NNR.R. 8800 AAUGUSTUGUST 22009009 | 7.7. JAHRGANGJAHRGANG

ensuiteKKULTURMAGAZINU L T U R M A G A Z I N

Inkl. Kunstbeilage artensuite 7.90, Schweiz sFr. Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien € 6.50 rn e a nd B ge ra tu e ul b r K he a lic g ht sic s er u üb it AAusgabeMMit übersichtlicher KulturagendaBern 55 geschäfte | 11 kinos | 10 restaurants | 1 erlebnisbad & spa | 1 hotel

BARS – LOUNGES – DJ-SETS – LIVE MUSIC

7ESTSIDE "EACH Chilling Weeks

7. August bis 5. September 2009 Montag bis Samstag ab 12.00 Uhr Gilberte-de-Courgenay-Platz in Westside westside.ch

FRIDAY, 7TH AUGUST FRIDAY, 28TH AUGUST

18.00 Vino Tonto – Berner Akustikformation 18.00 – 20.00 Vino Tonto – Berner Akustikformation 20.00 Mich Gerber 20.00 – 00.00 Sinnesrausch warm-up mit 20.00 – 22.00 Lounge Du Théâtre Carol Fernandez @ Westside Beach mit den schönsten Bernerinnen hinter den «Du Théâtre-Bars»: Yvonne Würms, Emilie SATURDAY, 29TH AUGUST Lindblom, Christine Künzli & Majian Eytan 18.00 – 22.00 Simu & Pädu Moser, die beiden bekannten 21.30 – 00.00 all eyez on warm-up @ Westside Beach Berner Brüder (Radio-BE1-Morgenshow- mit DJ Cut Surpreme Moderator & Bagatello-Member) hinter dem TH DJ-Pult zum Casa Moser warm-up @ SATURDAY, 8 AUGUST Westside Beach

18.00 – 20.00 The Groove Bar-B-Que – House 22.00 – 00.00 DJ Raphaël K. – feinster funky House 20.00 – 00.00 Delan Records Tunes @ Westside Beach mit Raphaël Delan FRIDAY, 4TH SEPTEMBER FRIDAY, 14TH AUGUST 18.00 – 20.00 Vino Tonto – Berner Akustikformation 20.00 – 00.00 Blickpunkt VIP warm-up 18.00 Vino Tonto – Berner Akustikformation @ Westside Beach mit folgenden Veranstaltern & DJ’s hinter dem DJ-Pult: 20.00 – 00.00 Studio 54 warm-up @ Westside Beach Marco Gehrig (Fast-Mister-Schweiz) mit den Eleganza Boys Aleno & Oliver Steve Krähenbühl (Fast-Mister-Schweiz) Basko Dödle Huber (Mr. Blickpunkt) Remo Neuhaus (alias DJ Smile, SATURDAY, 15TH AUGUST Mister Du Théâtre & Lorenzini) & die Eleganza Boys Aleno und 18.00 – 00.00 Berne’s Finest warm up @ Westside Oliver Basko Beach mit den DJ’s: D-Soul, Gianni Milani, «Coch» SATURDAY, 5TH SEPTEMBER

FRIDAY, 21ST AUGUST 19.00 Gundi, Soul & Funk-Konzert

18.00 – 00.00 LEON DELADO LIVE: 10 YEARS ON THE 20.30 WM-Quali: Schweiz vs. Griechenland DESKS! Zum Jubiläum spielt Leon Delado Public Viewing ein 10-stündiges Live-Set! Fortsetzung ab 22.30 Los del Fuego (Feuerkunst) Mitternacht im «Du Théâtre!» 22.30 – 00.00 AMICI PEOPLE warm-up mit DJ SCALONI @ Westside Beach SATURDAY, 22ND AUGUST

17.00 – 19.30 Vino Tonto – Berner Akustikformation 19.30 – 21.00 The Groove Bar-B-Que – Jazz House 21.00 – 00.00 Lounge Sound @ Westside Beach Unter der Woche jeweils Mo bis Do: Dazwischen: Sounds aus der Konserve Lounge-Musik ab 12 Uhr more romance

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8QTXGTMCWHYYYMWNVWTVKEMGVEJ 18.7.–18.8.2009 6GN %*(/KP 'KPVTKVVKPMN9KNNMQOOGPUIGVTkPM WPF#WUUVGNNWPIUDGUWEJ MÜNSTERGASSE 47 3011 BERN TEL/FAX 031 312 14 01 lll#oe`#dg\ IInhaltnhalt 8 2211

3300 3355

2288

7 KULTURESSAYS 28 MUSIC & SOUNDS PERMANENT 7 Wandelkultur 28 Der «Hoofbarde» der Street Parade 10 FILOSOFENECKE Von Lukas Vogelsang Von Luca D‘Alessandro 8 St.-Petersburg - weisse Nächte 30 L’heure bleue 11 SENIOREN IM WEB in der rabenschwarzen Stadt Von Barbara Hell Von Lukas Vogelsang 32 Auf der Suche nach dem Nordlicht 11 KURZNACHRICHTEN 13 Streifzüge durch München und Bern Von Kaspar Zehnder München: Hannes Liechti / Bern: Pablo Sulzer 34 «Wir lassen uns nicht frozzeln!» 12 KULTUR DER POLITIK 14 360° zum Anbeissen - 100 Jahre Atonalität Von Bettina Hersberger Von Mariel Kreis

15 ÉPIS FINES 14 Käse im Gespräch 35 «Wir wollen auf die Hauptbühne» Von Barbara Roelli Interview: Luca D‘Alessandro 16 Das emotional Korrekte 36 Galaktischer Atompilz auf dem Gurten 17 CARTOON / MENSCHEN & MEDIEN Von Rebeca Panian Von Melania Loforti 19 Organisation, die: 37 «Ich bin mit dem Gurten verheiratet» 27 LITERATUR-TIPPS Von Ralf Wetzel Interview: Luca D‘Alessandro

32 INSOMNIA 20 Vavavoom! 39 Joy Frempong Von Simone Weber Von Ruth Kofmel 40 «Mir erschien der Teufel» 43 TRATSCHUNDLABER 21 TANZ & THEATER Von Pascal Mülchi 21 pitié! von Alain Platel 40 Voodoo Rhythm Records ist gerettet! 44 DAS ANDERE KINO / PROGRAMM Von Kristina Soldati 23 Ausblick Tanz 42 KINO & FILM 48 LESERFORUM / IMPRESSUM / 25 Die Zukunft ist jetzt 42 The Hurt Locker BO ESTELLUNGEN A-B Von Gabriela Wild Von Sonja Wenger 25 Mal was anderes… Oder Hotz 43 Le code a changé 49 KULTURAGENDA BERN und sein kleiner Trotz Von Sonja Wenger 68 KULTURAGENDA BIEL Von Fabienne Naegeli 47 Ein sexuell gestörter Krieg 71 KULTURAGENDA THUN Von Guy Huracek 26 LITERATUR Bild Titelseite: Balanchin Ballett-Abend im Mariinsky Theater 26 Lesezeit Foto: Lukas Vogelsang, 2009 Von Gabriela Wild ensuite.ch

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 5 1 von 311 Haltestellen: Sandrain. KKulturessaysulturessays

EDITORIAL Wandelkultur ensuite im August

er Wunsch nach Veränderung rief mich dieser Mediengattung. Das «Desire» hat mich D im Frühling, nachdem ich beim Anhören unter den Fingernägeln gejuckt und es war mir eines U2-Albums über das Wort «Desire» stol- Zeichen genug für eine neue Bewegung. Doch perte. Unser bisheriges Erscheinungsbild von wohin? Vorerst genügt die Frage als Antwort. ensuite – kulturmagazin war für ein Printpro- Über 500 Journalisten sind in den letzten Mo- dukt mit ungefähr 40 Seiten entwickelt worden, naten in der Schweiz entlassen worden. Mehrere nie aber für 72 Seiten. So stiessen wir immer Zeitungen stehen gemäss eigenen Aussagen vor wieder an Grenzen und es stellte sich eine ge- einem Abgrund, Produkte werden eingestellt. wisse visuelle Langeweile ein. Ich habe mir die Bei der Tamedia macht man daraus keinen Hehl: alten Platten aus den 70er-Jahren hervorgeholt Ein Verlagsprodukt muss als Profi tcenterpro- und bin ein wenig in Nostalgie versunken. Das dukt rentabel sein und Gewinn abwerfen. Die war in der Tat der Nährboden für das neue Lay- Leserschaft ist dabei nicht interessant. Unter out. dieser Defi nition spielen auch der Züritipp und Alles muss zeitgenössisch sein – obwohl die- der neue Tagi-Bund für die nächsten Jahre ein se Defi nition in sich selber hinkt. Im Zeitungs- gefährliches Überlebensspiel. Gespart wird bei und Magazinlayout hat «Modernes» überhand. den Menschen und dem Inhalt – just den Teilen, Im empfi nde das Meiste davon allerdings unter- welche eigentlich für den Sinn und Zweck einer kühlt und sie stossen meiner Ansicht nach die Zeitung verantwortlich wären. Niemand liest Pa- Leserschaft vom Print mehr weg, als dass sie pier – aber alle lesen, was Menschen geschrie- zum Lesen animieren und reinziehen. Bei dieser ben haben. Es ist mir also unverständlich, dass Betrachtung hat das Wort «Desire» eine neue die Jammer-Verlage nicht als ersten Sparschritt Bedeutung erhalten. Ich habe ein paar Schritte versuchen, dem Inhalt mehr Charakter zu geben zurück gemacht, um an der Kreuzung einen an- und stattdessen diesen reduzieren. Ich zweifl e deren Weg einzuschlagen. Man darf sich durch- an der Kompetenz gewisser Chefredaktoren und aus eingestehen, in eine Sackgasse geraten zu Verlagschefs – sie haben den wahren Grund und sein – aber man darf diesen Zustand auch kor- Zweck der Medien vergessen und nur noch das rigieren. Business im Kopf. Ein Kulturmagazin ist ein seismographisches Und dann kam ein fast 60-Jähriger nach Messinstrument. Es pendelt in einem Umfeld Bern, füllte ein Hallenstadion und erklärte vor zwischen verschiedenen Fronten und Welten 40’000 Menschen, dass man ein Haus nicht nur und versucht im Ansatz eine Abbildung, ein «rocken» kann, sondern man mit allen Zuschau- kleines Manifest eines Momentes in der Zeitge- ern leicht gleich ein neues bauen könnte. Wenn schichte, festzuhalten. Das klingt schwerfällig. wir all die Sorgen und Schmerzen zusammen- Ein Kulturmagazin muss sich aber selbst stetig nehmen würden, hätten wir genug Baumaterial neu erfi nden und defi nieren – wenn dies unter- dafür. Bruce Springsteen trifft damit einen noch lassen wird, stirbt damit der Sinn und Zweck gesunden und ungebrauchten Nerv der Zeit. Die- und die Berechtigung eines solchen Produktes ser heisst uns, miteinander bauen lernen. Eben Immer mehr - es wird gar surreal und wirklichkeitsfremd. grad das Gegenteil von dem, was wir momentan Das ist mitunter ein Grund für das Aussterben «zeitgenössisch» erleben. Nicht die Masse ist Menschen wollen wichtig, sondern das einzelne Individuum in der Dank für die fi nanzielle Unterstützung an: Masse. Bruce Springsteen hat diese Hoffnung ein ensuite-Abo. kraftvoll nach Bern gebracht – vielleicht werden wir etwas davon umsetzen lernen. Warum wohl? Ich wünsche einen wundersamen Kultursai- son-Start und bin gespannt auf Feedbacks zum neuen Layout: [email protected]

Lukas Vogelsang Chefredaktor

ensuite.ch

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 7 FREMDE KULTUREN St. Petersburg - weisse Nächte in der rabenschwarzen Stadt

Von Lukas Vogelsang Bild: Blick von der Kolonnade der Isaakievskij-Kathedrale / Foto: Lukas Vogelsang

8 ensuiteensuite - -kulturmagazin kulturmagazin Nr. Nr. 80 80 | August| August 09 09 ZuZ gegeebeen, bei grauem Regenwetter Jungs mit schnellen und lauten Motorrääded rn nees Berufss. Icch stand in Prunkkgeebäuden mit sosollltet man niccht mit demem Fluugzeug unu d lil efern sich Rene nen, mitten in der Sttadt. ddiessen fasa zinierendeen DeD ckenn undd Bödenn, saah ini Russland landn enn. AlA s obob manan dasa Es wirktk suru reeal. DiDie ZeZ iti hababe ich veerlrlorrene , mem chhana iscche SpS riinggbrb unnneen,n Koloso see von Moo- wüünsn chhenn könnntee. Dass Billd,d welchhess die Dimensionen verlaufef n sich undd das Tem- numem nten und nebensächlichen Golddekoratii- sichh nach der Landung offfef nbart, pop dieses r StS adt wirdr immer schnellere . Allel s onene . IcI h waar imm berühü mtm en Mariii nskyk -TThehea- drehtt. Meine Wertvorsttele luungngene könö nenen mir ter unnd sasah endlicch mmal eie n klasssiisccheh s, aber köönnnnte dadurch etwas leichtfüssi- hih erher nin chc t folgenn, meine Fixierunngsg punkn tet ddeswwegenn aucu h faasssbaares unnd wwohlh tut ennded s geg r wew rdenen. DeD r übberrgrg osse Hutu dese meiner Wele taansn chauung geraten duurcheinann- BaB llleett, undd ginng ana eini een Fesestitivav llaabebendnd der Offi ziers am Fluughafen, die rorosts igigen ddeer – iich mumuss loslassenn, sonsn t beekok mme icch klk asa siischen MuM sis k mim t deem St. Petersbuburgger Flugzeugtreppep n und did e raatteerndn en AAngst odere Duru chhffaallll. SSympphohonin eorcheh ster. Voon deen MMuseenn, alallen KlK einbusse wirrkek n bbeimm Eini zzuug in St. St. PeP teerssbuurgr ist einine waandn ellndde Staddt.t voran dem Hermrmittagage-e MMuuseeum (deder ExExklusivv- Peterrsbuurgg, inn dieiese Achtmiillionnene - SoS schchnell wiiee die Wolken über unsere e Köpfe füührunng für unns), unnd deen Kircheh n mmal ganzn Sttadtt,, bededrüückckennd scschwh ere . eie nherziehen, soo rasch veränä dert sici h did e Reea- zuu schwew igen. Dazu roch ici h Dill und noch- lität unten auf deem Boodeen.n Es isst,t, als würdee mals Dill,l diee Ladasa undd Land Roovers undd eiein ere sttess Mall in Ruusss lal ndd. MeMeini e ere s-s hiiere keiin StS eiin auf dem anderen blb eibben unnd lil ess mich vono rusu sischen Kamiikak zez -Mücken te Bere ühü rur ngg mit einnerr sogogenenananntnten diie MaM ueuernn siich sts äändig neu fof rmen. MeM ini e sttece hehenn. Vere geg blich suchten wir aber ein an- GrG ossswsweleltmmaca hht – weieissss derer Hiimmmem l,l wasas hieier WaWahrh nenehmhmunung unu d SiSinnn esesororgag nene lauaufefen aauuf ststänndid gees ruussssisi chchese Rese tataurrana tt.. ggenaau didie «MMaccht» sein sololll. Ich habbe mimichch Hoochhtotoururenen, meeisistetennss abeber nunur,r, um inn einnerr Sppananneendnd warar diei Arbeit mim t ded r lookakalel n nnichht vvorberreitet auuf ddieese ddrreiei Wocchehen unund SaS ckkgagasssse zuu lannded n.n Nici hthts sccheh inint hhiere feses- KuKulturragagenndad – wiei ichh es inn jedederr Statadtdt zu wiillll vererssuuchc ene , Russs lal ndnd, oddere zumuminindeestst dieie- tteen Boodeden zuu hababenen undnd doco h gigibbtt es eiinnee pflpfl egegen hehegege. WiWir hah tttenn mehhrere Exex mmpplala- se Stadtdt, zuu fi ndeden.n Diee Möglichhkkeeiti , inin eini er nünüchchteternne StStruruktk urur. MiM t jejeddeem ScSchhrrititt eenntdtde-e rere zuru Ausu waahlhl, ababerer dieiesese wararenen nicichtht sehhr KKoommmunnalalwowohnhnunung wiw rkrklichh mititteen imim Zene t-- ckke icich mem iinne eieigegeneen klkleieinenen IlIlluusisiononenn undn errgig ebbigig. EnEntwtwedederer wararenn sieie unvvololllstätändndig rum voon StSt. PeP tetersrsbuurrgg an peerfrfekekter Laagge zu mum sss diese gehe enn lasa sesen.n oddere unüübebersrsici hthtlliichh odeder dadannnn veerrfefehlh ten siie wowohnhnenn, klk anang veerlr occkeendnd. JeJetztzt aba err binin ichch Weenn es in St.t Pettersbburu g rregngnete , soso wäscht did e Fuunknktiiono alss Wegegwew isiserr undnd tririebebeen unss alls erststeses etwwasa ernnücchtterertt:: Allle BeB kakannnntten ese nicchth wie beie unsns dene Dreckk weg, soondn erern mem hrh heiti lil ch zumum näcchsh teen DVD-D Verkkauufsf - haabeb n sos gesschhwäärrmmt vvon diiessere Staadtd undd brbringtt diei ses n aua s der LuLuft zu BoBodenn. Das At-t- sts and,d wo wiw r uns älltere russsiscs he Fili mpm errleen ici h seheh mommennttaan niichc tst Gememütü lilichchese , ge- mem n fällt eie neem dann schhwwer unu d deer Dreecck zuum Sppottpreeisi kauften. NiNichht dadas niichhts läuä ftt scschwh eigege dennn ScS höhönenes hhiieerr. EsE istt dreecckigg, klebt ann den Schc uhenn, den AuA totos unu d eie nfnfacch inn dieieses r Stadt – abeer Übeb rsici httlil chchkek iti ists so grg auu, did e Mensnschhenn schc eieineen unu beteiiliggt und übberala l. Umweltst chhuttz giibt es nichht hiiere . Viiell- eie n ThT ema. Noch häh ngt die Juugeg ndd hauuptsäächh- ess sttinkt unu säsäglglicch nanachh Abgaasen, Undefi nierr- lleeichtt ist das einin Grundd, waarum diie FrF auen so lil ch in der Gotik-Szene oddere in düsstteren Elek-k babarerem unnd DiD llll. aua ffalalleendn hohe Abbsätzt e trraga ene … ttrokkele lern – doch eine eiggenne PPop-p Kuultl urur, wwie Eiinen n Taag sps ätä ere koommmtt danann doch diei WaW s eiinmnmala aufgebautt wurrdee, wird hieer wwir sie kennen, ist derzeit weenin geg r spürbab rr.. Soonnn e unund ich verstet hee zumu inindedestt, was mmiit nichc t geeppflfl egtg . Meine russsischhe Beeglg eiitut ngg WWille wäre da, aber keiin Geleldd. Daffür habbe icch den «wweisss en Nächten» gegemeeini t isist:t Es isi t nen nnt ese «KuK ltur des Zerfalls». ScS herzhaft re- nooch nie so ammere ikkaanisierte RaR ddiiostaatit onen 23.330 UhUhr unu d wiir sppazieierren mimit SoSonnnnenenbrbrill- duzierenn wir in deer Folge das Wesen des Chha- geehört wie in Stt. Petersr bub rg. DaD wurrded bereits lel n unnd 10100’0 0000 ananded reen NaNachttspapaziz erergägän-n raktk errs ded r Russsenn aufu eine Fragge: «Wozuz ?» umm neun Uhhr mom rggeens das neeusu tee Album von gegerIInnnen duru chc diee Hauaupttststrarassse, denen Nevevsks y AAberr dass kulltut relle Angeg bott: Meein UnU - «AAlil ccee in ChC aia ns» als nen usteer HyH pe vorgestellt PrP osspeektk . MiM t der SoS nnne kommm t auchh Schhönö - terkiefer bleibt häängeg n.n In den drdreie Woco heh n - eiinne amerikanische Band,d diee bei uns am heit - ich habe das seltenen so ded utu lich zu sps ü-ü habe icch mehe r Kuultlturur erlr ebbt unund geseehen alls RaR ndde ere wähnt wird. ren beb kokommmenn. Neebeb n unns wettteieiffernn einn paar in den lete zten vieier JaJahrh en. UnU d did es trootzt mei- SoS wieso ist der Hype um den Hype all-

99 KKulturessaysulturessays FILOSOFENECKE Ich höre genau dann zum Zeitpunkt t’ ein Schubert-Trio, wenn es zu t’ eine Person gibt, die gegenwärtig. Vor erst 18 Jahren zerbrach der Musikalische Trouvaillen Nach langer Suche dieses Trio hört und die 70-jährige eiserne Vorhang. Seither ist der tägli- (Russen hören keine russische Musik, wie uns che Kampf, eine eigene Identität aufzubauen oder ein CD-Verkäufer erklärte) fand ich ein paar aktu- mit mir identisch ist. zu erhalten, das Tagesgeschäft. Gelten ist wich- elle Highlight-Bands. Alina Orlova zum Beispiel Martine Nida-Rümelin 2006 tig, Prestige ist Gesetz – wer nicht mitmacht, hat wird in Kürze wohl auf internationalem Parkett nichts zu sagen und ist nichts wert. Aber anders stehen. Sie ist zwar ursprünglich aus Vilnius in der anders gesagt: «Man kann nicht ver- als in anderen Ländern empfand ich die Russen Litauen, doch wurde ihr Erstling in St. Peters- O stehen, was es heisst, eine Strasse so nicht als arrogant – einfach ignorant –; ein kleiner burg aufgenommen und in England abgemischt. zu sehen, als wäre sie nass, wenn man den aber wichtiger Unterschied. Wer allerdings die Sie spielte die Vorgruppe am Nik-Cave-Konzert Inhalt der Behauptung, dass eine Strasse nass Geschichte betrachtet, versteht diese Folge nur in Piter (Abkürzung von St. Petersburg) und hat ist, nicht erfasst hat.» (N-R) Eigentlich schien zu gut: Der Sozialismus hat keine sozialen Men- von der Phrasierung der Stimme eine Ähnlichkeit die Angelegenheit mit der Identität mal ganz schen hervorgebracht, sondern den Appetit nach mit unserer Sophie Hunger. Unbedingt anhören einfach: «Ich bin der ich bin» – das die Jesus- Individualismus unerträglich aushungern lassen. (www.myspace.com/alinaorlova). Eher von der Antwort, wenn man ihn danach fragte. Aber Und das wird jetzt nachgeholt. Die wenigen, die lustigen Seite kommen Markschneider Kunst mit eben: Identifi ziere ich mich der berühmten zum richtigen Zeitpunkt zugeschlagen haben, «Café Babalu» daher, eine Party-Band mit den Antwort entsprechend allein mit mir, oder profi tieren und melken die Kuh, bis sie vertrock- üblichen Polkas; und ich müsste mich schwer doch besser mit dem Vorbild selbst, einer net am Boden liegt. Wozu sich sozial anstellen? täuschen, aber für mich klang das eher nach per- höheren Idee, etwas Anderem also? Rational Was vielleicht negativ klingen mag, meine Rei- fekten Latin-Rhythmen (www.mkunst.ru, unter nur schwer zu entscheiden, deshalb eine Sa- se war eine der eindrücklichsten ihrer Art. Auch «Media» gibt’s ein paar schöne Videos…). «Dol- che des Glaubens, der Emotion, des Gefühls, wenn vieles schwierig zu verstehen ist, so fühlte phin» ist der Hype in Piter für die Elektroszene möchte man meinen. Trotzdem: Bin ich mit ich im direkten Vergleich, zurück in der Schweiz, (http://mp3.audio.rambler.ru/album/7818/ oder meinen Gefühlen identisch? Werde ich mor- was die Faszination Russland ausmacht: die Inten- offi zielle Seite http://dolphinmusic.rambler.ru). gen mit meinen Gefühlen von heute identisch sität. Als ich um 23.30 Uhr in Bern aus dem Bahn- Und etwas Schickimicki: Dsh-Dsh! (Disch-Disch sein? Kann ich heute meine Gefühle von mor- hof kam, sah ich für ganze fünf Minuten keinen gesprochen) ist eine Gruppe aus Moskau, die vor gen antizipieren und mich mit ihnen heute Menschen und kein fahrendes Auto vorbeiziehen. allem in der Lounge-Szene bekannt ist. Soll zum identifi zieren? Ganz abgesehen vom Zweifel, Es war still und es roch nach nichts. Mir kam es guten Ton gehören – ich fand, dass der eine oder ob unsere Hirnströme identisch mit unseren vor, als wäre Bern evakuiert worden und niemand andere Ton noch etwas geübt werden müsste. Gefühlen sind. Alles Fragen der transtempo- hätte was gesagt. So unwahrscheinlich es klingt: Aber – wer etwas davon versteht – die Texte sind ralen Identität, wie das in der Untersuchung Ich vermisse den fürchterlichen Dill-Geruch und ganz lustig… (www.myspace.com/dishdishband) von Nida-Rümelin heisst, der Art und Weise, den Dreck. Ich habe mich lebendig gefühlt in St. wie das Bewusstsein mit unserer scheinbar Petersburg und will sicher wieder zurück. gesicherten Identität umgeht. Tatsache ist: Nicht nur wir selbst fi nden  im Verlauf des Lebens zur einen oder ande- ren Identität, auch Dinge identifi zieren wir, indem wir sie einer Begriffl ichkeit zuführen – und sie möglicherweise dort belassen. Was :RUOG0XVLFLP.RQVL wir einmal identifi ziert haben, läuft Gefahr,  dass wir es nicht weiterdenken. Und eines %HLXQVN|QQHQ6LH Tages tun wir so, als wären Wörter und Na- 3DQIO|WHVSLHOHQOHUQHQ+DFNEUHWW2XG$OSKRUQ'MHPEp 'XGHOVDFN6FKZ\]HU|UJHOLXQGQHXDXFK men dasselbe wie die Welt, meinen zwar, was wir sagen, aber sagen nicht, was wir mei- )ODPHQFR*LWDUUH nen. Möglicherweise nach demselben Mus- PLWGHP)ODPHQFR*LWDUULVWHQ$OIUHGR3DODFLRV  ter identifi zieren uns Andere: Du hast Dich 1DWUOLFKELHWHQZLUDXFK,QVWUXPHQWDOXQG*HVDQJVXQWHUULFKWLQ.ODVVLN5RFN3RSXQG-D]] überhaupt nicht verändert. Eine Sekunde des IU.LQGHU-XJHQGOLFKHXQG(UZDFKVHQHZZZNRQVLEHUQFK Schreckens. Zurück zu Nida-Rümelin: Es genügt nicht, dass Identität in meinem Körper überdauert, diese reduktionistische Sichtweise opfert zugunsten der Eindeutigkeit die Dimension unseres Bewusstseins. Die Sache ist differen- zierter und vielleicht inexistent: Ich bin nicht Stiller – lässt Max Frisch Stiller, die Hauptfi - gur seines gleichnamigen Romans, sagen. Ueli Zingg geht mit Ihnen auf Identitätssu- che: 26. August 2009, Kramgasse 10, 1. Stock., 19:15h.

10 SENIOREN IM WEB Von Willy Vogelsang, Senior KKurznachrichtenurznachrichten Hilfe, Hilfe! Auf meinem Laptop, Pro- « gramm Vista, sind im Zahlenblock auf der rechten Seite der Tastatur unter den Buchstaben auch Ziffern angegeben. Unter einem Buchstaben auch das Wort ‹enter›. Nun NAMENSWECHSEL, PERSONENWECHSEL der Show ihre Nachbarn nicht mit nervösem Ge- hat mein Enkel, als der Computer in einem UND EIN TANZTIPP klopfe auf Tischen und Schenkeln. Das kommt Programm war, auf diesen Tasten rumgetippt schlecht an. Auch das Küchengeschirr darf ver- und muss auch die Taste mit ‹enter› erwischt Das Haberhuus in Köniz wird bald den Namen schont werden… Infos: www.stomp.ch haben. Nun schreibt der Computer statt der wechseln: Kulturhof Schloss Köniz. Dies vor al- entsprechenden Buchstaben die Zahlen, die lem dehalb, weil jetzt das gesamte Schlossareal mit auf der Taste des Buchstabens stehen. zur Kulturstätte geworden ist. Der frisch reno- SOMMER-STADT-KULTUR Bitte, was man mit ‹enter› eingegeben hat, vierte Rossstall ist ab 1. September benutzbar. muss man doch auch wieder rückgängig ma- Personell: Erich Zbinden, der bisherige Co-Lei- Stadtsommer in Zürich vom 30. Juli bis 8. Au- chen können. Wer kann mir helfen? Vielen ter, geht und Röbi Maurer kommt für ihn. Röbi gust und der BernerKultursommer vom 2. Juli Dank dafür!» Maurer ist bekannt von der Intermusic Network bis 29. August sind wieder aktuell. Die detail- So beschreibt eine Benutzerin im PC-Fo- GmbH, einem Music-Promotion-Label. Haber- lierten städtischen Gratis-Kultur-Programme rum ihr aktuelles Problem. Durch eine unbe- huss TanzTipp: Als professionelle Arbeitsplatt- fi nden wir im Netz: www.stadtsommer.ch oder kannte Manipulation funktioniert ihr Laptop form für angehende Tänzer und Choreografen www.bern.ch/kultur/kulturweiche/kulturka- nicht mehr so, wie sie es sich gewohnt war. versteht sich die Berner Companie Cie encore 1x lender. Für jene, die in Zürich zu kurz kamen, Sie sucht nun den «Rückgängig-Knopf», um und bietet nun das sechste Stück an: «Tourist». hat’s also in Bern noch einiges zu tun… den früheren Zustand wiederherstellen zu Haberhuus Kultur oder eben Kulturhof können. Schloss Köniz, in der Pfrundschüür vom 20. - Ja, das ist oft der einfachste und bequems- 22.8., 20:30h; 23.8., 17:30h. (Weitere Orte: Biel te Weg, ein Problem zu lösen. Sie fi nden die Rennweg 26, am 29.8., 19:30h und Neuenburg, Funktion zum Beispiel unter dem Menu «Be- Théatre du Passage, am 5.9., 19:30h). arbeiten» gerade als erste. Aber ob es nicht schon längst zu spät ist und viele neue Be- fehle und Eingaben den Fehler zugeschüttet haben? Mit viel Glück fi ndet sich vielleicht der Rückweg; aber bei unbekannten Ursa- chen mag die Suche umsonst sein. Ich könnte jetzt hier vom Thema ab- schweifen und «ins reale Leben» wechseln, wo wir doch täglich mit solchen Fehltritten, DAS GRÖSSTE QUARTIERFEST unüberlegten Entscheidungen und Handlun- gen konfrontiert sind. An den Folgen sind Das grösste Quartierfest in Bern ist im Murifeld, sie uns bewusst geworden. Wie gut wäre es, ganz nahe beim Burgerenziel-Kreisel. Dort trifft wenn wir da einen «Rückgängig-Knopf» zur sich die Crème de la crème der Schweizerischen Verfügung hätten! Musikszene (viele bekannte KünstlerInnen woh- Ein guter Rat kann uns vielleicht helfen, nen ja da), auch sonst ist es von der Atmosphäre wenn wir danach fragen. So ist der hilfesu- her unübertroffen. In diesem Jahr spielen Shirley chenden Benutzerin nur Stunden später ein Grimes, Bleesch, Mat Callahan & Yvonne Moore Tipp gegeben worden, der einfacher nicht und DJ Elmex, Josefi na Lehmann, Clochard de sein könnte: «Klicke auf die NumLock-Tas- Luxe und natürlich der umwerfende Le Chor de te. Vermutlich hat dein Enkel beim Spielen Murifeld, der quartiereigene Musikchor (singen den NumLock eingeschaltet. Ich habe dies STOMP OUT LOUD an allen drei Tagen einmal). Dieser Chor hat’s auch schon bei meinem Lap erlebt und in sich: Bereits im vierten Jahr singen zu die- es ging einige Zeit, bis ich darauf kam. Zu tun haben auch die STOMP-Leute, welche sem Fest 60 Kinder und Erwachsene unter der Viel Glück und einen schönen Abend.» vom 1. bis 13. September im Theater 11 in Zü- Leitung von Simon La Bey, «bärndütschi» Pop- Wenn’s immer so einfach wäre! Aber tes- rich hausieren. Sie scheppern auf Ölfässern und songs, davon fünf Lieder vom «Chlöisu Friedli», ten Sie Ihre Mitbenutzer im Web. Schreiben allem, was rhythmisch verwertbar zum Klingen einem ganz wichtigen Stadtberner Original. Sie Ihr Problem ins Forum «PC-Fragen» oder gebracht werden kann – STOMP eben. Die Trup- Friedli wurde bekannt mit dem «Ample»-Lied, in gar ins «Expertenforum». Spätestens dort pen sind seit 1990 mit ihrer Show auf Tournee dem er ausrechnet, wie viele Verkehrsampeln so sollten Sie einen Hinweis oder einen Tipp und haben weltweit bereits über 10 Millio- an Kreuzungen stehen… Vom 21. bis 23. August zur Lösung erhalten – für Ihren Computer. nen Zuschauer fasziniert. Ursprünglich wuchs verwandelt sich die Mittelstrasse in ein wunder- STOMP aus verschiedenen Stassentheatern mit bares Festdorf. Der Flohmärit am Samstag ist Lebensfragen fi nden Sie in einem anderen Fo- Musik im Rahmen des Edinburgh Festivals her- übrigens sehr zu empfehlen und natürlich spielt rum bei www.seniorweb.ch. aus. Jetzt ist es zu einer rhythmischen Instituti- für die Kinder wie jedes Jahr das fantastische on herangewachsen. Ein Tipp: Nerven sie nach Nostalgiekarussell.

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 11 KKulturessaysulturessays

POLITIK DER KULTUR Dass ich mit Alexander Egger Von Peter J. Betts

ass ich mit Alexander Egger befreundet stand seitens Israels ziemlich unbeachtet erst- hältnis zweier älterer Menschen, einer Frau und D bin, macht es schwierig, über seine Be- mals gebrochen wurde; oder dass die überlebens- eines Mannes. Beide würden wohl vom oberfl äch- werbung um den «Fotopreis 2009 des Kantons notwendige Schmuggelarbeit nach Gaza durch lichen Normdenken her als hässlich bezeichnet. Bern», genauer: über die Qualität der von ihm Tunnel für zweihundertfünfzig Personen wegen Die Umgebung, eine Beiz, ist alles andere als ro- eingereichten Bilder, zu schreiben. Er hat keine Sauerstoffmangels und einstürzenden Stollen zum mantisch, geschweige denn romantisierend. Ihr Auszeichnung erhalten, weder einen DER beiden Zeitpunkt des aufgenommenen Bildes tödlich ge- Gesicht ist kaum zu erkennen. Er legt ungeniert Preise, noch einen der drei Anerkennungsprei- wesen ist; und so weiter. Hitschs Können und vor der Kamera sein Gebiss ein. Unappetitlich? se. Ein Trostpfl aster vielleicht: Die für Fotogra- sein Einsatz (Stellvertretend für uns? Folglich zu Aber man muss hinsehen: Es ist ein Achtel der fi e zuständige Kantonale Kommission hat seine unserer Entlastung?) gegen das Missachten der Gesamtaussage und inhaltlich relevant. Über die acht Bilder für ihr Archiv angekauft. Es handelt Würde des Menschen und den Missbrauch sei- Schulter des Mannes hinweg hat die Kamera das sich dabei um eine Serie von digitalen Kleinbild- ner Grundrechte im Zuge der Globalisierung sind Papier, auf dem das Diktat geschrieben wird, fest- fotografi en unter dem eher mehrdeutigen Titel gehalten. Die Zeilen in unbeholfener, aber sehr «Deutschstunde». Sie sind/waren im Kornhaus zu bewusst gestalteter Schrift sind gut lesbar. Bild besichtigen, wie die übrigen Eingaben. Dass ich Was sie tun oder lassen, im Bild? Man riecht nicht den Mundgeruch und während fünfundzwanzigjähriger Berufstätigkeit nicht die Alkoholfahne. Aber für die Betrachten- in der Förderung des Kulturschaffens gegenüber kümmert niemanden: den sind sie präsent. Hier ist keine Chronik über Kommissions- oder Juryentscheidungen (auch als So lange man nicht dafür das Grosse Welttheater entstanden. Aber ein Mitentscheidender) zunehmend und sehr nach- Porträt der Seele vom Menschsein. Also, wesent- haltig skeptisch geworden bin, macht mein Vorha- zur Verantwortung lich umfassender. Hier ist nicht Elend abgelich- ben, über die Achterserie zu schreiben, ebenfalls gezogen wird. tet worden, im Gegenteil! Wenn der Fotograf in nicht leichter. Selbstverständlich hat das Preisge- seiner Kurzbeschreibung etwa gesagt hätte, die richt (welch abscheulicher und nur allzu häufi g daher zweifellos auszeichnungswürdig. Eggers Frau sei Enkelin eines international berühmten zutreffender Begriff!) anders, AUCH anders, ent- lakonischer, subtiler Kurzbeschrieb zu seinem und sowohl ethisch und humanistisch sowie poli- schieden oder «(ab)geurteilt», als ich es getan Werk nimmt sich vergleichsweise bescheiden tisch aktiven Theologieprofessors, Kettenrauche- hätte. Mein Entscheid wäre selbstverständlich und diskret aus; oberfl ächlich gelesen, eventuell rin, ehemalige Gymnasiallehrerin, blitzgescheit, ebenso anfechtbar gewesen. Ich kann hier das sogar etwas zu lapidar. – Und: Wer will schon le- Pegeltrinkerin, Schriftstellerin; jemand, die sich Ergebnis aber durchaus nachvollziehen oder an- sen können? Egger schreibt: «Eine Frau und ein von Akademia losgesagt hat, nicht aber vom In- erkennen und fi nde es keineswegs einfach falsch. Mann treffen sich zur Deutschstunde in einer tellektualismus und schon gar nicht vom Huma- Ob ich Sie bei der Lektüre wieder einmal zu ei- Beiz. Beide sind um die sechzig, er ist ihr Mündel. nismus. Und: sie praktiziere im Sinne des Wortes nem Ritt gegen die Windmühlen mitnehme? Die In der Deutschstunde schreibt er ein Diktat, des- beides; sie schaue zu dem Mann, ebenfalls Ket- Preisträgerin und der Preisträger beherrschen sen Inhalt, diktiert von seiner Beiständin, ihm mit tenraucher, aber ein nur mässiger Biertrinker mit beide ihr Metier; beide sind sie temporär fest guten Ratschlägen für den Alltag zu Hilfe kommt. so tiefem IQ, dass man ihn ruhig als behindert (das schliesst einander heute keineswegs aus!) in Er ist ein einfaches Gemüt, summt ständig den bezeichnen könne; sie verwalte sein Geld und den Förderungs- und Anerkennungszirkus inte- gleichen Reim vor sich her. Sie hingegen ist in- unterrichte ihn in Deutsch, versuche, ihm so das griert. Alles hier hat seine Logik. Frau Hametner tellektuell, Schriftstellerin und lebt wie er sehr Bedürfnis nach Begreifen und Einsichten in Sinn- ist durch ihre wunderschönen, formal perfekten zurückgezogen. Mit im Spiel neben Luna, der zusammenhänge zu wecken (also doch die Blaue Bilder, die Serie heisst «Aster», zur «Preisträgerin Hündin, sind auch gröbere Mengen gesetzlich er- Blume?). Vielleicht würde man in Kenntnis die- Fotopreis 2009» geworden. Ein durchaus vertret- laubter Drogen. Die Serie ist Anfang 2009 in Biel ser Hintergrundinformationen die Fotos genauer bares Urteil. Fünf ihrer zehn Bilder sind Nacht- entstanden.» Seine Eingabe bedingt Lesenwollen anschauen? Hier wird eine Geschichte von dem aufnahmen – verständlicherweise gehen mir die und Lesenkönnen; im Text: zwischen den Zeilen, erzählt, was Menschsein jenseits von ästheti- «Hymnen an die Nacht» von Novalis durch den bei den Bildern: über das scheinbar Abgelichtete schem Normdenken bedeutet. Es geht um zwei Kopf, ohne dass ich beim Betrachten der Wer- hinaus oder weit dahinter – an beiden Orten: mit Menschen im Abseits und um ihren Reichtum. ke dem Weltsinn, etwa in Form seiner «Blauen dem Herzen, was eine wirkungsvolle Denkhilfe Reichtum, der in unser aller Reichweite wäre. Sie Blume» (Heinrich von Ofterdingen), näher zu ist und zu Verstehen führen könnte. Mit seinen ist bewusst daneben, er vermutlich nicht. Was kommen vermag. «Preisträger Fotopreis 2009» Bildern beschäftigt sich der Autor mit der Nacht, sie tun oder lassen, kümmert niemanden: So lan- ist Tobias Hitsch geworden. Seine zehn vorzügli- genauer: mit der Nachtseite des Lebens. Kein ge man nicht dafür zur Verantwortung gezogen chen, nicht nur spektakulären, sondern auch gu- Hymnus. Auch hier wird man die Blaue Blume, wird. Alexander Egger schreibt all das nicht. Nur ten Bilder – treffen einen «Nerv unserer Zeit». Sie mindestens an der Oberfl äche, vergebens suchen. Diskretion? Oder schätzt er die BetrachterInnen sind während seines sechswöchigen Aufenthal- Auch diese Nacht ist nicht romantisch verklärt. so ein, dass sie im Zwiegespräch mit den Bil- tes im Herbst 2008 im Gazastreifen entstanden. Auch nicht mystisch. Nichts für feinsinnig verin- dern selber zur Essenz fi nden werden? Vielleicht Es geht um Inhalte, die bei uns äusserlich nicht nerlichte ÄsthetInnen, für die Inhalte zweitrangig denkt man beim Anschauen der Bilder weniger mehr tabuisiert sind, aber: Ganz so wohl ist es oder zu belastend sind. Nichts für Schlagzeilen. an Friedrich von Hardenberg als an Bert Brecht? uns hier nicht dabei, etwa zur Kenntnis nehmen Nichts fürs Rampenlicht. Aber: zentral. Im harten, Alice Henkes schreibt in «Der Bund» dazu: «Be- zu müssen: dass, während am 5. November 2008 ungeschönten Bildrealismus lebt hier Seele. Wer wegend ist die Serie ‹Deutschstunde› von Alex- die Medien der Welt (und wir) auf die Wahl des schaut, liest, denkt, wird berührt. Der Fotograf ander Egger, die Momentaufnahmen aus der Welt US-Präsidenten fokussiert waren, der Waffenstill- schildert, pars pro toto, in acht Bildern das Ver- am unteren Ende der sozialen Leiter zeigt.»

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ZWISCHEN BAYERN UND BERN – #3: MUSIKALISCHES Streifzüge durch München und Bern

München: Hannes Liechti / Bern: Pablo Sulzer Bilder: Jonathan Liechti

usikali- Ist das alles? Fast. Natürlich hat auch Bern darf sich bereits jetzt auf die Winterausgabe auf M sches, Blitz ein Stadion, wo sich ab und zu Showgrössen wie der Theresienwiese mit Glühwein & Co. freuen. und Donner. Bern Coldplay, Robbie Williams oder Bruce Springs- Im Olympiapark geht es auch ohne Tollwood tobte. Das Gurten- teen die Ehre geben, doch zugegeben nicht in musikalisch zu und her: Grosskonzerte des Olym- festival vereinte Münchner «Olympia»-Grösse. Festivals, welche piastadions können nämlich vom gegenüber- auch in diesem wie ein Tollwoodfestival drei Wochen dauern, liegenden Olympiaberg zumindest akustisch Sommer zahlrei- sind eher spärlich gesät. Doch was hier sicher- hervorragend mitverfolgt werden. Bei Volksfest- che hochkarätige lich nicht fehlt, sind Ausgehmagazine, die die stimmung sind so Grössen wie Depeche Mode, Acts, welche den nötigen Veranstaltungsinfos liefern. So ermög- Bruce Springsteen oder Madonna ohne Eintritts- Besuchern (und lichen «Bewegungsmelder», «Kulturagenda» karte bei einem Picknick zu geniessen. den lärmgeplagten und natürlich «ensuite - kulturmagazin», dass Auch an Klassik hat München einiges zu bie- Anwohnern) noch länger in Erinnerung bleiben jeder Berner Musikgeniesser zu seinem indivi- ten: Die weltberühmten Konzertsäle in der Re- werden. Auf dem Berner Hausberg trafen sich duellen Musikerlebnis kommt. Ob man denn am sidenz (Herkulessaal) oder in der Philharmonie einige der talentiertesten MusikerInnen der Konzertgeschehen teilnehmen kann, hängt dann am Gasteig präsentieren Klassik auf höchstem Rock/Pop-Gegenwart. Aus allen Winkeln der meist an der sorgfältigen Lektüre der Magazine Niveau für angenehme Preise. Dabei kann man Welt waren sie angereist, jeder Kontinent war und weniger am Willen des Türstehers. sich auch ohne Anzug und Krawatte wohlfüh- zumindest mit einem Künstler vertreten. Die len. Gerade in den Sommermonaten gibt es zahl- Schweizer Musikschaffenden mussten sich je- ust auf reiche Openairkonzerte: Klassik am Odeons- doch keinen Deut vor dem Rest verstecken. Die L Jazz? Kein platz konnte dieses Jahr mit dem Klavierduo Organisatoren sind sichtlich darin geübt, den Problem: Chick Katia und Marielle Labèque auftrumpfen, wäh- schwierigen Spagat einer ausgewogenen Pro- Corea im Prinz- rend der Opernstar Anna Netrebko auf dem Kö- grammgestaltung zu schaffen. Die musikalische regententheater. nigsplatz das Publikum in Scharen anzog. Bandbreite war folglich einmal mehr eindrück- Lust auf Klassik? Wer schliesslich lieber Wetterfestes besucht, lich, kein Musikstil kam zu kurz. An Angebot Kein Problem: Die fi ndet in München zahlreiche Jazz- und Night- würde es aber auch ohne dieses jährliche Gip- Münchner Phil- clubs. Bei letzteren ist allerdings Vorsicht gebo- feltreffen sicherlich nicht fehlen. harmoniker in der ten: Clubs wie Rote Sonne, Erste Liga oder Re- Setzt man einmal Fuss in der Stadt Bern, Philharmonie am gistratur ziehen es vor, trotz oder gerade wegen sieht man sich bald mit einer gewaltigen La- Gasteig. Und Lust ihrem hochkarätigen Programm, sich das Pub- dung an musikalischen Events konfrontiert. auf Ska, Rock, Jazz, Funk, Hip-Hop und Latin? likum exklusiv auszuwählen. Nicht selten wird Auch wenn man sich Augen und Ohren bewusst Kein Problem: Entweder nimmt man das Aus- man an der Türe ohne wirkliche Gründe abge- zuhält, entkommt man dem Musiktreiben dieser gehmagazin «in München» zur Hand oder man wiesen. Möchte man aber doch an der Münch- Stadt kaum. Ob im ISC abzurocken, im Berner besucht das Konzert von The Cat Empire in der ner Exklusivität teilhaben, gilt: 1) sprich nicht Kulturcasino Klaviersonaten zu lauschen oder Theaterfabrik (Wer keine Lust auf Niveau hat, mit dem Türsteher, 2) tu so, als ob du Münchner den elektronischen Klängen der Dampfzentrale kann sich auch Lady Gaga im Zenith zu Gemüte wärst und 3) komme nur in weiblicher Beglei- zu verfallen; vielleicht eher in der Mühle Hun- führen.). tung. ziken zu Los Lobos tanzen, im Gaskessel dem In München ist also was los, und das auch Reggae-Groove fröhnen oder im Wasserwerk zu mitten im Sommer. Genauso gehört es sich für In der 6-teiligen Serie «Zwischen Bayern und fetten Beats mitwippen. eine Grossstadt. Das Angebot ist riesig und Bern» berichtet ensuite – kulturmagazin je- Obwohl das der absolute Mu- umso schwieriger ist es, daraus die richtigen den Monat exklusiv aus München und paral- sikhöhepunkt des Jahres ist, fi ndet man in Bern Perlen auszuwählen. Eine solche Perle ist das lel dazu aus Bern. Dabei werden Themen wie auch während den restlichen Monaten hoch- Tollwoodfestival im Olympiapark. Während Sport, Leben&Leute und Essen&Trinken auf- stehende Anlässe. Das Buskers Festival, in den über drei Wochen im Juni und Juli gibt es gratis gegriffen. Weniger als Vergleich konzipiert, Strassen der Altstadt, ist eines davon. Während Konzerte und Theateraufführungen. Daneben sondern viel mehr als Gegenüberstellung, soll drei Tagen werden die Strassen von ungefähr wird kulinarisches aus der ganzen Welt angebo- der/die LeserIn selbst zu einem individuellen dreissig Artisten-Gruppen bevölkert, und das ten. Dieses Jahr stand unter anderem auch das Fazit über die kulturelle Vielfältigkeit der bei- Angebot kann sich auch in diesem Jahr wieder Berner Tanz- und Aktrobatik-Ensemble öff öff den europäischen Städte gelangen. Soviel vor- sehen lassen: von Jazz über Street Funk bis hin productions auf dem Programm. Internationale ab: Wahrlich keine einseitige oder eindeutige zu Celtic Folk. Eine alljährige Perlensuche im Topacts wie Amy Macdonald, Simple Minds oder Angelegenheit. historischen Zentrum, bei der jeder auf seinen Solomon Burke waren dann leider nicht mehr Geschmack kommt. kostenlos, dafür aber umso fulminanter. Man #4 im September: Gesprächsstoff

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 13 KKulturessaysulturessays

DAS SCHÖNSTE BAGEL-CAFÉ IN BERN 360° zum Anbeissen

Von Bettina Hersberger Foto: Hubert Neidhart

r ist rund und hat ein Loch in der Mitte. nur fast. Die lila Bank vor dem lila Schaufens- E Er ist weich und knusprig zugleich. Er ist ter mit der kunterbunten Deko macht doch multifunktional und kann ganz schön viel zwi- neugierig, lässt aber erstmal ein Geschenklä- schenlagern. Schliesslich ist er ja sowas wie der delchen vermuten. Auch der Name verrät nicht Star unter den Gebäcken: der Bagel. Ursprüng- gleich, was in ihm steckt. lich kommt er aus der jüdischen Küche. Von Kaum die Türklinke gedrückt, setzt sich europäischen Einwanderern mitgebracht, ist er die Tingel-Bimmel in Bewegung: Achtung, in Amerika gross geworden. Zu seinem Loch Kundschaft! Man weiss gar nicht, wo man zu- kam er aus rein praktischen Gründen. So konn- erst hinschauen soll. Schokolade in originellen te er platzsparend und hygienisch an Holzstan- Verpackungen, bunte Limonaden-Fläschchen, gen gelagert und transportiert werden. Torten aus dem Schlaraffenland, dickbauchige Wer Appetit auf einen dick gefüllten Bagel Muffi ns und, natürlich, das Brot am Stiel, um hat, oder auch zwei oder drei, der muss nicht das sich ja der Laden hauptsächlich dreht. In weit gehen: Das Tingel-Kringel, selbst zu Berns der Luft liegt der Duft von frisch Gebackenem. schönstem Bagel-Café ernannt, liegt mitten im An der Wand eine Tafel, die handgeschrieben Länggassquartier an der Mittelstrasse 12. Beim Bagel-Füllungen für jeden Gaumen anpreist. ersten Mal geht man fast daran vorbei. Aber Zusammen mit sechs Bagel-Sorten ergeben

einen Gärkeller! Es kommt vom Labor in die Fabrik und ab auf den Teller. Camembert: Der echte und beste meiner Sorte ist der «Camembert de Normandie» mit dem Gütesiegel AOC – dies bedeutet Appellati- on d’Origine Contrôlée. Das Siegel darf nur für Produkte verwendet werden, die im Ursprungs- gebiet erzeugt, verarbeitet und veredelt worden sind. Wichtig ist also, dass man sich auf seine Herkunft bezieht. Leider ist die Bezeichnung «Camembert» selbst nicht geschützt. Mozzarella: Ich kann mich kaum abgrenzen VOOMM ESSSENSEN UUNDND TRRINKENINKEN vom Käse-Imitat. Es sieht aus wie ich und zieht sogar Fäden. Es drängt sich auf Lasagne und Pizza - dorthin, wo ich wahren Genuss bieten würde. Mir ist klar, warum der Schummelkäse KKäseäse iimm GGesprächespräch in der Lebensmittel-Industrie beliebt ist: Er ist höher erhitzbar. Während ich bei 200 Grad ins VVonon BarbaraBarbara RRoellioelli BBild:ild: BarbaraBarbara RRoellioelli schwitzen komme und braun werde, lässt sich das leblose Imitat bis 400 Grad erhitzen. Zu- dem ist es günstiger herzustellen. Ich bin teu- rer, weil ich aus echtem Milchfett bestehe. Da staunt der Konsument nicht die in ihren Herkunftsländern als Stars gefei- Stilton: Englands Staatsoberhaupt ist eine schlecht: Käse-Imitate – in den Medien ert werden und sich international einen Namen Königin, ich gelte als König der Käse. Und Kö- bekannt geworden unter dem Namen gemacht haben. nige werden nicht imitiert – ein solcher Schwin- Analog-Käse – sehen aus wie Käse, ensuite - kulturmagazin: Käse-Imitat ist del würde schnell auffl iegen. Ich habe blaues in aller Munde. Wie grenzen sie sich von der riechen und schmecken danach. Blut, was an meinem blaugrüngeäderten Leib Konkurrenz aus dem Labor ab? zu erkennen ist. Zudem trage ich die geschütz- Emmentaler: Ich bin ein echter Schweizer te Ursprungsbezeichnung PDO, Protected De- estehend aus Milchprotein und pfl anzli- Käse. Auch wenn Emmentaler im Allgäu, in Ös- signation of Origin. Nur wenige Molkereien B chem Fett sind sie aber reine Industrie- terreich und Frankreich hergestellt wird – es dürfen mich herstellen, diese liegen in Leices- produkte. Milchfett sucht man in ihnen verge- gibt nur ein Original und das kommt aus dem tershire, Derbyshire und Nottinghamshire. bens. Wie denkt echter Käse darüber? ensuite Tal der Emme. Meine charakteristischen Lö- Die Menschen nehmen sich fürs Kochen und – kulturmagazin hat vier Persönlichkeiten zum cher bilden sich während des Reifeprozesses. Essen heute kaum mehr Zeit. Fertigprodukte Gespräch eingeladen. Es sind vier Käsesorten, Ein Käse-Imitat dagegen sieht nie im Leben füllen die Regale der Lebensmittelgeschäfte.

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sich daraus ungezählte Kombinationsmöglich- Von Michael Lack keiten: Zimtbagel mit Nutella, Sesambagel mit Lachs und Zwiebeln, Blaubeerbagel mit To- matenfrischkäse. Über Geschmack wird nicht gestritten, es wird einfach bestellt. Und auf Wunsch am Tisch serviert. Das kleine Café bietet ungeahnten Raum zum Sitzen, Zeitung lesen, Milchschaumkaf- fee trinken und Smalltalken mit dem älteren Herrn mit Hund, der philosophierenden Stu- dententruppe, den jungen Turteltäubchen oder der Mama mit dem kleinen Schleckmaul, das seinen Sirup lautstark aus dem Strohhalm schlürft. Das Interieur ist einfach, aber stilvoll. Die Gestaltung des Toilettenraums setzt ein glamouröses Tüpfelchen aufs i. Das Tingel-Kringel eignet sich auch bestens als Frühstückscafé. Wenn am Sonntagmorgen Brotkorb und Kühlschrank leer sind, wirft es seine kleinen Rettungsringe aus. Und die Zei- tung liegt auch schon bereit.

www.tingelkringel.ch

as gibt es besseres als einen richtig Glauben sie, dass die Menschen noch Wert da- lesen können, ob das Lebensmittel mit Käse- W feinen Tomaten-Büffelmozzarella- rauf legen, echten Käse zu geniessen? Imitat hergestellt wurde? Salat? Für mich steht auf jeden Fall fest, dass Camembert: In Frankreich sicher! Die Fran- Mozzarella: Auf jeden Fall! Die Verantwort- es sich hier um einen der besten Salate han- zosen sind Gourmets, das Essen ist ein zentra- lichen sollen ihrer künstlichen Schmelzmasse delt! ler Teil der Kultur. Sie kochen selber, tauschen einen Namen geben. Wer dann doch die Fertig- Rezepte aus, kaufen das Gemüse auf dem pizza mit Käse-Imitat wählt, der weiss einfach Markt, den Käse in der Fromagerie, die Crois- nicht, wie eine gute Pizza schmeckt. CAPRESE-SALAT sants beim Bäcker. Emmentaler: Wie ich gelesen habe, müssen Mozzarella: Frankreich sieht sich gerne als in der Schweiz Käse-Imitate vom Bundesamt Zutaten: Nabel der Welt, wenn’s um Esskultur geht. Ver- für Gesundheit bewilligt werden, weil ihr Ein- 150 g Büffelmozzarella gessen sie nicht, dass Katharina von Medici satz im Lebensmittelgesetz nicht geregelt ist. 50 g Tomaten durch ihre Heirat mit dem französischen König Die Stiftung für Konsumentenschutz fordert 10 g Basilikum Heinrich des II. die französische Küche mass- in der Revision des Lebensmittelgesetzes, die 20 g Bio-Balsamico schwarz geblich beeinfl usste. Die Italiener legen Wert Deklarationspfl icht zu verschärfen. Das fi nde 10 g Natives Olivenöl auf gute Qualität der Lebensmittel. Wie selbst- ich richtig! Wo Käse drauf steht, soll zu 100 1 mal Meersalz und Pfeffer, grobkörnig gemachte Tomatensauce und echter Parmigi- Prozent Käse drin sein. ano schmeckt, lernt man in Italien von klein Camembert: Gütesiegel wie das AOC helfen Vorbereitung: auf. den Konsumenten, Qualitätsprodukte zu erken- y Büffelmozzarella in sechs Sücke schnei- Emmentaler: Auch bei uns wachsen die nen. Und wer Käse in der Fromagerie kauft, den. Kinder mit Nationalgerichten wie Fondue und erhält echten Käse. Wer gerne Käse isst, kauft y Basilikumblätter vom Strauch zupfen und Raclette auf. Und mit Spezialitäten aus den diesen am richtigen Ort und weiss, vorher er kurz waschen. Regionen: Wie Appenzeller, Sbrinz aus der In- stammt. Dafür sind die Konsumenten selber y Tomaten waschen und in Stücke schnei- nerschweiz oder Vacherin Mont d’Or aus dem verantwortlich. den. Welschland. Die Schweiz ist ein Käseland, das Stilton: Da bin ich anderer Meinung, das Bild Volk wird weiterhin echten Käse essen. Da vom Käseliebhaber in der Fromagerie ist mir Zubereitung: wette ich meine Löcher drauf! zu romantisch. Der Grossteil des Volkes kauft y Tomaten, Basilikum, Mozzarella wild auf Stilton: Zugegeben, die englische Küche ge- doch im Supermarkt ein. Und die Zutatenlisten einen fl achen Teller legen. niesst kein hohes Ansehen. Doch dass sich Eng- auf den Käseprodukten geben oft keine genaue y Etwas Olivenöl und Balsamico über den länder nicht nur von Fish ’n’ Chips ernähren, ist Auskunft. Meine Meinung ist: Käse-Imitat Teller geben. spätestens seit der Popularität von Jamie Oliver muss auf der Verpackung deklariert sein. Und y Am Schluss etwas Meersalz und Pfeffer da- klar. Was Käse betrifft, so hat der Genuss von Restaurants sollen auf die Menükarte schrei- rüber Streuen. Stilton eine lange Tradition, die nicht totzu- ben, wenn sie Imitat verarbeiten. Eine Schande kriegen ist: Man schätzt mich zu einem Glas wäre das, würde ein Koch «Baked Potatoes mit Bemerkung: Portwein oder tränkt mich gar damit. Stilton» anbieten und mit einem Laborprodukt Man kann diesen Salat auch noch mit Ruccola Sollen Konsumenten auf der Verpackung aus Pfl anzenfett hantieren. oder Basilikumpesto verfeinern! Einfach herrlich, dieser Salat! ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 15 KKulturessaysulturessays

ALLTAGSPSYCHOLOGIE Das emotional Korrekte Von Rebeca Panian

Wie passt eigentlich etwas Unerklär- sollen wir in diesem Wirrwarr von Informatio- an ein ungutes Gefühl bei ihm…» Tja. Es stellt liches wie das Bauchgefühl in unse- nen, Emotionen und Entscheidungen überhaupt sich mir schon die Frage, ob es im Zeitalter re Computergesellschaft? Ich habe noch erkennen können, was richtig ist? Je mehr der Supertechnik, der Computerwelten und des «Bauchgefühl» gegoogelt um zu sehen, ich darüber nachdenke, desto unsicherer werde Internets überhaupt erlaubt ist, sich auf eine was das World Wide Web zu diesem ich in Bezug auf mein Einschätzungsvermögen so unzuverlässige Informationsquelle wie ein in Sachen «Richtigkeit», und diese Unsicherheit Bauchgefühl zu verlassen. Dann doch lieber viel zitierten Begriff zu bieten hat. Un- wiederum hemmt meine Entscheidungsfreudig- Google oder gleich Wikipedia konsultieren. Ist gefähr 239’000 Einträge werden auf- keit enorm. auch wesentlich einfacher, zwecks Lösungsfi n- geführt. Die Überraschung: Der erste Sicher, das Internet, Bekannte oder die all- dung auf ein paar Tasten und Knöpfe zu drü- Link führt mich auf eine Public Rela- gegenwärtigen Medien tragen ihren Teil dazu cken, als sich einmal ruhig hinzusetzen und in tions-Agentur… Eine wirkliche Überra- bei, dass wir nicht ganz orientierungs- und sich hineinzuhören. schung. entscheidungslos in der Gegend herumtorkeln. Das Gefühl, ein fremdes Signal Meiner Mei- ABER, und das Aber ist extra-gross, eigentlich nung nach fängt die übergeordnete Problematik as Leben ist entscheiden. Im Grunde geht tragen wir doch seit Urzeiten ein 1A-System mit aber ganz woanders an: Bei unseren Gefühlen. D es im Leben praktisch immer darum, sich uns herum, das uns beim Entscheiden helfen Warum tun wir uns so schwer, unsere Gefühle für oder gegen etwas zu entscheiden: Welches sollte: Unser Bauchgefühl. Tataaaaa! zu zeigen, sprich, zu ihnen zu stehen? Schliess- Shampoo soll ich kaufen, auf welchen Mann soll Die weisen Wesen Seit ich auf der Welt bin, lich kommen sie aus uns, sind also Teil von ich mich einlassen, welche Wohnung soll ich raten mir meine Mitmenschen, mich einfach uns! beziehen und so weiter. Die Liste ist unendlich. (einfach!) auf mein Bauchgefühl zu verlassen. Unsere Gefühle müssen ernst genommen Nur, was oder wer hilft uns, all diese Entschei- Frauen sowieso. Wir sind ja bekanntlich intuiti- werden. Versperren wir uns den Signalen, die sie dungen zu treffen? Es ist zum Verrücktwerden. ve Wesen. Intuitiv: instinktiv, unbewusst, (ugs.): uns meist mehr als deutlich senden, so können Wir sind tagein tagaus von Eindrücken jegli- aus dem Bauch; (Psych.): unterbewusst – Dank an sie bösartige Auswirkungen nach sich ziehen. cher Art umgeben. Sie ersticken uns fast. Wie den Duden. Die Frauen sind also unterbewusst Als unwichtiges Rumoren abgetan, lagern sie gesteuert, respektive, sie haben einen besseren sich unbemerkt ab. Sie bleiben und warten und Zugriff auf die unbewusste Steuerung? Also quälen im Verborgenen. Erst wenn sie bereits wie jetzt. Ist es nun unterbewusst, ergo, nicht zu einem unübersehbaren Geschwür heran- zu steuern, weil nicht beeinfl ussbar? Eigentlich gewachsen sind, können sie nicht mehr igno- ZZinggingg ja ein Widerspruch: Wie können wir Frauen ei- riert werden. Entweder platzen sie in einem Ein filosofisches Gespräch: nen Zugriff auf etwas Unterbewusstes haben? ungünstigsten Moment heraus oder aber sie Könnte mir mal jemand die Betriebsanleitung machen uns krank. für meinen Körper und Geist mailen? Das wäre Es ist purer Wahnsinn, was wir mit uns selbst höchst aufmerksam. Danke. Verzeihung, ich bin treiben. Während wir in unserem Alltag schon abgeschweift. Wir (Frauen) sollten uns also auf sehr vielen stressigen und nervenaufreibenden unser Gefühl, das BAUCHgefühl verlassen, um Dingen ausgesetzt sind, führen wir gleichzeitig Ich höre genau dann das Richtige zu tun. Haut leider nicht hin, wenn eine unmöglich zu gewinnende Schlacht gegen ich mich diesbezüglich auf meinen hart erarbei- uns selbst: Das krampfhafte Unterdrücken un- zum Zeitpunkt t’ ein teten Erfahrungsschatz beziehen darf. Und das serer wunderbaren Gefühlswelt. Können Sie mir aus einem ganz einfachen Grund: Wir (Frauen) sagen, welches andere Erdenwesen nur im Ent- Schubert-Trio, wenn hören zwar gerne auf das, was in uns vorgeht. ferntesten so handelt? Nur leider zerschmettert unser ewiges Nach- Die Gesellschaft duldet keine Emotionen und es zu t’ eine Person denken, das Abwägen und das Hinterfragen jeg- wenn, dann nur wohl dosiert. Nur, wenn wir an liche Art von Aktivität aus der Magengegend. diesen aufgestauten Emotionen erkranken und gibt, die dieses Trio Die Theorie Nehmen wir also an, dass der nicht mehr weiter wissen, ist es da die Gesell- Mensch generell (ab hier sind auch die Männer schaft, die uns hilft? Eher nicht. hört und die mit mir wieder angesprochen) über hochempfi ndliche Ich will hier nicht predigen. Ich selbst hand- Sensoren verfügt. Wie, so frage ich mich, las- le allzu oft vom Verstand gelenkt und ignorie- identisch ist. sen sich diese bitte schön trainieren? Hört denn re dabei «erfolgreich» mein Bauchgefühl. Ich Martine Nida-Rümelin 2006 überhaupt jemand als erstes auf den Bauch weiss, wie ich es machen sollte und wähle dann oder besser, NUR auf sein Bauchgefühl? Selten doch einen anderen Weg. Seltsam. Manchmal höre ich: «Ach, bin ich froh dass ich auf mei- unvermeidlich. Traurig eigentlich. Und doch Mittwoch, 26. August 2009 // 19:15 h nen Bauch gehört habe. Sonst wär das mächtig bleibt da die Hoffnung, dass unsere Gefühle Kramgasse 10, 3011 Bern / 2. Stock in die Hose gegangen.» Dann schon eher Sätze irgendwann an Wichtigkeit gewinnen werden wie: «Oh Mann, schon wieder auf den Typen und so normal im Gebrauch werden, wie heut- reingefallen und dabei hatte ich von Anfang zutage das Googeln ist.

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VON MENSCHEN UND MEDIEN Eifrig lenkt die Aktivität Von Peter J. Betts

ifrig lenkt die Aktivität «Rettet den den Schwarz-Weiss-Aufnahme hat: Das Spiel von Schwarz-Weiss verschmolzen: Spiegelun- E Bund» auch durch elektronisch gestreute mit Licht und Schatten, Innen und Aussen, gen, Raum, Bewegung; Kleines im Vordergrund Betriebsamkeit, mit Einzahlungsscheinen, Vo- die Räumlichkeit, die perfekte Komposition gross, Durchsicht als Trennung erlebbar. Nie ten Gläubiger usw. wohl davon ab, dass «Der voller Bewegung und Statik, die Kunst einer zuvor habe ich Farbfotos von Hansueli Trach- Bund» kaum mehr zu retten ist. Nicht nur eine wohl ausgesuchten, aber ungestellten Szene – sel gesehen. «So etwas Schönes kann gar nicht Frage des Geldes, sondern auch des Geistes. und die Farbigkeit tötet weder Aussage noch zu Ende sein»: Der Text von Regula Tanner (Ich weiss, Auferstehungen werden gewöhnlich Intensität. Einst und jetzt in Personalunion. stellt dieser Behauptung, vielleicht entspricht über Jahrtausende hinweg gefeiert.) Aber der In einem einzigen Bild die Zusammenfassung sie ja unser aller geheimer Hoffnung, die bitte- «Kleine Bund» vom Samstag, dem 2. Mai 2009, des Essays, in das man auf den folgenden drei re Realität oder zumindest deren Wahrschein- weckt nicht nur den Anschein von Leben, Seiten eintauchen wird: «Kleine Welt am Ab- lichkeit gegenüber. Sie schreibt grossartig; kommt zwar, gegenüber «besseren» Zeiten, grund.» Wer kann so meisterhaft die Tugenden gekonnt, mit nachvollziehbarer Empathie, aber umfangmässig eher sehr magersüchtig daher, der Schwarz-Weiss-Fotografi e mit den Mög- ohne Sentimentalität: bildhaft, realistisch und ist aber vital wie zum Beispiel noch vor fünf- lichkeiten der Farbfotografi e verbinden? Aber mit Symbolkraft zugleich. Stellvertretend für zehn Jahren. Kaleidoskop über Macht, Bedeu- auch allein schon der Titel des Essays öffnet vieles, geht es in diesem Essay um einen un- tung, Mechanismen von Sein und Schein. Acht Raum für Spekulationen. Kann eine Welt am tergehenden Bubentraum, die Pleite der Spiel- Seiten, sechs Themen (oder nur ein einziges in Abgrund gross sein? Die Welt der Mammute, zeugfi rma Märklin. Nicht nur die Kindheit ist sechs Facetten?): Viele, viele, viele Schichten, einst gross, wirkt aus der heutigen Optik klein bei uns heute akut bedroht. «Siehe! Da weinen eine Art komprimierter Flachkosmos. Ein ein- – in ein paar Jahrhunderten wohl auch jene der die Götter, es weinen die Göttinnen alle, / Dass drücklich grosszügiges Layout: Hohe Dichte heutigen Elefanten. Die Welt des Investment- das Schöne vergeht, dass das Vollkommene von Gehalt und Aussage - und Raum. Ein Fanal? bankings - klein oder nur am Abgrund, und stirbt.» (Schiller, «Nänie») Vielleicht ist gerade Rauchzeichen? Schlusszeile von «Menschliches das, aus welcher Optik? Die Welt ihrer Kind- das der Grundtenor in diesem «Kleinen Bund»? Elende», Gryphius: «Was sag ich? Wir vergehn heit bei ManagerInnen und Politgurken klein Martin Alioth beschäftigt sich in seiner Kolum- wie Rauch von starken Winden.» Inhalt einer und schon im Abgrund verschwunden: Was ne unter «Weite Welt» mit der stumpfsinnigen Wochenbeilage, über den man tagelang nach- war ihnen wichtig, als sie noch echte Seifen- Trendsucht, dem auch Regierungsstellen im- denken kann, Stoff für fast unendlich viele As- blasen bliesen? Auf der ersten Textseite, über mer wieder erliegen. Diesmal betrifft es Irland, soziationen. Bereits auf der ersten Seite eine alle fünf Spalten hinweg und mehr als einen wo die Regierung siebenhundert teure, mitt- wunderbare, grossformatige Farbfotografi e, die Drittel der Höhe einnehmend: wieder ein sol- lerweile zuverlässig als unbrauchbar erkannte alle Vorzüge und Merkmale einer hervorragen- ches Bild. Wunder der Farbe mit dem Zauber Computer in teuren Lagerhäusern vergammeln

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 17 KKulturessaysulturessays lässt, wobei sich die jährlichen Lagerkosten Zeitungen. «Am 27. August 1991 starb Stauffer tung möglich ist. Aber auch so bleibt uns der allein auf über eine Million Schweizerfranken mittellos und einsam im Haus eines Freundes Wunsch nach seinem eigentlich auch für uns belaufen: Man löst heute die Aufgaben, die die am Rande der Villa Vera. Heute ist sie von der existentiell notwendigen Nachwuchs. Kunst- kostbaren Geräte nicht zur Zufriedenheit lösen wuchernden Stadt bis zur Unkenntlichkeit ein- stoffblumen sind allerhöchstens dekorativ. Auf konnten, wieder mit dem Bleistift. «Lang lebe geschlossen. Der Glamour hat sich längst aus der letzten Seite dieses «Kleinen Bundes» fi n- der Bleistift!», lautet der Titel. Alexander Sury der Bucht verzogen, die zum Auffangbecken den sich acht Aufnahmen vom Berner Fotogra- geht dem grausamen Spiel (?) und den Kriteri- des grösstenteils ungereinigten Abwassers der fen Bernhard Haldemann. Unter dem Titel «Von en nach, die Publikumsgunst und Kurzlebigkeit 1,5-Millionen Stadt degeneriert ist.» So beginnt Stahlhelmen und Holzköpfen» werden Bilder des anscheinend Begehrenswerten bestimmen. der letzte Abschnitt von Alex Gertschens Essay von acht Objekten des Künstlers Walter Geiss- In «Die Stunde der Warenempfi ndung» zeich- über «Mister Acapulco aus Murten». Sein Lead berger (auch bekannt unter dem Namen »Cap- net er die heutige Version von «Brot und Spie- lautet: «Er ist Sohn eines Velo- und Nähma- ramontes») gezeigt. Eindrückliche Inszenierun- le» für die Massen. Lead: «Rührung, Tränen, schinenhändlers, als er seine Heimat verlässt. gen: Zum Beispiel ein Velosattel, Schuhleisten Jubel. Ein märchenhafter Fernsehauftritt. Alle In Berlins Tanzpalästen wird er gefeiert. Dann und ein paar Kleinigkeiten werden zum lachen- lieben das hässliche Entlein Susan Boyle. Die landet er durch die Laune eines Filmregisseurs den Rehkopf; Radsattel, Schutzbrille, Kopfhö- Letzten werden die Ersten sein.» Sury schreibt in einem mexikanischen Fischernest. Das Nest rer, Mützenrelikt auf halber Autoradabdeckung zum Beispiel – mit Ausblick auch auf fi nalen heisst Acapulco, und er macht es zur glamou- erinnern an Piloten des Blitzkrieges. Und so Ruin – auch über Paul Potts, dessen «Stern rösen Adresse für den internationalen Jetset. weiter. Bildkommentar: «Aus Unrat, Sperrmüll noch nicht verglüht» sei, und über Michael Heute wäre Teddy Stauffer, der grosse Swing- und Fundstücken formt Walter Geissberger Hirte. Der «Underdog» Potts hat seine akade- Musiker, hundertjährig geworden. Eine Spu- Gesichter, die nicht nur das sorglose Kon- mische Ausbildung übrigens mit der Diplomar- rensuche.» Aufstieg und Fall. Alex Gertschen sumverhalten unserer Zeit spiegeln, sondern beit über die Theodizee-Frage abgeschlossen... schildert ebenfalls mit Empathie und ohne auch Anekdoten erzählen auf der Schutthalde Ist es nicht einfach das Schöne, sondern auch Sentimentalität Wachstum, Blüte und Zerfall. der Geschichte...» Diese Beilage erinnert, dass das Geschönte, das stirbt? Und wer wird noch Die erste Wochenendbeilage des «Bund» in man einst stolz sein konnte, für den «Bund» zu dabei ans Weinen denken? Göttinnen? Götter? diesem Wonnemonat eine Spurensuche? Macht schreiben. Die ganze Beilage: ein vorgezoge- In Peter Schiblers Mundart-Kolumne lesen wir uns nicht erst die Vergänglichkeit die Blume ner Nachruf? Der «Nänie» letzte Zeilen: «Auch über das unverantwortliche, dafür hochgradig wertvoll? Sagt man nicht, bevor ein Kirsch- ein Klaglied zu sein im Munde der Geliebten, blöde Treiben auf Blog- oder Leserbriefredak- baum stirbt, präsentiere er sich noch einmal in ist herrlich, / Denn das Gemeine geht klanglos tionen – Könige, die über Sein oder Nichtsein schönster Blütenpracht? Wir können uns über zum Orkus hinab.» entscheiden – wie Finanzkonsortien zum Bei- den prächtigen Auftritt des alten Baumes an- spiel über die Existenz(berechtigung) lokaler fangs Mai freuen, wohlwissend, dass kaum Ret-

Ruedi Geiser: «KalberMatten bringt die Nöte unseres Lebens in Kürze gefasst auf den Punkt.»

edition ■ ensuite ISBN 978-3-9523061-2-3 www.edition.ensuite.ch

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LEXIKON DER ERKLÄRUNGSBEDÜRFTIGEN ALLTAGSPHÄNOMENE (I) Organisation, die: Von Ralf Wetzel

aben Sie schon einmal Ihre Organisation Schule, kein Berufsleben ohne Unternehmen, von Ihnen erwartet. Und was machen wir? Hgesehen? Neinein, wir meinen nicht das Arbeitsamt und Eingliederungsdienst, kein Lie- Wir gehorchen, wir folgen den nie explizit ge- Gebäude, in dem sie «sitzen» oder «niederge- besleben ohne Schwangerschaftstestproduzent. äusserten Erwartungen. Hörig sind wir, jawohl! lassen» sein soll (als ob eine Organisation «sit- Kaum eine Urlaubsreise ohne Flugzeugher- Offenbar funktionieren wir wie Lemminge, wir zen» könnte!), nicht die Mauern, Stühle, PCs steller, ohne Fluggesellschaft, ohne Taxifi rma, unterwerfen uns der stillen Diktatur der Orga- und Papierkörbe. Und wir meinen auch nicht Hotel, Reinigungsdienst, Kondomhersteller, De- nisation. Aber was das Schlimmste ist: Sie, also ihre Repräsentanten, also ihre Mitarbeitenden. tektivbüro, Fotolabor, HIV-Labor, Spital, Pfl e- die Organisationen, lassen uns in einem ganz Ihre Chefs, Kolleginnen, Kollegen und Subordi- gedienst, Scheidungsanwalt, Ersparniskasse, fi esen Glauben: Trotz all dem sind wir unbe- nierte, mit denen man gewollt oder ungewollt Obdachlosenheim, Notarzt, Bestattungsinstitut, irrbar davon überzeugt, sie lenken zu können. zu tun bekommt und die einen so rücksichtslos Lebensversicherung, sprituellem Erfahrungs- «Unternehmensführung» nennt sich das dann, und unaufhaltsam mit den Interessen der Orga- raum und organisierter Wiedergeburt. Organi- «Organisationsentwicklung», oder gar: «Füh- nisation, mit ihren Zielen, ihrer Vision, ihrem sationen begleiten uns im Stillen und im Lärm, rung». Sie lassen uns diese Illusion. Nicht etwa, Leitbild und der Strategie, mit ihren internen vom ersten bis zum letzten Atemzug. Sie sind weil sie uns etwas gönnen möchten. Im Gegen- Kommissionen und Deckungsbeiträgen, mit ih- überall und sie beobachten uns. Es gibt einfach teil. In den Momenten, in denen sich die so- rem IT-Support und Zeiterfassungsformularen keinen organisationsfreien Raum, nichts wo genannten Organisationslenker hinstellen und versorgen. Nein, all das meinen wir nicht, wir man «noch Mensch» sein könnte, ohne ihrem Bilanzzahlen, Wachstumskurven und Marktpo- meinen die Organisation selber. Einfl uss zu unterliegen. In allen Löchern der tenziale inszenieren - dann ist das für die Or- Sie meinen, auf Organigrammen haben Sie Moderne sitzen sie und lachen sich tot über ganisationen ganz grosses Kino. Dann nehmen sie gesehen? Schön, dass Sie Humor haben, wir uns, genauso wie die Mäuse auf Betaigeutze. sie Platz in grossen, bequemen Plüschsesseln, haben auch schon sehr herzhaft über die Vor- Wir haben völlig vergessen, wie es geht, wie dann laden sie die Nachbarn oder ganze Quar- stellung lachen können, dass man eine Organi- sich das anfühlt – ohne sie! Und wir spielen tiere ein, dann dimmen sie das Licht, reissen sation auf einem Blatt Papier in ein paar verbun- mit, die ganze Zeit, in den vielen Rollen, die Popcorn-Tüten auf und stossen an auf den bes- denen Strichen fi nden könnte. Daran glauben sie uns je nach Gusto vorschreiben. Etwa jene ten Managerspruch des Abends. offenbar nur noch Organisationsberater der des erziehungswürdigen Kindes respektive So kann das doch nicht weitergehen, wir einfacheren Sorte. Nein, im Ernst: Haben Sie? Schülers, des motivationsbedürftigen Mitarbei- müssen endlich einmal etwas gegen die heimli- Falls es Sie beruhigt - wir haben auch noch tenden oder schlimmer noch des technisch un- che Übermacht der Organisation unternehmen. keine gesehen. Das beruhigt Sie gar nicht? Un- versierten Kunden, des Patienten, Klienten oder Wollen wir uns weiter von etwas bevormunden ter uns gesagt: Uns beruhigt das auch nicht. schlicht: des Falles. lassen, was man gar nicht sehen kann? Von et- Schliesslich bestimmen sie ganz massgeblich Damit könnte man ja an sich noch leben, was, das per Defi nition undemokratisch, näm- unser tagtägliches Verhalten. Und wenn sich wenn sie nicht dauernd Einfl uss auf unser Le- lich in Form von plakativer Ungleichheit – sie Unsichtbarkeit mit Einfl ussreichtum verbin- ben, unser Verhalten nehmen würden. Ist Ihnen selber sprechen geschickt von Hierarchie, jaja, det, dann hinterlässt das immer ein sehr merk- schon einmal aufgefallen, dass Sie sich inner- als ob wir zivilisierten Leute auf solche simplen würdiges, unangenehmes Gefühl. Das ist bei halb der Organisation völlig anders verhalten Euphemismen hereinfallen würden, so blöd sind Ehepartnern, Geheimdiensten und Göttern üb- als ausserhalb? Dass Sie mit Ihrem Vorgesetz- wir ja nun auch nicht - daherkommt? Nein, das rigens ganz ähnlich. Das Gefühl kennen Sie? Se- ten, Ihren Mitarbeitern, Ihren Kunden ganz an- können, das dürfen wir uns nicht länger bieten hen Sie, es geht doch. Und mit Organisationen ders umgehen als mit Ihren Jass-Brüdern, Ihrer lassen. Deswegen haben wir schon einmal ei- ist das ganz ähnlich. Ehefrau, Ihren Kindern und dem unerträglichen nen Verein gegründet, einen Vorstand gewählt Wenn man nun genauer hinschaut, verstärkt iPhone-Junkie in der Tram? Ist Ihnen schon und eine Satzung verabschiedet. Auf unserer sich dieses Gefühl. Wir können ihr nämlich einmal aufgefallen, dass Sie sich als Kunde (der Seite www.weg-mit-organisationen.ch können überhaupt nicht entrinnen (das soll wenigs- eine ganz einfache Frage an eine Organisation Sie sich einen Mitgliedsantrag herunterladen. tens bei Ehepartnern ja hin und wieder der Fall richtet) völlig anders verhalten als der Techni- Treten Sie uns bei, beteiligen Sie sich an unse- sein). Es gibt einfach nichts und niemanden, der ker, Reklamationsbearbeiter oder gar Qualitäts- rem Kampf gegen die erniedrigende Übermacht heute ohne Organisationen auskommen könnte sicherer, dem ein Kunde nur eine simple Frage der Organisation, unterstützen Sie uns bei der und der nicht in ihrem Einzugsbereich stünde. stellen möchte? Das sind nicht etwa Sie selbst, Zerstörung der organisatorischen Weltherr- Keine Geburt ohne Kreissaal, keine Kindheit die diese Unterschiede produzieren, nein, das schaft - Organisieren wir uns! ohne Kindergarten und schon gar nicht ohne ist die Organisation, die das ganz subkutan

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 19 KKulturessaysulturessays

KLEIDER MACHEN LEUTE Vavavoom!

Von Simone Weber Bild: zVg.

alls Ihnen bei diesem Wort ein schumm- wurden Männer und Frauen zu Vavavoom-Partys Spass. Sie wollten es ohne Laden versuchen und F riges Bild von Thierry Henry und einem eingeladen. In verschiedenen Städten wurden un- glaubten, dass es funktionieren würde. Und es billigen französischen Auto vor dem geistigen terschiedliche Feste gefeiert und auf unkompli- gab einige im Team, die wirklich was vom Mode- Auge erscheint, haben sie den Zug verpasst. zierte Art und Weise wurden die Tigerauge-Klei- geschäft verstanden. Vavavoom steht für good goods und fair fashion der unter die Menschen gebracht. Diese Festerei Auf das Tigerauge folgte 2004 eine Taschen- made in Brasil und vereint gemäss Diktionär lief immer auf privater Basis. Modeschauen gab kollektion. Einfache Baumwolltaschen wurden Spannung, Energie und Anziehungskraft. es keine. Im Zentrum stand niemals die Mode, mit der Milch der Seringera-Bäume bestrichen. Vavavoom entstand vor einigen Jahren in sondern immer das Fest. Die Kleider verkauften Die Milch ist gummiartig und wird von Naturvöl- den Köpfen eines multinationalen Haufens kre- sich trotzdem. kern aus dem Amazonas einmal jährlich geerntet. ativer Leute. Besonders wichtig war den Briten, Gefeiert wurden auch Openhouse-Parties, bei Ergebnis ist ein plachenähnliches Material mit Schweizern und Brasilianern, dass einer besonderen Geschichte. Die von der Herstellung der Kleider bis Taschen wurden in der Schweiz mit zu deren Verkauf keiner ausser ihnen grossem Erfolg verkauft. das Produkt in die Hände kriegte. 2005 wurden zum ersten Mal Bei einem Aufenthalt in Brasilien Frauenkleider produziert. Ein Jahr lernten die Freunde Ulysse und Dani- später standen reziklierte Stoffe im el – das Schicksal hatte wohl gerade Mittelpunkt. Jedes Jahr kam etwas besonders gute Laune – den Brasi- Neues dazu, später dann wurde lianer Marcelo kennen, der schon fl eissig bedruckt und gestickt. Im- seit Jahren Kleider produzierte. Man mer wurden die fertigen Kleidungs- setzte sich zusammen und erarbeite- stücke sowohl in Brasilien, London te ein Konzept für eine gemeinsame wie auch in der Schweiz verkauft. Kollektion. Motivationsmotor war das Am besten wechselten die Vava- Interesse daran, wie man Kleider pro- voom-Teile aber in der Schweiz und duzieren könnte, ohne dass beim Ver- in Brasilien den Besitzer. kauf zu grosse Kosten entstehen. Wir befi nden uns nun im siebten Im Jahr 2003 trug die Arbeit ihre Lebensjahr der Vavavoom-Maschine- ersten Früchte. «The Tiger Eye Collec- rie. Die diesjährige Kollektion kam tion» wurde zum Leben erweckt. Die- im März unter dem Namen «Matizes se Kollektion bestand aus Basics für Cariocas/Fleur de lys» (Einheimische den Mann und erzählt die Geschichte Schattengewächse/Lilie) heraus. Im eines Steines - des Tigerauges. Die Mittelpunkt stehen noch mehr Sti- entwickelten Kleidungsstücke sollten ckereien und Pailletten. nicht selbstgestrickt rüberkommen, Hauptziel ist nach wie vor, vom sondern durften durchaus einen kom- Rohmaterial bis zum Verkauf des merziellen Charakter besitzen. Brasili- Endproduktes möglichst keine Res- en wurde also nach seinen besten Tü- sourcen zu verbrauchen. Die ganze chern durchkämmt. Und so stiessen Produktion ist mittlerweile so op- unsere Freunde auf moderne Stoffe, timiert, dass fast keine Festkosten aber auch alte Bekannte wie sandge- mehr bestehen. Wurde am Anfang waschene Baumwolle und Ripp. Ziel noch ein Spezialist für Bademode, ei- war es, die tollsten Gewebe Brasiliens ner für Unterwäsche, ein anderer für zu fi nden, die auch in der Schweiz Taschen oder Frauenmode engagiert, und in London ankommen würden. ist heute eine Frau für die gesamten Die ersten Prototypen wurden Schnittmuster zuständig. Zwei ande- während des Carneval 2003 in Rio de Janeiro Freunden zu Hause, wo die Kleider ausgestellt re entwickeln die Kleider, zwei Schneiderinnen produziert. Es war ein magischer Moment. Eine wurden. So underground zu sein war eigentlich nähen das Endprodukt. Die Konzentration darauf, Freundin hat mit ihren Frauen die Stoffe zusam- gar nicht das Ziel. Die Leute sollten auf die Klei- alles zu vereinfachen und immer besser zu wer- mengenäht, anschliessend wurden die fertigen der aufmerksam werden und kaufen, damit wei- den, hat sich gelohnt. Kleidungsstücke von einem Fotografen und ein terproduziert werden konnte. Wichtig war nach Gerade erst fand in Bern wieder eine Vava- paar knackigen Herren ins beste Licht gerückt. wie vor, kein Geld für den Verkauf ausgeben voom-Party statt. Wer neugierig geworden ist Schliesslich machte sich eine Schachtel auf den zu müssen. Der Käufer sollte möglichst nur den und die nächste nicht verpassen will, kann sich Weg nach Porto Alegre, eine ging nach Sao Paolo, wirklichen Wert des Kleidungsstückes bezahlen. per SMS «Pop-up» an 079 580 72 98 die nächs- eine andere nach Bern und eine Schachtel lande- Anfangs versuchten die Freunde, ihre Kollek- ten Daten schicken lassen. te in London. Die letzte blieb in Rio. tion in die Läden zu bringen, aber die Verkäufer Um die guten Stücke ans Volk zu bringen, nahmen viel zu hohe Margen. Das machte keinen

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RANDERSCHEINUNGEN IM TANZ pitié! von Alain Platel

Von Kristina Soldati Bilder: Alain Platel (Inhaltsverzeichnis), unten: pitié / beide Fotos: Chris Van der Burght

Vier ausverkaufte Abende im Theater- beitung der Marienvesper Monteverdis für das Respekt ein. Da hilft auch nicht der ruhige au- haus der Gessnerallee boten ein unbe- Stück VPRS im Jahre 2006. thentische Gesang der Matthäus-Passion, zumal kömmliches Sujet: Die weltbekannte Auf der Bank vor den Planken reihen sich unterschwellig-jazzig die unbekümmerte Jetzt- Companie Les Ballets C de la B blickt Bauarbeiter, das profane Licht von oben leuch- Zeit schwingt. Entsprechend fremdartig wirkt auf das irdische Elend und fl eht um tet kalt die nächtliche Baustelle aus. Die auslän- es, wenn der zurückhaltende Jesus sich bei der dischen Arbeiter erheben sich ab und an und Arie «Das Wort ist Fleisch geworden» unter das Erbarmen. brettern ihr rohe Break-Sequenzen hin, Körper- Volk mischt. Ätherisch lässt er sich auf die Bank sprache ist wohl ihr üblicher Austauschmodus. der Lebenden nieder. Anzügliche Anmache und in unbekömmliches Sujet Rohe Holzplan- Ein lässig geworfener Pfl asterstein übergibt Provokation ist da aber die Umgangsform. Denn E ken bilden ein Podest im Hintergrund der frechkalkuliert dem nächsten «das Wort». An hiernieden auf Erden wird das Fleisch ange- Bühne, welches wie bei Musikfesten ein klei- einem Tisch abseits ist eine andere Welt: Durch packt. Und man prüft sich auf Herz und Nieren. nes Orchester krönt. Daneben ragt ein hölzer- innere Haltung sich still verbunden sitzen drei Die Arbeiter greifen sich tief ins Gewebe und nes Turmgerüst, von dessen «Zinnen» bald ein Figuren, eine schwarze Sopranistin als Mutter packen, tragen einander «am Fell». Dann wieder Imam in die Ferne tönen wird. Und das inmit- Maria, Magdalena und der afrikanische Coun- vereint die Bank sie still wie Jünger der zwölf- ten Bachs Matthäus-Passion. Das Spirituelle der tertenor Serge Kakudji als Jesus. Sie werden gliedrigen Kette des letzten Abendmahl-Bilds. Musik ist universell. Für diese Botschaft steht gern mal von den Arbeitern angepöbelt. Denn Allmählich scheint die frohe Botschaft in ih- das Künstlerpaar Platel & Cassol seit ihrer Bear- die religiöse Innerlichkeit fl össt diesen keinen nen zu keimen. Mitten im Leben und inmitten

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 21 TTanzanz & TTheaterheater der Bühne wippen sie dann einig, wenn nicht den Turm, wenn nicht den Himmel selbst. «And belgische Bildhauerin und ich Gemeinsamkeiten einfältig, auf den nackten Fusssohlen vor-rück, what do you feel now?», muss sich Jesus fragen in unseren Werken. vor-rück und beugen sich demütig vornüber. In lassen. Die uralte Theodizee-Frage verstummt Eine Trendwende dagegen scheint sich hin- der Masse ist das ein starkes Bild für die Um- ihn. Er rollt die entsetzt aufgerissenen Augen sichtlich der Technik abzuzeichnen. Sie konsta- wälzung ihres Lebens. «Kopfüber» (bouleversé) und verzerrt den Mund. Die manieriert-stilisier- tierten das in Belgien. Die Anfänge des zeitge- ist eine Haltung, in der sie marschieren, wi- te Gestik und Mimik geht in der Wucht auf, mit nössischen Tanzes in Flandern, sagten Sie - und schen und beten. der sich das Innerste seinen emotionalen Weg meinten damit auch die berühmte Companie Dann perlen die Szenen aus dem Leben Jesu durch den Körper nach aussen bahnt. Auch Rosas? -, waren amateur-inspiriert. Auch Sie ab in einer schnellen Folge von tableaux vivants. wo Jesus die Hand aufl egt, entsteht scheinbar trugen zu dieser Bewegung bei und profi tierten Dramatische Episoden gefrieren in einzelne büh- kein Heil. Berührt er die Schulter eines Mannes, von ihrer Offenheit gegenüber tanzfremdem nengrosse Bilder, mit verschränkten Beteiligten, stakst-stolpert dieser wie elektrisiert los. Er Einfl uss. In der jüngsten Produktion dagegen wallenden Gewändern, ausholenden Armen und steht unter Strom und gebärdet sich so unge- tauchen die Tänzer mal kurz kopfüber in eine manch bedeutsamem Blick gen Himmel. Arran- lenk, dass Jesus fassungslos den Kopf hängen Arabesque (hinterm Rücken hochragendes giert nach Michelangelos dynamischer Manier, lässt. Dieser geistig zurückgebliebene Mann Spielbein) und drehen auch noch dabei. Entde- bevölkern im Schwung begriffene Jünger am wird Jesus die Träne abwischen. Denn was wir cken Sie die Virtuosität? Boden lauernd, andere in die Höhe sich reckend erst als behinderte Bewegung wahrnahmen, er- Ja. Zu Beginn arbeitete ich mit Amateuren. oder ins Firmament enthoben alle drei Bildebe- kennen wir langsam als Freudentanz. Und hier Dann begann ich professionelle Tänzer hinzu- nen - für einen starren Moment. Vereinzelt ent- ist der Trost für unsere Welt des Wettbewerbs zuziehen. Die Konfrontation mit ihnen war sehr deckt man Platels Leitmotiv, die Ausdruckskraft mit den smarten Gewinnern: «Selig sind, die da fruchtbar. Die Profi s staunten über das instinkti- von körperlichem Leid: Finger und Füsse abge- geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ve natürliche Anpacken von Herausforderungen, spreizt und verbogen vor Schmerz. Sie scheinen ihrer». Wenn die Jünger im Verlauf zunehmend die Amateure über den meisterlichen Umgang hier im ikonographischen Feuerwerk dem Maler die Herrschaft über ihre Glieder verlieren und der Profi s damit. Im Allgemeinen aber zensie- Matthias Grünewald entlehnt. Der schaute für mitunter spastisch anmuten, so ist das ein Be- ren sich die Tänzer in der Tanzszene selbst: «Ich seine Kreuzigungsbilder das Leid einer krampf- kenntnis. Nicht zum modisch gewordenen inte- habe keine grossen Écartés (seitlich gespreiztes artigen Lähmung im Mittelalter ab. Doch unser grativen Tanz, sondern zur menschlichen Tiefe Bein entweder auf einem Standbein oder in der Mitgefühl bleibt verschont. Denn die Theatra- der Einfalt. Und zum Vertrauen in uns Zuschau- Gretsche) zu machen, denn ich tanze ja in einem lik der gereihten Bilder, mit dem Attribut der er, dass wir die Tiefe und die Freude der An- rüttel-schüttel-zeitgenössischen Tanz.» Als die- kämpferischen Axt versehen, erinnert uns an dersartigen lesen lernen. se Profi s aber in meinen Proben in den Pausen heroische Statuen der Arbeiterbewegung, die lustvoll hervorpreschten und sich an den virtuo- wir nun auch schon fallen sahen. Und das Ma- lain Platel Anlässlich der Schweizer Ur- sen Show-Offs ergötzen, ist mir klar geworden, terial des sich blähenden Blaus vom Gewand ist A aufführung von «Pitié» sprach ensuite - was für ein Potential da schlummert. das der Tragetaschen von Ikea. kulturmagazin mit dem Choreografen. Insofern ich mich mehr und mehr von den Spätestens aber, wenn auf das berühmte sozio-politischen Themen abwende und Reisen Choral «Oh Haupt voll Blut und Wunden» einer ensuite - kulturmagazin: Tanzkompanien ex- ins innere Seelenleben unternehme, erschliesst der Break-Freunde (Judas?) in kreuzform auf perimentieren mit Behinderten, integrative sich mir mit der Virtuosität ein komplexes Ins- Jesu Schultern lastet und dieser dennoch in un- Tanzgruppen spriessen weltweit aus dem Bo- trumentarium, ein Kompass, eine lesbare Karte, schuldig-hohen Countertenortönen weitersingt den und Comunity Festivals holen sie auf ihre ein Echolot mit Feinstabstimmungen. Mit der (!), ist der Zuschauer wieder emotional in das Bühnen wie unlängst in Bern, Genf und Zürich. meisterlichen Körperbeherrschung sind schlicht Geschehen geholt. Umgekehrt ähneln Werke von VIP-Choreogra- mehr Nuancen zu erfassen. Sobald die Tiefe und Wenn der Tod in drei Tonlagen beweint und fen wie William Forsythe in ihren Installatio- Komplexität eines Gefühls sondiert ist, wird die besungen wird, die Klage dreifach gefärbt aus nen zunehmend elendem Gewürm. Kürzlich Technik sie wie ein Vergrösserungsglas den Zu- drei Richtungen tönt, wird Fabrizio Cassols Rezi- mutierte der Hoffnungsträger der Schweizer schauern erlebbar machen. Das ist ein Entde- tativbearbeitung polyphon, dicht, aber stimmig. Tanzszene, Foofwa d’Immobilité, zu einem Fall ckungsabenteuer für mich, denn bislang glaubte «Wiewohl mein Herz in Tränen schwimmt», wie mit neuro-pathologischen Symptomen der Cho- ich Gefühle eher durch Musik mitteilbar. Einen es dort heisst, gilt nämlich für Mutter, Magdale- re. Was halten Sie von der Entwicklung? Schlüssel zu den Gefühlen boten mir Filmaufnah- na und Jesus. Die Jüngerschar tanzt noch geeint, Alain Platel: Ist das ein Trend? Ich kenne men des Psychiaters Arthur Van Gehuchte vom doch von starken Bewegungseinbrüchen (in den nicht Forsythes Entwicklung. Aber ich komme Anfang des letzten Jahrhunderts. Die Patienten, Combrés, Rumpfbeugen, z.B.) und verkrampften aus einem ganz anderen Eck. Ich bin kein Tän- die sich der Worte nicht bedienen konnten, liess Händen gezeichnet. zer-Choreograf und habe die wenigen Tanzkur- er in der Anstalt durch freie Räume bewegen und Ein Wendepunkt ist die Auferstehung. Der se, die ich besuchte, vor Ewigkeiten gemacht, fi lmte sie. Als ich das Material meinen Tänzern stille Jesus wird quicklebendig. Selbstbewusst wie mir scheint. Für mich ist der Umgang mit zeigte, sahen sie sofort: Die Patienten drücken wie ein Popstar - mit dem passenden Christ- dieser Bewegungssprache eine Notwendigkeit. ihre Gefühle über Bewegung aus. Und viele Epi- T-Shirt - rockt er vom Podest der Pietá. Dann Sie rührt direkt von meinem ursprünglichen Be- soden boten den Tänzern einen Ausgangspunkt welt(religionen)gewandt windet er sich in eine ruf her. Ich war Heilpädagoge und arbeitete jah- beim Erforschen von Ausdruckformen verwand- Krishna-Pose meditativ. Der blutjunge Counter- relang mit schwerbehinderten Kindern. In den ter oder ähnlicher Gefühle. Was ich früher bei tenor von Tänzerstatur Serge Kakudji ist eine ersten Choreografi en, die ich unternahm, hatte der Arbeit in den Anstalten nur ahnte, ist für eindrückliche Besetzung. Doch als sich Jesus ich diese Körpersprache im Hinterkopf, getraute mich heute gewiss: Die Zustände (wie epilepti- umschaut: Elend allenthalben. Maulklappen sind mich aber noch nicht. Seit vier, fünf Jahren set- sche Anfälle) dieser Patienten rühren von ihrer den Menschen (den Gläubigen? den Katholiken?) ze ich sie ein. Wenn sich ein Trend abzeichnet, Hypersensibilität. Sie sind empfänglicher für die angelegt, sie schleifen einander an den Haa- würde mich das nicht beunruhigen. Das gibt wesentlichen Dinge des Lebens. ren herbei und brüllen in die Beichtstühle. Ein es in der Geschichte der Kunst immer wieder, In England sind Behinderte stark in der Ge- Büssender etwa: «I love you all! I love my sister!» dann folgen Kopien von Kopien... Wichtiger ist sellschaft integriert. In den Theatern ist viel Fliegende Pfl astersteine rhythmisieren die spi- es, dass seelenverwandte Künstler über Genres Raum bei den Zuschauern für sie reserviert. rituelle Musik. Sie haben die Symbole im Visier, hinweg einander inspirieren. So entdeckten eine Und sie kommen in meine Vorstellungen zuhauf.

22 Doch einmal, an einer bedeutsamen Stelle raun- Realität schwinden. Das ist recht tragisch. AUSBLICK TANZ te ungehalten ein behinderter Zuschauer in die Viele Choreografen oder Regisseure suchen Stille. Wie in einem Bann. Die Aufsicht beförder- den Weg, den ein Geisteszustand über den Kör- te ihn hinaus. Das traf mich sehr. Schade, meine per (des Darstellers) für uns Zuschauer erlebbar Festivitäten Tänzer waren nämlich vom unwillkürlichen Röh- bahnt, d.h. ausdrückt. Sie suchen hier den umge- Im August feiern die Städte. In Zürich jährt ren stimuliert. Erst wenn Zuschauer die fremd- kehrten Weg. Den Weg von der Somatisierung sich zum 30. Mal das Zürcher Theater Spekta- artigen Bewegungen und Geräusche schätzen zurück. kel. In Nyon hat das Festival Far sein 25. Jubi- lernen, wird Integration erfolgreich sein. Ja. Und besonders überraschend war, als sie läum (www.festival-far.ch). Genf bietet das Fes- sich verselbständigte. Als ich während der Pro- tival Bâtie. Bis zum 7. August kann man noch Foofwa d’Immobilité Inzwischen hat sich das benphase nachts aufwachte und in Krämpfen im Strom der modischen Performance-Kunst Enfant Terrible der Schweizer Tanzszene auf die lag. mitschwimmen, rund um das Tanzhaus im Rah- Materie gestürzt. Genauer: Auf die neurologisch Als Tänzer-Choreografen zeichnet Sie dieses men der Stromereien (www.stromereien.ch). bedingten Symptome Chore. Als Tänzer-Cho- Experiment. Was sind die Folgen? (Vergessen reograf hat ihn eine ganz andere Motivation zu wir nicht, Ihre Vergangenheit birgt eine solide Zürcher Theater Spektakel diesem Experiment getrieben. Nicht ein soziales und anspruchsvolle Ballettausbildung...) Als Bruno Beltrão in den Strassen neben Rio Anliegen, mit dem man sich künstlerisch ausein- Das ist in der Tat so. Indem ich meine Stü- de Janeiro mit Hip-Hop aufwuchs, konnte er andersetzt, wie bei Alain Platel. cke an mir ausprobiere, werden sie durch mei- nicht ahnen, dass er einst als gefragter Choreo- ensuite - kulturmagazin: Sind auch Sie nun nen Körper geknetet. Mein Körper einverleibt graf zwischen den Metropolen jetet; auch Arte widmete ihm unlängst eine Sendung. In seinem neuen Stück «H3» lässt er die Tänzer auch mal ohne Wetteifer und zwar miteinander tanzen. Ort: Werft, Mythenquai, Zürich-Wollishofen, www.theaterspektakel.ch Datum: 19. bis 22. August, 19:30h

Yasmin Godder geht den nagenden Fragen im Krisengebiet, ihrer Heimat, nicht aus dem Weg. Im Jahr 2001 erhielt die vielversprechen- de israelische Choreografi n mit dem New Yor- ker Bessie-Award für ihre eigenwillige Machart

Immobilité / Foto: Isabelle Meister Immobilité / Foto: künstlerische Anerkennung. ’ Ort: Werft, Mythenquai, Zürich-Wollishofen, www.theaterspektakel.ch Datum: 28. bis 30. August, 19:30h

Festival Bâtie in Genf Cindy Van Acker tanzte früher für Philip Saire und Noemi Lapzeson in der Schweiz. Mit ihrer eigenen Companie Cie Greffe ist sie stets auf Foto: Chore von Foofwa d Chore von Foofwa Foto: der Suche nach künstlerischem Neuland. Eine Gewissheit bleibt uns: Wir werden auch wei- auf den Zug gesprungen, der die Randerschei- sich jede konkrete künstlerische Auseinander- terhin überraschende Formspiele entdecken nungen der Gesellschaft ästhetisch ausschlach- setzung und verstaut sie in eine Art leibliches können, soviel die gestaltbaren Körper ihrer tet? Gedächtnis. Das wird gewiss meine weitere Ar- Tänzer hergeben. Foofwa: Nein, also Moden in der Kunst in- beit irgendwie beeinfl ussen. Der unmittelbarste Ort: Salle des Eaux-Vives, Rue des Eaux-Vives, teressieren mich gar nicht. Ich experimentiere Einfl uss war aber in der Probenphase sichtbar. 82-84, Genf, www.batie.ch an so vielen verschiedenen Fronten gleichzeitig, Meine Mitarbeiter erlebten mich nervöser, kraft- Datum: 28., 29. August, 21:00h; 30., 31. August, dass ich dafür nicht anfällig bin, glaube ich. voller, aber auch gewaltgeneigt... 19:00h Was also war Ihr Beweggrund zu diesem Im Rahmen des Genfer Musikfestivals war recht unansehnlichen Experiment, das Konvulsi- Chore mit seinen vor Ort waltenden Musikern Einen Tanz mit dem Schatten spendet uns Beau- onen und krampfartigen Zuckungen nachgeht? eine Art Performance. Sah das Publikum Ihre bois & Kuypers. Beide hatten in ihrer Laufbahn Ich war am Gefühl dieser Symptomatik inte- Bewegung als Choreografi e? Kontakt mit Contact Improvisation, dem spon- ressiert, dieser vollständigen Unkontrollierbar- Teils, teils. Aber diese Ambiguität war we- tan generierten Partnertanz der 70er. Doch nun keit von Bewegung. Das ist auch die medizini- sentlich für das Konzept. Es war nicht auszu- beziehen sie Technologie und die Software Isa- sche Analyse von Chore: die Unkontrollierbarkeit machen, ob ich krank war, schauspielerte oder dora in ihren Tanz ein. Bleibt nur zu hoffen, von Bewegung. Ich wollte wissen, wie man sich einen Tanz absolvierte. Der Musiker, der etwas dass der Tanz kein mikriger Zwerg bleibt vor dabei fühlt. abseits das Geschehen beobachtete, während dem technologisch erwirkten Schattengigan- Und? er an Schaltern herummanövrierte, glich einem ten. Am Ende dürfen die Kinder auf die Büh- Das Hin- und Hergeworfensein ist beängsti- Psychiater... ne und ihren eigenen Schattentanz heraufbe- gend. Man ist weniger der Akteur als vielmehr schwören. der Bewegte. Man fühlt sich wie ein Objekt. Und Ort: UNI-MAIL S180, Boulevard Carl-Vogt 102, da lauert Gefahr. Der Leib wird gebeutelt. Dies Genf, www.batie.ch alles zieht auch einen ganz spezifi schen Geistes- Datum: 28. August, 19:00h; 29. August. 15:00 zustand nach sich. Man spürt den Sinn für die tanzkritik.net und 18:00h

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 23 The Conspiracy/ Die Verschwörung

Giro Annen Nino Baumgartner John Divola Chris Evans Dora García Gerard Hemsworth Raphaël Julliard Annina Matter Corey McCorkle Martin Möll Camille Norment Annaïk Lou Pitteloud & Steve van den Bosch Bradley Pitts David Renggli Ana Roldán & Falke Pisano Narcisse Tordoir Alan Uglow Xu Zhen

01.08. – 06.09.2009

Kunsthalle Bern -

Helvetiaplatz 1 3005 Bern T +41 (0)31 350 00 40 www.kunsthalle-bern.ch

Selbstbildnis zeichnend am Fenster, 1648 Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett Schenkung Eberhard W. Kornfeld, Bern

Schloss Spiez Rembrandt Radierungen aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld 26. Juni – 13. September 2009

Zu Ehren des während Jahrzehnten in Spiez wohnhaften Rembrandt- Sammlers Isaac de Bruijn veranstaltet das Schloss Spiez in Zusam- menarbeit mit Eberhard W. Kornfeld eine Ausstellung von 40 Radie- rungen des Holländer Künstlers. Zu sehen sind Werke aus allen Schaffensphasen und Themenbe- reichen, wie Darstellungen von biblischen Szenen, Bildnissen, Land- schaften und Akten. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

SCHLOSS SPIEZ Tel: 033 654 15 06 www.schloss-spiez.ch Mo: 14-18 h, Di bis So 10-18h TTanzanz & TTheaterheater

RÜCKBLICK: BELLUARD BOLLWERK INTERNATIONAL 09 Die Zukunft ist jetzt Von Gabriela Wild THEATERVORSCHAU as wir heute veranstalten, verändert Genossinnen durch die Strassen zog. Matsune W das Morgen. Das diesjährige Festival & Subal liessen die Frauen durch einen bunten der Künste Belluard Bollwerk International hat- Haargummi-Regen spazieren. Vetterli & Walker MAL WAS ANDERES te mit dem Wettbewerbsgewinner «Kitchain» verkauften Eisobjekte, wobei der Käufer den einen Hit gelandet, der die nächsten Festi- Preis selber bestimmte. Das eingenommene … ODER HOTZ UND valjahre prägen wird. Ein himmelblauer Fluss Geld wurde an der Belluard-Abendkasse ein- SEIN KLEINER TROTZ ergoss sich aus dem Arsenal, schlängelte quer gesetzt und ermöglichte demjenigen, der ein «Die grosse Wut des Philipp Hotz» – Ein über die Strasse und schloss sich mit seinem schlagkräftiges Argument äusserte, warum man Frisch-(er) Schwank von SHpektakel Anfang zusammen. Es waren die zusammenge- das Belluard-Festival nicht verpassen sollte, ei- setzten Tischelemente aus dem Küchensystem nen verbilligten Eintritt. «Wie verkauft sich Von Fabienne Naegeli Bild: zVg. von António Louro & Benedetta Maxia. Mit ih- Kunst», diese Frage beschäftigte San Keller. In rem Küchenprojekt griffen die beiden Künstler seinem Geschäft konnte man Verkaufsargumen- Jetzt nur nicht die grosse Wut verlieren», in die Seele des Festivals, das vor allem auch te von einfl ussreichen Galeristen kaufen, wobei « ermahnt sich der Schriftsteller Dr. phil. ein Treffpunkt ist, ein Ort, wo Künstler auf Be- sich dem Kunden gleich die nächste Frage stell- Philipp Hotz. Seit 17 Jahren ist der kleinbür- sucher treffen, wo Austausch zwischen Anwoh- te: «Was macht den Wert von Kunst aus?» Die gerliche Intellektuelle mit Dorli verheiratet. Ihr nern, Passanten und Kunst-Liebhabern stattfi n- Bekanntheit des Künstlers, der Kontext, in dem Verhältnis mit Wilfrid, seinem besten Freund, det. Im diesjährigen Modell «all-in-on» gab es das Werk steht, die ausserordentliche Idee, das trifft ihn sehr. Hotz hat nur Ideen für ein Leben verschiedene Optionen. Im Teil «ready-made» Einsetzen von Material und Können? Die Fin- konnte man zu kostendeckenden Preisen zu- nin Johanna Lecklin offerierte den Kunden in bereitete Menus beziehen und den Köchen ihrem Story Café einen Kaffee, wenn sie eine der Auberge aux 4 Vents bei ihrem Handwerk Geschichte von sich preisgaben, und Anna Fa- zusehen. Im Teil «do-it-yourself» bestand die roqhi hatte jedes Produkt ihres Tante Emma Möglichkeit, selber zu kochen. Beide Angebo- Ladens als Aquarell im Laden aufgestellt. Bel- te wurden rege benutzt. Die Einnahmen der luard 09 reagierte mit seinem Leitmotiv unter Festivalküche haben sich im Vergleich zum anderem auf das Phänomen, dass die Schweiz letzten Jahr verdoppelt. Ein Festival, das die europaweit die höchste Verkaufsfl äche pro Krise noch nicht zu spüren bekam, könnte man Einwohner aufweist (NZZ, 5.10.08). Gleichzei- meinen. Auch insgesamt konnte ein Besucher- tig schiessen leere Ladenfl ächen wie Pilze aus anstieg verbucht werden. Auf das Erfolgsrezept dem Boden, wie man in Freiburg sehr gut beob- der Festivaldirektorin Sally De Kunst ange- achten kann. «Ist die Schweiz eine Firma oder sprochen, meint Tonia Rihs, Mitglied des Vor- ein Staat?», darüber debattierten Lukas Bärfuss standes: «Die Hemmschwelle, ans Belluard zu und Jérôme Richer mit dem Professor für Zeit- gehen, ist kleiner geworden. Sally legt grossen geschichte, Damir Skenderovic. Der Berliner Wert auf Kommunikation und Öffentlichkeitsar- Choreograf Jochen Roller thematisierte in sei- beit. Die Veranstaltungen sind publikumsnah.» ner witzigen Aufführung das Los des Künstlers, Sie möchte ein breites Publikum ansprechen, der die unmöglichsten Jobs annehmen muss, sagt Sally, ohne Kompromisse einzugehen. Die um seine Kunst fi nanzieren zu können. Natür- Produktionen seien nicht weniger pointiert als lich gab es auch Produktionen, die wenig mit früher, dafür zugänglicher, weil sie vermehrt dem Leitmotiv zu tun hatten, denn wichtiger im öffentlichen Raum stattfänden und dem Zu- als das thematische Korsett ist Sally De Kunst schauer die Möglichkeit zur Partizipation bö- und ihrem Team eine organische und intuiti- ten. Als roter Faden zog sich die Thematik um ve Programmation. Noch musste das Belluard ökonomische Transaktionen, Konsum und wirt- kein Defi zit verbuchen. Aber ob die Sponsoren, schaftliche Situationen von Künstlern durch welche angesichts der Wirtschaftslage Budget- das Programm. In Freiburgs Innenstadt wurden kürzungen anmeldeten, für nächstes Jahr wie- fünf Künstlergeschäfte eröffnet, in denen der der gewonnen werden können, ist noch unklar. alltägliche Prozess des Kaufens und Verkau- Drücken wir dem kleinen, feinen Festival der fens gänzlich auf den Kopf gestellt wurde. Das Künste die Daumen. Es ist aus der Schweizer in der Zukunft und ist kein neugieriger, aben- Künstlerduo aus Österreich, Matsune & Subal, Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken. teuerlustiger Tatmensch wie Wilfrid. Nach boten den Kunden Performances zum Kauf an. einem heftigen Streit will er sich von Dorli In den Genuss einer poetischen Miniaktion kam Infos zum Wettbewerb 2010 scheiden lassen. Sie allerdings nimmt ihn nicht eine junge Braut, die mit ihren Polterabend- unter www.belluard.ch ernst und sträubt sich gegen sein Vorhaben. In

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 25 der Folge zerlegt Hotz mit Hilfe zweier Dienst- männer seinen Teil der Hauseinrichtung und droht ein Mal mehr mit der irrwitzigen Idee, nach Marseille zur Fremdenlegion zu gehen. LLiteraturiteratur Jetzt aber will er es wissen, denn sein zurück- gezogenes, introvertiertes Schriftstellerdasein kann ja nicht das ganze Leben gewesen sein. Da muss doch noch was passieren, denkt er. Der Gang in die Fremdenlegion wäre jedenfalls LESEZEIT eine Möglichkeit, aus den bisherigen, geregel- ten Lebensumständen auszubrechen. Doch der Von Gabriela Wild Versuch, das Abenteuer des Lebens zu fi nden, scheitert. Hotz nimmt sein altes Leben wieder in Korb voller Bücher ist das ideale persönliche Geheimnis um das geschenkte auf und die grosse Wut war doch bloss ein klei- E Geschenk für einen Lesefreund. Wann Buch lüften, ein Vergnügen. «Stellvertretend ner Anfall von Trotz. immer sich eine grössere Festgesellschaft für alle Abenteuerbücher unserer Jugendzeit. 1958 wurde das von Max Frisch verfasste versammelt, lässt sich diese Idee umsetzen. Dein Bruder»; «Weil ich nie Zeit zum Lesen Stück zusammen mit «Biedermann und die Zum runden Geburtstag, zum Jubiläum oder habe. Kannst du mir das Buch nachher bitte Brandstifter» in Zürich uraufgeführt. Frisch, der zur Hochzeit – vorausgesetzt beide Eheleute erzählen? Herzlich, Kathrin»; «Nicht um dich sich im folgenden Jahr von seiner langjährigen sind Lesefreunde, was für das vorgesehene zu ärgern, aber ich fi nds halt so toll. Gib dem Partnerin Gertrude Constance von Meyenburg Leben zu zweit von erheblichem Vorteil ist. Mercier noch eine Chance, ja! Kurt». Der Le- scheiden liess, griff mit diesem Stück die Zeits- Jeder geladene Gast beteiligt sich mit einem sefreund erhält nicht nur eine originelle Er- trömung auf, nach dem 2. Weltkrieg und dem Buchgeschenk, wobei er ein Buch aus seiner weiterung seiner Bibliothek, sondern kriegt Wiederaufbau endlich den Schritt in eine neue, eigenen Sammlung beisteuert. Also nicht auch gleich Gesprächsstoff geliefert. Dieser liberalere Gesellschaft zu wagen. Nun wird nach dem Gusto des Beschenkten wird ge- fehlt dem notorischen Leser nämlich nicht der kleine, thematisch noch immer aktuelle schenkt, sondern nach Geschmack und Belie- selten. Denn, wenn seine Nase gerade nicht Schwank von SHpektakel in der Grossen Halle ben der Schenker. Möglicherweise wählt man in einem Buch steckt, träumt er den Lesestoff der Reitschule gezeigt. Das Wohnzimmer, in das eigene Lieblingsbuch, am Schönsten die mit offenen Augen weiter. In diesem Moment welchem Hotz wütet, ist eigentlich das Leben persönliche Ausgabe, die herrlich zerlesen, angesprochen, reagiert er peinlich berührt. und dieser steht, überzeichnet, für eine men- mit Eselsohren und Randnotizen versehen Worüber sprechen, wenn nicht über das Ge- schliche Verhaltensweise. Denn ein bisschen ist. Oder man legt ein Buch, das man nie zu lesene? Selten passiert es dem Lesefreund, Hotz steckt doch in jedem, der sein Leben als Ende geschafft hat in den Korb und bittet dass er auf jemanden stösst, der gerade das- eingefahren und unveränderbar empfi ndet und den Beschenkten, es fertig zu lesen. Die so selbe Buch liest und deshalb seinen Zustand deshalb planlos versucht, sich neu zu orientie- entstandene Bücherkollektion widerspiegelt verstehen könnte. Mit jedem geschenkten ren. Lachen wir also über Hotz, so tun wir das das geistige Befi nden der anwesenden Gäs- Buch bekommt er einen Gesprächspartner vielleicht auch über uns selbst. te und ist eine unvergleichliche Erinnerung mitgeliefert und fühlt sich, zumindest so Der Regisseur Damir Žižek gründete im an das Fest. Natürlich wird der Beschenkte lange der Vorrat reicht, nicht einsam und Jahre 2000 das SHpektakel am Kraftwerk in die Bücher lesen. Wenn auch nicht alle mit unverstanden. Also hineingestürzt in die Schaffhausen. «Die grosse Wut des Philipp literarischem Entzücken – denn seine treus- Abenteuer und Träumereien, auf, an die Seite Hotz» ist schon seine neunte Produktion und, ten Freunde vermögen seinen Lesenerv noch Magellans, und mutig den Matrosenaufstand wie er selbst sagt, «eine Komödie über die empfi ndlich zu treffen –, aber aus Neugier bekämpfen. Dem plätschernden Erzählton Unmöglichkeit der Ehe mit Happy End». Sie und dankbar um die Erweiterung des Hori- Hartmanns lauschen – sollte man für oder verspricht einen unterhaltsamen, amüsanten zontes. Keinesfalls will der Lesefreund als gegen die Franzosen sein? Den neuen Slo- Theaterabend voll tragikomischem Witz und dogmatisch gelten und weiss, dass er auch terdijk ins Reisegepäck und von unterwegs Frisch-(em) Humor mit Roswitha Dost (als Dorli die Un-Literatur kennen muss, um seinen den Schenker wissen lassen, wie es mit dem Hotz) und Bernd Rumpf (als Philipp Hotz), die Leseinstinkt wach und lebendig zu halten. Leben ändern vorwärts geht. Genazinos «Das schon mehrfach in Berner Inszenierungen mit- Möglicherweise erweisen sich aber die Be- Glück in glücksfernen Zeiten» dazu legen. wirkten. fürchtungen des heiklen Lesers als über- Genazino hat noch selten enttäuscht. Und fl üssig und es warten lauter ungeheuerlich noch Andrea De Carlos «Zwei von zwei», weil spannende Leseabenteuer auf ihn. Schliess- es um Freundschaft geht. Nein, der Mercier «Die grosse Wut des Philipp Hotz» lich sind allein die Widmungen, welche das bleibt zu Hause. Sorry, Kurt. 27. – 29. August, 20:30h Grosse Halle der Reitschule Bern 19. September, 20:30h Kulturtäter Biel; Infos: www.shpektakel.ch

Regie: Damir Žižek. Schauspiel: Bernd Rumpf, Roswitha Dost, Sascha von Zambelly, Susanne Duntsch, Henry Brückel, Nicole Knuth. Büh- nenbild: Charlotte Leuenberger, Andreas Ten- ger. Licht/Ton: David Hundsdorff. Kostüm: Anna Schneider. Videotechnik: Detelin Bein, [email protected] Carlo Ciraci. www.buchhandlung-amkronenplatz.ch

26 LLiteratur-Tippsiteratur-Tipps

Bedford, Sybille: Rückkehr nach Sanary – Roman einer Jugend. Grossmann, Wassili: Tiergarten. Aus dem Englischen von Sigrid Capus, Alex: Der König von Olten. Erzählungen. Aus dem Russi- Ruschmeier. Schirmer Graf Verlag. Essays und Erzählungen. Knapp schen von Katharina Narbutovic. München, 2009. 478 Seiten. Verlag. 2009. 112 Seiten. Claasen. 2009. 298 Seiten ISBN 978-3-86555-062-0 ISBN 978-3-905848-17-5 ISBN 978-3-546-00437-4

Sybille Bedford: Rückkehr nach Sanary - Roman Alex Capus: Der König von Olten. Wassili Grossmann: Tiergarten. einer Jugend. Essays und Erzählungen. Erzählungen.

ybille Bedford, Tochter des Barons von Schoen- eit Wochen, Monaten gar vermag sich das ie Bewohner des Berliner Zoos werden un- Sbeck und dessen englischer Gattin, durchlebt Sschmale Bändchen des Olteners Capus auf Druhig angesichts des Geschützfeuers aus das, was man eine unstete Jugend nennt. Nach den Bestsellerlisten zu behaupten. Dies erstaunt nächster Nähe. Der Affenwärter Ramm, der sich der Scheidung der Eltern bleibt sie beim Vater auf vor allem insofern, als alle im Buch versammelten bislang in keiner Weise als Gegner des NS-Regi- dem Landsitz der Familie im badischen Feldkirch. Texte in den Jahren 2002 bis 2009 bereits ander- mes hervorgetan hat, betreut den ihm anvertrau- Der nach der Krise verarmte Adlige kann seiner weitig veröffentlicht worden sind. ten Gorilla Fritzi mit viel Liebe. Seine vier Söhne einzigen Tochter lediglich eine Einführung in die Dennoch kommt man als Leser oder Leserin sind Ramm durch den Krieg genommen worden, Landwirtschaft und die Dorfschule zur geistigen nicht umhin, festzustellen, dass es doch schön drei sind an der Front geblieben und der eine ist Auseinandersetzung bieten. Dennoch erscheinen und durchaus sinnvoll ist, diese überaus berei- als Linker im KZ umgekommen. Dass nun aber die Kindheits- und Jugendjahre der Bedford in ei- chernden Analysen der Kleinstadt und ihrer Be- die unschuldigen Zootiere für den Krieg geopfert nem überaus heiteren Licht. wohner, im vorliegenden Falle am Beispiel Oltens, werden sollen, geht dem Alten zu weit. In seiner Nach Jahren ohne Kontakt zur Mutter nimmt in einem Band versammelt zu wissen. Stammkneipe betrinkt er sich, trinkt sich viel- diese vom Umgangsrecht Gebrauch und lädt ihre Und Capus spricht uns Kleinstädtern, die wir so leicht gar Mut an, und äussert sich kritisch gegen- halbwüchsige Tochter nach Italien ein. Dort wird fernab der nationalen Zentren leben, wie es sich über Hitler-Deutschland. Die Wände haben Ohren dem Mädchen durch die liebevoll familiäre Kultur in der Schweiz eben fernab der nationalen Zent- wie überall und Ramm wird kurze Zeit später de- der Italiener zum ersten Mal eine Wärme und ein ren leben lässt, durchaus aus dem Herzen. Denn nunziert. Doch der Arm des Gesetzes im Dritten Gefühl von Geborgenheit zuteil, wenn diese auch wir wissen eben längst, dass Zürich nur zehnmal Reich soll für einmal der kürzere sein, denn die nicht zwangsläufi g von ihrer Mutter kommt. und Berlin nur hundertmal Olten ist. Darüber hin- Stunden der Herrenrasse sind gezählt. Der Liebhaber der Mutter, ein um zwanzig aus wissen wir an guten Tagen die Kleinräumig- «Tiergarten» ist nicht nur titelgebend für Jahre jüngerer angehender Architekt, soll alsbald keit, welche wir an schlechten Tagen beklagen, zu den Erzählband Wassili Grossmanns, welcher in auch ihr Mann werden. Kurze Zeit später ent- schätzen. Und auch Capus hat, wenn auch selten, diesem Jahr von Claasen neu aufgelegt wurde, schliesst sich die intellektuelle Mama, sich der solche Tage, an denen er den Leser durchaus auch die Erzählung veranschaulicht darüber hinaus, mangelnden Bildung ihrer Tochter anzunehmen teilhaben lässt. Dennoch wird deutlich, wie gern wie schnell Oben zu Unten werden kann. Galt – der Vater ist plötzlich verstorben. Und wo könn- der Halbfranzose mit seiner Familie in seinem be- Grossmann, von Haus aus Chemiker, zunächst als te diesem Vorhaben besser Rechnung getragen schaulichen Olten lebt, das viel mehr zu bieten hat linientreuer Autor, haben ihn vor allem die Greu- werden als in England? So macht sich Sybille zu als einen Bahnhof und damit ein Tor zur Welt. Un- eltaten Stalins und Hitlers zu einem Gegner to- Bekannten ihrer Mutter auf, einem Künstlerpaar, ter anderem unzählige Restaurants und Kneipen, talitärer Regime werden lassen. Somit scheint es welches in ewigen Geldsorgen steckt. Erhält sie die schöne grüne Aare, die nicht nur durch Bern durchaus legitim, in Ramm ein Alter Ego des Au- zunächst noch Privatunterricht, wird sie alsbald fl iesst, auch wenn man das oftmals zu vergessen toren selbst zu lesen. Die russische Erstausgabe zu ihrer eigenen Lehrmeisterin; diese Aufgabe scheint, und den Kater Toulouse, der durch Capus seines Romans «Liebe und Schicksal» sollte erst meistert sie in Anbetracht ihrer späteren journa- Erzählung zu einer wahrscheinlich gar internatio- 1980, beinahe zwanzig Jahre nach seinem Tod, in listischen und literarischen Erfolge mit Bravour. nalen Berühmtheit geworden ist. Allein wegen einem Exil-Verlag in Lausanne erscheinen. Ihre Mutter und Alessandro sind inzwischen ihm reisen sie nun an, er aber, als echter Star, ent- Ohne moralischen Zeigefi nger macht der Autor vor den Faschisten nach Frankreich gefl üchtet zieht sich dem Rummel und lässt sich nur noch deutlich, wie sehr der Mensch des Menschen Wolf und haben sich in Sanary-sur-mer häuslich nieder- selten in den Altstadtgassen blicken. ist und dabei doch liebenswert sein kann. Die gelassen. Fortan soll die Tochter des Hauses ihre Der Autor beschreibt in seinen Texten mit Zeichnung seiner Figuren bleibt stets ambivalent, Sommer an diesem inspirierenden Ort verbrin- spitzer Feder und viel Witz nicht nur seinen All- die Kategorien gut und böse scheinen Grossmann gen, dessen Umgebung in der Zwischenkriegszeit tag als lokale Grösse, von der sich manch einer fremd zu sein. Er verurteilt nicht, sondern be- Künstler aller Sparten anzog. Die Sommer mit ih- gerne ein Stückchen abschneiden möchte – zu- schreibt Menschen, zumeist russischer Herkunft, rer gebildeten Mutter sind auch nicht allein dem mindest einmal in einem seiner Bücher vorkom- in ihren ganz individuellen Lebensumständen. Müssiggang gewidmet, denn zumindest die Mor- men möchte -, sondern wird darüber hinaus auch Wir erfahren, was sie umtreibt, doch auch wir als gen sind stets der Lektüre vorbehalten. zum Chronisten eines sich verändernden Oltens: Leser werden eines Urteils enthoben. Grossmann Doch die Leichtigkeit dieser ersten Sommer So gehen, wie Capus schreibt, beispielsweise die gelingt es, das Menschliche einzufangen und uns im Süden Frankreichs soll nicht ewig währen und Töchter und Söhne aus gutem Hause heute nicht in seinen Texten zugänglich zu machen. Über die alsbald zeigt das freigeistige Leben auch seine mehr ins öffentliche Schwimmbad, welches von Zeiten hinaus. Schattenseiten. Capus und seinen vier Söhnen gerne frequentiert Sybille Bedford erzählt mit Esprit und Humor wird. Sie ziehen es vor, daheim am Pool zu liegen, und sie zeichnet sich selbst und insbesondere was zwar durchaus erhaben, wenn auch ein wenig ihre Mutter als Menschen mit Stärken und Schwä- langweilig sein mag. chen, was ihr als ein besonderer Verdienst ver- bucht werden muss.

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 27 MMusicusic & SSoundsounds SZENENSPIEGEL Der «Hoofbarde» der Street Parade

Von Luca D’Alessandro Bild: zVg. Bei der Erstdurchführung im Jahre Urheber von «Still have a dream» ist der in es davon bereits mehrere Remix-Versionen. 1991 hätten die Gründer der Zürcher Winterthur ansässige DJ und Musikproduzent Ja, insgesamt sind vier Mixversionen entstan- Street Parade sich nie träumen lassen, Jürg Imhoof, der in Fachkreisen für die Verto- den: Da gibt es zum einen einen Radiomix, den dass ihre Idee das Reifealter erreichen nung von Werbefi lmen und die Produktion von vermutlich viele schon kennen, zumal er bereits würde. Es kam anders: Die Street Para- House- und Dancetracks bekannt ist. «Es sind in diversen Radios gespielt wird. Zum andern keine billigen Sachen», wie Imhoof selber sagt, gibt es eine Club-Mix-Version und zwei weitere de wird am kommenden 8. August voll- «sondern fein einstudierte Musikstücke für Leu- Club- und Minimalversionen, entstanden in Zu- jährig und vermutlich mehr als eine te, die einen Anspruch an die elektronische Mu- sammenarbeit mit meinem Mitproduzenten Tom halbe Million Besucherinnen und Be- sik haben.» Dies belegt er mit seiner vor einem Walker und den Superiorz aus Winterthur. Die sucher anziehen. Dieser Realität zum Jahr erschienenen CD «Luxury Grooves – Jazzy Vocalpassagen stammen von Sänger Camen und trotz haben die Veranstalter das Träu- Chill House Vol. 1», wo sämtliche Pianopassagen der Showgruppe The Splashcats. men nicht vergessen – im Gegenteil. aus den Händen des Pianisten Anthony Nobel Vergleicht man den Street-Parade-Sound- stammen. track mit einer deiner früheren Produktionen, s ist Teil ihres Leitbildes: «Still have a ensuite - kulturmagazin hat den «Hoofbar- hat man den Eindruck, dass du über deinen ei- E dream» titelt die diesjährige Hymne und den» der Street Parade aufgesucht und mit genen musikalischen Schatten springen muss- soll die Leute dazu bewegen, zu elektronischer ihm über Trends in der elektronischen Musik test. Musik zu tanzen, oder wie das Organisations- gesprochen; und über die Schwierigkeiten, kos- Nein, durchaus nicht. Die Hymne ist leben- komitee in seiner Pressemitteilung schreibt: tendeckend Musik zu produzieren. dig und passt hervorragend in das Konzept der «Die Parade ist eine Demonstration für Lie- ensuite - kulturmagazin: Jürg Imhoof, die Street Parade. Vermutlich beziehst du dich auf be, Frieden, Freiheit und Toleranz. Tausende Ehre für die Produktion von «Still have a dream» meine house-gefärbten und gemütlichen Tracks unterschiedlichster Menschen – egal welcher wurde dir zuteil. aus der Luxury-Grooves- und R&B-Reihe. Aus Hautfarbe, Religion, sexueller Ausrichtung oder Jürg Imhoof: Darauf bin ich besonders stolz. dieser Perspektive mag dieser Eindruck seine Interessensgruppe – setzen sich für ein nach- Das Resultat lässt sich hören. Berechtigung haben. Als Musiker und Produ- sichtiges und gewaltfreies Miteinander ein.» Und wie es in Elektrokreisen üblich ist, gibt zent stelle ich aber auch immer wieder gerne

BUNTES DEKOR, einem internationalen DJ-Aufgebot bestückt, auf den Plan, welche die Street Parade am die Future-Stage vor dem Kongresshaus hin- liebsten in die Verbannung schicken würden. ÖKOSTROM- gegen setzt den Fokus auf neue Trends. Hier Dies nicht ohne Grund: In den letzten Jahren sind avantgardistische, überraschende Sounds machte die Veranstaltung des Öfteren nega- BÜHNEN UND – natürlich im elektronischen Bereich – vorge- tive Schlagzeilen. Öffentlichkeit und Medien GRÜNE LASTWAGEN sehen. Neu ist die Zürich-Stage am Bellevue, beanstandeten die Umweltbelastung und den wo lokale Matadoren ihre DJ-Sets vortragen. übermässigen Konsum von Betäubungsmit- m 8. August bietet die Zürcher Street Den Fans von Trance-Musik widmet die teln. Das Organisationskomitee zeigte sich A Parade den Elektronikliebhabern, Tän- Street Parade eine eigene Trance- Stage vor deshalb an der diesjährigen Pressekonferenz zern und Zaungästen Vielerlei fürs Gehör und dem Swisslife-Gebäude im hinteren Sektor besonders im Gebiet der Abfallverminderung besonders auch fürs Auge: Dreissig bunt de- der Street-Parade-Route. Auf der Limmat- engagiert: Ein umfassendes Konzept soll bei- korierte Lastwagen aus Deutschland, Italien quai-Stage fi nden indes innovative Schweizer tragen, Aluminium- und Pet-Abfälle strenger und der Schweiz sind angemeldet und bereit, Musikschaffende ihren Platz: Hier wird live zu trennen und fachgerecht zu entsorgen. sich den Weg durch die Menschenmenge zu gespielte elektronische Musik mit Computer, Darüber hinaus sollen die am Rande des Cor- bahnen, während sich auf fünf aufwendig Instrumenten, Plattentellern und Gesang ge- tège aufgestellten Showbühnen mit Ökostrom ausgestatteten Bühnen entlang der Route spielt, alles «Made in Switzerland». Den Aus- versorgt werden. Die Love Mobiles wurden prominente DJs wie Paul van Dyk, The Turn- klang machen private Grossveranstaltungen als Teilnahmebedingung angehalten, einen tablerocker und Felix Kröcher aus Deutsch- wie Energy, Mainstation oder Moving City, aktiven Beitrag bei myclimate.org zu leisten. land, Martin Solvelg und Joachim Garraud aus wo bis in die frühen Sonntagmorgenstunden Inwiefern diese Massnahmen die Akzeptanz Frankreich, sowie Steve Angello aus Schwe- getanzt werden kann. bei den Kritikern erhöhen werden, wird sich den die Klinke in die Hand geben. Das Programm lässt Elektronik-Herzen hö- zeigen. (ld/mt) Die Centre-Stage am Bürkliplatz ist mit her schlagen, bringt aber auch jene Gruppen Infos: www.streetparade.ch

28 ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 MMusicusic & SSoundsounds Dance-Tracks her. Folglich muss ich dir wider- schen «Oldie»? entsprechend kritischer geworden ist. sprechen: Ich musste für die Produktion in kei- Die Aufmachung des Trance ist cleverer als Auch die Street Parade hat sich in den ver- ner Weise über meinen Schatten springen, im noch vor zehn Jahren. Der Neotrance verbreitet gangenen Jahren enorm entwickelt. Aus einem Gegenteil: Ich habe die Lancierung des Tracks eine andere Stimmung. Er hat eine andere Bass- lokalen Anlass hat sie sich zu einem Event der und die damit verbundene Herausforderung linie, die sich von den geraden, discoähnlichen Superlative gesteigert. In welche Richtung zei- sehr genossen. Basslinien der 1990er-Jahre deutlich unter- gen die Trends? «Still have a dream» beinhaltet Elemente aus scheidet. Ich denke gerade an ein paar Produk- Das ist schwer zu sagen, ich hoffe jedoch, mehreren Hauptkategorien der Elektronik. tionen, die ich neulich gehört habe: Alle waren dass dieser Anlass künftig viel Platz für Innova- Ja, es ist ein Crossover-Stück mit House sie eine Mischung aus Trance und House, soge- tion bieten und dass es ihn noch ein paar Jahre Beats, Trance- und Elektroklängen, sprich: Här- nannte Crossover Tracks, vom Tempo her viel geben wird. Davon gehe ich aus. tere Töne als wir sie vom House her kennen. langsamer als der Ursprungstrance. Um es zu Was deine Produktionen angeht, scheint sich Das wurde von den Veranstaltern ausdrücklich quantifi zieren: Trance-Stücke der 1990er-Jahre Einiges zu tun. Nach der Publikation der eige- so gewünscht, zumal die Street Parade in ihrem hatten einen Beat im Bereich von 140 Schlägen nen Chill-House Compilation «Luxury Grooves Leitbild alle diese Stile in sich einschliesst. pro Minute (BPM), die heutigen Varianten liegen Part 1» hast du im April ein weiteres Album pu-

Erstaunlich ist, dass das Element des Tran- im Bereich zwischen 126 und 132 BPM. bliziert, «R&B Lounge Vol. 1». Lohnen sich der- ce heute noch zu einem Hauptbestandteil der Vermutlich hat auch der Fortschritt in der artige Produktionen in der Schweiz? Street Parade gehört. Trance hatte in der zwei- IT und folglich in der Aufnahme- und Produk- Mit «Luxury Grooves» habe ich in enger Zu- ten Hälfte der 1990er-Jahre seinen Höhepunkt. tionstechnik zur Veränderung des Genre beige- sammenarbeit mit dem Pianisten Anthony Nobel Heute wird in Elektronikkreisen hauptsächlich tragen. ein Album produziert, das – wie soll ich sagen House oder Minimaltechno produziert und kon- Das kann schon sein, doch möchte ich diesen – sehr elitär daherkommt. Wir haben elegante, sumiert. Weshalb beharrt die Street Parade auf Faktor nicht überbewerten. Die Musiker selbst jazzangehauchte Melodien in mühsamer Fein- Trance? und auch die DJs, die schon damals auf der Büh- arbeit eingespielt und für Champagner-Anlässe Tatsächlich war die Trance-Musik in den ver- ne standen und die Richtung des Trance vorga- konzipiert. Wenn ich dieses Album an einem gangenen Jahren beinahe verschwunden. In den ben, haben sich in den letzten zehn Jahren wei- solchen Event präsentiere, stelle ich fest, dass Klubs war sie nicht mehr angesagt, die grossen terentwickelt. Sie stehen heute an einem ganz die Gäste das ganze Ambiente sehr geniessen. Raves sind ausgestorben. In letzter Zeit haben anderen Punkt. Damals war es so, dass Trance Sie kommen in Stimmung. Und das bereitet mir einzelne DJs den Stil wieder für sich entdeckt, Tracks am laufenden Band produziert wurden. als Musiker und Produzent, der dafür lebt, be- allen voran der Holländer Armin van Buuren. Er Heute hingegen muss sich ein Produzent viel sonders viel Freude. Um auf die Frage zurück zu und seine Entourage sind diesbezüglich rich- genauer überlegen, was er mit seinen Produk- kommen: In der Schweiz ist die Veröffentlichung tungsweisend. Kurz gesagt: Es zeichnet sich ein tionen vorhat. Er muss sich stärker ins Zeug le- eines Albums sehr kostspielig und lohnt sich Trend in diese Richtung ab. gen, zumal das heutige Publikum, besonders in nur bedingt. Mit «Luxury Grooves Part 1» haben Ist es die Wiederaufnahme eines elektroni- Bezug auf Elektronik, viel anspruchsvoller und Anthony Nobel und ich 2008 diesen Schritt ge-

29 MMusicusic & SSoundsounds wagt, mit «R&B Lounge Vol. 1» hingegen haben wir es uns gut überlegt. Am Ende haben wir uns bei «R&B Lounge» für eine MP3-Edition ent- KLANGWELTEN schieden, zumal der Vertrieb dieses Albums in physischer Form das Budget gesprengt hätte. Wie ist das zu verstehen? Die Vertriebe machen bei solchen Produk- L´heure bleue tionen nicht mehr automatisch mit; höchstens dann, wenn man ihnen eine Verkaufsgarantie Mich Gerber bespielt die blaue Stunde am Fluss gibt. Stell dir vor, allein in der Schweiz müssten wir 1000 Alben verkaufen, um die Unkosten zu Von Barbara Hell Bild: zVg. decken. So gesehen ist das Risiko ein bisschen zu hoch. Beim Vertrieb von MP3-Files fallen die Die legendäre blaue Stunde ist ein Ge- Stunde an auserwählten, magischen Plätzen am Fixkosten weg und damit auch das Risiko. Auch schenk des Tages an die Nacht, wenn Wasser: Zum Beispiel am Bieler-, Neuenburger- ist der Kauf unserer Musik einfacher, das bele- die Sonne untergegangen ist und die und Genfersee (2007), auf dem Dach einer al- gen die guten Downloadraten. Nacht aufzieht. Genau dieses indirekte ten Seebadi in Luzern (2009) oder am Choller- In Südostasien aber ist die Compilation «R&B Licht am Himmel ist eines der wunder- strand, einem Naturstrand bei Zug (2009). Lounge» in physischer Form erhältlich. Zumin- Auch auf der Bodenackerfähre wurden die dest steht das so auf deiner Homepage. barsten Naturschauspiele, das jeden L’heure-bleue-Konzerte durchgeführt (2008) In diesen Ländern ist der Vertrieb ganz an- Abend neu stattfi ndet. In dieser magi- und dieses Jahr auf vielseitigen Wunsch wie- ders geregelt, hier konnten wir tatsächlich ein schen Zeitspanne entsteht ein stiller, derholt. Die ZuschauerInnen sitzen beidseits paar CDs pressen, ohne aus dem Budgetrahmen leiser Soundtrack, gespielt von einem am Ufer. Mich Gerber wird zum Fährmann, und zu fallen. Seit ein paar Wochen können wir diese charismatischen Musiker, Mich Ger- setzt uns über in eine verzauberte Welt, in ein Produktion auch in den Vereinigten Arabischen ber, solo mit seinem Kontrabass. «Hypnose-Konzert», wie es kürzlich genannt Emiraten sehr gut in Form eines physischen wurde. Er entwickelt ein charakteristisches Tonträgers verkaufen. Hier kommen Luxuspro- ich Gerber und der Kontrabass – das musikalisches Universum, schichtet Live-Loops dukte dieser Art besonders gut an. M ist eine langjährige Liebesgeschichte. zu dichten und atmosphärischen Klangbildern. Die beiden erwähnten Compilations tragen Seither ist der Musiker mit seinem Instrument Er malt eine Stimmung, schneidet sie dann entweder die Bezeichnung Part 1 oder Volume unterwegs. Das neueste Album, das im letzten mit warmer und solider Melodie zurecht, baut 1. Wann kommen die Zweiteditionen? Herbst erschienen ist, heisst «Wanderer». Ge- Schichten auf, lässt sie wieder verschwinden. Von «Jazzy Chill House» kommt im Septem- widmet natürlich nicht dem klassischen Rotso- Ein Soundtrack, der die anwesenden Perso- ber eine zweite Ausgabe auf den Markt. Auch cken, der in der Hitze des Hochsommers ehr- nen im wahrsten Sinne des Wortes per-sonare diese wird, nach aktuellem Stand der Planung, geizige Wanderrouten absolviert, sondern dem durchtönt. nur in MP3-Form erhältlich sein. Ehrlich gesagt, Wanderer aus der Romantik, der unterwegs ist, Die Fahrt mit der Fähre ist in Mythen und befriedigt mich diese Situation nicht, aber an- weil das Unterwegssein schön ist. Dem Wan- Erzählungen oft eine Metapher für den Über- ders lässt sich in der Schweiz die Verbreitung derer, der so langsam geht, dass er die Umwelt gang. Der Fährmann erscheint dabei meist als der eigenen Musik nicht einrichten. betrachten und bewundern kann. «Wanderer» ein Führer oder Helfer für jene, die er zum ande- Du hast also noch viel zu tun in den nächsten vertont die Bedächtigkeit, mit der Mich Ger- ren Ufer bringt, sei es das Reich der Toten, die Wochen. Denkst du auch mal an Ferien? ber seinen musikalischen Weg beschreitet. Die Unterwelt oder der nächste Abschnitt der Reise. Ja klar, aber zuerst kommt die Street Parade. Reise geht immer weiter. Bei der «l’heure bleue» dürfen alle wieder dahin Das Feiern mit dem Publikum, das ausgelassene Diesmal ist er unterwegs zum Bespielen der zurück, wo sie herkamen. Denn der Fährbetrieb Ambiente, die Show – das sind doch schon fast blauen Stunde. Die Idee der «l’heure bleue» ist ist nach dem Konzert nochmals gewährleistet, Ferien. vor einigen Jahren beim Verweilen an spezi- und ein Ticket in den Hades ist ebenfalls nicht Und vermutlich wirst du an der Street Pa- ellen Orten entstanden, im Seeland, wo Mich erhältlich. rade auch die Single «Still have a dream» per- Gerber oft mit seinem Holzsegelschiff unter- formen. wegs ist. Da gehen ihm Fragen durch den Kopf. Ja, auf der Showbühne am Bürkliplatz, ge- Warum müssen denn Konzerte immer in Mehr- meinsam mit Vocalist Camen und den Splash- zweckhallen oder an oft seelenlosen Open- L’heure bleue - Mich Gerber cats. Der Gig ist für 15:30 Uhr geplant, aber airs stattfi nden? Wäre es nicht reizvoll, sie Bodenackerfähre Muri b. Bern du weisst ja wie das ist, an der Street Parade an lauschigen Plätzen durchzuführen, wo die Infos: www.michgerber.ch nimmt man es nicht so genau. Wichtig ist, dass Umgebung zur Musik passt und die Klänge 15. / 16. / 17. / 18. August, 20:30h sie überhaupt stattfi ndet. potenziert? Wo die Musik die Schönheit eines Ortes zu untermalen vermag? So ist die Idee Die Bodenackerfähre ist erreichbar von Kehr- Jürg Imhoof @ Street Parade: der «l’heure bleue» entstanden. satz, Wabern oder Muri zu Fuss. Von Bern aus Center Stage, Bürkliplatz: Jürg Imhoof fea- Mich Gerber will etwas kreieren fürs Gemüt mit dem Bus 19, Elfenau, bis Endstation oder turing Camen & Splashcats. 15:30h. und fürs Herz, ohne Sponsoren, VIP-Zelte oder «dr Aare na». Die Überfahrt ist bis kurz vor Videoscreens. Denn der Künstler ist Teil der Na- dem Konzert möglich. Es gibt einen kleinen Jürg Imhoof on the web tur – er will sie nicht überdecken. Entstanden Barbetrieb oder das Restaurant Fähri-Beizli «Still have a dream» gibt es zum Nachhören ist eine andere Form von Konzerten also, eine (unbedingt reservieren unter: 031 951 05 52). auf www.streetparade.ch, auf der offi ziellen beschauliche eben. Wo es auch akustisch Platz Die Konzerte fi nden nur bei trockenem Wetter Street-Parade-Compilation oder als Download hat für das Rauschen der Bäume, die bellenden statt. Im Zweifelsfall gibt es Informationen un- in den üblichen Downloadshops. Hunde der Bauernhöfe von Kehrsatz oder die ter 079 751 71 15. Ein Licht für den Heimweg ist Glocken des Kirchturms in Muri. der Geheimtipp. Für dieses Konzert wird kein Infos: www.imhoof.ch Seit 2007 bespielt Mich Gerber die blaue Eintritt verlangt, aber Kollekte gesammelt.

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INSOMNIA MURTEN CLASSICS 2009 Von Eva Pfi rter REAL COKE? Auf der Suche nach

ürzlich war ich an einem dieser grossen KFeste, bei denen man sich gezwunge- dem Nordlicht nermassen an einen langen Tisch setzen muss Von Kaspar Zehnder Bild: Künstlerische Leiter Murten Classics, Kaspar Zehnder / zVg. - auch wenn man viel lieber mit seinen Freun- den in eine Ecke hocken und über Gott und die Welt reden würde. Leider fi ndet man sich dann immer per Zufall an einem der langweiligsten Tische in der Ecke wieder und redet über al- les - und nichts. Ja, es ist unglaublich, worüber man redet, wenn man eigentlich gar nicht reden möchte, aber das Gefühl hat, man müsse nett sein und Interesse aufbringen für die Mitmen- schen vis-à-vis. Es hat damit angefangen, dass ich eine Cola bestellte. Ein NORMALES Coca Cola – weder Light noch Zero. Das allein erregt heutzutage schon Aufmerksamkeit – zumal ich eine Frau bin und mich öffentlich getraue, ECHTEN Zu- cker zu mir zu nehmen. Daraus entwickelte sich doch tatsächlich eine viertelstündige Diskussi- on: «Wieso trinkst du kein Cola Light?» – «Weil es mir nicht schmeckt.» – «Ja, du hast recht, eigentlich hinterlässt es einen seltsamen Film auf den Zähnen.» Das war der Auftakt zu einem Lehrstück in Sachen Cola-Produkteentwicklung: «Weisst du, Cola Zero ist ja eigentlich genau dasselbe wie Cola Light, aber weil die Männer keine Light-Produkte konsumieren, haben sie jetzt dieses Zero gemacht, es ist im Prinzip eine Männer-Linie.» – «Ah, ja?» Interessant. Die ganze Diskussion erinnerte mich an mei- ne erste Reise in die Vereinigten Staaten. An Bord der «American Airlines» kam auf meinen atürlich fehlen die Kassenschlager nicht, Zurück mehr. Ewige Nacht? Nein, hellichter Tag! Wunsch, eine Coca Cola zu trinken, die Rück- N Liebhaber von Bach-Beethoven-Brahms, Nordlicht! frage: «Diet coke or a regular coke?» Leicht ir- Mozart, Schumann oder Tschaikowsky kommen Folgende Konzerte führen Sie direkt hin: Der ritiert sah ich den Stewart an und sagte voller im Schlosshof Murten voll auf ihre Rechnung. Abend mit nordischer Chormusik von Jean Sibe- Inbrunst (ich fürchtete, dass auch das regular Geschraubt und gefeilt wurde im Murtener Pro- lius bis Arvo Pärt (Sonntag, 30.8., 17:00h), das coke irgendeinen Haken hätte): «I want a REAL gramm aber wie jedes Jahr vor allem am Kon- Konzert mit nordischen Serenaden von Elgar bis COKE without ice!» Darauf war er es, der mich text, welcher sich über 30 Konzerte dehnt, dem Tschaikowsky mit den Streichern der Prague verwundert ansah: «Are you from Switzerland?» Thema kann also auf den Grund gegangen wer- Philharmonia (Mittwoch, 26.8., 20:00h), das Sin- Hahaha. den. foniekonzert mit der fi nnischen Rhapsodie von Seither verfolgt mich das Thema. Aber es Ich habe mich in der Vorbereitung zum Pro- Gerhard Maasz, eines Schweizers fi lmhafte und wurde nicht mehr besser an besagtem Festchen. gramm «Nordlicht-Aurore boréale» intensiv mit folkloristisch geprägte Hommage an den Nor- Nachdem wir zum Thema Cola nichts mehr zu nordischer Literatur, Musik, Bildender Kunst den, dazu das Brahms-Violinkonzert mit Alexis sagen wussten, redeten wir von den Migros- befasst und nach Verbindungen zu nördlicher Vincent und die Brahms verblüffend wesens- Léger-Chips, welche die Teenager zum Zmittag Landschaft und Mentalität gesucht. Das Nord- verwandte «Sinfonia espansiva» des Dänen Carl verschlingen würden und landeten schliesslich licht sieht man nicht gleich. Eine Reise in den Nielsen; seine Dritte hielt Leonard Bernstein für bei den Pommes Frites (die es am Buffet gab). Da Norden verlangt eine gewisse Akklimatisati- eine der besten Sinfonien überhaupt (Samstag, outete sich unser Tischkollege als McDonald’s- onszeit. Norden, das ist ein Buch von epischer 29.8., 20:00h). Fan und echter Hinterwäldler: «Der McDonald’s, Weite, ein Bild in expressiver Farbstufung, ein Und – natürlich – Peer Gynt, Griegs kongeni- der macht die besten Pommes Frites – da kannst Lied von melancholischer Schönheit. Nehmen ale Musik zu Ibsens Stück in einer neuen Prosa- du sagen, was du willst. Und wenn ich in einer wir uns Zeit, den Zeilen, Pinselstrichen oder der fassung von Ursula Frauchiger, mit Ulrich Bese- fremden Stadt bin, wo ich mich nicht auskenne, Melodie zu folgen, so werden wir erst behutsam ler als Sprecher und Ruth Ziesak als Solveig. Mit gehe ich lieber in den McDonald’s als in einen weggetragen in einen dauerhaften Dämmerzu- dieser Galavorstellung (Sonntag, 30.8., 19:30h) Laden, bei dem ich nicht weiss, was ich bekom- stand, der sich wie das Zwielicht zwischen Tag werden wir das Festival beschliessen, das Nord- me. Ich sage immer: Bei McDonald’s weisst du, und Nacht anfühlt. Allmählich setzt eine Sogwir- licht wird sich bis dann für alle sichtbar einge- was du hast.» Das war’s, wir konnten nicht mehr. kung ein, wir werden mitgerissen, es gibt kein stellt haben! Fortan lächelten wir nur noch und tranken Wein.

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ensuite - kulturmagazin verlost immer wieder Tickets oder CDs. Wer die Newsletter Kulturwoche per Email abonniert hat, weiss das jeweils als Erstes. Infos: www.ensuite.ch

Sa, 29. August, 19h30 OPENAIR-KONZERT auf dem Bundesplatz Bern MURTEN CLASSICS Eintritt frei Sommerfestspiele Murten 10. bis 30. August 2009 SA 22.8. / 20.00H Legends www.murtenclassics.ch Sinfoniekonzert Sibelius / Elgar / Beethoven Brünner Philharmoniker / Janos / Kniasev Murten / Schlosshof of the DO 13.8. / 20.00H SO 23.8. / 11.00H Sinfoniekonzert Weber / Schumann / Mendelssohn Kammermusik Bach / Schumann / Sibelius Murten / Schlosshof Silverscreen Sigfridsson FR 14.8 / 20.00H Meyriez / Ref. Kirche Sinfonie Orchester Biel / Zehnder / Viersen DI 25.8. / 20.00H Murten / Schlosshof Frank Strobel Dirigent 10 Jahre Valiantforum Preisträgerkonzert SA 15.8. / 17.00H Murten / Schlosshof offen für neues Schmitt / Andersen / Henze Film-Musik u.a. aus: DI 25.8. 21.45H Schönbeck / Oltean / Bucher / Schmid / Zehnder Sommernachtskonzert Gade / Mendelssohn Jurassic Park, Indiana Jones, Murten / KiB Solisten der Prague Philharmonia Mord ist ihr Hobby, Star Trek, SA 15.8. / 20.00H Meyriez / Vieux Manoir Sinfoniekonzert Schumann / Nielsen / Mozart MI 26.8. / 20.00H Dr. Schiwago, Fluch der Karibik Sinfonie Orchester Biel / Rösner / Bálint Serenadenkonzert Grieg / Françaix / Elgar / Atterberg Murten / Schlosshof u.a. / Tschaikowsky SO 16.8. / 11.00H Prague Philharmonia / Fišer / Pospíšil Kammermusik Janácek / Nielsen / Furer Murten / Schlosshof Zehnder / Hommel / Siegenthaler / Röthlisberger / Mit freundlicher Unterstützung durch: MI 26.8. 21.45H Chenna / Darbellay Sommernachtskonzert Tschaikowsky / Rachmaninow Murten / Franz. Kirche Botvinov SO 16.8. 17.00H Meyriez / Vieux Manoir Im Rahmen des: Vokalmusik Gade / Grieg / Rangs- DO 27.8. 20.00H tröm / Kilpinen / Sibelius Barockkonzert Telemann / Händel / Purcell / Bach Wörner / Bucher De Donatis / Rognoni / Marcocchi / Frezzato / Frey Meyriez / Ref. Kirche Münchenwiler / Schlosskirche DI 18.8. / 20.00H DO 27.8. 20.00H Kammermusik Schumann / Berwald / Brahms Sinfoniekonzert Sibelius / Tschaikowsky Sigfridsson / Gowers / Viersen Filarmonica 900 del Teatro Regio di Torino / Fr, 11. September, 19h30 Murten / Franz. Kirche Blunier / Dimitrova DI 18.8. / 21.45H Murten / Schlosshof GALAKONZERT Sommernachtskonzert Grieg / Stenhammar SA 29.8. 20.00H Papadopoulos / Papadopoulos Sinfoniekonzert Maasz / Brahms / Nielsen Meyriez / Vieux Manoir Filarmonica 900 del Teatro Regio di Torino / Zehnder / MI 19.8. / 20.00H Vincent / Marbot / Perler Bellissimo Serenadenkonzert Roman / Mozart / Kraus Murten / Schlosshof Schlesisches Kammerorches- SO 30.8. 15.00H ter / Zehnder / Papadopoulos Familienkonzert Reinecke / Anderson Murten / Schlosshof Oltean / Bucher / Steiner Andrey Boreyko MI 19.8. 21.45H Murten / Nähe Schiffstation Dirigent Sommernachtskonzert Walhalla SO/DI 30.8. 17.00H duo kirchnermetzger Vokalmusik Nystedt / Parkman / Grieg / Meyriez / Vieux Manoir Joshua Bell Mäntyjärvi / Sibelius / Pärt / Olsson / Sandström DO 20.8. 20.00H Ensemble Cantissimo / Utz / Busch Violine Sinfoniekonzert Gade / Grieg / Mendelssohn Murten / Franz. Kirche Brünner Philharmoniker / Zehnder / Sigfridsson SO 30.8. 19.30H Lalo: Ouvertüre zu «Le roi d’Ys» Murten / Schlosshof Abschlussgala Grieg «Symphonie espagnole» SA 22.8. / 17.00H Filarmonica 900 del Teatro Regio di Torino / offen für neues Klavier und Lichtinstallation Choeur St.Michel de Fribourg / Zehnder / Frauchiger / Dvořák: Symphonie Nr. 9 zum Thema «Nordlicht» / Runtz Savoy / Ziesak / Beseler «Aus der Neuen Welt» Murten / KiB Murten/Schlosshof

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 33 MMusicusic & SSoundsounds

KLASSISCHE MUSIK «Wir lassen uns nicht frozzeln!» - 100 Jahre Atonalität

Von Mariel Kreis Bild: © Arnold Schönberg Center, Wien Überall werden heuer Jubiläen der Meis- nalität nicht mehr möglich ist und die Werke mit einem gemeinsamen Freund erwischt hat. ter klassischer Musik gefeiert: Joseph sehr komplex, dicht und absolut komprimiert Im zweiten Satz verwendet Schönberg deshalb Haydn, Henry Purcell, Felix Mendels- sind. Die dissonante Dimension, in welche die wohl auch die Melodie des Volksliedes «Augus- sohn Bartholdy, Georg Friedrich Hän- Neue Musik eindringt, ist von den gewohnten tin»: «Oh du lieber Augustin, alles ist hin. Geld del. Und irgendwo, vergessen, wartet harmonischen Werken der grossen Spätroman- ist weg, Mädl ist weg, Augustin liegt im Dreck.» tiker weit entfernt. Ab dem 3. Satz stösst eine Sopran-Stimme auch die Atonalität, auf dass sie gefei- Schönbergs Weg in die Atonalität Arnold hinzu. Zu dieser Zeit erhitzt das die Gemüter ert wird. Ihren 100. Geburtstag. Aber Schönberg gilt als musikalischer Autodidakt, er des Publikums ungemein. Der vierte Satz gilt sie wartet wohl vergebens. Sie wartet besuchte nie ein Konservatorium. Keine Einen- als erster atonaler Satz der Musikgeschichte. eigentlich schon seit 100 Jahren ver- gung, kein Drängen in eine bestimmte Rich- Und schon die ersten Worte, die einem Stefan- gebens auf ihre grosse Stunde. Denn tung, keine Indoktrinierung von Professoren. George-Gedicht entspringen, lassen erahnen, restlos begeistern konnte sie nie. Ein Deshalb kann er innovativ und unbeschwert wie das Neue zuschlägt: «Ich fühle Luft von Blick zurück in die skandalträchtigen Neuland erforschen. Doch erst nach einer Bank- anderem Planeten». lehre entscheidet der 21-Jährige, sich ganz der Skandalträchtige Jahre In den Jahren nach Wiener Jahre nach 1900. Musik zu widmen. Sein erstes veröffentlichtes 1907 folgt ein Skandal dem anderen. Ein Kriti- Werk entsteht 1889. Seine frühen Werke sind ker schreibt: «Wenn das überhaupt noch Musik as Wiener Jahrzehnt um 1900 strotzt stark von den Meistern der Spätromantik ge- ist, dann will ich nie wieder welche hören.» D nur so vor Wandel und Aufbruch. Ein anderer empfi ehlt: «Hätten sie In der Literatur provozieren Werke wie doch nur falsch gespielt, dann hät- «Leutnant Gustl» und «Reigen» von Ar- te es vielleicht richtig geklungen.» thur Schnitzler, Maler wie Gustav Klimt, Aber die Uraufführung des zweiten Egon Schiele und Oskar Kokoschka stel- Streichquartetts übertrifft alles an len Tabuthemen wie Sexualität, Homo- bisherigen Skandalen und endet in erotik und Geschlechterkampf in ihren einem beispiellosen Eklat. Das Pu- Werken dar. Und Adolf Loos verursacht blikum ist mit der Brutalität, mit der in Wien mit seiner Fassadengestaltung das Neue auf sie trifft, hemmungslos eines Hauses am Michaelerplatz einen überfordert. Dementsprechend hoch der größten Architekturskandale der ist die Intensität des Protests. Die Geschichte. Zuhörer zischen und pfeifen. Und In der Musik sind es die «jungen rufen gegen die Bühne: «Nicht wei- Wilden», allen voraus Arnold Schön- tersingen! Schluss! Wir haben ge- berg, die mit dem Zusammenbruch nug! Wir lassen uns nicht frozzeln!» der Tonalität und der «Emanzipation Reihenweise verlassen die Zuhörer der Dissonanz» nicht nur das Wiener den Konzertsaal. Und auch die Me- Konzertpublikum aufrütteln. Mit ihrer dien halten sich mit harscher Kritik Musik wollen sie den Zuhörer aus der nicht zurück: «Man glaubte eine ve- Selbstzufriedenheit aufschrecken. Für ritable Katzenmusik zu vernehmen», Schönberg ist es der Zeitpunkt, in dem die To- prägt. Und doch polarisiert er schon seit seinen oder: «Ich habe ihn trotz seiner vielfachen Be- nalität abgenutzt und verbraucht ist und mit Anfängen wie kein anderer. Von seinen Anhän- weise völlig unkünstlerischen Wesens immer der tonalen Musik schon alles gesagt wurde. gern wird er verehrt und bejubelt, von vielen noch für einen geraden Menschen gehalten, So dass alles weitere in seinen Augen nur noch Kritikern zerrissen und gedemütigt. der miserable Musik machen muss, weil ihm klischeehaft wirkt. Schönberg hat einen festen Als wichtigstes Werk für den Übergang von eben keine besser einfällt». Glauben daran, dass aufgrund der musikali- der Tonalität zur Atonalität steht das zweite Doch all diese Skandale hielten ihn nicht schen Entwicklung der Zeitpunkt gekommen Streichquartett von 1908. Als Gattung wählt davon ab, im Jahr 1909 mit den Klavierstücken sei, an dem jemand einen Schritt weitergehen Schönberg ein Streichquartett und wahrt somit op. 11 den begonnenen Weg in die Atonalität muss; er selber sieht sich als auserwählt, die- den Anschluss an die musikalische Tradition. gänzlich zu vollziehen. Dieses Werk geht als sen zu vollstrecken. Die Atonalität erlaubt dem Während der Beginn des Quartetts noch solide erstes vollständig atonales in die Musikge- Komponisten ein Höchstmass an Freiheit, wel- und traditionell, die Tonalität schwebend, also schichte ein. Trotz der scharfen Kritik und der che aber gleichzeitig auch Regellosigkeit mit noch nicht als gänzlich atonal bezeichnet werden Ablehnung des Publikums, die er zeitlebens sich zieht. Die ersten vollständigen atonalen kann, schwenken die weiteren Sätze in das völ- auszuhalten hatte, übt Arnold Schönberg als Werke sind äusserst kurz, vor allem die Instru- lig Neue. Dieses Werk ist seiner Frau Mathilde Erneuerer einen enormen Einfl uss auf die Mu- mentalstücke, da ein klarer Aufbau in der Ato- gewidmet, die er kurz zuvor beim Liebesspiel sik des 20. Jahrhunderts aus.

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RÜCKBLICK: GURTENFESTIVAL TEIL 1 «Wir wollen auf die Hauptbühne»

Interview: Luca D’Alessandro Bild: Mariana Da Cruz / zVg.

Die Berner Elektro-Brazil-Gruppe Da Elektronik, als kalt be- Cruz hat nach ihrem Kurzauftritt im zeichnen? Bamboo-Zelt am Gurtenfestival 2007 Nein, das ist nicht mein heuer den Sprung auf die Waldbühne Anspruch. Die elektroni- geschafft. Sängerin Mariana Da Cruz schen Färbungen sollen Reibungen erzeugen, die und Produzent Ane Hebeisen trotzten nicht passiv gehört, son- den Regenschau(d)ern, welche sich am dern aktiv miterlebt wer- Freitagnachmittag während des Kon- den können. Mir ist es zerts über die rund 200 Besucherin- wichtig, dass die Songs nen und Besucher ergossen. den momentanen Zeitgeist überdauern. Und dazu bedarf es gewagter Mittel. erneut Zweikämpfe gefochten, zum Beispiel um uf dem Programm standen temperament- Ich will vermeiden, eine Tonspur zu hinterlegen, dessen Inhalt. A volle Songs aus der aktuellen CD «Corpo die ich nach drei Jahren selber nicht mehr hören Ane Hebeisen: Wir tüfteln, probieren und Elétrico» – und Lieder, die vermutlich auf der kann. Das Ganze muss etwas hergeben. achten auf die Reaktion des Publikums. Heute nächsten, inzwischen dritten CD einen Platz Kommt es heute bereits vor, dass du dir beim auf der Waldbühne haben wir bereits fünf Lie- einnehmen werden. Laut Da-Cruz-Gründer und Hören des Débuts «Nova Estação» stellenweise der gespielt, die für die nächste Produktion in Produzent Ane Hebeisen dürfte diese ein biss- die Ohren zuhältst? Frage kommen könnten. Wir haben die Dynamik chen härter und experimentierfreudiger ausfal- Zum Glück nicht! (lacht) Gerade gestern be- und die Reaktion der Zuhörerinnen und Zuhörer len. Das Ziel ist klar – wenn auch nicht ganz kam ich eine Anfrage aus den Vereinigten Staa- beobachtet und uns ein Bild darüber gemacht, Ernst gemeint: «Wir wollen auf die Hauptbüh- ten: CBS möchte eines unserer Stücke in einem ob diese Lieder tatsächlich ankommen könnten. ne.» Jingle in einer Fernsehsendung einsetzen. Das Zugegeben, die Tracks sind doch etwas härter ensuite - kulturmagazin nahm im Anschluss freut mich ausserordentlich und beweist, dass als die bisherigen. Vermutlich wird die dritte an das Konzert – gemeinsam mit Ane Hebeisen die Lieder unseres Débuts noch heute hörens- CD auch so ausfallen. und Mariana Da Cruz – den Backstage-Bereich wert sind. Und dessen scheint sich Chris Franck, Und wen werdet ihr dieses Mal als Gastsän- in Augenschein. Urheber der britischen Brazil-Formation Da ger oder Gastmusiker haben? ensuite - kulturmagazin: Ane Hebeisen, Lata, bewusst zu sein. Das Lied «Zumbi» auf der Es gibt mehrere Kandidaten, die ich auf un- es gibt Leute, die auf den Backstage-Bereich aktuellen CD hat er massgeblich mitgeprägt. serer CD sähe. Freilich wissen sie noch nichts abfahren. Wenn man sich so umsieht, gibt es Mariana Da Cruz: Ja, und darüber sind wir von ihrem Glück: Der nigerianische Schlagzeu- ausser Wohncontainern, Bronco-Security-Agen- sehr stolz. Wenn man bedenkt, dass die Kon- ger und Komponist Tony Allen soll schon bald ten und Offroadern nicht viel zu sehen. taktaufnahme über das Myspace-Portal erfolgt nach Bern kommen. Wer weiss, vielleicht lässt Ane Hebeisen: Ja, viel wird einem hier nicht ist, können wir eigentlich von Zufall reden, dass er sich für eine Kooperation gewinnen. Ein wei- geboten. Die echte Party fi ndet auf und vor der es zu dieser Zusammenarbeit gekommen ist. terer Gigant ist der österreichische Produzent Bühne statt… Chris hat sich ein paar unserer Lieder angehört Stereotyp, den wir am letztjährigen Radio-RaBe- …und auf eurer CD «Corpo Elétrico»: Einzelne und uns gefragt, ob er eines davon für einen Fest im Gaskessel auf der Bühne erleben durf- Titel sind Partyknüller und mit einem sehr dich- Da-Lata-Remix herauspicken dürfe. Selbstver- ten. Am Rande dieses Konzerts haben wir lange ten Instrumentarium gesegnet. «Rosa Brasilei- ständlich haben wir ihm die Erlaubnis gegeben; mit ihm gesprochen; kürzlich kam er sogar an ra» zum Beispiel ist gespickt mit Perkussions- einem Produzenten wie Chris Franck ein eige- unser Konzert in Wien. Schliesslich bastle ich elementen und Klängen der Choro-Tradition nes Lied anzuvertrauen, ist eine grosse Ehre. an euro-amerikanischen Klängen herum, aller- Brasiliens. Nach einer Weile sandte er uns seine Vision dings tönen diese eher nach «deutsch-amerika- «Rosa Brasileira» ist das Resultat unserer von «Zumbi» zurück. Sein Vorschlag gefi el uns nischer Freundschaft» als nach brasilianischer erlebnisreichen Tournee durch Brasilien. Im sehr gut, trotzdem konnten wir diesen nicht so Musik. Stück fallen jene Erfahrungen und Inspiratio- stehen lassen: Das Ganze war zu technoid für Hat dies womöglich mit US-Präsident Barack nen zusammen, die wir mit den Menschen vor unseren Geschmack. Wir haben uns erlaubt, Obama zu tun? Ort erlebt und gesammelt haben. Das Ganze seine Version einer Generalüberholung zu un- (lacht) Nein, gar nicht. Wir tasten uns in alle vermengt sich mit meinen Ideen, also jenen aus terziehen. Es war ein regelrechter Zweikampf Richtungen vor – wohin uns der Instinkt ver- der Elektronik-Sparte, und der Stimme Maria- zwischen uns und Da Lata, weshalb wir den schlagen wird, ist noch nicht fühlbar. Ihr werdet nas. Sie bringt das menschliche Element hinein: Liedtitel mit dem Kürzel «vs.» (versus, Anm. d. es aber schon bald hören. die Wärme. Red.) ergänzt haben. Folglich würdest du deine Rolle, sprich die Vermutlich werden um das nächste Album Infos: www.dacruzmusic.com

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 35 MMusicusic & SSoundsounds

RÜCKBLICK GURTENFESTIVAL 2009 TEIL 2 Galaktischer Atompilz auf dem Gurten

Von Melania Loforti Bild: Röyksopp total / zVg.

er Auftritt der norwegischen Elektro-Pop- D Formation Röyksopp hat am Donnerstag die Zeltbühne des Gurtenfestivals sprichwörtlich in eine Galaxie verwandelt. Die Musik war er- greifend, düster und dennoch melodisch. ensuite - kulturmagazin hat im Vorfeld an das Konzert mit dem Röyskopp Svein Berge über das neue Album «Junior» gesprochen: «Es ist eine Hommage an die grossen Meister der elektronischen Musik, die Inspiration jedoch kommt von der Musik der 1980er-Jahre.» Im Gespräch erläuterte Svein sei- ne Vorliebe für eingängige Melodien. «Das neue Album ist stark von Lyrics geprägt. Ein zentrales Element ist die ständige Wiederholung der Beats, was die Zuhörer immer wieder zum Tanzen an- treibt.» Svein Berge und sein Kollege Torbjørn Brundt- land stehen ungern im Mittelpunkt; auch auf der Zeltbühne waren sie hinter einer dichten Rauch- immeridibidQköfiEff die beiden Querköpfe einen Entwurf auf singendei d EEule l auf f dder BühBühne. SSchnell h ll war klklar, wolke nicht leicht zu erkennen. Vermutlich sollte dem Laptop speichern, denken sie sich ausge- dass die blonde Frontsängerin dahintersteckte. diese Wolke einen Atompilz darstellen. Nahelie- fallene Namen aus, wie etwa Roasted Frog oder Ihre hohe, elfenhafte Stimme verbreitete einen gend, zumal der Name des Duos darauf hindeutet. eben Röyksopp. zusätzlichen kosmischen Groove. Das Publikum Sie sind bekannt für provokative Namen; wann Als der Nebel sich lichtete, stand plötzlich eine war hingerissen, die Stimmung megagalaktisch, alle waren «Happy up there!».

Ausschreibung Förderakzent für Berner Musiklabels 2010 bis 2012 GURTEN-NOTES Das Amt für Kultur und die kantonale Musikkommission schreiben den neuen Dreijahres-För- derakzent des Kantons Bern für Berner Musiklabels, Musikplattformen und Musikverlage aus. Kings Of Leon amused Unterstützt werden können unabhängige Musiklabels aller musikalischen Stilrichtungen, die Euphorisch wurde das Gurtenpu- einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung von innovativer Musik im Kanton Bern leisten; sei blikum beim Auftritt des US-ameri- es durch CD-/LP-/DVD-Releases, durch Online-Portale oder durch anderweitige Publikationen. kanischen Rock-Quartetts Kings Of Gefördert werden überzeugende Projekte in den Bereichen Programm, Promotion, Distribution Leon. «Ihr Auftritt ist mit Abstand und/oder Serviceleistungen für Musikschaffende. Geplant ist die Unterstützung von vier bis besser als jede ihrer CDs», beteuerte fünf ausgewählten Berner Musiklabels mit projektgebundenen Jahresbeiträgen von CHF 20’000 eine sichtlich begeisterte Gurtengän- bis 30’000 pro Label im Zeitraum von ein bis drei Jahren (2010 bis 2012). Die Bewerbungsbe- gerin. Der Auftritt der vier Könige war dingungen sind auf der Website des Amtes für Kultur verfügbar unter www.erz.be.ch/kultur. nebst dem Konzert von Franz Ferdi- Eingabefrist ist Montag, 12. Oktober 2009. nand und jenem von Patent Ochsner am besten besucht. (ml) Programme d’encouragement des labels de musique bernois de 2010 à 2012 L’Offi ce de la culture et la Commission cantonale de musique mettent au concours le nouveau Wurzel 5 – Letztes Mal programme triennal d’encouragement du canton de Berne destiné à des labels de musique, Das Schlusskonzert der Berner plates-formes et éditions musicales bernois. Le programme s’adresse à des labels de musique Rapper Wurzel 5 war eine Wucht, das indépendants de tout genre musical qui apportent une contribution considérable à la promotion Publikum vor der Waldbühne beein- de musique innovante dans le canton de Berne ; p. ex. grâce à leurs éditions de CD/LP/DVD, druckt. Die Instrumentalisten spielten leurs plates-formes de téléchargement ou leurs publications via d’autres canaux. Sont soutenus auf bemerkenswert hohem Niveau. Die les projets convaincants dans les domaines des programmes, de la promotion, de la distribution Rapper verabschiedeten sich mehr- et/ou des prestations aux musiciens. Quatre ou cinq labels de musique bernois sélectionnés mals dankend bei den Fans und wa- bénéfi cieront chacun d’une subvention annuelle de 20 000 à 30 000 francs liée à leur projet, ren sichtlich erfreut über den Beifall. et ce sur une durée de un à trois ans (2010 jusqu’à 2012). Les conditions de candidature sont Zwölf Jahre standen sie gemeinsam proposées sur le site Internet de l’Offi ce de la culture à l’adresse www.erz.be.ch/culture. Le délai auf der Bühne, nun gehen sie neue de remise des dossiers est fi xé au lundi 12 octobre 2009. Wege. (ml)

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RÜCKBLICK GURTENFESTIVAL TEIL 3 «Ich bin mit dem Gurten verheiratet»

Interview: Luca D’Alessandro Bild: zVg.

Die Scheibe fl iegt von alleine: «Like ensuite - kulturmagazin: Seven, «Like a Ro- Soulsänger. Ist dieses Genre traditionsgemäss A Rocket» braucht keine mediale cket» titelt dein Album, welches – so könnte nicht einer älteren, gestandenen Generation Schubkraft. «Dies, weil ich in den ver- man vermuten – im Widerspruch zum Vorgän- vorbehalten? gangenen Jahren meiner Linie stets geralbum «Home» steht. Bist du aus deiner ver- Das stimmt nur bedingt. In der gegenwär- trauten Umgebung ausgebrochen? treu geblieben bin», sagt dessen Urhe- tig kantigen und schnelllebigen Facebook- und Seven: Ja, in gewisser Hinsicht verspürte Twitter-Ära wird der Ruf nach feiner Musik im- ber, der Aargauer Soulman Seven. ich dieses Bedürfnis. Kurz vor der Fertigstel- mer lauter. Die Leute verlangen nach Wärme. lung meines Vorgängeralbums «Home2 war ich Das belegen die zahlreichen Auftritte, die ich r versteht sein Handwerk: Auf dem Gur- neun Monate in den Vereinigten Staaten allei- dieses Jahr hatte und noch haben werde: Sieb- E ten hat Seven eine tadellose Performance ne unterwegs. Es war eine erlebnisreiche Zeit zig an der Zahl. Man stelle sich das mal vor. Die abgeliefert. Auch die CD passt in dieses Bild und fast täglich traf ich auf neue Menschen. Nachfrage ist beachtlich. Beim Soul kommt es – die Featurings mit Omar, Beverley Knight, Mir wurde bald einmal klar, dass ich doch so also nicht auf das Alter an, sondern auf die Her- US-Rapper AMG und Talib Kweli sprechen für einiges von meinem Zuhause vermisse. Als Re- zenswärme, die sich damit transportieren lässt. sich; genauso die Mitarbeit des legendären Lar- aktion darauf begann ich mir ein musikalisches Als Sänger musst du ein Mensch sein, der sei- ry Gold aus Philadelphia, der für gewöhnlich Daheim einzurichten. Denn mit der Musik kann nen Alltag und sein Umfeld intensiv lebt und er- mit Künstlern wie Common, Erykah Badu oder man sich, egal wo man sich befi ndet, jederzeit lebt. Wer ein dickes Tagebuch führt, ist prädes- Alicia Keys arbeitet. Gleichwohl darf das Album die eigenen vier Wände aufbauen. Nach meiner tiniert für den Soul. Soulsänger sind Menschen, als Schweizer Produkt bezeichnet werden, nicht Rückkehr aus den Vereinigten Staaten brachte die sammeln; sie bewahren jede Erinnerung und zuletzt wegen der engen Zusammenarbeit mit ich dieses im Ausland entstandene Zuhause auf jedes Foto auf, und speichern das Ganze in ihrer Philipp Schweidler und Flo Göetze. Die beiden Platte. Mit dem letzten Album «Like A Rocket» Musik. Musiker und Produzenten haben im Wesentli- habe ich versucht, mich von «Home» wieder ab- Prinzipiell ist der Mensch auf Erinnerungen chen dazu beigetragen, dass Seven zum fünften zulösen. Dafür habe ich Philipp Schweidler und angewiesen. Dieser Faktor begünstigt den Ver- Mal durchstarten kann. Flo Göetze an meine Seite genommen. Die Pro- kauf einer CD. Am Rande des Auftritts vom 19. Juli auf der duktionsarbeit dauerte neun Monate. Am Ende Eine CD zu produzieren, nur um sie dann in Hauptbühne des Gurtenfestivals hat Seven dem dieser «Schwangerschaft» haben wir das Baby grossen Mengen absetzen zu können, das kann ensuite - kulturmagazin ein paar Minuten ge- auf die Welt gebracht. Wir waren stets zu dritt nicht die Zukunft der Musikindustrie sein. Als widmet. Ein Gespräch über gestandene Soul- unterwegs, von der ersten Idee über das Aussu- Musiker habe ich sowohl Spass an Grosskonzer- sänger, gestrandete Formatradios und die stan- chen der Musiker bis hin zur CD-Pressung. ten, als auch an kleinen Events. Es zählt die Lie- desamtliche Bindung mit dem Gurten. «Hä?!» Du bist sehr jung, auf dem europäischen be zur Musik und die Leidenschaft zu dem, was Weiterlesen. Musikmarkt jedoch längst nicht der jüngste man aus der Musik macht – nicht der Verkauf

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 37 MMusicusic & SSoundsounds der CDs. Wenn die Zuhörerinnen und Zuhörer treiben. In der Schweiz wäre das nicht denkbar. Unterstützt durch das Management habe ich nach einem gemeinsam erlebten Event dann Trotzdem wird deine Musik auf diversen eine Anfrage gestartet. Beide willigten ein, das trotzdem meine CD kaufen und sich an unsere Formatradios gespielt. Ganze war sehr unkompliziert. Die Aufnahmen gemeinsam verbrachten Augenblicke erinnern, In den letzten Jahren habe ich zu den Schwei- mit Beverley Knight haben in London stattge- ist mein Ziel als Musiker erreicht. zer Radios eine sehr enge Beziehung aufgebaut. funden. Die Vocal-Passagen haben wir sozusa- Die Radiolandschaft in der Schweiz scheint Unter anderem deshalb, weil ich in konstantem gen gleichzeitig eingespielt, also nicht zeitlich diese Art der Erinnerung nicht zu fördern. Rhythmus neue CDs herausbringe. Ich habe versetzt. Das war mitunter mein Wunsch, mir Die Playlisten bieten nur wenig Platz für neue meinen Leitfaden, mein Konzept «Seven» nie war es wichtig, Beverley während des Singens Trends. Mit dieser zum Teil sehr spärlichen Mu- losgelassen, im Gegenteil: Ich habe Videos pro- zu spüren. Hätten wir die Aufnahmen versetzt sikauswahl lassen sich kaum Erinnerungen an duziert und Konzerte gegeben. Plötzlich war ich gemacht, wäre der Song nicht so herausgekom- bestimmte Lieder knüpfen, es sei denn, eines im Gespräch. Als Musiker ist es wichtig, dass du men, wie er heute auf der CD zu hören ist. Ja, dieser neuen Lieder schafft den Sprung in die einen Status hältst. Du darfst dich nie zu früh an dieses Erlebnis werde ich mich noch lange Rotation. Geschieht das nicht, bist du als Mu- auf deinen Lorbeeren ausruhen. erinnern… siker in der Radiolandschaft nicht existent und Kommt es vor, dass du vereinzelt Lieder be- …vermutlich auch an den Gurten. folglich auf Konzertauftritte angewiesen. wusst radiotauglich machst? Natürlich. Stell dir vor: Du stehst auf der In der Schweiz befi nden wir uns diesbe- Nein, das tue ich nicht. Während der Pro- Hauptbühne und siehst, wie sich der riesige züglich tatsächlich in einer schwierigen Lage. duktion eines Stücks verschwende ich keine Platz davor allmählich füllt. Aus den anfängli- Willst du als Musiker ein Nischenprodukt an- Sekunde an die Spielbarkeit in Radios. Fängst chen fünfzig Personen werden es hundert, tau- bieten, brauchst du ein Nischenradio. Fakt ist, du damit an, verschwendest du ungemein viel send und immer mehr. Das ist ein gewaltiges dass die meisten Radios in der Schweiz sich künstlerisches Gedankengut. Erst wenn die Gefühl – besonders dann, wenn man sich zum entscheiden müssen, ob sie auf die Hitparaden- Platte steht, setze ich mich mit meinem Team Gurten dermassen hingezogen fühlt, wie ich Schiene setzen oder sich ausschliesslich auf ein an einen Tisch. Dabei eruieren wir, welches der das tue. Ich bin mit dem Gurten verheiratet. Ich bestimmtes Nischenprodukt ausrichten sollen. vorhandenen Lieder am ehesten in ein Lokal- habe eine enge Bindung zu ihm. Eine Mischung aus beidem, das funktioniert oder gar in ein Nationalradio passen könnte. leider nicht. Wir brauchen nur über die Landes- In «Like A Rocket» bietest du zahlreiche Die nächsten Konzerte von Seven grenzen hinaus zu schauen: In Deutschland zum Featurings an, unter anderem mit Omar und Be- 11.08.: Summer Sounds, Kaufl euten, Zürich Beispiel gibt es ein Rock-Radio, ein Reggae-Ra- verley Knight. Beide sind sie im R&B und Soul 19.08.: Winterthurer Musikfestwochen dio, was auch immer. Da lohnt es sich, aufgrund fest etabliert. Wie kam es zu dieser Zusammen- 21.08.: Moonlight, Niederried bei Kallnach der Grösse des Landes, ein Spartenradio zu be- arbeit? Infos: www.sevensoul.ch

RadelPeter finger 1877–1959

ZEICHNUNGEN UND ANIMATIONEN

schweige schweige „Trinkt, o Augen...“ Eine Ausstellung der Carl-Albert-Loosli-Gesellschaft der Ausstellung Eine in Literaturarchiv Schweizerischen dem mit Zusammenarbeit Nationalbibliothek Schweizerischen der www.palma3.ch Informationen: weitere Ich nicht! Carl Albert Loosli Schriftsteller Mai15. bis 30. August 2009 Schweizerische Nationalbibliothek, Bern Director‘s Choice Schweizer Landschaft von 1800 bis 1900 12.7. – 4.10.2009

HODLERSTRASSE 8 – 12 CH-3000 BERN 7 Bern, Allmend DI 10H – 21H, MI-SO 10H – 17H 13. bis 26. August [email protected] WWW.KUNSTMUSEUMBERN.CH www.knie.ch

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SZENE BERN Joy Frempong

Von Ruth Kofmel Bild: zVg.

Gesehen und gehört habe ich Joy Frem- te, fand sie oft desillusionierend und ernüch- umzusetzen, auch wenn sie unter anderem fest- pong zum ersten Mal im Dachstock in ternd. Vielleicht war es für Joy auch einfach nicht hält, dass dies keine fetten Sounds seien, dass die Bern an der Filewile-Plattentaufe - ich genug. Sie ist sicher keine Interpretin, sie ist eine Umsetzung für die Bühne noch in der Experimen- war uneingeschränkt einverstanden; Macherin, ein Hans Dampf, wie sie sagt. Ihre ver- tierphase steckt und dass sie sich gut vorstellen mit ihrem Gesang, ihrer Art, ihrer Prä- schiedenen Projekte lassen einen nur schon beim kann, dann doch wieder Leute dazu zu holen. Aufzählen atemlos zurück. Sie singt und spielt in: In der Tat sind ihre Klänge eher minimalis- senz. Lauschangriff, Stade vs. Infi nite Livez, Phall Pha- tische Skizzen, noch nicht ganz ausgemalt. Es tale und Filewile. Die musikalische Ausrichtung hat von allem etwas, viele Stile sind durchein- ber wo fange ich an, wenn ich diese Frau dieser Bands ist grundverschieden, gemeinsam andergewirbelt. Joy Frempong mutet uns zu, in A beschreiben soll? Wie sie gross, mit ist ihnen die Sängerin. Und diese fi ndet es ganz ihr weites musikalisches Spektrum einzutauchen grossem Haar und farbigen Turnschuhen, anders natürlich, zwischen Free Jazz, Jazz, Rock, Pop, und uns nicht von einem einzigen Sound einlul- als die anderen, am Bahnhof steht? Wie mich Dub, Experimenteller Musik und Elektronik hin len zu lassen. Als roter Faden dienen die Texte, ihre extrem schüchterne und dann wieder ab- und her zu wechseln. Sie geniesst dieses enorme diese erzählen kleine Geschichten, basierend solut selbstbewusste Art verblüfft und sie dazu Spektrum, so kann sie ihre vielseitigen musikali- auf gesammelten Kindheitserinnerungen aus lakonisch meint: «Ich glaube, das ist einfach schen Interessen ausleben und in den verschie- Joys Umfeld. In der Live-Umsetzung dürfte die- ein komischer Mix.» Manchmal ist ihr diese Mi- densten Jagdgründen wildern. ser Erzählstrang äusserst spannend sein und es schung hinderlich bei ihrem Tun, wenn sie zum So sehr sie offensichtlich den Austausch dem Zuhörer leicht machen, dem Wechselspiel Beispiel auf der Bühne die Frontfrau geben soll. mit anderen Klangtüftlern liebt, überkam sie der Klänge zu folgen. Und falls dem nicht so sein Andererseits scheint sie sich damit versöhnt, ih- trotzdem die Lust auf etwas ganz eigenes, eine sollte, darf man getrost auf Joy Frempongs un- ren Umgang damit gefunden zu haben. Ihre prak- selbsterbaute Welt, und so hat sie nun unter dem glaublich wandelbare Stimme setzen, die ihren tische Lösung für die Bühne ist ein Sampler, der Namen Oy ihr Soloprojekt lanciert. Ihre Kompo- Zauber - wie auch immer - tun wird. gleichzeitig sie vom Publikum und das Publikum sitionen aus Gesang und Elektronik sind dieses Diese Stimme ist vielleicht der Schlüssel dazu, von ihr ablenkt - ihr also mehr Schutz bietet als Jahr auf verschiedenen Schweizer Bühnen und Joy in ihre Universen folgen zu können. Sie ist so ein krümeliges Mikrofon. nächstes Jahr auf CD zu hören. Für sie selbst ist verwirrend vielseitig. Es gibt die experimentelle Vor rund fünf Jahren schloss sie an der Jazz- es die Wiederentdeckung und Verwirklichung Stimme; verspielt, effektvoll und theatral. Und schule in Bern ihre Ausbildung als Sängerin ab. eines fast vergessenen Traums, denn schon vor es gibt die grosse Jazz-Stimme. Joy Frempong Diese Legitimation habe ihr geholfen, sonst hätte mehr als zehn Jahren hat sie sich einen Samp- hat nicht eine Stimme, sie hat viele und weiss sie sich vielleicht nicht getraut, diesem Wunsch ler gekauft, mit der Idee, ihre eigenen Stücke zu diese einzusetzen, ähnlich verschiedener Instru- nachzugehen. Vermisst hat sie die Förderung ih- produzieren. Die Tatsache, dass es immer andere mente. Eine der Stimmen, die sie noch etwas im rer kreativen und freien Seiten. Dass die Schule gibt, die es besser können, hat sie aber lange da- Versteckten hält, auch aus Selbstschutz, wie sie einem zwar das Handwerk beibringt, es in einen von abgehalten, sich diesem Projekt ernsthafter sagt, mag ich besonders. Sie ist inspiriert von ei- Rahmen von richtig und falsch spannt, es dane- zuzuwenden und damit an die Öffentlichkeit zu ner der überragenden Jazz-Sängerinnen, ohne ihr ben aber auch verpasst, das Finden und Bilden treten. Nicht, dass es ihr an Selbstkritik mangelt, nachzueifern, versprüht sie einen ähnlich herben einer Künstler-Persönlichkeit zu fördern. Immer eher im Gegenteil. Trotzdem hat sie beschlossen, Charme - schwer zu widerstehen. mit dem konfrontiert zu sein, was sie nicht konn- da anzusetzen, wo sie momentan steht, ihre Ideen

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 39 MMusicusic & SSoundsounds

ROCKABILLY-SZENE «Mir erschien der Teufel» Beat «Beat-Man» Zeller – der «Blues-Trash-Preacher» im Porträt

Von Pascal Mülchi Bild: Der Reverend / Foto: Pascal Mülchi

Ob als Sänger der Band The Monsters, sette unter dem Namen «Taeb Zerfall» auf. Wegs und als Kontrast zum Teufel gesehen als Chef des Voodoo-Rhythm-Labels Mitte der 1980er springt er auf die Psycho- hat. «All meine Lasten fl ogen davon, ich fühlte oder als One-Man-Band Reverend Beat- billy-Welle auf und gründet mit The Monsters mich befreit und vieles wurde mir klar.» Man: Der 41-jährige Beat «Beat-Man» seine erste Band. Seine Begeisterung gilt der Als One-Man-Band – er spielt gleichzeitig Zeller geniesst in der Rock’n’Roll-Un- rebellischen Musik der 1950er und seiner Iko- Gitarre und ein simples Schlagzeug – zeleb- ne Hasil Atkins. 1992 ruft der Berner Voodoo riert er die erworbene Ungezwungenheit. Sei- derground-Szene Kultstatus. Rhythm ins Leben. Das Label bezeichnet er ne Show ist eine Art Performance-Kunst. Ein heute als sein Lebenswerk. Dann tourt er als Theater. Er erzählt, spielt ein paar Akkorde, er Refrain seines komisch-surrealen, Lightning Beat-Man mit einer Wrestling-Show macht Pausen, steht auf, erzählt wieder. Kurz: D autobiografi sch angehauchten Songs durch die Welt. Die Solonummer begeistert, «The Beat-Man Way» ist eindringlich: Da ist die internationale Rock’n’Roll-Underground- ein Mann am Werk, der seinen Weg trotz aller Szene ist fasziniert. Bis er sich den Rücken Widerstände und Hürden konsequent sucht. bricht und seine Stimme «verliert». «Hey, «I don’t give a fuck, Und fi ndet. Ursprünglich als Comic-Charakter- ich bin kein Iggy Pop, sagte ich mir damals.» I just wanna go fi gur ins Leben gerufen, wird Beat Zeller seit Denn selbst zerstören wollte er sich nicht. So dem 13. Lebensjahr von allen nur noch Beat- ernannte er sich zum Reverend, zum Reve- the Beat-Man-Way!» Man genannt, sogar von seiner Grossmutter. rend Beat-Man. Seither, das war 1999, predigt Als Batman-Fan kreierte er das Wortspiel. Der er: Den Beat-Man-Way. er macht, was ihm grad so passt. «Du kannst Anti-Held war geboren. Schuhtritte in die Eier «Am wichtigsten machen, was du willst, und dabei völlig ab- Selbsternannter Prediger Angefangen hat ist, auf seinem Weg die Augen offen zu hal- gehen.» Als eigentliche «Aussenseiter-Musik» alles mit einer skurrilen Begegnung mit eben ten und zu laufen, anstatt sitzen zu bleiben bezeichnet er sein Tun, das ihm 2007 einen diesen 13 Lenzen. «Mir erschien der Teufel», und die Augen zu verschliessen», erklärt der lokalen Anerkennungspreis der Stadt Bern sagt Beat-Man mit ernster Miene. Dieser habe 41-Jährige. Mit dem eigenen, grundfesten eingebracht hat. In seinen Songs themati- ihm gesagt, er solle seinen Traum verwirkli- Glauben ist er überzeugt, alles erreichen zu siert er den Tod, Gott und die (verlorene) Lie- chen und ein berühmter Musiker werden. Er können. Denn: «Jeder kann glauben!» Der be. Seine Musik nennt er Blues Trash. Blues käme dann wieder, meinte er. Und tatsächlich. Mann mit nur noch vereinzelten Haaren auf Trash? «Das ist Blues, der dir wie ein Schuh Er kam. Beat Zeller verkaufte ihm aber nicht dem Kopf, leicht krummer Nase und eindring- in die Eier schlägt», erwidert er. Und beginnt seine Seele. Nein. Er wählte die helle Seite der lichem Blick erzählt all dies ganz gelassen und inbrünstig zu lachen. Macht. «Ich sagte ihm, dass ich meinen eige- unkompliziert. Als wäre es eine Trivialität. Er will kein Schaf sein Der Beat-Man-Way nen Weg gehen will.» Seither sei er nie mehr Der eingeschlagene Weg ist zu einer Mission ist ein ganz eigenwilliger. Auf der Bühne gekommen. geworden. Auch, weil er mit 30 Jahren «das kracht es. Daneben sei er aber «ganz easy und Alsbald nimmt Beat Zeller seine erste Kas- Licht» als Bestätigung des eingeschlagenen sozial» drauf. «Eigentlich bin ich nicht so, wie

VOODOO RHYTHM anlasste. Dank zahlreicher Eingänge, der der Hard- und Software ersetzt. Ausserdem unglaublichen Loyalität seitens der Fans – und das ist hoch erfreulich – ermöglicht RECORDS IST und auch der Presse sowie zahlreichen Be- der Überschuss vorerst gleiche oder zumin- nefi z-Veranstaltungen kamen circa 46’000 dest ähnliche Deals (Gratisexemplare plus GERETTET! CHF zusammen. Und: Infolge Entgegenkom- günstige Selbsteinkäufe der Tonträger) wie men der SUISA und damit verminderten For- vorher für die Bands. Das heisst, Voodoo ach mehreren Gesprächen mit der derungen bleibt nun gar ein Überschuss von Rhythm wird auch künftig in der Lage sein, N SUISA (Schweizerische Gesellschaft circa 20’000 CHF. Voodoo Rhythm Bands, Underground-Musik zu veröffentlichen. Re- für die Rechte der Urheber musikalischer die Geld zur Unterstützung überwiesen ha- verend Beat-Man alias Beat Zeller befi ndet Werke) konnte eine gute Lösung für alle Be- ben, bekommen dieses zurück (circa 4’000 sich derzeit auf US-Tour. (pm) teiligten gefunden werden. Zur Erinnerung: CHF). Ein grosser, noch unbekannter Betrag, Zur Person Beat Zeller (41) ist in Hin- Im Januar 2009 fl atterte eine Rechnung von wird in dringend benötigte Infrastruktur terkappelen bei Bern aufgewachsen. Der rund 42’000 CHF für ausgebliebene Urhe- fl iessen. Der Beat-Man-Way der Verwaltung gelernte Elektromonteur und –zeichner ist berrechtszahlungen ins Haus, die Beat-Man wird damit aufgeweicht und durch eine zweifacher Vater und geschieden. Seit dem zu Hilfeschreien und Spendenaufrufen ver- ordentliche Buchführung mit entsprechen- 13. Lebensjahr ist Musik sein Leben.

40 ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 MMusicusic & SSoundsounds Bild: Beat-Man: «Ich muss selber herausfi nden wer ich bin, was ich tun will und warum ich es tun will.»

es auf der Bühne aussieht.» Als allein erzie- hender Vater kümmert er sich tagtäglich um seinen Sohn. Sein zweites Kind lebt in Los Angeles. So wild und absurd oder gar sata- nistisch wie an seinen Konzerten wird es da kaum zu und her gehen. Denn seine «Jesus-Freak»-Predigten ste- cken voller Ironie. Nur eine dumme Belusti- gung will er nicht dahinter sehen. Es sei schon viel mehr. «Es geht um deine eigene Freiheit in dir drin, darum, dass du den Respekt vor dir wieder fi ndest.» Das Bild und Wesen der Kirche in den 1970ern hat ihn stark geprägt: «Als ich aufwuchs hat die Kirche immer von oben nach unten auf dich gezeigt.» Dem hat die Kultfi gur abgeschworen. Er will keine An- leitung, kein Schaf sein. «Ich muss selber he- rausfi nden, wer ich bin, was ich tun will und warum ich es tun will.» «Man muss mich suchen» Für Mighty Mike von den Juke Joint Pimps, einer Voodoo- Rhythm-Band, ist die Stageshow von Reve- rend Beat-Man «pure Blasphemie», aber «total genial». In den Augen der Folk-Band The Dead Brothers sollte der Begräbnis-Kappellen-Pre- diger ein Nationalheld sein. «Uns stört, dass er ausser im Underground keine grosse Persön- lichkeit ist.» Vielleicht wird sich das ja bald ändern: Beat-Man plant ein «Voodoo Rhythm» in America. Dazu will er sich in den Staaten niederlassen. «Wie das genau aussehen soll, steht aber noch in den Sternen», sinniert er. Bei seinem Label hat Beat Zeller bislang rund 30 Retrocombos aus aller Welt ver- öffentlicht. Absurde Musikbezeichnungen sind Programm, wobei der Schwerpunkt bei Rockabilly, Garage und Rock’n’Roll liegt. Es sind dies alles Bands, die seine Philosophie verkörpern: Sie suchen diejenige Musik, die in ihnen steckt. Und wohl auch in Beat-Man und seinem Label, das auf diesem Grundsatz aufgebaut ist: «Man muss mich suchen. Die Musik soll einem nicht unter die Nase gebun- den werden.» Halt ganz nach dem Beat-Man- Way: «I don’t give a fuck, I just wanna go the Beat-Man-Way!»

Infos: www.voodoorhythm.com

41 KKinoino & FFilmilm

The Hurt Locker

Von Sonja Wenger Bild: zVg.

in falscher Tritt im schwerfälligen Schutz- cialist Owen Eldridge (Brian Geraghty) hat noch kann selber entscheiden. E anzug, eine fatale Entscheidung zwischen 38 Tage vor sich, bis es abgelöst wird. Doch ge- Die Charaktere sind dann auch keine bal- verschiedenen Zündern, ein schlechter Tag des rade bei einem überschaubaren Routine-Einsatz lernden Haudegen, sondern Soldaten, die sehr Schicksals: Kaum jemand ist dem Tod, und des- stirbt ihr Vorgesetzter. Sandborn und Eldridge wohl wissen, welche Folgen ihre Handlungen halb auch dem Leben, so nahe wie die Männer fühlen sich beide verantwortlich für seinen Tod. haben. Dabei gilt es besonders, die ausserge- und Frauen von Bombenentschärfungskomman- Das Erlebnis scheint ihre letzten Kraftreserven wöhnliche Leistung von Renner hervorzuheben, dos. in diesem nervenaufreibenden Job verbraucht der Sergeant James mit einer solch furchtlosen Besonders der Munitionsräumdienst (EOD) zu haben, doch für Trauer ist wenig Raum. Dass Einfachheit verkörpert, dass man vergisst, einem der US-Armee im Irak ist täglich mit den schmut- ihr neuer Vorgesetzter Sergeant William James Schauspieler bei der Arbeit zuzusehen. Inmitten zigsten Waffen und Methoden konfrontiert, die (Jeremy Renner) auf den ersten Blick wie ein des schieren Wahnsinns sieht seine Rolle die ein ungleicher Krieg hervorbringt. Seien es Gra- rücksichtsloser Draufgänger und Eigenbrötler tägliche Bedrohung als Routine, bestenfalls als naten, die unter einem Stapel Müll verborgen erscheint, erleichtert ihnen die Sache nicht. In sportliche Herausforderung. Die wahre Absurdi- oder vor einer Moschee vergraben sind. Sei es einem Metier, das keine Fehler verzeiht und in tät im Leben eines Soldaten kann sich nämlich ein Kofferraum voller Sprengstoff mit giganti- dem Teamarbeit über Leben und Tod entschei- auch anders zeigen. schem Zerstörungspotenzial, hinterhältig verka- den kann, stossen James Eigenarten auf Unver- Zwar ist der Film weit davon entfernt, die belte Sprengkörper oder menschliche Bomben: ständnis und Widerstand. Doch bald stellt sich Gräuel des Krieges zu zeigen, unter denen die Der tägliche Wahnsinn, der sich Krieg nennt, heraus, dass James weder lebensmüde noch irakische Bevölkerung leidet, dennoch trägt reduziert sich so auf einen Handgriff nach dem rücksichtslos ist, sondern einfach nur seine Be- «The Hurt Locker» durchaus Elemente eines An- anderen, nur selten wird ein Gedanke über die stimmung im Leben gefunden hat. tikriegsfi lms in sich: Der von Pathos, Wunsch- Grausamkeit oder die Motivation der Täter ver- Die Wucht, mit der einem «The Hurt Locker» denken oder Vorurteilen befreite Blick auf den schwendet. packt, schüttelt und sich ins visuelle Gedächt- Krieg schärft immer die Erkenntnis, fördert die Die Mitglieder des EOD melden sich freiwil- nis brennt, rührt zu einem grossen Teil von der politische Bildung und unterstützt das eigen- lig für ihre gefährliche Arbeit und verrichten Authentizität der Bildsprache her, die die Ge- ständige Denken. sie oft mit grosser Begeisterung, sagt die US- schichte ohne Aufregung und Knalleffekte er- In dieser Hinsicht hält die Regisseurin mit Regisseurin Kathryn Bigelow fasziniert. Als sie zählt. Dokumentarisch aufgemacht, erspart die «The Hurt Locker» genau wie in ihren früheren vom Drehbuchautor Mark Boal, der 2004 als Regisseurin dem Publikum zudem leeren Pathos Filmen der Gesellschaft einen Spiegel vor, der «eingebetteter» Journalist mit einem Kommando und markige Sprüche um ihrer selbst willen. ein unangenehmes Bild der Wahrheit zeigt - und der EOD in der irakischen Hauptstadt Bagdad Mehr Porträt der beteiligten Personen als Drama gleichzeitig Hoffnung weckt, da es auch in die- unterwegs war, dessen Geschichten hörte, hatte der Umstände hält die Geschichte von «The Hurt ser Geschichte mehr um Wahrheit und Selbstver- sie das Thema ihres nächsten Films, «The Hurt Locker» auch harscher Kriegskritik stand. Weder antwortung geht, denn um schöne Worte darü- Locker», gefunden. Bigelow, die spezialisiert ist spart sie heikle Themen aus wie die Exekutio- ber. Im selben Mass, wie Bigelow eine Ausnahme auf verstörend gute Actionfi lme mit kritischen nen von Gefangenen durch US-Soldaten oder die in der von Männern dominierten Regiewelt der Untertönen wie «Point Break» oder «Strange Präsenz von geldgierigen Söldnern im Irak, noch Actionfi lme darstellt, ist auch «The Hurt Locker» Days», zeigt mit «The Hurt Locker» einmal mehr, betreibt sie Schwarz-Weiss-Malerei. Und als ob eine wohltuende ehrliche Ausnahme im Einheits- dass Action auch anders geht: mit Verstand, mit dies nicht ungewöhnlich genug wäre, beziehen brei der US-amerikanischen Kriegsfi lme. Sensibilität, mit Ruhe. Bigelow und Boal auch keine klare politische Der Film dauert 131 Minuten und kommt am Das kleine Team der EOD-Einheit Bravo von Stellung. Vielmehr erhält das Publikum in bes- 13.8. in die Kinos. Sergeant JT Sandborn (Anthony Mackie) und Spe- ter journalistischer Manier Informationen – und

42 KKinoino & FFilmilm TRATSCHUNDLABER Le code a changé Von Sonja Wenger

Von Sonja Wenger Bild: zVg. Welt, wie ist es dir über Nacht ergangen?» « fragte einst eine grosse Zeitung in ihrer igentlich hat sich nur der Code der Eingangs- will; Manuela (Blanca Li), MLs Flamencolehrerin, Eigenwerbung. Eine rhetorische Frage, gewiss. E türe geändert. Aber das ist das kleinste der die mehr mit Alain verbindet, als ihr lieb ist; und Besonders wenn man sich nach dem Konsum Probleme an diesem Abend in Paris mitten im Henri (Pierre Arditi), MLs und Juliettes unwill- der meisten Medien gleich noch beim Früh- Sommer, an dem Piotr (Dany Boon) und seine Frau kommener Vater. stück ins Koma trinken möchte. ML (Karin Viard) zum Abendessen eingeladen Doch wie so oft im Leben ist nichts, wie es Anders ist es nämlich kaum noch zu ertra- haben. Zehn Personen, jeder und jede eigentlich scheint. Das Kaleidoskop des Abends entfaltet gen, welchen Stuss einem der Blätterwald in- mehr mit sich und seinen Gedanken, Absichten sich nur scheinbar willkürlich. Alle sind sie mehr zwischen zumutet. Da wäscht Sänger Florian und Plänen beschäftigt, setzen sich für ein paar und anders miteinander verbandelt, als es auf den Ast mit Trauermiene auf dem «Blick»-Titelbild Stunden an einen grossen Tisch und die Maske ersten Blick ersichtlich und der reinen Freund- seine vom «Blick» beschmutzte Ehewäsche, der gesellschaftlichen Konventionen und unter- schaft schicklich wäre. Und auch wenn an solchen während die grosse Blut-Geschichte darunter haltsamen Konversation auf. Eine Maske aber, die Treffen meist zu viel geredet wird, bleibt vieles mit der Schlagzeile «Im eigenen Ehebett abge- schnell bröckelt und unter der sich eine Vielzahl ungesagt – eine Krux des Menschen, ein Glücks- stochen» erscheint. Vielleicht war es einfach von Emotionen, Hoffnungen und Erwartungen fall für diesen Film. schlechtes Timing, doch eher noch verordnete verstecken, die sich nur ungern ans Tageslicht Denn vom ersten Moment an macht einen «Le Sensationsgier der Redaktion: Action im Blatt zerren lassen und die doch keine Chance haben, code a changé» verfl ixt neugierig darauf, hebt die Quoten. Umso mehr, wenn sich die sich ihrer Entdeckungng zu entziehen. waswas mitm den Charakte- Schweizer Promis gleich reihenweise wie eine Mit liebevoller ren wweiter passiert. Mit Herde Schafe in die lila-rote Medienfalle locken Sorgfallt hat die herrlicherherrli Leichtigkeit lassen. französische Re- setzt Thompson die Anders möchte man es nicht ausdrücken, gisseurin und Dreh- komplexenkomp Puzzletei- wenn sich dasselbe Räuberblatt – und in sei- buchautorin Da- lele desd überraschend nem Fahrwasser auch alle anderen – wochen- nièle Thompson in einfacheneinf Bildes zu- lang die Finger wund schreiben kann, weil die «Le code a chan- sammensam und hält amtierende Miss Schweiz ihren Freund betro- gé» darauf geachtet,, dasdas Publikum mit gen habe und alle Beteiligten brav mitspie- dass alle Charaktere,, schlauensch Zeitsprün- len. Aber vielleicht rechnet es sich ja auf die die sich auf dem Wegg genge doch stets bei eine oder andere Weise – denn wenn man in zur Party befi nden,n, derde Stange. In die- die Medien will, aber keine Substanz zu bie- mit nur wenigen Wor-r- serse wunderbaren ten hat, muss halt der Ruf dran glauben. Ein ten und Handlungenen pointiertenp Komö- vergängliches Gut ohnehin, entbehrlich in ei- bereits über ein aus-us- died mit einer Prise ner Gesellschaft, die kaum noch über Interes- gefeiltes Profi l verfü-fü- MelancholieM do- sen, wenig Aufmerksamkeit und vor allem kein gen – und im Publikumkum miniert der Wort- Langzeitgedächtnis mehr verfügt. So vermag eine freudig-kribbelndende witz niemals über ein News-Junkie gerade noch 160 Zeichen zu Erwartungshaltung auauff die Fähigkeiten «zwitschern», bevor das Interesse verglüht und das Zusammentreffeneffen derder Schauspieler,Schauspieler, alleinealle mit ihren Ge- der «demokratischen Revolution im Iran» zur wecken. sichtsausdrücken ganze Bände zu erzählen. Und Genüge gefrönt wurde. So kriselt es nicht nur zwischen Piotr, der das Schicksal der Charaktere berührt einen über- Die Welt der «Tweeple» - der neue Ausdruck gerade arbeitslos wurde, und der Scheidungs- raschenderweise umso mehr, je unsympathischer für die wichtigen Menschen auf Twitter - befi n- anwältin ML, die an einem weiteren Karriere- sie gezeichnet sind. det sich schon längst auf dem Weg zur Diktatur sprung arbeitet. Auch MLs zukünftiger Chef Lucas Thompson gelingt es zudem meisterhaft, das der Banalität – strukturelle Verblödung nicht (Christopher Thompson) und Sarah (Emmanuelle Publikum auch mit seinen eigenen Wünschen und mehr als erklärtes Ziel der wirtschaftlichen Seigner) fechten ihre Unzufriedenheit in der Ehe Lebensentwürfen zu konfrontieren – ohne dabei und politischen Elite, sondern selbst gemacht. mit psychologischen Dolchen aus. Der Onkologe zu viel zu verlangen. «Le code a changé» ist beste Wie sonst soll man einordnen, dass in den USA Alain (Patrick Bruel) wiederum leidet darunter, Unterhaltung mit eigentlich banalen Themen des «Pet Airways», die erste Fluggesellschaft für in seinem Job den Menschen so häufi g schlechte Alltags, getragen von jenem Charme, den nur das Haustiere, an den Start geht, oder dass sich der Nachrichten überbringen zu müssen, was ihm auf französische Kino zustande bringt. deutsche «Spiegel» über die Bedeutung der In- sein eigentlich frohes Gemüt schlägt - und sei- Der Film dauert 100 Minuten und kommt am timrasur auslässt, statt zu fragen, wieso unse- ner Frau Mélanie (Marina Fois) auf die Nerven 13. 8. in die Kinos. re Anführer gerade mal wieder die Welt nobel geht, besonders weil sie gerade mit einer Affäre zugrunde gehen lassen? Die Webseite «tktktk. beschäftigt ist. Juliette (Marina Hands) ist MLs com» zählt bereits die Sekunden zum Klimakol- jüngere Schwester und eine Meisterin der Provo- laps – aber das bringt auch nix, wenn die Leu- kation, ihr wesentlich älterer Freund Erwann (Pa- te, die drüber berichten sollten, nicht mal mehr trick Chesnais) braucht ebenfalls viel Zeit, bevor zählen können. Oder wie war das gemeint, als er hinter seine brummige Fassade blicken lässt. «Blick am Abend» kürzlich berichtete, Robert Aufgefüllt wird der Tisch mit Jean-Louis (Laurent Redford habe eine Frau seiner «Alterskatego- Stocker), der die neue Küche der Gastgeber ge- rie» geheiratet: Er ist 71, sie ist 51? Kein rosi- baut hat und seine Affäre mit ML nicht aufgeben ger Sonnenaufgang für die Welt, aber vielleicht der grauen Streifen am Horizont?

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 43 DDasas aanderendere KKinoino

www.cinematte.ch / Telefon 031 312 45 46 www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05 www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99

ino Sommer. Es gehörte zu den Sommer- er richtige Film für heisse Sommernäch- ommerpause: Zeit, Freundschaften zu K ferien wie Sonne, Badi und Glacé: Das D te! SOUL POWER von Jeffrey Levy-Hinte, S schliessen - beispielsweise mit dem Kino Sommerwunschprogramm im Schweizer Fern- USA / Kongo 2008, 93 Min Kunstmuseum. Freundinnen und Freunde pro- sehen. Wenn die televisionären Balken in die Die USA haben seit Anfang Jahr mit Barak fi tieren von ermässigten Eintrittspreisen oder Länge wuchsen, die anzeigten, für welchen Obama den ersten farbigen Präsidenten. Das von freiem Eintritt während eines Jahres. Film sich das Publikum entschieden hatte, war wäre noch vor 35 Jahren undenkbar gewesen. Am 5. September startet das Kino Kunstmu- die Spannung gross - ob Spaghettiwestern oder Damals gab es Black Power, den Kampf für seum in die neue Saison. Der Auftakt ist dem Liebesschnulze, Klassiker oder B-Movie: Der Bürgerrechte, es gab die Musik, zu der neben serbischen Schauspieler Miki Manojlovic ge- Filmgenuss war ein anderer, wenn er in einer dem Blues auch der Soul gehörte. Und es gab widmet, der seit Jahrzehnten das europäische demokratischen Wahl zustandekam. Muhammed Ali, der die ganze Konkurrenz im Kino mitprägt. Unvergessen etwa sind seine Über 120 Personen haben im Internet ihre Boxen schlug. Beim Betrachten des Films Soul Auftritte in Papa ist auf Dienstreise, Under- Lieblingsfi lme ausgewählt und damit ihr ganz Power tauchen viele Erinnerungen auf für jene, ground, The World Is Big and Salvation Lurks persönliches Cinématte-Sommerwunsch-Pro- die die Zeit selber erlebt haben. Und für die Around The Corner (Bild oben) oder als Zuhäl- gramm zusammengestellt. anderen bietet der Film einen Einblick in eine ter mit Herz in Irina Palm. Miki Manojlovic Ihre Lieblingsfi lme seit Juli im Programm. Epoche, die aus heutiger Sicht schon sehr weit wird Anfang September nach Bern reisen, um Im August zeigen wir Amores Perros, La Stra- weg zu liegen scheint. Das Musikfestival Zaire’74 den Zyklus zu eröffnen. da, La fi lle sur le pont, Carne tremula, Herr montiert Amerikas grösste Rhythm and Blues Den Oktober widmet das Kino Kunstmu- Lehmann, Sin City oder Manhattan im schönen Talente – und der Allmächtige JBS, seum dem Regisseur Michel Gondry, der sich kühlen Kinosaal an der Aare jeweils um 21.30h , BB King, die Spinners – zusammen mit Musikvideos für Björk, The Rolling Stones, oder um 21.00h. mit afrikanischen Top-Acts wie The White Stripes, Radiohead oder Massive Wir dürfen Ihnen zu einer exzellenten Wahl und Afrisa. Es ist ein Dokument der US- Attack international einen Namen schuf. Mit gratulieren - zu einer attraktiven Mischung aus amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, voller Kinofi lmen wie The Science of Sleep, Eternal Alt und Neu, aus Klassikern und Kultfi lmen, Musik. 1974 waren all die Stars nach Sunshine of the Spotless Mind oder Be Kind aus Ernstem und Heiterem. gereist, um dort ein dreitägiges Konzert zu geben Rewind schliesslich hat sich der Franzose in und ihre Freundinnen und Freunde zu treffen, den letzten Jahren in die Herzen seiner Fans Details zum Programm fi nden Sie auf unse- die Opfer von Südafrikas Apartheidregime katapultiert: Ein cineastischer Abenteurer und rer Homepage: cinematte.ch waren, allen voran Miriam Makeba und Forscher mit Charisma. Afrisa. Bestärkt durch die afroamerikanische Die genauen Spielzeiten sowie weitere In- Befreiungsbewegung, besuchte ein Grossteil formationen fi nden Sie auf www.kinokunstmu- der amerikanischen Künstler den Kontinent seum.ch. Dort kann man auch direkt Freund- zum ersten Mal und liess sich von seinen schaft schliessen. Und weil es dafür immer afrikanischen Wurzeln inspirieren. Realität zwei braucht, verlost das Kino Kunstmuseum wurde der Traum eines Black Musikfestivals in ein Kino-GA sowie Freikarten für die neue Sai- Afrika jedoch erst, nachdem der Box-Promoter son. Die schönsten Anträge gewinnen - bitte Don King davon überzeugt werden konnte, das bis am 20. August 2009 senden an: info@kin- Event zu unterstützen und mit dem legendären okunstmuseum.ch. Weltmeisterschaftskampf gegen George Foreman, dem «Rumble in the Jungle», zu kombinieren. Weil aber Foreman sich beim Training eine Verletzung am Auge zuzog, wurde der Kampf verschoben und das Konzert fand schliesslich allein statt. Mehr als 30 Jahre später erweckt der Film Soul Power das Musikfestival zu neuem Leben und ermöglicht so einen Blick auf jene Zeit, als der musikalische Austausch zwischen den beiden Kontinenten gerade begann.

44 ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 DDasas aanderendere KKinoino KI N O in der Reitschule LICHTSPIEL www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69 www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05 www.pasquart.ch / Telefon 032 322 71 01

erien auf der Leinwand im Lichtspiel Wil- PEN AIR – WUNSCHPROGRAMM: bis Juni – Juli – August 2009 F liam Wylers leichtfüssige Komödie Ro- O 22/08/09 Das kleine aber feine Open man Holiday (1953) führt nach Rom, wo eine Air hoch oben auf der Filmpodiums-Terrasse Prinzessin gegen die Fesseln der Konventionen ist auch dieses Jahr wieder jeweils freitags und SOMMERPAUSE zu rebellieren beginnt und sich kurzerhand da- samstags Treffpunkt für GeniesserInnen lauer vonstiehlt. In Joe, einem amerikanischen Boule- Sommernächte und guter Filme. COFFEE & Von Juni – Ende August macht das Kino vardjournalisten, trifft sie einen vermeintlichen CIGARETTES: Der Indie-Zauberer Jim Jarmusch in der Reitschule eine lange Sommerpause. Verbündeten und die beiden begeben sich auf lässt seinen skurrilen Clan, u.a.Steve Buscemi einer weissen Vespa auf eine ereignisreiche Ent- und Cate Blanchett, in elf Episoden bizarre Ge- Wie seit vielen Jahren wird die Saison im deckungstour quer durch die ewige Stadt (Mo schichten aus New York erzählen. TULPAN von September mit Film und Live-Musik in der 3.8., 21h). In The Beach (2000) trifft der junge Sergey Dvortsevoy: Abstehende Ohren können Grossen Halle der Reitschule wieder eröffnet. Amerikaner Richard in einem alten Hotel in ein Problem sein, wenn man nicht gerade Prince Bangkok den verrückten Schotten Daffy Duck, Charles ist. Der Matrose Bulat kommt zur Fami- der ihm eine skizzierte Karte hinterlässt, auf der lie seiner Schwester in die kasachische Steppe, der Weg zu einem für Touristen unerreichbaren, um Schafhirte zu werden. Und dazu braucht er traumhaften Geheimstrand eingezeichnet ist. Ri- eine Frau. LEERGUT von Jan Sverák: Josef ist ein chard begibt sich auf die abenteuerliche Suche 65jähriger Lehrer, der weder mit der Arbeit noch nach dem paradiesischen Ort. Der Film nach dem mit der Liebe aufhören will. Der erfolgreichste gleichnamigen Buch von Alex Garland macht tschechische Film aller Zeiten! INTO THE WILD deutlich, dass das Böse im Menschen selbst in von Sean Penn ist die Geschichte einer Suche einer paradiesischen Umgebung zum Vorschein nach sich selbst in den fantastischen Land- kommt (Mi 12.8., 21h). Gene Kellys und Stanley schaften Nordamerikas. Der Held ist ein junger Donens On the Town (1949) begleitet drei über- Mann, der sich radikal von der kapitalistischen mütige Matrosen auf ihrem Landurlaub in New Gesellschaft und den ihr innewohnenden einen- York - mit viel Witz, Romantik und swingenden genden Dogmen zu befreien versucht. KIRSCH- Musikstücken (Mi 19.8., 21h). Unglücklicher ver- BLÜTEN – HANAMI von Doris Dörrie: Berührend läuft der Urlaub in der feinfühligen Sommerko- ist nicht nur die Geschichte, in der es um die mödie Les grandes personnes von Anne Novion: Liebe, um Leben und Sterben geht. Berührend Als der Bibliothekar Albert mit seiner Tochter schön ist auch das nuancierte Spiel der Schaus- auf einer kleinen schwedischen Insel eintrifft, ist pielerInnen Hannelore Elsner und Elmar Wepper. das gebuchte Ferienmietshaus bereits besetzt… RIVERS AND TIDES von Thomas Riedelsheimer (Mo 31.8., 21h). ist dem britischen Künstler Andy Goldsworthy Knatsch und Knutsch Auf eine aufwühlende gewidmet, der weltweit durch seine plastischen Rolle mit Knatsch- und Knutschfi lmen aus dem Arbeiten mit Naturmaterialien bekannt ist. Es Lichtspiel-Archiv folgt ein Live-Konzert von Ti- folgen drei Klassiker, darunter ein Western, der rami-Via - das A-cappella-Ensemble zeigt sich Filmgeschichte schrieb: ONCE UPON A TIME IN von einer verspielten, ausgesprochen lustvoll- THE WEST von Sergio Leone, sowie CRÍA CUER- leidenschaftlichen und heiteren Seite. Mit Ge- VOS von Carlos Saura: Kurz vor dem endgültigen fühlen wird nicht gespart - auch nicht bei den Niedergang des Franco-Regimes entstanden, Kostümen. Ein Augen- und Ohrenschmaus (Sa zeigt der Film das Bild einer erstarrten Madrider 22.8. und Fr 28.8., 20h) Patrizierfamilie als Metapher für die in Zwängen Eine Filmgeschichte in 50 Filmen Weiter erstickende, innerlich zerfallende spanische Ge- geht es mit der Zukunftsvision Blade Runner, sellschaft. Und als Schlussbouquet STALKER von in der Ridley Scott die Antwort auf die Frage Andrej Tarkowskij: Eine Expedition wird zur Re- sucht, was denn das Menschsein ausmacht. Ein- ise in die Innenwelt der Protagonisten und zum führung: Simon Spiegel, Filmwissenschaftler (Mi Panorama einer gottverlassenen europäischen 26.8., 20h). Zivilisation.

Für das Tagesprogramm die Tageszeitung oder das Internet www.bernerkino.ch 45 FREITAG 4. SEPTEMBER 2009 Bachelor Literarisches Schreiben

PRÄSENTATION DER ABSCHLUSSARBEITEN

Öffentliche Präsentation der Bachelorarbeiten und der Anthologie, die Auszüge aus den Abschlussarbeiten des ersten Jahrganges versammelt. Romankapitel, Kurzgeschichten, Fragmente… Studierende lesen auf allen Etagen der Rockhall. Ab 20.00 Uhr Lesungen, ab 23.00 Uhr «Fort, ihr Ziegen!» Bar und Tanz

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Titelseiten aus der Publikation «I» erscheint anlässlich der Bachelor-Präsentation KKimoimo & FFilmilm

Ein sexuell gestörter Krieg Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Von Guy Huracek Bild: zVg.

ie wertvollen Körpersäfte müssen erhal- und berüchtigt, jede Szene so oft zu wiederho- Sexuelle Anspielungen und Motive schmü- D ten werden, weshalb auch ein Atomkrieg len, bis sie seiner Meinung nach makellos war. cken den Film. Über zahlreiche Phallussymbole gegen die Sowjetunion geführt werden muss. Als berühmtes Beispiel gilt eine Szene aus sei- bis zu den Namen der Hauptfi guren, die nahezu Diese verrückte Behauptung ist für den US-Air- nem Film «Shining», in der Shelley Duvall einen alle sexuelle Konnotationen haben. Neben dem Force-General Jack D. Ripper Grund genug, den Stapel von über dreihundert Blatt Papier fi ndet, General Jack D. Ripper, der auf einen Lustmör- ihm unterstellten B-52 Bombern den Angriffs- auf denen immer wieder derselbe Satz (All work der deutet und Mandrake, dessen Name die befehl auf Russland zu erteilen. and no play makes Jack a dull boy) steht. Ku- Verballhornung eines Aphrodisiakums ist, über Der raffi nierte Plan des Generals wird vom brick weigerte sich, für die einzelnen Seiten Buck Turgidson, den geschwollenen Bock und amtierenden Präsidenten Muffl ey vereitelt. Er Kopien zu verwenden, selbst bei jenen Seiten, Merkin Muffl ey, in dessen Name die weibliche arbeitet mit den Russen an einer Strategie, die die man gar nicht genau sehen konnte. Dieser Schambehaarung verborgen ist, bis hin zu Dr. Flugzeuge abzuschiessen. Doch das ganze hat Perfektionismus spiegelt sich auch in diesem Strangelove, dessen Liebe zu Bomben seltsam einen Hacken. Wenn nur eine Atombombe der Film wieder. ist. US-Flieger einschlägt, aktiviert sich automa- Eine geeignete Vorlage für seinen Film fand Der Pilot des verhängnisvollen Bombers, tisch die «Weltvernichtungsmaschine». Ein von Kubrick in dem Roman «Red Alert» von Peter Major «King» Kong, liest in einer Szene den der UdSSR entwickeltes Abschreckungssystem, George. Es ging darin um einen beinahe ausge- Playboy. Als die Crew des Bombers ihre Über- das jegliches Leben auf der Erde vernichtet. Der lösten Atomkrieg, der in letzter Minute verhin- lebenspäckchen öffnen, fi nden sie neben einer Bomber «The Leper Colony» (dt. «Die Leprako- dert werden konnte. Ein Thema, dass während Minibibel Nylons, Kondome und Kaugummis. lonie») wird weder abgeschossen noch erreicht der Kuba-Krise in der Luft lag. Überall Sexualität. Doch ist offensichtlich, ihn aufgrund seines beschädigten Funkgeräts Kubrick gestaltet hier wieder eines seiner dass es nur um männliche Sexualität geht und der Rückkehrbefehl. Seine Besatzung führt da- Lieblingsthemen: Der Mensch entwickelt eine dass die verhängnisvollen Entscheidungen aus her letztlich den befohlenen Angriff aus. Kurz Maschine, die nach den Regeln reiner Logik gestörter Sexualität entspringen. Nur in einer vor dem Abwurf klemmt die Bombe. Der Pilot, funktioniert und der er wesentliche Entschei- Szene ist für kurze Zeit eine Frau zu sehen. Es Major Kong, setzt sich mit seinem Cowboy-Hut dungsfähigkeiten überträgt. Der Grund dieser ist die Geliebte von General Turgidson. auf die Atomrakete und bringt sie so durch sein Übertragung ist es, menschliches Versagen aus- In anderen Antikriegsfi lmen von Kubrick Gewicht zu Fall. Jubelnd und lachend, mit sei- zuschließen. Ähnlich ist es beim Film «2001: fi ndet man eine ähnliche Konstellation. Dass nem Hut winkend, als würde er Rodeo spielen, Odyssee im Weltraum», der fünf Jahre später die Absurditäten der Männerwelt des Militärs stürzt er mit der Atombombe, auf der «Hi there» erscheint. Die Maschine ist perfekt und der mit gestörter Sexualität verwischen, sieht man steht, in den Tod. Das fatale Abwehrsystem der Mensch nicht. Doch die Logik der Maschine auch in «Full Metal Jacket». Roten Armee kommt ins Rollen und die Welt wendet sich gegen ihren Schöpfer und schlägt «Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe erstickt in einem atomaren Todesmantel. Be- um in puren Wahnsinn. zu lieben» ist ein bissig zynischer Antikriegs- gleitet werden die unzähligen Explosionen im Der Film ist schwarz-weiss gedreht und be- fi lm, der Kriegsgräuel in perversen und absur- Film mit der sanften Stimme von Vera Lynn mit schränkt sich nur auf vier Handlungsorte: Die den Formen zeigt. Wenig Action, dafür leicht ihrem optimistischen, sentimentalen Lied aus Bomberbasis mit dem Büro des verrückten Ge- verstörende Dialoge und ein Hauch dokumen- dem Zweiten Weltkrieg, «We will meet again». nerals, das Innere des Bombers, das Zuhause tarischer Charakter versetzen den Zuschauer in «Wie ich lernte, die Bombe zu lieben» ist der des General «Buck» Turgidson und schließlich ein surreal fl immerndes Kriegsgeschehen, wel- elfte Film von Stanley Kubrick und erschien in der unterirdische Bunker im Pentagon, in dem ches erst beim zweiten Blick auf eine traurig den 60er-Jahren. Kubrick war dafür berühmt der Präsident mit dem Krisenstab tagt. realistische Art echt wird.

ensuite - kulturmagazin Nr. 80 | August 09 47 SServiceseiteerviceseite LESERFORUM ensuite sucht ab IMPRESSUM [email protected] Dezember 09 Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redak- tion: Lukas Vogelsang (vl); Anna Vershinova FALSCHES ZITAT: einen/eine (av) // Jasmin Amsler, Peter J. Betts (pjb), Luca «IN DREAMS BEGINS RESPONSIBILITY» D’Alessandro (ld), Sonja Gasser, Isabelle Ha- klar, Bettina Hersberger, Guy Huracek (gh), In der Ausgabe Nr. 77 Ihres Magazins sch- KORREKTOR/IN Till Hillbrecht (th), Ruth Kofmel (rk), Hannes reiben Sie oder lassen Sie ein Zitat B. Yeats zu- Liechti (hl), Andy Limacher (al), Irina Mahl- schreiben, das in Wirklichkeit der Titel einer as Problem ist bekannt: Kaum Lohn (wir stein, Barbara Neugel (bn), Eva Pfi rter (ep), Story von Delmore Schwartz ist; ganz abgese- D nennen es Trinkgeld), grösste Flexibili- Tatjana Rüegsegger, Barbara Roelli, Rebec- hen von der inkorrekten Schreibweise (Red.: tät, zum Teil hektische Tage und jede Menge ca Panian, Christoph Simon, Kristina Soldati «In dreams begin responsibilities»). Texte, die oft haarsträubend sind. Wir erwarten (kso), Antonio Suárez Varela (asv), Willy Vo- In Ihrem sonst sehr interessanten und pro- natürlich Professionalität in jeder Hinsicht und gelsang, Simone Wahli (sw), Konrad Weber, fessionellen Heft bedauerlich. auch den Willen und das Interesse am Thema, Simone Weber, Sonja Wenger (sjw), Gabriela L. Hilbich, Brugg um bei diesem Magazin mitzuarbeiten. Wild (gw), Katja Zellweger, Ueli Zingg Car- Es winkt aber ein lustiges und aufgestelltes toon: Bruno Fauser, Bern; Kulturagenda: Team, welches die Motivation auch in den wil- kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin, den Momenten nicht verliert. Die Korrekturta- allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles Biel, ge hier sind effi zient, auch diskussionsreich, Abteilung für Kulturelles Thun, interwerk und man hat direkten Einfl uss auf das Heft, gmbh. Korrektorat: Lukas Ramseyer auf die Mitgestaltung. Wer berufl ich in diese Richtung etwas anstrebt, kann hier hervorra- Abonnemente: 77 Franken für ein Jahr / 11 LESERBRIEFE gende Berufserfahrungen sammeln, die für die Ausgaben, inkl. artensuite (Kunstmagazin) Zukunft taugen. Abodienst: 031 318 6050 / [email protected] Wir freuen uns über Ihre Zuschriften. Je kür- Der Arbeitsaufwand bei hoher Effi zienz be- ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich. zer ein Brief, umso grösser ist die Möglich- trägt pro Monat circa zwei bis drei Tage, immer Aufl age: 10‘000, Gesamtaufl age 30‘000 (Bern keit für eine Veröffentlichung. Es ist nicht Ende Monat. Sie werden in die Arbeit einge- und Zürich) nötig, dass der Inhalt sich nur auf Artikel be- führt und arbeiten danach selbständig und eng zieht, welche im ensuite - kulturmagazin er- mit dem Layouter zusammen - die Korrekturen Anzeigenverkauf: [email protected] Lay- schienen sind - aber es wird die Veröffentli- werden direkt und selber ausgeführt. out: interwerk gmbh, Lukas Vogelsang Pro- chung fördern. Die Redaktion behält sich vor, Bewerbungen mit kurzem Lebenslauf und duktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh, Artikel zu kürzen. Es werden nur Zuschriften einem Motivationsschreiben bitte per Post an: Bern Druck: Fischer AG für Data und Print publiziert, welche mit Name und Wohnort Vertrieb: Abonnemente, Gratisaufl age an 350 versehen sind. Einsendungen an: ensuite - kulturmagazin Orten im Kanton Bern; passive attack, Telefon ensuite - kulturmagazin, Leserdienst, Lukas Vogelsang 031 398 38 66 Web: interwerk gmbh Sandrainstrasse 3, 3007 Bern oder per Sandrainstrasse 3 E-Mail: [email protected] 3007 Bern Hinweise für redaktionelle Themen erwünscht bis zum 11. des Vormonates. Über die Publika- tion entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original senden. Wir senden kein Material zurück. Es besteht keine Publi- kationspfl icht. Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates über unsere Webseiten BE eingeben. Redaktionsschluss der Ausgabe ist im ABO 8/09 ensuite jeweils am 18. des Vormonates (www.kultura- Sie wissen nicht wohin? ensuite - kulturmagazin im ABO lässt Sie Monat für Monat ein Stück genda.ch). Kultur und Kunst entdecken (nur im ABO inklusive Beilage artensuite)! Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist po- ❑ Ausgabe Bern ❑ Ausgabe Zürich Vorname litisch, wirtschaftlich und ethisch unabhängig ❑ Abonnement je Stadt Fr. 77.00 und selbständig. Die Texte repräsentieren die ❑ Abo für Studierende / AHV / IV Fr. 52.00 Name Meinungen der AutorInnen, nicht jene der Re- daktion. Copyrights für alle Informationen und ❑ Ich möchte ein Abo verschenken. Hier Adresse Bilder liegen beim Verein WE ARE in Bern und mein Name, Adresse und Wohnort: der edition ensuite. «ensuite» ist ein eingetra- PLZ / Ort gener Markenname.

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