DIGITALE SPIELE

Überarbeiteter Game Boy von : „Modernes Retro-Design“

Nutten und Pudel „Keep it dirty“, fordert die DVD-Hülle auf, und das ist genau so zweideutig ge- meint, wie es klingt. Einerseits gilt es, mit dem BMX-Fahrrad durch Dreckpisten, enge Gassen und rostige Halfpipes zu fah- ren. Andererseits tritt „BMX XXX“ als erstes Sportspiel mit explizit „schmutzi- gem“ Inhalt an: Straßennutten rufen den Bikern hinterher und steigen hinter ihnen Diskret Daddeln aufs Fahrrad, um sich zum Bordell chauf- Der neue Game Boy ist ein edles Hand- fieren zu lassen, der lila Pudel des Zuhälters muss zur Kopulation mit einem taschen-Spielzeug für Erwachsene. Straßenköter animiert werden. Wer die Zeitung lesen, aus dem Fenster stieren, gelangweilt eine Puderdose auf- notwendige Stinkefingerfertigkeit und zuklappen – das sind so ziemlich die Zeitvertreibsoptionen, die eine mitbringt und auch noch im Skaterpark lange Zugfahrt bietet, wenigstens für Erwachsene. Wehmütig denken fleißig Kunststückchen vorführt, darf zur Menschen jenseits der 20 zurück: In den Achtzigern vertrieben kleine Belohnung ein Striplokal besuchen. Das Handvideospiele die Ödnis langer Reisen. In den Neunzigern machte postpubertäre Rotzlöffelgehabe des Spiels dann der Game Boy mit seinen auswechselbaren Steckmodulen nicht nur ist stimmig. Nicht nur weil es hervorra- Zugfahrten, sondern auch große Pausen, Familienspaziergänge, Mit- gend mit dem rüpeligen Soundtrack aus tagessen und Theaterbesuche zur Spielzeit – und wurde zum meistver- HipHop und Punk harmoniert, sondern kauften Videospielsystem aller Zeiten. Die junge Kundschaft von einst ist auch, weil verklemmte Neopuritaner das nun erwachsen, spielt aber eigentlich immer noch gern – aber welcher Er- schmutzige Spiel aus ihrem Sortiment wachsene traut sich, seinen Spieldrang öffentlich auszuleben? verbannt haben. So soll es sein: Ride on! Nintendo hat sich für dieses Problem eine Lösung überlegt: Unter dem lieb- HILMAR SCHMUNDT losen Namen SP tritt ein schicker Winzling in mat- „BMX XXX“ (Acclaim; Playstation 2, tem Metallic-Look die Nachfolge des bonbonfarbenen Daddelbriketts an. Gamecube, ). Der SP ist etwa halb so groß wie sein Vorgänger und erinnert mit auf- klappbarem Display mehr an eine überdimensionierte Puderdose, ein Handy, einen Personal Digital Assistant oder sonst ein Erwachsenen-Gad- get als an eine Videospielkonsole für die Manteltasche. Mit dem „modernen Retro-Design“ wolle er Spieler erreichen, die vielleicht seit „Tetris“ kei- nen Game Boy mehr in der Hand gehalten haben, sagt Axel Herr, Chef von Nintendo Deutschland. Rund ein Drittel teurer als der Vorgänger, wurden beim SP mit robustem Akku und beleuchtetem Display die ärgsten Funktionsdefizite beseitigt. Ausgerechnet eine simple Kopfhörerbuchse fehlt dem Daddel-Design- objekt jedoch – das macht den Wiedereinstieg für erwachsene Spielkin- der nicht eben einfacher. Wer nicht allein im Zugabteil sitzt, muss seinen Edel-Game-Boy diskret auf stumm stellen. STEFAN SCHMITT

Game Boy Advance SP. (Ab 28. März, zwischen 130 und 140 Euro). MICHAELFOTO: KOENIG / DER SPIEGEL

44 3/2003 KulturSPIEGEL