet werden. Im Vergleich zu den vorherigen Beispielen sind die im September 1988 veröffentlichte, den irakischen Diktator Saddam Hussein zeigende Karikatur des israelisch-amerikanischen Karika- turisten RENAN LURIE (Abb. 19), und die beiden im Februar 1996 erschienenen Karikaturen des Amerikaners , welche die serbischen Führer

Slobodan Miloševic (Abb. 20) und Radovan Karadzic (Abb. 21) darstellen, individuelle Porträts. Sie zeichnen sich durch eine wirkliche Herausstellung der Physiognomie des Menschen, der karikiert wird, aus, und nicht durch Propagierung eines Typus, den es in der Realität gar nicht gibt - und dies, obwohl es sich bei den Dargestellten um „Feinde“ handelt.

2.2.2 Reduktion Übertreibung oder Verzerrung wird auch durch Reduzierung erreicht. Die Reduktion ist insofern eine Hyperbel, als sie durch das Weglassen von Nebensächlichkeiten und die Zuspitzung auf besondere Charakteristika hin eine Überbetonung des Wenigen, das dargestellt ist, bezweckt. Die Reduktion oder Vereinfachung verdichtet den zeichnerischen Ausdruck in einer wenige Striche

264 Herding kritisiert die Praxis der Karikaturisten, mittels Verzerrung der Physiognomien zu arbeiten. Er betrachtet dieses Verfahren als überkommen und konstatiert einen Mangel an Innovation und Ausdruckssuche in der heutigen politischen Karikatur: „Indessen ist die politische Karikatur hinter ihre formalen Möglichkeiten zurückgefallen: das Wechsel- spiel von Verhüllung und Enthüllung, welches schon bei Hogarth neugierdestiftend gewirkt hatte.“ Herding 1980, S. 363. „Auch durch Verzicht auf ein plakatives Aus- spielen ihres Stoffes, nämlich durch Allusion und partielles Versteckspiel, könnte politische Karikatur Wirkung erzielen; auf die Verzerrung der Gesichtszüge ist sie [...] nicht angewiesen. Aber diese Enthaltsamkeit wird heute selten geübt.“ Herding 1980, S. 363f.

89 umfassenden Graphik. Gerade aus der Verdichtung resultiert zumeist die komische Wirkung der Karikatur.265 Heute, in einer medial geprägten Zeit, in der die Konterfeis der Politiker durch das Fernsehen jedem bekannt sind, kann die Karikatur die Reduktion von Physiognomien unzweideutig nutzen. Ein hervorragendes Beispiel ist die Illustration zu einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit vom März 1995 (Abb. 22). Zu sehen sind lediglich buschige Augenbrauen, doch sie ersetzen das komplette Abbild des Finanzministers Theo Waigel voll und ganz. Auch ohne den Kontext des Artikels, der sich mit der Waigelschen Finanzpolitik beschäftigt, findet die Identifizierung der Augenbrauen mit dem Minister automatisch statt. In der Reduktion liegt eine besondere Qualität, weil sie die Fähigkeit zur analytischen Wahrnehmung voraussetzt und ebenso die künstlerische Kom- petenz, das Wahrgenommene pointiert umzusetzen, erfordert. Das karikaturistische Abstraktionsverfahren ist gleichsam die Umkehrung der Empfehlung LEONARDOs, zufällige Formen (Wolken, Mauerflecken) als Anregung für die Phantasie zu benutzen. Nach LEONARDO lassen sich in jede zufällig geschaute Form konkrete Dinge hineinsehen. Daran soll der Künstler seine Phantasie schulen. Die Vieldeutigkeit zufälliger Formen läßt sich für verschiedenste Darstellungen benutzen. LEONARDO empfiehlt, dies in einer Skizze zu testen und schließlich zur endgültigen, perfekten Form zu kommen. Während sich dieser Vorgang von der undifferenzierten Form zur konkreten vollzieht, verläuft er beim Karikieren umgekehrt: Der Karikaturist geht von der komplexen Form aus und reduziert, verdichtet sie.266 Im Abkürzungsverfahren des Karikaturisten steckt - um die Begriffe HOFMANNs zu verwenden - die elementare, reduzierte Formchiffre.267

265 Vgl.: Bornemann 1972, S. 10. Ein Beispiel ist die von Charles Philipon vorgenommene Reduzierung des Bürgerkönigs Louis-Philippe auf dessen birnenähnliche Kopfform, so daß die bloße Zeichnung einer Birne stellvertretend für den König steht (Abb. 5). 266 Vgl.: Hofmann 1956, S. 19f. 267 Vgl.: Hofmann 1984, S. 382. Die Vorliebe der Karikaturisten für das reduktionistische Verfahren hat wahrnehmungspsychologische Gründe. Die Reduzierung auf wenige Striche gewährt eine bereitwilligere, eingängigere Rezeption. Vgl.: Gombrich 1962/1984, S. 391.

90 2.2.3 Metapher Zur Identifizierung des Karikierten dienen nicht nur die Übertreibung bestimmter Merkmale und die Reduktion auf diese Charakteristika. Ebenfalls Attribute (z.B. Abzeichen wie Hakenkreuz, Wappen oder Flaggen) kenn- zeichnen, wer gemeint ist. Die Montage historischer Embleme in einen neuen Zusammenhang läßt diese zum Symbol für ein Phänomen schlechthin werden. Beispielsweise wurde das ursprünglich positiv besetzte, dem Sonnenkult zugehörige Zeichen des Hakenkreuzes (nach dem Ende der Nazi-Herrschaft) zum Symbol für faschistoide und menschenverachtende Politik. Eine Karikatur HANELs vom August 1992 (Abb. 23) zeigt ein Beispiel, in dem einzelne Zeichen (auf dem Arm) den Dargestellten als Rechtsextremisten ausweisen.268 Die besondere Wirkung solcher Metaphern in der Karikatur besteht darin, daß ein Vergleich ins Bild übertragen wird. Aktuelle Akteure werden in einen tatsächlich nicht existierenden Kontext gebracht, in eine Szenerie transplantiert, die bestimmte Assoziationen weckt und die dargestellte Situation mit dem, was von einer anderen Situation bekannt ist, gleichsetzt. Ein komplizierter Sachverhalt kann so komprimiert in ein einleuchtendes Bild verwandelt werden. Der Vergleich, der bei der überraschenden Verbindung zweier Themen entsteht, die man ansonsten nicht miteinander in Verbindung gebracht hätte, muß für den Rezipienten logisch sein. Die Wirkung von Metaphern in Karikaturen resultiert daraus, daß die Bilder in der Zeichnung in aller Deutlichkeit dem Betrachter „ins Auge springen“. Beim Umblättern einer Seite bemerkt man eine Illustration mitsamt den in ihr enthaltenen einzelnen Metaphern mit einem Blick. Geschriebene Metaphern im Text erfordern erst Lesen. Eine Aussage im Text läßt sich leicht „überblättern“, an der Karikatur „kommt man nicht vorbei“. Es ist die Praxis der Karikaturisten, abstrakte Begriffe zu personifizieren und anschaulich zu machen. In der antiken Kultur beispielsweise wurde die Kluft zwischen der Bezeichnung eines

268 Diese Abbildung eignet sich gut, um die Verwendung von Metaphern in Karikaturen zu veranschaulichen, weil gerade die Metapher des Eisernen Kreuzes Anstoß erregte. Unter der Überschrift „Mißbrauchte Symbole“ ging der Redaktion der FAZ eine Beschwerde in Form eines Leserbriefs ein, die einen unreflektierten Gebrauch des „Hohheitszeichens der Bundeswehr“ beklagte. Der Autor verwahrte sich gegen eine Verbindung dieses Symbols im Zusammenhang mit der Darstellung von Rechtsextremismus und bemängelte die Willkürlichkeit, mit der seiner Meinung nach der Karikaturist das Attribut benutzt, was nach Auffassung des Briefschreibers von einem Mangel an Geschichtsbewußtsein zeuge. Vgl.: Leserbrief „Mißbrauchte Symbole“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 4.9.1992, S. 9.

91 Abstraktums und der Vorstellung einer Realität mit Selbstverständlichkeit überwunden. So ist Nike nicht nur die Göttin des Sieges, sondern auch der Sieg selbst.269 Der Metapher als Abstraktion, als abgekürzter Ausdrucksweise für komplizierte Sachverhalte, gelingt es, schwierig darstellbare Phänomene bildlich faßbar zu machen. Diese Leistung vollbringt die gezeichnete Metapher in stärkerem Maße als die sprachliche. Das Besondere an der politischen Karikatur ist ihr Vermögen, Begriffe und Schlagworte aus dem politischen Wortschatz im übertragenen Sinne abzubilden. Der Karikaturist läßt den Rezipienten Abstraktionen als etwas real Greifbares auffassen. Dies ist eine Bekräftigung dessen, was in der Sprache bereits angelegt ist.270 Die gesehenen Symbole dringen augenblicklich in das Unbewußte ein und können synchron zur „eigenen“ Meinung werden. Dieses „Einnisten“ der Bilder im Unbewußten verstärkt sich noch bei häufiger Wiederholung der verwendeten Symbole. Vor allem der Mensch-Tier-Vergleich (wobei den Tieren irgendwelche Eigenschaften unterstellt werden und diese selbst dann zum Symbol für eine Eigenart werden; z.B. der Esel steht für Dummheit, der Elefant für Dickhäutigkeit, die Ratte für gefährlicher Parasit) oder der Bezug auf Wappentiere als Repräsentanten der Nationen, aber auch Metaphern aus der Märchen- und literarischen Welt, kommen zur Anwendung. In die gleiche Kategorie gehören auch Allegorien, die abstrakte Begriffe greifbar machen, und die uns in Form der Freiheitsstatue als Symbol für die US-amerikanische Vorstellung von Freiheit oder in Form eines Skeletts als Symbol für Tod in den Karikaturen begegnen. Zwar benutzt jede Kultur und jede Sprache variierende Metaphern; allen eigen ist jedoch die unmittelbare Verständlichkeit in einer Gruppe, die den selben Sprach- bzw. Kulturbesitz hat. Neben der Anspielung auf eine aktuelle Situation sind also immer auch zeitlose Elemente in einer Karikatur präsent. Am Beispiel einer Zeichnung von DAUMIER, die 1871 im Charivari erschien, läßt sich die Verbindung von Aktualität und Zeitlosigkeit demonstrieren (Abb. 24). Zu sehen ist ein durch Sonnenfinsternis verdunkeltes Segment des Erdballs, bezeichnet mit „Europe“, wobei dieses Ereignis durch einen riesigen Preußenhelm hervorgerufen wird. Die halb verdeckte Sonne trägt die Aufschrift „Liberté“. Unabhängig von der Kennzeichnung der dargestellten Antagonismen durch den Schriftzug bzw. den preußischen Helm weiß der Betrachter, daß hier etwas Dunkles, Unheilvolles

269 Vgl.: Gombrich 1962/1984, S. 387. 270 Vgl.: Gombrich 1962/1984, S. 386.

92 oder sogar Fürchterliches im Gange ist, weil hier Metaphern benutzt werden, denen man eine Allgemeingültigkeit zugestehen kann. DAUMIER arbeitet mit dem antithetischen Paar Licht und Finsternis als Symbol für die Antipoden Gut und Böse. Dieses Motiv hat eine fast getreue Vorgängerin in einer 1870 im Wiener „Kikeriki“ erschienenen Karikatur, die den deutschen Adler an die Stelle des Helms setzt (Abb. 25). Diesmal fällt der Schatten auf Deutschland statt auf Europa, doch wieder ist es die Freiheit, die verdunkelt wird. GOMBRICH nennt solche Metaphern „universell“ oder „natürlich“, weil diese Symbolik eine Tradition seit der Antike aufweist, ungeachtet des religiösen oder politischen Gebrauchs. Das Licht als Symbol des Guten ist seit Platon in der abendländischen Philosophie präsent, das Christentum ist mit diesem Symbolgehalt durchsetzt, und in der Aufklärung kommt es verstärkt zur Anwendung („siècle des lumières“). „Natürlich“ sind diese Metaphern, weil sie eine intuitive Reaktion auslösen. Spontan wird das Helle mit positiven Assoziationen und das Dunkle mit negativen rezipiert. „Man kann sich schwer eine Sprache vorstellen, in der eine helle Zukunft düster oder eine düstere Stimmung hell genannt würde.“271 GOMBRICH spricht von „schlafenden Metaphern“ der Sprache, die „Wasser auf die Mühle“ des politischen Kari- katuristen sind bzw. „Waffen in seinem Arsenal“272. Der Karikaturist ist wie der Rezipient auf eine bestimmte Einordnung von Metaphern geeicht. Wenn er mit den Antagonismen hell und dunkel, groß und klein, schön und häßlich arbeitet, kann er sich darauf verlassen, daß beim Betrachter die entsprechenden Asso- ziationen freigesetzt werden.

Der wahrnehmungspsychologische Ansatz GOMBRICHs wird in jüngster Zeit in der Diskursanalyse wieder aufgegriffen und weitergeführt. Diese Analyse- methode nennt solche Metaphern „Kollektivsymbole“ und geht über den wahrnehmungspsychologischen Ansatz hinaus, indem sie nicht nur auf die Symbolik aufmerksam macht, sondern untersucht, mit welcher politischen Motivation und Intention sie verwendet werden und ihre kollektive Wirkung

271 Gombrich 1962/1984, S. 397. Gombrich treibt die Metaphorik auf die Spitze, um zu verdeutlichen, daß bildnerische Darstellungen dem bilderreichen Stil der Rhetorik folgen: „Weiter können wir (oder können wir nicht) für die ganze Welt den Polizisten spielen, im Schatten der Atombombe leben, unsere Segel nach dem Wind der Zeit richten, dieser Gruppe die Hände reichen oder jene überflügeln; der Weg, der vor uns liegt, ist natürlich steil, aber die Zukunft ebenso strahlend, wenn es uns nur gelingt, Fallstricken auszu- weichen, Abgründe zu vermeiden und ein Abgleiten zu verhindern.“ Gombrich 1962/1984, S. 387. 272 Gombrich 1962/1984, S. 387.

93 analysiert (dazu im Zusammenhang mit dem Feindbild „Süd“ mehr). GOMBRICH beschäftigt sich mit der „Rolle des Bildes im geistigen Haushalt des Menschen“,273 der Ansatz der Diskurstheorie wendet sich - um diese Begriffe aufzunehmen - der Rolle der Bilder im politischen Haushalt zu und hat somit eine größere Reichweite. Die Beständigkeit bestimmter Metaphern in den Karikaturen zeigt, daß die Bildsprache ausgesprochen traditionell bleibt. Es wird aus einem erstaunlich überzeitlichem Reservoir an Bildformeln geschöpft, was aber keinen Mangel an Originalität oder einen Anachronismus in bezug auf die aktuelle politische Lage bedeutet, sondern der Karikaturist trägt mit der Benutzung eines traditionellen Vokabulars dem Umstand Rechnung, daß er möglichst eindeutig verstanden werden will.274 Das Material, aus dem der Zeichner schöpft, nennt KNUTH „Ikonosphäre“275. Die Karikatur erlebt den Widerspruch, daß sie einmal „bewußte Setzung eines künstlerischen Subjekts“276 und andererseits ein Aufgreifen von außer- subjektiven Formeln ist. Die Arbeit des Karikaturisten ist in ihrer Verwendung von Metaphern zweischneidig: Die Idee zum Bild entspringt seiner subjektiven Auffassung - sein Produkt (die Karikatur) ist insofern originär. Aber der Karikaturist greift Metaphern aus einem bestimmten Kanon auf.277 Er ist an ein feststehendes, geradezu konventionelles Zeichenrepertoire gebunden, will er beim Betrachter den beabsichtigten Effekt erzielen. Den Fonds im Kopf des Betrachters muß der Karikaturist mit seinem Zeichengebrauch bedenken, wenn er verstanden werden und Reaktionen auslösen will. Sowohl auf denotativer Ebene (das Identifizieren eines dargestellten Gegenstandes) wie auf konnotativer Ebene (die Aufladung dieses Gegenstandes mit einer über ihn selbst hinausgehenden Bedeutung) muß der Betrachter die Zeichnung entschlüsseln können.278 Die Karikatur bedarf in ihren Zeichen einer raschen Dekodierung, um

273 Gombrich 1962/1984, S. 384. 274 Vgl.: Langemeyer 1984, S. 10 und vgl.: Döring 1984, S. 14. 275 Vgl.: Knuth 1979, S. 69. 276 Hofmann 1956, S. 28. 277 Vgl.: Hofmann 1953, S. 955. 278 Die der Massenkommunikationsforschung entliehenen Begriffe „Rezipient“ und „Kommunikator“ sind hier einsetzbar, obwohl im Fall der Karikatur kein eindeutiges gegenseitiges Verhältnis von „Sender“ und „Empfänger“ vorliegt (wie bei der Kommunikation immer vorausgesetzt wird). Während die Übermittlung einer Information vom Sender zum Empfänger und umgekehrt verläuft, erfolgt das Transferieren einer Botschaft bei der Karikatur scheinbar in einer Einbahnstraße. Doch auch vom einzelnen „Konsumenten“ der Karikatur geht eine indirekte Beeinflussung des

94 eindeutig in ihrer Aussage zu sein. Das, was der Rezipient mit den Zeichen verbindet, muß entsprechend eingeschränkt sein. Der Karikaturist darf also nicht zu komplexe hermeneutische Ansprüche an den Empfänger haben, denn er muß auf ein unmittelbares Verstandenwerden setzen. „So kann es dem Karikaturisten gelingen, den psychischen Resonanzboden seiner Rezipienten zu treffen.“279 Diese automatische Rezeption erzielt der Karikaturist durch die Verwendung der Formeln, derer sich die Karikatur schon immer bedient. Dabei nutzt er bestimmte jeweils zivilisationsgeschichtlich entwickelte Signale wie bestimmte Gesten (beispielsweise eine Verbeugung als Zeichen der Achtung und Unter- würfigkeit), die der Betrachter als das verbucht, was der Karikaturist damit auch meint. Beispiele aus dem Zeichenfundus unserer Kultur mit konstantem Symbolwert, die sich durch permanente Verwendung in der Karikatur etabliert haben, (wie der Zylinder, die Zigarre und die Dickleibigkeit als Kennzeichnung des Unternehmers, obwohl heute niemand mehr einen Zylinder trägt und der Rezipient den Kapitalisten dergestalt nicht aus eigener Anschauung kennt) sind geläufig. Der Hut impliziert bereits alles, was sich mit dem Begriff „Kapitalismus“ verbinden läßt, so daß eine solche minimalistische Darstellung ausreicht, um Aussagen über äußerst komplexe Phänomene zu treffen.280

2.2.4 Synekdoche, Allegorie, Typisierung und Klischee Eine gesteigerte Form von Metaphern sind Synekdochen. Der Terminus meint die Setzung eines engeren Begriffs für den umfassenden. Ein dick gefüllter Geldbeutel z.B. signalisiert Reichtum, ein leerer Teller Hunger und Armut. Fungieren die Symbole dazu, den oder das Dargestellte als Angehörigen einer bestimmten (z.B. nationalen, sozialen oder ethnischen) Gruppe auszuweisen, dann läßt sich von einer Verallgemeinerung oder auch Typisierung sprechen. Ein typisierendes Mittel in der Karikatur ist beispielsweise die Darstellung einer Lederhose und eines Bierseidels zur Kennzeichnung einer Person als Deutscher, wie der englische Karikaturist EMMWOOD (Pseudonym für JOHN MUSGRAVE- WOOD) sie 1973 in der Karikatur „I love you“ vornimmt (Abb. 26). Dieserart

Senders aus, denn der Karikaturist ist gezwungen, eine Bildsprache zu wählen, die vom Betrachter verstanden wird. Er stimmt seine Bildgestaltung auf den Empfänger ab. Vgl.: Grünewald 1979, S. 67. 279 Fischer 1985, S. 240. 280 Vgl.: Grünewald 1979, S. 79.

95 Typisierungen sind nicht zu verwechseln mit Allegorien. Im vorliegenden Fall wird „der“ Deutsche durch einen Typ repräsentiert, und nicht durch eine Allegorie (wie die Germania). Allegorien dienen - zumindest bei den europäischen Staaten - als Symbol für ganze Nationen. Frankreich wird in der Karikatur durch die „französische Marianne“ vertreten. Ein Beispiel liefert das mit „Halt, weiter sollst du nicht kommen“ untertitelte Flugblatt aus den Tagen der Pariser Kommune (Frühjahr 1871, Abb. 27)281. Das Attribut der Marianne ist (wie das der Allegorie der „Liberté“) die phrygische Mütze.282 Eine ganz andere Kopfbedeckung trägt der „deutsche Michel“. Diesen Stellvertreter für „den“ Deutschen ziert die Zipfelmütze, die ihn als gutmütig bis tumb charakterisiert. FELIX MUSSILs Karikatur vom März 1983 zeigt ihn mit der Marianne (Abb. 28). Der Michel ist die älteste der Nationalallegorien (seit 1525 belegt283) und leitet sich von dem Schutzpatron der Deutschen ab, dem Erzengel Michael, der sich als christliche Entsprechung des germanischen Wotan („michel“ = groß) interpretieren läßt.284 In der Karikatur ist der Michel vor allem

281 Bauer-Heyd führt die Identifikation der schönen Frauenfigur mit der französischen Republik auf das Jahr 1820 zurück. „La Marianne“ nannte sich eine Vereinigung, die sich für die Wiedereinführung republikanischer Ideen stark machte. Nach deren Zerschlagung blieb das Bild der Marianne als Repräsentantin der französischen Nation. Vgl.: Bauer-Heyd, Walter: Die Nationaltypen in der politischen Karikatur. In: Pester LLoy, Budapest, v. 15.10.1938 (im folgenden: Bauer-Heyd 1938), o.S. Lammel dagegen nennt 1792 als Geburtsjahr der Figur. Offiziell sei seinerzeit die Marianne als Personifikation der Freiheit proklamiert worden, um bisherige monarchistische Standbilder und Insignien abzulösen. Vgl.: Lammel 1995, S. 17. Jedenfalls ist die Marianne die jüngste der Nationalitätsallegorien und spätestens seit der Julirevolution Sinnbild Frankreichs. 282 „Darin lebt der ´Pileus´ der Antike fort, der bei den Römern das Zeichen der Libertas war, den die Freigelassenen trugen und den das Volk nach Cäsars und Neros Tod aufsetzte. [...] In der großen Französischen Revolution hatte die kegelförmige Kappe die Form der phrygischen Mütze angenommen, weil diese von den Galeerensträflingen getragen wurde. Die Künstler der Julimonarchie konnten hier anknüpfen.“ Lankheit, Klaus: Die Leiden der Freiheit. Über einige Karikaturen aus der Julimonarchie. In: La Caricature. Bildsatire in Frankreich 1830-1835 aus der Sammlung v. Kritter. West- fälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster v. 16.3.-10.5.1980, Kunstsammlung der Universität Göttingen v. 26.10.-7.12.1980, Gutenberg-Museum Mainz v. 20.4.-7.6.1981, S. 15-25; hier: S. 15. 283 Vgl.: Lammel 1995, S. 14. 284 Vgl.: Riha, Karl: Der deutsche Michel. Zur Ausprägung einer nationalen Allegorie im 19. Jahrhundert. In: Karikaturen. Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens. Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979. Gießen 1980, S. 186-205; hier: S. 189.

96 seit dem Vormärz 1848 präsent. Schnell degeneriert die Zipfelmütze zur Schlafmütze - wie in einer Karikatur aus dem Eulenspiegel von 1849 zu sehen ist (Abb. 29). Der Michel ist zumeist ein taten- und hilfloser Zuschauer der Ereignisse. So zeichnet ihn auch MUSSIL im März 1970 (Abb. 30). Doch seine Einfältigkeit läßt sich noch bis zur Blindheit steigern. Die Karikatur HANELs „Frühling in Hoyerswerda“ von 1993 veranschaulicht das treffend (Abb. 31). Die Personifizierung „John Bull“ steht für die englische Nation. Die Karikatur „Wir werden die Erde beherrschen“, 1896 in der französischen Zeitschrift Charivari erschienen, zeigt ihn an der Seite Uncle Sams (Abb. 32). John Bull ist ein dickleibiger, derber Typ.285 Die amerikanische Nation wird durch die eher hagere Gestalt des „Uncle Sam“ verkörpert.286 Die „stars and stripes“ der amerikanischen Flagge werden zu Sams Hose und übergroßem Zylinder. Diese jahrhundertealten Nationaltypen sind heute so allgegenwärtig wie eh und je. Auch Tiere finden in Karikaturen als Repräsentanten der Nationen Verwendung, vor allem, wenn es um die Verherrlichung der eigenen Nation geht. Dann sind sie - den Wappentieren entsprechend und mit positiven Assoziationen verbunden (Stärke, Mut, Stolz etc.) - in heroisierender Weise dargestellt (der britische Löwe, der russische Bär, der deutsche Adler, der amerikanische Adler, der doppelköpfige österreichische Adler usw.). In dem Farbdruck „Im Friedenszirkus“ aus dem Wahren Jakob vom November 1918 sind sie alle versammelt (Abb. 33). In Karikaturen dienen sie zumeist einem kritischen Angriff gegen eine andere europäische und damit ebenbürtige Nation. In der belgischen Karikatur „La Rage Germanique“ von 1914 ist der deutsche Adler zur rasenden, blutgierigen Bestie avanciert (Abb. 34). Nichteuropäische Nationen manifestieren sich in Karikaturen zwar ebenfalls häufig als Tier, doch handelt es sich dann nicht um Wappentiere oder um die den Staaten eigenen Emblem-Tiere, sondern um Verkörperungen bestimmter Eigenschaften, die

285 Die Figur geht auf eine Satire von 1712 zurück (geschrieben von dem Leibarzt der englischen Königin), in der die Figur des John Bulls der Wortführer Englands ist. „Seine große, gedrungene Gestalt und sein ungeschminkt offenes Auftreten“ ließen ihn zum „Inbegriff britischen Wesens schlechthin“ avancieren. Bauer-Heyd 1938, o.S. 286 Wiederum ist ungeklärt, woraus sich diese Gestalt ableitet. „Uncle Sam“ ist zum einen ein Akronym aus dem Namen des Staates bzw. aus den Wörtern „ of America“. Zum anderen verweist der Name auf einen Pionier der amerikanischen Treck- Generation: der Handelsmann und Regierungsbeauftragte Sam Wilson (vgl: Bauer-Heyd 1938, o.S). Lammel datiert das Entstehen der Figur recht präzise: die Zeit des zweiten Krieges zwischen Nordamerika und England (1812-1814). Vgl.: Lammel 1995, S. 17.

97 nicht positiv, sondern eindeutig negativ besetzt sind (z.B. Asien als schlauer und hinterhältiger Tiger)287. Wenn nicht eine Nation als Ganzes, sondern eine „Mentalität“ bzw. ein einem Volk unterstellter Charakterzug gemeint ist, dann begegnen wir in den Karika- turen nicht Allegorien, sondern Typisierungen. EMMWOODs „Deutscher“ in der Lederhose (Abb. 26) ist ein Beispiel dafür. Die Typisierung ist eine Methode der Karikatur, der hier besondere Auf- merksamkeit entgegengebracht werden soll. So wie bei Synekdochen einzelne Attribute ein Ganzes symbolisieren, so dienen Typen als Stellvertreter für Personen einer bestimmten (nationalen, ethnischen etc.) Provenienz. Ein besonderes Merkmal, mit dem eine Gruppe von anderen unterschieden wird, steht stellvertretend für den Personenkreis und dient als „Etikett“ zur Wiedererkennung.288 Auf diese Weise werden bestimmte Attribute zum charakteristischen Erkennungszeichen bestimmter Personenkreise und schließlich automatisch als Synonym dafür wahrgenommen.289 Wie die Synekdochen etablieren sich solche Typisierungen durch immer wiederkehrende Verwendung als ein in der Bedeutung feststehender Typ im Bewußtsein der Rezipienten und erfüllen ihre Aufgabe, eine rasche Dekodierung zu gewährleisten, umso besser, je schneller sie erkannt und eingeordnet werden.290 Typisierung bedeutet eine Ökonomie der Darstellung, „da anhand eines einzelnen überzeichneten Vertreters eines Typs die Charakterisierung anderer dazugehöriger Personen vom Rezipienten selbst vorgenommen werden kann. Der Karikierende erspart sich weitere Erläuterungen, da Eigenschaften und Verhaltensweisen evoziert werden.“291 Stereotype Bilder sind nützlich für das „Durchschlagen“ der Karikatur. Sie sorgen für die augenblickliche Aufnahme der Information, die der Karikaturist

287 Vgl.: Auer, René Robert: Die Darstellung des Außereuropäers in der europäischen Karikatur. Unveröffentlichte Semesterarbeit am ethnologischen Seminar der Universität Bern. Sommersemester 1966 (im folgenden: Auer 1966), S. 17. 288 „Denn in Wirklichkeit sind wir ursprünglich nicht für die Wahrnehmung des Ähnlichen, sondern für die Wahrnehmung des Unähnlichen programmiert - für die Abweichung von der Norm, die hervorsticht und im Geist haften bleibt.“ Gombrich, Ernst H.: Kunst, Wahrnehmung und Wirklichkeit. Frankfurt a.M. 1977 (im folgenden: Gombrich 1977), S. 22. 289 Vgl.: Grünewald 1979, S. 81. 290 Heuss nennt solche Verallgemeinerungen „Schriftzeichen der satirischen Verkehrs- sprache“ Heuss 1910/1963, S. 178. 291 Quintus 1983, S. 79.

98 vermitteln will. Es wird gar nicht erst argumentiert oder gar zum Nachdenken angeregt, sondern der Betrachter wird dazu gebracht, das Dargestellte un- mittelbar in seinen „Wissensschatz“ einzureihen. Das Bild wird erkannt und eingeordnet in den Bestand dessen, was der Rezipient bisher wahrgenommen und gespeichert hat. Hier geht es dem Karikaturisten nicht darum, über den Verstand etwas im Bewußtsein des Betrachters zu bewirken, sondern um ein rasches schematisches Einordnen des Dargestellten in ein Klischee als ersten Schritt der Aufnahme der Karikatur. Die Verwendung von Typisierungen oder von „Bildtopoi“292 ist faktisch die Grundlage von Karikaturen. Die Zuspitzung auf markante Merkmale, die schlagwortartige Verwendung von Bildformeln, der Zwang, daß das Dargestellte erkannt und die Karikatur verstanden werden muß, die Gebundenheit an tra- dierte Ausdrucksformen, die ständige Wiederholung von Symbolen und Versatzstücken laufen (automatisch) auf das Einschleifen von Typen hinaus.293 Damit ohne großes Nachdenken klar ist, wer oder was gemeint ist, arbeitet die Karikatur immer mit Typisierungen, und zwar immer mit den gleichen. Eine Typisierung legt eine Gruppe auf ein bestimmtes Klischee fest. Zwar hat die Karikatur immer mit Typen gearbeitet, z.B. zur Darstellung eines Berufsstandes oder einer Lebenshaltung, wenn „der“ Professor oder „der“ Spießer thematisiert wird, doch wenn solche stereotype Kürzel eingesetzt werden zur Definition „des“ Bayern, „des“ Afrikaners oder „des“ Juden, dann spricht SCHNEIDER von einem „Unbehagen“, das sich bei ihm einstellt.294 Bilder wie „der“ Wilde mit herausgestellter negroider Physiognomie und lediglich mit Lendenschurz bekleidet oder „der“ Russe, im Pelz gewandet und verlaust oder „der“ Engländer, steif und aristokratisch, drängen sich auf.295 Dementsprechend haben in den Karikaturen alle Russen Vollbärte und tragen Pelzmützen. Brisant ist dabei die Verallgemeinerung, welche die Verwendung des Singulars („der“ Russe beispielsweise) mit sich bringt. Der einzelne russische Staatsangehörige ist in den Karikaturen nicht existent. Es scheint so, als gäbe es keine Individuen mit individuellen Charaktereigenschaften, sondern nur eine kollektive „Volksseele“ und eine kollektive „Mentalität“.

292 Diesen Begriff benutzt Pohlmann. Vgl.: Pohlmann, Alfred: Bildüberlieferung in der politischen Ereigniskarikatur. In: Ereigniskarikaturen. Geschichte in Spottbildern 1600- 1930. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte v. 11.9.-13.11.1983, S. 39-52 (im folgenden: Pohlmann 1983). 293 Vgl.: Reumann 1966, S. 108. 294 Vgl.: Schneider 1988, S. 12. 295 Vgl.: Grünewald 1979, S. 96.

99 Entstanden sind nationalitätsbedingte Typisierungen bzw. Stereotype aus einem zivilisatorischen Gefälle heraus, wie es jahrhundertelang in der europäischen Geschichte bestand. Süd- und westeuropäische Kulturkreise haben nord- und osteuropäische wegen ihres angeblich geringeren Zivilisationsgrades und primitiverer Lebensformen verachtet und dies mit deren Charakter verknüpft. So entstanden Nationalstereotype, die durch Adjektive wie „faul“, „gefräßig“, „stinkend“ etc. gekennzeichnet sind. Den so charakterisierten Nationen wurde (und wird) Kultur, Bildung und gewandtes Auftreten abgesprochen. Aus solchen Stereotypen nähren sich Feindbilder.296 Typisierungen werden zum Gemeingut, obwohl es in der Realität diese Typen gar nicht gibt. Die realen Erscheinungen haben oft wenig Übereinstimmungen mit ihrer Wiedergabe in der Karikatur. Attribute, die heute gar nicht mehr präsent sind, werden in der Karikatur tradiert und verallgemeinert. Während Hyperbeln Zuspitzungen auf ein real existierendes (äußeres) Merkmal sind, sind Typisierungen Zuspitzungen auf ein Klischee hin. Die Birnenform als Symbol für Helmut Kohl hat tatsächlich Ähnlichkeit mit dessen Kopfform - sie ist eine Übertreibung der Realität. Klischees jedoch haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Die Deutschen, die Lederhosen tragen, prägen nicht gerade das Straßenbild. Nun mag zugestanden werden, daß Karikaturisten nun mal irgendwelche Zeichen einsetzen müssen, und die ja auch einigermaßen witzig sein sollen, wenn aber Klischees ein unvermeidliches Abfallprodukt von Karikaturen sind, geraten Typisierungen, die wohlgemerkt nicht mit den tatsächlichen Phänomenen übereinstimmen, also unrealistisch sind, jedoch ständig als Etikett dienen, und zwar konstant und dabei ja auch mit Inhalten besetzt sind, zur groben Verallgemeinerung. Daraus wiederum kann resultieren, daß sich durch diese Vereinfachung und Übertreibung in den Darstellungen Vorurteile verfestigen. Es besteht die Gefahr, daß der Betrachter diese Vorurteilsbildung auf die Realität überträgt.297 Das Verfahren, mit Typisierungen bzw. Stereotypen zu arbeiten, rückt die Karikatur in die Nähe von Propaganda. Der Karikaturist geht auf die Stereotype, die der Betrachter im Kopf hat, ein, er nutzt den Wahrnehmungsmechanismus und spielt mit der Wirkung von Typisierungen. Er schraubt damit die Spirale des Aufgreifens bestehender Vorurteile und des gleichzeitigen Verstärkens eben dieser Ressentiments weiter.298 Das Sich-Bedienen im Typen-Vorrat der

296 Vgl.: Münkler 1994, S. 26. 297 Vgl.: Grünewald 1979, S. 95. 298 Vgl.: Seidler 1982, S. 21f.

100 Karikaturgeschichte bedeutet nicht unbedingt eine Spiegelung der tatsächlichen Substanz der kritisierten Person oder Politik, sondern bietet eine pauschale Einordnung des Dargestellten in eine vorgegebene Form. Die Komplexität der politischen Konstellationen und Probleme bleibt davon unberührt. „In was unterscheidet sich der Vertreter des Gewerkschaftsbundes von jenem des Arbeitgeberverbandes am Tisch gegenüber? Ist denn der dicke Kapitalist mit Zigarre und Melone, der in der Barrikaden- und Klassen- kampfrhetorik streiklustiger Gewerkschaftsblätter sein autoritäres Unwesen treibt, tatsächlich ein brauchbarer Watschenmann für die Wi- drigkeiten des kapitalistischen Produktionsprozesses? Im hilflosen Selbstzitat zeigt die politische Karikatur ihre Unfähigkeit zur zeit- genössischen Verwandlung.“299 Nicht nur Personen, Gruppen oder Nationen werden in den Karikaturen typisiert, sondern auch die Verhältnisse, unter denen sie auftreten. Das Umfeld wird der typisierten Vorstellung angepaßt, andere Verhältnisse existieren nicht.300 Bei der Verallgemeinerung handelt es sich um eine karikaturistische Notwendigkeit der Dekodierbarkeit und um ein unkritisches Propagieren von Vorurteilen zugleich. Dieser Teufelskreis läßt sich folgendermaßen beschreiben: „Die Merkmale dienen als Formel der Verstärkung und der automatischen Rezeption, der Übermittlung von Emotionen wie unsympathisch, brutal. Erst wo der Symbolwert des Typs nicht mehr als solcher erkannt wird, der Typ verallgemeinert auf Wirklichkeit übertragen wird, verfestigen sich Vorurteile.“301 Die Neigung der Karikatur zu Typisierungen ist letztlich ein Widerspruch zum „ernsten Fragespiel der Satire“302, da es sich um unzulässige Verallge-

299 Precht, Richard David: Witzlose Wächter. In: Die Zeit, Nr. 15 v. 5.4.1996, S. 59. Precht kritisiert auch die kontinuierlich praktizierte Verwendung des Michels und verdeutlicht an dieser Figur das reflektionslose Fortleben einmal geprägter Typisierungen: „Unbeschadet der Mordwerke von Auschwitz“ dient „der leibhaftige Anachronismus dieser schlafmützigen Biedermeiergestalt“ nach wie vor als Personifizierung der Deutschen. Vgl.: Precht 1996, S. 59. 300 Vgl.: Reumann 1966, S. 238. 301 Grünewald 1979, S. 96. Die Einschätzung Uppendahls unterscheidet sich von der Grünewalds. Mit der Synekdoche werde der Karikaturist dem grundlegenden Prinzip der allgemeinen Kommunikationslehre gerecht, „wonach Zeichen jeweils nur die Bedeutung haben können, die ein Mensch nach seinen individuellen Erfahrungen in sie hineinlegen kann.“ Uppendahl 1978, S. 10. Wenn Uppendahl von dem „im Akkulturationsprozeß erworbenen Meinungsblock des mitteleuropäischen Rezipienten“ spricht, zu dem „Topoi wie der Deutsche Michel oder der Russische Bär gehören“ (Uppendahl 1978, S. 10), steht das im Widerspruch zu dem Vorherigen. Akkulturation bedeutet dann Übernahme von Klischees und steht einer individuellen Erfahrung entgegen. 302 Reumann 1966, S. 108.

101 meinerungen handelt, die von starren Vorstellungen ausgehen, und die jede Entwicklung und jede Tendenz ignorieren und somit auch eine Beweglichkeit des Urteils vereiteln303. Das „Denkleistungsprinzip“, das der Karikatur inhärent ist, ist durch Typisierung gefährdet. Mit der stereotypen Wiederholung wird „das Verfremdete, also das durch künstlich-künstlerische Fremdmachung nach- denkenswert Gewordene, bereits wieder selbstverständlich.“304 Das Resultat der Wiederholung von Typisierungen sind Klischees. Durch die Kette Verfremdung-Typisierung-Klischee wird das ursprüngliche karikaturistische Mittel der Verfremdung pervertiert durch „Einebnung der originären karikaturistischen Absicht.“305 In den Karikaturen lassen sich Klischeebilder ausmachen, die Meinungen herstellen und Einstellungen prägen. Zwar bedauert die englische Zeitung Independent, im Zuge der „political correctness“ würden die Karikaturisten sich heutzutage nicht mehr erlauben, Nationalitäten zu typisieren. Da alle Europäer gleich aussehen müssen und man dem Waliser nicht mal mehr sein Nationalemblem, den Lauch, an den Hut stecken dürfe, sei die Karikatur fade geworden.306 Doch solcherlei „Fairness“, „die ohnehin dem Genre fremd ist, findet sich nirgends, am wenigsten in britischen Karikaturen zum Thema Deutschlandbild.“307 Im Kontext der Londoner Ausstellung „Coping with the Relations“, die das sich in Karikaturen manifestierende Bild der Engländer von den Deutschen und umgekehrt zum Thema hat, wird offensichtlich, daß das Stereotyp „des“ Deutschen selbst 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch das einer mit Knobelbechern, Pickelhaube und Hakenkreuz versehenen Figur ist.308

303 „Picasso und andere Künstler unserer Zeit haben sich gegen das Mißverständnis verwahrt, ihre Abstrahierungen als Typisierungen anzusehen. Typisierungen verab- solutieren das Gängige, Durchschnittliche. Sie leisten also das Gegenteil von dem, was Satire erreichen soll: neue Perspektiven zu erschließen.“ Reumann 1966, S. 286. 304 Schneider 1988, S. 86. 305 Schneider 1988, S. 86. 306 Vgl.: Thomas, Gina: Bei den Krauts ist ein Gen locker. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 23 v. 28.1.1994 (im folgenden: Thomas 1994), S. 36. 307 Thomas 1994, S. 36. 308 Vgl.: Thomas 1994, S. 36. Den Titel ihres Aufsatzes leitete Thomas aus einer Sentenz der englischen Zeitung Mail ab, wo anläßlich der Diskussion um das Bomber-Harris- Denkmal zu lesen stand: „Ich glaube, die Deutschen sind kollektiv gestört. Ich glaube, sie haben ein Gen locker.“ Der gleiche Tenor ist im Spectator anzutreffen, in dem davon die Rede war, dem deutschen Charakter wohne eine Art Verrücktheit inne. Unter all der Ordnungs-Passion lauere eine gefährliche Instabilität. Vgl.: Kroencke, Gerd: Pickel- haube, Hakenkreuz. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 21 v. 27.1.1994 (im folgenden:

102 Eine Karikatur aus der Sun vom April 1987 des Karikaturisten BERNARD COOKSON ist ein prägnantes Beispiel für diese Sicht der „Krauts“ (Abb. 35). Ein Blick in den „Giftschrank“ des archivierten Materials macht deutlich, „wie solche Abziehbilder in britischen Zeitungen kultiviert werden.“309 Gleichgültig, ob es um das Gebaren deutscher Touristen geht - wie in einer Karikatur von BILL CALDWELL, die im Juni 1992 im Daily Star erschien (Abb. 36) - oder um einen Streik der Müllabfuhrmänner (eher ein deutsch-innenpolitisches Ereignis) - wie in einer Karikatur von JAK (Pseudonym für RAYMOND JACKSON, Abb. 37) für den Evening Standard vom April 1992 -, der Stechschritt entlarvt, daß es sich bei den in den Karikaturen Dargestellten um Deutsche handeln muß. Erst recht im konkreten Fall verstimmter britisch-deutscher Beziehungen wird mittels des Stechschritts die direkte Parallele heutiges (wiedervereinigtes) Deutschland und das Deutschland des Dritten Reiches gezogen. So geschieht es auch in der im Januar 1991 im Today erschienen Karikatur von DAVE GASKILL (Abb. 38).310 Genau die Falle der Wahrnehmung, die uns ein klischeehaftes Bild von anderen Nationen liefert, thematisiert der deutsche Karikaturist JUPP WOLTER in einer Karikatur vom Juli 1990, in der er Maggie Thatcher zu Helmut Kohl sagen läßt: „Dear Helmut, wir Briten haben es nicht so dick, daß wir uns alle vierzig Jahre eine neue Brille leisten könnten!“ (Abb. 39). Die Gefahr liegt darin, daß wir Typisierungen in unser Denken übernehmen. Wir übertragen die Karikatur, das verzerrte Bild, zurück auf die Realität. Die Typisierungen verselbständigen sich. Obwohl niemand (mehr) ernsthaft be- haupten wird, man werde mit einer „deutschen“, „italienischen“ oder „schwarzen“ Mentalität geboren, „wird immer wieder der Nationalcharakter beschworen, insbesondere bei Krisen oder Ungewißheiten“311. Umfragen bei

Kroencke 1994), S. 13. Thomas erkennt in dem englischen Deutschlandbild ein Instrument, den Deutschen ihre Vergangenheit vorzuhalten und dadurch einen gewissen Druck bei aktuellen Debatten wie z.B. beim Maastricht-Vertrag ausüben zu können. „Britischen Zeitungslesern wurde suggeriert, die teutonischen Horden hätten die Wehr- macht durch die Mark ersetzt.“ Gleichzeitig biete der permanente Bezug auf den Zweiten Weltkrieg den Engländern die Gelegenheit, ihre eigene Vergangenheit zu rühmen. 309 Kroencke 1994, S. 13. 310 Etwas bitter stellt Kroencke fest, daß demgegenüber das England-Klischee der Deutschen, das aus Vorstellungen von Nebel, Gentlemen mit Stockschirmen und Edgar- Wallace-Filmen besteht, ausgesprochen harmlos, ja freundlich ist. Vgl.: Kroencke 1994, S. 13. 311 Husemann 1993, S. 26 (Hervorhebung im Original).

103 Kindern und Jugendlichen, wie sie sich „den“ Spanier, „den“ Franzosen, „den“ Engländer usw. vorstellen, bestätigen, daß die Klischees verinnerlicht werden.312 Solcherart Klischeebilder betreffen nicht nur den europäischen Nachbarn. Wesentlich stärker ausgeprägt sind sie in bezug auf Nationen der sogenannten „Dritten Welt“. In der Karikatur begegnen wir beispielsweise dem Turban, wenn ein Inder dargestellt werden soll. Vorzugsweise trägt dieser auch noch ein Nagelbrett mit sich herum. Das Produkt der Typisierung des Karikaturisten ist ein fiktives Bild (z.B. das Bild, daß alle Inder Turbane tragen). Es entsteht ein Klischee, das tatsächlich keinen Realitätsgehalt hat, denn nur eine Minderheit in Indien, die Sikhs, tragen überhaupt Turbane. Stereotype werden angesprochen, die der Betrachter bereits im Kopf hat. Somit bestätigt der Karikaturist Vorurteile und setzt einen Teufelskreis in Gang: Wenn wir uns einen Inder „denken“, dann denken wir womöglich an jemanden mit einem Turban. Die Klischeebilder nisten sich in unseren Köpfen ein. Das Entscheidende dabei ist, daß die aufgegriffenen Äußerlichkeiten weit weniger brisant sind als die Charaktere, die mit dem Äußeren verbunden werden. Die Etablierung der Klischees, ihre permanente Wiederholung und die Besetzung der Bilder mit Inhalten seitens der Betrachter führen dazu, daß eine Übertragung des Bildes auf die Realität stattfindet. Der Betrachter glaubt beispielsweise, daß Inder Turbane tragen, impliziert damit eine fremde, überlebte Bindung an Religion oder Konventionen, hält Inder für rückständig und begreift ihre Gedanken- und Lebenswelt als inkompatibel mit der eigenen und faßt eine entsprechende Einstellung ihnen gegenüber, die sich zumindest in Ressentiments, schlimmstenfalls in Fremdenfeindlichkeit, äußert. Aus der Verzerrung ist Wirklichkeit geworden.

2.3 Feindbild: Begriff und Theorie Vorurteile finden ihre massivste und gefährlichste Ausprägung in Feindbildern. Feindbilder lassen sich als „pathologisches Extrem“ der Stereotype begreifen.313 Ebenso wie Stereotype sind Feindbilder schablonenhafte Vorstellungen. „Feindbilder werden wie alle sozialen Vorurteile, im Laufe des Soziali- sationsprozesses erworben, also gelernt. Das heißt: bestimmte

312 Vgl.: Husemann 1993, S. 24f. 313 Vgl.: Spillmann/Spillmann 1989, S. 30.

104 Meinungsführer (Massenmedien, Politiker, Erzieher) erzeugen kollektive Vorurteile und Feindbilder.“314

MÜNKLER unterscheidet zwei Kategorien von Feindbildern: Zu der ersten zählen Feindbilder, die an Einstellungen und Verhaltensweisen festgemacht werden. Wenn jemand sich zu diesen bekennt, wird er zum politischen Feind. Die Feindbilder der zweiten Kategorie sind dadurch gekennzeichnet, daß sie sich nicht auf ein politisch handelndes Individuum beziehen, sondern auf ganze Gruppen, denen man spezielle Eigenschaften zuordnet. Die Gruppen werden nach bestimmten „angeborenen“ oder kulturell erworbenen Charakteristika klassifiziert. Jeder, der sich als Angehöriger einer solchen Gruppe erweist, wird zum Feind.315 Die Kennzeichnung eines Feindes aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten „Mentalitäts-Gruppe“ impliziert die Konstruktion eines „Nationalcharakters“. Dieser Nationalcharakter, der zum Feind abstempelt, würde bedeuten, daß die entsprechenden Eigenschaften kulturell - oder mehr noch: genetisch - determiniert sind. Nicht aufgrund eines konkreten politischen Bekenntnisses wird derjenige zum Feind, sondern aufgrund seiner „angeborenen“ Disposition. Damit ist er ein Erb- oder auch „Erzfeind“. Der Feind kann nichts dafür, daß er Feind ist. Darüberhinaus kann er sich dieser Bestimmung auch nicht entziehen. Er wird immer Feind bleiben.316 Die beiden Feindbild-Kategorien schließen einander nicht aus, sondern vermischen sich. Feindbilder, die sich auf eine politische Einstellung des Gegenübers gründen, werden häufig mit Gruppen-, Religions- und Nationalstereotypen gekoppelt und umgekehrt.

2.3.1 Wahrnehmungsstrukturierende Funktion von Feindbildern Auch bei Feindbildern handelt es sich um eine Kategorisierung der Welt, denn sie liefern die Systematik zur Aufnahme von Informationen über die Welt. Sie sind - wie Stereotype - Bilder, die unsere Eindrücke ordnen und somit die Verarbeitung der Wahrnehmung unterstützen.317 Wie Vorurteile überhaupt, sind

314 AGFP 1983, S. 8. 315 Vgl.: Münkler 1994, S. 30. 316 Vgl.: Münkler 1994, S. 31. 317 „Bei einer Begegnung mit anderen Menschen muß das Individuum nicht jedesmal neu erforschen, was es mit diesem Menschen auf sich hat. Ihm genügt das Wissen um seine Nationalität, seinen Beruf oder seine Rassenzugehörigkeit. Dieses Wissen bestimmt, was

105 Feindbilder stark simplifizierende Schwarz-Weiß-Klischees, die sich auf bereits existente Vorstellungen stützen und wiederum eine selektive - lediglich schon bestimmte Annahmen bestätigende - Wahrnehmung zulassen. Eine neutrale Sicht der politischen und sozialen Wirklichkeit wird unmöglich. Somit verzerrt das Feindbild die Wirklichkeit318. Entsprechend den Stereotypen haben Feindbilder die Aufgabe, unverständliche oder befremdliche und bedrohliche Geschehnisse zu ordnen. Doch Feindbilder sind wesentlich stabiler als Stereotype. Sie unterscheiden sich von Stereotypen darin, daß sie nicht mehr nur Orientierungshilfen sind, sondern Orientierungsdiktate; sie haben einen „quasi diktatorischen Einfluß auf das Denken, Handeln und die Weltsicht einer Person“319. Adäquat der Vorurteilsforschung geht die Feindbildforschung davon aus, daß Feindbilder dadurch gekennzeichnet sind, daß die Wirklichkeit und ihre Wahrnehmung nicht übereinstimmen.320 Während Stereotype noch einen ge- wissen Spielraum lassen, modifiziert oder revidiert werden zu können, bleiben Feindbilder relativ resistent gegen Verifizierung, selbst wenn Informationen vorliegen, die die Vorstellungen korrigieren müßten.321 Das rührt daher, daß sich Feindbilder unabhängig von der Realität ausprägen. Sie konstituieren sich nicht aus einer persönlichen oder konkret gemachten Erfahrung, sondern sie existieren jenseits von Erfahrungswerten. Sie sind Vorher-Urteile, Vorstellungen, die

das Individuum bei anderen Menschen wahrnimmt.“ AGFP 1983, S. 7. „Es ist offensichtlich ein unvermeidbarer Tatbestand, daß wir im Alltag ständig solche Bilder entwerfen. [...] Um uns in der Umwelt zurechtzufinden und unsere Ziele zu erreichen, konstruieren wir uns eine subjektive Realität in der Weise, daß die Welt für uns einen Sinn ergibt.“ Lilli, Waldemar: Entstehung und Funktion von Feindbildern aus sozial- psychologischer Sicht. In: Feindbilder im Dienste der Aufrüstung. Beiträge aus Psychologie und anderen Humanwissenschaften. (Schriftenreihe des Arbeitskreises Marburger Wissenschaftler für Friedens- und Abrüstungsforschung, Nr. 3). Hrsg. v. Gert Sommer / Johannes M. Becker / Klaus Rehbein / Rüdiger Zimmermann. Marburg 1987, S. 16-31 (im folgenden: Lilli 1987); hier: S. 17. 318 Vgl.: AGFP 1983, S. 8. 319 Schöneberg 1993, S. 40. 320 Vgl.: Ostermann 1977, S. 104. 321 Nach dem Konsistenz-Prinzip neigt der Mensch dazu, „seine Urteile so auszurichten, daß sie ein geschlossenes Bild abgeben. Es gilt die Annahme, daß zu einem bestehenden Bild in aller Regel passende, dieses Bild bestätigende, es abrundende Informationen bevorzugt werden. Dieses Streben nach Konsistenz ist ein Schutz-Mechanismus, der verhindert, daß wir die Bilder, die wir uns machen, angesichts widersprechender Informationen fort- während ändern müßten, was sehr großen und deshalb gerne vermiedenen Aufwand erfordern würde. Je extremer diese Bilder sind - und beim Feindbild haben wir es mit einer extremen Form zu tun -, desto stärker ist ihre Stabilität oder ihre Resistenz gegen Änderung.“ Lilli 1987, S. 21.

106 entstehen, bevor überhaupt ein entsprechender datenliefernder Kontakt mit dem Objekt des Vorurteils zustande gekommen ist. Bei diesem Vorgang bilden schon vorhandene Vorurteile (wie z.B. rassistische oder antisemitische) den Nähr- boden, auf dem sich die Feindbilder entwickeln. So, wie Feindbilder nichts mit den tatsächlichen Menschen, Gruppen und Völkern, gegen die sie sich richten, zu tun haben brauchen, so stellt sich eben auch nicht das Bedürfnis nach Überprüfung der „Bilder“ an der Wirklichkeit ein. Feindbilder werden also nicht an der Realität überprüft, sondern an mehr oder weniger latenten Vorurteilen bzw. „Bildern“, die man bereits vom Objekt des Feindes hat. Das, was man an einem Feind wahrnimmt, sind nicht reale Merkmale, sondern „ergänzende, hinzufügende, ordnende, strukturierende Zuschreibungen“322. Kennzeichnend für Feindbilder ist ihr ausgeprägt negativer Charakter. In ihrer wesentlich stärkeren emotionalen Aufladung gehen Feindbilder über die psychologischen und politischen Implikate von Stereotypen hinaus. Hier ist der sogenannte „Halo-Effekt“ relevant. Dieser Terminus aus der Psychologie steht für ein „Ausstrahlen“ eines einzelnen bekannten Merkmals auf ein Gesamtes (auf den Charakter einer Person, einer Gruppe, einer Nation überhaupt), „d.h., daß von diesem einen bekannten Merkmal auf die Gesamtheit des Objekts oder einer Person geschlossen wird“323. Für Feindbilder heißt das, daß alle Einzel- urteile zusammengefaßt werden zu einem einheitlichen negativen Urteil, das keine Differenzierungen zuläßt. Der Feind entspricht immer diesem Paket negativer Urteile.324

2.3.2 Feindbild und Selbstbild Dem Denken in Freund-Feind-Schemata liegt außerdem der Mechanismus der Projektion zugrunde. In der Psychoanalyse bezeichnet dieser Begriff eine Form der Angstabwehr bzw. der Konfliktbewältigung. Bestimmte Charaktermerk- male, die man bei sich selbst ausmacht, die jedoch nicht mit dem Selbstbild

322 Wulff, Erich: Zur Entstehung und zur Wirkung von Feindbildern. In: Feindbilder im Dienste der Aufrüstung. Beiträge aus Psychologie und anderen Humanwissenschaften. (Schriftenreihe des Arbeitskreises Marburger Wissenschaftler für Friedens- und Ab- rüstungsforschung, Nr. 3). Hrsg. v. Gert Sommer / Johannes M. Becker / Klaus Rehbein / Rüdiger Zimmermann. Marburg 1987, S. 108-119; hier: S. 108. 323 AGFP 1983, S. 11. 324 Vgl.: Ostermann 1977, S. 106.

107 übereinstimmen, weil es sich um Fehler, Schwächen oder Unzulänglichkeiten handelt, werden anderen untergeschoben, auf andere Menschen oder Gruppen projiziert. Somit kann sich der einzelne „psychische Entlastung“325 bereiten, indem die Angst vor den eigenen, unkontrollierbaren Trieben, Gefühlen und Bedürfnissen in der Verurteilung und Bekämpfung solcher Unzulänglichkeiten und negativen Züge beim Feind entladen werden kann.326 Zur Projektion kommt der Aspekt der Spiegelbildlichkeit hinzu: Dem Schwarz- Weiß- bzw. Gut-Böse-Denken entspricht die Vorstellung, daß die negativen Eigenschaften, die man dem Feind unterstellt, einem selbst wesensfremd sind. „Aus dieser Sicht erscheinen die Tugenden des einen, zum Beispiel Spar- samkeit, Fleiß, Treue oder Engagement, als die Untugenden des anderen, also Knausrigkeit, krankhafter Ehrgeiz, Vetternwirtschaft oder Herrschsucht.“327 Jedes Feindbild impliziert dementsprechend ein Bild vom Selbst als qualitatives Gegenstück. „Ein zentraler psychodynamischer Vorgang bei der Entstehung und Fixierung von Vorurteilen besteht darin, daß mit Hilfe der Fremd- erniedrigung eine Selbstidealisierung vorgenommen wird. Je größer die Distanz von Unterdrückern und Unterdrückten auf diese Weise wird, desto weniger fällt der Einspruch des Gewissens ins Gewicht, wenn das Haß- objekt ohne Rücksicht auf den Respekt behandelt wird, der nach den Spielregeln der eigenen Gruppe zu zollen ist.“328 Im Selbstbild ist immer schon ein Feindbild enthalten und umgekehrt. Man kann sich beispielsweise nur als Demokratie verstehen, wenn man ein Bild von einem konträren Phänomen besitzt (von einer Oligarchie, Monarchie oder von Totali- tarismus) und dies als ablehnungswürdig sieht. Der Verzicht auf ein Feindbild ist also identisch mit dem Verzicht auf ein Selbstbild.329 Erst Heterostereotype, also die Unterscheidung von „Fremden“, liefern die „Daten“, an denen ein „Wir“ festgemacht werden kann.330 Feindbilder sind also für das Individuum wichtig, weil sie als Abhebung vom negativen Selbst und zur Erhöhung des Selbstbildes benutzt werden. Sind Feindbilder unabdingbar für den Menschen? KEEN charakterisiert den Menschen

325 Vgl.: Flohr 1991, S. 69. 326 Vgl.: Ostermann 1977, S. 130. 327 Schöneberg 1993, S. 40. 328 Mitscherlich, Alexander / Mitscherlich, Margarete: Die Unfähigkeit zu trauern. München 1967, S. 151. 329 Vgl.: Münkler 1994, S. 23. 330 Vgl.: Hofstätter 1960, S. 16.

108 als „Homo hostilis“, als „feindselige Spezies“, als „feind-erfindendes Lebe- wesen“, was jedoch keineswegs bedeutet, der Mensch könne ohne Feinde nicht existieren und er könne den Trieb, sich Feinde zu „basteln“ nicht ablegen. Im Gegenteil: KEEN ruft zu einer „Erziehung von Homo amicus“ auf und zeigt damit, daß es nur eine Frage der Erziehung, der politischen Bildung, der Aufklärung und des politischen Willens ist, das Feinddenken aufzugeben.331

2.3.3 Identifikation und Systemstabilisierung Vorurteile und Feindbilder fungieren nicht nur als rasche Orientierungshilfe und Chaos- bzw. Angstabwehr für den einzelnen Menschen. Sie werden auch auf der politischen Ebene instrumentalisiert. Es handelt sich nicht nur um eine arglose Form einer psychologisch determinierten Wahrnehmung, sondern diese Wahr- nehmung wird von bestimmten gesellschaftlichen Interessen bzw. von einer politischen Führung gesteuert. Auch bezüglich großer Gruppen wie Volk oder Nation bietet erst die Mar- kierung des Feindes die Koordinaten der Selbstdefinition.332 Die Kategorisierung in „Ihr“ und „Wir“, verbunden jeweils mit der Zuordnung negativer bzw. in bezug auf die eigene Gruppe positiver Qualitäten, wird begleitet von Emotionen, da die outgroup als minderwertig, „primitiv“, bedrohlich, gefährlich und feindlich eingestuft wird. Diese Gefühle lassen sich massenpsychologisch nutzen.333 Da Feindbilder dazu dienen, die nationale und gesellschaftliche Identifikation zu verstärken, fungieren sie gleichzeitig als Systemstabilisierung. Die beschrie- benen psychologischen Mechanismen, die beim einzelnen wirken, bilden den

331 Vgl.: Keen 1986/1987, S. 9. 332 Für Umberto Eco ist das Phänomen der Feindbilder eines von 14 Merkmalen, die „Urfaschismus“ charakterisieren. Die Tatsache, im selben Land geboren zu sein, verschafft eine Identität in Abgrenzung zu Menschen, die eben woanders geboren sind und kann zum „Kristallisationspunkt“ für Faschismus werden. Vgl.: Eco, Umberto: Urfaschismus. In: Die Zeit, Nr. 28 v. 7.7.1995, S. 47-48; hier S. 48. 333 „Schließlich beinhaltet die Grenzziehung verdeckt oder offen die Bereitschaft, Werte, Privilegien und Ansprüche der ´Wir´-Gruppe gegenüber ´anderen´ zu verteidigen bzw. für die der Eigengruppe versagten, ihr ´rechtmäßig´ aber zustehenden Positionen und Vorteile zu kämpfen.“ Schöneberg 1993, S. 40.

109 Boden, auf den auf der politischen Ebene Inhalt und Form der Feindbilder gesetzt werden. Die gesellschaftliche Funktion von Feindbildern liegt in der gefahrlosen Abfuhr von Triebspannungen nach außen. Feindbilder eignen sich zur Ablenkung von negativen Merkmalen der eigenen Gesellschaft.334 Die Aggression richtet sich nicht auf den innergesellschaftlichen Ursprung von Schwierigkeiten, Unge- rechtigkeiten, Unfrieden oder Not, sondern wird abgelenkt auf einen äußeren Feind. Diese Funktion von Feindbildern kann manipulativ eingesetzt werden bzw. Feindbilder lassen sich bewußt herstellen.335 Die politische Funktion von Feindbildern ist ihr Vermögen, das nationale Selbstverständnis zu unterstützen und die Zustimmung zur politischen Führung zu untermauern, was eine Bejahung des eigenen Systems nach sich zieht. Feindbilder sind Integrations- ideologien. Beck nennt Feindbilder eine „interne Präsenz der externen Instanz“: „In allen bisherigen Demokratien gibt es zwei Arten von Autorität: die eine geht vom Volke, die andere geht vom Feinde aus. Feindbilder inte- grieren. Feindbilder ermächtigen. Feindbilder haben höchste Konflikt- priorität. Sie erlauben es, alle anderen gesellschaftlichen Gegensätze zu überspielen, zusammenzuzwingen. Feindbilder stellen sozusagen eine alternative Energiequelle für den mit der Entfaltung der Moderne knapp werdenden Rohstoff Konsens dar.“336

334 „Feindbilder sind intellektuelle Waffen, Meta-Waffen: Worte, in deren Horizont Gewalt selbstverständlich wird. Sie ermöglichen, auf ein Außen abzuwälzen, was im Innern wenigstens miterzeugt wird. Der Andere, der Fremde, der Feind ist schuld, wo ansonsten alle Externa - Gott, Natur - entgleiten.“ Beck, Ulrich: Der feindlose Staat. In: Politik ohne Projekt. Hrsg. v. Siegfried Unseld. Frankfurt a.M. 1993, S. 106-122 (im folgenden: Beck 1993); hier: S. 111. 335 „Es läßt sich also sagen, daß Vorurteile und Feindbilder wichtige Faktoren der psychischen Herrschaftssicherung in einer Gesellschaft sind. In den modernen kapi- talistischen Gesellschaften treten an die Stelle der direkten Gewalt immer mehr die subtilen, elaborierten Formen der psychischen Herrschaftssicherung.“ Nicklas, Hans: Die politische Funktion von Feindbildern. In: Feindbilder im Dienste der Aufrüstung. Beiträge aus Psychologie und anderen Humanwissenschaften. (Schriftenreihe des Arbeitskreises Marburger Wissenschaftler für Friedens- und Abrüstungsforschung, Nr. 3). Hrsg. v. Gert Sommer / Johannes M. Becker / Klaus Rehbein / Rüdiger Zimmermann. Marburg 1987, S. 32-37 (im folgenden: Nicklas 1987); hier: S. 34. 336 Beck 1993, S. 109 (Hervorhebung im Original).

110 2.3.4 Handlungskonsequenzen Mit diesen Determinanten allein ist die Rolle von Feindbildern noch nicht aus- geschöpft. Feindbilder sind nicht bloß Gedanken. Sie geben auch Handlungs- anweisungen. „Diese Bilder können das eigene politische und militärische Handeln stärker beeinflussen als objektive politische und militärische Daten. Be- deutsam an Feindbildern ist daher, daß sie die Politik gestalten können, selbst wenn sie weitgehend realitätsfern sind.“337 Wichtig bei der Bestimmung, welche Bedeutung Feindbilder haben, ist deshalb die Auseinandersetzung mit ihrer handlungsprovozierenden Funktion, denn die Bilder steuern nicht nur, wie über bestimmte Menschen oder Nationen gedacht wird, sondern auch, wie man ihnen gegenüber empfindet, sich zu ihnen verhält. Neben der Instrumentalisierung von Feindbildern für innenpolitische Interessen bzw. zur Systemstabilisierung ist die Ausnutzung der dazugehörigen Emotionen für außenpolitische Ambitionen besonders prägnant. Dabei ist wesentlich, daß Feindbilder auf Bedrohungsvorstellungen fußen (erst das Gefühl der Bedrohung macht aus einem Widersacher einen Feind), wobei es gleichgültig ist, ob die Bedrohung militärischer, ideologischer, kultureller, wirtschaftlicher oder techno- logischer Art ist.338 Die integrative Funktion von Feindbildern, die Evokation eines „Wir-Gefühls“ mit dem Ziel, einen Zusammenschluß der Bevölkerung zum gemeinsamen Handeln oder zumindest zur Unterstützung der Aktionen ihrer Stellvertreter gegenüber dem Außen zu erreichen, kann eine konkrete Mobilisierung nach sich ziehen. Feindbilder können dazu dienen, eine Art „Enthemmung“ bei der Bevölkerung zu erreichen, um Aufrüstung oder eine militärische Handlung einzuleiten. „Die psychischen Strukturen können in Dienst gestellt werden, um Menschen dazu zu bringen, für fremde Interessen zu leiden und zu sterben. Die Errichtung der paranoiden Wahnsysteme der heutigen Sicher- heitspolitik - SDI ist so irrational wie die Astrologie - wäre nicht möglich

337 Sommer, Gert: Vorwort. In: Feindbilder im Dienste der Aufrüstung. Beiträge aus Psychologie und anderen Humanwissenschaften. (Schriftenreihe des Arbeitskreises Marburger Wissenschaftler für Friedens- und Abrüstungsforschung, Nr. 3). Hrsg. v. Gert Sommer / Johannes M. Becker / Klaus Rehbein / Rüdiger Zimmermann. Marburg 1987, S. 10-12; hier S. 10. 338 Vgl.: Flohr 1991, S. 31. „Als ´Feind´ gilt der, von dem ich annehme, daß er mich und meine Absichten bedroht. Daß diese Definition an der Perzeption festgemacht ist, bedeutet, daß die Frage, ob die Bedrohung real oder irreal ist, zunächst keine Rolle spielt.“ Ostermann 1977, S. 110.

111 ohne die Ausbeutung der menschlichen Psyche durch die kalkulierte Errichtung der Freund-Feind-Schemata.“339 Das konzentrierte Erstellen und Aufkommen von Feindbildern war immer wieder Ankündigung einer nachfolgenden kriegerischen Auseinandersetzung. Durch verstärkte Feindbildpropaganda vorbereitet, wird eine Gewaltbereitschaft mobilisiert, mit dem Effekt, daß bei Zuspitzung eines Konfliktes ein bereitwilliger kämpferischer Einsatz erfolgt, ohne zeitraubende Reflexion des einzelnen. Im Falle einer Mobilisierung suggerieren Feindbilder der Bevölkerung, daß eine kriegerische Handlung unumgänglich ist. CORA STEPHAN bezeichnet Feindbilder als eine „ziemlich moderne Erscheinung“ bzw. als ein Produkt demokratischer Systeme, da zu Zeiten des Feudalismus eine Rechtfertigung von Kriegen unnötig war.340 In der Moderne aber werden Aggressionen geächtet und mißbilligt, weshalb man erst ein Feindbild braucht, um das Volk auf einen Krieg einzustimmen. Der Feind muß entsprechend gefährlich dargestellt werden, um die hohe „zivile“ Schwelle zu überwinden, bevor in Demokratien zu Waffen gegriffen wird. Dazu bedarf es einer entsprechenden Propaganda. Um die Schwelle, gegen einen Gegner zu den Waffen zu greifen, zu überwinden und die Bevölkerung auf einen Einsatz auf den Schlachtfeldern vorzubereiten, wird der Feind als Aggressor dargestellt - nicht zuletzt in Karikaturen.

339 Nicklas 1987, S. 35. 340 Daß moderne, demokratische Gesellschaften ein Feindbild brauchen, „weil etwas so fragiles und schwebendes wie eine Demokratie ohne eine kräftige Dosis von aggressiver Abgrenzung nicht lebensfähig sei“, ist für Cora Stephan eine zu stark konstruierte Hypothese. Feindbilder seien zwar systemstabilisierend, jedoch nicht zwingend existenznotwendig. Sie räumt allerdings ein, daß zu Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs die Präsenz von Vorurteilen und Feindbildern zunimmt. Vgl.: Stephan, Cora: Ambivalenzen. In: Merkur. Unterschiede. Über Kulturkämpfe. Jg. 49, 1995, H. 9/10, S. 794-803 (im folgenden: Stephan 1995); hier: S. 797. Generell sieht Stephan die Warnung vor Feindbildern als „Ausdruck einer Kultur, die ihr Glück unverdient glaubt. Sie zeigt aber auch, wie sich überlegen fühlt, wer sich solche Schuldgefühle leisten kann.“ Stephan 1995, S. 797. Für Stephan jedenfalls steckt hinter den wissenschaftlichen Ambitionen, dem Phänomen Feindbild nachzugehen, das latente Schuldgefühl, „an allem Übel der Welt schuld zu sein“ und das wiederum ist für sie Zeichen eines westlichen Größenwahnsinns, der „ähnlich herablassende Züge [trägt] wie die imperialistischen Kreuzzüge der Vergangenheit“. Stephan 1995, S. 798.

112 3 Die Archetypen der Feindbildkarikaturen

Betrachtet man Feinddarstellungen in Karikaturen, so zeigt sich, daß der Feind kontinuierlich in ganz bestimmten Erscheinungsformen vorkommt. Solche über alle Zeiten und über den Wechsel von Gegnerschaften hinweg beständigen Bildformeln zur Darstellung von Feinden lassen sich deshalb „archetypisch“ nennen.341 Das Stereotyp des Feindes hat immer gewisse Charakteristika wie „dumm“, „böse“, „grausam“ etc. Diese Kennzeichen oder Typen werden tradiert. Sie entsprechen geprägten Vorstellungen, die in unterschiedlichen geschichtlichen Epochen und in unterschiedlichen Gegenden ihre Gültigkeit bewahren. Die zugrundeliegenden wahrnehmungspsychologischen Mecha- nismen greifen schließlich überall und jederzeit. „Meine Ausgangsfrage gilt dem, was C.G. Jung den ´Archetyp´ des Feindes genannt haben würde. Wir werden herausfinden, daß Kriege kommen und gehen, daß die Feindvorstellung jedoch - eigenartigerweise unter verschiedensten Bedingungen - ein bestimmtes Standardrepertoire von Bildern aufweist, die zur Entmenschlichung des Feindes verwendet werden. Was Propaganda angeht, sind wir alle Platoniker; wir wenden zeitlose Archetypen auf sich wandelnde Ereignisse an.“342 Diese Formulierung ist auf Karikaturen übertragbar. Bei der Feststellung der Traditionsformeln läßt sich ein Katalog von Feindbild-Archetypen in Karikaturen aufstellen oder - wie KEEN es ausdrückt - eine „Phänomenologie der Feindvorstellung“343. Zu den „klassischen“ Motiven der Feindbilder in Karikaturen gehören Darstellungen, die den Feind als lächerliche Figur, als Bestie, als Tier oder in der Gestalt des Todes abbilden. Diese, für historische Karikaturen teilweise bereits untersuchten, Archetypen sind auch in der zeitgenössischen Karikatur präsent. In der Motiv-Ansammlung wird deutlich, daß die Vorläufer der Bildformeln zum Teil bis zum Ersten Weltkrieg oder gar bis zu den Napoleonischen Kriegen zurückzuverfolgen sind. Die Ikonographie der aktuellen Karikaturen zeigt, daß neben den oben genannten einschlägigen Archetypen auch - zumindest in dieser Fülle - ungewohnte Motive auftauchen. Zunächst läßt sich die hohe Frequenz bestimmter Bildformeln konstatieren: Wir sehen den Feind, wie er sein Spiel

341 Vgl.: AGFP 1983, S. 11 und vgl.: Marks 1983, S. 253. 342 Keen 1986/1987, S. 12. 343 Keen 1986/1987, S. 12.

113 treibt (in den Golfkriegen frönt er natürlich dem Golfspiel - in Umsetzung des Wort“spiels“) und wie er als taktierender Spieler eine raffinierte Bedrohungs- macht darstellt. Gleichzeitig befinden wir uns in einer Ära der Feindbild- karikaturen, die den Feind als geifernden und größenwahnsinnigen Despoten zeigen, dessen Attribut vorzugsweise Bomben sind, und der sich damit eher als Terrorist ausweist denn als Staatsmann. Eine größere Gegensätzlichkeit der Darstellung ist kaum möglich: Der Feind ist einmal als Spieler kalkulierend und gewieft, dann, in gleichzeitig entstandenen Karikaturen, begegnet er dem Betrachter als jemand, der eher dem Wahnsinn verfallen ist. Hier darf natürlich die Anspielung auf Hitler nicht fehlen, wie sie zuletzt in sowjetischen Karikaturen der Frühzeit des Kalten Krieges Usus war und nun wieder häufig anzutreffen ist. Wahnsinn, Chaos, „mittelalterliche“ Dunkelheit sind denn auch Motive, die die zeitgenössischen Feindbildkarikaturen kennzeichnen.

3.1 Der Feind als Witzfigur: Humor in der Karikatur In Karikaturen gibt es verschiedene Abstufungen von Feindbilddarstellungen. Zunächst geht es oft „nur“ um das Lächerlich-Machen eines Gegners. Mit der Verunglimpfung des Gegners als lächerliche Figur wird das Gefühl eigener Überlegenheit vermittelt. Diese Darstellungen erreichen keine solche Dramatik wie die anderen Typen der Feindbilddarstellungen und entspringen eher einem Sieges-Optimismus. Das Arbeiten mit Angst-Emotionen ist hier (noch) nicht nötig. Das Motiv der Lächerlichkeit des Feindes ist in der ganzen Geschichte der Feindbildkarikaturen zu verfolgen.344

344 „Breite und intensive Verspottung kriegerischer Leitfiguren ist etwas, das über Jahrhunderte gleich bleibt, nur unterschieden durch die Bildsprache der jeweiligen Epoche: ob es sich im 17. Jahrhundert um den Fürstbischof von Münster, Anfang des 19. Jahrhunderts um Napoleon oder im ersten Weltkrieg um Kaiser Wilhelm II. handelt.“ Kessemeier, Siegfried: Politische Geschichte und Bildsatire. In: Ereigniskarikaturen. Geschichte in Spottbildern 1600-1930. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster v. 11.9.-13.11.1983, S. 15-26 (im folgenden: Kessemeier 1983); hier: S. 17.

114 EXKURS 1: Feindbildkarikaturen in Napoleonischer Zeit Die direkte In-Dienst-Nahme der Karikatur zur Feindbildpropaganda und hierbei vor allem das Lächerlich-Machen des Feindes tritt schon bei den Napoleonischen Kriegen deutlich zu Tage. Vor allem englische Karikaturisten engagieren sich im Kampf gegen Napoleon.345 Angeregt durch englische Karikaturen wird das Feindbild „Napoleon“ zum Initiator der außenpolitischen Karikatur in Deutschland - allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Herrschaft des Korsen bereits im Niedergang begriffen war („als Ausdruck nachträglicher Rache“346). Zuvor war die Repression der freien Meinungsäußerung in Deutschland so drastisch, daß erst in dem Augenblick, als sich der Karikaturist gegen einen äußeren Feind wenden durfte, auch eine außenpolitische Karikatur, und zwar als Feindbildkarikatur, entstehen konnte. 1804 krönt Napoleon Buonaparte sich zum Kaiser der Franzosen. Er versäumt nicht, sich der politischen Möglichkeiten der Karikatur zu bedienen.347 1808 ist Napoleon I. auf dem Gipfel seiner Macht. Er hat große Teile Europas besetzt. Der französischen Besatzungsmacht wird mit entsprechender Feindseligkeit begegnet. Als Napoleon ein Wirtschaftsembargo gegen England verhängt, wird er zum vorrangigen Karikatur-Objekt englischer Zeichner. Eine englische Karikatur von 1803, „Die französischen Freiwilligen auf dem Weg zur Eroberung Großbritanniens“, ist eine Attacke gegen Napoleon, die mit der reinen Ridikülisierung des Gegners arbeitet (Abb. 40). Unzählige historische Bildbeispiele zum Motiv der lächerlichen Figur in Karikaturen ließen sich aufführen. Eine Karikatur aus der jüngeren Vergangenheit, die sich in Darstellungsform und Intention vergleichen läßt, stammt von dem amerikanischen Karikaturisten DANZIGER. Diese 1992 in der

345 Thomsen schildert die Instrumentalisierung der Karikatur in diesem Umfeld: „Gillray ist aber auch ein Beispiel dafür, daß Satire und Karikatur in ihrer politischen Ausrichtung - in heutiger Terminologie gesprochen - links und rechts dienstbar gemacht werden können und satirische Temperamente nicht mit Naturnotwendigkeit nach links neigen. Begabte Spötter gibt es auch unter den Konservativen. Zunächst ein erbarmungsloser Kritiker der Regierung, wandelt sich Gillray unter dem Eindruck der französischen Revolution und ihrer Greuel zum Nationalisten, ja Chauvinisten, der [...] England und damit den status quo verteidigt und zum Befürworter der Pittschen Regierungspolitik wird, wozu auch eine Jahrespension von £ 200 beigetragen haben dürfte.“ Thomsen 1983, S. 174. 346 Schmoll, J.A.: Macht und Ohnmacht der politischen Karikatur. In: Simplicissimus München 1896-1944. Hrsg. v. Carla Schulz-Hofmann. München 1977, S. 13-22 (im folgenden: Schmoll 1977); hier: S. 17. 347 Vgl.: Lucie-Smith 1981, S. 71.

115 International Herald Tribune erschienene Karikatur ist eine zeitgenössische Variante des Themas (Abb. 41). * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

Der Archetyp des lächerlichen Feindes lenkt den Blick auf die Rolle des Humors in der Karikatur. Es stellt sich zunächst die Frage, wieso es den Karikaturisten ein Anliegen sein könnte, den Karikierten lächerlich zu machen bzw. welcher Effekt aus der Komik gezogen wird.

SIGMUND FREUD befaßt sich in seiner Schrift „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten“ (1912) mit der Analyse des Witzes. Er unterscheidet - unabhängig von der Witztechnik - zwei Formen der Komik: Die einfache Form ist die Komik als Selbstzweck.348 Mit ihr ist keine Absicht verbunden, sie ist reine Lust am Austoben des Unsinns.349 Die zweite Form der Komik ist die tendenziöse, die aggressiv vorgeht und eine Stoßrichtung hat. Die tendenziöse Komik bereitet Lust, weil sie ein Ventil schafft. Durch gesellschaftliche Reglementierungen sind offene Aggressionen und das handgreifliche Austragen von Feindseligkeiten ausgeschaltet. Es bedarf deshalb einer Technik, in Form von Schmähung des Gegners die Aggression auszuleben. Der Witz ist eine solche Technik. An ihm beteiligt sind drei Parteien: Diejenige, die den Witz produziert, diejenige, die im Witz lächerlich gemacht wird und eine dritte Partei, der der Witz dargebracht wird (das Publikum).350

Im Kontext von FREUDs Abhandlung über den Witz findet auch die Karikatur am Rande Erwähnung. Die Witz-Technik der Karikatur ist die Überzeichnung herausragender Merkmale, mit dem eine Herabsetzung einhergeht. Besonders deutlich wird der psychologische Effekt dieser Technik bei der Karikatur einer hochgestellten Persönlichkeit: Die Degradierung des Erhabenen zu etwas Gewöhnlichem oder sogar Niederem erspart den „Mehraufwand“ eines feierlichen Zwanges, den man ansonsten dem Höhergestellten gegenüber

348 Freud nennt diese Witzform auch „harmlos“. Vgl.: Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. Leipzig/Wien 1912 (im folgenden: Freud 1912), S. 75. 349 Vgl.: Freud 1912, S. 107. 350 „Der Witz wird uns gestatten, Lächerliches am Feind zu verwerten, das wir entgegenstehender Hindernisse wegen nicht laut oder nicht bewußt vorbringen durften, wird also wiederum Einschränkungen umgehen und unzugänglich gewordene Lustquellen eröffnen. Er wird ferner den Hörer durch seinen Lustgewinn bestechen, ohne strengste Prüfung unserer Partei zu nehmen.“ Freud 1912, S. 87 (Hervorhebung im Original).

116 empfindet. Außerdem verursacht der Widerspruch zwischen der gewohnten Würde der Person und ihrer Lächerlichkeit eine „Aufwandsdifferenz, die durch Lachen abgeführt werden kann“351. Nach psychoanalytischer Sicht führt die Überzeichnung zur Entlarvung, die dem Betrachter den Lustgewinn dadurch verschafft, daß ihm der Vorstellungsaufwand abgenommen wird. Letztes Glied der Kette Überzeichnung - Herabsetzung - Entlarvung ist also der Lustgewinn.

FREUD vergleicht die Mechanismen, die beim tendenziösen Witz vorliegen, mit denen der Traumdeutung und macht hier eine Parallele aus.352 Sowohl im Traum als auch im Witz treffen disparate Elemente bzw. bildhafte Vorstellungen zusammen und ergeben ein neues Ganzes, das in dieser Form ungewohnt und fremd, zuweilen sogar unheimlich anmutet. Wie der Traum hat der Witz einen manifesten und einen latenten Inhalt. Im Traum ereignet sich ein Verziehen und Verzerren des Latenten in einen manifesten Inhalt. Die Traumdeutung ist die Umkehrung dieses Prozesses. Der manifeste Inhalt wird sozusagen „geknackt“. Die Ähnlichkeit zum Mechanismus, dessen sich die Karikatur bedient, ist offensichtlich: Auch sie verzerrt, gibt eine latente Aussage in einer anderen Form wieder. Doch geschieht dies nicht in einer solchen Vollkommenheit wie im Traum, da die Karikatur ihrem Vorbild verhaftet bleiben muß, das Latente muß identifizierbar sein. Deshalb ist die Karikaturdeutung schneller zu vollziehen als die Traumdeutung. Das Karikatur-“Knacken“ muß prompt erfolgen, um den Lustgewinn zu evozieren.

KRIS verwendet den aus der Freudschen Traumdeutung stammenden Begriff „Primärvorgang“. Im Traum entzieht sich das Unbewußte der Kontrolle des Bewußtseins oder der Logik, das „Ich“ hat seine Herrschaft aufgegeben, und es regiert der Primärvorgang. Dieser ist jedoch im Witz und in der Karikatur der Sphäre des Ichs angehörig. Das „Ich“ wird nicht abgelöst, sondern der Primärvorgang bleibt eine Funktion des Ichs.353 Wie FREUD, so setzt auch KRIS beim Lustprinzip an. Die Karikatur bereitet einen dreifachen Lustgewinn, da sie auf den infantilen Scherz und spielerischen Nachahmungsdrang zurückgeht, da sie lustvolle Ersparnis am Vorstellungsaufwand ist und weil ihr Effekt auch Trieb- und Wunscherfüllung ist durch die Ersparnis an Unterdrückungsenergie.

351 Freud 1912, S. 175. 352 Vgl.: Freud 1912, S. 143f. 353 Vgl.: Kris 1935/1977, S. 149.

117 Diese Form der Bemächtigung ist mit archaischem Bildzauber zu vergleichen. Ein Befreiungslachen wird provoziert.354

Der Psychologe HEINZ WIESBROCK kritisiert diesen Ansatz und verweist auf entgegengesetzte Formen der Karikatur, bei denen die Darstellung von Faszination, Respekt, Furcht oder Haß zeugt. Es handelt sich dabei um Überhöhung und Dämonisierung. Nicht erlösendes Lachen wird provoziert, sondern ein „unabgeleiteter Angst- und Faszinationsdruck, der allerdings seeli- sche Gegenwehr auslösen kann und mitunter - siehe die politische Karikatur - auslösen soll.“355 Damit sind wir bei einer Diskussion angelangt, die erörtert, ob die Karikatur tatsächlich komisch ist. Die Bedeutung des Humors für die Karikatur wird kontrovers behandelt. Ebenso wie in der Komik ist für die Karikatur als „bildliche Ausprägung der Komik“356 der Lachen provozierende Widerspruch zum Gewohnten, zu Logik und Verstand ausschlaggebend. Die Karikatur bedient sich des real vorhandenen Widerspruchs zum Ideal, der durch die überhöhte Darstellung in der Karikatur erst vom Rezipienten erkannt wird, um einen „inneren Ruck“, ein „Aha- Erlebnis“ zu provozieren.357 So erreicht sie ihre beabsichtigte Wirkung: Nachdenken, Sichbesinnen, Selbsterkenntnis. Der Karikaturist befriedigt aus seiner Position des Besserwissers das Bedürfnis nach Überlegenheit. Durch die Rezeption hat der Betrachter Anteil an der vom Karikaturisten betriebenen Entlarvung von Fehlern und Schwächen.358 Der komische Effekt mag als Belohnung der intellektuellen Leistung, die der Rezipient zu erbringen hat, gelten. Das Dekodieren und Verstehen der Karikatur erhält als Gegenwert oder als Satisfaktion die Pointe. Das Lachen bietet den Anreiz, die Karikatur zu verstehen.359 In diesem Sinne ist die Aufgabe der Karikatur gewissermaßen Existenzhilfe, weil sie mittels der Komik bzw. des psychologisch betrachtet befreienden Lachens einen Abstand zu ihrem Objekt aufbaut. Der karikierte Tatbestand wird verlacht, und gleichzeitig wird er bei der Betrachtung der kritisierten Unvernunft die eigene Vernunft erhöht.

354 Vgl.: Kris 1935/1977, S. 145-161. 355 Wiesbrock, Heinz: Zur Psychologie der Karikatur. In: Bericht über den 21. Kongreß der deutschen Gesellschaft für Psychologie in Bonn 1957. Göttingen 1958, S. 159-166; hier: S. 162. 356 Bornemann 1972, S. 8. 357 Vgl.: Fischer 1985, S. 236. 358 Vgl.: Seidler 1982, S. 9. 359 Vgl.: Schneider 1988, S. 26.

118 Doch der Anteil der Komik an der Karikatur ist zu relativieren. Das Lächerlich- Machen kann eine Aufgabe der Karikatur sein, aber das Lächerliche ist nur eine ihrer Erscheinungsformen, denn es bleibt die aggressive Absicht der An- prangerung und Eliminierung eines Mißstandes.360 Die Karikatur ist also nicht zwingend eine Erscheinungsform des Komischen, denn einzelne Karikaturen, wie DAUMIERs Lithographie „La Rue Transnonain“ aus dem Jahre 1834 beispielsweise (Abb. 42), werden als „Spitzenleistungen des tragischen Ausdrucks“ betitelt, „der einem Vergleich zu jeder anderen Ausdruckskunst visueller Kunst standhält.“361 Die Karikatur muß also nicht komisch sein, aber wenn sie es ist, hat sie doch immer einen ernsten Hintergrund. Oft ist sie „nicht einmal auf befreiendes Gelächter, sondern auf Erschrecken und Entsetzen ausgerichtet.“362 Karikatur und Komik werden mitunter sogar gänzlich voneinander geschieden, „denn hier gibt es nichts zu lachen. Hier gibt es kein Schenkelschlagen. Es ist einer der fatalsten Sprüche, den man für einen Karikaturisten bereithalten kann: der vom ´befreienden Lächeln´. Unter der Falsch- münzerlosung vom ´befreienden Lächeln´ wird uns gerade so viel Sand in die Augen gestreut, daß wir nicht mehr verpflichtet sind, sie offenzuhalten. Es ist der Trick der Konformisten, die Wahrheit unter Preis zu verkaufen, aus jedem Hieb eine neckische Kitzelei zu machen, damit keiner auf den Gedanken kommt: hier nimmt jemand seine Sache ernst. [...] Der Humor war nie der Nenner der Karikatur. Der Nenner der Karikatur ist immer nur das Leid, immer nur die Qual über die Wunden, die der Mensch sich selber schlägt.“363 Für unser Thema interessiert das Komische, wenn es politische Relevanz hat364. Die gesellschaftlichen Faktoren des Lachens betrachtend, läßt sich konstatieren,

360 „Die großen Zerrbilder sprechen ein Todesurteil, dessen ethischer Ernst sich nicht damit begnügt, sein Opfer lächerlich zu machen. Es gibt bei Hogarth, Goya und Daumier einen Grad der Entblößung und Entlarvung, den nur der Unverstand komisch finden kann.“ Hofmann 1956, S. 12. 361 Lucie-Smith 1981, S. 7. 362 Marienfeld 1991, S. 7. 363 Ramseger 1955, S. 11. 364 Obwohl die Relevanz der Komik für die Karikatur sehr unterschiedlich bewertet wird, soll hier keine weitere Beschäftigung mit Theorien über das Komische erfolgen. Zur Vertiefung solcher Ansätze sei hier auf andere Arbeiten verwiesen. Vgl. die Dissertationen von Rudolf Gronarz: Karikatur und Beleidigung. (Diss. Bochum 1933) Heidelberg 1934 und Charlotte Ilona Schmitz: Zum Problem der Beleidigung durch Karikaturen. (Diss.) Köln 1969. Es mag ein Zufall sein, daß gerade die Forschung, die sich unter juristischen Gesichtspunkten mit der Karikatur beschäftigt, ausführlich auf solche theoretische Fragen eingeht. Eine weitere Dissertation zum Thema „Zur Witzigkeit von Karikaturen“ legte Bernhard P. Woschek vor (Diss. Duisburg 1990)

119 daß im Mittelalter das Lachen ein Element von Freiheit und Widerstand ist, zur Überwindung von Furcht vor Autorität und Verboten.365 Man ist an UMBERTO ECOs Roman „Der Name der Rose“ (1980) erinnert, in dem auf die gleiche Funktion des Lachens eingegangen wird. Verfolgt man die „Gesellschafts- fähigkeit“ des Lachens im Laufe der Jahrhunderte und die Entwicklung der Komik als kritisches und politisches Moment, so läßt sich zusammenfassen, daß, wie auch immer Komik oder Humor sich manifestieren, dem Lachen ein herr- schaftskritisches Moment innewohnt, „weil es sich als nicht domestizierbarer Affekt der Kontrolle entzog“.366 Die Komik ist somit ein taktisches „Mittel der Freiheitserweiterung“.367

Scheinbar apolitisch mutet die Funktion des Lachens an, die JANOWSKI ihm gibt: Für ihn bedeutet Lachen Befreiung und Versöhnung mit der eigenen Situation, ja sogar Kapitulation vor dem jeweiligen Ungemach, dessen man nicht Herr zu werden in der Lage ist. Doch er stellt den Bezug zwischen Humor und Kritik selbst her (ohne jedoch speziell die Karikatur zu meinen): Die Kritik ist alles andere als ein „Ausweichen ins Exil“, als was sich das Lachen begreifen läßt. Kritik dient der Weltverbesserung, der Aufklärung. Indem sich die Kritik des Humors bedient, versöhnt sie sich gerade soweit mit dem, was sie anprangert, daß das eigentliche Ziel nicht verraten wird.368 Als Reaktion auf die Schärfe dessen, wie es in der Welt zugeht, kann die Komik eine Katalysatorfunktion einnehmen, so daß sich mit dem Lebensernst leichter leben läßt, weil der Witz durch Lächerlich-Machen dessen, was normalerweise hohe Achtung besitzt, und durch Einbringen von Elementen, die ansonsten keine Autorität genießen, eine Art Ausgleich schafft.369 Genau dies geschieht in der Karikatur.

Moers 1991. Auch auf die Ausführungen Reumanns zur Theorie des Lachens in seiner Dissertation (Reumann 1966) sei in diesem Zusammenhang aufmerksam gemacht. 365 Vgl.: Cippitelli, Claudia: Plädoyer für eine Lachkultur. In: medium, Jg. 24, 1994, Sonder- heft Humor und Satire im Fernsehen, S. 4-5 (im folgenden: Cippitelli 1994); hier: S. 4. 366 Cippitelli 1994, S. 4. 367 „Was im Scherz gesagt ist, gilt nicht als Ernst, auch wenn es ernst ist und ernstgenommen wird. Der Humor bildet die Verpackung und als Verpackung eine besondere Schutz- schicht. Der Freiraum des Spaßes ist größer als der Freiraum des Ernstes, auch wenn der Spaß nur die Form des Spaßes und den Inhalt des Ernstes hat. Die Karikatur hat mit den größten Freiraum, den eine publizistische Darstellungsform überhaupt haben kann.“ Schneider 1988, S. 26 (Hervorhebung im Original). 368 Vgl.: Janowski, Hans Norbert: Fluchtgesten? Über Lachen und Erkenntnis. In: medium, Jg. 24, 1994, Sonderheft Humor und Satire im Fernsehen (im folgenden: Janowski 1994), S. 5. 369 Vgl.: Janowski 1994, S. 5f.

120 Das bloße Lächerlich-Machen des Feindes zum Zwecke der psychischen Entlastung, aber auch zu seiner Erniedrigung bei gleichzeitiger Stärkung des eigenen Selbstvertrauens, markiert einen Pol auf der Skala der Feindbild- Karikaturen. Am entgegengesetzten Ende stehen Darstellungen, die den Feind als Bestie zeichnen. Solche Karikaturen kommen einem Aufruf zur Vernichtung des Gegners gleich, denn diese extreme Form der Kennzeichnung des Gegners hat nicht nur die Funktion, den Feind auf aggressivste Weise zu diffamieren, sondern diese Karikaturen dienen auch dazu, auf emotionaler Basis Ängste zu schüren und dem Betrachter ein Gefühl größter Bedrohung zu vermitteln und damit seine Bereitschaft zum physischen Eliminieren des Gegners zu steigern.

3.2 Der Feind als Bestie: Grauen in der Karikatur Sehr beliebt in Feindbildern sind Motive aus der Reihe Unmensch - Ungeheuer - Bestie. Diese Bilder beschwören die unbändige Gefahr, die vom Feind ausgeht, so daß eine Legitimation für den Kampf gegen ihn gefunden ist. Die Bestialisierung des politischen Gegenspielers bedeutet, daß er bildlich aus der Gruppe des Homo sapiens ausgewiesen wird. Er wird zum Un-Menschen, dem man zwingend unter anderen Kriterien (militärisch) begegnen muß. Um im wahrsten Sinne mit aller Gewalt gegen einen Feind anzugehen, um Soldaten dazu zu mobilisieren, im Kampf ihr Leben zu opfern und um das Töten anderer Menschen in einen Akt des Patriotismus zu konvertieren, bedarf es der Ausschaltung gewisser Hemmungen. Durch die Darstellung des Feindes als Bestie wird er entmenschlicht. Wenn der Gegner nicht mehr als Mensch betrachtet wird, weil er Attribute des Gemeinen, Brutalen und Grauenhaften in einer Dimension erhält, die ihn dehumanisiert, ist die entsprechende Aggression angefacht, um Vorbehalte gegen den Kampf und das Töten abzubauen. Vor allem im Ersten Weltkrieg, der im Vergleich zu späteren Kriegen noch wesentlich stärker durch den Kampf Mann gegen Mann gekennzeichnet ist, wird dieser Aspekt der Propaganda deutlich. Diese „Qualität“ der Agitation ist waffentechnologisch bedingt: Noch steht der bajonettbewehrte Soldat in der Frontlinie oder im Schützengraben dem Feind direkt gegenüber. Um das Bajonett in den Leib eines Menschen zu stoßen, zu dem er sich unmittelbar vis- à-vis befindet, braucht es eine große Portion Haß. Während in dieser Zeit der Dienst am Vaterland die konkrete Tötung ihm gegenüberstehender Menschen bedeutet, stellt später der „Druck auf den roten Knopf“ eine Abstraktion des

121 Tötens dar. In den Soldaten (und auch in der Bevölkerung, die das ideelle Rückgrat liefert) muß entsprechend Haß geschürt werden, um Ängste und Skrupel zu überwinden. Der Gedanke, daß der Feind ein Mensch ist, der genauso fühlt und leidet, vermindert den Haß, den der Soldat braucht, um zu verdrängen, daß er selbst Leid bringt und selbst Urheber von Grauen ist.370 Karikaturen, die den Feind bestialisieren, erfüllen die Kriterien der Propaganda, deren Sinn ist, „das Denken zu lähmen, sorgfältige Unterscheidungen zu verhindern und Individuen darauf zu konditionieren, sich als Masse zu ver- halten“.371 Aber ist es nicht gerade die vielbeschworene Absicht der Karikatur, Denken erst anzuregen und den Betrachter durch das Offenlegen von Hintergründen zu einem eigenständigen, Urteil zu befähigen? Statt dessen begegnen wir in Karikaturen, die den politischen Gegner als Bestie zeigen, der Entmenschlichung des Feindes. In diesen Zusammenhang gehören Dar- stellungen, die den Feind als Vampir, Kannibalen oder Moloch zeigen. Anstatt eine Reihe von Bildbeispielen „klassischer“ Ungeheuer, wie sie die Karikaturgeschichte durchziehen, auftreten zu lassen, soll hier eine ganz bestimmte Sparte des Themas „Feind als Bestie“ vorgestellt werden, um für diese Tradition der Karikatur zu sensibilisieren: Der Feind als blutrünstiger, frauenraubender Gorilla und Meuchelmörder. Bilder, in denen politische Gegner zu einem Primaten degradiert werden, sind eine Form der Bestialisierung. Die karikierte Person oder Nation scheint entwicklungsgeschichtlich auf einer Stufe zu stehen, die vor dem Homo sapiens liegt. Damit ist der Feind (noch) kein Mensch. Der Primat in den Karikaturen ist ein bestialisches Ungetüm. Im Ersten Weltkrieg wurde dieses Motiv besonders häufig verwandt. Diese Bildformel wird wechselseitig eingesetzt, ist mal gegen die Deutschen gerichtet (Abb. 43), mal gegen die Alliierten (Abb. 44). Die Deutschen rutschen in einer Lithographie des Engländers WILLIAM HENRY DYSON (1883-1938) von 1915 auf der entwicklungsgeschichtlichen Skala noch eine Stufe tiefer: Sie sind schon keine Primaten mehr, sondern Bomber fliegende Affen (Abb. 45). Das gleiche Motiv verwendet der Brite Sir DAVID ALEXANDER CECIL LOW (1891-1963) im Zweiten Weltkrieg wiederum im Kampf gegen die Deutschen (Abb. 46).

370 Vgl.: Keen 1986/1987, S. 24. 371 Keen 1986/1987, S. 24.

122 EXKURS 2: Feindbildkarikaturen im Ersten Weltkrieg Die Dienstbarmachung der Karikatur zur Feindbildpropaganda schließt sich an den deutsch-französischen Krieg 1870/71 an und wird im Ersten Weltkrieg bewußt als psychologische Strategie ausgebaut. Im Ersten Weltkrieg wird die Karikatur in neuem Ausmaß instrumentalisiert. Sie wird zur deutschen Feind- bildpropaganda gegen Frankreich und England eingesetzt und umgekehrt und dient auch nach dem Krieg dem allgemeinen Nationalismus. Die Karikatur wird zum „kriegerischen Nebenschauplatz“.372 Mit folgenden Sätzen wird ein Artikel in der Kreuzzeitung vom 28.7.1918 eingeleitet, der die Rolle der Karikatur im Ersten Weltkrieg zum Thema hat: „Die Karikatur ist wegen ihrer Suggestionskraft und mithin ihres Einflusses auf die Menge, die ja in der Mehrzahl aus schwachen Köpfen besteht, eins der Hauptmittel unserer Gegner, die Stimmung der eigenen Völker zu heben und die Neutralen zu gewinnen.“373 Die Karikatur wird hier als politisches Dokument und eindeutig auch als ein politisches Mittel betrachtet. Die Wertschätzung, welche die Karikatur im Ersten Weltkrieg erhält, wird offensichtlich, wenn Karikaturisten zu offiziellen Kriegskünstlern ernannt und von den Regierungen finanziell unterstützt werden.374 Die Karikatur wird im Krieg zur geistigen Mobilmachung gegen den Feind eingesetzt. Kritik an eigenen Fehlern leistet man sich in solchen Zeiten nicht. Deutlich wird dies anhand der satirischen Zeitschriften Le Rire und Lustige Blätter, die im Ersten Weltkrieg ihr Erscheinen einstellten, da sie ansonsten zur Propaganda eingesetzt worden wären. Doch die Redaktion der Zeitschrift Simplicissimus nahm die Aufgabe, den Kampf der eigenen Nation durch das Schüren des Hasses gegenüber dem Feind zu unterstützen, an.375 Mit seinem Buch „Das Bild als Narr. Die Karikatur in der Völkerverhetzung“ (München 1918) richtet FERDINAND AVENARIUS das Augenmerk auf Karikaturen aus dem seinerzeit feindlichen Frankreich und England. In seiner Schrift macht er darauf aufmerksam, daß die Karikaturen der Entente als politisch wichtige Erscheinungen aufzufassen sind. Er schätzte die Wirkungs-

372 Langemeyer 1984, S. 10. 373 Ohne Verfasserangabe: Die Karikatur im Kriege. In: Kreuzzeitung, Nr. 380 v. 28.7.1918, o.S. 374 Vgl.: Husemann 1993, S. 24. 375 Vgl.: Reumann 1966, S. 226.

123 kraft von Karikaturen sehr hoch - ja sogar als kriegsentscheidend - ein.376 AVENARIUS bezeichnet Karikaturen als den besten „Schädelblähstoff der Welt“.377 Entsprechend wird in Deutschland in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen eine schlagkräftigere Propaganda gefordert (und zwar als Lehre aus der Niederlage im Ersten Weltkrieg), weil man der Propaganda der Franzosen einen großen Anteil am Sieg zuschreibt. Der Verdacht liegt nahe, daß die hohe Einschätzung (um nicht zu sagen Überschätzung) der Wirkung der Karikatur durch die Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg daher rührt, daß man die eigene Niederlage im Krieg zu erklären versucht. 1923 schreibt Karl d´ESTER in einem Artikel für die Kölner Volkszeitung, ein Bild wirke in der Presse des Auslandes (die deutsche scheint er nicht mit einzubeziehen) oft mehr als ein Leitartikel, und er bezeichnet „Spott und Satire in Wort und Bild“ als „stets wirksame Hilfsmittel im politischen Kampfe“378. Wie schon zuvor AVENARIUS, so hält auch d´ESTER „das feindliche Spottbild“ für ein „Hindernis der Völker- versöhnung“ und beklagt die Drastik der Darstellungen. Beide Autoren gehen davon aus, daß die Karikatur selbst in Zeiten, wo die Fronten geklärt sind, durchaus eine meinungsbildende Macht ist. Andererseits wird der außen- politischen Karikatur umgekehrt eher eine innenpolitische Wirkung unterstellt: Ein ohnehin bestehendes Feindbild wird in der Karikatur reproduziert und trifft kaum tatsächlich den Feind, statt dessen aber verschafft sie dem eigenen Volk Bestätigung und Kampfesmut, so daß der psychologische Faktor im eigenen Lager wesentlich ist.379

376 Vgl.: Avenarius, Ferdinand: Das Bild als Narr. Die Karikatur in der Völkerverhetzung. Was sie aussagt und was sie verrät. München 1918 (im folgenden: Avenarius 1918). Reumann verdeutlicht, wie unterschiedlich die Auffassungen von dem Wirkungspotential der Karikaturen sind: „Wenn in Deutschland über die Wirkung von der Karikatur gesprochen wird, bewegt sich die Diskussion meistens zwischen zwei Extremen. Die eine Seite wird z.B. von Erich Ludendorff vertreten, der unter dem Eindruck des 1917 und 1918 allmählich erlahmenden deutschen Kampfwillens von der kriegs- entscheidenden Wirkung der französischen und englischen Propaganda sprach. Auch Sir Campbell Stuart, der englische Propagandadirektor, hat dem Northcliffeschen Propagandafeldzug eine fast kriegsentscheidende Wirkung zugeschrieben, während die französischen Fachleute etwas vorsichtiger die Ansicht vertraten, daß ihre Weltkriegspropaganda den deutschen Zusammenbruch nicht bewirkt, aber beschleunigt hätte.“ Reumann 1966, S. 219. 377 Avenarius, Ferdinand: Die Weltkarikatur in der Völkerverhetzung. München/Berlin 1921, S. 3. 378 d´Ester, Karl: Das feindliche Spottbild als Hindernis der Völkerversöhnung. In: Kölner Volkszeitung v. 24.12.1923, o.S. 379 „So ist es bezeichnend, daß in der ersten Hälfte des 1. Weltkrieges eine reich illustrierte Broschüre über Karikaturen auf die Kriegsereignisse der deutschen, aber auch der

124 Die Karikatur kümmert sich auch um innenpolitische Belange. Vor allem sozial engagierte Zeitschriften wie der Wahre Jakob und ab 1919 eine weitere links- gerichtete Zeitschrift, bezeichnenderweise mit dem Titel Die Pleite, machen in ihren Karikaturen auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam. Als Organ der KPD wird der Knüppel herausgegeben, der GEORGE GROSZ (1893-1959) und HEARTFIELD als Karikaturisten beschäftigt. Ebenfalls eine satirische Zeitschrift der Weimarer Republik ist Eulenspiegel / Roter Pfeffer.380 Mit dem Publizieren satirischer Zeitschriften boomt zwar die Karikatur in den 20er Jahren, ihre progressive politische Kraft wird jedoch von HAAS angezweifelt. Beispielhaft untersucht er den Antisemitismus in der österreichischen satirischen Presse der ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, daß die Karikatur mehr und mehr zu einem „bürgerlich-urbanen Familienhumor“ degeneriert ist.381 Mit dem Ersten Weltkrieg ist die Karikatur bitterer und aggressiver geworden. Doch die Funktion, vielschichtige und differenzierte politische Zusammenhänge nachzuvollziehen und das Komplexe „durch kritische Reduktion einfach verständlich auf den Punkt, die Pointe zu bringen“,382 erfüllt die Karikatur nicht. Statt dessen bedient sie sich einfacher Schemata: „meist ersetzte rabiat vereinfachendes Feindbilddenken fehlenden Überblick und mangelnden Esprit. Was im mündlichen Diskurs, in der politischen Auseinandersetzung, kaum möglich war, - in den Witzblättern fand es statt. Stereotype Simplifizierungen in Karikaturen und Satiren verstärkten Spannungen und Gegensätze zwischen rivalisierenden Gesell- schaftsschichten und Ideologien. Die traditionellen Chiffren der visuellen Übersetzung der Karikaturisten wichen zunehmend einfacher struk- turierten Aggressionsmustern. Haß führte die Feder der Zeichner und Texter.“383 * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

internationalen Presse offiziell in Deutschland erscheinen konnte [gemeint ist die von Ernst Schulz-Besser: Die Karikatur im Weltkrieg. Leipzig, o.J., um 1916 - A.P.]: Man fühlte sich ganz sicher, glaubte an Sieg und gab daher auch die satirischen Äußerungen der Gegner und der Neutralen dem eigenen Volk zum besten. [...] Die eigentliche Absicht war, die Deutschen selbst durch gegnerische Karikaturen davon zu überzeugen, daß man sie in der ganzen Welt fürchtete.“ Schmoll 1977, S. 15f. 380 Vgl.: Satire und Karikatur. Projektseminar und Ausstellung an der Gesamthochschule Siegen, Wintersemester 1976/1977, o.S. Der „Eulenspiegel“ wurde in Anknüpfung an seine proletarische Tradition 1954 in der DDR wieder neu herausgegeben und existiert noch heute, auch nach der Wiedervereinigung, als satirisch-kritische Zeitschrift. 381 Vgl.: Haas 1988, S. 3. 382 Haas 1988, S. 3. 383 Haas 1988, S. 3.

125 Auch nach dem Ersten Weltkrieg lebt das Bild der Bestie in den Karikaturen fort. In einem von dem Deutschen JULIUS USSY ENGELHARD (1883-1964) für die SPD entworfenen Plakat aus dem Jahre 1919 wird der Bolschewismus in dieser Form dargestellt (Abb. 47). Das Motiv des grobschlächtigen und rohen Primaten scheint geeignet, den Feind als Barbaren und Gefahr für die Zivilisation darzu- stellen, denn ein vernunftloses Ungetüm steht der kultivierten Welt gegenüber. Insofern ist der Kampf gegen diesen Feind eine Entscheidung zwischen Zivilisation und Barbarei. Ein Plakat der italienischen Propaganda aus dem Jahre 1942, von GINO BOCCASILE (1901-1952) gestaltet, stellt eine Verknüpfung dieser Unterscheidung zwischen Zivilisation und Barbarei mit der Rassen- ideologie dar (Abb. 48). Das affenartige Ungetüm ist hier ein schwarzer Amerikaner, der sich die strahlend weiße Venus von Milo „gegriffen“ hat (größer können die Kontraste zwischen Hell-Dunkel-Werten, zwischen Licht und Finsternis kaum mehr sein) und in Verkennung ihres Wertes, den sie als künstlerischer Höhepunkt der europäischen Kultur darstellt und den er in seiner Primitivität gar nicht erfassen kann, mit 2$ deklariert hat. Dieser plündernde Primat droht, die kultivierte Welt zu vernichten.

Wenn wir eine Karikatur des Südafrikaners CHRIS RIDELL aus dem Observer von 1995 betrachten, dann sind die Parallelen des Motivs offensichtlich (Abb. 49). Auch eine von dem australischen Karikaturisten PATRICK OLIPHANT ge- zeichnete Darstellung des serbischen Präsidenten Miloševic aus der International Herald Tribune aus dem Jahre 1993 ist eine Variante des gleichen Motivs - nur, daß hier der Menschenaffe (der „Vormensch“) durch den Neandertaler ersetzt wurde (Abb. 50). Das Motiv des Primaten ist oft gekoppelt mit dem des Frauenraubs und (nur ein weiterer Schritt) des Frauenschänders. In King-Kong-Manier ist in einer deutschen Karikatur aus dem Ersten Weltkrieg der Feind dargestellt (der amerikanische Film „King-Kong und die weiße Frau“ entstand aber erst 1933!). Die Bestie ist durch die Mütze, die sie trägt, als Schotte gekennzeichnet. Wieder steht der Feind, in Helligkeitswerten ausgedrückt, im größten Gegensatz zu der weißen Frau, die er entführt (Abb. 51). Der Kontrast zwischen Primitivität und Kultur wird durch den Stein als urzeitliches Kampfgerät in der Hand des Gorillas und dem tempelähnlichen Gebäude zu seinen Füßen, das für den hohen Grad der Zivilisation steht, verbildlicht. Die kurze Zeit später, nämlich 1920, entstandene Karikatur GULBRANSSONs, in der die „schwarze Besatzung“ eine „Schande für die weiße Rasse“ genannt wird, wirkt wie ein Duplikat (Abb. 52). Direkter Nachfahre dieser Bildfindung ist auch eine britische Karikatur von Sir

126 J. BERNARD PATRIDGE (1861-1945) aus dem „Punch“ von 1939, nur ist diesmal der Deutsche der Affe, der die in der Frau verkörperte „Freiheit“ raubt (Abb. 53). Bemerkenswert ist die Spiegelbildlichkeit der Darstellungen: Das Motiv des Primaten dient quer durch die Gegnerschaften und politischen Identifikationen hinweg als Feindbild. Das von der Propaganda benutzte Bild ist somit ideologieunabhängig. So wie im Nationalsozialismus die Gegner als Affen und Untermenschen karikiert wurden, so wird auch er selbst dargestellt „und - das ist die Ironie - dieses Bild taucht noch in Theorien über den Faschismus auf.“384

Der Feind hat als Frauenräuber und damit impliziert als Frauenschänder Tradition in der Karikatur. Der Feind als Vergewaltiger reiht sich in die Linie der Barbaren und Monstren ein. Der Raub und die Vergewaltigung der Frau ist als Gipfel der Barbarei zu sehen. Der Akt des Vergewaltigens ist das Extrem der sexuellen Zügellosigkeit, und gleichzeitig offenbart der Feind hier sein gewalttätiges Potential - er wird als Sadist entlarvt, der die Ehre des Volkes, dem man selbst angehört, beschmutzt und das Volk schändet. Solche Darstellungen schreien nach dem Schutz der Reinheit, nach der Verteidigung der (eigenen) Unschuld. Ein frühes Beispiel ist die Zeichnung des Franzosen LOUIS LEGRAND (1863-1915): „Der preußische Tod“ aus der Zeitschrift Le Courier Français von 1888 (Abb. 54). Der drastische Aufruf „Töte das faschistische Biest“ in einem sowjetischen Plakat aus dem Jahre 1942 (Abb. 55) von VIKTOR DENI (Pseudonym für VIKTOR NIKOLAYEVICH DENISLOV, 1893- 1946) steht ebenso in dieser Folge wie ein Plakat aus der Nachkriegszeit des „Volksbundes für Frieden und Freiheit e.V.“ von 1951, in dem der (vor-) oder untermenschlich gezeichnete Feind der Kommunismus ist (Abb. 56). Eine Karikatur des Österreichers PEPSCH (Pseudonym für JOSEF GOTTSCHEBER) verlegt die Szene in das Chile von 1987 (Abb. 57), und BEHRENDT charakterisiert in einer 1994 erschienenen Karikatur die Besetzung Bosniens auf diese Weise (Abb. 58). Eine ganz andere Form der Darstellung bei gleichem Motiv zeigt eine Karikatur des Bulgaren NICOLAS PECAREFF aus dem Jahre 1985 (Abb. 59). Die Frau steht in diesen Bildern nicht nur für sich selbst, sondern ist auch Sinnbild der Mutterschaft, der Ernährerin, der Hüterin von Heim und Herd. In diesen Rollen liegt die ikonologische Aufgabe der Frau in der Propaganda. Sie ist diejenige, die in der Heimat auf den Soldaten wartet, ihn moralisch

384 Marks 1983, S. 34.

127 unterstützt, die ihn als Krankenschwester gesund pflegt, in deren Augen er als Held zurückkommt. „Sie ist die Zuschauerin, die der Tapferkeit applaudiert, das unsichtbare Geisterpublikum, vor dem heldenhafte Taten vollbracht werden. Und die Mutter, die auf die Rückkehr ihres Sohnes wartet und darum betet. Als solche ist sie gewöhnlich ein Geisteswesen, rein und ätherisch.“385 Die Frau tritt nie aktiv in den Bildern auf, sondern lediglich als Opfer. Nie ist der Feind als Frau dargestellt, weil ihr Charakterprofil mit diesen positiven Kennzeichen besetzt ist und sie daher eher geeignet ist, Identifikationen zu bieten als Aggressionen anzufachen.

Eher noch barbarischer und noch bestialischer als das frauenüberfallende Monstrum erscheint der Feind, wenn er als Kinder-Mörder auftritt. Eine vor Blut nur so triefende Karikatur des Briten EMILIO KÜPFER aus dem Ersten Weltkrieg zeigt den deutschen Soldaten als kinderabschlachtendes Ungeheuer, dessen Blutrünstigkeit sich in der Darstellung nicht mehr überbieten läßt (Abb. 60). In dieser Tradition steht auch eine Karikatur von 1991, in der OLIPHANT den irakischen Diktator Saddam Hussein darstellt, wie er zähnefletschend mit der Pistole die Frau (als Repräsentantin des Iraks) und ihr Kind bedroht (Abb. 61). Nicht nur zu Zeiten, deren Ausdrucksformen uns heute ausgesprochen drastisch anmuten, wurden die Feinde in den Augen der Karikaturisten (und ihrer Rezipienten) zur Bestie. Eine wieder Saddam „in Aktion“ zeigende britische Karikatur vom August 1990 ist im Hinblick auf die Bestialisierung des politischen Gegners noch dramatischer angelegt (Abb. 62). „Die Darstellung der wilden, vorquellenden Augen des Mannes, des übergroßen, scharfen Messers über den Kehlen der im Schlaf unschuldig und rührend wirkenden [...] Kinder, ist von erschreckender, eindringlicher Brutalität.“386

385 Keen 1986/1987, S. 58. „Unausgesprochen spielt die Frau in Wahrheit eine ganz andere, nicht anerkannte Rolle im Krieg: Sie ist Preis und Köder. Dem Sieger gehört die Beute, und die Frauen des Feindes sind dabei die Hauptsache. [...] In ihrer stärksten Form ist es die heimliche Erlaubnis für ´normale´ Männer, nun im Feindesland ihre Verge- waltigungslust befriedigen und ohne Konsequenzen ihrem Frauenhaß freien Lauf lassen zu können.“ Keen 1986/1987, S. 57. Die schreckliche Aktualität dieser Aussage wurde erst jüngst im serbisch-bosnischen Krieg wieder offensichtlich. 386 Bilderwelten I. Satirische Illustrationen aus der Sammlung von Kritter. Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund 1986, S. 199.

128 Dies ist keine Beschreibung der Saddam-Karikatur, sondern die einer Zeichnung von DORÉ, die er 1862 als Illustration zu PERRAULTs Märchen „Der Däumeling“ schuf (Abb. 63). Die Szene zeigt den grausamen Oger wie er, entgegen seiner Absicht, den Däumeling und seine Brüder zu töten, aus Versehen seine eigenen Töchter massakriert. Die Saddam-Karikatur aus dem Jahre 1990 ist ein direktes Zitat der Märchenillustration von DORÉ. Die Ausdruckskraft der Doréschen Zeichnung wird von dem englischen Karikaturisten aktualisiert und für einen neuen Sachverhalt verwendet. Die Darstellungsform des Vorbildes und auch seine gespenstisch-grausame Atmosphäre werden beibehalten, aber auf einen aktuellen Inhalt wird Bezug genommen. Der Karikaturist benennt einen neuen Akteur: Saddam Hussein. Der irakische Diktator hatte im August 1990 die Botschaftsangehörigen westlicher Länder mit ihren Familien als Geiseln genommen und sich in einer weltweit ausgestrahlten Fernsehsendung mit zwanzig britischen Geiseln - darunter auch Kinder - präsentiert. In Form dieser Darstellung klagt der Karikaturist den despotischen Akt der Geiselnahme u.a. von Kindern an.387 Er arbeitet mit dem Kontrast zwischen dem heimtückischen Unhold und den friedlich-unschuldigen Kindern. Die Geiselnahme wird verglichen mit der Gewalttat, welche die Bestie im Begriff ist den nichts- ahnenden und wehrlosen Kindern anzutun. So wie eine derartige Grausamkeit Empörung erregt, so muß auch angesichts der Politik des irakischen Präsidenten der Ruf nach Vergeltung laut werden. Saddam ist hier nicht nur als Tyrann, sondern als Bestie gekennzeichnet. Anders kann man einen solchen Unmenschen, der zu etwas derartigem fähig ist, nicht sehen. Deshalb lassen sich diese Bildformeln, die den politischen Gegner als Kinder-Mörder vorführen, gleichfalls unter der Überschrift „Bestie“ fassen. Im Individuum Saddam zentriert sich der Aggressor. Die Abscheu gilt nur Saddam - die Feindseligkeit bezieht sich auf ihn als einzelne Person. Mit einem Feind, der ein solches Ungeheuer ist, lassen sich keine menschlichen Gefühle mehr verbinden. Gegen ihn ist größte Härte angesagt. Dabei wird jedoch unterschlagen, daß der Krieg kein Kampf gegen die eine, zur Bestie degenerierte Person ist, sondern daß beim Einsatz der eigenen Soldaten tausende von Menschen, unter ihnen auch Zivilisten, getötet werden. Die Reduzierung der Perversion auf eine einzelne Gestalt hat wenig mit politischer Analyse zu tun. MARKS hat bezüglich des Umgangs mit der nationalsozialistischen Vergangenheit diese Praxis zu Recht kritisiert:

387 Die Geiselnahme wird in den Karikaturen auf vielfältige Weise kommentiert. Auf eine Ikonographie dieses Ereignisses in den Karikaturen wird an dieser Stelle verzichtet.

129 „Faschismustheorien, welche in ´den Nazis´ oder den Führern eine besondere psychische Disposition wie Aggressivität, Sadismus oder Perversion suchen, verfehlen sämtlichst die Fragestellung im zentralen Punkt: wer den von besinnungslosem Haß getriebenen, ´besessenen´ Berserker und Mörder (mit Schaum vor dem Mund?) sucht, der hat den Mörder schon wieder fein säuberlich abgegrenzt von der Welt der ´vernünftigen Normalbürger´. Wenn der KZ-Angestellte die mörderische Bestie außer sich ist, dann ist er bei sich, bei Besinnung, schon wieder rehabilitiert.“388 Die politischen Ursachen einer konstatierten Aggressivität und Despotie werden in den Bestien-Karikaturen ebensowenig reflektiert wie die Tatsache, daß ein sadistisches Regime nicht durch eine einzige Person aufrechterhalten wird, sondern ein Volk oder zumindest eine Gruppe der machthabenden Elite und oft auch ausländische Interessen die Politik und die entsprechende Ideologie tragen. Im deutschen Faschismus genauso wie in heutigen als menschenverachtend erkannten Systemen (die im Gegensatz zum Nationalsozialismus auch gegen das eigene Volk, das machtlos bleibt, gerichtet sind), sind wirtschaftliche Interessen der Motor des Regimes. Die Konzentration auf eine Person als Feind ignoriert die tatsächliche Substanz des in den Karikaturen angeklagten Terrors.

3.3 Der Feind als Negativ-Bild: Antithetische Kampfbilder Eine andere Form, den Feind möglichst negativ zu kennzeichnen besteht darin, einen extremen Gegensatz zwischen ihm und dem Bild, das man vom sich selbst hat, zu formulieren. Dabei besetzen die eigene Partei und der Feind in einer Darstellung die beiden Pole zwischen Gut und Böse, Schön und Häßlich, Heroisch und Verbrecherisch. Wenn der Andere das Extrem an Negativa aufweist und das Selbst im gleichen Zug idealisiert wird, dann steigern sich die Bilder, die vom Selbst und vom Gegner entworfen werden, gegenseitig. Der optimale Effekt an Verunglimpfung einerseits, Selbstverherrlichung andererseits, ist erreicht. Ein Beispiel für eine solche Gegenüberstellung in der Karikatur stellt eine mit den Worten „Ich bin der Staat. Wir sind der Staat“ versehene sowjetische Karikatur dar (Abb. 64). Sie entspricht damit dem, was REUMANN „antithetisches Kampfbild“ nennt. Anhand von Kampfblättern aus der

388 Marks 1983, S. 53.

130 Reformationszeit, aus dem Dritten Reich und an kommunistischen Karikaturen untersucht er, „ob und inwieweit weltanschauliche Konzeptionen auf Aussage- formen, Inhalt und Wirkung von Karikaturen Einfluß üben“. Umgekehrt fragt er danach, „ob und (wenn ja) unter welchen Bedingungen Karikaturen weltanschauliche Konzeptionen lächerlich machen“389. In diesem Zusammen- hang ist das Augenmerk v.a. auf solche Karikaturen zu richten, in denen eine bekämpfte Partei einer idealisierten gegenübergestellt wird. Diese Gegen- überstellungen zweier Parteien bzw. Gegengrößen, Kontrahenten oder Antagonismen als qualitativ ungleichwertig bezeichnen ein antithetisches Spannungsverhältnis. Zur Benennung dieses Verhältnisses bedient REUMANN sich des in bezug auf Spottbilder aus der Reformationszeit benutzten Begriffs „Kampfbild“ und ergänzt diesen durch die Verbindung mit dem Terminus „antithetisch“: „Die bildpolemische Gegenüberstellung von Gut und Böse ist jedoch noch nicht hinreichend charakterisiert, wenn man sie als Kampfbild bezeichnet. Nicht alle Bildantithesen sind Kampfbilder, und nicht alle Kampfbilder stellen Antithesen dar. Es gibt Bilderantithesen, die unpolemisch sind, und es gibt Kampfbilder, die lediglich die angegriffene Partei als schlecht brandmarken, ihr aber keine positive Partei entgegenstellen. Kampfbilder, die Gut und Böse gegeneinander abwägen, sollen daher exakter anti- thetische Kampfbilder genannt werden.“390 Reumann differenziert zwischen Karikaturen, die antithetische Kampfbilder sind, und „reinen“ Karikaturen.391 Nicht in der Darstellung durch eine pole- mische Zeichnung, die Äußerlichkeiten des Gegners maßlos ins Negative steigert, liegt das Vermögen der Karikatur, sondern in der Aufdeckung und Sichtbarmachung dessen, was hinter der äußeren Erscheinung steckt. Dem Karikaturisten sollte es darum gehen, das „innere Wesen“ durch Überbetonung und Verzerrung bestimmter Merkmale an die Oberfläche zu bringen. Dies setzt die Erkenntnis des Zeichners voraus, daß der Charakter eines Menschen nicht deckungsgleich sein muß mit seiner äußeren Erscheinung, bzw. daß zwischen Schein und Sein unterschieden werden muß.392 Der Karikaturist will mit den Karikaturen die Fragwürdigkeit der Dinge vor Augen führen. Es geht dabei um

389 Reumann 1966, S. 9. 390 Reumann 1966, S. 10. 391 Mit seiner Verwendung des Begriffs „reine“ Karikatur bezieht er sich auf Brauer und Wittkower, die nicht die formale, sondern die inhaltliche Übertreibung als das „Wesen“ der Karikatur ansehen. Nicht wie, sondern was übertrieben wird, ist relevant. Die Form ordnet sich der Aussage unter. Vgl.: Reumann 1966, S. 74. 392 Vgl.: Schmied 1957, S. 729.

131 die Darstellung von vorhandenen Mißständen als Verzerrungen des Idealzustandes, und nicht um die Verzerrung selbst. In dem Moment aber, wo die Verzerrung eine Entmenschlichung betreibt, wie es bei Darstellungen von Gegnern häufig der Fall ist, handelt es sich demnach nicht mehr um „reine“ Karikaturen, sondern um antithetische Kampfbilder. Das Zerrbild ist dann nicht mehr eine Entlarvung latenter häßlicher (Charakter)Züge. Es wird zum Synonym für den Gegner, der eben als häßlich, als Gegenteil vom Idealzustand dargestellt wird. Dies kann sich bis zum Bild vom „Untermenschen“ steigern.393 Außerdem ist die beabsichtigte Wirkung des Kampfbildes von der der „reinen“ Karikatur zu unterscheiden. Die Karikatur präsentiert ihren Gegenstand in einer in der Realität so nicht optisch erfahrbaren Weise und liefert somit dem Rezipienten eine neue Perspektive. Das bedeutet für den Betrachter eine Erweiterung seiner Wahrnehmung und seiner Kenntnis vom Dargestellten. Er erkennt den inhaltlich „wahren Kern“ hinter der verzerrten Darstellung und nimmt entweder diese neue Information an, um sich ein Urteil über den karikierten Sachverhalt zu bilden, oder er lehnt die Auslegung des Karikaturisten ab. In beiden Fällen aber ist er zu einer eigenen Reaktion, zu einem eigenen Urteil aufgefordert. Und hierin liegt der Gegensatz zwischen Kampfbild und „reiner“ Karikatur. Während sich die „reine“ Karikatur an den wägenden Verstand des Betrachters wendet und zu einem gedanklichem Prozeß anregen will, will das Kampfbild ein ausschließlich negatives Bild des Karikierten propagieren, das scheinbar objektiv ist und nicht mehr der mentalen Überprüfung bedarf394 (die Reumannsche „reine“ Karikatur erinnert an die Grünewaldsche Kategorie der „analytischen Karikatur“, von der noch zu sprechen sein wird). Das Kampfbild will zu Handlungen aufrufen und sie gleichzeitig legitimieren. Klassische Beispiele antithetischer Kampfbilder sind aus der Propaganda des Dritten Reiches geläufig. Ein Wahlplakat zur Reichstagswahl von 1920 (Abb. 65) ist exemplarisch.

393 Vgl.: Reumann 1966, S. 75. 394 Vgl.: Reumann 1966, S. 76.

132 EXKURS 3: Feindbildkarikaturen im Nationalsozialismus In der Erforschung der Karikatur und der Pressezeichnung des Dritten Reiches bestehen nach wie vor Defizite. Die Instrumentalisierung der Karikatur im Kontext der Propaganda der Nazis erscheint nur zu offensichtlich und eine weitere Beschäftigung mit ihr obsolet.395 Damit wird jedoch die Differenziertheit der Aussage der NS-Karikatur unterschätzt.396 Die als Propaganda erkannten Karikaturen aus dem Dritten Reich werden in der späteren wissenschaftlichen Betrachtung als ästhetisch minderwertig eingestuft. Indem sie somit aus kunsthistorischer Sicht indiskutabel sind, erspart man sich die Auseinander- setzung mit ihnen und ihren Inhalten397, obwohl in diesen Karikaturen die gleichen karikaturistischen Mittel benutzt werden, wie zuvor und auch später. Außerdem sind die Zeichner zumeist die geblieben, die schon vor der Machtergreifung als Karikaturisten arbeiteten398. Dieser Umstand führt eine Disqualifizierung mit ästhetischer Rechtfertigung ad absurdum, zumal es auch in der Karikatur keine „Stunde Null“ gegeben hat: Viele Karikaturisten, die während des Nationalsozialismus arbeiteten, gehen auch nach dem Krieg ihrem Beruf nach. GULBRANSSON, THÖNY, ARNOLD und HANNS ERICH KÖHLER (1905- 1983) werden in einer Ausstellungsbesprechung vom Mai 1940 besonders hervorgehoben als Vertreter des politischen Kampfes und des Ausdrucks „eines künstlerischen Willens, der seine ganze Kraft dem deutschen Geschehen zur Verfügung stellt, um an seinem Platz mit seinen ihm von der Begabung her

395 „Wenn heute NS-Karikaturen abgelehnt werden, so geschieht das äußerlich aus einer (zumindest vorgegebenen) entrüsteten Ablehnung des Nationalsozialismus. Die Karikatur selbst wird von der Auseinandersetzung ausgeklammert. Ein gefährliches Vorgehen, wenn man bedenkt, welch ungeheure Wirkung diese Zeichnungen für die Meinungsbildung und das Verhalten von Millionen hatten; und gefährlich auch, weil die Handhabung dieser Art Karikatur heute aktuell geblieben ist.“ Grünewald 1975, S. 85. Grünewald verweist in diesem Zusammenhang auf NPD-Karikaturen, die 1972 in einem „Denkhilfen für Willy Brandt“ betitelten Band erschienen, und die er in ihrer Form als neue nationalsozialistische Karikaturen bezeichnet. 396 Klaus Pohl spricht von der „außerordentlichen Relevanz dieses sehr wichtigen Bereichs der politischen Ästhetik des Faschismus“, dessen formale und inhaltliche Festlegungen offen formuliert wurden. Vgl.: Pohl, Klaus D.: Das Feindbild Don Cumpanero. Anmerkungen zum Gebrauch des Spanischen Bürgerkrieges in der national- sozialistischen Karikatur. In: Der Spanische Bürgerkrieg und die bildenden Künste. Hrsg. v. Jutta Held. (Schriften der Guerra-Gesellschaft, Bd. 1). Hamburg 1989, S. 178-196 (im folgenden: Pohl 1989); hier: S. 178. 397 Vgl.: Grünewald, Dietrich: Bemerkungen zur NS-Karikatur. In: Ästhetik und Kommuni- kation, Jg. 19, 1975, S. 85-89 (im folgenden: Grünewald 1975); hier: S. 85. 398 Z.B. Olaf Gulbransson (1873-1958), Karl Arnold (1883-1953), E.H. (Hanns Erich) Köhler (1905-1983) und Wolfgang hicks (1909-1983).

133 verliehenen Waffen zu fechten.“399 In besagtem Artikel ist die Rede von der „Bindung zwischen Kunst und politischem Geschehen“, für die diese Aus- stellung Zeugnis abgebe. Die ausgestellten Arbeiten zeigen, was die Karikaturisten „zur Stützung der Heimat und zur Zersetzung der Front des Feindes geleistet haben“400. Der sudetendeutsche Zeichner KÖHLER (während der NS-Zeit unter dem Künstlernamen „ERIK“) ist Initiator jener Ausstellung und erwirbt sich mit seinen Blättern in der Besprechung die Betitelung „eine[r] der Unseren“, was nicht zuletzt mit einer Professur in Prag belohnt wird. In der Nachkriegszeit setzt er seine karikaturistische Arbeit fort. Nach 1947 zeichnet er Porträts und Landschaften für US-Besatzungssoldaten, schließlich politische Karikaturen. Er arbeitet u.a. für die Nürnberger Nachrichten, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Zeit - unter dem Signum „H.E.K.“ oder „H.E. KÖHLER“401. In einem Karikaturen-Band mit Arbeiten KÖHLERs von 1974 wird ihm im Vorwort eine „liberale Grundlinie“ bescheinigt. Vor dem Hintergrund seiner Biographie ist eine Sentenz in dem Band bemerkenswert: „es ist kein Zufall, daß in totalitären Systemen eine gute und wirkungsvolle Karikatur nicht gedeiht. Karikatur als Agitation ist lang- weilig und verfehlt obendrein ihren Zweck. Ihre vorbestellte Aussage wirkt unglaubwürdig.“402

Der im NS-Regime angepaßte Karikaturist WOLFGANG hICKS (Künstlername mit kleinem „h“, 1909-1983) wird in der Nachkriegszeit vom Springer Verlag unter Vertrag genommen.403 MJÖLNIR, im Nationalsozialismus besonders engagiert, arbeitet allerdings nach dem Krieg nicht mehr in diesem Metier. Doch als Illustrator ist er weiterhin tätig.404 Zwischen der NS-Karikatur und einer „demokratischen“ besteht in ihrer äußerlichen Erscheinung kein Unterschied im Hinblick auf den verwendeten Zeichencode: traditionelle Zeichenelemente, Klischees und bestimmte Attribute werden in der Karikaturgeschichte kontinuierlich verwandt. Auch die künst- lerische Qualität ist unabhängig davon, in welchem Geist die Karikatur gezeichnet wird. Es ist daher für eine Bewertung der Karikatur zu plädieren, die

399 Glass, Robert: Witz als Waffe. In: Die Zeit. Amtliche Tageszeitung der NSDAP, Gau Sudetendeutschland (Reichenberg) v. 23.5.1940 (im folgenden: Glass 1940), S. 6. 400 Glass 1940, S. 6. 401 Vgl.: Flemig 1993, S. 150. 402 Benckiser, Nikolas: Einführung. In: H.E. Köhler. Die Lage der Nation. Frankfurt a.M. 1974. 403 Vgl.: Veith 1986, S. 78. 404 Vgl.: Das große Lexikon des Dritten Reiches. Hrsg. v. Christian Zentner / Friedemann Bedürftig. München 1985, S. 532.

134 sich nach dem Kriterium richtet, inwiefern die Karikaturisten welche Drama- turgie benutzen, um welche Aussage zu treffen bzw. sich bewußt sind, in welcher Tradition die von ihnen verwendeten Bildformeln stehen. In ihrer aggressiven Qualität unterscheiden sich die nationalsozialistischen Karikaturen sehr wohl von heutigen Karikaturen. Die NS-Propaganda bezieht sich nicht auf Konkretes (es werden nicht direkte Tatbestände aufgegriffen), sondern greift auf moralisch-emotionale Topoi wie „Ehre“ oder „Nation“ zurück.405 Bei aller Differenz bleibt jedoch das Faktum bestehen, daß die ikonologischen Traditionen in der Karikatur ungebrochen weiterbestehen - wie anhand der Kontinuität der Archetypen deutlich wird. Die Karikatur gilt den Nazis als unmittelbares Instrument, das mehr als andere ästhetische und visuelle Ausdrucksformen den politischen Interessen und Strate- gien ein Forum bieten kann. Entsprechend dieser Entdeckung der Karikatur als propagandistisches Mittel steigert sich die Wertschätzung, derer sie sich bei den Nationalsozialisten erfreut. HERMANN HORNUNG legt in einem Artikel für den Kärntner Grenzruf vom 21.2.1941 dar, daß seit dem Ersten Weltkrieg, „in allergrößtem Umfang nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus und seit Beginn des jetzigen Krieges“, die Karikatur immer größeren Raum in der Tagespresse einnimmt.406 Er erklärt diesen Boom mit der „politischen Erneuerung des deutschen Volkes“. Vor dem Dritten Reich habe die Karikatur im Dienste innenpolitischer „Zerrüttung“, und „kleindeutscher“ und „klassen- kämpferischer“ Tendenzen gestanden. Mit der Machtergreifung aber wird die Karikatur als politisches Tätigkeitsfeld erobert, „wie es noch nie für deutsche politische Zeichner offen gewesen war“. Die Rede ist von einer neuen Generation politischer Zeichner.407 Es wird deutlich, daß die Nazis die Karikatur nicht als ein Mittel der Kritik gelten lassen (eine Verhöhnung der Herrschenden ist mehr als unerwünscht), sondern die Karikatur soll „den Ansichten und Gefühlen des deutschen Volkes über die jeweilige politische Gegenwartslage der Welt Ausdruck geben.“408 Die Karikatur wird zum Instrument der politischen Führung und dient zur Steuerung des Volkes.

405 Vgl.: Grünewald 1975, S. 87. 406 Hornung, Hermann: Die Karikatur als politische Waffe. In: Kärntner Grenzruf v. 21.2.1941 (im folgenden: Hornung 1941), o.S. 407 „Es war natürlich klar, daß nicht die gleichen Zeichner, die bis dahin alles Nationale an- gepöbelt hatten, nun in positiver Wertung sich in ihren Arbeiten mit der neuen politischen Auffassung beschäftigen konnten.“ Hornung 1941, o.S. 408 Hornung 1941, o.S.

135 Für die Effektivität der Karikatur zeichnen sich die psychologischen Mittel, mit denen Karikaturen arbeiten, verantwortlich.409 Diese Aspekte der Karikatur werden von den Nationalsozialisten erkannt. Wenn der Reichsverband der Deutschen Presse, in dem die Karikaturisten und Pressezeichner Deutschlands zwangsorganisiert sind, 1934 die „Kultivierung“ des Zeitungsbildes fordert, um „volkstümlicher“ zu werden, manifestiert sich die Strategie, die Karikatur als psychologisches Mittel zur Beeinflussung möglichst breiter Volksschichten zu verwenden. Die Karikaturisten und Pressezeichner sollen als Vermittler der nationalsozialistischen Ideologie fungieren.410 Der Karikatur wird die Bedeutung „eines publizistischen Führungsmittels von außerordentlichem Wert“ gegeben. Dem Publizisten soll die Karikatur eine Waffe, dem Propagandisten ein Kampfmittel sein, „das von hervorragender Bedeutung sein kann für das Ganze der Nation.“411 Die Karikatur ist damit gleichbedeutend mit Propaganda. Die Aufgabe der Karikatur, wie der Propaganda überhaupt, wird nicht in der Rekrutierung bzw. Überzeugung einzelner gesehen, sondern in der Einwirkung auf Massen.412 Bedingung für die Karikatur ist eine Angleichung an den „Verbraucher“, an seine Aufnahmefähigkeit. Sie muß sich auf seine geistige Ebene begeben. Die Karikatur braucht selbst noch nicht einmal direkt Meinungsbildung zu betreiben, sie hat schon eine potenzierende Wirkung, indem „sie der allgemeinen Grundstimmung Halt und Gestalt gibt. Je schärfer und je eindeutiger sie solches tut, desto mehr wird sie auch in der Lage sein, öffentliche Meinung zu formen.“413 Deshalb wird zur „Geschlossenheit ihres

409 In seiner 1937 verfaßten Dissertation betrachtet Hans-Hermann Schwalbe die Karikatur als schlagkräftigstes Instrument der Presse. Vgl.: Schwalbe 1937, S. 27. In diesem Zu- sammenhang wird auch Karl d´Ester angeführt, der in der Karikatur das wirksamste Mittel der Meinungsbildung sieht. Vgl.: Schwalbe 1937, S. 5 und S. 41. 410 Vgl.: Pohl 1989, S. 179. 411 Schwalbe 1937, S. 53. Schwalbe fügt noch hinzu: „Fast scheint es direkt auf die Karikatur gemünzt, was Dr. Goebbels über das rein Handwerksmäßige hinaus von jeder Propaganda forderte: ´Einen Schuß Kunst, Leidenschaft, Instinkt und bildhaftes Schau- en.´“ Schwalbe 1937, S. 47f. 412 Vgl.: Schwalbe 1937, S. 48. 413 Schwalbe 1937, S. 51. Das Potential, das in der Karikatur gesehen wird, wird deutlich an folgender Formulierung: „Das Publikum soll die Gewißheit haben, nicht daß ihm etwas aufgepfropft wird, sondern im Gegenteil, daß nur gesagt wird, was es selber fühlt. [...] Je schärfer aber und klarer die Karikatur die allgemeine ´Stimmung´ wiedergibt, je deut- licher sie zeigt, nicht was, sondern wie man im Publikum denkt, desto größer wird ihre Fähigkeit zu wirken sein. Denn auf Grund solchen Fühlung-Habens mit den breiten Leserschichten vermag sie diese nicht nur unerheblich zu beeinflussen, sondern kann sie auch so etwas wie ´Atmosphäre´ schaffen und damit Grundlagen für etwa geplante Taten.“ Schwalbe 1937, S. 50.

136 Einsatzes“ gemahnt, d.h., die Karikatur kann optimal wirken, wenn sie nur von einer „Kraftzentrale“ aus gesteuert wird.414 Entsprechend den Interessen des Re- gimes soll die Karikatur denn auch angewandt werden: „Wenn man für den Schriftsteller die Forderung aufgestellt hat, daß das Recht zum Schreiben eine Verpflichtung bedeute gegenüber dem Staat, so erweitert [der Karikaturist - A.P.] Hans Schweitzer = Mjölnir diese For- derung für den Zeichner und Karikaturisten dahin, daß sein Werk nur Wert und Bestand habe, sofern ´es als Waffe eingesetzt werden kann im Kampf um die kulturelle Geltung des Volkes in der Welt´.“415 Als Absicht der „tendenzbestimmten Kunst“, zu der auch die Karikatur zählt, gilt den Nationalsozialisten die „Beeinflussung des Denkens und Wollens der Menschen“416. Die Rede ist vom „willenshaltigen Kunstschaffen“, das ein

414 „Das wilhelminische Zeitalter lebte vollkommen am Wesen der Propaganda vorbei. Es übersah die Nützlichkeit, ja die Notwendigkeit einer publizistischen Einheitsfront, deren Bildung die Wirksamkeit aller ihrer Mittel außerordentlich gesteigert hätte.“ Schwalbe 1937, S. 52. Schwalbe argumentiert - ganz auf der Linie der NS-Herrschaft - gegen eine Karikatur als Ausdruck von individueller politischer Meinung. Nicht von ungefähr wurde während des Dritten Reiches diese Arbeit verfaßt, die sich mit der publizistischen Bedeutung der Karikatur auseinandersetzt, nämlich zu einer Zeit des bis ins Extrem gesteigerten Einsatzes propagandistischer Mittel. 415 Schwalbe 1937, S. 53. 416 So in einer 1938 - ein Jahr nach der Veröffentlichung der Arbeit Schwalbes und an der Schwelle zum Zweiten Weltkrieg - erscheinenden Dissertation von Ludwig Schulte- Strathaus (angeregt von Karl d´Ester als Leiter des Zeitungswissenschaftlichen Instituts an der Universität München), die sich mit Bildwirkung und Propaganda zur Zeit des Ersten Weltkrieges befaßt. Schulte-Strathaus, Ludwig: Das Bild als Waffe. (Diss.) München 1938 (im folgenden: Schulte-Strathaus 1938), S. 3. Mit seiner Dissertation will Schulte-Strathaus klären, ob das Spottbild tatsächlich die sogar kriegsentscheidende Wirkung hatte, die d´Ester ihm nach dem Ersten Weltkrieg zugestanden hatte. Spottbild meint hier allerdings nicht nur Karikatur, sondern Bildpropaganda im allgemeinen. Er kommt zu dem Schluß, daß die Bedeutung der Bildpropaganda als Gelenk zwischen dem einzelnen und der Masse, zwischen der politischen Führung und der Gefolgschaft des Volkes, unbestritten ist, und daß sie den Zweck, das Bewußtsein des Volkes ent- sprechend der Intention der Herrschenden zu formen, erfüllt. Vgl.: Schulte-Strathaus 1938, S. 115. Die Wirkung eines Spottbildes potenziere sich noch durch das Zitiert- Werden in der Karikaturennachfolge. Ein Rundschreiben an die deutschen Zeitungen vom Bild- und Filmamt / Abteilung des Militärbüros des Außenministeriums vom 19. September 1917, zeigt, daß diese Möglichkeit der Propaganda genutzt wird: „Die Wirksamkeit einer derartigen systematischen Propaganda [gemeint ist die des feindlichen Auslandes - A.P.] kann nicht bestritten werden, denn es steht außer Zweifel, daß ein Gedanke, der durch das Bild wiedergegeben wird, vor allem, wenn er sich oft und unter verschiedenen Formen wiederholt, auf den Geist des Lesers mehr Eindruck macht als ein geschriebener Satz. Vom vaterländischen Standpunkt aus wäre es darum sehr wichtig, daß die deutsche Tagespresse sich entschließen würde, zur Bekräftigung des Textes die

137 Kampfmittel „ersten Ranges“ sei. Die Karikatur bewegt sich zwischen Wieder- gabe einer breit im Publikum angesiedelten Meinung und Formung derselben.417 Dabei gilt die Karikatur nicht als Spiegel der Auffassungen der breiten Masse: „Denn die manchmal gehörte kompromißlose Gleichung ´Karikatur gleich Meinung der Massen´ geht an der vom schaffenden Künstler bewirkten willenshaltigen Nuancierung des allgemeinen Meinungsinhaltes vorbei, die er vornehmen muß, um den Willen der Massen in die von ihm ge- wünschten Bahnen zu lenken.“418 Die „Gleichschaltung“ erfaßt die Karikatur im Dritten Reich vollständig: 1939 wird in Berlin das „Interpress Politisches Karikaturenbüro“ eingerichtet - eine Agentur zur Vermittlung von Karikaturen an die Presse. Ab 1943 wird diese Aufgabe von der „DPZ“ („Die Politische Zeichnung“-GmbH) übernommen. Bestimmung dieser Stellen ist es, die politische Karikatur „ihrer propa- gandistischen Bedeutung entsprechend zu aktivieren“419. Damit ist eine Gleichschaltung der Pressezeichnung wohl endgültig gegeben. Eine Opposition - auch in der Karikatur - ist schließlich unmöglich. Das Regime selbst gibt von 1931 bis 1938 eine Karikaturenzeitschrift, die Brennessel, heraus, in der „dem Gegner mit der Waffe des Hohns tiefe Wunden“420 geschlagen werden sollen. 1938 stellt die Brennsessel ihr Erscheinen ein. An ihre Stelle tritt der Simplicissimus, der im Ausland wegen seiner kritischen Tradition noch immer ein höheres Ansehen hat.421 Der Simplicissimus wird „gleichgeschaltet“ - zwei seiner Zeichner, HEINE und WALTER TRIER (1890-1951), emigrieren. HEINE bewertet ein Jahr nach Kriegsende sein politisches Potential als Zeichner als vollkommen uneffektiv, da gerade die Lächerlichkeit, mit der er die Nationalsozialisten vor der Machtergreifung hat angreifen wollen, diese als „Menschen wie Du und ich“ darstellt. Die Kritik hat sich durch das Mittel der Lächerlichkeit ins Gegenteil verkehrt und die kritisierten Personen den Leuten erst konkret gemacht, sie ihnen geradezu nahe gebracht.422

hauptsächlichsten Tagesfragen ebenso wie gewisse politische Geschehnisse unter der Form von Karikaturen wiederzugeben.“ Zitiert nach: Schulte-Strathaus 1938, S. 119. 417 Vgl.: Schulte-Strathaus 1938, S. 5. 418 Schulte-Strathaus 1938, S. 5f. 419 Villinger, Carl J.H.: Die Vermittlung von Karikaturen an die Presse. In: Handbuch der Zeitungswissenschaft, Bd. II, Leipzig 1941-43, Sp. 2257-2260; hier: Sp. 2257. 420 Brennessel, 1938, Nr. 51. Zitiert nach: Pohl 1989, S. 180. 421 Vgl.: Pohl 1989, S. 180. 422 Vgl.: Reumann 1966, S. 218.

138 Andere Karikaturisten des Simplicissimus, wie WILHELM SCHULZ (1865-1952), KARL ARNOLD (1883-1953), EDUARD THÖNY (1866-1950) und GULBRANSSON, arbeiten unter den Nazis weiter. Die beiden letzteren erhalten unter den Nationalsozialisten Auszeichnungen und Professuren. THÖNY paßt sich deutlicher an, indem er in stärkerem Maße Heroisierungen des deutschen Soldatentums betreibt. Der Simplicissimus-Zeichner ERICH SCHILLING (1885- 1945), zuvor Karikaturist des Wahren Jakob und scharfer Gegner des Nationalsozialismus, wird sogar Parteimitglied. Sein Schicksal ist von diesem Kontrast bestimmt: Während nach dem Zweiten Weltkrieg viele seiner Kollegen auch weiterhin Karriere machen, begeht er 1945 Selbstmord.423 Die Arbeiten dieser Zeichner lassen sich nicht generell als Dienstleistungen am Nationalsozialismus verurteilen. GULBRANSSON ist ein Beispiel dafür, daß - wenn auch äußerst verhalten - Versuche gemacht wurden, Hitlers Regime zu kritisieren.424 Ausdruck der Bedeutung, die der Pressezeichnung im Dritten Reich zugestanden wird, sind die besonderen Ehrungen, die vor allem der Pressezeichner MJÖLNIR (dieser Name des Hammers des nordischen Gottes Thor wurde von HANS SCHWEITZER bezeichnenderweise als Pseudonym gewählt) erhielt, „der zu den ersten 30 Berliner Nationalsozialisten gehört“425 und der nationalsozialistischen Bewegung „seit ihren Anfängen als kämpferischer Bekenner dient“426. Welche Karriere ein Karikaturist während des Dritten Reiches machen kann, ist seiner Biographie zu entnehmen. Er erhielt unter Hitler, der ihn „Zeichner der Bewegung“ nannte, 1933 eine Professur, wurde „Reichsbeauftragter für künstlerische Formgebung“ und später Vorsitzender des Reichsausschusses der deutschen Pressezeichner427. Die Karriere MJÖLNIRs steht in Proportion zu dem der Karikatur im Dritten Reich zugestandenen politischen Wert.428 MJÖLNIR fordert denn auch:

423 Vgl.: Pohl 1989, S. 180. 424 Vgl.: Veith 1986, S. 74. 425 Lehmann, Ernst Herbert: Die deutschfeindliche Karikatur als Dokument der geistigen Kriegsführung. In: Handbuch der Zeitungswissenschaft, Bd. II, Leipzig 1941-43, Sp. 2239-2242 (im folgenden: Lehmann 1941); hier: Sp. 2248. 426 „Was ist mit Pressezeichnung?“ In: Zeitungs-Verlag 1934, Nr. 9, S. 146. 427 Vgl.: Lehmann 1941, Sp. 2249. 428 Reumann vergegenwärtigt die Bedeutung dieser Ämter: „Als Reichsbeauftragter für künstlerische Formgebung, als Vorsitzender der Berliner Ausstellungsleitung und als Vorsitzender des Berufsverbandes der Pressezeichner hatte Prof. Schweitzer den denkbar größten Einfluß, um seiner Kunstauffassung Anerkennung zu verschaffen. In seiner Eigenschaft als Reichsbeauftragter für künstlerische Formgebung erteilte er nicht nur der

139 „Das Thema politische Karikatur darf nicht von jedem x-beliebigen, sondern nur vom von vorne herein politisch Denkenden abgehandelt werden. Es ist überflüssig zu sagen, daß sich dieses politische Denken aus der nationalsozialistischen Weltanschauung heraus versteht.“429 Da den Karikaturen im Nationalsozialismus eine außerordentliche suggestive Potenz zuerkannt wird, sind sie zur Feindbildpropaganda bestens geeignet. Zwar heißt es bei HORNUNG: „Stolz können wir Nationalsozialisten von uns sagen, daß wir die Karikatur in Friedenszeiten, auch wenn uns das Ausland dazu hinlänglich Grund gab, nie mißbraucht haben. Und jetzt im Kriege hält sich die deutsche Karikatur in den Grenzen, wie sie durch das deutsche Wesen und die deutsche Kultur gegeben sind.“430 Doch gerade in den Karikaturen des Dritten Reiches wird eine Feinddarstellung betrieben, die vor nichts zurückschreckt. Agitation wird mit Vernichtungs- propaganda gleichgesetzt. Der Gewaltfaktor in agitatorischen Bildern wird positiv bewertet. Die Kampfbilder des Dritten Reiches sollen „Haß und Verachtung für den Gegner in die Herzen der Masse“431 einpflanzen. Der „kämpferische“ Einsatz der Karikatur für das öffentliche Leben ist für den Publizistik-Professor EMIL DOVIFAT ihre bedeutendste Aufgabe, wobei die Kampfbilder rigoros den Gegner diffamieren und den Haß gegen ihn schüren. „Mehr als die Moral, so lehrt die Geschichte des Kampfbildes, bestimmt hier der Erfolg die Wahl der Mittel.“432 Das Vokabular, das die Faschisten zur

Reichskammer der bildenden Künste ihre Richtlinien, sondern er gehörte auch Gremien wie der von Reichskunstkammerpräsident Adolf Ziegler einberufenen Kommission an, die alle größeren deutschen Museen bereiste und die namhaftesten Werke der deutschen Gegenwartskunst beschlagnahmte, um sie 1937 in München als ´Verfallswerke´ zur Schau zu stellen.“ Reumann 1966, S. 111. 429 Mjölnir 1936, S. 193. 430 Hornung 1941, o.S. 431 Medebach, Friedrich: Das Kampfplakat. Frankfurt a.M. 1941, S. 10. Zitiert nach: Reumann 1966, S. 119. 432 Dovifat, Emil: Die Karikatur als Kampfbild. In: Handbuch der Zeitungswissenschaft, Bd. II, Leipzig 1941-43, Sp. 2233-2239 (im folgenden: Dovifat 1941); hier: Sp. 2233. Der Professor, der während des Dritten Reiches vorzeitig emeritiert wurde, aber bis zu seinem Tode in der Publizistikwissenschaft lehrte, wird von seinen Biographen hinsichtlich der Frage seines Mitläufertums geschont. Vgl.: Benedikt, Klaus-Ulrich: Emil Dovifat. Ein katholischer Hochschullehrer und Publizist. (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 42). Mainz 1986 und vgl.: von Dadelsen, Dorothee: Emil Dovifat. Die publizistische Persönlichkeit. Berlin 1990. Dovifat - (anscheinend doch) in entsprechendem propagandistischem Milieu des Dritten Reiches beheimatet - nennt als Funktion der Kampfbilder das Auslösen von instinktmäßiger

140 Formulierung ihrer Erwartungen an die Karikatur benutzen, ist entsprechend. In der Deutschen Presse (1940) ist die Rede davon, was von der Karikatur zu verlangen sei, nämlich „tödlicher Witz“ und „tödliche Treffsicherheit“, gekoppelt mit „kämpferischer Leidenschaft gegen das menschlich Minder- wertige“433. Der Angriff auf den Gegner in der Propaganda und in der Karikatur realisiert sich schließlich in der Vernichtung des Feindes im Krieg und in der „Endlösung“ der „Judenfrage“. Durchgängig richten sich die Feindbildkarikaturen, die nicht nur in den Zeitungskarikaturen präsent sind, sondern auch in Flugblättern und Plakaten (die Karikatur ist nur eine Form dieser Bildagitation), gegen Juden und Bolschewisten. Sie sind das bevorzugte Thema in der nationalsozialistischen Karikatur. Eher marginal im Feindbildpersonal nehmen sich die Typen „SPD- Bonze“ (dick mit Ballonmütze) und der bierbäuchige Geistliche aus.434 Juden und Bolschewisten müssen in den Karikaturen als „Untermenschen“ herhalten. Häufig werden beide Gruppen miteinander gekoppelt. Der „ewige Jude“ ist rassistisch minderwertig, dazu bolschewistisch und verantwortlich für die Existenz der Sowjetunion, gleichzeitig aber auch kapitalistisch und ausbeuterisch. Somit liefert er das Bild eines polyvalenten Feindes, der sämt- liche Gegnerschaften in sich vereint. Attribute „des“ Juden sind religiöse Merkmale wie Bart, Kappe oder Kaftan und schließlich die „Judennase“. Ausdruck des ihm unterstellten Machthungers sind z.B. seine riesenhafte Gestalt oder Instrumente der Unterdrückung. In der antisowjetischen Feindbild- propaganda begegnet einem der „Untermensch“, zur Rechtfertigung des Überfalls auf die Sowjetunion und des Genozids der jüdischen Bevölkerung im besetzten Osteuropa. Die Karikatur hat die Funktion, die Vorstellung einer bolschewistischen Bedrohung zu etablieren. Die Propaganda beschwört den Bolschewismus, mit dem immer auch „die“ Juden als Drahtzieher oder Profiteure in Verbindung gebracht werden, nicht nur als militärische und todbringende Gefahr, sondern auch als Schreckgespenst in kultureller Hinsicht. Dazu stellen die Nationalsozialisten sich selbst als Wahrer der deutschen und sogar der

Abneigung und solidem Haß, „um sie als Elemente der politischen Willensbildung einzusetzen.“ Dovifat 1941, Sp. 2239. 433 „Pressezeichner marschieren auf. Eine Ausstellung politischer Karikaturen in Prag“. Ausstellungsbesprechung in: Deutsche Presse 1940, Nr. 10, S. 98. Zitiert nach: Pohl 1989, S. 188. 434 Vgl.: Reumann 1966, S. 113.

141 europäischen Kultur überhaupt dar, die das zivilisierte Europa vor dem kulturellen Chaos schützen, das die Bolschewisten angeblich über Europa zu bringen drohen. Funktion dieser Karikaturen ist somit nicht nur die Feindbildpropaganda, sondern auch die Unterstützung einer gewissen „Kulturpolitik“, die in dem Anspruch auf die Kulturgüter der später besetzten Nationen und schließlich im systematischen Kunstraub gipfelt.435 Eine besondere Rolle in der NS-Propaganda spielen antithetische Kampfbilder. Die Karikatur hat als Kampfbild nicht allein die „Bekämpfung“ des Gegners, sondern darüber hinausgehend die ideale Inszenierung des eigenen Lagers zur Aufgabe. Die Karikatur soll die nationalsozialistische Herrschaft klar bejahen und „die symbolisierte Reinheit des eigenen Zieles“ der entgegengesetzten Darstellung des Feindes gegenüberstellen.436 Die Selbstdarstellung bzw. Heroisierung geschieht durch die Wahl einer idealisierenden Darstellung. Der bereits im Zusammenhang mit Verzerrungen von Physiognomien zitierte Rassen-Ideologe ROSENBERG stellt den nordischen Heldentyp als hohe schlanke Gestalt, mit „blitzenden hellen Augen, hoher Stirn, mit kraftvoller, aber nicht übermäßiger Muskulatur“437 dar, wobei er v.a. auf die Wiedergabe des Gesichtes Wert legt, in dem sich seiner Meinung nach der Kampfeswille, die Führungsqualität und das Heldenhafte am stärksten manifestieren.438 MJÖLNIR verlangt vom „politischen Zeichner“ eine entsprechende Charakterisierung des Deutschen: „Es sollte also z.B. nicht mehr vorkommen, daß als Sinnbild des heutigen Deutschen die Vorkriegsfigur des zwar kräftigen, aber gutmütigen und etwas dämlichen deutschen Michels erscheint. Das Attribut der Schlaf- mütze, Zipfelmütze paßt nicht mehr zu der erwachten jungen Generation, die kühn und selbstbewußt ihren Weg geht. Als Typus des Deutschen der heutigen Epoche darf die Welt nur den selbstbewußten, kraftvollen nordischen Menschen des Dritten Reiches sehen, der die Achtung der übrigen Völker als eine Selbstverständlichkeit für sich fordert.“439 Pressezeichnungen, die Persönlichkeiten des Regimes nicht ausreichend heroisch oder den politischen Gegner nicht entschieden genug negativ dar- stellen, will er nicht zulassen.440 Dem entspricht die Diskussion um die

435 Vgl.: Pohl 1989, S. 192. 436 Vgl.: Dovifat 1941, Sp. 2237. 437 Rosenberg 1930/1934, S. 291. 438 Vgl.: Rosenberg 1930/1934, S. 292. 439 Mjölnir 1936, S. 193. 440 Vgl.: Mjölnir 1936, S. 194.

142 „Gefahr“, die bestünde, wenn die deutsche Pressezeichnung ein anderes als ein idealisierendes Bild vom Deutschen zeige. Vor allem in den 30er Jahren und während des Zweiten Weltkriegs wird in Artikeln über Karikaturen häufig auf den Umstand Bezug genommen, innenpolitische Karikaturen, in denen deutsche Staatsmänner verunglimpft werden, würden der feindlichen Propaganda als Nahrung dienen. Von AVENARIUS´ Buch „Das Bild als Narr“ (1918) bis zum „Handbuch der Zeitungswissenschaft“ (1941) taucht diese These immer wieder auf.441

MJÖLNIR entspricht seinem eigenen Anspruch vollkommen. Er bringt das Bild des nordischen Helden (und seines Gesichtes) konsequent immer wieder zum Einsatz: „Seine dynamische Federführung kommt ihm dabei zustatten, wenn er in diese gleichförmigen Gesichter den Ausdruck eines glühenden und doch beherrschten Willens bannt. Oft hat Schweitzer auch auf die Technik des Holzschnittes zurückgegriffen, um die kernige Kraft seiner Helden besser zu veranschaulichen.“442 Der Völkische Beobachter hebt seine Karikaturen als Manifestation der nationalsozialistischen Idee und des idealisierten deutschen Mannes hervor.443 In einer Zeichnung des von der nationalsozialistischen Ideologie geprägten Karika- turisten OSKAR GARVENS wird ganz in diesem Sinne der Idealtypus modelliert (Abb. 66). Gepaart ist das Bild des Helden oft mit Martyrium bzw. Opferwillen, die an die Bereitschaft zur Selbstopferung appellieren sollen. In diesem Zusammenhang läßt sich von einer „Religion der Ehre“ sprechen444. Eine Karikatur, die die entsprechenden Kriterien des antithetischen Kampfbildes erfüllt, weil in ihr dem Selbst, das einem idealen Menschenbild entspricht, ein verabscheuungswürdiger Feind gegenübergestellt wird, zeigt das von dem Deutsch-Amerikaner ARTHUR JOHNSON (1874-1954) 1933 für den Kladderadatsch gezeichnete Titelblatt (Abb. 67). JOHNSON, der seit seiner Jugend in Deutschland lebte und von 1896 bis 1944 für den Kladderadatsch arbeitete, stellt in dieser Karikatur Hitler in der Pose des Hl. Georgs bzw. als Drachentöter dar, wobei der „Drache“ ein mit

441 Vgl.: d´Ester, Karl: Zur Geschichte der Karikatur / Die Gefahren der Karikatur. In: Handbuch der Zeitungswissenschaft, Bd. II, Leipzig 1941-43, Sp. 2223-2233 und 2261- 2262 (im folgenden: d´Ester 1941); hier: Sp. 2262. 442 Reumann 1966, S. 112. 443 Reumann verweist auf die Ausgabe der Zeitung „Völkischer Beobachter“ v. 24.7.1941. Vgl.: Reumann 1966, S. 111. 444 Vgl.: Reumann 1966, S. 117.

143 negroiden Zügen und (!) mit „Judennase“ ausgestatteter Primat ist, dessen Kappe ein an den Sowjetstern erinnerndes Zeichen trägt. Sämtliche Gegner- schaften des Nationalsozialismus sind in diesem Bild vereint. * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

Antithetische Kampfbilder, die in ihrer „Qualität“ mit nationalsozialistischen vergleichbar sind, sind solche der sowjetischen Propaganda. Ein Plakat von 1941 (Abb. 68) ist dem Kladderadatsch-Titelbild (Abb. 67) nur zu ähnlich. Wieder wird die Spiegelbildlichkeit der Feindperzeption deutlich. Karikaturen, in denen das sowjetische Proletariat heroisiert wird, während der dekadente Kapitalismus der Lächerlichkeit preisgegeben wird - wie in einer Karikatur aus der Prawda von 1961 (Abb. 69) - sind ebenso antithetische Kampfbilder, wie Karikaturen, in denen sich der schwächliche Feind und der überlegene eigene Soldat gegenüberstehen - beispielhaft in einer vietnamesischen Karikatur (Abb. 70). Eine 1994 in der deutschen Presse erschienene Zeichnung (Abb. 71) zeigt eine im Prinzip übereinstimmende Darstellungsform. Zu sehen ist der in seinem Minipanzer kaum ernstzunehmende Saddam (noch dazu durch den Untertitel als kläglich versagender Lügner dargestellt), dessen Vorhaben vereitelt wird, indem die übergroße „gute“ Macht im rechten Augenblick zur Stelle ist. Saddam wirkt in Anbetracht der Stärke und (moralischen) Überlegenheit der USA nur noch lächerlich. Karikaturen der 90er Jahre propagieren also auch in unserer vermeintlich aufgeklärten Zeit und in dem vermeintlich aufgeklärtem Medium Karikatur antithetische Kampfbilder. Die Karikatur „Saddam in Flammen“ des in Athen geborenen und für die deutsche, amerikanische und schwedische Presse arbeitenden Karikaturisten BAS MITROPOULOS vom Januar 1991 (Abb. 72) ist eine direktere antithetische Konfrontation. Mit der Freiheitsstatue und dem „amerikanischen Staatsfeind Nummer 1“, Saddam Hussein, stehen sich die Antagonismen Freiheit und Despotie gegenüber. Eine weitere Karikatur, die an Formen antithetischer Kampfbilder erinnert, ist eine Zeichnung HANELs aus dem Jahre 1995 (Abb. 73). Die USA sind in Form des göttlichen Auges dem Gegenpart Saddam gegenübergestellt. Während die „Pluspartei“ (um REUMANNs Vokabular zu verwenden) mit diesem der Esoterik entliehenen und göttliche Allgewalt symbolisierenden Motiv positiver kaum noch dargestellt werden könnte, ist die

144 „Minuspartei“ ein zähnefletschender Brandstifter, der eine unkalkulierbare Bedrohung darstellt. Diese wenigen Beispiele antithetischer Kampfbilder, die in ganz ähnlichen Darstellungsformen in verschiedenen Epochen und im Dienste vielfältiger Interessen erscheinen, sollen hier exemplarisch veranschaulichen, daß diese von REUMANN zu Recht als unvereinbar mit den vorgeblichen Prinzipien der Karikatur gebranntmarkten Darstellungsformen auch heute präsent sind. Das vermeintliche Prinzip der Karikatur, die Kritik, ist eben nur eine Spielart der Karikatur, neben solchen der Verführung und Verdummung.

3.4 Der Feind in bedrohlicher Perspektive Karikaturen, die ebensowenig humoristisch sind wie die, die Bestialisierung be- treiben, sind solche, die mittels Perspektive und Monumentalität des politischen Gegenspielers ein direktes Gefühl der Angst provozieren wollen. Die Karikatur bedient sich dazu verschiedener Verfahren. In einer Variante sieht sich der Betrachter dem Feind Aug´ in Auge gegenüber, wobei er einer direkten persönlichen Bedrohung ausgesetzt ist, denn der Gegner zielt mit der Pistole unmittelbar auf ihn selbst. Durch diesen perspektivischen „Kunstgriff“ wird eine konkrete Beziehung zwischen dem Feind und dem einzelnen Betrachter suggeriert. Eine Karikatur, die „den“ Juden als persönliche Bedrohung darstellt (Abb. 74) ist nicht etwa eine Bildfindung der Nazis, sondern eine russische Karikatur aus dem Jahre 1907. Doch natürlich wird eine derart wirkungsvolle, beinahe hypnotisierende Art der Bedrohungsvermittlung auch im Nationalsozialismus eingesetzt - so im Zweiten Weltkrieg in einem deutschen Plakat für die besetzte Sowjetunion, in dem wieder der Feind Jude und Bolschewist in seiner Person vereint sind (Abb. 75). Im Zweiten Weltkrieg bedient sich auch die amerikanische Regierung dieses Mittels, um gegen die Japaner zu mobilisieren (Abb. 76). In Vergessenheit geraten ist diese Tradition nicht, wie eine zeitgenössische Karikatur aus dem Jahre 1990 zeigt: Hier läßt uns der Karikaturist OLIPHANT direkt in die Mündung von Saddams Pistole blicken (Abb. 77). In einer solchen Konstellation wird der Betrachter zum Subjekt, das in die Handlung der Karikatur miteinbezogen wird. Die Perspektive wirkt wie ein

145 „superscharfes Fernrohr: [...] es nähert die Bedrohung auf Hautnähe an“445. Der tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes meilenweit entfernte Feind wird zum unmittelbaren Gegenüber, das den Betrachter mit der Waffe bedroht - eine Situation in der es um (das eigene!) Leben und Tod geht. Kein Zweifel: gegen einen solchen Feind muß man etwas unternehmen - wenn schon nicht aus moralischer Verpflichtung, dann doch aus Selbstschutz. Eine andere Form des psychologischen Einsatzes der Perspektive in der Karikatur überträgt ein entsprechendes Gefühl der direkten und noch dazu globalen Bedrohung auf den Rezipienten: Indem der riesige und übermächtige Feind vom Horizont aus die Welt überschattet, wird er zur persönlichen und universalen Gefahr zugleich. Seinem expansiven Drang muß Einhalt geboten werden. Verstärkt wird dieser Ausdruck noch, wenn die drohende Macht mit krallenartigen Händen nach dem ganzen Erdball greift. Eine Karikatur des Amerikaners OSCAR EDWARD CESARE (1885-1948) aus der New York Sun von 1914 zeigt „Die japanische Gefahr“ in eben dieser Weise (Abb. 78). Hitlers Wort vom „Lebensraum der Deutschen“ bildlich umsetzend, verwendet der britische Karikaturist ANTONÍN PELC in einer etwa 1937 gezeichneten Karikatur das gleiche Motiv auf den deutschen Expansionsdrang bezogen (Abb. 79).

In einem englischen Plakat von 1944, von dem Briten PAT KEELY entworfen, das zur Befreiung der von Japan besetzten holländischen Kolonien in Ostindien aufruft, sind wieder die Japaner Gegenstand einer solchen Darstellung (Abb. 80). Das Sonnenstrahlen-Symbol auf ihrer Flagge und ihre geographische Lage animiert zu dem Vergleich mit der Sonne, die am Horizont aufgeht und (entgegen der üblichen Ikonologie) Unheil über die Welt bringt. Allerdings erfährt das Motiv hier eine Modifikation, indem die japanische Macht zu einer Krake umgebildet wird. Die Krake, die alles, was in ihre Arme gerät, umklammert und nicht mehr losläßt, ist ein Bild, mit dem eine äquivalente Aussage getroffen wird, und das eine eigene Ikonographie in der Karikaturgeschichte vorweisen kann (darauf sei an dieser Stelle lediglich hingewiesen). In Karikaturen gewinnt ein weiteres mit der Perspektive arbeitendes Motiv ein Eigenleben: Das der Krallenhand. Eine frühe Variante, die mit der riesigen

445 Link, Jürgen: Der irre Saddam setzt seinen Krummdolch an meine Gurgel. In: Text- und Diskursanalyse. Eine Anleitung zur Analyse politischer Texte. Hrsg. v. Siegfried Jäger (Diss-Texte, Nr. 16). Dortmund 1991, S. 73-92 (im folgenden: Link 1991); hier: S. 83. Der Text ist identisch mit dem gleichnamigen Artikel in der Frankfurter Rundschau v. 16.1.1991, S. 18.

146 Dimension des Feindes ihre Wirkung erzielt, ist eine Karikatur des Franzosen JEAN EMMANUEL d´AURIAN von 1899 (Abb. 81). Die Krallenhand ist durch das Spruchband, welches das Motto des britischen Wappens aufgreift, als England zu identifizieren. Die Wirkung des Bildes der überdimensionalen, auf den Betrachter zukommenden Hand findet ebenso in nationalsozialistischen Kari- katuren und Plakaten Verwendung - so in einem 1933 von OTTLER entworfenem Plakat des „Vereins für das Deutschtum im Ausland, Landesverband Bayern“ (Abb. 82). Diesem Thema begegnen wir ebenfalls in einem Plakat der US- Regierung, von JOHN GAYDOS 1942 für das „Office of Inter-American Affairs“ gestaltet (Abb. 83). Die Verzerrung der Größenverhältnisse ist eine Hyperbel, welche die Bedeutungsgröße der vom Gegner ausgehenden Gefahr widerspiegeln soll. Die psychologische Wirkung der Übertreibung der Relationen funktioniert über einen „inneren Sinn für Dimensionen“, der von den Daten der Sinnes- wahrnehmung abweichende Informationen vermittelt: „Der innere Sinn übertreibt immer. [...] Wie sehr sich der Maßstab von unserer inneren Landkarte von der des Auges unterscheidet, erlebt man am besten (und am schmerzhaftesten) beim Zahnarzt, wenn der behandelte Zahn geradezu riesenhafte Ausmaße annimmt. Kein Wunder also, daß der Karikaturist oder der Expressionist, der sich auf seinen inneren Sinn verläßt, zur Veränderung der Maßstäbe neigt.“446 Ein deutsches Plakat für das besetzte Polen von 1943 variiert dieses Thema des vom Horizont aus über den Erdball nach Europa greifenden, ins Bestialische verzerrten Riesen (Abb. 84). Doch nicht nur in radikal kämpferischen Karikaturen des Zweiten Weltkriegs werden derart dramatische Bildformen verwandt. Auch in der Nachkriegszeit lebt diese Tradition fort. Die Dramatik einer solchen bildnerischen Inszenierung wird auch im Kalten Krieg eingesetzt: In einer mit KUKRYNSKY (dem Pseudonym der drei kurz nach der Jahrhundertwende geborenen sowjetischen Karikaturisten MIKHAIL KUPRYANOV, PORFIRY KRYLOV und NIKOLAY SOKOLOV) gezeichneten Karikatur aus einer Prawda von 1975 ist das Motiv modifiziert: Der nach Zypern gierende Arm ist die Verlängerung eines Kanonenrohrs, und die Finger der Hand bilden das Wort „NATO“ (Abb. 85).

446 Gombrich 1977, S. 51.

147 EXKURS 4: Feindbildkarikaturen im Kalten Krieg Wie wir gesehen haben, gibt es eine Kontinuität der karikaturistischen Tätigkeit über den Wechsel der Regime hinweg. Aber in der Nachkriegszeit hüten die Autoren sich zumeist davor, die Karikatur deutlich als propagandistisches Mittel einzustufen. In dem 1955 erschienenen Buch „Duell mit der Geschichte“ schließt RAMSEGER Karikaturen aus der Zeit der Nazi-Herrschaft und aus der Sowjetunion betont als unvereinbar mit dem, was unter Karikatur zu verstehen sei, aus.447 Doch zeigt seine in diesem Band getroffene Auswahl von Karikaturen, daß hier Karikaturisten vertreten sind, die bereits während des Dritten Reiches ihre Erfolge feierten.

Kritisch äußert sich dagegen HARALD LAA bezüglich des Zusammenhangs zwischen Karikatur und Propaganda. In seiner Dissertation (1951) stehen seine Ausführungen über die Wirksamkeit der Karikatur wohl im Kontext mit den soeben unter der Naziherrschaft gemachten Erfahrungen. Er philosophiert über den Zusammenhang zwischen journalistischer Ambition und Massenwirk- samkeit: „Alles, was die Phantasie der Massen erregt, erscheint in der Form eines packenden, sehr klaren Bildes, das frei ist von jeder Deutung als Zubehör [...] Sie müssen durch Verdichtung (von komprimierter Lüge möchte ich nicht gerne reden) ein packendes Bild hervorbringen, das den Geist erfüllt und ergreift. Die Kunst, die Einbildungskraft der Massen, der breitesten Öffentlichkeit, zu erregen, ist die Kunst sie zu regieren!“448

Wenn LAA hier nicht nur von Beeinflussung, sondern darüber hinaus von „Regieren“ spricht, dann ordnet er der Karikatur eine sehr große politische Potenz zu, deutet diese aber gleichzeitig negativ, weil er dieses Vermögen nicht im Dienste einer Aufklärung, sondern der Manipulation sieht. Das wird an anderer Stelle deutlich: „Die Triebkraft der Völkerentwicklung war niemals die Wahrheit, sondern der Irrtum. Nie hat die Öffentlichkeit w i r k l i c h (also nicht ´Schlagzeilen´ gemäß) nach Wahrheit gedürstet. [...] Als Beispiel dafür haben wir die Karikatur nicht zu verachten. Doch auch damit kann man

447 „Das, was sich da noch Karikatur nennt, ist in Wirklichkeit widerliche Marionettenfratze, die Grimasse der Wahrheit, schamlosester Verrat gegen das eigenste Gesetz des Karikaturisten also.“ Ramseger 1955, S. 13. 448 Laa, Harald: Die Karikatur in der Presse. (Diss.) Wien 1951 (im folgenden: Laa 1951), S. 18f.

148 leicht ´öffentliche Meinung´ machen (!) Wer die Menge zu täuschen ver- steht, wird leicht ihr Herr. Wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer!“449 Mit diesen recht pathetischen Worten verdeutlicht er seine Einschätzung der Karikatur als ein politisch bedenkliches Mittel, was in Sätzen wie „Bei der Aufzählung der Faktoren, die imstande sind die öffentliche Meinung zu erregen, könnten wir uns die Erwähnung der Vernunft ersparen“450 offensichtlich wird. Von dem Mythos, die Karikatur als einen Ausdruck von konstruktiver Kritik und Fortschritt zu sehen, findet sich hier keine Spur. Laut LAA sind sich der Karikaturist und der Journalist des Mittels in ihren Händen durchaus bewußt. Sie appellieren an die Gefühle der Rezipienten, nicht an ihre Vernunft.451 Trotz der vorhandenen karikaturistischen Arbeit entsteht in den 50er Jahren ein satirisches Vakuum. Die Karikaturen selbst treten nicht besonders als politische Kritiker in Erscheinung. SCHWARZ nennt 1957 die zeitgenössischen Karikaturen „schrecklich brav“, „fürchterlich langweilig“, „zahm“ und „farblos“, „sympathisch“, „harmlos“ und „gemütlich“. Den Grund hierfür sieht sie darin, daß die Bundesrepublik nun eine Demokratie sei, und es in einer solchen Staatsform keinen rechten Anstoß mehr für Kritik gebe.452 SCHWARZ´ idyllische Auffassung von Demokratie sei einmal dahingestellt, eher wirkt sich in den 50er Jahren wohl noch das Trauma der deutschen Vergangenheit aus, und den Karikaturisten des besiegten Deutschlands mangelt es - wie der Bevölkerung überhaupt - an politischem Interesse und politischer Energie. Der Maler und Graphiker GUIDO ZINGERL reklamiert: „Die politische Karikatur in der Bundesrepublik wurde nach dem zweiten Weltkrieg in hohem Maße von bürgerlichen Zeitungen bestimmt. [...] Verniedlichung und Verwischung der Probleme bis zur völligen Entpolitisierung, mildes Verarschen und lustige Personalisierungen herrschten vor.“453 Die Defizite an politischer Kritik durch Karikaturen werden auch durch die Etablierung neuer Medien ausgelöst. Hörfunk und Fernsehen treten in Konkurrenz zur Presse und befriedigen schließlich sowohl das Informations- als auch das Bildbedürfnis der Rezipienten. Eine Bilderflut geht mit dem neuen Medium Fernsehen einher. Das Bild als Aussage erfährt eine Inflation, die auch die Wirkung von Karikaturen beeinflußt. Aufgrund der veränderten Medien-

449 Laa 1951, S. 20 (Hervorhebung im Original). 450 Laa 1951, S. 21. 451 Vgl.: Laa 1951, S. 21f. 452 Vgl.: Schwarz 1957, S. 18. 453 Zingerl 1972, S. 2.

149 wirklichkeit unterliegt die Karikatur neuen Bedingungen. Sie muß sich erst einmal in der neuen Situation orientieren, ihrer Rolle bewußt werden und nach anderen Ausdrucksmöglichkeiten suchen. Dazu gehört ein betont künstlerischer Anspruch der Karikaturisten, die ihre persönlichen Stile, ihre „Handschrift“ herausbilden.454 GRILL spricht von einer „Ideenschmiede für gezeichneten Humor auf höchstem Niveau“ in der Karikaturisten-Szene der 50er und 60er Jahre. In dieser „Blütezeit der intelligenten Satire“ sei geradezu eine Explosion an Talenten zu verzeichnen.455 Die Zeichner dieser Generation fallen allerdings eher in die Kategorie der humoristischen Graphik als in die der Pressekarikatur. Parallel zu dieser Tendenz in Richtung eher apolitischer Cartoons oder satirischer Druckgraphik unter rein künstlerischen Ansprüchen entwickelt sich schließlich in der Tagespresse die redaktionelle Karikatur zu einem selbst- verständlichen Ausdruck politischer Meinung. Waren vor dem Zweiten Weltkrieg die satirischen Zeitschriften das Betätigungsfeld der Karikaturisten, so finden sie nach 1945 ihren Raum vor allem in der Tagespresse und in Wochenzeitungen. In der opinion press erhält die Karikatur schließlich einen angestammten Platz, wo sie ganz anders rezipiert wird als in der satirischen Presse, die mittlerweile nur noch ein marginales Dasein fristet. Das Publikum der satirischen Zeitschriften rekrutiert sich immer aus einer aufgeklärten Schicht (zunächst das Bürgertum, später die intellektuelle Linke). Die Pressezeichnung der Tageszeitungen aber hat eine ganz andere Streuwirkung. Sie wird von einer quantitativ umfassenderen und bezüglich ihres politischen Anspruchs heterogenen Leserschar wahrgenommen. Der Karikaturist nimmt an der öffentlichen Meinungsbildung teil, indem er durch Fokussierung auf ein herausragendes politisches Thema oder Ereignis diesem besonderes Gewicht gibt. Der Zweite Weltkrieg wird nur scheinbar von Frieden abgelöst; der sogenannte Kalte Krieg setzt ein. Negativ- und Feindbilder in Karikaturen sind auch nach dem Zweiten Weltkrieg präsent. In der Nachkriegszeit ändern sich jedoch die Feindschafts-Zuschreibungen. In Deutschland werden aus den alten Feind- bildern (die Alliierten des Zweiten Weltkrieges) neue Freundbilder. Unmittelbar nach Ende des Krieges ist eine anfängliche Periode des „Demokratie-

454 Vgl.: Grill 1992, S. 30. 455 Zu ihnen gehören: Paul Flora, Loriot, Hans Traxler und Tomi Ungerer. Außerdem finden sich in Deutschland Namen wie Janosch, Borislav Sajtinac, Michael Matthias Prechtl, Peter Gayman, Papan (alias Manfred von Papen) und Hans Georg Rauch.

150 fundamentalismus“ zu konstatieren, doch schon bald kristallisiert sich ein anti- kommunistisches Feindbild heraus, das sich schnell stabilisiert. Die nun einsetzende Zeit des Kalten Krieges ist in ihrer Grundstruktur bipolar, durch den ost-westlichen Systemgegensatz geordnet. Mit der Metapher des amerikanischen Präsidenten, Ronald Reagan, vom „Reich des Bösen“456 (womit er die Sowjetunion bezeichnet) weist er nicht „den“ Feind als etwas Dä- monisches aus, sondern auf einer abstrakteren Ebene das gegnerische System. Aus der Abgrenzung zu ihm ziehen die westlichen Nationen ihre Identität, so wie unter umgekehrten Vorzeichen die östlichen sich nicht zuletzt durch den Systemgegensatz definieren. Von dem ideologischen Dualismus sind die Politik, die Interessen und überhaupt sämtliche Lebensbereiche geprägt. Zur selben Zeit nimmt die Darstellung des innenpolitischen Feindes einen breiten Raum ein. Auch in der innenpolitischen Auseinandersetzung geht es um den ideologischen Gegensatz. Mit der APO-Bewegung gerät die selbstgerechte bundesrepublikanische Gesellschaft in einen Strudel von Kritik und Forderung nach Veränderung. Als Reaktion darauf entstehen innenpolitische Feindbilder, deren Funktion es ist, innerhalb der BRD Klassenkampf zu betreiben457 oder - von anderer Seite - die Ängste des Staatsbürgers vor den progressiven Kräften zu schüren. Innenpolitische Gegnerschaften werden in das bestehende anti- kommunistische Feindbild integriert. Wurde der Feind auch „am Hauptportal“ verabschiedet, so „kehrte er gleich durch die Hintertür wieder zurück als Feinddenken“458. Durch einen Diskurs, in dem von der Gefahr der kommu- nistischen Unterwanderung und von der allgegenwärtigen Bedrohung des Terrorismus die Rede ist, wird die Wahrnehmung darauf gelenkt, daß das feindliche System die eigene Gesellschaft zu unterwandern versucht. Ein Bewußtsein wird anerzogen, das sich der Gegenwart des Feindes sicher ist, auch wenn dieser in keiner konkreten Gestalt zutagetritt. Vom Atomkraftgegner bis zur Friedensbewegung erfahren kritische Gruppen, die nach politischen Innovationen suchen, das Schicksal der Diffamierung als von „Moskau gesteuerte“ Handlanger. Entsprechende Feindbilder finden sich auch in den

456 In einer Rede am 8.3.1983 nennt Reagan die Sowjetunion den „Kern alles Bösen in der Welt“. Vgl.: AGFP 1983, S. 58. 457 In der sogenannten Alternativpresse, zu der auch satirische Zeitschriften zählen, wird die Karikatur zum politischen Ausdrucksmittel. Karikaturistische Vertreter der „linken“ Szene sind Kurt Halbritter (1924-1978), Arno Ploog und Chlodwig Poth. Parallel zur Zeitungs- und Zeitschriftenkarikatur schaffen sie Aufkleber, Flugblätter und Plakate (z.B. Klaus Staeck). 458 Brassel-Moser 1989, S. 80.

151 Karikaturen wieder. Zudem werden die Initiativen gleichzeitig mit dem Phänomen Terrorismus genannt und schließlich als Synonyme aufgefaßt. Ein Beispiel für diese Tendenz liefert eine Karikatur HORST HAITZINGERs aus dem Jahr 1968, die einen Vergleich zieht zwischen den Pogromen der Nationalsozialisten vom November 1938 und den Protesten der Studenten- bewegung von 1968 gegen die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Springer-Presse (Abb. 86)459. HAITZINGER betreibt mit dieser Gleichstellung eine Verunglimpfung der Studentenbewegung, denn diese Anschläge haben eine gänzlich andere politische Dimensionen und sind nicht mit den Geschehnissen im Nationalsozialismus vergleichbar. Die Proteste der Studentenbewegungen (selbst in ihren militanten Ausformungen) lassen sich wohl kaum an die Seite der den Genozid nach sich ziehenden Pogrome der Nationalsozialisten stellen.460

Entsprechend den konträren politischen Systemen ist das vorherrschende Feindbild in den westlichen Ländern der Kommunismus. Es zielt nicht darauf ab, Skrupel vor der Vernichtung des Feindes zu eliminieren, weil er unmenschlich ist und die Gefahr eines unmittelbaren Angriffs bevorsteht, vielmehr gilt es, das gegnerische System als menschenverachtend und verbrecherisch zu charakterisieren. Die Sowjets - im Dritten Reich noch als Untermenschen charakterisiert und dargestellt - stellen nun nicht die Bedrohung dar, sondern die Ideologie des Sowjetkommunismus ist der Feind. Das Individuum gilt eher als Opfer des kommunistischen Regimes. Nicht mehr das barbarische Wesen eines personifizierten Feindes ist mittlerweile Gegenstand des Bedrohungsgefühls, sondern das atomare Vernichtungspotential, welches das andere System repräsentiert. Eine technologische Überlegenheit des Gegners würde bedeuten, daß er durch die sogenannte „Erstschlagkapazität“ die Macht besitzt, die eigene Bevölkerung und das eigene System vollständig auszulöschen (einschließlich der Gefahr eines atomaren Overkills). Die atomare Bedrohung ist eine totale.

459 Haitzinger greift ein tatsächliches Ereignis auf. Die Scheiben des Verlagshauses waren von protestierenden Studenten mit Steinen eingeschlagen worden als Reaktion auf einen Artikel in der „Bild“-Zeitung, in dem zum gewaltsamen Vorgehen eines jeden (nicht nur seitens der Polizei) gegen Demonstranten aufgerufen wurde. Vgl.: Klant 1984, S. 195. 460 Im übrigen sind die Kampagnen gegen die sogenannten „Krawallstudenten“ sicherlich mitverantwortlich für die Erregung der Emotionen v. a. von Rechtsradikalen, was schließlich zum Schuß auf Rudi Dutschke am Gründonnerstag 1968 führte.

152 Vor allem für den Ersten Weltkrieg, der durch den Kampf „Mann gegen Mann“ gekennzeichnet war, galt, daß durch Feindbildkarikaturen - speziell durch die Darstellung des Gegners als Bestie - Tötungshemmungen abgebaut werden sollten. Auch für den Zweiten Weltkrieg ist dieser Zusammenhang einleuchtend. Seither hat sich die Form der Austragung von Kriegen - zumindest in den hochtechnologisierten Industrieländern - geändert. Nicht mehr Menschen sind das „Primärmaterial“ der Kriegsführung, sondern Waffen, Technologie und Ressourcen (diese Entwicklung wurde bereits im Zweiten Weltkrieg eingeleitet). Der direkte Kampf des einzelnen auf dem Schlachtfeld - im Angesicht des Feindes - wurde ersetzt durch die zentrale Steuerung computergeführter Waffen. Der Soldat steht nun dem Feind nicht mehr direkt gegenüber. Das berühmte Bild vom „Druck auf den roten Knopf“ verdeutlicht, daß nunmehr einige wenige Menschen, weit vom Ort des Ziels ihrer Waffen entfernt, das Kriegsgeschehen mittels ferngesteuerter Waffen kontrollieren. Doch wie soll die universelle Gefahr, die vom Feind ausgeht, in den Karikaturen zum Ausdruck kommen? Ein vor Waffen nur so strotzender Feind ist ein ambivalentes Thema, denn die Verfügung über die Massenvernichtungswaffen ist in den gegnerischen Lagern des Kalten Krieges paritätisch. Mit den Waffen ließe sich auch das eigene Potential an Aggressivität verbinden. Da es aber auch in „kalten“ Feindbildern gilt, Bedrohungsvorstellungen zu schüren, finden nun nach wie vor die traditionellen Feindbild-Archetypen ihre Verwendung.461 * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

Wie schon zuvor in der Karikatur mit dem Motiv des vom Horizont her drohenden mächtigen Gegners gearbeitet wurde, so manifestiert sich auch das antikommunistische Feindbild des Kalten Krieges in der Karikatur durch die Perspektive. Die CDU benutzt in ihrem Plakat zur Bundestagswahl 1949 eben diesen Archetypus der Feinddarstellung (Abb. 87). Die Schlitzaugen- Typisierung der Gesichtszüge des hinter dem Globus hervorlugenden Gegners, der bereits „Hand anlegt“ (an Osteuropa) und begehrlich auf das westliche Europa blickt, unterscheidet sich nicht wesentlich von den „Untermenschen- Typisierungen“ der einschlägigen NS-Propaganda. Das „Antlitz“ des Bolschewismus ist in einer Karikatur von 1950 in entsprechender Manier und in

461 Vgl.: Brassel-Moser 1989, S. 85.

153 gleicher Perspektive zu sehen, noch dazu als Skelett (Abb. 88). In einem weiteren Bundestagswahlplakat der CDU (diesmal von 1953) droht wieder das riesige Böse am Horizont, wobei in diesem Fall der sowjetische Stern durch Hammer und Sichel ersetzt ist (Abb. 89). Der Feind braucht gar nicht mehr nach der Welt zu greifen. Dadurch, daß lediglich die obere Hälfte seines Kopfes über den Horizont lugt, ist er in kaum noch zu steigernder Monumentalität dargestellt. Die Funktion der „japanischen“ Sonnenstrahlen aus den früheren Karikaturen übernehmen hier die roten und schwarzen Fluchtlinien oder besser: -bahnen, die den Betrachter direkt in den Bann des Gegners ziehen. Ein unmittelbares Vorbild für diese Konstruktion stellt ein anti-deutsches, von GLENN GROHE 1942 entworfenes, Plakat der amerikanischen Regierung dar (Abb. 90). Die Bildfindung der Christdemokraten wird wiederum 1972 von der extremen Rechten in einem NPD-Plakat übernommen (Abb. 91), womit bestätigt ist, daß die Bildtraditionen und die mit ihnen transportierten Aussagen gesinnungsunabhängig sind. Mit Hilfe der Perspektive wird ein Gefühl der unmittelbaren Bedrohung beim Betrachter ausgelöst. Vor seinen Augen wird das Szenarium einer drohenden Zukunft entworfen, wenn er nichts unternimmt. Der Verantwortliche für das kommende Unheil ist explizit benannt: der Kommunismus. Solche Karikaturen vermitteln Unsicherheit über künftige Entwicklungen und bieten gleichzeitig einen Adressaten für diffuse Ängste. Der Tatsache, daß der politische Gegner nicht eine konkret zu benennende Person, sondern das andere System ist, wird in den Karikaturen durch die Perspektive Rechnung getragen, die eine Anonymität der Bedrohungsvorstellung erlaubt bei gleichzeitiger Dramatik der Bildaussage. Auch in zeitgenössischen Karikaturen erfreut sich dieser Archetypus großer Popularität. In vergleichbarer Perspektive-Tradition stellt HANEL in einer Karikatur aus dem Jahre 1989 Gaddaffi dar (Abb. 92). Statt der Strahlen strömen hier Totenköpfe von dem Feind aus. KLAUS BÖHLE benutzt ebenfalls diese Formel im März 1991 für Saddam (Abb. 93), wie schon zwei Jahre zuvor in abgewandelter Form für Khomeini (Abb. 94). Hier spielen auch abermals die Hände eine Rolle, die diesmal nicht nach der Welt greifen, sondern Blitze schleudern. Bei diesen Karikaturen erleben wir wieder eine Personalisierung der Gefahr. Einzelne Politiker sind die Akteure. Obwohl es auch hier um einen Systemgegensatz geht, nämlich westlicher Rationalismus contra orientalischer Despotismus, „Zivilisation“ versus „Fundamentalismus“, wird die Feindschaft an einzelnen Personen festgemacht. Der Nord-Süd-Konflikt ist auf der personalen Ebene angesiedelt, während der Ost-West-Konflikt auf der (sublimeren) Systemebene stattfand.

154 3.5 Der Feind als Plutokrat: Kapital in der Karikatur

FUCHS, dem d´ESTER eine „jüdische und linksradikale Einstellung“ nachsagte462, untersucht 1921 die Darstellungsformen, in denen Juden in der Karikatur diffamiert werden.463 Er verfolgt ikonographisch seit dem Mittelalter bestimmte satirische Motive, mit denen Juden karikiert werden sollen und zeigt, daß mit Ende des 19. Jahrhunderts Motive aus dem religiösen Bereich von anderen Motiven - hauptsächlich aus der Berufs- und Finanzwelt - abgelöst werden. Besonders ausgeprägt erfährt „der“ Kapitalist eine Verschmelzung mit dem Typus „des“ Juden im Nationalsozialismus. Auf einem Plakat der NSDAP zur Reichstagswahl von 1932 (Abb. 95) sehen wir einen „Kapitalisten“ mit „jüdischer“ Physiognomie Hand in Hand mit dem Typus „Sozialdemokrat“. Kennzeichen seines „raffgierigen“ Charakters sind zum einen die üppige Leibesfülle, die für Völlerei und rücksichtslose Bereicherung steht. In erster Linie aber wird sein Geld selbst dargestellt - hier in Form eines Geldsacks. Die Funktion dieser Karikaturen ist, Vorurteile über Juden zu kolportieren. „Der“ Jude wird als Plutokrat gezeigt, d.h. er drängt zur Kontrolle des Weltkapitals und ist Ursache für Ungleichheit und Ausbeutung. In Zeiten wirtschaftlicher Instabilität dienen solche Karikaturen als Überdruckventil. Im Dritten Reich sind sie daran beteiligt, den Nährboden für Pogrome zu schaffen. Dieser Aufgabe entspricht die Karikatur des NS-Regimes schließlich vollkommen. Ein Plakat aus der Frühzeit der NSDAP von 1924 benutzt ebenfalls die Formel vom dickbäuchigen Kapitalisten, der „die Fäden in der Hand hält“, indem die ihm untergebenen Arbeiter wie Marionetten an seinen Ärmeln hängen (Abb. 96). Statt Geldstücke oder -scheine dient die Skyline aus Fabrikschornsteinen als Symbol für seinen Reichtum: Er ist der Besitzer der Produktionsverhältnisse. Dieser Bildkomposition dient (ungeachtet der Provenienz) eine Karikatur des sowjetischen Karikaturisten DENI von 1919 unmittelbar als Vorbild (Abb. 97). Der fette Kapitalist, der laut Untertitel das Kapital schlechthin verkörpert, ist ebenfalls vor dem Hintergrund der Fabrikschornsteine plaziert, angereichert mit einem Spinnennetz (das in der nationalsozialistischen Karikatur durch die Fäden ersetzt wird). Hier ist sein Kapital in Form eines Berges von Geldstücken mit ins Bild genommen. Im Unterschied zu dem Nachfolgebild ist der Plutokrat nicht als Jude gekennzeichnet. In der späteren Karikatur trägt er den Davidsstern an der Uhrenkette.

462 Vgl.: d´Ester 1941, Sp. 2228. 463 Vgl. Fuchs, Eduard: Juden in der Karikatur. München 1921.

155 Der faschistischen, anti-jüdischen Propaganda liefern kommunistische Karikaturen die Motive. In ihnen ist der Kapitalist als Typus „kultiviert“ worden. Ein Farbdruck aus der Zeitschrift Der Knüppel von 1924 vereint in der bekannten Manier die Verantwortlichen an der Reparationsfrage, nämlich die Repräsentanten des Kapitals, der Regierung und des Militärs: Die feisten Plutokraten waten in einem Berg von internationalen Geldstücken (Abb. 98). Wie sie dieses Kapital anhäufen konnten, ist ebenfalls im Bild impliziert: „Arbeiterblut kittet gut!“ heißt die Unterschrift. Die gezückten Waffen der flankierenden Gestalten verdeutlichen, wer die Schuld an dem im Hintergrund angedeuteten Blutvergießen trägt.

EXKURS 5: Feindbildkarikaturen im Kommunismus Kapitalismuskritik ist das beherrschende Thema der kommunistischen Karikatur. Das Gros der kommunistischen Karikatur ist darauf ausgerichtet, den Kampf gegen das andere, kapitalistische System zu führen. Ihre Aufgabe ist es, den Haß gegen den Klassenfeind zu schüren. Gemäß dem historischen Materialismus, der von der geschichtlichen Gesetzmäßigkeit einer bestimmten Abfolge gesellschaftlicher Systeme ausgeht (Urgesellschaft - Sklavenhalter- gesellschaft - Feudalismus - Kapitalismus mit der Endphase des Imperialismus - Sozialismus als Vorstufe zum Endpunkt Kommunismus) wird der Kapitalismus, der außerhalb der kommunistischen Welt (noch) existiert, als letzte Verzögerung der zwangsläufigen Entwicklung gesehen. Diese Verzögerung tritt nur deshalb ein, weil reaktionäre Kräfte, das Großkapital, diesen Fortschritt verhindern wollen. Entsprechend sind diese „Interessengruppen“ die Feinde des Kommu- nismus. Die Funktion der Karikatur in kommunistischen Regimen ist vor diesem gesellschaftstheoretischen Hintergrund zu betrachten. Die Karikatur wird, wie alle Erzeugnisse der Kunst, für den Klassenkampf, für den endgültigen Sieg des Kommunismus, instrumentalisiert.464 In der UdSSR beschäftigen sich mehr als die satirische Zeitschrift Krokodil, deren Karikaturen eher innenpolitischen Problemen gewidmet sind, die

464 „Sie ist eines der Mittel zur ´Entlarvung´ all jener Kräfte und Gestalten, die sich diesem weltgeschichtlichen Entwicklungsprozeß in den Weg stellen, sei es in der eigenen Gesellschaft oder im nichtsozialistischen Ausland.“ Beckmann, Oda: Freund und Feind im Spiegel der sowjetischen Karikatur. Bonn 1977 (im folgenden: Beckmann 1977), S. 8.

156 führenden Tageszeitungen Prawda und Iswestija mit der Gestaltung des außenpolitischen Feindbildes. Während die innergesellschaftlichen Unzuläng- lichkeiten der Sowjetrepublik als Ausnahmefälle bzw. als mahnende Negativbeispiele dargestellt werden, gelten in den Karikaturen abfällig zu bewertende Phänomene der westlichen Welt als charakteristisch für das kapitalistische System. Es handelt sich um einen prinzipiellen Unterschied in der Kritik an eigenen Mißständen und an denen des gegnerischen Systems. Die den eigenen Staat betreffenden kritisierten Negativa werden als korrigierbare Erscheinungen dargestellt, unterliegen also einer dynamisch-perspektivischen Sicht, während die Fehler der westlichen Welt aus einem statischen Blickpunkt heraus als systemimmanent und damit unabänderlich erscheinen. Wie in der Sowjetunion, so üben auch in der DDR die Karikaturen allenfalls Kritik an einzelnen Bereichen des Systems, nicht aber am System selbst. In den nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründeten Tageszeitungen und satirischen Zeitschriften wird von den Zeichnern eine klare anti-imperialistische und klassenkämpferische Linie vertreten in Form einer engagierten Kritik am bürgerlichen und kapitalistischem System. ODA BECKMANN vergleicht die sowjetischen Karikaturen vor allem der 50er und 60er Jahre in ihrer Darstellungsweise und Drastik mit denen des Dritten Reiches.465

1969 fordert der marxistische Karikaturist ALFRED BEIER-RED, dessen Arbeitsweise als exemplarisch für das karikaturistische Schaffen der Pressezeichner in der jungen DDR betrachtet werden kann, man dürfe der Karikatur nicht die Aufgabe der Informationsvermittlung aufbürden, sondern sie könne nur bereits Bekanntes durch Pointierung im Bewußtsein des Betrachters vertiefen.466 Die kommunistische Karikatur bedient sich dazu bestimmter Kampfbilder und betreibt Typisierungen. Die Typisierung ist ein Darstellungs- mittel, das sich hervorragend in die Ästhetik des realistischen Sozialismus einbindet. Hintergrund der Kunstauffassung des sozialistischen Realismus ist die Vorstellung einer objektiven Wahrheit, die es im Kunstwerk widerzuspiegeln gilt, wobei keine photographische Wiedergabe gemeint ist, denn nach der „Widerspiegelungstheorie“ der marxistischen Erkenntnislehre ist die sensuelle Wahrnehmung und die emotionale Reaktion darauf nur die erste Ebene der

465 Vgl.: Beckmann 1977, S. 159. 466 Vgl.: Haese, Klaus: Kunsthistorische Studien zur Geschichte der politischen Karikatur in der DDR. (Diss.) Greifswald 1979 (im folgenden: Haese 1979), S. 161.

157 Erkenntnis.467 Ihr muß die intellektuelle Reflexion dessen, was das Eigentliche des dargestellten Phänomens ist, folgen. Nach der sinnlichen Wahrnehmung bzw. der Empfindung kommt der Gedanke, der zwischen dem abgebildeten Phänomen und seinem Wesen differenziert und die rationale Erkenntnis des Allgemeingültigen, Wesentlichen. Deswegen ist die kommunistische Kunst nicht Naturalismus, sondern Realismus.468 Die Wirklichkeit besteht aus charakteristischen gesellschaftlichen Verhältnissen, die „im ästhetischen Bereich durch das Typische wiedergegeben“469 werden: „Das Typische ist deshalb ästhetisch, weil es die Wahrheit ´sinnlich faßbar´ macht und weil es zum Wesen der Kunst gehört, etwas Abstraktes sinnlich zu veranschaulichen.“470 Die Forderung nach Typisierung besteht in dieser Ästhetik allgemein, nicht nur auf die Karikatur bezogen. Wertmaßstab für ein Kunstwerk ist die Wiedergabe gesellschaftlicher Verhältnisse und zwar in ihrer Typik. Als typisch wird das bezeichnet, „was dem Wesen einer gegebenen sozialgeschichtlichen Erscheinung entspricht, und nicht einfach das Weitestverbreitete, sich oft Wiederholende, Alltägliche“471. Somit kommt das antithetische Kampfbild als direkte Konfrontation der Antagonismen zur Anwendung. Antithetische Kampfbilder sind in der Kunst des realistischen Sozialismus im allgemeinen präsent und in der Karikatur im besonderen. Bei der Typisierung soll der Widerspruch zwischen Gegensätzen wie Arbeiter und Kapitalist, Kleinbürger und Arbeiter oder Scheinheiligkeit des bourgeoisen Systems und Aufrichtigkeit des kämpferischen Proletariats herausgestellt werden. (Abb. 64 und Abb. 69). Entsprechend wird der Kapitalismus in den Karikaturen zum Typus „Kapitalist“. Neben dem Kapitalisten treten als negative Typen auch seine Handlanger auf, beispielsweise der Militarist (mit Orden und Hakenkreuzen oder SS-Runen ausgestattet - auch nach dem Zweiten Weltkrieg, da die Bundeswehr als

467 Zum Wahrheits-, Realismus- und Widerspiegelungsbegriff im sozialistischen Realismus vgl.: Grünewald, Dietrich: Studien zur Literaturdidaktik als Wissenschaft literarischer Vermittlungsprozesse in Theorie und Praxis. Zur didaktischen Relevanz von Satire und Karikatur verdeutlicht am Beispiel der satirischen Zeitschrift Eulenspiegel / Roter Pfeffer 1928-33. (Diss.) Gießen 1976 (im folgenden: Grünewald 1976), S. 662-669. 468 Vgl.: Reumann 1966, S. 142. 469 Reumann 1966, S. 138. 470 Reumann 1966, S. 138. 471 Malenkow, G.M.: Rechenschaftsbericht an den XIX. Parteitag über die Tätigkeit des Zentralkomitees der KPdSU. In: Beilage zur Neuen Zeit, Berlin 1952, Nr. 42, S. 35f. Zitiert nach: Reumann 1966, S. 143.

158 Kontinuität der faschistischen Wehrmacht verstanden wird) und zuweilen der fette Junker als Relikt aus der Feudalgesellschaft.472 Gleichzeitig übernehmen Porträtkarikaturen der Repräsentanten der kapita- listischen Staaten eine entsprechende Aussage in den kommunistischen Karikaturen. Die Tendenz der Feindbildgestaltung geht allmählich dahin, den Gegner direkter zu bezeichnen, als das in Typisierungen der Fall ist. In Porträtkarikaturen wird dem Feind ein Gesicht gegeben. Der Karikaturist HEINZ BEHLING beschreibt sehr drastisch, was er von der Darstellungsweise in anti- reaktionären Karikaturen erwartet: Den verantwortlichen Politikern der westlichen Nationen gelte der Haß und er fordert seine Kollegen dazu auf, bei den Rezipienten diesen Haß noch zu fördern. Das sei umso besser möglich, „wenn wir sie als das darstellen, was sie sind, nämlich als verkommene, verrohte, heimtückische, korrupte und bei alledem lächerliche Individuen“473. Er betont die Notwendigkeit, den Feind in Form des einzelnen Politikers darzustellen, anstatt zu Typisieren, um hervorzuheben, „daß ihr schändliches Werk wie z.B. die Vorbereitung des 3. Weltkrieges Menschenwerk ist und durch Menschen zunichte gemacht werden kann.“474 Die inhaltlichen Prämissen der Karikaturen wirken sich auf ihre formale Gestaltung aus. Die Arbeiten des DDR-Karikaturisten BEIER-REDs sind szenische Darstellungen. Diese Form zieht er einer abstrakten vor, damit die gezeichnete konkrete Situation den Charakter einer Alltagsszene gewinnt, deren Personal jedoch mit Attributen von symbolischen Gehalt bestückt ist, so daß die Akteure als Symbole einer Politik oder als verantwortliche Politiker erkennbar sind, der Betrachter aber eine Szene sieht, die in seiner Vorstellungswelt angesiedelt ist. Die Nähe zum Betrachter gilt es zu suchen, weshalb „die Zuspitzung mehr in der szenischen Aktion als in der Verzerrung der Gestalten“475 erfolgt. Die Vorliebe zur szenischen Darstellung wird von der Dominanz eines bestimmten Stils in der Zeichnung begleitet. Die Zeichner, die sich als Kämpfer für die proletarische Idee hervortun, bevorzugen - im Zuge des sozialistischen Realismus - einen Stil, der sich wie folgt charakterisieren läßt: „Die Wiedergabe ist relativ exakt und detailliert. [...] Die Kontur bestimmt die Zeichnung, doch sie verselbständigt sich nicht, sondern bindet sich

472 Vgl.: Reumann 1966, S. 144. 473 Behling, Heinz: Über einige Probleme der Karikatur. (Diplomarbeit) Kunsthochschule Berlin-Weißenberg 1953. Zitiert nach: Haese 1979, S. 39. 474 Behling zitiert nach: Haese 1979, S. 39f. 475 Haese 1979, S. 12.

159 eng, umschließend an den Gegenstand. Der zeichnerische Stil der meisten Karikaturen vermittelt Eindeutigkeit und Genauigkeit. Wirklichkeit, Gegenstand und Zeichenstil scheinen konfliktlos miteinander verbunden. Der Anspruch der Satire auf ´Wahrheit´ wird durch den bestimmten, kaum extravaganten Stil unterstützt.“476 Dennoch gibt es auch ein Widerstreben einzelner Karikaturisten gegen das verordnete Pathos, gegen die doktrinäre Kunsttheorie des sozialistischen Realismus. Zu bewerten ist dies als Streben nach mehr künstlerischer Freiheit, jedoch nicht als wirkliche Emanzipationsbemühung von kommunistischen Doktrinen. Zumindest aber sind einzelne Ambitionen zu verzeichnen, orthodoxe Vorstellungen von Satire aufzuweichen. REUMANN rechnet die Karikaturisten, die diese Tendenz erkennen lassen, dem „Tauwetter-Kommunismus“ zu.477 Während die DDR-Zeitschrift Der Frische Wind „volkstümlich“ aufgemacht ist, einen seichten Witzstil praktiziert, „um möglichst unverbindlich Probleme glossieren zu können“478, zeichnet sich der Ulenspiegel durch höhere Ansprüche an die künstlerische Form der Karikaturen aus, als das im allgemeinen bei der propagandistischen Karikatur der Fall ist. Die Zeitschrift kann sich jedoch gerade wegen ihrer Intellektualität und ihres dadurch bedingten Mangels an Plakativität nur bis 1950 halten. Sie findet nicht genügend Unterstützung von der Partei. „Allzu intellektuell-witzige Einkleidung nimmt ihr die aktivierende Aggressivität.“479 Bei der Betrachtung der Grundlagen kommunistischer Karikaturen gilt es also zu berücksichtigen, daß es auch kommunistische Karikaturisten gab, die andere Vorstellungen von Karikatur hatten und Zeich- nungen ganz anderer Art schufen, als zunächst erscheinen mag.480

476 Grünewald 1976, S. 647. 477 Vgl.: Reumann 1966, S. 168. 478 Reumann 1966, S. 171. 479 Reumann 1966, S. 170. Reumann gibt die Diskussion wieder, die in der Sowjetunion und in der DDR, darum geführt wurde, was Satire leisten soll, bzw. wie harmlos oder „volkstümlich“ Karikaturen sein dürfen. 480 „Die Karikatur in der DDR - gab es sie überhaupt?“ fragt Claudia Schülke angesichts der Tabuisierung bestimmter Themen und Personen, v.a. von Mitgliedern des Politbüros (hinter dieser rhetorischen Frage steht die Annahme, in einem diktatorischen Regime mit seinen zensorischen Ambitionen könne die Karikatur als Moment der kritischen Auseinandersetzung mit der Obrigkeit nicht gedeihen. Hier entlarvt sich wiedereinmal der Topos, die Karikatur sei per se kritisch und Element der Aufklärung). Laut Gotthard Brandler, Direktor des „Satiricum“, förderte gerade die Unterdrückung eine besonders intelligente Karikatur, die sich allerdings nicht in Tageszeitungen und Zeitschriften findet, sondern in Museen. Abseits von der politischen Zentrale in Berlin, im peripheren Greiz, standen die Künstler weniger unter „Aufsicht“, hatten einen größeren Freiraum. „So entstand das künstlerisch ambitionierte Genre der Ausstellungskarikatur: eine

160 Die Karikierung des politischen Feindes ist mit dem Lächerlich-Machen des Gegners gekoppelt - entsprechend der marxistischen Theorie der Satire, in der „das überlegene (weil zukunftsträchtige) Neue über das unterlegene (weil überlebte) Alte lachend triumphiert“481. In den Karikaturen soll zum Ausdruck kommen, daß der Kommunismus als höchste Stufe des historischen Materia- lismus den Imperialismus besiegen bzw. ablösen wird. Die zu bekämpfenden Kräfte des Imperialismus ignorieren nach marxistischer Theorie noch hartnäckig ihren kommenden Untergang und sind schon wegen dieser Fehleinschätzung lächerlich und werden entsprechend dargestellt. Es ergibt sich jedoch ein Konflikt: Bei aller Ridikülisierung des Feindes darf er nicht harmlos wirken, sonst würde sich der Aufruf zum sozialistischen Kampf ja erübrigen. Das heißt, die Gefährlichkeit des Gegners darf nicht vernachlässigbar erscheinen; der Gegner muß als bedrohliche Größe bestehen bleiben. Dieser Widerspruch löst sich, wenn der Feind in seiner historischen Dimension als lächerlich dargestellt wird, seine Handlungen aber als schrecklich.482 Es geht nicht primär um das Lächerlich-Machen einer Person, sondern um Belehrung und Mobilisierung. Weit davon entfernt, Witzbild zu sein, wollen diese Karikaturen Agitation betreiben. Die Satire hat einen „aktivierenden Charakter“. Es geht nicht nur um eine Entlarvung des Gegners, sondern auch um den „Ansporn zur sozialistischen Tat“.483 Demgemäß ist ihr eigentliches Sujet auch nicht sonderlich subtil verschlüsselt oder ambivalent, sondern drastisch und eindeutig. Unbeeinflußt von internationalen Entspannungsprozessen wird in der sowjetischen Karikatur der Kalte Krieg konserviert.484 Durch kontinuierliche Diffamierung des westlichen Systems erfüllt die kommunistische Karikatur die Funktion, bei der Bevölkerung eine gewisse Haltung gegenüber der staatlichen Politik zu etablieren, um „die eindeutige Parteinahme der Bevölkerung in einem internationalen Konflikt von vorne herein zu sichern und entsprechende Handlungsbereitschaften für ein kämpferisches Engagement zu schaffen.“485 Insofern ist die Feindbildpropaganda, der die Karikaturen dienen, eine kriegerische Gefahr. Die Karikatur muß herhalten, um Feindseligkeiten und

´Bildersprache mit intellektuellem Anspruch´ nennt sie Brandler.“ Schülke, Claudia: Spott auf eigene Kosten, museal. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 241 v. 16.10.1993. 481 Reumann 1966, S. 140. 482 Vgl.: Reumann 1966, S. 157. 483 Reumann 1966, S. 157. 484 Vgl.: Beckmann 1977, S. 159. 485 Beckmann 1977, S. 161.

161 Aggression zu stimulieren.486 Die Karikatur leistet einem Freund-Feind-Schema Vorschub. Dadurch prägt sie ein auf Gegnerschaft eingestelltes Denken, aus dem Konfrontationsbereitschaft und schließlich Kriegsbereitschaft erwachsen könnten. Mit der Selbstidealisierung und der aggressiven Diffamierung eines Gegners wird eine Vorstellung von einem „gerechten Krieg“ gefördert, in dem der Klassenfeind „in Erfüllung der historischen Welterlösungsmission zum Wohle der gesamten fortschrittlichen Menschheit“ eliminiert wird.487 * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

Rufen wir uns noch einmal den Archetypus des Plutokraten in kommunistischen Karikaturen ins Gedächtnis: Das gegnerische System, eben der Kapitalismus, wird vorzugsweise in der Figur des Kapitalisten angegriffen, also in personi- fizierter Form. Zumeist ist es „der“ Amerikaner, der dollarschwer die Mittel hat, sowjetische Verbündete zu korrumpieren - so in einer Prawda-Karikatur des Karikaturisten-Trios KUKRYNSKY aus dem Jahre 1949, in der Tito mit „30 Silberlingen“, die ihn als Judas (als Verräter) entlarven, ausgezahlt wird (Abb. 99). „Der“ Amerikaner bereichert sich auch auf Kosten der eigenen Bündnispartner und ist gleichzeitig - in einer Prawda-Karikatur von BORIS EFIMOVICH EFIMOV aus dem Jahre 1956 - als Kriegsgewinnler bloßgestellt (Abb. 100). „Der“ Kapitalist oder „der“ Amerikaner ist immer Aggressor, der sowohl die eigene Bevölkerung als auch die Welt insgesamt ausbeutet. Der

486 Vgl.: Beckmann 1977, S. 162. 487 Vgl.: Beckmann 1977, S. 162. Beckmann befürchtete seinerzeit, daß die feindselige Haltung, die propagiert werde, in einer tatsächlichen kriegerischen Auseinandersetzung münden könnte. Zur Zeit des Kalten Krieges war der Entwurf eines solchen Szenarios noch denkbar. Heute ist die Vorstellung eines Bedrohungspotentials durch Karikaturen der ehemals kommunistischen Staaten absurd. Barbara Kerneck betont ihre Harmlosigkeit: „Heute, da alles ausgesprochen werden darf und die Papierpreise in den Himmel steigen, sind die Auflagen der überregionalen Zeitungen auf ein Siebtel bis ein Zehntel ihrer früheren Höhe gefallen. Die Redaktionen knausern, und die brillianten Karikaturisten von einst beliefern lieber die wie Pilze aus dem Boden schießenden Kunstgalerien für die neue Finanzelite. Dazu gehören manche von ihnen schon selbst, weil sie profitable Absatzmöglichkeiten im Ausland finden. So ist die russische Zeitungskarikatur in die Kindheit zurückgefallen und appelliert dementsprechend meist an kindliche Gemüter.“ Kerneck, Barbara. In: die tageszeitung v. 12.9.1993. Zur postkommunistischen Karikatur vgl.: Roth, Paul: Die Karikatur in Rußland in spätsowjetischer und nachsowjetischer Zeit (1985-1995). Sonderveröffentlichung des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien. Köln 1996.

162 Monoideismus der rücksichtslosen Bereicherung wird in den Karikaturen zum Charakteristikum des Westens. Eine Karikatur aus der Iswestija von 1982 ist ein jüngeres Beispiel für die Kritik am Kapital. Hier ist wieder „der“ Amerikaner der Akteur, der diesmal nicht selbst fett ist, dafür aber sein Geldsack. Der Sack bildet mit den Raketenfüßen ein Reittier für den Cowboy, der den Amerikaner symbolisiert. In rasantem Galopp wird das Geld von dem waffenschwingendem Reiter seiner Bestimmung zugeführt, dem Ziel, die Aufrüstung zu finanzieren (Abb. 101). Kommunistische Karikaturen haben jedoch nicht das Monopol auf das Motiv des geld- und damit machtgierigen Gegners. Auch in innerdeutschen Gegnerschaften wird das Thema von „linker“ Seite verwandt. Ein Juso-Plakat von 1972 modifiziert den klassischen Kapitalisten, indem es den Kopf des Arbeitgeber-Stellvertreters oder einfach des Bonzen schlechthin aus Geld- bündeln und Aktien zusammensetzt und somit seine wahre Substanz visualisiert (Abb. 102). Diese Bildfindung erinnert an die Allegorien GIUSEPPE ARCIMBOLDOs (1527-1593). Bilder, deren Motiv sich aus der Kombination kleinerer Gegenstände ergibt, lassen sich in das Verfahren der „Superzeichen“ einreihen. Dieser Begriff meint ein Zusammensetzen der Darstellung aus Einzelzeichen, die mit inhaltlicher Bedeutung besetzt sind und nach bestimmten formal-ästhetischen Prinzipien arrangiert werden.488 Die so angeordneten Teile werden zunächst nicht als solche vom Betrachter wahrgenommen, d.h. er schaut nicht eine Addition von einzelnen Elementen, sondern er setzt sie zu einem Ganzen zusammen. Dieses Ganze, das Bild an sich, ist das Superzeichen. Statt der üblichen Verzerrung und Reduktion ist hier also als karikaturistisches Mittel das Superzeichen verwandt worden, das eine „visuell vermittelte literarische Aussage“489 impliziert. „Die Einzelzeichen zerstören den äußeren Schein, legen offen, was Charakter, Verhalten, Intentionen des Gemeinten bestimmt. Die formale Kombination wird zur inhaltlichen.“490 Trotz dieser originellen Variante des Themas bleibt ein Merkmal des in der Karikatur tradierten Plutokraten bestehen: In der Personifzierung des Kapitals bzw. kapitalistischer Interessen wird die attackierte Ideologie auf einzelne Begünstigte bzw. Manipulatoren reduziert.

488 Vgl.: Grünewald 1979, S. 83. 489 Grünewald 1979, S. 13. 490 Grünewald 1979, S. 88.

163 Die Plutokraten-Formel kommunistischer oder linker Provenienz wird auch im Kapitalismus eingesetzt, dann, wenn es darum geht, seine ureigensten Ressourcen zu bewahren. Während der Ölkrisen der 70er Jahre, als sich die Abhängigkeit der westlichen Industrienationen von dem Rohstoff Erdöl zum ersten Mal dramatisch offenbarte, wird „der“ Araber als Plutokrat markiert - so von dem amerikanischen Karikaturisten DONALD WRIGHT (Abb. 103). Als sich der Kuwait-Konflikt zuspitzt, und der Westen wieder in Konfrontation zu einem erdölfördernden Land gerät, wird in einer Illustration zu einem Spiegel-Artikel vom September 1990 Saddam das Dollarzeichen angehängt (Abb. 104). Von der Verunglimpfung des politischen Kontrahenten als „geldgeil“ bis zum klassischen Plutokraten-Archetyp ist es nicht weit. In Karikaturen, die seit der Iranischen Revolution veröffentlicht werden, bis zu denen, die zum Zweiten Golfkrieg entstehen, finden sich auch islamische Staatsführer auf dicken Geldsäcken wieder - so in einer Karikatur von PETER LEGER (1924-1991), die im Januar 1981 erscheint (Abb. 105). Zigarre und Zylinder sind von Bart und Turban abgelöst worden, doch die fette Beute seiner Raffgier wird mit den gleichen Mitteln dargestellt wie schon früher in Zerrbildern des Kapitalisten. Wenn auch in modifizierten Formen: Die Tradition des Archetypus zeigt Kontinuität.

3.6 Der Feind als Tod: (Un)Sterblichkeit in der Karikatur Ein permanent auftretender Archetypus in Feindbildkarikaturen ist der Feind in der Gestalt des Todes. Dieses Motiv ist in gewisser Weise ein antithetisches Kampfbild. Das antithetische Kampfbild besteht aus der Gegenüberstellung von dem negativ gezeichneten Gegner und dem positiv gezeichneten Selbst. Der Feind als Tod ist ein antithetisches Kampfbild und zwar in Abwesenheit der „Pluspartei“. Der Tod als Repräsentant der vollkommenen Vernichtung, als Gegensatz zum Leben, ist total. Eine Steigerung, einen noch größeren Gegenpart zum Selbstverständnis, kann es nicht geben. Es bedarf gar keiner Darstellung der eigenen Partei in der gleichen Zeichnung mehr. Wenn der Feind der Tod ist, dann steht nicht mehr in Frage, daß er bekämpft werden muß. Wenn die eigene Partei den Kampf gegen den Tod antritt, dann ist sie auf der Seite des Lebens. Die Antagonismen Tod und Leben sind also verklammert, ohne daß die eine Seite im Bild erscheint.

164 Der Tod als Archetypus ist deshalb in einer solchen Frequenz in Feindbildkarikaturen zu finden, weil er zur Vermittlung eines Bedrohungs- gefühls bestens geeignet ist. Die dem Menschen eigene Angst vor dem Tod wird ausgenutzt, um Furcht und Entsetzen dem Feind gegenüber zu produzieren.491 Da der Feind die Inkarnation des Todes ist, ist der Kampf gegen ihn eine Schlacht um Leben und Tod. Damit legitimiert sich eine Mobilisierung gegen einen solchen Feind, wobei unterschlagen wird, daß ja auch die eigenen Waffen den Tod bringen. Dem Feldzug gegen den Tod in Person haftet etwas von der Vorstellung an, mit dem politischen Gegner auch den Tod selbst zu überwinden, wohl der Traum des Menschen schlechthin. „In jedem von uns ruht, eng mit unserem Lebenswillen verflochten, ein Drang nach Unsterblichkeit. Er besteht nicht so sehr darin, daß wir glaubten, wir seien unsterblich, als darin, daß wir es verlangen: unabhängig davon, ob unser Verstand diese Feststellung akzeptiert oder von ihr irritiert ist. Und weil diesem fast instinktiven Drang nach Un- sterblichkeit die mühsam unterdrückte Furcht gegenübersteht, der Tod könne wirklich sämtliche Spuren unserer Existenz auslöschen, sind wir bereit, zum Äußersten zu gehen, um unsere Selbstzweifel zu besänftigen und uns unserer selbst zu vergewissern. Indem wir uns der Prüfung des Krieges unterwerfen, in der wir willens sind, entweder zu sterben oder den Feind zu töten, der der Tod ist, bekräftigen wir rituell unsere eigene Unbesiegbarkeit durch den Tod.“492 Das Motiv des personifizierten Todes ist der christlichen Ikonographie verhaftet. Das Skelett als Synonymisierung des Todes und als Stellvertreter für den politischen Gegner erfreut sich schon seit den Anfängen der außenpolitischen Karikatur großer Beliebtheit. Das Blatt von FRITZ STEUB (1844-1903) von 1870 (Abb. 106) zeigt Napoleon selbst als Skelett, erkennbar an dem Dreispitz und an dem Titel, der eine direkte Ansprache an ihn ist: „An Napoleon - L´empire c´est la paix“. Die Kombination von Skelett und Dreispitz, Säbel, Stiefel und Mantel ist eine Montage einzelner Elemente, die erst die Aussage Napoleon = Tod ergibt. Der Betrachter sieht in der graphischen Darstellung Einzelzeichen, die entgegen der gewohnten Wahrnehmung in neuen, irrealen Zusammenhängen präsentiert werden. Die Ausstattung des Skeletts mit bestimmten Accessoires weckt die Assoziation - hier: Napoleon als todbringender Staatsmann und Feldherr. In einer französischen Karikatur von FAUSTIN (FAUSTIN BETBEDER) aus dem gleichen Jahr wird auch Wilhelm I. als Skelett dargestellt, sozusagen nach getaner Arbeit mit blutiger Sichel (Abb. 107). Wieder ist es die

491 Vgl.: AGFP 1983, S. 13. 492 Keen 1986/1987, S. 135f (Hervorhebungen im Original).

165 Kopfbedeckung (in Verbund mit dem Schnurrbart), die ihn identifizierbar macht. Die von Blut triefende Sichel ist ein Element, das zur Skelettgestalt des Gegners sehr häufig hinzukommt, unterstreicht es doch die Identität des Feindes als Tod durch das Synonym des Sensenmannes. Die gleiche Funktion behält dieses Attribut auch in zeitgenössischen Karikaturen. In BAS MITROPOULOS´ Dar- stellung des iranischen Revolutionsführers von 1985 (Abb. 108) reicht die Sichel aus, um ihn als todbringend zu charakterisieren. Eine Skelettierung ist überflüssig. In Karikaturen, die zur Zeit des Zweiten Golfkriegs entstanden, ist Saddam häufig als Sensenmann zu sehen - so in HANELs Karikatur vom August 1990, in der Saddam die Ernte in Form von Totenköpfen mit sich trägt (Abb. 109). Das Antlitz des Todes ist ihm wieder in einer Karikatur BERND BRUNS´ vom Januar 1991 eigen (Abb. 110). Das todbringende Handeln des auf dem Globus thronenden Saddams ist im Bild durch das auslaufende und die Erde überdeckende Öl angezeigt. Eine ähnliche Bildfindung (ohne Sense) liegt in einer am selben Tag veröffentlichten Karikatur von HAITZINGER vor (Abb. 111). Auch hier blickt der auf einer angedeuteten Erdkugel sitzende Saddam über seine Schulter und zeigt sein wahres Gesicht, nämlich das des Todes. Diesmal spritzt das Öl aus seinem Totenschädel und ergießt sich auf diese Art über die Erde. Als durch die Ölverseuchung gestorbenes Tier ist die Friedenstaube zu sehen. Damit ist der Frieden selbst getötet. In der Karikatur „Schnitter Tod“ von 1933 ist die Sichel zum Hakenkreuz umgeformt (Abb. 112). Hier tritt noch ein anderes Moment der Darstellung hinzu, nämlich das der Entlarvung: Das Skelett trägt eine Maske mit den Gesichtszügen Hitlers. Die äußere Erscheinung ist nur eine Attrappe, welche die wahre Gestalt des Feindes zu kaschieren sucht, in der Karikatur aber aufgedeckt wird. Ein italienisches Plakat von 1944 reißt der Freiheitsstatue als Symbol amerikanischer Werte und Identifikation die Maske ab, und wieder enthüllt sich das wahre Wesen des Feindes als tödliche Macht (Abb. 113). MUSSIL verwendet mit gleicher Intention ein weiteres Bild: In einer Karikatur von 1981 zeigt er einen Vertreter der iranischen Revolutionspartei, dessen Antlitz sich im Spiegel als Totenkopf offenbart (Abb. 114). Eine andere Form, die tatsächliche Identität Miloševics zu enttarnen, wählt BÖHLE in einer Karikatur vom Oktober 1993 (Abb. 115). Der serbische Präsident, der hier mit der Geige zum Tanz aufspielt, wirft einen Schatten an die Wand, der die Gestalt eines Skeletts hat. Die Sonne bringt es also an den Tag: Es handelt sich um einen Totentanz.

166 Eine weitere Verkörperung des Todes besteht darin, ihn in Form eines bombenabwerfenden Kriegsflugzeugs auftreten zu lassen. 1940 benutzen die Deutschen dieses Motiv, um die Bevölkerung zur Verdunklung aufzurufen (Abb. 116). Im gleichen Jahr gebraucht auch die Gegenseite diese Darstellungsform, nämlich der Amerikaner DANIEL ROBERT FITZPATRICK (1891-1969) in seiner Zeichnung „Wings over Europe“ (Abb. 117). Ebenfalls in den von den Deutschen besetzten Niederlanden wird eine Karikatur veröffentlicht, in der Totenkopf-Bomber den Feind symbolisieren (Abb. 118). Das Motiv findet weiterhin im Kalten Krieg Verwendung - so in der Iswestija-Karikatur „Der ominöse Schatten der NATO über Zypern“ von 1964 (Abb. 119). Noch 1984 setzt der österreichische Karikaturist ROMULUS CANDEA diese Formel zur Darstellung des „Heiligen Kriegs“ ein - zwar ohne Totenköpfe, doch in gleicher Tradition (Abb. 120). Statt der Sense bedient sich der Tod eines anderen Handwerkzeugs: des Bombers. So oder so ist er durch das jeweilige Instrument bei der Arbeit dargestellt. In die Reihe „Feind-als-Tod“ gehören natürlich sämtliche Karikaturen, in denen dem Gegner Totenköpfe oder Skelette als Attribut zugeordnet werden. Ich will nur einige Bilder vorführen, in denen die Vernichtung von Menschenleben, die der Feind zu verantworten hat, in ihrer Quantität erfaßt wird. Hier ist die tödliche Macht potenziert, hier betreibt der Feind Völkermord und Massen- vernichtung.

Eine Zeichnung von BÖHLE aus dem Jahre 1989 (Abb. 121) zeigt Khomeini, dessen Turban zu einer Anhäufung von Totenschädeln modifiziert ist. Um sowohl die moralische Verwerflichkeit des Feindes als auch die Gefahr, die von ihm ausgeht, vor Augen zu führen, gibt es in der Karikatur die Tradition ganzer Berge von Totenköpfen. Schon Napoleon ist in einer Karikatur ROWLANDSONs von 1815 so dargestellt (Abb. 122). Auch Bismarck wird entsprechend abgebildet (Abb. 123). Wir sehen Idi Amin in einer Karikatur HAITZINGERs von 1979 (Abb. 124) und Saddam in einer Zeichnung CANDEAs vom April 1991 (Abb. 125) in ganz ähnlicher Weise. Und BÖHLE führt uns in dieser Manier im November 1994 Karadzic vor Augen (Abb. 126). Schließlich vereint HAITZINGER in einem Blatt vom Juli 1996 Karadzic und Mladic in bewährter Zeichensprache (Abb. 127). Immer thronen die Karikierten auf einem Berg von Totenköpfen als Zeichen ihrer vor keinem Greuel zurückschreckenden Politik. Eine Variante ist eine Karikatur von PEPSCH, die einen Tag nach der HAITZINGERs erscheint: Hier ist der Berg in einer Waagschale aufgetürmt, als Gegengewicht zu Karadzic und Mladic (Abb. 128). In den beiden letztgenannten

167 Darstellungen wird auch die Rolle der UNO thematisiert. Im ersten Fall ist die Masse der Totenschädel unter den Teppich gekehrt worden, im zweiten reicht vor dem UNO-Tribunal selbst diese Menge der Toten nicht aus, um in einer Anklage genügendes „Gewicht“ zu erlangen. Zu der Assoziation des Feindes mit Tod zählt auch die Visualisierung einer Komplizenschaft zwischen den beiden. Bereits in napoleonischer Zeit ist der politische Gegner in den Karikaturen mit dem Tod im Bunde - so in einem Blatt von ROWLANDSON aus dem Jahre 1815 (Abb. 129). Und auch zeitgenössische Karikaturisten stellen den Feind in Konspiration mit dem Tod dar. So sehen wir beispielsweise 1979 Khomeini in einer Zeichnung des amerikanischen Karikaturisten in der Chicago Sun-Times im Gespräch mit dem Sensenmann (Abb. 130), und in einer Karikatur KARL HEINZ SCHOENFELDs vom Februar 1991 ist der Tod das Sprachrohr Saddams (Abb. 131). Der Verschwörung zwischen Feind und Tod steht eine andere Möglichkeit der Darstellung des Vernichtungspotentials des Feindes gegenüber: Wenn der Feind selbst zum Reiter der Apokalypse wird, dann ist seine tödliche Macht total, die ganze Welt betreffend und entsprechend nicht mehr steigerungsfähig.

3.7 Der Feind als apokalyptischer Reiter: Endzeitliches in der Karikatur Auch das Bild des apokalyptischen Reiters ist der jüdisch-christlichen Vorstellungswelt entliehen. In den Karikaturen ist die endzeitliche Vision der Apokalypse für einen politischen Gegner der richtige Rahmen, um die Gefahr, die von dem Feind ausgeht, als drohenden Untergang in Szene zu setzten. In apokalyptisch aufbereiteten Feindbildern ist der Feind Vertreter des Chaos und der Auflösung. Im Vergleich dazu ist man selbst die Kraft der Ordnung und des Heils, die gegen das Verderben den Kampf antritt.493 Eine im Zuge der Reparationsforderungen des Ersten Weltkriegs entstandene Karikatur ARPÁD SCHMIDHAMMERs (1857-1921) von 1919 stellt den „Entente-Frieden“ in Form der apokalyptischen Reiter dar (Abb. 132). Doch es bedarf gar nicht erst der Dürerschen Vierzahl der Reiter (Abb. 133). In einer Radierung des Franzosen ALMÉRY LOBEL-RICHE (1880-1950) aus dem Ersten Weltkrieg trägt der Reiter der Apokalypse einen Helm, auf dem der deutsche Adler thront, womit er als

493 Vgl.: Münkler 1994, S. 32f.

168 Deutscher ausgewiesen wird (Abb. 134). Die Apokalypse, das ist der Krieg (den der Feind führt!). Im antifaschistischen Widerstand ist entsprechend Hitler der Reiter der Johannes-Vision. Eine Arbeit HEARTFIELDs von 1933, die ihn in ein Bild von FRANZ v. STUCK hinein montiert (Abb. 135), zeigt ihn ebenso in dieser Tradition wie ein sowjetisches Flugblatt von 1942 (Abb. 136). In einer Karikatur OLIPHANTs von 1984 sehen wir Khomeini als den fünften Reiter (Abb. 137). Während in den Karikaturen des Ersten Weltkriegs und des Widerstandes gegen Hitler das Bild der Apokalypse auch von einer gewissen Ohnmacht zeugt, weil der Feind derart unmenschlich und mächtig zugleich ist, daß, wenn er siegt, nur noch das Ende der Zivilisation zu erwarten ist, dient es in dem jüngeren Beispiel dazu, dem Feind etwas Dämonisches zu geben. Die Bildformel der Apokalypse wird hier zur bloßen moralischen Diffamierung eingesetzt. Der Verwendung des Apokalypse-Motivs sind entsprechend unterschiedliche Qualitäten zuzuordnen: In der ersten Konstellation ist sie „der verzweifelte Versuch hoffnungslos Unterlegener, sich nicht gänzlich aufzugeben und durch die unheils- geschichtliche Denunziation des Sieges dessen Übermacht als dem Untergang geweiht zu stigmatisieren“494. In der Karikatur aber, die Khomeini darstellt, handelt es sich nicht um eine Formulierung des Fatalismus, sondern um eine Schmähung der Politik des islamischen Revolutionsführers. Indem die Charakterisierung so weit geht, den Feind als denjenigen, der den Untergang mit sich bringt, zu bezichtigen, ist man ethisch dazu verpflichtet, gegen dieses Übel anzugehen. Diese Darstellung ist nicht Ausdruck der Ergebung in ein Schicksal, sondern - im Gegenteil - eine Handlungsdirektive. Das Brisante dabei ist, daß das, was dem Islam gemeinhin vorgeworfen wird (ob zu Recht, sei dahingestellt), nämlich irrational und unaufgeklärt zu sein, genausogut für die Karikatur, die ihn kritisiert, gilt, denn sie fußt selbst nicht auf rationalen Erwägungen, sondern greift ihrerseits irrationale Elemente auf, weil sie dämonisiert. Weltuntergangsvisionen haben nichts mit einer Analyse der politischen Verhältnisse gemein, sie können mit einem aufklärerischen Anspruch nicht in Einklang gebracht werden. Diejenigen, die das Thema „Apokalypse“ verwenden, „stehen in einer ´eher phantastischen als kausalen Beziehung zur Wirklichkeit´“495.

494 Münkler 1994, S. 33. 495 Marks 1983, S. 132f.

169 3.8 Der Feind als Spieler: Risiko in der Karikatur Immer wieder taucht in Karikaturen das Spiel als Allegorie politischer Konstellationen auf. Besonders seit Ende des Kalten Krieges erfreut sich dieses Motiv auffallend großer Beliebtheit, wenn in Karikaturen Konflikte, welche die Weltpolitik bestimmen, dargestellt werden. Der Umstand, daß in jüngster Zeit ein Archetyp eine derartige Renaissance erlebt, ist Anlaß, die Bedeutung des Spiels in der Karikatur ausführlicher zu betrachten. Das Spiel-Motiv impliziert die Antipode Fortuna und Providentia.496 Spiele, die keine Geschicklichkeit und kein taktisches Vermögen des Spielers voraussetzen, sondern nur mit dem Faktor Glück arbeiten, sind der Fortuna zugehörig. Das Glücksspiel ist eine Auslieferung an den Zufall. Seine Darstellung ist Ausdruck der Unterwerfung unter den Zwang der Verhältnisse. Das Schicksal „spielt“ hier die entscheidende Rolle. Doch das Glücksspiel steht immer auch in der Nähe des Falschspielens.497 Solche Spiele aber, die Überlegung, Planung und Kontemplation erfordern, sind auf Seiten der Providentia angesiedelt.498 Als Spieler welchen Spiels der Feind in den Karikaturen zu sehen ist, gibt bereits Auskunft, ob sein Tun als Produkt des Zufalls und der Willkür interpretiert wird oder ob seine Politik als durchdacht und raffiniert aufgefaßt wird. Neben den Glücks- und Verstandesspielen gibt es auch noch solche, die eine Zwitterstellung einnehmen. Kartenspiele gehören dazu.499 Der Ausgang einer Partie ist von der Geschicklichkeit und Versiertheit der Spieler, aber auch von der Zufälligkeit der Blattverteilung abhängig. Dem Kartenspiel haftet zudem immer etwas von Mogeln an.500 Die Möglichkeit, daß der Spieler versucht, zu betrügen, ist impliziert. Wegen dieser moralischen Fragwürdigkeit wird in englischen Sittenbildern des 18. Jahrhunderts immer wieder das Kartenspiel als Symbol einer verlotterten Gesellschaft herangezogen. Beispielsweise reichert GILLRAY seine Über-

496 Vgl.: Holländer, Hans: Mit Glück und Verstand. In: Mit Glück und Verstand. Zur Kunst- und Kulturgeschichte der Brett- und Kartenspiele. 15. bis 17. Jahrhundert. Museum Schloß Rheydt v. 29.7.-25.9.1994. Hrsg. v. Christiane Zangs / Hans Holländer. Aachen 1994, S. 9-16 (im folgenden: Holländer 1994); hier: S. 9. 497 Vgl.: Holländer, Hans: Die Kugel der Fortuna. In: Providentia-Fatum-Fortuna. Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung. Zeitschrift des Mediävistenver- bandes, Band 1, 1996, H. 1, S. 149-167 (im folgenden: Holländer 1996); hier S. 151. 498 Vgl. Holländer 1996, S. 150. 499 Vgl.: Holländer 1994, S. 10. 500 Vgl.: Holländer 1994, S. 11.

170 zeichnungen der Gesellschaft mit dem Laster Spiel an und formuliert so seine Anklage gegen unmoralische Zustände. Auch DAUMIER, dessen bevorzugtes Thema die Korruption der Machthaber ist, benutzt in seinen Karikaturen die Spielbeschäftigung als Zeichen nichtsnützigen Müßiggangs. Das Spiel als Bild in der Karikatur verändert jedoch seine Bedeutung im 19. und 20. Jahrhundert: Es wird zur Metapher für eine konkrete machtpolitische Situation. Das Thema Kartenspiel in der Karikatur behält fortwährend den Anstrich des Unbesonnen. Der Feind geht (skrupellos) jedes Risiko ein, setzt in seiner Machtgier und Maßlosigkeit das Leben seines Volkes „aufs Spiel“. Wenn 1940 Hitler in einer britischen Karikatur in der Daily Mail beim Kartenspiel mit der französischen Marianne gezeigt wird (Abb. 138) oder wenn Stalin in der französischen Zeitung La Gerbe 1944 beim „Zocken“ mit Churchill und Roosevelt zu sehen ist (Abb. 139), dann ist mit der Spielsituation ein Moment der Weichenstellung für die zukünftige Entwicklung dargestellt. Das Spiel drückt die Spannung der politischen Lage aus, die sich nun entscheiden wird. Der einem Spiel innewohnende Nervenkitzel wird in einer Zeichnung von FRANK CERNY noch verschärft: In der Karikatur vom Januar 1991 sitzen der irakische und der amerikanische Außenminister beim Poker, während unter ihrem Tisch bereits die Lunte einer Bombe brennt (Abb. 140). Das Feilschen der Diplomaten wird mit dem Poker verglichen. Hinzu kommt in Form der Bombe der Hinweis, daß ihr Spiel vergeblich ist, wenn nicht bald etwas geschieht. Eine besondere Spielvariante ist das Spiel mit dem Tod. Das Motiv des Todes als Mitspieler hat als Gleichnis für das Spiel des Lebens mit dem Tod eine lange ikonographische Tradition, wobei der Tod immer gewinnt.501 Wenn in der Karikatur der Tod mit dem Feind spielt, dann heißt das soviel wie: „Das Spiel ist aus“. In dieser aussichtslosen Lage finden wir Saddam in einer Karikatur vom Januar 1991 (Abb. 141). Komplizierter ist da die Konstellation mit drei Spielern, von denen einer der Tod, die beiden anderen jeweils Vertreter einer Kriegspartei sind: In einer Darstellung des Chemnitzer Karikaturisten FRANK MÜLLER vom Februar 1991 sehen wir Bush als Cowboy kostümiert und Saddam als Pirat, der, vom Tod um seinen Einsatz gebeten, auf alles oder nichts setzt (Abb. 142). Diese radikale Spielermentalität unterstreicht den rücksichtslosen Charakter des Diktators. Sein Piraten-Outfit weist ihn als Gesetzeslosen aus, während Bush einen Sheriffstern trägt und somit auf der Seite von Recht und Ordnung steht.

501 Vgl.: Holländer 1994, S. 14.

171 Ganz in traditioneller „Spelunken-Manier“ steckt vor Saddam ein Messer im Tisch, das einen Hinweis auf seine mangelnde Fairness gibt. Den Tod finden wir auch als Schachspieler. In einer Federzeichnung von HEINRICH KLEY (1863-1952) spielt er nicht gegen Napoleon, sondern gibt ihm Anweisungen, wie er die Figuren zu ziehen hat (Abb. 143). In dieser Karikatur ist der Imperialismus Napoleons anhand der Spielmetapher verbildlicht: Eine Landkarte bildet das Spielbrett und wird somit zum Bild der expansiven Politik. Die geschlagenen Figuren werden von Napoleon achtlos weggeworfen und verdeutlichen seine durch Machtbesessenheit bedingte Skrupellosigkeit. Doch wesentlich ist, in wessen Geist Napoleon „zieht“: Der Tod wird der Gewinner sein. Schach gilt als das Spiel, das Verstand und weise Voraussicht verkörpert. Es wird seit je her als Allegorie der Staatsräson bzw. der politischen Führung benutzt. Im Gegensatz zum Glücksspiel bedeutet das taktische Spiel Abwägen der Folgen der einzelnen Spielzüge, dem die Fähigkeit der weisen Voraussicht zugrundeliegt. In einem Spiel, in dem Providentia seitens des Spielers vonnöten ist, erprobt dieser gleichsam seinen Verstand und seine Fähigkeit zur Berechnung der Folgen seiner Handlungen und tritt mit diesem ehrgeizigen Tun die Nachfolge Gottes an, denn die Providentia gilt als eine Qualität Gottes, bei dem sich Allmacht mit Weisheit paart.502 So wie der Schachspieler weise und vorausschauend seine Figuren setzten muß, so muß der Staatsmann die Zukunft und die Konsequenzen seiner Strategie überblicken und entsprechend weise politische Schachzüge tätigen. Das Schachspiel ist Sinnbild der Entscheidungs- fähigkeit des taktierenden Politikers und seines Einfühlungsvermögens bezüglich dessen, was sein Gegner zu tun beabsichtigt. In den Karikaturen wird aus seiner Fähigkeit, durch Raffinesse seinen Gegner zu schlagen, sehr schnell ein heikles Spiel, in dem der Feind leichtfertig mit dem Frieden umgeht. Das Spiel wird zum Sinnbild einer riskanten und gefährlichen Politik. Das „Spiel der Könige“ dient als Metapher für politisches Handeln. Die Darstellung des Schachspiels ist häufig Abbild einer Machtkonstellation bzw. einer realen Schlachtsituation, in der Gegner ihren Machtkampf oder Kriege austragen. In einer deutschen Karikatur von 1940 soll die Situation der Kriegsparteien Deutschland und England wiedergegeben werden (Abb. 144). Der britische König (an dem Sack mit dem £-Zeichen zu erkennen), wird von den deutschen Soldaten matt gesetzt. Die dem Zwei-Parteien-Spiel entsprechende antithetische

502 Vgl.: Holländer 1994, S. 10f.

172 Darstellungsweise drückt sich in der Charakterisierung der Figuren aus: Die Schachfiguren sind im Comic-Stil gezeichnet und dadurch „belebt“. Wir sehen, wie der englische König und (statt der Bauern) lauter fette Kapitalisten ob ihrer Bedrängnis schwitzen. Eine Figur (mit Zigarre im Mund - Churchill?) macht sich noch schnell davon (der Karikaturist läßt die Gelegenheit nicht aus, auch das Feindbild „Plutokrat“ im Bild unterzubringen). Die Spielsteine der deutschen Seite rekrutieren sich allesamt aus den verschiedenen Streitkräften der Wehrmacht: ein U-Boot und ein Panzer bilden die beiden Türme, ein Fallschirm“springer“ den Springer. Sie lassen dem feindlichen König, der nur noch als einziger von der Gegenpartei auf dem Brett zugegen ist, keine Zugmöglichkeit mehr (bedenkt man den tatsächlichen Ausgang des Krieges, dann zeugt diese Darstellung wohl eher von Wunschdenken). Der Schwarz- Weiß-Kontrast der Schachfiguren läßt das psychologische Moment der Karikatur greifen: Die „gute“ Partei ist weiß und steht damit für Reinheit und Unschuld. Seit der Antike fungiert das Helle, das Licht als Ausdruck des Guten. Das Schachspiel bietet sich geradezu an, wenn man mit den Gegensätzen schwarz und weiß, gut und böse arbeiten will. Das Bild eines Schachspiels ist immer mehr als die Abbildung eines Spiels: Es ist ein Spiegel der Welt.503 Es wurde immer als Modell der Gesellschaft gedeutet. Seit dem Mittelalter bis heute reflektieren Schachspiele Gesellschaftsordnungen, einen Staatsaufbau oder tatsächliche gesellschaftliche Verhältnisse. In einer Karikatur OLIPHANTs vom April 1980, veröffentlicht in der International Herald Tribune, sehen wir in den Schachfiguren eine Darstellung des iranischen Staatsaufbaus, wie der Karikaturist ihn sich vorstellt (Abb. 145). Er stellt eine Analogie her zwischen Spielfeld und Schlachtfeld. Hier ist keine entscheidende Spielsituation dargestellt, sondern lediglich die Aufstellung der Figuren einer Seite. Das Spiel hat noch gar nicht begonnen, doch scheinen die Pferde kaum noch zu halten zu sein, so lechzen sie nach dem Kampf. Als zukünftige „Bauernopfer“ werden zum Tode Verurteilte mit verbundenen Augen ins Feld geschickt. Der Karikaturist zeigt die Machthierarchie der Kriegspartei des Ersten Golfkriegs anhand der unterschiedlichen Charakterisierung der einzelnen Figuren und verdeutlicht die Wurzel der Herrschaft Khomeinis (als König): Das „Zusammenspiel“ aller Kräfte ist Garant des Machterhalts des Regimes und führt zum Sieg der politischen Elite.

503 Vgl.: Holländer 1994, S. 11.

173 Im Zweiten Golfkrieg, mit Saddam als Feind der westlichen Welt, erfährt das Spiel-Motiv geradezu einen Boom in der Karikatur und bleibt auch anschließend in der Darstellung des Kriegs auf dem Balkan eine bevorzugte Bildformel. LURIE läßt Saddam in einer Karikatur vom August 1990 gegen die ganze Welt spielen (Abb. 146), wobei der irakische Diktator nur noch einen einzigen Spielstein hat, dieser sich aber als Handgranate entpuppt. Von einem fairen Spiel kann keine Rede sein. Mit der Macht, die ihm diese Waffe gibt, wird Saddam sich über alle Regeln hinwegsetzen.

In einer Darstellung des kanadischen Karikaturisten ROY PETERSON, die einen Monat später in der International Herald Tribune erscheint, steht Saddam die Siegesgewißheit im Gesicht geschrieben (Abb. 147). Seine Spielsteine sind Soldaten, Raketen, Ölfässer, Todeskandidaten und Geiseln. Auch ohne daß die andere Partei mit ins Bild genommen wird, ist klar, wer die Verlierer sind, nämlich die Flüchtlinge, die bereits geschlagen auf dem Spielfeld liegen.

Der amerikanische Karikaturist BENSON ersetzt im Januar 1991 in seiner Karikatur für die Morning News Tribune (Washington) das Spielbrett durch einen Kalender, in Anspielung auf das von der UNO gesetzte Ultimatum (Abb. 148). Die Partie bestreiten Saddam und ein amerikanischer Soldat. Die Metamorphose des Spielbretts zu dem Kalenderblatt Januar ist das Wesentliche der Zeichnung, nicht etwa die Spielsituation (dazu fehlt auch die richtige Anzahl der Felder). Entsprechend sind die Figuren zweitrangig, sie unterscheiden sich nicht voneinander. Wie sich das Spiel entscheiden wird, ist nicht abzulesen. Mit militärischem Gerät statt mit Spielfiguren stehen sich die gleichen Parteien in einer Karikatur KLAUS PIELERTs vom Oktober 1994 gegenüber (Abb. 149). Die amerikanische Seite wird diesmal von Uncle Sam vertreten, doch sein Gegenspieler ist wieder Saddam, der gerade mit einem Panzer „zieht“ und damit die Partie eröffnet. Eingekleidet in ein Spiel, zeigt diese drei Jahre nach dem Zweiten Golfkrieg entstandene Karikatur den Versuch der westlichen Nationen, die militärische Macht Saddams unter Kontrolle zu bringen. Wieder ist der Ausgang des Spiels noch offen.

BARBARA HENNIGER benutzt ebenfalls das Schachspiel als Allegorie in ihrer im Mai 1995 erscheinenden Darstellung eines recht verlotterten Karadzic beim Spiel mit einem Vertreter der NATO (Abb. 150). Den Raketen als Spielsteinen der NATO stehen Moscheen und Menschen gegenüber, die Karadzic ins Feld führt. Nur aus diesem Kontrast bezieht die Karikatur ihre Wirkung; ein konkreter Stand der Partie ist nicht dargestellt. Der „Material“-Gegensatz läßt

174 anklingen, daß der eine Menschen „verheizt“, während der andere mit technischen Mitteln kämpft - eine Implikation, die verschleiert, daß die Waffen immer von Menschen benutzt werden, und Menschen ihre Ziele sind. Karadzic wird - gemeinsam mit Mladic - in einer Karikatur vom November 1995 selbst zur Spielfigur und sogar zum Bauern, dem das klassische Schicksal des Geopfert-Werdens widerfahren wird (Abb. 151). Der Spieler, dessen Zügen die beiden ausgeliefert sind, ist Miloševic. Eine Gegenpartei ist nicht dargestellt. Das Schachbrett wird zum Terrain, auf dem Miloševic sein Spiel mit anderen „Kollegen“ treibt. Drei Monate später, im Februar 1996, veröffentlicht BÖHLE eine Karikatur mit dem gleichen Bild (Abb. 152): Miloševic ist im Begriff, mit Karadzic und Mladic ein Bauernopfer zu bringen. Neben der Figur des taktischen Spielers sieht man in Karikaturen auch Saddam, wie er „sein Spiel treibt“ - entweder mit gefährlichen Waffen, so in einer Zeichnung von ROLF-DIETER WUTHE vom Juli 1991 (Abb. 153), mit Staatsmännern des anderen Lagers, nämlich mit Bush und seinem Nachfolger Clinton in einer Karikatur aus Le Monde (signiert: PANCHO) vom Juli 1992 (Abb. 154) oder mit der ganzen Welt, wie LURIE es in dem Bild vom russischen Roulette spielenden Saddam im März 1992 darstellt (Abb. 155). Sehr beliebt bei den Karikaturisten ist auch die Variante „Katz- und Mausspiel“, wobei die Rollen wechseln. In HAITZINGERs Blatt vom Juli 1991 ist Saddam die Maus und Uncle Sam die Katze (Abb. 156), während in einer Karikatur von LUFF (Pseudonym für ROLF HENN) vom September 1991 Saddam als Katze mit der Maus spielt, deren Part die UNO innehat (Abb. 157). Doch die USA (in Gestalt ihres Wappentiers) gehen daran, sein Treiben zu beenden. Die Vereinten Nationen erhalten in Katz- und Maus-Karikaturen einen festen Platz: Auch in „Zerrbildern“ der Konflikte in den neuen, ehemals jugoslawischen Staaten, ist die UNO als Maus dem spielerischen Vergnügen der „Katze“ Karadzic ausgesetzt. So sieht BÖHLE die Situation in einer Karikatur vom Juni 1995 (Abb. 158) und einen Monat später auch ERNST HEIDEMANN (Abb. 159). Entgegen der gewohnten Auffassung gibt es auch Karikaturen, in denen die Katze diejenige ist, der übel „mitgespielt“ wird. In BURKHARD MOHRs Darstellung vom März 1992 vergnügt sich Saddam als Maus mit der UNO (Abb. 160), und sechs Tage später erscheint eine Karikatur von WOLTER, die eine „Verkehrte Welt“ mit der gleichen Rollenverteilung anlegt (Abb. 161). In die Motivreihe des „Spiele-Treiben“ gehören ebenfalls Karikaturen, in denen der politische Gegner „an der Nase herumgeführt“ wird, ihm „auf der Nase

175 getanzt“ oder ihm eine „lange Nase“ gezeigt wird. Diese Bilder tauchen immer wieder in den Karikaturen auf, wenn das Verhältnis des irakischen Präsidenten Saddam oder das der Serben Miloševic und Karadzic zur UNO aufgegriffen wird. Statt Beispiele für Variationen dieses Themas anzuführen, verweise ich an dieser Stelle darauf, daß es seit dem Zweiten Golfkrieg eine Fülle von Karikaturen gibt, die kriegerische Konflikte, in denen die UNO involviert ist, in Form derartiger „Spielchen“ darstellen. Sie haben allerdings kaum noch etwas mit taktischem Vermögen und Intelligenz zu tun, sind dafür eher Ausdruck eines despotischen Verhaltens, wie es oft in Saddam-Karikaturen betont wird.

Mit dem Ausbrechen des Ersten Golfkriegs 1979 rückt der Nahe Osten verstärkt in das Interesse westlicher Nationen und auch ihrer Karikaturisten. Die Wortgleichheit zwischen der Bezeichnung des Konfliktgebiets als Golfregion und des im Westen vornehmlich von Angehörigen der „upper class“ praktizierten Golfspiels veranlaßt die Karikaturisten dazu, entsprechende Wort“spielereien“ graphisch zu fassen. Der britische Karikaturist MAC (Pseudonym für STAN MACMURTY) inszeniert in einer Karikatur vom April 1991 in der Daily Mail diesen Sachverhalt des Homonyms: Während der amerikanische Präsident bei strahlendem Sonnenschein seinem Freizeitsport Golf nachgeht, wird in der Golfregion ganz anderes „eingelocht“ (Abb. 162). Bei der Darstellung des Golfspiels wechseln in den Karikaturen sowohl die Spieler als auch die Golfbälle. Es spielen im Ersten Golfkrieg zumeist eine Personifizierung des Iraks (Saddam war noch kein Feindbild) und der iranische Revolutionsführer Khomeini - so in einer Zeichnung von PETER BENSCH vom September 1980 (Abb. 163). Bomben sind die bevorzugten Bälle der Karikaturisten, aber auch die Erdkugel dient als Golfball. LEGER läßt in einer Karikatur vom Juli 1982 den Kriegsgott Mars selbst als Golfspieler auftreten, der bemüht ist, die Erdkugel in die Weltkrise einzulochen (Abb. 164). Im Zweiten Golfkrieg ist Saddam als derjenige dargestellt, der mit der Welt spielt - so von BÖHLE in einer Zeichnung vom August 1990 (Abb. 165). Die Golfpartie wird nun von Saddam und Bush bestritten. Eine Karikatur des Amerikaners JEFFREY KENNETH MACNELLY vom August 1990 aus der International Herald Tribune ist ausführlicher angelegt. MACNELLY führt die Analogie der Begriffe vor Augen, indem er Bush das Kriegsgebiet wie einen Golfplatz sehen läßt (Abb. 166). Auch bei diesem Spiel wird der Tod selbst zum Spieler: LEGER bringt ihn in einer Karikatur vom Januar 1991 ins (Golf-)Spiel (Abb. 167).

176 Die Tradition des Golfspiel-Motivs ist naturgemäß kürzer als die der anderen Archetypen, findet aber dafür in den Karikaturen umso häufiger Verwendung bei der Darstellung von Krisen und Kriegen im Nahen Osten. Überhaupt rekrutieren die Karikaturisten die Feindbilder seit Ende des Kalten Krieges zunehmend aus dieser Region; es läßt sich von einem neuen Feindbild „Süd“ sprechen.

Exkurs 6: Nach dem Kalten Krieg: Das Feindbild „Süd“ Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Aufbrechen des Ostblocks ist gleichzeitig der Systemgegensatz östliche versus westliche Welt hinfällig, und der Kalte Krieg ist damit an sein Ende gelangt. Der Sieg des Kapitalismus über die kommunistische Ideologie und Hegemonie bringt jedoch ein Vakuum mit sich. Die frühere ideologische Feindschaft diente schließlich auch der eigenen Identifikation. Nicht zuletzt die Militäre der einzelnen Länder und ihr Verbund, die NATO, stürzen in eine Sinn- und Legitimationskrise, die sich auch im Verteidigungsbudget auszuwirken droht.504 Unweigerlich bedarf es eines neuen Feindbildes, um die entstandene Leere zu füllen. Es gilt, neue Bedrohungsgefühle in der Bevölkerung der industrialisierten Welt zu schaffen und zu begründen. Die Rolle, die im Kalten Krieg der Osten für den Westen spielte, wird nun dem Süden zugewiesen. Durch diesen Feindbildwandel wird der Ost-West-Konflikt endgültig von dem Nord-Süd-Konflikt abgelöst, wobei der Begriff „Norden“ für die Industrieländer steht, die eine gemeinsame Position im Hinblick auf die Dritte Welt bilden.505 Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten werden zu den neuen Sicherheitsproblemen der „Ersten Welt“. Neu ist der ängstliche Blick gen Süden nicht. Die territorialen, ethnischen und ökono- mischen Konflikte in der sogenannten „Dritten Welt“ und vor allem im Nahen

504 Vgl.: Stork, Joe: Neue Feindbilder für eine neue Weltordnung. In: Dritte Welt und Islam. Neue Feindbilder nach dem Kalten Krieg? Kongreß des Instituts für Internationale Politik, Wuppertal und Buntstift e.V. v. 14.9.1991 in der Alten Feuerwache in Köln. (Arbeitspapier des Instituts für Internationale Politik, Nr. 15, Januar 1992), S. 21-29; hier: S. 21-23. 505 Vgl.: Matthies, Volker: Neues Feindbild Dritte Welt. Verschärft sich der Nord-Süd- Konflikt? In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 25-26/91 v. 14.6.1991, S. 3-11 (im folgenden: Matthies 1991); hier: S. 6.

177 Osten beschäftigen schon seit längerer Zeit den Westen. Der amerikanische Präsident Carter (von 1977 bis 1981) hatte die Region zum Interessengebiet der USA erklärt. Betrachtet man die kriegerischen Konflikte in den „unterentwickelten“ Ländern seit 1945, so wird deutlich, daß diese „Stellvertreterkriege“, die ihrerseits Produkt des Ost-West-Konflikts waren, von den Supermächten mißtrauisch beachtet wurden. Auf der Suche nach einer neuen militärischen und ideologischen Mission wird nun dieser Argwohn und diese Feindschaft kultiviert (wir werden sehen, daß die Karikatur daran mitwirkt). Sowohl die arabischen und iranischen Staatsmänner als auch die islamische Kultur überhaupt werden vom Westen ins Visier genommen.506 Der durch die Invasion irakischer Truppen in Kuwait ausgelöste Zweite Golfkrieg schließt die Feindbild-Lücke perfekt. In dieser konkreten kriegeri- schen Auseinandersetzung begegnet der Norden dem Süden einerseits mit dem Instrument der UNO und andererseits mit militärischem Eingreifen (der Supermacht USA, der sich später alliierte arabische und europäische Truppen anschließen). Zu diesem Zweck werden von der amerikanischen Regierung innerhalb ihrer Streitkräfte eigens ein „Flexibles Einsatzkommando“ und von der NATO multinationale mobile Einheiten geschaffen, um eine prompte militärische Intervention in den Ländern der Dritten Welt gewährleisten zu können.507 Die nunmehr einzige Supermacht, die USA, begreift sich in ihrem Konzept der „Neuen Weltordnung“ (ein Terminus, den George Bush nach dem Zweiten Golfkrieg einführte, und der die Ablösung der Nachkriegsordnung auf sprachlicher Ebene markiert) als Garant globaler Sicherheit. Das Bild des „Weltpolizisten“ wird dabei propagiert. Dieser „Ordnungsmacht“ USA steht im Zweiten Golfkrieg die „Chaosmacht“ Irak gegenüber. Der Nord-Süd-Konflikt, dessen Ausdruck der Kuwait-Krieg ist, läßt sich somit als „Weltordnungs- konflikt“ sehen (tatsächlich handelt es sich um einen Ressourcenkonflikt).508 Die Expansions-Versuche der ehrgeizigen Lokalmacht Irak werden von dem „Ordnungshüter“ USA in ihre Schranken gewiesen, der bei dieser Gelegenheit seine hochgerüstete Waffentechnologie in einem „high-tech-Krieg“ einsetzt. Der Zweite Golfkrieg führt die moderne Form des Krieges mit den sogenannten

506 „Nicht zufällig ist die erste militärische Auseinandersetzung innerhalb der neuen Welt- ordnung eine Konfrontation zwischen Nord und Süd.“ Dippe, Karen / Herzog, Roman: Die Auswirkungen der Veränderungen in Osteuropa auf den „Nord-Süd-Konflikt“. In: Peripherie, Jg. 11, 1991, Nr. 41, S. 25-49 (im folgenden: Dippe/Herzog 1991); hier: S. 26. 507 Vgl.: Dippe/Herzog 1991, S. 35. 508 Matthies 1991, S. 6.

178 „chirurgisch“ präzisen Angriffen vor Augen. Der auf Computerbildschirmen gesteuerte Krieg, der das Töten von Menschen bedeutet, unterscheidet sich in der Wahrnehmung kaum noch von Computersimulationen und -spielen. Erneut ist die Welt zweigeteilt, diesmal nicht in ein kapitalistisches und in ein kommunistisches Lager, sondern in ein okzidentales und ein orientales. Bezugs- punkt der Zuordnung ist wieder ein (konstruiert) ideologischer: Der westlichen „Wertegemeinschaft“ steht die islamische Welt gegenüber. Der Islam wird als Antithese zu den aufgeklärten Werten des Nordens begriffen. Die ideologische Polarität fußt einerseits auf dem Verständnis von Aufklärung als ureigener europäischer, okzidentaler bzw. „westlicher“ Angelegenheit und andererseits auf der Konstruktion eines gegen-zivilisatorischen Orients. Die islamische Welt als Gegen-Moderne verkörpert in der Wahrnehmung des Nordens das diametrale Gegenbild des Westens. Die Auffassung vom Orient war nicht immer so herablassend wie heute. In dem Bemühen, der eigenen politischen Realität ein Gegenbild zu formulieren, wurde im 18. Jahrhundert der Orient verklärt als ein „Arkadien“ der Philosophie und des aufklärerischen Gedankentums, als Ort, an dem die Sapientia gepflegt werde. Diese Konstruktion gab der Antithese zum absolutistischen Staat einen geographischen Raum. Dabei handelte es sich um eine reine Fiktion, eine Kopfgeburt, die mehr über die Sehnsüchte der Europäer aussagte als über den Orient selbst. Die tatsächlichen Verhältnisse nahöstlicher Gesellschaften waren den Aufklärern weitgehend unbekannt und hatten mit dem von ihnen entworfenen Bild nichts gemein.509 Die Erfahrung, daß dem so ist, wurde mit der ökonomischen und politischen Expansion des Westens in den Nahen Osten gemacht und zog eine radikale Ernüchterung der Reisenden nach sich. Die beobachtete Wirklichkeit war ein Abbild der eigenen Verhältnisse der sozialen Gegebenheiten; hier wie dort gab es große gesellschaftliche Kontraste und Elend.510 Der Orient, wie er nun vorgefunden wurde, nämlich arm und bar jeglichen zivilisatorischen Nimbus, konnte nicht mit dem Bild, das man zuvor von ihm

509 Vgl.: Schulze, Reinhard: Vom Anti-Kommunismus zum Anti-Islamismus. Der Kuwait- Krieg als Fortschreibung des Ost-West-Konfliktes. In: Peripherie, Jg. 11, 1991, Nr. 41, S. 5-12 (im folgenden: Schulze 1991); hier: S. 7f. 510 „Was sie sahen, war im Grunde das gleiche wie in ihren europäischen Heimatländern: die gleiche Armut in Alexandria wie in London, das selbe Elend in Damaskus wie in Paris, die gleichen Krankheiten und Epidemien in Kairo wie in Hamburg. Das Land war ver- armt, in der französischen Provinz wie im Erzgebirge und in Irak.“ Schulze 1991, S. 8.

179 gepflegt hatte, in Einklang gebracht werden. Dieser Umstand wurde so gedeutet, daß der „wahre“ Orient, einst tatsächlich existent, nun verlorengegangen sei - eine untergegangene Hochkultur.511 Als Erklärung dafür zog man den Islam heran. Er sei Anlaß für diese Entwicklung, er sei zur Grundlage der orienta- lischen Gesellschaften avanciert. In seinem Fahrwasser sei eine Mentalität entstanden, die durch Fanatismus, Fatalismus und Despotie gekennzeichnet sei. Diese Charakteristika verschmelzen in der Folge mit den Begriffen "Orient" und "Islam", so daß die Termini nur noch paarweise genannt (und gedacht) werden. Der Topos von der orientalischen Despotie und vom arabischen Fanatismus wird zum Gemeingut. Insofern hat die europäische Welt bereits im 19. Jahrhundert einen Gegenpol, der der Selbstdefinition dient. Man ist das, was die „andere“ Welt nicht vorzuweisen hatte. Während die Völker des Orients als willkürlich, emotionsgeleitet, aggressiv, menschen-verachtend und unberechenbar hinge- stellt werden, betrachtet man sich selbst als das Gegenteil: verstandgeleitet, aufgeklärt, modern, durch einen Rechtsstaat verbindlich nachvollziehbar. Der Orient als Antithese zum Okzident ist total, weil man dem Orient ein ihm eigenes und unabänderliches „Wesen“ unterstellt, das nie mit dem „Wesen“ der aufgeklärten Welt vereinbar ist.512 Schon lange vor der Ost-West-Polarität verfügten die industrialisierten Länder also über ein Gegenbild. Der entworfene Nord-Süd-Gegensatz ist bereits über hundert Jahre präsent, bis er nach dem Wegfall der Antithese Kommunismus aktiviert wird. Das gar nicht so neue Feindbild „Süd“ besitzt jedoch eine neue Qualität: Der Nord-Süd-Gegensatz ist radikaler als sein Vorgänger, der Ost- West-Konflikt, „da in der Behandlung islamischer Gesellschaften noch nicht einmal zwischen Ideologie und Volk unterschieden wird, wie es im Kalten Krieg noch üblich war.“513 Es handelt sich nicht um einen Gegensatz von Systemen, sondern von „Mentalitäten“. Das Feindbild „Süd“ umfaßt eine heikle Kombi- nation verschiedener Topoi: Elemente wie Religion, Werte, Klischees vom Orient und seiner „Mentalität“ paaren sich mit Ängsten westlicher Gesellschaften vor Terrorismus und Niedergang der Prosperität. Ein Bild wird beschworen, daß in Zukunft ein Krieg denkbar ist, den „der“ Süden gegen „den“

511 Vgl.: Schulze 1991, S. 8. 512 „Letztendlich gelingt es dank einer solchen Projektion, die Negativität der eigenen Kultur (sei es die Duldung von Armut, die Nichtwahrnehmung sozialer Ungleichheit, die massiv psychische Erkrankung und Verelendung der Menschen oder die Aufhebung der sozialen und kulturellen Autonomie der Gesellschaften) als unerkennbar und unbedeutend herabzuwürdigen.“ Schulze 1991, S. 9. 513 Schulze 1991, S. 12.

180 Norden führt. Einzelne Aggressoren aus der arabischen und der „Dritten Welt“ werden als „Sprecher“ der kriegsbereiten südlichen Halbkugel aufgefaßt, die großmachtlüstern auch die nördliche Halbkugel bedrohen. Terroranschläge in Westeuropa gelten als ihre Exponenten. Außerdem ist von einem zu befürch- tenden „Strom“ von Flüchtlingen aus den Entwicklungsländern in Richtung Europa die Rede, der nicht nur den europäischen Kontinent „überschwemmt“ und „überfremdet“, die Errungenschaften der europäischen Zivilisation und die kulturelle Identität gefährdet, sondern der in seinem Fahrwasser auch Extre- mismus und Subversion mitführt. Die mehr oder weniger diffusen Bedrohungsvorstellungen gründen auf orientalisch und islamisch wahrgenommenen „Merkmalen“. Spätestens seit dem Zweiten Golfkrieg mit dem Aggressor Saddam Hussein ist in den Augen der westlichen Welt der potentielle Feind der muslimische Araber. Dabei läßt sich das „Reich des Bösen“ nicht genau lokalisieren. Vom Irak bis nach Ex- Jugoslawien scheinen die „islamischen“ Bestrebungen und die Gefahr, die von ihnen ausgeht, unkalkulierbar. Entsprechend sind nicht nur Araber Gegenstand des Feindbilds „Süd“: Feindbilder, die anläßlich des Bürgerkriegs auf dem Balkan entstanden (personifiziert in Miloševic, Karadzic und Mladic) sind kein neues Feindbild „Ost“, sondern eine andere Ausprägung des Feindbilds „Süd“. Die Gefahr, die diese Feinde mit sich bringen, hat die gleichen „orientalischen“ Charakteristika Despotie, Willkür, Unberechenbarkeit und bestialische Menschenverachtung. Bei den „neuen“ Feindbildern - ob Iraner, Iraker, Serben, Bosnier oder Tschetschenen - geht es um Identitäten. Beispielhaft ist die Entwicklung natio- naler Identitäten als Folge der Auflösung des Vielvölkerstaates Sowjetunion. Mit dem Wegfall des identitätsstiftenden Überbaus kam die Besinnung auf ethnische Ursprünge. Dieser Prozeß ist nicht nur bei den ehemals sowjetischen Völkern zu beobachten, sondern auch in den nahöstlichen Gesellschaften, wo sich islamische politische Rechte gegen die von ihnen als materialistisch gedeutete Kultur des Nordens wenden und sich von dessen Dekadenz und Wertelosigkeit absetzen wollen, indem sie ihre eigene Kultur zum Gegenstück ausbauen. Die Konzentration auf religiöse Wurzeln ist ein Bestreben, durch diese „eigenen“ kulturellen Wurzeln sich selbst zu definieren, der „eigenen“ Nation oder dem „eigenen“ Volk ein einheitsspendendes Fundament zu geben und so politisch zu erstarken. In dem fälschlich so bezeichneten „Funda- mentalismus“ werden Phänomene wie Pluralismus, Gleichberechtigung und Partizipation zurückgedrängt, weil sie als westlicher Einfluß verkannt werden.

181 Statt dessen werden vorgeblich auf dem Islam fußende religiöse Regle- mentierungen propagiert.514 Zwar ist diese Strömung - aller Darstellung im Norden zum Trotz - die Position einer Minderheit, dennoch ist sie Ausdruck einer weltweiten Tendenz der Suche nach Identifikationsmomenten. Bedrohungsängste konkretisieren sich, wenn beispielsweise der amerikanische Politologe und Leiter des Harvard-Instituts für Strategische Studien, SAMUEL P. HUNTINGTON, ein Szenario des „Clash of Civilisations“515 entwirft und damit vor einem großen Krieg der Kulturen warnt. HUNTINGTON hält es für bedenklich davon auszugehen, andere Kulturkreise würden im wesentlichen die Werte der westlichen Gesellschaften teilen. Er betont die Inkompatibilität der Wert- vorstellungen: „Jemand kann Rap hören und zwischen zwei Verbeugungen in Richtung Mekka an einer Bombe basteln, mit der er in der nächsten Minute ein amerikanisches Flugzeug in die Luft jagt.“516 Die strikte Unterscheidung, die er zwischen westlicher und z.B. arabischer Kultur trifft, impliziert einen unüberbrückbaren Gegensatz. Eine Auffassung, die dem Feindbild „Süd“ entspricht. Seine Terminologie zeigt, daß die Bedrohungs- ängste verinnerlicht sind. Hier finden wir ein Konglomerat von Feindbildern, wie es typisch ist für die Auffassungen vom Orient und Islam: Islam, Terrorismus und das potentielle Angriffsziel, nämlich der Norden, werden miteinander kombiniert. Die These HUNTINGTONs lautet, daß die Identitätssuche südlicher (und östlicher) Völker in der Zukunft zu Kriegen führen wird. Von den Völkern des Orients und des Balkans und überhaupt von ethnischen Gruppierungen auf der ganzen Welt wird demnach geradezu erwartet, daß sie den Norden, die „zivilisierte“ Welt, in kriegerische Auseinandersetzungen verstricken werden. Solche Modelle sind genau der Stoff, aus dem das Feindbild „Süd“ gestrickt ist.

Das Beispiel HUNTINGTON zeigt, daß es heute (auch in der Wissenschaft) verstärkt Bemühungen gibt, auf kultureller Ebene Typologisierungen zu schaffen. Die Betonung ethnischer, religiöser und mentalitätsgeschichtlicher Divergenz entspringt einem Bedürfnis nach Unterscheidung. Es geht dabei

514 Vgl.: Schulze 1991, S. 11. 515 Vgl.: Huntington, Samuel P.: The Clash of Civilisations? In: Foreign Affairs, Jg. 72, 1993, Nr. 3 (Summer), S. 22-49. 516 Huntington, Samuel P. in einem Interview mit Mariam Niroumand. In: die tageszeitung v. 23.12.1996, S. 19.

182 darum, Grenzen zu ziehen, Innen und Außen festzulegen, um sich so selbst zu definieren. „Im Mittelalter wurde Innen und Außen zentral über ´Religion´ reguliert; in der Zeit des Industrialismus und Kolonialismus trat ´Rasse´ als Unterscheidungskriterium in den Vordergrund; das 19. Jahrhundert bildete mit ´Volk/Nation´ wieder eine neue Semantik zur Behandlung von Differenz von Innen und Außen aus, die auf einer positiven Bestimmung der Gesellschaft beruht; und die modernen Sozialstaaten am Ende des 20. Jahrhunderts stellen derzeit ihren kategorialen Apparat, mit dem sie versuchen, mit der Differenz umzugehen und das Eigene vom Fremden zu unterscheiden, erneut um auf ´Kultur´.“517 Seine Gegenbewegung findet die Tendenz der Trennung von Kulturen im „Multikulturalismus“, der vor lauter Kulturrelativismus sämtliche ethnischen und/oder religiösen Lebensformen als gerechtfertigt und für (vom besser- wisserischen Westen) unantastbar erklärt. Dieser Kulturrelativismus birgt die Gefahr, menschenverachtende Politik als kulturelle Eigenständigkeit zu legitimieren und ihr somit einen „Freifahrschein“ auszustellen. Er nimmt in Kauf, daß auch an unterdrückerische, lebensfeindliche und anachronistische Traditionen keine Maßstäbe mehr angelegt werden. Universelle Werte (wie beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Unversehrtheit der Person oder auf Gleichberechtigung der Frauen) spielen dabei keine Rolle mehr. So sehr man auch die Betonung „anderer Mentalitäten“ als das erkennen muß, was sie ist, nämlich als Feinddenken, und so sehr man auch darauf hinweisen muß, daß Karikaturisten häufig diesem Denken unterliegen und damit keine Aufklärung betreiben, darf es doch nicht dazu kommen, daß Despotie und Verbrechen nicht mehr in Karikaturen benannt werden - vielmehr sollte das in einer Weise geschehen, die dem Rezipienten Einsichten in die tatsächlichen Verhältnisse vermitteln und ihn dadurch auch zum Protest gegen unmenschliche Politik veranlassen, statt plakativ Feindbilder zu schüren und auf emotionaler statt auf rationaler Basis die Betrachter anzusprechen. Denn das ist nichts anderes als Propaganda. Aufklärung aber hat einen ganz anderen Anspruch. * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

517 Radtke, Frank-Olaf: Lob der Gleichgültigkeit. Zur Konstruktion des Fremden im Multikulturalismus. In: Das Eigene und das Fremde. Neuer Rassismus in der Alten Welt? Hrsg. v. Uli Bielefeld (Schriftenreihe des Hamburger Instituts für Sozialforschung). Hamburg 1991, S. 79-96; hier: S. 80.

183 3.9 Orientalismen in der Karikatur Auch in Karikaturen drücken sich die Bedrohungsängste und das „Islam- Syndrom“ aus. Verstärkt seit der iranischen Revolution, seitdem der Nahe Osten stärkere Aufmerksamkeit im Westen erlangt hat, werden in den Karikaturen Klischees vom „Orientalen“ präsentiert, denen das Feindbild „Süd“ zugrunde liegt. Stereotype, die zunächst harmlos anmuten (beispielsweise die Verwen- dung von Märchenmotiven, um den Ort der „Handlung“ zu bestimmen) entpuppen sich bei genauerer Untersuchung als Typisierungen, die einen Feind aufbauen. Die Klischees sind nicht nur orientalische Kostümierung der Karikierten. Aus der typisierenden Darstellung von Repräsentanten arabischer oder islamischer Gesellschaften und Regime wird durch Assoziationen mit Rückständigkeit, Unzivilisiertheit, Barbarei, Despotie und Terrorismus ein konkretes Feindbild. Die Karikaturisten bemühen immer wieder Bildelemente, die aus dem Märchen „1001 Nacht“ bezogen werden. Allen voran der fliegende Teppich befördert die Staatsmänner der islamischen Welt. CERNYs „Über den Dächern von Bagdad“ vom Juli 1982 ist ein Beispiel aus einer Vielzahl von Karikaturen mit diesem Motiv (Abb. 168). Auch im Zweiten Golfkrieg ist der fliegende Teppich bei den Karikaturisten beliebt. Der Zeichner RULLE zieht in einer Karikatur vom Februar 1991 Saddam den Teppich weg (Abb. 169). Wiederum eine andere Funktion gibt HEIDEMANN dem Teppich in einer Karikatur vom August 1979: Hier ist er Gebetsteppich, auf dem sich ein Moslem vor einem Maschinengewehr verbeugt (Abb. 170). Der Untertitel „Der neue Götze“ setzt den Islam mit primitiver Kultur gleich, denn Heiden beten Götzen an, Gläubige „zivilisierter“ Religionen beten zu Gott. Gleichzeitig werden Muslime als Fanatiker diffamiert. Ihr Verhältnis zu Waffen und damit zu Gewalt wird als ein religiöses dargestellt. In einer späteren Karikatur von HEIDEMANN, die im August 1992 veröffentlicht wird, wird das zivilisatorische Gefälle durch die Gegenüberstellung von high- tech-(USA-)Bomber und orientalischer Rückständigkeit durch den Teppich ausgedrückt (Abb. 171). Ein weiteres, der orientalischen Märchenwelt entliehenes Motiv ist das des Flaschengeistes. Während eine Karikatur HAITZINGERs von 1973 Gaddafis Innenpolitik in diese Form kleidet (Abb. 172), nutzt CERNY in einer Karikatur vom Januar 1989 dieses Bild zur Veranschaulichung von Gaddafis Außenpolitik (Abb. 173). Auch Saddam findet unzählige Male Verwendung als Flaschengeist. Eine Karikatur BÖHLEs vom Januar 1991 (Abb. 174), die Saddam als ätherischen Geist darstellt und eine zeitgleiche von JÜRGEN TOMICEK, in der Saddam

184 allerdings recht handfest und noch dazu schwer bewaffnet zu sehen ist - inclusive teppichfliegendem DM-Maskottchen (Abb. 175) - sind Beispiele aus der Zeit des Zweiten Golfkrieges. Die Verwendung dieser märchenhaften Bildformeln mitsamt dem, womit sie inhaltlich belegt sind (der mächtige und gefährliche, vor allem aber unkontrollierbare Flaschengeist), ist nicht gerade geeignet, politische Prozesse in ferneren Ländern transparent für den bundesrepublikanischen Betrachter zu machen, sondern ist eine Kultur-Typologisierung, althergebrachte Klischees aufgreifend und sich auf deren Wirkung verlassend. Nicht nur Märchen-Bestandteile sind in den Karikaturen Stellvertreter der fremden Kultur. Versatzstücke aus der scheinbaren orientalischen Lebenswelt sind gleichermaßen die Wasserpfeife, das Kamel und der Bazar. Dominant jedoch ist das islamische Schwert in Karikaturen, die sich auf das Geschehen im Nahen Osten beziehen. In verschiedener Weise wird der Westen durch dieses Schwert bedroht. Mal wird es gewetzt, um die es nicht wahrhaben wollenden westlichen Industrienationen abzuschlachten - so in einer Karikatur LURIEs vom April 1980 (Abb. 176) -, mal wird die Versorgung der Welt mit Öl, die in der Analogie so lebensnotwendig ist wie die Infusion für einen Patienten, mit dem Schwert gekappt - wie in einer Karikatur PEPSCHs vom September 1980 (Abb. 177). In Darstellungen der iranischen und irakischen Führung ist das Schwert allgegenwärtig. PEPSCH stellt im März 1980 die politische Führung ebenso mit dem Schwert in der Hand dar (Abb. 178), wie BEHRENDT im Juli 1982 (Abb. 179). Ebenfalls bedient sich BÖHLE im Februar 1986 dieser Metaphorik (Abb. 180). Im Februar 1991 zeichnet HAITZINGER dieses Motiv (Abb. 181), im Oktober 1994 PIELERT (Abb. 182) und der Mönchengladbacher Karikaturist NIK EBERT im Juni 1989 (Abb. 183) und August 1995 (Abb. 184) - um nur eine unvollständige Ikonographie zu geben. Das Bild des säbelschwingenden Fundamentalisten ist derart gebräuchlich, daß sich wohl niemand davon frei machen kann, beim Stichwort Islam an einen geifernden Despoten mit Schwert in der Hand zu denken. „Der“ Araber wird vornehmlich, dem herrschenden Leitbild entsprechend, als kriegerisch ge- zeichnet. In den Karikaturen sehen wir ihn „als rachedurstigen, bärtigen Unruhestifter und Bösewicht mit buschigen Augenbrauen und sehr niedriger Stirne oder aber als einen konservativen, abergläubigen Koranleser“518. „Der“ Araber ist in den Karikaturen in einer Weise präsent, die ihm die Fähigkeit zur

518 Auer 1966, S. 16.

185 Selbstregulierung abspricht. Eine Verallgemeinerung und eine Reduzierung finden zugleich statt. Der Karikaturist verallgemeinert das aggressive Verhalten einzelner Aggressoren und reduziert die Vielschichtigkeit und den Pluralismus der Bevölkerung islamischer Länder auf religiöses Eifertum. Gerade die Religion liefert den Karikaturisten Stoff für ihre Bilder vom Orient. Unter dem Stichwort „Fundamentalismus“ wird sowohl der Islam als auch die Politik, die Kultur und die Alltagswelt nahöstlicher Kulturen zusammengefaßt. Der Begriff wird zum Synonym für Fanatismus und Chaos und schließlich für Orient überhaupt. Orientalische und/oder religiöse Ausdrucksformen werden in den Karikaturen zum Sinnbild dessen, was aus westlicher Wahrnehmung Fundamentalismus ist. Es fällt auf, daß Araber in Karikaturen häufig als ein- fältige Muslime, deren Religion sie als Dummköpfe kennzeichnet, abgestempelt werden. Dieses ausgeprägte Klischee findet sich seit der iranischen Revolution bis zum Zweiten Golfkrieg. Karikaturen WOLTERs vom Februar 1979 (Abb. 185) und vom Juli 1982 (Abb. 186) sind Beispiele dieser Tendenz, ebenso ein Blatt in den Badische Neueste Nachrichten vom September 1980 (Abb. 187). Eine Karikatur, die von HANEL im August 1980 zeichnet, zeigt den gleichen Tenor (Abb. 188), und auch HAITZINGER schlägt mit einer Veröffentlichung vom September 1980 in die gleiche Kerbe (Abb. 189). Ein weiterer Karikaturist, der seit den Zeiten der Iranischen Revolution und auch anläßlich des Zweiten Golfkriegs einen solchen Topos verwendet, ist WOLF mit seinen Arbeiten vom August 1979 (Abb. 190) und vom März 1991 (Abb. 191). Nach der Lesart dieser Karikaturen können sich Orientalen nicht mit „unserer“ Intelligenz messen. Die Arroganz der hochtechnisierten Industriegesellschaften, „sämtliche Völker als moralisch unterlegen und irgendwie tieferstehend auf der Skala der Menschheitsentwicklung zu betrachten, die nicht über Elektrizität, Maschinen und ein eigenes Badezimmer verfügten“,519 findet hier ihren Ausdruck. Die Kulturen des Nahen Ostens scheinen „minderbemittelt“ zu sein und von da aus ist es nur ein kleiner Schritt, sie auch als minderwertig einzustufen - ein Rassismus, der Feindbilder vorbereitet und Hemmungen, militärisch zu intervenieren („aufzuräumen“), reduziert.

519 Keen 1986/1987, S. 42.

186 3.10 Der Feind als Fanatiker: Wahnsinn und Chaos in der Karikatur Feindbilder, die den Gegner bis an die Zähne bewaffnet und entsprechend kriegslüstern darstellen, gab es immer in der Karikatur. Das Feindbild „Süd“ aber scheint die Karikaturisten besonders dazu anzuregen, die feindlichen Regimeführer wie tollwütige Despoten in Erscheinung treten zu lassen. Der wild um sich feuernde, alles niedermachende Tyrann ist zum vorherrschenden Feindbild-Archetypus in der Karikatur der letzten Dekade geworden. Er steht im Gegensatz zu dem Bild des schachspielenden, taktierenden Feindes. Trotz dieses Widerspruchs ist dennoch auffallend, daß beide Motivtraditionen nebeneinander von den Karikaturisten benutzt werden, um die Politik des irakischen und später auch der serbischen Staatsmänner zu charakterisieren. Nicht alle tatsächlichen Diktatoren werden in Form des Despoten ins Bild gerückt (einige lateinamerikanische und pazifische, die zuweilen von den USA unterstützt werden, sucht man vergebens in diesem Zusammenhang), sondern vorzugsweise die Repräsentanten islamischer Länder. Der Grund für diese selektive Wahrnehmung ist offensichtlich: Der Islam wird in unserem Kulturkreis sowieso als fanatische, den gesunden Menschenverstand außer Acht lassende Religion angesehen, und es bietet sich an, dieses Image auf die Staatsführer zu übertragen. Für Muslime und erst recht die mehr oder weniger diktatorischen Präsidenten islamischer Staaten scheint das Stereotyp des Fanatikers genau zu passen. Diesen Topos brauchen die Karikaturisten nur aufzugreifen, und entsprechend der bereits vorhandenen Wahrnehmung im Norden werden die karikierten Staatsmänner als Chaoten und gefährliche Wirrköpfe, die außer Kontrolle zu geraten drohen, rezipiert. Ein frühes Beispiel dieses Archetypus in der Karikatur ist eine Zeichnung, die BEHRENDT 1975 anfertigt. Das Motiv von MICHELANGELOs „Erschaffung Adams“ zitierend, stellt BEHRENDT einen schießwütigen Arafat dar, der versucht, die „zarte“ Annäherung zwischen Saddat und Rabin zu vereiteln. (Abb. 192). Dem zähnefletschenden PLO-Führer entspricht in einer anderen Karikatur BEHRENDTs von 1981 der auf den Lettern „Iran“ stehende und in alle Himmelsrichtungen feuernde Khomeini (Abb. 193). Diese Bildformel findet sich auch in einer Darstellung WALDEMAR MANDZELs vom April 1991, nur ist es diesmal Saddam, der, mit Maschinengewehren wild hantierend und die Buchstaben „Irak“ niedertretend, den Gipfel der Aggressivität markiert (Abb. 194).

187 Ebenfalls mit Maschinengewehr und genauso gewaltbereit stellt TOMICEK einen Somali in einer Zeichnung vom Juli 1993 dar (Abb. 195). Er wählte für dieses Thema keinen bekannten Staatsführer, der anhand seiner Gesichtszüge zu identifizieren ist, sondern eine anonyme, die somalische Bevölkerung reprä- sentierende Figur wird durch die aus Einschußlöchern bestehende Schrift an der Wand ausgewiesen. Der mit ausgesprochen „negroider“ Physiognomie ausgestattete Somali empfängt auf diese Weise einen UN-Soldaten. TOMICEK läßt keinen Zweifel, wie die humanitäre Hilfe, die dieser mitbringt, aufgenommen wird. Der Somali besitzt dank seiner Waffe eine von Intelligenz geschiedene Macht. Noch wilder, das Bild vom Kannibalen aufgreifend, zeichnet TOMICEK die Somalis bereits eine Woche früher: Die zu Hilfe kommenden UN-Soldaten drohen verspeist zu werden (Abb. 196). Solcherart Rassismen von unzivilisierten, unbedacht mit Waffen hantierenden und deshalb gefährlichen, „Wilden“ finden ihre Vorläufer beispielsweise in Karikaturen von HANS GEISEN aus den 60er Jahren (Abb. 197 und Abb. 198). Auch in jüngerer Vergangenheit wird der Feind als blindwütiger Irrer präsentiert - so von WOLF in einer Karikatur vom Juli 1995 (Abb. 199). Diesmal handelt es sich um den Serbenführer Karadzic, der gegen den Westen amokläuft. Islamische Despoten werden in Karikaturen auch als geifernde Fanatiker subsumiert. Wie in einer Art Ahnengalerie werden sie in eine Reihe mit altbekannten Tyrannen gestellt. Der Fanatismus, die aggressive Haltung und auf Haß beruhende Politik der Karikierten ist als Antithese zum vernünftigen, wohlkalkulierenden, auf Werte fußenden Handeln westlicher Politiker zu sehen. Eindeutig antithetisch ist eine Karikatur BEHRENDTs von 1974, in der die Atommächte in diesem Sinne einander gegenübergestellt werden (Abb. 200). Deutlich ist die Differenz im Gebaren der „kultivierten“ Staatschefs (zu denen hier auch der iranische Schah gehört) und der terrorisierenden Autokraten, die außer „Rand und Band“ zu sein scheinen. Vor allem BEHRENDT benutzt das Motiv der Versammlung tobender und wütender Fanatiker immer wieder. Er vereint in einer Karikatur vom Mai 1983 schwer bewaffnete und wild entschlossen marschierende Befehlshaber wie Honecker, Castro, Arafat und Gaddafi in dieser Bildformel (Abb. 201). In seiner Zeichnung vom Dezember 1986 schickt Arafat gemeinsam mit dem syrischen Präsidenten Assad, mit Khomeini und mit Gaddafi Drohgebärden gen Westen (Abb. 202). Hier verschmilzt das Feindbild „Süd“ noch mit dem Feindbild „Ost“: Die islamischen Potentaten tragen mit „CCCP“ signierte Waffen. Im Zweiten Golfkrieg gesellt sich in einer Zeichnung BEHRENDTs vom Oktober 1990 zu den scheinbar obligatorischen Arabern auch ein Europäer: der französische Rechtsradikale Le

188 Pen (Abb. 203). Die siegestaumelnden Eiferer, von denen Arafat und Saddam wie in der Ikonographie von Darstellungen wilder Pferde einen „runden“, irren Blick haben, strotzen wiederum vor Waffen. Le Pen findet sich wieder bei den Arabern Arafat, Saddam, und Abu Nidal in einer BEHRENDT-Karikatur vom Januar 1991 (Abb. 204). Mit dabei sind diesmal Figuren, die anhand der Schilder, die sie hochhalten, als friedensbewegte Demonstranten zu identifi- zieren sind und die in dieser Zeichnung BEHRENDTs zu Mitstreitern der Despoten werden. Eher geeignet, den Fanatismus zum Ausdruck zu bringen als die bloße Aneinanderreihung von Tyrannen, die die Hand zum Siegeszeichen erheben, ist eine frühere Karikatur BEHRENDTs vom September 1990 (Abb. 205). Wir sehen den Khomeini-Nachfolger Ali Khamenei, Arafat und Saddam, die eine Art Kriegstanz aufführend ihre Schwerter schwingen. Durch die Schrift auf den Schwertern (und auf Arafats Pullover) ist ersichtlich, worum es geht: um den Jihad, den Glaubenskrieg. Alle Schattierungen des Feindbilds „Süd“ sind hier enthalten: Die Radikalität des religiösen Eifers, die unbedingte Gewalt- bereitschaft, die blinde Wut und Arafat als Synonym für Terrorismus. Die drei, den Heiligen Krieg ausrufenden, Machthaber tragen Schilder, auf denen benannt ist, gegen wen sich ihr Gebaren richtet. Dabei erfährt der Fanatismus gemäß (abendländischer) Leserichtung von links nach rechts eine Steigerung, denn während sich die Aggression Khameneis und Arafats noch gegen eine bestimmte Zielgruppe richtet, ist der dritte im Bunde (Saddam) gegen alle. Die wilden Gebärden der drei suggerieren, daß unkontrollierbare Energien kurz vor der Entladung stehen. Unmittelbarer kann eine Bedrohung kaum noch sein. Der Betrachter sieht sich und die ganze Welt diesen Irren ausgesetzt. Eine solche Karikatur kommt dem Ruf danach, solchem Tun Einhalt zu bieten und die Zivilisation zu verteidigen, gleich. Diese Karikaturen sind eine Form subjektiver Kriegsvorbereitung durch die Medien. Die ungezügelte Aggressivität ist in Karikaturen das Kennzeichen nahöstlicher Führer. Der österreichische Karikaturist DIETER ZEHENTMAYR drückt die Ge- walttätigkeit Khomeinis aus, indem er ihn in einer Karikatur von 1989 nur ein Gebot kennen läßt: „Du sollst töten“ (Abb. 206). Bei TIL (Pseudonym für GOTTHARD-TILMAN METTE) ist Arafat in einer Karikatur vom September 1993 nicht ganz so monomanisch strukturiert, ist ihm doch auch die Negation des Gebotes vermittelbar (Abb. 207). Die Veranschaulichung der Brutalität islamischer Despoten geschieht in Karikaturen häufig in Form des „Zähne-Zeigens“. Der französische Karikaturist

189 PLANTU (Pseudonym für JEAN PLANTUREUX) läßt ihn in einer Le Monde- Karikatur vom Mai 1989 aus dem Fernsehen „bellen“ (Abb. 208) oder in einer Karikatur vom Februar 1991 bildlich eindeutig umgesetzte Ausdrücke von sich geben (Abb. 209). Bei HEIDEMANN offenbart sich in einer Darstellung vom August 1990 Saddams Gebiß als Gefängnis (Abb. 210). In einer Karikatur von GÜNTER RYSS ist ein Monat später ein zähnebleckender Saddam „Außer Rand und Band“ (Abb. 211) und in einer im Februar 1991 im Cincinnati Enquire erscheinenden Karikatur des Amerikaners JIM BORGMAN zerquetscht er die Friedenstaube (Abb. 212). Sein wahres, zähnefletschendes Gesicht entblößt Karadzic in einer Karikatur vom Mai 1995 (Abb. 213). Diese Formel steht für die wahnsinnige Psyche des Feindes. DANZIGER drückt dies in einem im November 1993 in der International Herald Tribune veröffentlichtem Bild zur Abwechslung mal nicht mit den Zähnen, sondern mit dem Blick Saddams aus (Abb. 214). Aufgerufen wird in solchen Karikaturen zum Kampf gegen einen Wahnsinnigen, wobei außer Acht gelassen wird, daß es Männer, Frauen und Kinder sind, die dann in der militärischen Intervention tatsächlich bombardiert werden und unter den Kriegsfolgen zu leiden haben - wie gerade der Zweite Golfkrieg gezeigt hat, in dem ein Volk (nach Sprachgebrauch der Medien) „ins Mittelalter zurückgebombt“ wurde. Die Nähe zum Wahnsinn wird von Karikaturisten auch dadurch hergestellt, daß sie den Gegner als Einzelkämpfer, als einzelnen Bombenwerfer und Terroristen darstellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob MAULDIN in einer Karikatur für die Chicago Sun von 1984 Khomeini eine Kanone entzünden läßt (Abb. 215), HAITZINGER in einer Zeichnung vom Januar 1989 Gaddafi eine Zündschnur in Brand setzen läßt (Abb. 216), CANDEA im Januar und BRUNS und Februar 1991 Saddam in dieser Situation darstellen (Abb. 217 und Abb. 218), oder ERNST MARIA LANG Karadzic so wiedergibt (Abb. 219) - der Terror wird von einer einzelnen Gestalt verkörpert. Auch HANEL läßt Saddam in einer Karikatur vom Januar 1993 mit einer Bombe hantieren (Abb. 220), und bei einer Zeichnung DANZIGERs für die International Herald Tribune vom Februar 1991 handelt es sich um eine Handgranate (Abb. 221). Dieses Bild taucht auch in einer Karadzic- Karikatur vom Juli 1995 auf (Abb. 222).

Die islamischen Staatsführer werden mitunter selbst zur Bombe. HAITZINGER stellt im November 1979 Khomeini dergestalt dar (Abb. 223). In MESTERs Karikatur vom September 1990 (Abb. 224) und in einem von LURIE im Februar 1991 für den Le Figaro gezeichneten Blatt (Abb. 225) ist Saddam die Inkarnation der Bombe. Ob mit der Bombe spielend, wie Khomeini in HANELs

190 Karikatur von 1984 (Abb. 226) oder in TOMICEKs Darstellung des Irans vom August 1996 (Abb. 227), oder ob als Mutter der Bomben520, wie HANEL es in einer Zeichnung von 1986 zeigt (Abb. 228), die Aggressivität ist immer Terrorismus (im Unterschied zur Kriegsführung westlicher Nationen). Die direkte Verbindung zum Terrorismus bringen BEHRENDT 1974 (Abb. 229) und HANS JOACHIM GERBOTH im Februar 1989 (Abb. 230) zum Ausdruck. Die Politik islamischer Staatsmänner wird als Terrorismus ausgemacht, das eigene Bombardieren von Zivilisten (im Zweiten Golfkrieg beispielsweise durch amerikanische Truppen) ist dagegen legitim. Die Realisierung dieser Bedrohungswahrnehmung war im Zweiten Golfkrieg zu erleben. Zu der Vielzahl der Modifikationen von Bomben im Feindbild „Süd“ gehört auch das Ölfaß als Bombe. Eine Karikatur BÖHLEs vom Januar 1991 ist ein Beispiel für dieses Motiv (Abb. 231), das regelmäßig zur Bezeichnung der Situation im Nahen Osten herangezogen wird. Ölfässer dienen in den Karikaturen bereits im Ersten Golfkrieg dazu, die „brenzlige“ Lage zu veranschaulichen. MURSCHETZ verwendet diese Formel in einer Zeichnung vom September 1980 (Abb. 232) ebenso wie LUFF im Januar 1991 (Abb. 233) und BAS genau zwei Jahre später (Abb. 234). Bei MANDZEL (Abb. 235 und Abb. 236) und bei MURSCHETZ (Abb. 237) wird das „Treiben“ des Diktators Saddam zum (brand-)gefährlichen Spiel. Die Fackel - sonst Sinnbild des Licht-Bringens, der Erleuchtung - dient hier als Zeichen der Gefahr, die droht, wenn das explosive Material Feuer fängt. Ungeachtet der Tatsache, daß Saddam sich auch selbst vernichten würde, riskiert er die Explosion. Eine solche wahnsinnige Person ist offensichtlich als Fanatiker einzustufen und damit nicht kontrollierbar. Das Symbol Feuer verstärkt den Charakter des irren Fanatikers. Das Spiel mit dem Feuer steht in der Tradition des Brandstifter-Archetypus, wie er bereits im Ersten Weltkrieg vorkommt - so auf einer belgischen Postkarte von 1914 (Abb. 238) und auf dem von FRANK REYNOLDS gestalteten Titelbild der britischen Zeitschrift The Sketch aus dem selben Jahr (Abb. 239). Sowohl der Antifaschist HEARTFIELD benutzt dieses Bild 1935 in einer Photomontage (Abb. 240) als auch auf der „Gegenseite“ der Deutsche MAX ESCHLE in einem 1936 entworfenen Plakat (diesmal zur Kennzeichnung des Bolschewismus, Abb. 241). Bei der Gegenüberstellung eines antibolschewistischen Plakats der Bayrischen Volkspartei zur Landtagswahl 1919 (Abb. 242) und einer Karikatur des Österreichers FRANZ BRAZDA (1903-1981) aus dem Spanischen Bürgerkrieg von

520 Man ist an die Propaganda Saddams von der „Mutter aller Kriege“ erinnert.

191 1936/37 (Abb. 243) wird die Analogie mit einer Karikatur von 1982 deutlich, die Khomeini über einer Landkarte zeigt, die Welt in Brand setzend (Abb. 244). Auch RYSS´ Saddam-Karikatur vom Januar 1993 steht in dieser Tradition (Abb. 245). Der Wahnsinn des Fanatikers wird schnell zum Größenwahn. Dieser drückt sich in BEHRENDTs Karikaturen quantitativ in riesigen Flächen auf der Landkarte aus, gleichgültig, ob es um arabische Megalomanie geht (Abb. 246) oder um die des iranischen Revolutionsführers (Abb. 247). Eine prägnantere Darstellung der Hybris erfolgt mit dem Motiv des Erdballs, den der Despot sich zu eigen macht. GERBROTH verwendet diesen Topos in einer Karikatur von 1982, in der Khomeini sich mit dem Globus krönt (Abb. 248). In einer Zeichnung BEHRENDTs von 1986 läßt Gaddafi die Erdkugel auf seiner Fingerspitze kreisen (Abb. 249), und in SCHOENFELDs Karikaturen vom Januar 1991 und vom September 1994 (Abb. 250 und Abb. 251) wollen Saddam bzw. Karadzic die ganze Welt unterwerfen. Dieses Sujet des Griffs nach der Weltkugel hat Anklänge an eine Szene der Hitler-Persiflage in dem Chaplin-Film „The Great Dictator“521. Tatsächlich wurde Hitler 1942 von dem amerikanischen Karika- turisten BORIS ARTZYBASHEFF in entsprechender Manier dargestellt (Abb. 252). Überhaupt scheint sich den Karikaturisten der Vergleich mit Hitler aufzu- drängen, um den Feind zu diffamieren. In sowjetischen Karikaturen der Nachkriegszeit war diese Analogie Usus. Eine Karikatur aus der Prawda von 1961 läßt die Namen der deutschen Politiker Adenauer, Brandt und Strauß wie einen Schattenriß des Führers erscheinen (Abb. 253), wobei der Regimegegner und Exilant Brandt mit Hitler auf eine Stufe gestellt wird. Nicht nur in Verunglimpfungen Deutscher dient Hitler den sowjetischen Karikaturisten als Markenzeichen für Tyrannei. Eine Zeichnung aus der Prawda von 1984 stellt ihn als Verbündeten der Amerikaner dar, deren Politik mit der Gewaltherrschaft des Dritten Reiches verglichen wird (Abb. 254). Hitler ist zum Synonym für Despotie schlechthin geworden und fungiert in zeitgenössischen Karikaturen als solches. Außer für einige Ewig-Gestrige ist er die Verkörperung menschenverachtender Despotie, das Muster des Bösen. Die Person Hitler steht für alle Negativa der menschlichen Psyche und des mensch- lichen Handelns. WEIGLE (alias BERNSTEIN) stellt in einer Rezension des regelmäßig an Prominente gerichteten Fragebogens der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ fest, daß auf die Frage, „Welche geschichtlichen

521 Der Film entstand 1940 in den USA, wurde aber erst 1958 in Deutschland uraufgeführt.

192 Gestalten verachten Sie am meisten“ unisono „Hitler“ geantwortet wird (zuweilen wird dazu auch noch Stalin genannt).522 Der Vergleich mit Hitler ist hervorragend geeignet, den politischen Gegner herabzusetzen, denn er sagt mehr als alle Worte und wird deshalb zum Gemeinplatz in den Karikaturen, die sich gegen orientalische Despoten richten. Hitler ist in einer Karikatur CANDEAs von 1984 Gleichnis für den Größenwahn und die verbrecherische Ideologie von Khomeini (Abb. 255). Im gleichen Tenor wird die Figur Hitler im Zweiten Golfkrieg benutzt - als Gegenstück zu Saddam. Die unmittelbare Analogie zu Hitler und Stalin zieht BÖHLE, indem er in seiner Zeichnung vom August 1990 (Abb. 256) eine Karikatur DAVID LOWs (1891-1963) aus dem Jahre 1939 zitiert (Abb. 257). Statt Hitler und Stalin machen sich hier Saddam und Khomeini die gegenseitige Aufwartung mit den Worten: „´Der elende iranische Kinderschlächter, wie ich annehme?´ - ´Der große irakische Gas-Saddam, wie ich vermute?´“. Auch BEHRENDT bezieht den Hitler-Vergleich in einer Karikatur vom September 1990 auf Saddam (Abb. 258). Weitere Beispiele für das Gegeneinanderhalten der Despotie des Feindes Saddam mit der Hitlers sind Karikaturen von WOLTER (Abb. 259), von RUDOLF SCHÖPPER (Abb. 260), von HAITZINGER (Abb. 261), und von PIELERT (Abb. 262). Allesamt stammen ihre gezeichneten Hitler-Vergleiche aus dem Frühjahr 1991. Zur gleichen Zeit erscheinen Karikaturen, die einen Ausblick darauf geben, welches Schicksal Saddam ereilen wird: das des Führers. So stellen sich COOKSON und WOLF den Sieg über Saddam vor (Abb. 263 und Abb. 264). SCHOENFELD läßt in einem Blatt vom August 1992 Miloševic nach Hitler und Stalin auf ein Siegertreppchen treten, wo ihm vom Tod die Bronzemedaille überreicht wird (Abb. 265). Mit dem Vergleich mit Hitler erfährt die Führerperson Saddam die gleiche Rezeption wie sein berüchtigter Vorgänger. Wie aus der deutschen Vergangenheitsbewältigung hinreichend bekannt, wird hier Geschichte auf das Tun eines einzelnen Menschen reduziert. Die Auffassung, Hitler habe als Sonderfall der deutschen Geschichte zu gelten und die Nazi-Diktatur sei seinem eigentümlichen, anders strukturierten Charakter anzulasten, ist auch heute noch vorhanden. Diese Sicht vom Diktator suggeriert, seine Handlungen seien Ausdruck seiner (irren) Psyche und hätten ihren Ursprung in dessen perversen Trieben.

522 Vgl.: Weigle, Fritz (alias F.W. Bernstein): Hitler verachten. In: die tageszeitung v. 24.1.1997, S. 20.

193 Die besprochenen Karikatur-Motive vom irren Fanatiker oder vom Prototypen des Tyrannen zeigen einen Einzeltäter. Diese Vorstellung schließt den Gedanken vom Verführer und von demjenigen, der ein (unschuldiges) Volk ins Verderben treibt ein. WEBER stellte 1932 „Das Verhängnis“ des deutschen Volkes als Marsch ins eigene Grab dar (Abb. 266). In einer Zeichnung vom September 1990 zitiert LUFF genau dieses Bild - nur tauscht er das Hakenkreuz auf dem Sarg gegen das Konterfei Saddams aus (Abb. 267). Die Masse wird von einem Psychopathen verführt.523 Das Bild vom Rattenfänger, wie STEIGER es beispielsweise 1979 von Khomeini entwirft (Abb. 268), ist eine entsprechende Darstellung. Die irregeleitete Masse ist nicht schuldig an den Verbrechen des Regimes, sondern ihr „Führer“524. So läßt sich der Nationalsozialismus inclusive Genozid als ganz persönliche Schuld eines einzelnen, nämlich der Person Hitler, erklären. Die Verführten werden selbst zum Opfer des gewissenlosen Herrschers. Durch solche Thesen wird Geschichte rehabilitiert, ein ganzes Volk erscheint unschuldig, und damit ist letztlich auch der einzelne nicht verantwortlich.525 Die Vorstellung vom Führer und von der verführten Masse thematisiert nicht die Übereinstimmungen in Interessen und Absichten von Verführern und Verführten.526 So wie der Topos der Einzeltäterschaft eine Verschleierung der tatsächlichen Strukturen und Verantwortlichkeiten ist, so läßt auch das Bild von der Masse eine wirkliche Analyse der Gegebenheiten vermissen. Die Unterstellung, das Regime des Dritten Reiches sei Produkt der psychischen Disposition Hitlers, macht aus dieser Tyrannei einen „Ausrutscher“. Demnach hat Hitler nichts mit den eigentlichen („guten“) Deutschen gemein.527

523 „Masse“ ist laut Marks ein rein fiktives Phänomen: „Es gibt sie überhaupt nicht! Sie wurde noch nie beobachtet, sie ist Erfindung [...]. Sie ist eine mythologisierende Verdrehung der Realität. Es gibt nur ´Menge´, d.h. eine mehr oder weniger große Ansammlung von Menschen.“ Marks 1983, S. 175 (Hervorhebungen im Original). 524 „Als ´Schicksal´ ist dann verklärt, was einer kritischen Analyse entzogen werden soll: der ´Bauplan der Gesellschaft´. Die Ursache des Faschismus wird so ausdrücklich im Unbegreiflichen festgemacht.“ Marks 1983, S. 58. 525 „Man komme mir nicht mit der Phantasie, Faschismus sei ein Zustand 12jähriger Verblendung oder Rausch gewesen, das ist zu billig! Die Mehrheit hat diesen Faschismus gewollt - erst im Nachhinein soll dieses Interesse verschleiert werden durch den dümmlichen Mythos vom Massenwahn.“ Marks 1983, S. 175f. 526 Vgl.: Marks 1983, S. 79. Weigles ironischer Satz „Zu Lebzeiten ward er [Hitler] natürlich auch schon heftig verachtet: Etwa im Rhein-Ruhr-Klub der Industriellen [...]“ führt vor Augen, daß Hitler außer von den damaligen Regimegegnern nur im Nachhinein als Irrer begriffen wird. 527 In jüngster Zeit hat Goldhagen die Antithese dazu geliefert. Vgl.: Goldhagen, Daniel Jonah: Hitlers willige Vollstrecker. Berlin 1996. Aber bereits 1986 schrieb Keen: „Die Hauptverantwortung für den Krieg liegt nicht bei Schurken und bösen Männern, sondern

194 Der Vergleich Hitler / islamischer Despot verweist die Gestalt deutscher Geschichte in den orientalischen Bereich, denn Hitler verfügt nicht über die abendländischen zivilisierten Qualitäten - so als ob er aus einer anderen Welt stammen würde. Ein tyrannisches Regime eines wahnsinnigen Hitlers steht im Widerspruch zum Selbstbild vom vernunftgeleiteten, aufgeklärten, Menschen- rechte wahrenden Abendland. Hitler gerät zum „Betriebsunfall“ einer zivilisierten Kultur. Er wird „orientalisiert“, indem Fanatismus und Irrationalität als morgenländische Charakterzüge gehandelt werden: Dort sind sie Prinzipien der Herrschaft und Kultur - bei uns kommen sie (eigentlich) nicht vor.528 Die politische Bedeutung solcher Karikaturen, die den Feind als Fanatiker darstellen, liegt zum einen in ihrem propagandistischen Potential: Sie betreiben Kriegshetze, weil sie zum Einschreiten gegen die Weltbedrohung aus dem Süden aufrufen. Damit werden sie zur strategischen Waffe im Konfliktfall, wie er im Zweiten Golfkrieg gegeben war. Der Sprach- und Sozialforscher JÜRGEN LINK nennt solche Karikaturen „Schreibtischtaten in vollem Sinne“529. Andererseits wirken solche Feindbildkarikaturen an der Etablierung der „Neuen Weltordnung“ mit. Ein Szenario, wie diese in Zukunft aussehen könnte, entwirft LINK. In Anspielung an George Orwells und Aldous Huxleys Negativ-Utopien prophezeit er eine Einteilung oder „Ordnung“ der Welt in zwei Hälften: Die reiche, mit allen Ressourcen versorgte nördliche Hemisphäre, ist von der südlichen (in etwa dem, was wir heute unter „Dritte Welt“ fassen) hermetisch abgeschottet (man denke an „Festung Europa“). Eine Vermischung von Bevölkerungen oder Kulturen, Werten oder Idealen findet nicht statt. Der Süden wird vom Norden als Rohstofflieferant ausgebeutet und gleichzeitig von der Teilhabe am Wohlstand ausgeschlossen. Erst diese „Ordnung“ garantiert die „Normalität“ des Nordens als relative Konfliktlosigkeit, während im Süden politisches Chaos und regional begrenzte Kriege herrschen, die im Normalzustand die nördliche Welt nicht berühren. Die Führer der nördlichen Halbkugel verstehen sich als Wahrer dieser Ordnung, als Weltpolizisten, die dafür Sorge tragen, daß sich die Dritte-Welt-Konflikte nicht auf den Norden ausdehnen. Zu diesem Zweck greifen alliierte Kämpfer (UNO-Truppen) vor Ort ein. Zur Legitimation der eigenen Sheriff-Funktion und solcher Interventionen werden in regelmäßigen Zyklen Feindbilder aufgebaut, indem einzelne

bei mehr oder weniger anständigen Bürgern. Jedes tiefere Verständnis der sozialen Funktion von Kriegen führt zu dem Schluß, daß es die ´guten´ Deutschen waren, die das soziale Umfeld schufen, auf dem die Nazis gediehen.“ Keen 1986/1987, S. 89f. 528 Vgl.: Schulze 1991, S. 9. 529 Link 1991, S. 91.

195 Repräsentanten des Südens in den Medien als Fanatiker, Fundamentalisten oder „Irre“ präsentiert werden, deren Treiben man nun lange genug zugesehen hat und dem endlich ein Ende gemacht werden muß.530 Was den Ordnungs- erhaltungs-Mechanismus des Feindbildes angeht, ist diese „Polit-Fiction“ für LINK bereits Realität. Karikaturen, die das Feindbild transportieren, sind Bestandteil dieses Mechanismus. Er fordert deshalb eine „größtmögliche Störung dieses Mechanismus“531 beispielsweise dergestalt, daß gegen ihre kriegshetzerische Funktion sensibilisiert wird. Eine solche Sensibilisierung kann geschehen, wenn die Motive in Karikaturen und das System von Bildern, das überhaupt in den Medien und in der Sprache besteht, um politische Aussagen symbolisch zu kodieren, einer näheren Untersuchung unterzogen werden. In der Sprach- und Literaturwissenschaft wurde dazu die sogenannte Diskursanalyse als Methode der Textuntersuchung entwickelt. Der in dieser Verwendung relativ junge sprach- und auch politikwissenschaftliche Begriff „Diskurs“ wird im Alltagssprachlichen mit „Rede“ synonym verwandt. Von Diskurstheoretikern werden darunter institutio- nalisierte bzw. geregelte Redeweisen verstanden, wenn sie an Handlungen geknüpft sind. Aufgrund ihrer Institutionalisierung und aufgrund ihrer Wirkung stehen Diskurse im Zusammenhang mit bestimmten Intentionen und üben Machtwirkungen aus.532 Die Diskursanalyse dient dazu herauszufinden, welche Inhalte mit den Texten vermittelt werden, welche Realität in ihnen wieder- gegeben wird, welche ideologischen Motive sich destillieren lassen bzw. welchem Denken die Texte entsprechen und welche Wirkungen beim Leser bzw. Hörer beabsichtigt und welche zu erwarten sind.533 Dieses Verfahren eignet sich auch zur Behandlung von Karikaturen. Ihre Symbole, Metaphern oder „Bilder“ sind die Verpackung politischer Aussagen. Diese „Bilder“ werden von LINK „Kollektivsymbole“ genannt, weil sie kollektiv verankert sind.534 Die Kollektivsymbole sind der „Kitt“ der Diskurse. SIEGFRIED JÄGER spricht von der „Fährenfunktion“ der Metaphern: „Sie können sozusagen als ´Fähren ins Bewußtsein´ für andere Inhalte dienen, indem diese anderen Inhalte an sie gleichsam angekoppelt werden

530 Vgl.: Link 1991, S. 90. 531 Link 1991, S. 91. 532 Vgl.: Jäger, Siegfried (Hrsg.): Text- und Diskursanalyse. Eine Anleitung zur Analyse po- litischer Texte. (Diss-Texte Nr. 16). Dortmund 1991 (im folgenden: Jäger 1991), S. 26f. 533 Vgl.: Jäger 1991, S. 14. 534 Vgl.: Link 1991, S. 75.

196 und so mit ihnen zusammen ins vorhandene Hintergrundwissen hinein- transportiert werden.“535 Eine Aussage wird so an ein Symbol geknüpft, womit ein besonderer „Behaltenseffekt“ erzielt wird. Es handelt sich um eine Implantierung des Symbols bzw. der Aussage ins Bewußtsein des Rezipienten, wo es „als Baustein für die Entwicklung eines bestimmten Weltbildes (oder auch für seine Befestigung oder Bestätigung) fungieren“536 kann.

Schon AVENARIUS schrieb 1918 in seinem Artikel „Die Karikatur im Kriege“, daß Karikaturen nicht nur über den dargestellten Sachverhalt Auskunft geben, sondern auch über die politische Auffassung von Zeichner und Publikum. Laut AVENARIUS „spricht“ die Karikatur „über den Geisteszustand von Mehrheiten in ihren Ursprungsländern, und zwar meistens nicht durch das, was ihre Zeilen und Striche mit Absicht, sondern durch das, was sie unabsichtlich sagen - durch das, was sie verraten.“537 Es geht also bei der Untersuchung um die Karikaturen selbst als Ausdruck bestimmter Denkweisen, die herauszufiltern sind. Schauen wir uns unter diesen Vorgaben Bilder vom Orient in den Karikaturen an, so wird offensichtlich, daß sie eine Akkumulation von Kollektivsymbolen bieten. Bei den bereits beschriebenen Topoi vom despotischen, irren Führer dümmlicher Völker wird stets ein Gefälle von Nord nach Süd suggeriert. Die Menschen des Nordens sind reich, souverän, wissend und handlungsfähig, die des Südens arm, unwissend, unaufgeklärt, affektgesteuert. Dieses Image vom prinzipiellen Gegensatz zwischen Orient und Okzident drückt sich in den Karikaturen durch einen weiteren Archetypus aus: das Motiv „Dunkelheit“. In der christlichen Ikonologie ist Dunkelheit ebenso Synonym für die Hölle als unendliche Qual wie für das Chaos als prä-biblischer Zustand, bevor Gott die Welt schuf (angefangen mit dem Licht). Die Dunkelheit ist insofern Abwesen- heit von Gott. Auch in der profanen Ikonologie ist der Gegensatz Licht und Dunkel elementar. Die Aufklärung wird von dem „Licht der Erkenntnis“ erhellt. Finsternis ist Nicht-Erkennen, Blindheit, Anti-Aufklärung. In der Fortführung dieser Reihe steht Dunkelheit auch für Um-Nachtung und Wahnsinn. „Finsternis“ eignet sich als Kollektivsymbol für die Vermittlung der Vor- stellung, im feindlichen Lager herrsche (noch) „tiefes“, „dunkles“ Mittelalter, dort sei man in der Entwicklung Jahrhunderte hinter der humanistischen Welt

535 Jäger 1991, S. 37. 536 Jäger 1991, S. 37. 537 Avenarius 1918, S. 4.

197 der Industrienationen zurück, gleichsam „zurückgeblieben“, geistig minder- entwickelt. Entsprechend häufig sehen wir in Karikaturen, denen das Feindbild „Süd“ innewohnt, die Dunkelheit „dämmern“ oder herannahen. Unmittelbar nach der Iranischen Revolution setzt dieser Archetyp ein. HERBERT KOLFHAUS (1916-1987) zeichnet beispielsweise im April 1979 eine Szene, in der der „goldene iranische Staat“, den Khomeini heraufziehen sieht, sich als bedrohliche dunkle Wolke vom linken Bildrand her in Bild ergießt (Abb. 269). In einer amerikanischen Karikatur vom Dezember des gleichen Jahres ist die Dunkelheit der Ort, wohin die Reise des Irans geht. Unmißverständlich macht der Zeichner MACNELLY mit dem Schild „Leaving 20th Century“ deutlich, wie groß die Zivilisationsunterschiede sind. Sie umspannen Jahrhunderte (Abb. 270). Der gleichen Metaphorik bedient sich HAITZINGER in einer Zeichnung vom August 1980. Auch er verwendet Schilder, um anzuzeigen, wie rasant der Rückschritt des von Khomeini an die Hand genommenen Irans vonstatten geht, wobei HAITZINGER das Geschehen in einer spärlich von einer Kerzen beleuchteten finsteren Höhle lokalisiert (Abb. 271). Noch eindeutiger setzt HAITZINGER die Finsternis-Symbolik in einem im Juni 1981 erschienen Blatt ein. Hier wird „Irans letzter Lichtblick“, Bani Sadr, von Khomeini „ausgepustet“. Wie im Comic-Strip sehen wir in einem zweiten, darunterbefindlichen Bild das Resultat dieser „Politik“: völlige Umnachtung (Abb. 272). Die Dunkelheit droht nicht nur dem eigenen Volk, auch der Westen ist von der aus dem Orient kommenden Nacht bedroht. HANEL faßt dies in einer Zeichnung vom August 1992 zu einem antithetischen Bild: Der Präsident der USA ist in der hell“erleuchteten“ linken Bildhälfte zu sehen, wie er vor Saddam, hier eindeutig Vertreter des Reichs der Finsternis, zurückschreckt (Abb. 273). Der Code solcher Bilder ist auch gegeben in Karikaturen, in denen der Feind drohend seinen Schatten wirft. Dieses Motiv ist beliebt bei Karikaturisten, weil es so prägnant eine unheilschwangere Situation zeichnet und eine ausgeprägte Bedrohungsvorstellung vermittelt. Deshalb bedienen sich Ende der 80er Jahre BEHRENDT (Abb. 274), TIL (Abb. 275) und OLIPHANT (Abb. 276) in ganz ähnlicher Weise dieser Formel. All diese Bilder entsprechen einer negativen Kulturtypologie, die die islamische Welt als Ort der Gegen-Vernunft, des unberechenbaren Fanatismus und des Wahnsinns darstellt. Das Dunkel und die Nacht repräsentieren Chaos. Innerhalb der vermeintlich bewußtseinsorientierten, rationalen Welt des Nordens ist das Chaos eine bedrohliche Vorstellung. Im Chaos herrschst keine Ordnung, keine Orientierung, man droht, im Chaos zu „versinken“ und verliert damit die

198 Kontrolle.538 Karikaturen, die genau diese Angst vor der Finsternis und dem Chaos aufgreifen, arbeiten auf rein emotionaler Basis. „Chaos drückt die Angst und Beunruhigung aus, ohne diese aufzuklären. Im Gegenteil: der ´chaotischen´ Situation wird jegliche Rationalität und Durchschaubarkeit abgesprochen. Sie wird zum schlechthin Unerklär- lichen ernannt. Chaos ist ein Begriff der Gegenaufklärung.“539 Mit Karikaturen, die den Feind mit Dunkelheit und Chaos assoziieren, werden lediglich Ängste entfacht, statt politische Hintergründe aufgedeckt und Auf- klärung betrieben. Sie lassen eine differenzierte, politisch aufgeklärte Sicht der Dinge vermissen. Wahnsinn, Finsternis und Chaos sind Begriffe, die eine analytische Auseinandersetzung ausschalten, weil sie absolut sind: die Phäno- mene sind ebenso unerklärbar wie unabänderbar. Auf diese Art vereiteln solche Begriffe eine Analyse und sind deshalb gegenaufklärerisch. Anstatt die eigentlichen sozio-ökonomischen Ursachen für das vorhandene Nord-Süd- Gefälle zu reflektieren, dem der Mechanismus einer „auf einem strukturellen Gewaltverhältnis beruhenden globale[n] ´Apartheit´“540 inhärent ist, zementieren derartige Karikaturen eine auf Feindbildern aufbauende „Neue Weltordnung“, die an den tatsächlichen Grundlagen der „Welt-Unordnung“ vorbeigeht.541 Mit dem Einsatz der beschriebenen Archetypen erfüllen die Karikaturisten keines- wegs die Maxime, Wahrheit zu enthüllen und die Betrachter wachzurütteln. An der Reaktion der Karikaturisten auf den Zweiten Golfkrieg ist die Ver- wendung des konventionellen Zeichenrepertoires angesichts der neuen Kriegsdimension des Zweiten Golfkriegs zu bemängeln. Seine Bedeutung als high-tech-Krieg bei gleichzeitiger Nicht-Informierungs-Politik und seine welt- politische Funktion innerhalb der „Neuen Weltordnung“ ist nicht thematisiert worden. Entsprechend ist WEIGLE der Auffassung, die Karikaturisten hätten von einem ganz anderen Ansatz ausgehen müssen, um einem wirklich kritischen Anspruch gerecht zu werden: „´Bei uns sitzen Sie in der ersten Reihe´ - die

538 Die Furcht vor dem Chaos ist für Marks eine Disposition des bürgerlichen, kapitalistisch- rationellen Menschen. Sie entspringt der Angst vor gesellschaftlichen Veränderungen mit der Revolution als GAU. Vgl.: Marks 1983, S. 125. 539 Marks 1983, S. 123. 540 Nuscheler, Franz: Neue Bedrohungen aus dem Süden? Zur Funktion des Feindbildes Dritte Welt. In: Dritte Welt und Islam. Neue Feindbilder nach dem Kalten Krieg? Kongreß des Instituts für Internationale Politik und Bundstifte e.V. v. 14.9.1991 in der Alten Feuerwache in Köln. (Arbeitspapier des Instituts für Internationale Politik, Nr. 15, Januar 1992), S. 7-13 (im folgenden: Nuscheler 1992); hier: S. 13. 541 Vgl.: Nuscheler 1992, S. 12.

199 Vermittlung des Krieges zu packen, war aufklärerischer, als ewig den Teufel Saddam an die Wand zu malen.“542 Diese Qualität der Sensibilisierung der Rezipienten wird jedoch von einigen Karikaturen angestrebt. In Anlehnung an Kategorisierungen der Karikaturen, wie GRÜNEWALD sie vorgenommen hat und wie sie im nächsten Kapitel vorgestellt werden, kann man sie als „analytische Karikaturen“ bezeichnen.

542 Weigle 1991, S. 17.

200 4 Analytische Karikaturen

Im Hinblick auf eine effiziente Untersuchung von Karikaturen unter ikonographisch-soziologischen Prämissen eignet sich ein Verfahren sehr gut, wie GRÜNEWALD es entwickelt hat: Er nimmt eine Einteilung der Karikatur in verschiedene Kategorien vor und differenziert zwischen der kommentierenden Karikatur, die Abbildung einer parteilichen Meinung ist, der deskriptiven Karikatur - eine karikaturistische Komposition einer bestimmten Situation -, der agitatorisch-propagandistischen Karikatur - eine aggressive Zeichnung, die ein agitatorisches Kampfblatt ist - und der analytischen Karikatur, die eine tatsächliche Analyse von gesellschaftlichen Vorgängen bedeutet.543 Diese Kategorien sollen Anhaltspunkte zur Bewertung der Karikaturaussage liefern. Der Realitätsbezug der Karikatur ist der Maßstab der Bewertung. In der kommentierenden Karikatur werden aktuelle politische Ereignisse dargestellt, indem einzelne Politiker als Verkörperung einer zu kritisierenden Politik in metaphorischen Analogien auftreten. Die Mehrzahl der Presse- zeichnungen in der BRD fällt in diese Kategorie.544 Die kommentierende Karikatur ist die „visualisierte persönliche Meinung des Zeichners“545, ohne daß er diese begründet. Für den Betrachter soll diese Karikatur ein Ansatzpunkt sein, der dargestellten Auffassung zu folgen. Sie zielt also auf eine Anpassung des Rezipienten. Eine Karikatur aus dem „Deutschen Studenten-Anzeiger“ der NPD zeigt Ulbricht, der vor der Mauer im Begriff ist, jemanden zu erdrosseln. Über die Mauer schaut ein lächelnder Willy Brandt, der mit einem Blumenstrauß in der Hand winkt (Abb. 277). Dieser Kommentar zur Brandtschen DDR-Poltik appelliert an ein moralisches Empfinden. Die Darstellung ist so gewählt, daß die Assoziationen des Betrachters auf einer rein emotionalen Ebene zu einem Urteil führen. Die dargestellte Szene ist aber eine Konstruktion, die unabhängig von den politischen Fakten ist.546 GRÜNEWALD fragt nach der Relation zwischen dem tatsächlichen Ereignis und der Art der Darstellung und resümiert, daß die kommentierende Karikatur nicht auf einer faktenmäßig nachvollziehbaren Analyse fußt, sondern eher auf Ideologie und auf Vorurteilen.547 Solche Karikaturen, die eine politische Situation auf eine Person zuspitzen, sind nicht

543 Unabhängig von der Kategorisierung Grünewalds nimmt auch Timm eine Unter- scheidung zwischen kommentierender, deskriptiver und analytischer Karikatur vor. 544 Vgl.: Timm 1972, S. 15. 545 Grünewald 1979, S. 126. 546 Vgl.: Grünewald 1979, S. 128. 547 Vgl.: Grünewald 1979, S. 129.

201 analytisch, weil sie die Mißstände nicht auf ihre ökonomischen und sozialen Ursprünge hin ausloten und zurückführen, sondern sie auf das Handeln einzelner Politiker reduzieren, damit die politische Realität aber nicht erfassen.548 Wie wir gesehen haben, ist die Personalisierung von politischen Sachverhalten und die Methode, mittels Kollektivsymbolen gegnerische Politiker in einen Zusammen- hang zu bringen, in dem sie bedrohlich, unmenschlich, etc. erscheinen, den Feindbildkarikaturen inhärent. Unter dem Terminus „deskriptive Karikatur“ sind Darstellungen zu fassen, die anstatt eines Abkürzungsverfahrens bzw. einer metaphorischen Analogie ihre Wirkung aus der realistischen Montage einzelner „Realitätspartikel“ beziehen, wobei divergierende Momente zusammengestellt werden (z.B. ein Kontrast zwischen dargestellter Situation und Untertitel). Die deskriptive Karikatur inszeniert selbst eine Begebenheit, anstatt Analogien zu ziehen. Zur Ver- deutlichung des deskriptiven Verfahrens dient eine Karikatur von HANS-JÜRGEN PRESS, die im Stern erschien (Abb. 278). Erst das Zusammentreffen inkompatibler Aussagen (Bild / Untertitel) bietet die Entlarvung des vom Karikaturisten kritisierten Mißstandes. Im vorliegenden Fall wird die Frage, die der unbedarfte Mann im Bildvordergrund stellt, nämlich nach dem Verbleib der jüdischen Nachbarn, konterkariert durch die Requisiten des Nationalismus, verbunden mit der Forderung nach der Heimat im Osten. Das Aufeinander- prallen dieser beiden Momente gibt die Antwort auf die Frage.549 Statt Personalisierung betreibt die deskriptive Karikatur Typisierung, denn eine ganze gesellschaftliche Gruppe wird kritisiert. Ihre Anschauungsweise wird durch das „Ambiente“ veranschaulicht. Die Accessoires in der detailgenauen Darstellung sind keine willkürlichen Ausschmückungen, sondern „notwendige Struktur- elemente der Kritik, daher das ´erzählerische´ Moment dieses Typus der politischen Karikatur, die zumeist ´gelesen´ werden muß.“550 Die deskriptive Karikatur ist aufgrund ihrer minutiösen Gestaltung nur sehr selten in der Tagespresse zu finden. Sie erscheint eher in Illustrierten und unterliegt damit nicht den Aktualitätsansprüchen wie die Karikaturen, die in Zeitungen ver- öffentlicht werden. Meist widmet sie sich im weiteren Sinne gesellschaftlichen Problemen und behandelt keine Tagespolitik, weshalb sie im Zusammenhang mit Feindbildern so gut wie nie vorkommt.

548 Vgl.: Timm 1972, S. 14. 549 Vgl.: Timm 1972, S. 16. 550 Timm 1972, S. 16f.

202 Die agitatorisch-propagandistische Karikatur ist eine Variante, die wesentlich plakativer ist. Eine Karikatur von WALTER KUROWSKI beispielsweise zeigt ein gräßlich dargestelltes Krokodil, das mit den Insignien des Kapitalisten ausgestattet ist (Abb. 279). Der Untertitel „...verdammt zäh, die Lehrlinge heute!“ macht deutlich, wen es gerade verschlungen hat. Hier wird ein politischer Gegner extrem überzeichnet und diffamiert, so daß der Betrachter sich selbst automatisch auf der ideologisch entgegengesetzten Seite ansiedelt. Diese Form der Karikatur kommt einem agitierenden Schlagwort gleich, einer Kampfparole, zu dem Zweck, diejenigen, die die eigene Meinung bereits teilen, darin noch zu bestärken und ihre Emotionen entsprechend zu schüren.551 Die Unschlüssigen will die agitatorisch-propagandistische Karikatur via Emotionen auf ihre Seite ziehen.552 Sie will gar keine Überzeugungsarbeit leisten, sie will nichts aufdecken oder Hintergründe entlarven. Sie beschreibt weder einen Sach- verhalt, noch analysiert sie ihn. Sie will emotionale Reaktionen auslösen. Diese Form der Karikatur steht in einer Reihe mit Kampfblättern und Plakaten. Die vorgestellten Feindbild-Karikaturen entsprechen mit ihrer Verwendung von Archetypen weitgehend dieser Kategorie. Die analytische Karikatur zeichnet sich vor den Darstellungsmethoden anderer Kategorien dadurch aus, daß sie versucht, „die gesellschaftlichen Widersprüche zeichnerisch zu fassen und nach Möglichkeit im Bild selbst Wege zu deren Überwindung“553 aufzuzeigen. Sie geht über eine bloße Verurteilung, wie die Karikaturen der anderen Kategorien sie betreiben, hinaus, indem sie Hintergründe aufdeckt. Veranschaulichen läßt sich die Vorgehensweise der analytischen Karikatur am Vergleich von Karikaturen, die sich zur Zeit der Ölkrise Anfang der 70er Jahre in das Bild vom „bösen“ Araber einklinken554 und solchen, die die eigentlichen Verantwortlichen nennen. Eine regelrechte Anti-

551 Vgl.: Grünewald 1979, S. 137. 552 Vgl.: Grünewald 1979, S. 138f. 553 Timm 1972, S. 18. 554 „Die ´Ölkrise´ fand reiche Resonanz in der Karikatur. Araber - stets erkenntlich an ihrer Kopfbedeckung und ihrer Kleidung - sperren mit dem Fuß die Erdölpipeline. Europa friert. Selbst der Bundesadler trägt Fausthandschuhe, Pudelmütze und Wollschal. Das unternehmerische Handelsblatt zeichnet bedauernd Arbeiter, die von grimmig und verschlossen blickenden Arabern ausgesperrt wurden. Europa verarmt, die Schlote rauchen nicht mehr. Die Verhältnisse drehen sich um. Jetzt reisen Araber als Touristen ein, bestaunen und bemitleiden die primitive europäische Bevölkerung. Die Karikatur baut den Araber als Buhmann auf; zeichnet kraß beängstigende Folgen: Die Araber übernehmen die Macht. Statt des Kölner Domes wird eine Moschee errichtet.“ Grünewald 1979, S. 130 (Hervorhebung im Original).

203 Araber-Kampagne setzte in den Karikaturen ein (vgl. das Kapitel über den Archetypus „Plutokrat“, Abb. 103). Von einer Analyse der wirklichen politischen Situation kann bei solchen Karikaturen keine Rede sein. Die Karikaturen dienen zur emotionalen Einstimmung der Bevölkerung. Die Menschen spüren die Folgen einer Ölknappheit. Wo sie die Schuldigen dafür suchen sollen, wird ihnen vorgegeben, um zu verschleiern, daß die Krise künstlich im Interesse von Wirtschaftskonzernen initiiert wird.555 Dagegen ist eine Karikatur HAITZINGERs von 1973 ein Beispiel für eine analytische Karikatur (Abb. 280). Unter dem deutschen Michel ist der Untertitel „Verdammte Araber“ zu lesen, womit die allgemeine Stimmung wiedergegeben wird. Durch die Armlöcher der Stellwand streckt ein dahinterstehender Unternehmer (als solcher identifizierbar durch seinen Körperumfang, seine Melone, die Zigarre und schließlich an der Aufschrift „Mineralölgesellschaft“) seine Arme und hält die Hand auf, das Geld des Michel begehrend. Diese Karikatur stimmt nicht in den Kanon vieler damaliger Karikaturen ein, die mit der Angst vor einer Energiekrise und dem damit verbundenen Wohl- standsverlust bei gleichzeitiger Furcht vor den Arabern operieren, sondern weist auf die wahren Ursachen hin. Diese Karikatur ist nicht bloße Wiedergabe der Meinung des Karikaturisten - sie ermöglicht vielmehr einen Blick hinter die Kulissen und offeriert dem Betrachter damit tiefere Einblicke in den Sachverhalt. Sie wird dem Kriterium gerecht, daß die Darstellung sich auf nachprüfbaren Fakten gründet. Damit ist sie nicht nur kommentierend, sondern aufklärerisch und bietet darüberhinaus noch eine Problemlösung an: „Die Krise kann überwunden werden, wenn Macht und Einfluß der Konzerne beschnitten werden.“556 Gleichzeitig mit der Kritik liefert die analytische Karikatur also eine Perspektive für die Überwindung des Problems. Sie setzt den wünschenswerten Zustand „als Maßstab der Kritik voraus.“557 Auch wenn in dieser Arbeit bisher Karikaturen behandelt wurden, die Feindbild- Träger und eher agitatorisch sind, muß an dieser Stelle deutlich gemacht werden, daß daneben durchaus auch analytische Karikaturen erscheinen. Trotz der prädestinierten Situation, Feindbilder zu übernehmen, finden sich auch unter den Karikaturen, die zur Zeit des Zweiten Golfkriegs entstanden sind, solche,

555 „Heute wissen wir, daß die Lager der Konzerne mit Öl ausreichend versorgt waren, daß volle Öltanker auf See kreuzten, um durch künstliche Ölknappheit die Preise in die Höhe zu treiben und die Regierungen zu zwingen, den multinationalen Konzernen mehr Macht zuzuerkennen.“ Grünewald 1979, S. 131. 556 Grünewald 1979, S. 132. 557 Grünewald 1979, S. 134.

204 die nach der vorgestellten Terminologie analytisch zu nennen sind. Es handelt sich dabei um Zeichnungen, die sich nicht an die Feindbild-Traditionen halten und Saddam als Unhold verunglimpfen, sondern die die eigene Rolle, die des Westens, thematisieren und damit die Bedeutung des Krieges auf einer ganz anderen, analytischen Ebene erfassen. Nicht die konventionellen Bildfindungen werden lediglich variiert, sondern es geht darum, die Hintergründe pointiert ins Bild zu setzen und den Betrachter so über die politischen Umstände aufzuklären. Analytische Karikaturen kommen übrigens aus der „Feder“ derjenigen Karika- turisten, die schon aus den bisherigen Kapiteln bekannt sind. Es verblüfft, daß ausgerechnet die Karikaturisten, die ansonsten selbst ein Feindbild propagieren, in anderen Karikaturen deutlich machen, daß es sich um ein bewußt aufgebautes Feindbild handelt und darüberhinaus noch benennen, wem es nützt. HAITZINGER beispielsweise zeigt in einer Zeichnung vom Juli 1993, daß das Feindbild „Saddam“ innenpolitischen Motiven dient (Abb. 281). Auch TIL deckt diese Funktion in einer Karikatur vom Januar 1993 auf (Abb. 282). BRUNS offenbart im März 1991 den gleichen Sachverhalt bezogen auf die deutsche Innenpolitik (Abb. 283). In einer Karikatur vom August 1990 zeigt STUTTMANN, daß die moralische Verurteilung Saddams seitens der Amerikaner eine ausgesprochen selektive Wahrnehmung ist (Abb. 284). Mit der Informationspolitik während des Zweiten Golfkriegs beschäftigt sich HAITZINGER. In einer Zeichnung vom Februar 1991 setzt er die strenge Zensur der Amerikaner mit der Propaganda Saddams gleich (Abb. 285). Nach dem Krieg, als es um die Kontrolle irakischer ABC-Waffen geht, greift HAITZINGER noch einmal das Thema Mißinformation auf (Abb. 286). Die Karikatur vom Juli 1992 ist ein Aufruf zur Wachsamkeit bezüglich dessen, was aus amerikanischer Quelle verlautet. Der Part der westlichen Welt im Zusammenhang mit dem Golfkrieg wird eben- falls thematisiert. Von Beginn des Krieges an bis über das Ende hinaus verweisen Karikaturisten auf die Nutznießer und auf die wahren geschäfts- tüchtigen Kriegstreiber, die innerhalb der Industrienationen zu orten sind. Statt Aggressoren im Süden zu suchen, fordern diese Karikaturen dazu auf, daß der Westen seine Verantwortung auf sich nimmt. Zeichner wie DANZIGER (Abb. 287), HAITZINGER (Abb. 288), BEHRENDT (Abb. 289), OLIPHANT (Abb. 290) und TOM (Pseudonym für THOMAS KÖRNER, Abb. 291) verdeutlichen in dem Zeit- raum von August 1990 bis Januar 1992, daß gerade in den vermeintlich friedlichen westlichen Industrienationen in bestimmten Kreisen ein Interesse am Krieg besteht, weil von ihm profitiert wird und er deshalb auch hier gewollt ist.

205 Ebenso wird auf die Doppelmoral der vermeintlich so auf die Menschenrechte bedachten westlichen Welt hingewiesen. Die Karikaturisten argwöhnen um die tatsächlichen Motive des Engagements der westlichen Alliierten unter ameri- kanischer Führung angesichts des krassen Gegensatzes, wie zögerlich im Bürgerkrieg des ehemaligen Jugoslawien interveniert wird, oder daß beim Ethnozid an den Kurden sich der Westen zu keinen militärischen Aktionen aufgerufen sieht. Die Interessen, um deren Wahrung es bei der Kriegsführung geht, bringt HAITZINGER in einer Karikatur vom April 1991 auf den Punkt (Abb. 292). Auch BEHRENDT in einem Blatt vom August 1992 (Abb. 293) und MANDZEL in einer im Juni 1993 veröffentlichten Zeichnung (Abb. 294) entlarven, daß diejenigen, die mit riesigem technischem Aufwand und unter immensen Kosten gegen Saddam mobilisierten, sich nur, wenn ihre eigenen Interessen betroffen sind, vehement als Weltpolizisten einsetzen. Den Maßgaben der Konkretisierung der neuen Dimension, die der Golfkrieg als high-tech-Krieg mit der „abstrakten“ Form des Tötens annimmt, wird MACNELLY in einem Blatt vom Februar 1991 gerecht (Abb. 295). Die Karikatur zeigt, daß dieser Krieg à la „Nintendo Solution“ geführt wird. Die Schwärmerei für die Präzision der computergesteuerten Waffen, für die „chirurgisch präzisen Eingriffe“, für den „klinisch sauberen“ Krieg, als welcher er in den Medien gehandelt wird, gibt dem Krieg den Anschein eines Computerspiels. Es scheint sich um einen imaginären Krieg zu handeln, um eine Simulation im Computer. Der Golfkrieg, der den Tod und das Elend ganzer Völker nach sich zieht, gerät zum Spiel. Die Tatsache, daß in dem Krieg tatsächlich Menschen getötet werden (und nicht das Feindbild Saddam) wird nicht weiter thematisiert. HAITZINGER führt im Juni 1993 diese Bedeutung des Krieges vor Augen (Abb. 296). Seine Zeichnung entspricht mit der Aufdeckung dieses (vergessenen) Sachverhaltes der Kategorie „analytische Karikatur“. Wie die unterschiedlichen Qualitäten der Karikaturen im Hinblick auf ihr aufklärerisches Potential zeigen, ist es keineswegs so, daß man die Zeichner einteilen könnte in die Gruppe, die Feindbilder verbreitet und diejenige, die mit ihren analytischen Produkten zeigt, daß sie einen kritischen Anspruch hat. Viel- mehr verdeutlichen die hier vorgestellten Arbeiten, daß die Karikaturisten sich einerseits auf den eingefahrenen Gleisen der Feindbild-Archetypen bewegen, aber gleichzeitig sich in anderen Zeichnungen darum bemühen, den Betrachter für die tatsächlichen politischen Hintergründe zu sensibilisieren. Damit leisten sie Aufklärungsarbeit, die sie in anderen Karikaturen wiederum vermissen lassen.

206 5 Zur Wirksamkeit und zum aufklärerischen Potential von Karikaturen

Ausgangsthese der vorliegenden Studie ist die Annahme, daß Karikaturen kritisch und aufklärerisch sein können, wenn sie durch Überzeichnung das Hintergründige einer politischen Gegebenheit herauskristallisieren und bewußt machen. Sie können aber ebensogut eine analytische Betrachtung ihres Gegen- standes verhindern, wenn sie durch die Verwendung tradierter „Bilder“ oder durch die Aufbereitung gewisser Stereotype eine oberflächliche, emotions- und vorurteilsbehaftete Sicht begünstigen. Diese These bestätigte sich im Verlauf dieser Arbeit. Wie in dieser Untersuchung dargestellt, lassen sich Karikaturen in den Dienst der unterschiedlichsten Intentionen stellen, weshalb sie nicht einheitlich unter dem Überbegriff „Kritik“ oder „Aufklärung“ subsumiert werden können, was in der Literatur aber ein locus communis ist. Zwar hat sich die Karikatur im Laufe der Geschichte oft als Mittel der Aufklärung, der Kritik und des Widerstandes verdient gemacht, dennoch ist es voreilig, sie per se als notwendig entlarvend einzustufen. Dadurch wird die Karikatur idealisiert und ihre eigentliche politische Dimension vernachlässigt. Karikaturen sind niemals „objektiv“, sondern sie sind immer ein Versuch, den Betrachter von einer bestimmten politischen Sicht zu überzeugen. Jede Karikatur hat persuasiven Charakter und eignet sich somit auch zu Propaganda- zwecken. Subjektiv heißt bei der Karikatur nicht nur, daß sie für die Meinung ihres Zeichners steht, sondern auch, daß sie „für den Geisteszustand der Mehr- heiten in ihren Ursprungsländern [spricht]. Nicht durch das, was ihre Zeilen und Striche mit Absicht, sondern durch das, was sie unabsichtlich sagen - durch das, was sie verraten“558. Diese von AVENARIUS bereits 1918 getroffene Aussage bestätigt sich auch angesichts der zeitgenössischen Karikatur. Karikaturen sind zunächst eine subjektive Äußerung einer einzelnen Person, aber gleichzeitig Fragment eines politischen Diskurses. „Die“ Karikatur ist zwar als ein heterogenes Gebilde zu begreifen. Dennoch ist davon auszugehen, daß sich ein „mainstream“ ablesen läßt, d.h. daß sich konkrete politische Tendenzen, die sich aus einer bestimmten Politik nähren, in Karikaturen ablesen lassen. Die Verwendung der Karikatur als politisches und journalistisches Mittel wird (wie in den Exkursen ausgeführt) begleitet von einer Bewertung ihrer Wirkungs-

558 Avenarius 1918, S. 4.

207 kraft als belehrendes oder propagandistisches Element. Im Hinblick auf ihre Einbindung in die opinion press spielt die Frage nach der Wirkungskraft der Karikatur eine besondere Rolle, denn diese Position gibt ihr einen öffentlichen Resonanzraum, ohne daß sie (wie im Nationalsozialismus oder in kommu- nistischen Regimen) gezielt von einer Obrigkeit instrumentalisiert wird. In der heutigen Diskussion um die meinungsbildende Effizienz der Karikatur differieren die Einschätzungen. Doch sämtliche Äußerungen über die Wirksam- keit von Karikaturen sind lediglich Spekulationen, deren Verifizierung nicht möglich ist. Dieser Charakter der Diskussion soll im folgenden durch die Wiedergabe einzelner Stellungnahmen zu diesem Thema deutlich werden. Die Zitate sind gleichsam eine Visualisierung der Tatsache, daß es sich bei den Ausführungen um subjektive Postulate handelt. Sowohl die Kunst- und Medien- wissenschaftler als auch die Karikaturisten selbst können lediglich über die Effekte ihrer Arbeiten mutmaßen. Es gibt keine systematische Untersuchung über die Absichten der Karikaturisten. Offen ist, ob es ihnen darum geht, ihre „Opfer“ tatsächlich empfindlich zu treffen, die Öffentlichkeit zu beeinflussen, oder sie einfach nur zu amüsieren. Auf die Frage, ob Karikaturen überhaupt eine Rolle in der öffentlichen Meinungsbildung spielen, verweist der Kunstwissenschaftler und Karikaturist FRANK WHITFORD auf den Karikaturisten VICKY (Pseudonym für VICTOR WEISS, 1913 in Berlin geboren, 1935 nach England emigriert, 1966 Selbstmord), um zu zeigen, daß dem nicht so ist. VICKY, selbst politisch links stehend, arbeitete jahrelang für den konservativen Evening Standard und vertrat dort auch in den Karikaturen seine eher radikalen politischen Positionen. Die Tatsache, daß der Verleger ihn gewähren ließ, zeigt, daß ihm nicht bange war, die Leser könnten auf die politische Meinung VICKYs einschwenken. Er ging davon aus, daß seine Zeichnungen sie lediglich amüsieren würden.559 Der Herausgeber des Evening Standards rechnete also nicht mit einer meinungs- bildenden Wirkung der Karikaturen. Auch unter den Wissenschaftlern gibt es etliche, der der Karikatur keine Wirkungskraft (mehr) zugestehen: „Im 19. Jahrhundert war der Karikaturist ein gefürchteter Aufrührer, der ständig mit gerichtlicher Verfolgung rechnen mußte. Nichts beweist deut- licher die Verharmlosung der Karikatur in unseren Tagen als die Tatsache,

559 Vgl.: Whitford, Frank: Entstaubter Alltag. Aus der Praxis der Karikaturisten. In: Karika- turen. Nervöse Auffassungsorgane des inneren und äußeren Lebens. Kunstgeschicht- liches Seminar, Universität Hamburg v. 13.10.1979. Gießen 1980, S. 302-317; hier: 317.

208 daß selbst Diktatoren die ihnen gewidmeten Zerrbilder sammeln und ver- öffentlichen lassen.“560

HOFMANN führt dafür allerdings kein Versagen der Zunft der Karikaturisten als Grund an, sondern eine veränderte Wahrnehmung seitens der Betrachter: Mit dem Mittel des Bildes kann nicht mehr wachgerüttelt, aufgeklärt werden, da der heutige Rezipient einer optischen Reizüberflutung, v.a. durch das Fernsehen, ausgesetzt ist, und das Bildzeichen somit nicht mehr diese Potenz hat, die ihm noch im 19. Jahrhundert eigen war.561

Noch ein anderer Aspekt führt laut HOFMANN zur Ineffizienz der Karikatur: Die Inflation des Ästhetischen. Da heute schier alles als museumswürdig gilt, ist der künstlerische Protest aufgehoben, und zwar nicht - wie ehedem - durch Zensur, sondern indem der Protest „mumifiziert“ wird. 562 Aus diesem Umstand läßt sich jedoch auch ein gegenteiliger Schluß ziehen: Die Reizüberflutung verhilft der Karikatur zu einem Wirkungsfeld, wo alles andere bereits nicht mehr relevant ist. Im Zeitalter des Massenangebots an optischen Attraktionen in den Medien wird das Auge stumpf für Bilder. Gerade die Flut von bewegten Bildern im Fernsehen bewirkt einen Rezeptionsverschleiß. Eine photographische Momentaufnahme, wie z.B. der Händedruck zweier Staatsober- häupter, wird kaum mehr vom Betrachter aufgenommen. Erst eine gewisse Dramatik im Bild verhilft ihm wieder dazu, beachtet zu werden.

560 Hofmann 1959, S. 60. 561 Solche Auffassungen von der Harmlosigkeit der Karikatur sind natürlich auf Gesell- schaften zu beziehen, die im Zeichen der Massenmedien und der Massenunterhaltung stehen. Während man sich in den Industrienationen „zu Tode amüsiert“ (um eine Formu- lierung NEIL POSTMANs aufzugreifen), alles zur Unterhaltung gerät und deshalb auch kritisch gedachte Karikaturen unschädlich für den Karikierten sind, gehen Kritiker und Karikaturisten in der sogenannten „Dritten Welt“ durchaus Gefahren ein, wenn sie ihr(e) (Be-)Denken artikulieren. 562 Vgl.: Hofmann 1956, S. 60. „Die Karikatur hat den Prozeß der Nobilitierung mit der Einbuße ihrer aggressiven Substanz bezahlt. Ihr anklägerisches Pathos und die geißeln- den Verzerrungen dieses ´enfant terrible´ der Kunstgeschichte sehen wir heute bereits gebrochen durch die verschiedenen Strömungen der modernen Kunst. [...] Ihr ursprüng- lich protestierendes, gegen die ´Regel´ verstoßendes Ausdrucksverfahren ist heute, da keine Norm des Schönen mehr gültig ist, zur Umgangssprache geworden. Es fällt darum schwerer denn je, mit den Mitteln des Bildes aufzurütteln. In unserer immer flacher und bildloser werdenden Welt, die nur mehr optische Klischees (im Film und im Fernsehen) für den Massenkonsum produziert, hat das Bildzeichen viel von dem Kredit eingebüßt, den man ihn noch im 19. Jahrhundert einräumte.“ Hofmann 1956, S. 57.

209 „Da muß schon ein Polizeichef in Vietnam einen Vietcong kurzerhand und so gut wie unbeteiligt abknallen, daß der Schnappschuß als ´Bild des Jahres´ um die Welt geht.“563 Neben der „Non-Stop-Revue“ der Bilder tritt ein dermaßen umfangreiches Angebot an Text in den Zeitungen, daß der Leser überfordert ist und daher dankbar für eine Vermittlung von Themen, die Sachverhalte auf eine kurze Formel bringen.564 So argumentiert auch HERDING, wenn er die Frage HOFMANNs „Ist die Karikatur am Ende?“ (als Titel seines Aufsatzes von 1959) heute überprüft: „Werner Hofmanns Frage [...] war vor zwanzig Jahren, als der Medien- lärm die Stimme des Karikaturisten zu übertönen drohte, so aktuell wie sie heute erledigt scheint, wo die Übersättigung der Sinne die Rückkehr zu einfacheren Medien begünstigt.“565 Dieser Prognose zum trotz wird von einigen Autoren eine abnehmende politische Wirksamkeit von Karikaturen konstatiert. Beispielsweise stellt PETER DITTMAR fest: Während im 19. Jahrhundert die Karikaturen trotz der Re- pressalien, denen Zeichner und Verleger ausgesetzt waren, noch relativ „scharf“ gewesen sind, mangelt es ihnen heute an politischer Stoßkraft. Sie bewegen sich nur noch im humoristisch-harmlosen Milieu, dem eine bedeutende politische Aussage abgeht.566 Aus seinen Überlegungen zieht DITTMAR den Schluß, daß die Karikatur gegenwärtig politisch keine nennenswerte Rolle spielt und auch in der Vergangenheit keine so große gespielt hat, wie man ihr heute unterstellt.567 Einer einzelnen Karikatur ist nicht die Macht zuzugestehen, geschichtlich wirksam werden zu können. Lediglich eine beharrliche Kontinuität bestimmter Motive in der eher positiven Darstellung (wie in den Bismarck-Karikaturen des Kladderadatsch oder in den Erhard-Karikaturen der Nachkriegszeit) bewirke

563 Hepp, Fred: SZ Karikade. Die Zeichner der Süddeutschen Zeitung. München 1970 (im folgenden: Hepp 1970), S. 11. 564 „Hier nun liegen die Chancen des Karikaturisten. Sein Produkt fällt nicht nur sofort ins Auge, es ist auch in kürzester Zeit aufzunehmen. [...] Die gelungene Karikatur ersetzt nicht selten einen ganzen Leitartikel. [...] Für den eiligen Verbraucher ist die Karikatur - um es einmal paradox zu sagen - ein flüchtiger Ruhepunkt auf der Reizschwelle.“ Hepp 1970, S. 11. 565 Herding 1980, S. 353. 566 Dittmar, Peter: Macht und Ohnmacht der Karikatur. In: Politische Studien, Jg. 19, 1968, Nr. 181, S. 544-548 (im folgenden: Dittmar 1968); hier: S.546. 567 „Das Fazit ist für die politischen Karikaturisten wenig erfreulich. Sie sind zwar Teil der Presse und tragen häufig Wesentliches zum Gesicht einer Zeitung bei, doch sie sind trotzdem nur eine Arabeske, nur Anreiz und Verzierung. Es ist eben auch nur ein von Satirikern verbreitetes Vorurteil, daß Lächerlichkeit töte.“ Dittmar 1968, S. 548.

210 etwas in der Wahrnehmung der Rezipienten, aber lediglich als harmlose „Er- innerungswerbung“, ohne politische Wirkung. Dieser Effekt läßt sich so beschreiben, daß ein allgemein bestehendes Bedürfnis vorhanden zu sein scheint, eine hochgestellte Persönlichkeit auf eine niedere Ebene herabgezogen zu sehen und durch diese Herabsetzung auf das eigene Niveau die eigene Niedrigkeit nicht mehr zu empfinden.568 Ausgerechnet das Herunterziehen der karikierten Persönlichkeit auf eine Ebene mit dem Betrachter läßt sich auch als Argument für eine gegenteilige Ein- schätzung von der Wirkung der Karikatur benutzen: Zwar töte die Karikatur nicht unmittelbar, doch „wie eine Zeitbombe und wie der stetig fallende Tropfen, der einen Stein schließlich höhlt“, stürzt sie den Karikierten dennoch. Diese Auffassung belegt SCHMOLL mit Beispielen: „Louis-Philippe wäre schließlich 1848 nicht davongejagt, Napoleon III. 1870 nicht von den Franzosen im Stich, Wilhelm II. 1918 von den deutschen Volksmassen nicht ohne Bedauern ziehen gelassen worden, hätte nicht die Satire in Wort und - vor allem noch breitenwirksamer - im Bild die Vorarbeit geleistet, um diese Monarchen nicht nur des Hermelins zu entkleiden, sondern sie als ziemlich durchschnittlich begabte Menschen mit vielen Fehlern und zu hoher Anmaßung bewußt zu machen“569

Wenig später spricht SCHMOLL jedoch von der „positiven Publicity-Wirkung“ der Karikatur. Bereits zu DAUMIERs Zeiten seien sich die Politiker dessen bewußt gewesen, daß es allemal vorteilhafter ist, der Öffentlichkeit bekannt zu sein (und sei es als Witzfigur) als völlig unbekannt: „Der Bekanntheitsgrad eines Politikers steigt nicht nur mit seinen Erfolgen, sondern auch mit seiner phänotypischen und physiognomischen Einprägsamkeit als Karikatur. Sie kann zum Markenzeichen werden. [...] Die Karikatur übt also im politischen Werbefeld als formelhafte Kenn- zeichnung - ähnlich der Warenreklame - eine ansehnliche Ausstrahlung aus.“570 Diese scheinbar widersprüchlichen Einschätzungen der Wirkung von Karika- turen fügt SCHMOLL wieder zusammen, indem er ihnen beide Optionen einräumt: Wenn Karikaturen einen Politiker immer wieder in karikierter Form in den Medien präsentieren, etablieren sie seine Bekanntheit, seine Präsenz in den Köpfen der Rezipienten und werben somit indirekt für ihn. Wenn die Karikaturen aber über bloßes Lächerlich-Machen der Person hinausgehen und

568 Vgl.: Reumann 1966, S. 232. 569 Schmoll 1977, S. 20. 570 Schmoll 1977, S. 20f.

211 eine Offendeckung der Hintergründe seines Denkens und Handelns betreiben, also psychologisch-analytische Ansprüche haben, dann könne das „in der öffentlichen Meinung derart enthüllend wirken, daß darüber Könige, Präsidenten oder Minister straucheln oder stürzen - jedenfalls Wahlkämpfe unterirdisch mit beeinflußt werden.“571 Es ist jedoch fraglich, ob angesichts der Tatsache, daß durch ihr Auftauchen in den Karikaturen die Politiker auch ein prägnantes Label erhalten und im öffentlichen Bewußtsein einen Platz beanspruchen können, solche politischen Stoßversuche nicht verfehlt sind. ERNST VOLLAND sieht in den Karikaturen der Politikerpersönlichkeiten keine politischen Angriffe mehr: „Franz Josef Strauß hat im Laufe der Jahre einen ganzen Zoo zusammengezeichnet bekommen. Man sah ihn als Hirsch, Wildschwein, Kröte, Krake, Löwe, Spinne, Krokodil. Aber die Ähnlichkeit auch mit dem aggressivsten Tier läßt Strauß kalt. Alle diese Allegorien, Vergleiche, Symbole sind stumpfe Waffen geworden. Kohl als Birne. Ein netter Einfall. 1831 hatte der Herausgeber und Zeichner der ersten satirischen Zeitschrift ´La caricature´, Charles Philipon, den französischen König Louis-Philippe als Birne karikiert und war dafür mit Gefängnis bestraft worden. Die Idee mit der Birne war so gut, daß Zeichner wie Daumier und Grandville sie übernahmen. Heute Kohl als Birne zu veräppeln bringt kaum eine Auflagensteigerung, geschweige denn eine wütende Reaktion des Betroffenen. Im Gegenteil. Im Bundestagswahlkampf ´87 nutzte die CDU einen Birnen essenden Kohl als Sympathiefänger in einer Anzeige. Es ist sicherlich kein vorrangiges Ziel eines Zeichners, hinter Schloß und Riegel zu kommen. Aber sollte dem Karikaturisten nicht ein bißchen mehr Risiko zuzumuten sein?“572 Es ist jedoch auf Fälle zu verwiesen, in denen die Karikaturisten dieses Risiko eingegangen sind: „Auf dem Höhepunkt der Studentenbewegung nahm Rainer Hachfeld die Strauß-Forderung nach einer ´Sammlungsbewegung zur Rettung des Vaterlandes´ zum Anlaß für eine Karikatur, in der Strauß die Arme und Beine zu einem Hakenkreuz verrenkt. Sie erschien 1969 im ´Berliner Extra-Dienst´, und seitdem wissen wir, das NS-Symbole in Verbindung mit Politikern 30 000 Mark kosten können. Auf dem braunen Auge sind sie empfindlich, im Genitalbereich auch. Strauß + NS-Symbol + Pornographie bringt 1000prozentig die Justiz ins Haus.“573

571 Schmoll 1977, S. 21. 572 Volland, Ernst: Ausgezeichnet. In: 70 mal die volle Wahrheit. Ein Querschnitt durch die bundesdeutsche Karikatur der Gegenwart. Kassel v. 19.6.-20.9.1987. Hrsg. v. Achim Frenz / Claus Heinz / Uli Müller / Andreas Sandmann. Hamburg 1987 (im folgenden: Volland 1987), S. 15. 573 Volland 1987, S. 15.

212 Solcherlei Delinquenz erscheint VOLLAND jedoch nicht repräsentativ für die zeitgenössische Karikatur: „Aber sonst? Die Mächtigen zeigen die kühle Schul- ter, jede Anmache wird weggesteckt, die Zeichner arbeiten gegen eine Gummiwand.“574 Auch VÖLKER konstatiert nur eine geringe Schlagkraft der Karikatur, weil sie bei aller Überspitzung angesichts der Realität verblaßt. Seine These lautet: „Die Wirklichkeit ist oft die größere Übertreibung. Rainer Hachfeld versucht zum Beispiel die Rolle der USA in Südamerika karikaturistisch auszudrücken, indem er einen grinsenden Gangster in ein Brot beißen läßt, das die Form des südamerikanischen Kontinents hat. Oder er zeigt, wie ein Fettwanst eine Banane verschlingt, die ein gefesselter Indio ist. Nichts an diesen Karikaturen ist Übertreibung, es sind eher zu simple Illustrationen zu Ausbeutungsverhältnissen, die in Wirklichkeit noch viel klarer und brutaler sind. [...] Erschöpft sich das ´böse´ Amerika in Nixon, den in aller Welt mordenden Yankees und den dollarschweren Fleischkönigen? Vermitteln die bösartigen und niederträchtigen Ungeheuer von Charles Addams, die vergiften und morden, die Monstren der ´Gespensterfamilie´, nicht viel mehr von der politischen Realität und dem gesellschaftlichen Zustand Amerikas?“575

Der Karikaturist RAINER HACHFELD selbst äußert sich ebenfalls kritisch bezüglich des Wirkungspotentials von Karikaturen. Mit seinen Arbeiten will er jeden ansprechen: „den politischen Gegner, den Sympathisanten, den Unpoliti- schen - den vor allem“.576 Doch Anspruch und Wirklichkeit treten auch hier auseinander: „Machen wir uns doch nichts vor! Der politische Gegner ignoriert uns oder versucht, durch teure Zivilprozesse unsere Existenzgrundlage zu vernichten. Ob das ein Erfolg ist? - Dem Sympathisanten sagt man kaum etwas Neues. Man bestätigt ihn (was ich aber keineswegs unterschätze). Aber die politische Mehrheit, unsere ´silent majority´ erreiche ich nicht. [...] Ich bilde mir wahrhaftig nicht ein, mit meiner Arbeit viel bewirken zu können, jedenfalls in Deutschland nicht. Wer hier glaubt, durch noch so gute Karikaturen und Grafiken allein eine Bewußtseinsveränderung oder überhaupt Bewußtsein zu bewirken, wer gar glaubt, allein mit dem Zeichenstift politische Veränderungen herbeiführen zu können, ist ein

574 Volland 1987, S. 15. Er erwartet eine Karikatur mit einem weiterführenden Anspruch: „Angesichts des desolaten Zustands unserer Gesellschaft und unseres Erdballs scheint es eine Pflicht für die Karikaturisten, mit neuen, ungewöhnlichen Einfällen witzig und aggressiv, moralisch und analytisch Position zu beziehen. Wer hier die Feder führt, wird in einem Atemzug mit Goya, Daumier und Grosz genannt werden.“ Volland 1987, S. 15. 575 Völker 1975, o.S. 576 Hachfeld, Rainer in einem Interview mit der Zeitschrift tendenzen. In: tendenzen, Jg. 13, 1972, Nr. 83, S. 27-31 (im folgenden: Hachfeld 1972); hier: S. 29.

213 unrealistischer Träumer. Die Arbeit des Zeichners [...] kann immer nur Er- gänzung, bestenfalls Hilfsmittel im politischen Kampf sein, und nur darin sehe ich meine Aufgabe.“577

Nach dem Motto „Das Sein bestimmt das Bewußtsein“ zeigt BORNEMANN allerdings die Schranken eines politischen Kampfwillens bei den Karikaturisten: „Die Karikatur kann in der kapitalistischen Gesellschaft durchaus als Ware, der Karikaturist als ihr Produzent und das Publikum als Konsument aufgefasst werden. [...] Sie [die Karikaturisten - A.P.] sind häufig als Trickfilmzeichner, Werbegraphiker, Designer, (Kinderbuch-)Illustratoren tätig. Als renommierte Graphiker sind sie dem journalistischen Ver- schleissbetrieb meist enthoben, besitzen, auch finanziell, grössere Unabhängigkeit. Auf diesem ´goldenen Boden´ lässt sich zwar auch Satire machen, aber sie wird kaum so weit gehen, das kapitalistische Eigeninteresse des Zeichners zu verletzen, denn dieser lebt nun - im wahrsten Sinne des Wortes - von dem System, das anzugreifen er sich wohl hüten wird.“578

HERDING, der einleitend in seinem Artikel „Karikaturen-Perspektiven“ noch von der „Brisanz“ der Karikatur spricht579 und in ihr eine Gefahr für reaktionäre Interessen sieht, ja sogar den Mißerfolg, den Franz-Josef Strauß bei seiner Kandidatur zur Kanzlerwahl 1980 erleiden mußte, der Karikatur anrechnet580, kritisiert an anderer Stelle seines Aufsatzes, daß die Karikatur heute den Betrachter allenfalls zu einer bestimmten Vorstellungsarbeit motiviert, aber

577 Hachfeld 1972, S. 29. 578 Bornemann 1972, S. 15. 579 Herding nimmt eine Begebenheit im Jahre 1976, bei der Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU während einer Ausstellung in Bonn karikaturistische Plakate des Polit- graphikers Staeck von den Wänden rissen, zum Anlaß, der politischen Karikatur „ungeachtet ihrer Formkrise“ eine „neue Brisanz“ zuzusprechen: „Karikaturistische Plakate mit politischen Motiven werden abgerissen von Volksvertretern, die ansonsten mit Eigentum sorgsam umzugehen gewohnt sind. [...] Karikaturisten wird in Staaten mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung der Prozeß gemacht mit Argumenten, die schon dem Bürgerkönig zu Zeiten Daumiers die Verachtung der Nachwelt eintrugen.“ (Herding 1980, S. 353f). Er sieht in den Karikatur das Potential, eine politische Gefahr für reaktionäre oder kapitalistische Interessen zu sein. Herding nimmt hier Bezug auf ein Urteil des Landgerichts Köln vom 1.7.1976, in dem in zweiter Instanz fünf Bürger wegen „Beschimpfung der Bundesrepublik Deutschland durch Verbreiten eines karikierenden Plakats“, das den Bundesadler verzerrt darstellte, verurteilt wurden (vgl.: Herding 1980, S. 382, Anmerk. 6). Doch sind solcherlei Reaktionen auf Karikaturen wohl Ausnahmen, die keine Schlüsse über die politisch-kritische Fähigkeit von Karikaturen im allgemeinen zulassen (um den politischen Widerstandsgeist Staecks gegen das Establishment zu relativieren, sei darauf hingewiesen, daß er 1994 im Bundestagswahlkampf als Karikaturist Wahlplakate für die SPD gestaltete). 580 Vgl.: Herding 1980, S. 353f.

214 nicht zu einer eigenen Handlung. Die Karikatur biete keine vorwärtsweisenden Perspektiven mehr.581

Den gleichen Sachverhalt kritisiert WEIGLE: Die Karikaturen anläßlich des Zweiten Golfkrieges zeichneten zumeist ein apokalyptisches Bild und sind damit eine endgültige Formulierung, auf die keine Aktion mehr erfolgen könne.582 Mit seiner Auffassung, die Karikatur habe kapituliert, unterstellt er, daß sie zwar noch eine Aussage besitzt, diese aber eher bereits Bekanntes und Erkanntes darstellt und somit keine Kreativität mehr hat. Die Karikatur ist demnach kein Motor eines Bewußtwerdens politischer Umstände mit politischer Konsequenz. Die Wirkungskraft von Karikaturen wird also sehr unterschiedlich bewertet. Die Frage nach den Möglichkeiten der Karikatur läßt sich nicht eindeutig beant- worten. Dennoch wurden verschiedene Maßstäbe zur Beurteilung versucht.583 Ein direkter Einfluß der Karikatur auf bestimmte Einstellungen oder Handlungen der Rezipienten läßt sich empirisch nicht nachweisen, weil ein Medium (hier die Karikatur) nicht isoliert wirkt, sondern der Mensch einem Konglomerat unterschiedlichster Einflüsse seitens der Medien ausgesetzt ist. Der Stellenwert der Karikatur bei der Einflußnahme läßt sich nicht heraus- kristallisieren. Die Karikatur kann nicht abgesondert werden von all dem anderen, das als Information wahrgenommen wird oder das Meinung macht. Es gibt keine Trennung von Information, Unterhaltung und Manipulation. Die Rede ist vom „Infotainment“ oder von „Entermation“, schließlich von der „Mani- pulation der bereits Manipulierten“. Die aktuelle Medienforschung - so v.a. POSTMAN - befaßt sich mit dem Phänomen, daß jegliche Medienaussage zur Unterhaltung gerät. Nicht eine Wirklichkeit wird wiedergegeben, sondern eine Wirklichkeit wird geschaffen. Von der politischen Konsequenz her ist die Medienrealität die einzig geltende Realität (Beispiel: Golfkriegsbericht- erstattung). Bei aller Skepsis bezüglich der meinungsbildenden Potenz von Karikaturen darf nicht unterschätzt werden, daß „doch der Funken zur handelnden Aktivität

581 Vgl.: Herding 1980, S. 363. 582 Vgl.: Weigle 1991, S. 17. 583 Reumann verweist darauf, daß Ideologen, die die Karikatur zu bestimmten Zwecken einsetzen, die Wirkung nicht an der Realität, sondern an der Intention messen. Er warnt davor, Erfahrung als Maßstab zu nehmen, weil sie sich gar nicht greifen läßt, und ebenso zweifelhaft sind die Methoden der empirischen Sozialforschung. Vgl.: Reumann 1966, S. 219.

215 überspringen“584 kann. Karikaturen haben die Fähigkeit, politische Trends zu fördern, „wenn die Bevölkerung hierfür empfänglich ist“.585 Die antijüdischen Karikaturen des „Stürmers“ sind ein Beispiel dafür. Im Zusammenhang mit der These vom „Befreiungslachen“, das durch eine Karikatur ausgelöst werden kann, ist die Bedeutung des aus psychologischer Sicht unterstellten Aggressionsabbaus im Vergleich zu einer potentiellen Aggressionssteigerung durch die Karikatur zu reflektieren. SCHNEIDER hegt den Verdacht, daß Karikaturen vielmehr vorhandene Aggressionen bestätigen, aktualisieren, legitimieren und vermehren. „So könnte man als Gegenthese zum Ventil-Effekt die Behauptung setzen, daß mich die Karikatur in meiner Aggression bestärkt, statt mich von ihr zu befreien, weil sie mir im Karikaturisten einen Bundesgenossen zeigt, der so stark scheint, daß er sich über den Gegner sogar lustig zu machen getraut. Diese Verstärkerthese scheint als Regel plausibler als ihr Gegenteil.“586 Gerade eine gelungene Formulierung in einer Karikatur kann die Aussage in den Hintergrund treten lassen. Das „Zünden“ der Pointe verhindert dann das eigentliche Nachdenken über den Sachverhalt. Das Vergnügen an dem Bild kann zu der Illusion führen, der Sachverhalt sei einleuchtend, man verstehe ihn, obwohl die Darstellung vielleicht gar nicht stimmig ist.587 Hierin liegt eine potentielle Gefahr, denn Vorurteile und Klischees könnten mechanisch verinnerlicht werden, ohne daß sie an der Wirklichkeit verifiziert werden.588 Wenn auch nicht auf Karikaturen bezogen, so doch auf propagandistische Äußerungen im allgemeinen, beschäftigt sich JÄGER mit der Frage nach etwaigen Folgewirkungen. Es gilt herauszufinden, inwiefern es solchen Äußerungen (zu denen sich auch Karikaturen zählen lassen) gelingt, auf den Interdiskurs, also auf den allgemeinen Sprachgebrauch und damit verbunden auf die Denkweise breiter Schichten, einzuwirken. Der Interdiskurs wiederum prägt die Bevölkerung, „sicherlich sozial differenziert, aber dennoch massenhaft in ihrem Denken“589. Der einzelne ist niemals „diskursfrei“. Es gibt keine „Subjektivitätsräume“ gänzlich außerhalb jeglicher Diskurse. Die Anwend- barkeit dieses Ansatzes läßt sich mit einer Bemerkung GOMBRICHs belegen:

584 Grünewald 1979, S. 150. 585 Seidler 1982, S. 24. 586 Schneider 1988, S. 62 (Hervorhebung im Original). 587 Vgl.: Gombrich 1962/1984, S. 389. 588 Vgl.: Grünewald 1979, S. 18. 589 Jäger 1991, S. 42.

216 „Der Karikaturist ´mythologisiert´ die Politik, indem er sie ´physiognomisiert´. Aus der Vermischung von Mythos und Realität schafft er eine Substanz, eine Droge, auf die der emotionale Teil unserer Psyche unwiderstehlich mit Überzeugung reagiert.“590

DITTMAR billigt der Karikatur allenfalls in der kontinuierlichen Darbietung negativer Stereotypen ein Wirkungspotential zu. Er verweist auf Motive in historischen Karikaturen wie das „Judenschwein“, oder die „Birne“ als Zeichen für Louis-Philippe, bei denen dies der Fall gewesen ist. Eine solche Folge und Wiederholung von Motiven benennt DITTMAR mit dem der Musik entliehenen Begriff „Abbreviatur“ und betont, daß sie politisch effektiv nur in ihrer Anwendung zur Charakterisierung eines Negativ- bzw. Feindbildes sind. Er konstatiert also in der Abbreviatur negativer Bilder noch ein Quentchen politischer Effektivität der Karikatur.

Die hier aufgelisteten Meinungen zum Wirkungspotential der Karikatur sollen nicht nur ein Spiegel der unterschiedlichen Einschätzungen sein, sondern auf die Problematik der Überschätzung der Karikatur einerseits und der Verharmlosung ihrer politischen Bedeutung andererseits aufmerksam machen. Ein pauschales Urteil über die Wirkungskraft von Karikaturen ist haltlos. Weder darf man ihr ganz allgemein eine Wirkung als ausschlaggebendes Kampfmittel zugestehen, noch darf man ihre Möglichkeiten, Handlungskonsequenzen hervorzurufen, ignorieren. Deshalb verkennt meiner Meinung nach eine Einschätzung wie die HOFMANNs, die von der Impotenz der Bilder in den Medien ausgeht, die tatsächliche politische Macht der Karikatur ebenso wie der beschriebene Gemeinplatz, die Karikatur kämpfe automatisch auf Seiten der Aufklärung. Beide, im Prinzip konträre, Auffassungen von der Karikatur mißachten ihre Fähigkeit, dem Betrachter Bilder von politischen Ereignissen zuzutragen. Evident ist in diesem Zusammenhang, daß die Karikatur ihre emanzipatorische und aufklärerische Funktion verliert, wenn sie kein faktisches politisches Ereignis kommentiert und den Betrachter dazu in die Lage versetzt, kritisch Stellung zu beziehen, sondern eine subjektive, nicht auf Fakten basierende Sicht auf emotionaler Ebene vermittelt und damit eine Politik suggeriert. In der Karikatur spiegelt sich nicht nur eine bestimmte Wahrnehmung politischer Gegebenheiten, sie zieht auch eine entsprechende Wahrnehmung seitens des Rezipienten nach sich. Hier manifestiert sich die politische Macht der Karikatur.

590 Gombrich 1962/1984, S. 398.

217 Die politische Rolle der Karikaturen verdient, beachtet zu werden, denn die von ihnen verwendeten Stereotype rufen im Bewußtsein der Betrachter bereits vorhandene Vorurteile auf und verstärken sie wiederum gleichzeitig. Karikaturen, die Träger von Feindbildern sind, sind zugleich auch deren Multiplikatoren. Die politische Tragweite der modernen Massenmedien für die Sicht der Dinge ist offenkundig. So wie die Medien im allgemeinen, so prägen auch die Karikaturen im besonderen Wahrnehmungen und Einstellungen. Sie konstituieren in nicht unbeträchtlichen Maße Wirklichkeiten. Da gerade die Vorgänge außerhalb seiner unmittelbaren Lebenswelt vom Rezipienten nicht direkt erfahrbar sind, bleibt ihm nur die Information aus zweiter Hand - der Umweg über die Medien. So wie in der politischen Berichterstattung überhaupt, so wird erst recht in den Karikaturen eine Personalisierung von Geschehnissen und Machtverhältnissen betrieben. Eine Politikerpersönlichkeit verkörpert eine bestimmte Politik, eine Ideologie oder eine „Mentalität“. Wenn ein feindlicher Diktator als Feind in den Karikaturen erscheint, dann steht er für ein ganzes Bündel negativ bewerteter Merkmale, die verallgemeinert und auf ganze Völker bezogen werden. „Die Konsequenzen sind tödlich: ein Bombenhagel auf die irakische Bevölkerung, weil die ganze Welt gegen den ´Satan Saddam Hussein´ Krieg führt; tausende Tote bei der Invasion in Panama, um einen Drogen- händler gefangenzunehmen. In einer demokratischen, an den Menschen- rechten orientierten Gesellschaft ist das nur möglich, wenn die Massenmedien für die entsprechende Legitimation in der Öffentlichkeit sorgen. Feindbilder sind nicht die Ursache von Kriegen, meinte der Schweizer Schriftsteller Max Frisch, aber sie erleichtern das Führen von Kriegen ungemein.“591 Dieser Befund im Hinblick auf die politische Bedeutung der Medien läßt sich auch speziell auf Karikaturen anwenden. Wenn gewisse Stereotype (von „anderen“, vom Feind) in der Karikatur propagiert werden, tragen sie die Politik derjenigen, die ein Interesse an Vorurteilen und an einem Feinddenken haben. Insofern sind sie eher nutzbringend für das jeweilige Herrschaftssystem, als daß sie eine kritische Distanz einnehmen. Die mit Stereotypen arbeitenden Karikaturen sind - wie dargestellt - keine Ausnahme, sondern die Zeichnungen geraten immer wieder in Gefahr, Feindbilder zu transportieren, weil sie schablonenhafte politische und soziale Vorurteile aufgreifen. Damit rufen diese

591 Angerer, Roland: Fremdenfeindlichkeit und Feindbilder in Printmedien. In: Das Ende der Gemütlichkeit. (Schriftenreihe Arbeitshilfen für die politische Bildung, Bd. 316). Hrsg. v. d. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1993, S. 131-138; hier: 131f.

218 Karikaturen bestimmte Assoziationen hervor, die wiederum eine differenzierte Wahrnehmung der politischen Gegebenheiten verhindern und somit durchaus politische Wirkungen haben. Solche Bilder vermitteln keine tiefere Reflexion der politischen Realität. In den Fällen, in denen Feindbilder in Karikaturen mitschwingen, haben diese Zeichnungen keine aufklärende Funktion mehr, sondern im Gegenteil den Effekt der Verschleierung. Eine Karikatur, die sich für die Entlarvung verdeckter machtpolitischer Interessen engagiert und sich als Anwältin der „Wahrheit“ begreift, darf nicht dem herrschenden Diskurs unterliegen, sondern muß um die Aufdeckung der tatsächlichen Motive der Politik bemüht sein.

219 220 ANHANG

221 222 1 ANNIBALE CARRACCI (Feder, 133 x 200mm) Ende 16. Jahrhundert

2 „Kardinal Scipione Borghese“ GIANLORENZO BERNINI (Feder, 274 x 200mm) ca. 1650

223 3 PIERLEONE GHEZZI (Feder über Blei, 277 x 200mm) ca. 1720

4 WILLIAM HOGARTH (Kupferstich-Radierung 206 x 176mm) Januar 1731

224 5 CHARLES PHILIPON (Lithographie, 335 x 235mm) La caricature 24. November 1831

6 (Holzschnitt) ca. 1521

225 7 „Gobbi“ JACQUES CALLOT (Radierung, 620 x 870mm) um 1622

8 LEONARDO DA VINCI (Feder und Tusche, 260 x 206mm) ca. 1490

226 9 JOHN TENNIEL (Holzschnitt, 410 x 270mm) Punch 29. März 1890

10 KLAUS STUTTMANN die tageszeitung 19. Mai 1995

227 11 HONORÉ DAUMIER

12 OLAF GULBRANSSON Simplicissimus

13 LUIS MURSCHETZ Die Zeit 23. Februar 1996

228 14 ROBERT LEONARD, (Plakat, Farbdruck, 720 x 572mm) 1917

229 15 BENNO BERNEIS (Holzschnitt) 1905

230 16 Filmplakat für die besetzten Niederlande 1940

231 17 „Springe - der Fallschirm kommt später“ FRITZ BEHRENDT 1971

18 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 26. Februar 1987

232 19 RENAN LURIE Die Presse 6. September 1988

20 DAVID LEVINE Die Zeit 23. Februar 1996

233 21 DAVID LEVINE Die Zeit 23. Februar 1996

22 Illustration zum Leitartikel Die Zeit 31. März 1995

234 23 WALTER HANEL Frankfurter Allgemeine Zeitung 28. August 1992

24 HONORÉ DAUMIER Charivari 17. März 1871

235 25 Österreichische Karikatur Kikeriki 1870

26 EMMWOOD (JOHN MUSGRAVE-WOOD) Juli 1973

236 27 Flugblatt 1871

28 FELIX MUSSIL März 1983

29 Eulenspiegel, 1849

237 30 FELIX MUSSIL März 1970

31 „Frühling in Hoyerswerda“ WALTER HANEL (farbige Feder, Tusche, Tempera, Lack gespritzt, 290 x 385mm), 1993

32 „Wir werden die Welt beherrschen!“ ohne Signatur Charivari 1896

238 33 ohne Signatur (Farbdruck, 314 x 225mm) Der Wahre Jakob 22. November 1918

34 Belgische Karikatur Belgische Volksprent September 1914

239 35 BERNARD COOKSON Sun 7. April 1987

36 BILL CALDWELL Daily Star 5. Juni 1992

37 JAK (RAYMOND ALLEN JACKSON) Evening Standard 29. April 1992

240 38 DAVE GASKILL Today 21. Januar 1991

39 JUPP WOLTER „Dear Helmut, wir Briten haben es nicht so dick, daß wir Juli 1990 uns alle vierzig Jahre eine neue Brille leisten könnten!“

40 „Die französischen Freiwilligen auf dem Weg zur Eroberung Großbritanniens“ Britische Karikatur, 1803

241 41 DANZIGER International Herald Tribune 18. September 1992

42 „Rue Transnonain,le 15 avril 1834“ (Lithographie, 290 x 445mm) HONORÉ DAUMIER, Juli 1834

242 43 Erster Weltkrieg

44 Deutsche Karikatur Erster Weltkrieg

243 45 WILLIAM HENRY DYSON (Lithographie Nr. 6 aus der Serie „Kultur Cartoons“, 276 x 221mm) 1915

46 „Rest in Peace“ SIR DAVID ALEXANDER CECIL LOW 1940

244 47 JULIUS USSY ENGELHARD Plakat der SPD, Januar 1919

245 48 GINO BOCCASILE (Plakat, Farbdruck) 1942

246 49 CHRIS RIDDELL The Observer 12. November 1995

50 PATRICK OLIPHANT International Herald Tribune 6. Mai 1993

247 51 Deutsche Karikatur aus dem Ersten Weltkrieg

52 OLAF GULBRANSSON 1920

248 53 „John Bulls Kriegsziel“ SIR J. BERNARD PATRIDGE Punch 18. Oktober 1939

54 LOUIS LEGRAND Le Courier Francais 1888

249 55 „Töte das faschistische Biest“ DENI (VIKTOR NIKOLAYEVICH DENISLOV) (Plakat), 1942

250 56 Plakat des Volksbundes für Frieden und Freiheit e.V., Bonn, 1951

251 57 PEPSCH (JOSEF GOTTSCHEBER) Badische Neueste Nachrichten 10. April 1987

58 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 1. August 1994

59 NICOLAS PECAREFF 1985

252 60 EMILIO KÜPFER Bystander 19. Mai 1915

61 PATRICK OLIPHANT Die Welt 25. Februar 1991

253 62 Britische Karikatur Der Spiegel 27. August 1990

63 „Les Contes de Perrault“ GUSTAVE DORÉ 1862

64 „Ich bin der Staat. Wir sind der Staat“, Sowjetische Karikatur

254 65 Wahlplakat zur Reichtagswahl 1920

255 66 OSKAR GARVENS

67 ARTHUR JOHNSON Kladderadatsch 9. April 1933

256 68 Sowjetisches Plakat 1941

257 69 Sowjetische Karikatur Prawda 8. November 1961

70 Vietnamesische Karikatur

258 71 signiert: WIZ Allgemeine Zeitung 12. Oktober 1994

72 BAS (BAS MITROPOULOS) Die Presse 30. Januar 1991

259 73 WALTER HANEL Frankfurter Allgemeine Zeitung 19. August 1995

74 Russische Karikatur 1907

260 75 Deutsches Plakat für die besetzte UdSSR (Farbdruck), 1941-1945

261 76 Amerikanisches Plakat (Farbdruck), 1942

262 77 PATRICK OLIPHANT International Herald Tribune 28. August 1990

78 OSCAR EDWARD CESARE New York Sun 1914

79 ANTONÍN PELC, 1937

263 80 PAT KEELY Englisches Plakat für die von Japan besetzten holländischen Kolonien (Ostindien) (Farbdruck), 1944

264 81 JEAN EMMANUEL D'AURIAN 1899

265 82 OTTLER Plakat des Vereins für das Deutschtum im Ausland, Landesverband Bayern (Farbdruck), 1933

266 83 JOHN GAYDOS Plakat des Office of Inter-American Affairs, (Farbdruck), 1942

267 84 Deutsches Plakat für das besetzte Polen 1943

268 85 KUKRYNSKY Prawda 1975

269 86 HORST HAITZINGER Nebelspalter, Nr. 17 1968

270 87 Plakat der CDU zur Bundestagswahl (Farbdruck), 1949

271 88 ca. 1950

272 89 CDU-Plakat zur Bundestagswahl (Farbdruck), 1953

273 90 GLENN GROHE (Plakat, Farbdruck) 1942

274 91 Plakat der NPD gegen die Ratifizierung der Ostverträge (Farbdruck) 1972

275 92 WALTER HANEL Frankfurter Allgemeine Zeitung 4. Januar 1989

93 KLAUS BÖHLE Die Welt 7. März 1991

94 KLAUS BÖHLE Die Welt 18. Februar 1989

276 95 Plakat der NSDAP zur Reichstagswahl 1932

277 96 Plakat der NSDAP 1924

278 97 „Kapital“ DENI (VIKTOR NIKOLAYEVICH DENISLOV) 1919

279 98 signiert: LG (LÁSZLO DÁLLOS ?) (Farbdruck, 270 x 376mm) Der Knüppel, 10. Juli 1924

99 „30 Silberlinge“ KUKRYNSKY Prawda 13. September 1949

280 100 „Die ersten Früchte der Aggression“ BORIS EFIMOVICH EFIMOV Prawda 24. November 1956

101 „Hunderte von Millionen Dollar für die Hochrüstung“ Iswestija 19. Juli 1982

281 102 Plakat der JUSOS, 1972

282 103 DONALD WRIGHT Der Spiegel 9. Juli 1979

104 signiert D. W. (DIETER WILD ?) Der Spiegel 10. September 1990

105 PETER LEGER Süddeutsche Zeitung 23. Januar 1981

283 106 FRITZ STEUB (Holzstich) Fliegende Blätter, Bd. 53, Nr. 1308, Beilage 1870

107 FAUSTIN (FAUSTIN BETBEDER) 1870

284 108 BAS (BAS MITROPOULOS) Frankfurter Allgemeine Zeitung 21. Dezember 1985

109 „Vor neuen Taten“ WALTER HANEL Kölner Stadt-Anzeiger 3. August 1990

110 BERND BRUNS Neue Ruhr Zeitung 29. Januar 1991

285 111 HORST HAITZINGER Nordwest-Zeitung 29. Januar 1991

112 „Schnitter Tod“ The Nation 5. April 1933

286 113 (Plakat, Farbdruck) 1944

287 114 FELIX MUSSIL September 1981

115 KLAUS BÖHLE Die Welt 25. Oktober 1993

288 116 G. HERWIG Deutsches Luftschutzplakat, (Farbdruck) 1940

289 117 DANIEL ROBERT FITZPATRICK 15. Mai 1940

118 Niederländische Karikatur aus der Besatzungszeit De Groene Amsterdammer ca. Mai/Juni 1940

290 119 „Der ominöse Schatten der Nato über Zypern“ Sowjetische Karikatur (KERSHIN ?) Izvestija 1. Februar 1964

120 ROMULUS CANDEA Rheinische Post 25. Februar 1984

291 121 KLAUS BÖHLE Die Presse 3. März 1989

122 THOMAS ROWLANDSON 1815

292 123 signiert: F.D.

124 HORST HAITZINGER tz / Der Spiegel 5. März 1979

293 125 ROMULUS CANDEA Nordwest-Zeitung 3. April 1991

126 KLAUS BÖHLE Die Welt 7. November 1994

294 127 HORST HAITZINGER Berliner Zeitung 12. Juli 1996

128 PEPSCH (JOSEF GOTTSCHEBER) Der Tagesspiegel 13. Juli 1996

295 129 THOMAS ROWLANDSON 1815

130 BILL MAULDIN Chicago Sun-Times / Der Spiegel 21. Juni 1979

296 131 KARL-HEINZ SCHOENFELD Hamburger Abendblatt 7. Februar 1991

132 Der Entente-Frieden“ ARPÁD SCHMIDHAMMER (Zeichnung) Jugend 15. Mai 1919

297 133 „Die apokalyptischen Reiter“ ALBRECHT DÜRER (Holzschnitt) 1498

134 „Sous la Main du Destin.- 'Dieu avaugle ceux qu'il veut perdre!'„ ALMÉRY LOBEL-RICHE ca. 1914/15

298 135 „Der Krieg“ JOHN HEARTFIELD (Fotomontage) 1933

136 Sowjetisches Flugblatt (Farbdruck) 1942

299 137 „Der fünfte Reiter“ PATRICK OLIPHANT

138 Britische Karikatur (ILLINGWORTH) Daily Mail 17. Juni 1940

139 Französische Karikatur La Gerbe 17. August 1944

300 140 FRANK CERNY Westdeutsche Allgemeine Zeitung 9. Januar 1991

141 signiert: RABENAU Frankfurter Allgemeine Zeitung 8. Januar 1991.

301 142 FRANK MÜLLER Junge Welt 11. Februar 1991

143 HEINRICH KLEY (Federzeichnung)

302 144 ohne Signatur (Farbdruck) 1940

145 PATRICK OLIPHANT International Herald Tribune 10. April 1980

303 146 RENAN LURIE Die Presse 17. August 1990

147 ROY PETERSON International Herald Tribune 18. September 1990

148 signiert: BENSON Morning News Tribune (Washington) / Die Welt 21. Januar 1991

304 149 KLAUS PIELERT Handelsblatt 11. Oktober 1994

150 BARBARA HENNIGER Der Tagesspiegel 27. Mai 1995

151 signiert: WIZ Stuttgarter Zeitung 4. November 1995

305 152 KLAUS BÖHLE Die Welt 26. Februar 1996

153 ROLF-DIETER WUTHE Mannheimer Morgen 12. Juli 1991

154 Signiert: PANCHO Le Monde 29. Juli 1992

306 155 RENAN LURIE Die Presse 7. März 1992

156 HORST HAITZINGER Berliner Zeitung 17. Juli 1991

307 157 LUFF (ROLF HENN) Hannoversche Allgemeine 24. September 1991

158 KLAUS BÖHLE Die Welt 7. Juni 1995

159 ERNST HEIDEMANN Hessische Allgemeine Zeitung 22. Juli 1995

308 160 BURKHARD MOHR General-Anzeiger 6. März 1992

161 JUPP WOLTER Bonner Rundschau 12. März 1992

162 MAC (STAN MACMURTY) Daily Mail (London) / Der Spiegel 8. April 1991

309 163 PETER BENSCH Rhein-Zeitung 29. September 1980

164 PETER LEGER Hannoversche Allgemeine Zeitung 17. Juli 1982

165 KLAUS BÖHLE Die Welt 23. August 1990

310 166 JEFFREY KENNETH MACNELLY International Herald Tribune 20. August 1990

167 PETER LEGER Süddeutsche Zeitung / Der Spiegel 21. Januar 1991

168 FRANK CERNY Westdeutsche Allgemeine Zeitung 19. Juli 1982

311 169 signiert: RULLE (?) Flensburger Tageblatt 25. Februar 1991

170 ERNST HEIDEMANN Frankfurter Neue Presse 28. August 1979

171 ERNST HEIDEMANN Saarbrücker Zeitung 29. August 1992

312 172 HORST HAITZINGER Der Spiegel 13. August 1973

173 FRANK CERNY Westdeutsche Allgemeine Zeitung 7. Januar 1989

313 174 KLAUS BÖHLE Die Welt 19. Januar 1991

175 JÜRGEN TOMICEK Flensburger Tageblatt 31. Januar 1991

176 RENAN LURIE Die Welt 11. April 1980

314 177 PEPSCH (JOSEF GOTTSCHEBER) Süddeutsche Zeitung 25. September 1980

178 PEPSCH (JOSEF GOTTSCHEBER) Hannoversche Allgemeine 10. März 1980

179 FRITZ BEHRENDT Hannoversche Allgemeine 20. Juli 1982

315 180 KLAUS BÖHLE Die Welt 15. Februar 1986

181 HORST HAITZINGER Nordwest-Zeitung 9. Februar 1991

316 182 KLAUS PIELERT Kölner Stadtanzeiger 11. Oktober 1994

183 NIK EBERT Rheinische Post 7. Juni 1989

184 NIK EBERT Bonner Rundschau 16. August 1995

317 185 JUPP WOLTER Allgemeine Zeitung 16. Februar 1979

186 JUPP WOLTER Neue Osnabrücker Zeitung 19. Juli 1982

187 signiert: WK (KRÜGER) Badische Neueste Nachrichten 26. September 1980

318 188 WALTER HANEL Hessische Allgemeine 18. August 1980

189 HORST HAITZINGER Tz 25. September 1980

190 FRITZ WOLF Neue Osnabrücker Zeitung 2. August 1979

319 191 FRITZ WOLF Neue Osnabrücker Zeitung 7. März 1991

192 „Annäherung“ FRITZ BEHRENDT 1975

193 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 4. September 1981

320 194 Waldemar Mandzel Die Rheinpfalz 2. April 1991

195 JÜRGEN TOMICEK Aachener Volkszeitung 22. Juli 1993

196 JÜRGEN TOMICEK Aachener Volkszeitung 15. Juli 1993

321 197 HANS GEISEN 1960

198 HANS GEISEN 1968

199 FRITZ WOLF Neue Osnabrücker Zeitung 15. Juli 1995

322 200 FRITZ BEHRENDT 1974

201 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 10. Mai 1983

202 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 27. Dezember 1986

323 203 FRITZ BEHRENDT Badische Neueste Nachrichten 1. Oktober 1990

204 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 23. Januar 1991

205 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 15. September 1990

324 206 DIETER ZEHENTMAYR 1989

207 TIL (GOTTHARD-TILMAN METTE) die tageszeitung 11. September 1993

208 PLANTU (JEAN PLANTUREUX) Le Monde / Die Presse 10. Mai 1989

325 209 PLANTU (JEAN PLANTUREUX) Le Monde / Die Presse 25. Februar 1991

210 ERNST HEIDEMANN Die Neue Ärztliche 22. August 1990

211 GÜNTER RYSS Mannheimer Morgen 28. September 1990

326 212 JIM BORGMAN Cincinnati Enquirer / Die Welt 11. Februar 1991

213 signiert: WIZ Allgemeine Zeitung 31. Mai 1995

214 DANZIGER International Herald Tribune 30. November 1993

327 215 BILL MAULDIN Welt am Sonntag 9. September 1984

216 HORST HAITZINGER Neue Ruhr Zeitung 9, Januar 1989

328 217 ROMULUS CANDEA Rheinische Post 17. Januar 1991

218 BERND BRUNS Neue Ruhr Zeitung 22. Februar 1991

219 ERNST MARIA LANG Süddeutsche Zeitung 20. Juli 1994

329 220 WALTER HANEL Frankfurter Allgemeine Zeitung 18. Januar 1993

221 DANZIGER International Herald Tribune 16. Februar 1991

222 Der Tagesspiegel 20. Juli 1995

330 223 HORST HAITZINGER Rhein-Zeitung 30. November 1979

224 GERHARD MESTER Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt 7. September 1990

331 225 RENAN LURIE Le Figaro 3. Februar 1991

226 WALTER HANEL Augsburger Allgemeine 1. März 1984

332 227 JÜRGEN TOMICEK Aachener Zeitung 24. August 1996

228 WALTER HANEL Frankfurter Allgemeine Zeitung 14. April 1986

229 FRITZ BEHRENDT 1974

333 230 HANS JOACHIM GERBOTH Bonner Rundschau 18. Februar 1989

231 KLAUS BÖHLE Die Welt 12. Januar 1991

232 LUIS MURSCHETZ Die Zeit 26. September 1980

334 233 LUFF (ROLF HENN) Stuttgarter Zeitung 19. Januar 1991

234 BAS (BAS MITROPOULOS) Die Presse 12. Januar 1993

235 WALDEMAR MANDZEL Die Rheinpfalz 13. August 1990

335 236 WALDEMAR MANDZEL Badische Neueste Nachrichten 18. Januar 1993

237 LUIS MURSCHETZ Die Zeit 15. Januar 1993

238 „Vier Jahrhunderte Kultur in vier Tagen zerstampft!“ Belgische Postkarte 1914

336 239 FRANK REYNOLDS The Sketch / L'Europe Anti-Prussienne 2. September 1914 / 15. Oktober 1914

240 JOHN HEARTFIELD Arbeiter Illustrierte Zeitung 28. Februar 1935

337 241 MAX ESCHLE (Plakat), 1936

338 242 Plakat der Bayrischen Volkspartei zur Landtagswahl 12. Januar 1919

339 243 „Der russische Griff nach Spanien“ FRANZ BRAZDA (Feder über Blei, 207 x 286 mm) 1936/37

244 Stuttgarter Zeitung 17. Juli 1982 (?)

245 GÜNTER RYSS Mannheimer Morgen 12. Januar 1993

340 246 FRITZ BEHRENDT

247 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 28. Juli 1987

248 HANS JOACHIM GERBOTH Lübecker Nachrichten 20. Juli 1982

341 249 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 12. April 1986

250 KARL-HEINZ SCHOENFELD Hamburger Abendblatt 29. Januar 1991

251 KARL-HEINZ SCHOENFELD Frankfurter Neue Presse 5. September 1994

342 252 BORIS ARTZYBASHEFF (Farbdruck) 1942

253 Sowjetische Karikatur signiert: M. ABRAMOV Prawda 11. September 1961

343 254 Sowjetische Karikatur Prawda 22. Januar 1984

255 ROMULUS CANDEA Rheinische Post 15. März 1984

256 KLAUS BÖHLE Die Welt 17. August 1990

344 257 „Rendevous“ SIR DAVID ALEXANDER CECIL LOW 1939

258 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 25. September 1990

259 JUPP WOLTER Bonner Rundschau 22. Februar 1991

345 260 RUDOLF SCHÖPPER Westfälische Nachrichten 25. Februar 1991

261 HORST HAITZINGER Nordwest-Zeitung 5. April 1991

262 KLAUS PIELERT Westdeutsche Allgemeine Zeitung 2. März 1991

346 263 BERNARD COOKSON Welt am Sonntag 3. Februar 1991

264 FRITZ WOLF Neue Osnabrücker Zeitung 6. Februar 1991

265 KARL-HEINZ SCHOENFELD Hamburger Abendblatt 7. August 1992

347 266 „Das Verhängnis“ ANDREAS PAUL WEBER 1932

267 LUFF (ROLF HENN) Saarbrücker Zeitung 7. September 1990

268 IVAN STEIGER Frankfurter Allgemeine Zeitung 1. Dezember 1979

348 269 HERBERT KOLFHAUS Bayern-Kurier 21. April 1979

270 JEFFREY KENNETH MACNELLY International Herald Tribune 13. Dezember 1979

271 HORST HAITZINGER Welt am Sonntag 10. August 1980

349 272 HORST HAITZINGER Augsburger Allgemeine 24. Juni 1981

273 WALTER HANEL Frankfurter Allgemeine Zeitung 11. August 1992

274 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 10. August 1987

350 275 TIL (GOTTHARD-TILMAN METTE) die tageszeitung 6. Juni 1989

276 PATRICK OLIPHANT International Herald Tribune 27. Juni 1989

277 signiert: TYL 69 Deutscher Studenten- Anzeiger der NPD

351 278 „Wissen Sie was vom Verbleib unseres früheren Nachbarn Samuel Goldstein?“ HANS-JÜRGEN PRESS Stern

279 WALTER KUROWSKI

352 280 HORST HAITZINGER Nürnberger Nachrichten / Der Spiegel 17. Dezember 1973

281 HORST HAITZINGER Die Rheinpfalz 14. Juli 1993

282 TIL (GOTTHARD-TILMAN METTE) die tageszeitung 14. Januar 1993

353 283 BERND BRUNS Neue Ruhr Zeitung 14. März 1991

284 KLAUS STUTTMANN die tageszeitung 10. August 1990

285 HORST HAITZINGER Stuttgarter Nachrichten 4. Februar 1991

354 286 HORST HAITZINGER Frankfurter Neue Presse 29. Juli 1992

287 DANZIGER International Herald Tribune 16. August 1990

288 HORST HAITZINGER Stuttgarter Nachrichten 25. September 1990

355 289 FRITZ BEHRENDT Der Tagesspiegel 23. Januar 1991

290 PATRICK OLIPHANT International Herald Tribune / Der Spiegel 6. Juni 1991

291 TOM (THOMAS KÖRNER) die tageszeitung 16. Januar 1992

356 292 HORST HAITZINGER Nordwest-Zeitung 6. April 1991

293 FRITZ BEHRENDT Frankfurter Allgemeine Zeitung 14. August 1992

294 WALDEMAR MANDZEL Kölner Stadt-Anzeiger 29. Juni 1993

357 295 JEFFREY KENNETH MACNELLY International Herald Tribune 26. Februar 1991

296 HORST HAITZINGER Berliner Zeitung 28. Juni 1993

358 Abbildungsnachweise

Abb. 1: BOECK o.J. (1968), Abb. 7 [Graphische Sammlung München] Abb. 2: BRAUER / WITTKOWER 1931, Abb. 146a [Vatikanische Bibliothek Rom] Abb. 3: Bild als Waffe 1984, S. 105, Abb. 65 [Sammlung Ensmann München] Abb. 4: GEORGE 1967, S. 35, Abb. 18 Abb. 5: La Caricature 1980, S. 99, Kat.Nr. 26 Abb. 6 + 7: Bild als Waffe 1984, S. 93, Abb. 55 / S. 29, Abb. 5 Abb. 8: LUCIE-SMITH 1981, S. 40, Abb. 48 [Royal Library Windsor Castle] Abb. 9: Ereigniskarikaturen 1983, S. 302, Abb. 271 [Westf. Landesmuseum Münster] Abb. 10: die tageszeitung v. 19.5.1995, S. 10 Abb. 11 + 12: GRÜNEWALD 1979, S. 113, Abb. 16 / S. 114, Abb. 18 Abb. 13: Die Zeit, Nr. 9 v. 23.2.1996, S. 5 Abb. 14: Ereigniskarikaturen 1983, S. 328, Abb. 304 [Westf. Landesmuseum Münster] Abb. 15: FUCHS 1921, S. 188, Abb. 194 Abb. 16: RHODES 1976, S. 182 [] Abb. 17: BEHRENDT 1975, S. 124 Abb. 18: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.2.1987, S. 3. Abb. 19 - 21: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 22: Die Zeit, Nr. 14 v. 31.3.1995, S. 25 Abb. 23: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 200 v. 28.8.1992, S. 3 Abb. 24: Bild als Waffe 1984, S. 397, Abb. 43 Abb. 25: FUCHS 1916, Abb. 245 Abb. 26: Coping with the Relations 1993, S. 63 Abb. 27: WENDEL 1925, S. 101, Abb. 84 Abb. 28: MUSSIL 1995, o.S. Abb. 29: WENDEL 1925, S. 49, Abb. 43 Abb. 30: MUSSIL 1995, o.S. Abb. 31: HANEL 1995, S. 83 Abb. 32: WENDEL 1925, S. 161, Abb. 112 Abb. 33: Ereigniskarikaturen 1983, S. 342, Abb. 323 [Westf. Landesmuseum Münster] Abb. 34: FEITH 1915 Abb. 35 - 39: Coping with the Relations 1993, S. 149 / S. 155 / S. 205 / S. 123 / S. 53 Abb. 40: FUCHS 1916, S. 152+153, Abb. 128 Abb. 41: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 42: LUCIE-SMITH 1981, Abb. 13 Abb. 43: Marks 1983, S. 35 Abb. 44: Lumpenspiegel 1918, S. 34 Abb. 45: Ereigniskarikaturen 1983, S. 318, Abb. 289 [Westf. Landesmuseum Münster] Abb. 46: LOW 1946, S. 246 Abb. 47: DIEDERICH/GRÜBLING/BARTHOLL 1976, S. 19, Abb. 2 Abb. 48: RHODES 1976, S. 96 Abb. 49: The Observer v. 12.11.1995, Observer Review, S. 3 Abb. 50: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 51: KEEN 1986/1987, S. 60. Abb. 52: Bild als Waffe 1984, S. 258, Abb. 158 Abb. 53: ZEMAN 1984, S. 26 Abb. 54: FUCHS 1916, S. 56, Abb. 48 Abb. 55: RHODES 1976, S. 226 [Library of Congress] Abb. 56: AGFP 1983, S. 55 359 Abb. 57 + 58: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 59: KEEN 1986/1987, S. 132 Abb. 60: DEMM 1988, Abb. 114 [Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin] Abb. 61: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 62: Der Spiegel, Jg. 44, Nr. 35 v. 27.8.1990, S. 139 Abb. 63: Bilderwelten 1986, S. 198, Kat.Nr. 111 Abb. 64: KEEN 1986/1987, S. 95 Abb. 65: FUCHS 1921, S. 303, Abb. 302 Abb. 66: GRÜNEWALD 1979, S. 117, Abb. 20 Abb. 67: LAMMEL 1995, S. 223, Abb. 254 [Sammlung Henkel Berlin] Abb. 68: RHODES 1976, S. 217 [Library of Congress] Abb. 69: ROTH 1989, S. 102 Abb. 70: KEEN 1986/1987, S. 93 Abb. 71 - 73: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 74: KEEN 1986/1987, S. 43 Abb. 75 + 76: RHODES 1976, S. 232 [Library of Congress] / S. 175 [National Archives] Abb. 77: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 78: FUCHS 1916, S. 4, Abb. 3 Abb. 79: ZEMAN 1984, S. 154 Abb. 80: RHODES 1976, S. 279 Abb. 81: FUCHS 1916, S. 331, Abb. 291 Abb. 82: AGFP 1983, S. 20 Abb. 83: RHODES 1976, S. 174 [National Archives] Abb. 84 + 85: AGFP 1983, S. 15 / S. 56 Abb. 86: KLANT 1984, Abb. 274, S. 197 Abb. 87: LANGGUTH 1995, S. 80, Abb. 57 [CDU-Geschäftsstelle Bonn] Abb. 88: MARKS 1983, S. 32 Abb. 89: LANGGUTH 1995, S. 92, Abb. 66 [CDU-Geschäftsstelle Bonn] Abb. 90: RHODES, S. 174 [National Archives] Abb. 91: documenta 1972, S. 7-11 Abb. 92 - 94: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 95: DIEDERICH/GRÜBLING/BARTHOLL 1976, S. 71, Abb. 42 Abb. 96 + 97:documenta 1972, S. 7-5 / S. 7-4 Abb. 98: Ereigniskarikaturen 1983, S. 357, Kat.Nr. 341 Abb. 99 + 100: MILENKOVITCH 1966, S. 28, Abb. IV-2 / S. 48, Abb. V-7 Abb. 101: ROTH 1989, S. 119 Abb. 102: documenta 1972, S. 7-9 Abb. 103: Der Spiegel, Jg. 33, Nr. 28 v. 9.7.1979, S. 121 Abb. 104: Der Spiegel, Jg. 44, Nr. 37 v. 10.9.1990, S. 166 Abb. 105: Süddeutsche Zeitung v. 23.1.1981 Abb. 106: HOLSTEN 1976, Abb. 413 Abb. 107: FUCHS 1916, Abb. 45, S. 53 Abb. 108 - 111: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 112: ZEMAN 1984, S. 6 Abb. 113: RHODES 1976, S. 103 [Archivio Capitolino] Abb. 114: MUSSIL 1995 Abb. 115: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 116 - 118: RHODES 1976, S. 63 / S. 145 / S. 184 Abb. 119: MILENKOVITCH, S. 106, Abb. VI-43 Abb. 120 + 121: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages

360 Abb. 122: FUCHS 1916, S. 169, Abb. 140. Abb. 123: HOLSTEN 1976, Abb. 423 Abb. 124: Der Spiegel, Jg. 33, Nr. 10 v. 5.3.1979, S. 143 Abb. 125 - 128: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 129: FUCHS 1916, S. 37 Abb. 130: Der Spiegel, Jg. 33, Nr. 21 v. 21.6.1979, S. 132 Abb. 131: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 132 + 133: HOLSTEN 1976, Abb. 334 / Abb. 92 [British Museum London] Abb. 134: GRAND-CARTERET, 1916 Abb. 135 + 136: HOLSTEN 1976, Abb. 313 / Abb. 314 Abb. 137: KEEN 1986/1987, S. 45 Abb. 138 + 139: DOUGLAS 1990, S. 41 / S. 223 Abb. 140: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 141: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 8.1.1991 Abb. 142: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 143: FUCHS 1916, S. 63, Abb. 53 Abb. 144: RHODES 1976, S. 57 [Library of Congress] Abb. 145 - 161: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 162: Der Spiegel, Jg. 45, Nr. 15 v. 8.4.1991, S. 176 Abb. 163 - 166: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 167: Der Spiegel, Jg. 45, Nr. 4 v. 21.1.1991, S. 129 Abb. 168 - 171: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 172: Der Spiegel, Jg. 27, Nr. 33 v. 13.8.1973, S. 81 Abb. 173 - 191: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 192: BEHRENDT 1975, S. 135 Abb. 193: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 4.9.1981, S. 3 Abb. 194: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 195: Aachener Volkszeitung v. 22.7.1993, S. 4 Abb. 196: Aachener Volkszeitung v. 15.7.1993, S. 4 Abb. 197 + 198: GEISEN, 1988, S. 12 / S. 38 Abb. 199: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 200: BEHRENDT 1975, S. 169 Abb. 201: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 202: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.12.1986, S. 3 Abb. 203: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 204: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 19 v. 23.1.1991, S. 3 Abb. 205: LINK, 1991, S. 74, Abb. 1 Abb. 206: ZEHENTMAYR, 1990, S. 20 Abb. 207: die tageszeitung v. 11.9.1993, S. 12 Abb. 208 - 226: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 227: Aachener Zeitung v. 24.8.1996, S. 4 Abb. 228: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.4.1986, S. 3 Abb. 229: BEHRENDT 1975, S. 183 Abb. 230 - 237: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 238: AGFP 1983, S. 36 Abb. 239: Bild als Waffe 1984, S. 250, Abb. 152 Abb. 240 - 242: DIEDERICH/GRÜBLING/BARTHOLL 1976, S. 63, Abb. 40 / S. 62, Abb. 39 / S. 23, Abb. 6 Abb. 243: Bild als Waffe 1984, S. 235, Abb. 170 [Sammlung Ensmann München] Abb. 244 + 245: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages

361 Abb. 246: Behrendt 1975, S. 128 Abb. 247 + 248: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 249: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.4.1986, S. 3 Abb. 250 + 251: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 252: RHODES 1976, S. 166 [Library of Congress] Abb. 253: MILENKOVITCH 1966, Abb. VI-33 Abb. 254: ROTH 1989, S. 89 Abb. 255 + 256: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 257: LOW 1946, o.S. Abb. 258 - 265: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 266: Ereigniskarikaturen 1983, S. 43, Abb. 15 [Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel] Abb. 267 - 276: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 277: GRÜNEWALD 1979, S. 128, Abb. 24 Abb. 278: TIMM, 1972, S. 15, Abb. 6 Abb. 279 + 280: GRÜNEWALD 1979, S. 138, Abb. 29 / S. 131, Abb. 25 Abb. 281 - 283: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 284: die tageszeitung v. 10.8.1990 Abb. 285 - 289: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages Abb. 290: Der Spiegel, Jg. 45, Nr. 19 v. 6.6.1991, S. 190 Abb. 291: die tageszeitung v. 16.1.1992 Abb. 292 - 296: Archiv der Pressedokumentation des Deutschen Bundestages

362 Künstlerverzeichnis (Nicht alle Daten konnten ermittelt werden. In diesen Fällen ist er Zeitraum genannt, in den die entsprechenden Karikaturen oder Plakate zu datieren sind. Die kursiv gesetzten Zahlen verweisen auf die Abbildungen)

ARNOLD, Karl * Neustadt 1883, † München 1953

ARTZYBASHEFF, Boris USA (2.Weltkrieg) 252

D´AURIAN, Jean Emmanuel Frankreich (Jahrhundertwende) 81

BAS (Bas MITROPOULOS) * Athen 1936 72, 108, 234

BEHLING, Heinz * Berlin 1920

BEHRENDT, Fritz * Berlin 1925 17, 18, 58, 179, 192, 193, 200, 201,202, 203, 204, 205, 229, 246, 247, 249, 258, 274, 289, 293

592 BEIER-RED, Alfred * Berlin 1902

BENSCH, Peter * Berlin 1938 163

593 BERNEIS, Benno * Deutschland 1884 15

BERNINI, Gianlorenzo * Neapel 1598, † Rom 1680 2

BOCCASILE, Gino Italien 1901 – 1952 48

BÖHLE, Klaus * Wuppertal 1928 93, 94, 115, 121, 126, 152, 158, 165, 174, 180, 231, 256

BORGMAN, Jim * USA 1954 212

BRAZDA, Franz Wien 1903 – 1981 243

BRUNS, Bernd * Deutschland 1935 110, 218, 283

BUSCH, Wilhelm * Wiedensahl 1832, † Harz 1908

BUSSE, Horst * Ebling 1924

CALDWELL, Bill * Glasgow 1946 36

363 CALLOT, Jacques Nancy 1592 – 1635 7

CANDEA, Romulus * Rumänien 1922 120, 125, 217, 255

CARRACCI, Agostino * Bologna 1557, † Parma 1602

CARRACCI, Annibale * Bologna 1560, † Rom 1609 1

CERNY, Frank * Bocholt 1946 140, 168, 173

CESARE, Oscar Edward * Schweden 1885, † Conneticut 1948 78

COOKSON, Bernard * Manchester 1937 35, 263

CRUIKSHANK, George London 1792 – 1878

CUMMINGS, Michael * Leeds 1919

DANZIGER USA (zeitgenössisch) 41, 214, 221, 287

DAUMIER, Honoré * Marseille 1808, † Valmondois 1879 11, 24, 42

DENI Moskau 1893 – 1946 (Viktor Nikolayevich DENISLOV) 55, 97

DORÉ, Gustave * Straßburg 1832, † Paris 1883 63

DÜRER, Albrecht Nürnberg 1471-1528 133

DYSON, William Henry * Australien 1883, † Großbritannien 1938 45

EBERT, Nik * Oberschlesien 1945 183, 184

594 EFIMOV, Boris Efimovich * Kiew 1900 100

EMMWOOD * Yorkshire 1915 (John MUSGRAVE-WOOD) 26

ENGELHARD, Julius Ussy * Bindjey (Sumatra) 1883, † München 1964 47

364 ESCHLE, Max Deutschland (Drittes Reich) 241

595 FAUSTIN (Faustin BETBEDER) * Frankreich 1847, † Großbritannien ? 107

FITZPATRICK, Daniel Robert Wisconsin 1891 – 1969 117

FLORA, Paul * Glurns (Südtirol) 1922

GAVARNI, Paul * Paris 1804, † Auteuil 1866

GARVENS, Oskar * Hannover 1874, † Berlin 1951 66

GASKILL, Dave * Liverpool 1939 38

GAYDOS, John USA (2. Weltkrieg) 83

GAYMAN, Peter * Freiburg i. Br. 1950

GEISEN, Hans * Koblenz 1919 197, 198

GERBOTH, Hans Joachim * Deutschland 1926 230, 248

GHEZZI, Pierleone Rom 1674 – 1755 3

GILLRAY, James London 1757 – 1815

GROHE, Glenn USA (2. Weltkrieg) 90

GROSZ, George (Georg Ehrenfried GROß) Berlin 1893 – 1959

GULBRANSSON, Olaf * Oslo 1873, † Tegernsee 1958 12, 52

HACHFELD, Rainer * Ludwigshafen 1939

HAITZINGER, Horst * Eferding (Österreich) 1939 86, 111, 124, 127, 156, 172, 181, 189, 216, 223, 261, 271, 272, 280, 281, 285, 286, 288, 292, 296

HALBRITTER, Kurt * Frankfurt a.M. 1924, † Sligo (Irland) 1978

HANEL, Walter * Böhmen 1930 23, 31, 73, 92, 109, 188, 220, 226, 228, 273

365 HEARTFIELD, John * Berlin 1891, † Berlin (DDR) 1968 (Hellmuth Franz Joseph Herzfeld) 135, 240

HEIDEMANN, Ernst * Witten (Ruhr) 1930 159, 170, 171, 210

HEINE, Thomas Theodor * Leipzig 1867, † Stockholm 1948

HENNIGER, Barbara * Dresden 1938 150

HERWIG, G. Deutschland (2. Weltkrieg) 116 hicks, Wolfgang * Hamburg 1909, † Bonn 1983

HOGARTH, William London 1697 – 1764 4

JAK (Raymond Allen JACKSON) * London 1927 37

JANOSCH (Horst ECKART) * bei Hindenburg 1931

JOHNSON, Arthur * Cincinnati 1874, † 1954 Berlin 67

KEELY, Pat Großbritannien (2. Weltkrieg) 80

KLEY, Heinrich *Karlsruhe 1863, † München 1952 143

KÖHLER, Hanns Erich (H E.K., Erik) * Böhmen 1905, † Ammersee 1983

KOLFHAUS, Herbert * Frankfurt a.M 1916, † München 1987 269

KUBIN, Alfred * Leitmeritz 1877, † Zwickledt 1959

KÜPFER, Emilio Großbritannien (1. Weltkrieg) 60

KUKRYNSKY Pseudonym für: KUPRYANOV, Mikhail * Teyuschi (UdSSR) 1903 KRYLOV, Porfiry * Tula (UdSSR) 1902 596 SOKOLOV, Nikolay * Moskau 1903 85, 99

KUROWSKI, Walter * Kettwig / Essen 1939 279

366 LANG, Ernst Maria * Oberammergau 1916 219

LEBRUN, Charles Paris 1619 – 1690

LEGER, Peter Brünn (Tschechien) 1924- 1991 105, 164, 167

LEGRAND, Louis * Dijon 1863, † Livry-Gargan 1915 54

LEONARD, Robert Deutschland 1879 - ? 14

LEONARDO, da VINCI * Anchiano 1452, † Amboise 1519 8

LEVINE, David * New York 1926 20, 21

LOBEL-RICHE, Alméry * Genf 1452, † Paris 1519 134

LORIOT (Vico von BÜLOW) * Brandenburg (Havel) 1928

LOW, David Alexander Cecil * Dunedin 1891, † London 1963 46, 257

LUFF, (Rolf HENN) * Idar-Oberstein 1956 157, 233, 267

LURIE, Renan * Israel 1932 19, 146, 155, 176, 225

MAC (Stan MACMURTY) * Edingburgh 1936 162

MACNELLY, Jeffrey Kenneth * New York 1947 166, 270, 295

MANDZEL, Waldemar * Deutschland 1948 194, 235, 236, 294

MAULDIN, Bill * USA 1922 130, 215

MESTER, Gerhard * Betzdorf 1956 224

MITELBERG, Louis (TIM) * bei Warschau 1919

597 MJÖLNIR (Hans SCHWEITZER) * Deutschland 1901

367 MOHR, Burkhard Deutschland (zeitgenössisch) 160

MÜLLER, Frank Deutschland (zeitgenössisch) 142

MURSCHETZ, Luis * Wöllan (Österreich) 1936 13, 232, 237

MUSSIL, Felix * Berlin 1921 28, 30, 114

OLIPHANT, Patrick * Adelaide (Australien) 1935 50, 61, 77, 137, 145, 276, 290

OTTLER Deutschland (Drittes Reich) 82

PAPAN (Manfred von PAPEN) * Hamburg 1943

PATRIDGE, J. Bernard Großbritannien 1861 – 1945 53

PAUL, Bruno Lausitz 1874, † Berlin 1966

PECAREFF, Nicolas Bulgarien 59

PELC, Antonín Großbritannien (1.Weltkrieg) 79

PEPSCH (Josef GOTTSCHEBER) * bei Graz 1946 57, 128, 177, 178

PETERSON, Roy * Manitoba (Kanada) 1936 147

PHILIPON, Charles Frankreich 1806 – 1862 5

PIELERT, Klaus * Essen 1922 149, 182, 262

PLANTU (Jean PLANTUREUX) * Paris 1951 208, 209

PLOOG, Arno * München 1942

POTH, Clodwig * Wuppertal 1930

PRECHTL, Michael Matthias * Oberpfalz 1926

PRESS, Hans Jürgen * Deutschland 1926 278 368 RAUCH, Hans Georg * Berlin 1939

REYNOLDS, Frank Großbritannien (1.Weltkrieg) 239

RIDELL, Chris * Kapstadt 1962 49

ROWLANDSON, Thomas London 1756 – 1827 122, 129

RYSS, Günter Deutschland (zeitgenössisch) 211, 245

SAJTINAC, Boris * Jugoslawien 1943

SCHMIDHAMMER, Arpád * Böhmen 1857, † München 1921 132

SCHOENFELD, Karl-Heinz * bei Berlin 1928 131, 250, 251, 265

SCHÖPPER, Rudolf * Dortmund 1922 260

SCHULZ, Wilhelm * Lüneburg 1865, † München 1952

STAECK, Klaus * bei Dresden 1938

STEIGER, Ivan * Prag 1939 268

STEUB, Fritz * Lindau 1844, † Partenkirchen 1903 106

STUTTMANN, Klaus * Frankfurt a.M. 1949 10, 284

TENNIEL, John * Kensington 1820, † London 1914 9

THÖNY, Eduard * Brixen 1866, † Ammersee 1950

TIL (Gotthart Tilman METTE) * Bielefeld 1956 207, 275, 282

TOM (Thomas KÖRNER) * Säckingen 1960 291

TOMICEK, Jürgen Deutschland (zeitgenössisch) 175, 195, 196, 227 TRAXLER, Hans * Herrlich (Böhmen) 1929

TRIER, Walter * Prag 1890, † Kanada 1951

369 UNGERER, Tomi * Straßburg 1931

VICKY (Viktor WEIZ) * Berlin 1913, † London 1968

WEBER, Andreas Paul * Arnstadt (Thüringen) 1893, † Mölln 1980 266

WEIGLE, Fritz (F.W BERNSTEIN)* Göppingen 1938

WOLF, Fritz * Mülheim (Ruhr) 1918 190, 191, 199, 264

WOLTER, Jupp * Bonn 1917 39, 161, 185, 186, 259

WRIGHT, Donald * Los Angeles 1934 103

WUTHE, Rolf-Dieter Deutschland (zeitgenössisch) 153

ZEHENTMAYR, Dieter * Salzburg 1941 206

ZINGERL, Guido * Regensburg 1933

592 Zuletzt belegt in: Flemig 1993. 593 Gefallen im 1. Weltkrieg. 594 Zuletzt belegt in: World Enzyklopedia of Cartoon 1980. 595 Gestorben nach 1910 596 Zuletzt belegt in: World Enzyklopedia of Cartoon 1980. 597 Zuletzt belegt in: Das Große Lexikon des Dritten Reiches 1985.

370 Literaturverzeichnis

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BILDUNGSGANG

Persönliche Daten Angelika Plum Königstraße 12 52064 Aachen

geboren am 10.September 1963 in Setterich, Kreis Geilenkirchen

Ledig

Staatsangehörigkeit: deutsch

Schulbildung 1970 - 1974 Grundschule St. Barbara, Setterich 1974 - 1983 Mathemathisch-naturwissenschaftliches und neusprachliches Gymnasium Baesweiler Mai 1983 Abiturprüfung

Studium Immatrikulation als ordentliche Studentin an der RWTH WS 1983 Aachen Fächerkombination: Kunstgeschichte / Politische Wissenschaft / Baugeschichte WS 1987/88 Zwischenprüfung an der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen 25.Nov. 1991 Magisterprüfung an der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen

Promotion / Stipendium 1992 - 1994 Stipendium der Graduiertenförderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses des Landes Nordrhein-Westfalen Dissertationsthema: „Die Karikatur im Spannungsfeld von Kunstgeschichte und Politikwissenschaft. Eine ikonologische Untersuchung zu Feindbildern in Karikaturen“ April 1997 Einreichung der Dissertation an der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen 12.Dez. 1997 Rigorosum an der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen