I 209/2004 BVE 22. Dezember 2004 49

Interpellation

3987 Matti, (SP)

Weitere Unterschriften: 0 Eingereicht am: 06.09.2004

„Ruhe vor Strassenlärm“ Sanierungen der lärmbelasteten Staatsstrass en im Amtsbezirk

Im August 2004 berichteten die Medien über die vorgesehene Lärmsanierung der Staatsstrasse in Worben. Diese Strasse hat ein Verkehrsaufkommen von 6000 bis 8600 Fahrzeuge pro 24 Stunden.

Verschiedene Gemeinden im Amtsbezirk Nidau, z.B. Nidau, , Brügg, Orpund, haben bedeutend grössere Verkehrsbelastungen zu ertragen. Die Verkehrsmengen übersteigen oft 10'000 bis 15'000 Fahrzeuge pro 24 Stunden.

Nach Artikel 17 der Lärmschutz-Verordnung (LSV) vom 15. Dezember 1986 setzt die Vollzugsbehörde die Fristen für Sanierungen und Schallschutzmassnahmen nach deren Dringlichkeit fest (Abs.1). Für die Beurteilung der Dringlichkeit sind massgebend (Abs. 2): a. das Ausmass der Überschreitung der Immissionsgrenzwerte; b. die Anzahl der vom Lärm betroffenen Personen; c. das Verhältnis von Kosten und Nutzen.

Die Sanierungen und Schallschutzmassnahmen müssen spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten der LSV, d.h. am 1. April 2002, durchgeführt sein (Abs.3). Der Bundesrat hat die Fristen am 1. September 2004 verlängert. Neu müssen die Lärmsanierungen bei Nationalstrassen bis 2015 und beim restlichen Strassennetz bis 2018 abgeschlossen sein.

Sanieren die Kantone ihre Strassen nicht innerhalb der vorgegebenen Frist, haben sie mit finanziellen Konsequenzen zu rechnen? Mit Ablauf der Fristverlängerung werden die Bundesbeiträge für die Lärmsanierungen bei Haupt- und übrigen Strassen eingestellt.

Bei der Lärmsanierung der Staatsstrassen im Amtsbezirk Nidau werden offenbar die oben angegebenen Bestimmungen nicht angewendet, wenn für Strassen mit weit grösseren Verkehrsbelastungen noch keine Sanierungsmassnahmen festgelegt wurden.

Der Regierungsrat wird daher gebeten die folgenden Fragen zu beantworten:

1. In welchen Gemeinden im Amtsbezirk Nidau müssen Staatsstrassen nach der LSV saniert werden? 2. Wie gross ist die Verkehrsbelastung dieser Gemeinden? 3. Wie viele Liegenschaften je Gemeinde sind betroffen?

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4. Wie hoch ist die Lärmbelastung durch die sanierungspflichtigen Staatsstrassen je Gemeinde? 5. Nach welchen Kriterien werden die Sanierungen durchgeführt? 6. Über welchen Zeitraum erstrecken sich die Sanierungen? 7. Wie werden die betroffenen Gemeinden und die Grundeigentümer informiert? 8. Welche Kosten müssen voraussichtlich für die Sanierungen aufgewendet werden und wie werden sie verteilt? 9. Wie wird sichergestellt, dass die Bundesbeiträge nicht verloren gehen?

Antwort des Regierungsrates

1. Wir geben mit der nachstehenden Liste den Überblick über den Bearbeitungsstand des Strassensanierungsprogramms Lärmschutz (SSP) per Ende 2004:

Gemeinde Sanierungs- Stand der Arbeiten bedarf ja SSP von H6 in Arbeit, SSP von T6 in Prüfung ja SSP in Arbeit Brügg ja SSP von H6 in Arbeit, SSP von T6 in Prüfung Bühl ja SSP in Arbeit Epsach nein Immissionsgrenzwert nicht überschritten Hagneck nein Immissionsgrenzwert nicht überschritten ja SSP in Arbeit Ipsach ja 1. Teil saniert, 2. Teil SSP in Arbeit Jens nein Immissionsgrenzwert nicht überschritten nein Immissionsgrenzwert nicht überschritten nein Immissionsgrenzwert nicht überschritten Mörigen ja SSP in Arbeit Nidau ja SSP in Arbeit Orpund ja SSP in Arbeit Port ja SSP noch nicht begonnen ja SSP in Arbeit nein Immissionsgrenzwert nicht überschritten nein Immissionsgrenzwert nicht überschritten Studen ja SSP von H6 in Arbeit, SSP von T6 in Prüfung Sutz-Lattrigen ja SSP in Arbeit Täuffelen ja SSP in Arbeit Tüscherz-Alfermée ja A5 Sanierung abgeschlossen Twann ja A5 Sanierung abgeschlossen (Ausnahme Wingreis) Walperswil nein Immissionsgrenzwert nicht überschritten Worben ja SSP von H6 in Arbeit, SSP von T6 in Prüfung

2. Der durchschnittliche Tagesverkehr der Motorfahrzeuge (DTV) beträgt:

N5 Ligerz-Twann-Tüscherz-Alfermée DTV zwischen 8'500 (Ligerz) und 13'500 (Tüscherz)

T6 Nidau-Brügg-Aegerten-Studen-Worben DTV zwischen 21'800 (Nidau) und 20'800 (Studen)

H6 Brügg-Aegerten-Studen-Worben DTV zwischen 8'000 (Brügg) – 10'000 (Studen) – 6'600 (Worben)

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H237 Nidau-Ipsach-Sutz-Lattrigen-Mörigen-Täuffelen-Hagneck DTV zwischen 10'300 (Nidau) und 4'600 (Hagneck)

H235 Nidau-Bellmund DTV zwischen 5'800 (Nidau) und 3'200 (Bellmund)

H235.1 Orpund-Safnern DTV zwischen 9'000 (Orpund) und 3'700 (Safnern)

3. Aegerten ca. 30 Bellmund ca. 10 Brügg ca. 60 Bühl ca. 5 Hermrigen ca. 10 Ipsach ca. 15 Kappelen ca. 5 Mörigen ca. 10 Merzligen ca. 5 Nidau ca. 65 Orpund ca. 40 Port ca. 5 Safnern ca. 20 Studen ca. 35 Sutz-Lattrigen ca. 15 Täuffelen ca. 20 Worben ca. 10

4. Die Lärmbelastung entlang von Kantonsstrassen schwankt zwischen 60 bis 70 dB(A) am Tag bzw. 50 bis knapp 60 dB(A) in der Nacht. Es gilt in der Regel der Immissionsgrenzwert der Empfindlichkeitsstufe III von tags 65 dB(A) und nachts 55 dB(A). Falls dieser Wert überschritten wird, ist der Strasseneigentümer sanierungs- pflichtig.

dB(A): Masseinheit Lärm (Dezibel)

5. Grundsätzlich wird die Dringlichkeit für die Sanierungen nach den Kriterien der Lärm- schutzverordnung (LSV) Art. 17 beurteilt. Danach sind Sanierungen prioritär dort vorzunehmen, wo die Immissionsgrenzwerte am stärksten überschritten werden, die Anzahl der vom Lärm betroffenen Personen hoch ist sowie Kosten und Nutzen der Massnahmen zueinander in einem guten Verhältnis stehen. Priorität haben aber auch Strassenabschnitte, auf welchen Umgestaltungsmassnah- men in Angriff genommen werden. Bei diesen Vorhaben werden in einem einzigen Bearbeitungsgang sowohl die verkehrstechnischen Massnahmen als auch der Lärm- schutz effizient umgesetzt. Es sind aber auch Projekte in Bearbeitung, welche aus- schliesslich dem Lärmschutz dienen (z. B. Nidau). Nicht zuletzt geben die zur Verfü- gung stehenden finanziellen Mittel den Ausführungstakt an.

6. Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) hat kürzlich die Sanie- rungsfrist bis 2018 verlängert. Es verbleiben also noch 14 Jahre Zeit. Die Frist kann nur eingehalten werden, wenn seitens Gemeinden, Kanton und Bund die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.

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7. Der Lärmschutz wird im Strassenplanverfahren umgesetzt. Die Mitwirkung der Bevölkerung ist gewährleistet. Direktbetroffene Grundeigentümerinnen und Grundei- gentümer sowie die Gemeindebehörden werden persönlich orientiert. Anlässlich der Auflage des Strassenplanes wird aufgezeigt, in welcher Form die Lärmschutzmass- nahmen umgesetzt werden. Eine Einsprachemöglichkeit ist gegeben.

Spezialität: Der Einbau von Schallschutzfenstern wird durch vom Tiefbauamt beauf- tragte Architektur- und Akustikbüros geleitet. Die Bauherrschaft wird anschliessend von den Liegenschaftseigentümerinnen und –eigentümern selber wahrgenommen.

8. Die Kosten für den Lärmschutz im ganzen Kanton werden auf insgesamt 120 Mio. Franken geschätzt. Bis Ende 2003 wurden im Kanton bereits rund 28 Mio. Franken investiert. Die verbleibenden ca. 90 Mio. Franken (6.5 Mio. Franken pro Jahr) müs- sen bis 2018 aufgewendet werden. An diesen Kosten beteiligt sich der Bund heute noch mit 29 %. Nach Abzug der Gemeinde- und Bundesbeiträge entfallen auf den Kanton netto noch Kosten von ca. 40 Mio. Franken.

Für die im Amtsbezirk Nidau unter Punkt 3 aufgeführten Liegenschaften muss mit Kosten in der Grössenordnung von 13 Mio. Franken gerechnet werden.

9. Die Strassensanierungspläne Lärmschutz werden systematisch für alle Strassen- züge erstellt und dem BUWAL zur Genehmigung unterbreitet. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass keine Bundesbeiträge verloren gehen.

Der Kanton muss dem Bundesamt für Strassen aufgrund der geprüften Strassensa- nierungsprogramme jährlich den Mehrjahresplan mit den in den folgenden Jahren zur Ausführung vorgesehenen Lärmschutzprojekten einreichen (Art. 24 LSV). Die Mittelzuteilung erfolgt durch das Bundesamt für Strassen. Der Bundesbeitrag wird definitiv zugesichert, sobald der Kreditbeschluss des Kantons und der Gemeinde zum einzelnen Projekt vorliegt.

Sollten im Kanton die Mittel für Lärmschutzmassnahmen so stark gekürzt wer- den, dass die Fristen des Bundes nicht eingehalten werden, kann ein Verlust von Bundesbeiträgen nicht ausgeschlossen werden. Der Kanton müsste dann die Kosten selber tragen, was umso problematischer wäre, als eine Sanierung nach Fristablauf einklagbar würde.

An den Grossen Rat