WACHSTUM ERLEBEN ZUSAMMENSCHLÜSSE UND HERAUSFORDERUNGEN. WACHSTUM ERLEBEN ZUSAMMENSCHLÜSSE UND HERAUSFORDERUNGEN. KAPITEL 5 UNTERSCHIEDLICHE ENTWICKLUNGEN IN WEST UND OST KAPITEL 5 UNTERSCHIEDLICHE ENTWICKLUNGEN IN WEST UND OST 1968 –1989 1968 –1989

Kapitel 5

ZUSAMMENSCHLÜSSE UND HERAUSFORDERUNGEN. UNTERSCHIEDLICHE ENTWICKLUNGEN IN WEST UND OST (1968–1989)

Die Entwicklung der deutschen Kaliindustrie in den 1970er Jahren war von zwei wichtigen Zusammenschlüssen geprägt: Um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, schlossen in der Bundesrepublik die Salzdetfurth AG und die Wintershall AG ihre Kali- und Steinsalz- aktivitäten in der neu gegründeten „Kali und Salz“ unter dem Dach der BASF zusammen. Im Zuge der allgemeinen Kombinatsbildung konzentrierte die DDR ihre Kaliindustrie im „VEB Kombinat Kali“. In den 1970er Jahren setzten sich in der Kaliindustrie in beiden Teilen Deutschlands moderne Abbau- und Verarbeitungsverfahren durch. Im Westen waren Ratio- nalisierungen und Standortstilllegungen notwendig, um die Konkurrenzfähigkeit zu sichern, während die DDR ihre Kapazitäten ausbaute, um die Exporte zu steigern. In den 1980er Jahren gab es eine erste Annäherung zwischen der ost- und westdeutschen Kaliindustrie.

Konkurrenz: Kanada und UdSSR werden bedeutende Wettbewerber auf dem Weltkalimarkt Zusammenschluss: Wintershall und Salzdetfurth bündeln ihre Kali- und Steinsalzaktivitäten in der „Kali und Salz“ Kombinatsbildung: Die DDR gründet das „VEB Kombinat Kali“ Modernisierungen: Neue Techniken und Verfahren verbessern Kaliabbau und -verarbeitung Entsorgung: Kali und Salz richtet die weltweit erste Untertage-Deponie ein Tauwetter: Erste Annährung der Kaliindustrie in Ost und West

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Zukunftsinvestitionen – wie etwa große Explo- linke Seite Titelbild der Wintershall- rationsvorhaben in Amerika – nur schwer Werkzeitschrift „Salz und Oel“ vom Juni 1970 (links) mit einem Tiefschaufel- finanzieren. Die Salzdetfurth AG hatte ihr Fahrlader ST 5 im Kaliwerk Bergmanns- Engagement am Großen Salzsee (siehe Kapitel 4, segen-Hugo. Die vorletzte Ausgabe der Seite 140) überwiegend mit Krediten amerika- Salzdetfurth-Werkzeitschrift „wir salz- nischer und kanadischer Banken finanziert. dethfurter“ vom Januar 1970 (rechts): Im Kaliwerk Hattorf wird eine Ladung Dadurch hing das Überleben des Salzdetfurth- Auftausalz für den Transport abgedeckt. Konzerns nun stark vom Erfolg dieses Engage- ments in Übersee ab. oben und unten Kaliindustrie in der Angesichts der schwierigen Weltmarkt- UdSSR: Die Fabrikanlagen von Beresniki III am Ural gingen 1973 in Betrieb. lage hätten die beiden westdeutschen Kali- unternehmen Wintershall und Salzdetfurth eigentlich stärker zusammenarbeiten müssen. Tatsächlich aber scheiterten unternehmens- übergreifende Rationalisierungsmaßnahmen, die Synergien freigesetzt hätten, an den Eigen- interessen der Unternehmen: Sie produzierten weiterhin relativ kleine Mengen fast gleich- artiger Kaliprodukte mit einer ungünstigen Kostenstruktur. Daher lag es nahe, die westdeutschen Kaliunternehmen zusammenzuschließen. KALIFUSIONEN IN WEST- UND OSTDEUTSCHLAND Besonders die Wintershall AG war seit langem daran interessiert, ihren bedeutendsten deut- (1968–1972) schen Konkurrenten, die nur etwa halb so große Salzdetfurth AG, zu übernehmen.

Die Lage der westdeutschen Kaliindustrie 4,5

Die wirtschaftliche Lage der drei verbliebenen westdeutschen Lagerstätten und ihren hohen K2O-Gehalten im Rohsalz schickte 4,0 Kaliunternehmen – Wintershall einschließlich Burbach, Salzdet- sich an, den Weltmarkt zu erobern. Daneben trat insbesondere 4,1 Welt gesamt: 17,5 Millionen Tonnen K2O furth und Kali-Chemie – war Ende der 1960er Jahre nur auf den in den 1960er Jahren auch die Sowjetunion mit einer weiteren 3,5 ersten Blick in Ordnung. Tatsächlich machte die internationale Produktion in Weißrussland nennenswert am Weltmarkt in 3,0 Konkurrenz den Unternehmen schwer zu schaffen. Zu den Erscheinung, zusätzlich steigerte Israel die Kaliproduktion am 3,2 Wettbewerbern gehörte auch die DDR-Kaliindustrie, die 1967 Toten Meer. 2,5 2,5 mit 2,2 Millionen Tonnen K2O die Produktion in der Bundes- Im Vergleich mit den neuen Konkurrenten aus Kanada 2,4 2,0 2,3 republik knapp überholt hatte. Echte betriebswirtschaftliche und der UdSSR waren die westdeutschen Kaliunternehmen nicht 1,8 Kosten spielten in den „volkseigenen Betrieben“ der DDR keine nur relativ klein, sondern auch durch ihre geringeren K2O-Roh- 1,5 Rolle, so dass die DDR große Mengen Kali zu günstigen Preisen salzgehalte im Nachteil und daher nur eingeschränkt wett- 1,0 auf den Weltmarkt bringen konnte. Immerhin entfachte die bewerbsfähig: „Die Kanadier lieferten billiger nach Rotterdam DDR dabei keinen Preiskampf, sondern orientierte sich, um als wir“, erinnert sich der ehemalige Salzdetfurth-Vorstand 0,5 0,2 möglichst große Devisenerträge zu erzielen, in ihrer Preis- Max-Stephan Schulze. „Sie diktierten nun die Preise.“ Weil in 0,5 0,5 0 gestaltung am Weltmarktpreis. der DDR-Kaliindustrie die echten Kosten kaum eine Rolle spiel- UdSSR Kanada USA DDR Bundes- Frankreich Israel Spanien Sonstige Vor allem belasteten neue Konkurrenten auf dem Welt- ten, konnte sie mit diesem Preisdruck leichter fertig werden. republik markt die Zukunftsaussichten der westdeutschen Kaliunterneh- Vor allem wegen ihrer geringen Größe konnten die west- men. Besonders die kanadische Kaliindustrie mit ihren riesigen deutschen Kaliunternehmen die notwendigen, aber kostspieligen Weltkaliproduktion nach Ländern 1970 (Angaben in Millionen Tonnen K2O)

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Die Übernahme der Wintershall durch die BASF

Gleichzeitig musste die Wintershall AG aber seinen direkten Erben – langfristig sichern. noch ein ganz anderes Problem lösen, denn Nach dem neuen Aktienrecht von 1965 wurden das neue Aktienrecht von 1965 hebelte den jedoch gegenseitige oder wechselseitige Betei- alten Erbvertrag von Konzerngründer August ligungen stimmrechtslos und der Erbvertrag Rosterg aus. August Rosterg hatte seinen Sohn hätte damit genau das Gegenteil bewirkt: Statt Dr. Heinz Rosterg lediglich zum Vorerben ein- sich selbst zu gehören, hätte die Wintershall AG gesetzt, ihn aber per Erbvertrag von der Unter- jeden Einfluss auf die eigenen Geschicke verlo- nehmensleitung ausgeschlossen. Nach Ablauf ren und die Minderheitsaktionäre hätten allein des Vertrags 1972 sollte die Wintershall AG die das Sagen gehabt. Die Alternative, den Erbver- Kuxe der Gewerkschaft Thea erben, die 50,5 trag zugunsten von Dr. Heinz Rosterg aufzu- Prozent der Kuxe der Gewerkschaft Wintershall geben, kam für die Mehrheit des Wintershall- besaß, der wiederum 50 Prozent der Winters- Vorstands nicht in Frage, da viele Vorstands- hall AG gehörten (siehe Kapitel 4, Seite 130). mitglieder ihm die Führung des Unternehmens Die Wintershall-Raffinerie Salzbergen im Jahr 1969 Mit dieser Konstruktion wollte August Rosterg nicht zutrauten. die Zukunft der „Familiengesellschaft“ Winters- Die Wintershall AG war also Ende der hall, die bis dahin von den Gründerfamilien 1960er Jahre aus zwei Gründen auf der Suche Rosterg und Quandt beherrscht wurde, auch nach einem starken Partner: Zum einen muss- über seinen Tod hinaus – unabhängig von ten Heinz Rosterg, die Familie Quandt und die

Kleinaktionäre mit erheblichen Summen ab- oben Blick von der Rückstandshalde auf Wintershall AG und Salzdetfurth AG im Vergleich (1969) gefunden werden. Heinz Rosterg sollte dazu das Kali- und Steinsalzwerk Niedersachsen- Riedel (1970) bewegt werden, zugunsten von Wintershall auf Wintershall AG Salzdetfurth AG sein Erbrecht zu verzichten. Zum anderen sollte unten (v.l.n.r.) Dr. Josef Rust, Dr. Otto das Unternehmen in die Lage versetzt werden, Roser, Dr. Hans Moell und Dr. Ernst Denzel Umsatz in Mio. DM 810 465 die notwendigen großen Zukunftsinvestitionen auf der Arbeitstagung von Wintershall und Kali und Salz im Jahr 1973 Mitarbeiter 6.340 6.000 – etwa bei den Raffinerien, der Öl-, Gas- und Anteil an der west- Kaligewinnung – zu finanzieren. Parallel dazu deutschen Kaliproduktion 54 % 34 % plante Wintershall seit 1967 auch eine „Koope- ration mit anderen Unternehmungen der Mine- ralöl- und Düngemittelwirtschaft“, wobei man in erster Linie an Chemieunternehmen dachte. links Das Kaliwerk Bergmannssegen- Hugo um 1975 Die Führungskräfte bei Wintershall favorisierten als Partner ein deutsches Chemieunternehmen, rechts Das Kaliwerk Wintershall um 1970 um Wintershall als selbstständiges Unterneh- men zu erhalten und dennoch Synergien zu nutzen. Aber auch zu ausländischen Unter- nehmen in Frankreich oder den USA wurden Kontakte geknüpft. Da Wintershall ein gesundes Unterneh- men war, konnte sie selbst wählen, an wen sie sich binden wollte. Nach längerer Suche ergab sich, dass es von der deutschen Großchemie die BASF war, zu der Wintershall am besten passte.

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in Hannover (VDK) Preise und Lieferkonditio- Das Öl der Wintershall AG bot dem Chemie- nen bestimmen konnte. unternehmen BASF die immer wichtiger Zudem war die Wintershall AG mit der werdende eigene Rohstoffbasis, denn die BASF Gewerkschaft Victor in Castrop-Rauxel (Stick- war in den 1950er Jahren in die Petrochemie stoff- und Stickstoff-Kali-Dünger) durch die eingestiegen und hatte gemeinsam mit Shell Übernahme der Mehrheit an der Guano-Werke die „Rheinischen Olefin-Werke“ (ROW, heute AG in Krefeld, Nordenham und Hamburg Basell) in Wesseling gegründet. Schließlich (NPK-Dünger) im Jahr 1968 sowie besonders lieferte die Wintershall AG der BASF Schwefel, durch das deutsch-französische Gemeinschafts- Rohstoffe für petrochemische Primärchemika- unternehmen Pec-Rhin in Ottmarsheim im lien, Erdgas und natürlich große Mengen an Elsass gerade im Bereich der Mehrnährstoff- Kaliumchlorid. Zu Recht bezeichnete BASF den dünger zu einem ernst zu nehmenden Kon- Erwerb der Wintershall später als „Durchbruch kurrenten der BASF mit ihrem „Nitrophoska“ zu einer partiellen Eigenversorgung mit Roh- geworden. Ähnliches galt auch für die Salz- stoffen“. detfurth AG, die die (CFK) mit dem NPK-Dünger „KAMPKA“ er- worben hatte, sowie für die Kali-Chemie AG in Hannover mit ihrem PK-Dünger.

Das BASF-Stammwerk Ludwigshafen Unter den IG-Farben-Nachfolgern Bayer, Pharma-Artikel). Andererseits wollte die BASF im Jahr 1968 Hoechst und BASF war die BASF AG – damals ihre Eigenversorgung mit Rohstoffen sichern. noch „Badische Anilin- & Soda-Fabrik AG“ – Wachstum war für die BASF zentral: „Ein Unter- das kleinste Unternehmen und bestand fast nehmen, das dieses Wachstum nicht durch- nur aus dem Werkskomplex Ludwigshafen. halten kann, ist unweigerlich zum Untergang Bei einem Umsatz der BASF AG von etwa verurteilt“, so Bernhard Timm auf der BASF- 4 Milliarden Mark im Jahr 1968 (Gruppenum- Hauptversammlung 1968. Auf diesem Wachs- satz 5,5 Milliarden Mark) erzielte das Unter- tumskurs kam Professor Timm das Angebot nehmen einen jährlichen Gewinn von rund der Wintershall AG gerade recht. 300 Millionen Mark. Im Zentrum der Unter- Die BASF war aus mehreren Gründen nehmensaktivitäten standen Forschung und an Wintershall interessiert: Die Wintershall AG Entwicklung neuer chemischer Verfahren und war schuldenfrei, hatte hohe Rücklagen und Produkte. Produziert wurden vor allem hoch- war über die Ausgabe eigener BASF-Aktien wertige chemische Grundstoffe, daneben günstig zu erwerben. Außerdem ergänzten aber auch der bereits seit 1927 erfolgreich auf die Geschäftszweige, Produktionsstätten und dem Markt eingeführte Mehrnährstoffdünger Produktionsverfahren von Wintershall ideal links Das deutsch-französische Gemeinschaftsunternehmen rechts Prof. Dr. Bernhard Timm (rechts) und Prof. Dr. Matthias „Nitrophoska“. Seit etwa 1963 verfolgte die die BASF-Arbeitsgebiete, denn die BASF war von BASF/Wintershall und Grande Paroisse (Groupe Total) Seefelder (links) auf der Hauptversammlung der BASF AG 1974. BASF unter ihrem Vorstandsvorsitzenden mit ihrer Produktion des Nitrophoska-Düngers PEC-Rhin in Ottmarsheim am Rhein (Elsass) um 1970 Professor Timm war von 1965 bis 1974 Vorstandsvorsitzender Professor Dr. Bernhard Timm eine Politik der ein wichtiger Abnehmer der Kaliindustrie. der BASF AG, anschließend bis 1983 Vorsitzender des Aufsichts- Expansion, um das Werk Ludwigshafen zu Allerdings fühlte sich die BASF „im Würgegriff“ Mitte 1974 produzierte BASF die 20-millionste Tonne rates. Professor Seefelder war von 1974 bis 1983 als Vorstands- „Nitrophoska”. vorsitzender und von 1983 bis 1990 als Vorsitzender des Auf- einem integrierten Chemiekomplex umzu- der deutschen Kaliindustrie, wie Professor Timm sichtsrates der BASF AG Timms Nachfolger. bauen. Im Zug einer vertikalen Diversifizierung es ausdrückte. Immer wieder hatte er sich über bemühte sich BASF einerseits, weitere End- das unbewegliche Verhalten der Kaliindustrie verbraucherprodukte anzubieten (Tonträger, geärgert, die über ihre Verkaufsgemeinschaft

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Die außerordentliche Hauptver- Die „Chemische Fabrik Kalk“ (CFK) sammlung der BASF AG stimmte gehörte zur Salzdetfurth AG und am 20. Dezember 1968 dem Ver- produzierte unter anderem den schmelzungsvertrag zwischen der NPK-Dünger „KAMPKA“ (Foto 1971). Gewerkschaft Thea und der BASF zu. Außerdem genehmigte sie den Beherrschungsvertrag zwischen BASF und der Wintershall AG. Am Rednerpult der Vorsitzende des BASF-Vorstands Prof. Dr. Bernhard Timm.

Wintershall erwirbt Salzdetfurth-Aktien

Nach langen, schwierigen Verhandlungen hall-Aktien neun BASF-Aktien oder eine ent- Während die BASF die Öl- und Gasproduktion brochen worden, weil man nicht wusste, was zwischen Wintershall und BASF über Beherr- sprechende Zahlung. der Wintershall AG sofort nutzen konnte, war mit der Wintershall wird.“ schungsvertrag, Dividendengarantie und vor Nach einer höchst turbulenten und emo- die Lage bei Kali und Düngemitteln schwieri- Auch wenn einige Bankenvertreter der allem über das Verhältnis beim Aktienumtausch tionsgeladenen Diskussion stimmte die Winters- ger, denn an der ungünstigen Lage der deut- Meinung waren, Wintershall sollte die Salzdet- informierte die BASF im November 1968 die hall-Hauptversammlung am 19. Dezember 1968 schen Kaliindustrie auf dem Weltmarkt hatte furth AG einfach in Konkurs gehen lassen und Öffentlichkeit über die bevorstehende Über- mit überwältigender Mehrheit dem Zusammen- sich nichts geändert. Die Rationalisierungs- dann günstig übernehmen, entschied sich die nahme. Nach Ansicht der Presse handelte es schluss zu, am folgenden Tag auch die Haupt- möglichkeiten der westdeutschen Kaliunter- Wintershall-Führung – mit Rücksicht auf die sich um die „bedeutendste Unternehmens- versammlung der BASF AG. Damit war die Über- nehmen, mit denen sie bisher die Konkurren- Belegschaft und mit Blick auf die zukünftige konzentration der Nachkriegszeit“. Nachdem nahme perfekt. BASF übernahm die Gewerk- ten aus Kanada und der UdSSR abgewehrt Zusammenarbeit – für eine Rettung der Salzdet- auch der Kaufpreis, also vor allem die Abfin- schaften Thea und Wintershall und verschmolz hatten, waren weitgehend ausgeschöpft. So furth AG. Eine wichtige Rolle spielte dabei sicher dung der bisherigen Großaktionäre Dr. Heinz sie auf sich. Mit der Wintershall AG wurde ein war die Salzdetfurth AG 1968 angesichts sin- auch die Sorge, ein ausländischer Kalikonkur- Rosterg und der Familie Quandt, festgelegt und Beherrschungsvertrag abgeschlossen. kender Erlöse gezwungen, ihre Dividende auf rent könnte die Salzdetfurth übernehmen. mit dem hessischen Finanzministerium eine Allerdings folgten danach noch lang- 10 Prozent zu reduzieren. Nach dem Erwerb zweier großer Aktien- tragbare steuerliche Regelung, insbesondere wierige gerichtliche Auseinandersetzungen Auch der Vorstand der Salzdetfurth AG pakete hielt die Wintershall AG überraschend der Erbschaftssteuer, vereinbart worden war, über die Höhe der Abfindung der Kleinaktio- um den Vorsitzenden Clemens von Velsen schnell 43,4 Prozent der Aktien der Salzdet- fand die BASF die Wintershall-Aktionäre mit näre, die erwartet hatten, für neun Winters- wusste, dass das Unternehmen – auf sich allein furth AG. Der Rest des Kapitals von insgesamt BASF-Aktien ab. Zur Übernahme der Gewerk- hall-Aktien zehn BASF-Aktien zu bekommen. gestellt – gegen die Kanadier und gegen die 125 Millionen Mark verteilte sich auf etwa schaften Thea und Wintershall sowie der Win- Als der Aktientausch anders geregelt wurde, mit der BASF verbundene Wintershall AG 10.000 freie Aktionäre. Auch die Bankenver- tershall AG beschloss eine außerordentliche war die Enttäuschung der Kleinaktionäre groß. kaum eine Chance auf dem Weltmarkt haben treter im Salzdetfurth-Aufsichtsrat befürwor- BASF-Hauptversammlung am 20. Dezember Allgemein wurde der Kauf als „Schnäppchen“ würde. Das wurde umso dringender, als sich teten die Aktion. Als der Vorstandsvorsitzende 1968 eine Kapitalerhöhung um rund 164 Mil- für die BASF gewertet, auch wenn er die finan- bei der Salzdetfurth AG die schlechten Nach- der Salzdetfurth AG, Clemens von Velsen, lionen Mark zur Ausgabe von rund 3,3 Millionen ziellen Ressourcen der BASF mit ihren vier richten häuften, besonders vom Großen durch die steigenden Aktienkurse bemerkte, Aktien im Nennwert von 50 Mark. Die Gewer- Milliarden Mark Umsatz sehr stark belastete. Salzsee. dass sein Unternehmen aufgekauft wurde, ken (Anteilseigner) der Gewerkschaft Thea „Gespräche und Planspiele über eine war es für Gegenmaßnahmen bereits zu spät. bekamen für jeden Kux neue BASF-Aktien im Kooperation hatte es bereits seit Jahren gege- Vor diesem Hintergrund stimmte Nennwert von rund 500.000 Mark, die Win- ben“, so der frühere Salzdetfurth-Vorstand Clemens von Velsen zu, die Kali- und Stein- tershall-Aktionäre erhielten für zehn Winters- Max-Stephan Schulze, „sie waren aber abge- salzaktivitäten von Salzdetfurth und Winters-

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Eröffnungsfeier der kanadischen Alwinsal Das neue Unternehmen „Kali und Salz“ im Jahr 1967 (v.l.n.r.): Dr. Josef Rust, Vor- standsvorsitzender der Wintershall AG, Pierre Julien Couture, Aufsichtsratsvorsit- Mit der Wintershall AG als beherrschender Aktionäre der Wintershall AG und der Salz- zender der französischen EMC, Clemens Gesellschafterin der Salzdetfurth AG war nun detfurth AG stimmten am 9. Juni in Kassel von Velsen, Vorstandsvorsitzender der der Weg zur gemeinsamen „Kali und Salz“ frei. und am 25. Juni 1970 in Hannover dieser Salzdetfurth AG, Heinrich v. Hundels- Genutzt wurde dafür die 1956 gegründete Transaktion zu. hausen, Vorstandsmitglied der Winters- hall AG, Dr. Henry Bornemann, Konsul der „Gesellschaft für Kali-Interessen mbH“ (GKI), Die BASF-Tochter Wintershall AG Bundesrepublik Deutschland in Winnipeg, die in „Kali und Salz GmbH“ umbenannt wurde. (einschließlich der Burbach-Kaliwerke AG) Dr. Heinz Foerstner, Vorstandsmitglied In diese Gesellschaft brachten Wintershall und sowie die Salzdetfurth AG hielten nun jeweils der Salzdetfurth AG, Herbert W. Fox, Salzdetfurth zum 1. Juli 1970 alle inländischen 50 Prozent des Kapitals der neuen Kali und Vorstandsmitglied der Wintershall AG, und schließlich H. O. Behrendt, Geschäfts- Kali- und Steinsalzaktivitäten sowie den Verkauf Salz GmbH. Die Düngemittel-Beteiligungen führer der Verkaufsgemeinschaft Deut- sämtlicher Produkte ein. Die „Alwinsal“ in (Chemische Fabrik Kalk, Guano-Werke, Gewerk- scher Kaliwerke GmbH. Kanada war bereits eine 50-prozentige Tochter- schaft Victor) sowie die ausländischen Tochter- gesellschaft der GKI. Die Beteiligung ging nun unternehmen („Great Salt Lake“ in den USA, auf die neue Kali und Salz GmbH über. Die „Pec-Rhin“ in Frankreich) verblieben bei den jeweiligen Muttergesellschaften. Am 5. März 1971 beschloss eine Der Bohrwagenfahrer Helmut Grunewald außerordentliche Gesellschafterversammlung vom Kaliwerk Neuhof-Ellers ist als „einer die schon zuvor geplante Umwandlung der von zehntausend“ Mitarbeitern der neuen Wintershall-Finanzdirektor Helmut tion in Deutschland doch bei 54 Prozent, der GmbH in eine Aktiengesellschaft, die „Kali Kali und Salz GmbH auf dem Titelbild der Klucke begann im Frühjahr 1969 alle Anteil der Salzdetfurth AG aber nur bei 34 Pro- und Salz AG“, die am 27. August 1971 in das ersten Werkzeitschrift abgebildet. erreichbaren Aktien der Salzdetfurth aufzukaufen. Helmut Klucke war von zent. Außerdem forderte Clemens von Velsen, Kasseler Handelsregister eingetragen wurde. 1974 bis 1986 Finanzvorstand bei dass die Salzdetfurth AG über ihren Anteil am Das Aktienkapital der AG betrug 200 Millio- Wintershall sowie Kali und Salz. Gewinn der gemeinsamen Kali und Salz GmbH nen Mark. Die Gesellschaft hatte einen Anteil frei verfügen könne. Die Wintershall AG wollte von 88 Prozent an der westdeutschen Kali- eigentlich nicht mit ihren Gewinnen die defizi- erzeugung. Die übrige Produktion stammte tären Geschäftszweige der Salzdetfurth unter- aus den Werken Friedrichshall und Ronnen- stützen, stimmte aber im Interesse einer neuen berg der Kali-Chemie AG, die mehrheitlich Chance für die Kaliindustrie den Forderungen der Deutsche Solvay Werke GmbH gehörte. der Salzdetfurth zu. Bald war jedoch klar, dass die verblie- Die Unternehmen setzten daher eine bene Salzdetfurth AG ohne ihre deutschen gemeinsame Kommission ein, um das Substanz- Kali- und Steinsalzwerke nicht lebensfähig war. vermögen beider Unternehmen zu bewerten. Von den anderen Tochterunternehmen erwirt- Dabei stellte sich bald heraus, dass die Salzdet- schaftete die CFK 1971 einen operativen Ge- furth AG ihre Beteiligungen in Nordamerika winn, die COMPO und die noch junge kana- hall in einem gemeinsamen Tochterunterneh- (Alwinsal und Großer Salzsee) zu hoch einge- dische Alwinsal allerdings Verluste. Die größte men, der „Kali und Salz GmbH“, zusammen- schätzt hatte. Ein 50-Prozent-Anteil am neuen Gefahr für die Salzdetfurth AG ging allerdings zufassen. Die Verhandlungen zwischen den gemeinsamen Tochterunternehmen wäre nur vom gescheiterten „Salzsee-Projekt“ in Utah beiden Unternehmen waren allerdings äußerst dann zu erreichen gewesen, wenn die Salzdet- aus (siehe Kasten Seite 165). Ende 1971 musste schwierig, denn Clemens von Velsen forderte furth neben dem Kali- und Steinsalzvermögen die Salzdetfurth AG ankündigen, für das Jahr eine Gleichrangigkeit zwischen beiden Mutter- noch weitere Beteiligungen eingebracht hätte; 1971 keine Dividende zahlen zu können, und Unternehmen sowie eine paritätisch besetzte dazu gehörte neben einer 25-prozentigen 1972 war sie angesichts der enormen Abschrei- Geschäftsführung der GmbH mit einem Spre- Beteiligung an dem Transport- und Lagerhaus- bungen von 65 Millionen Mark für das Salz- cher von der Salzdetfurth AG an der Spitze. Unternehmen „UNION Schiffahrt“ auch ein see-Projekt finanziell am Ende. Die Forderung nach einer 50-prozentigen „dicker Scheck“, so das spätere Kali und Salz- Die Lösung bestand in einem zweiten Beteiligung der Salzdetfurth am neuen Unter- Vorstandsmitglied Dr. Willi Heim, der für großen gesellschaftsrechtlichen Schritt, der in nehmen war aber nur schwer zu realisieren, die Salzdetfurth AG Mitglied der Bewertungs- mehreren komplizierten Stufen schließlich zur lag der Anteil der Wintershall an der Kaliproduk- kommission war. Kali und Salz AG (neu) führte.

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Die Geschäftsführung der neuen Kali und Salz Dr. Hans Moell – Aufsichtsratsvorsitzender 1970 bis 1982 Die Geschäftsführung der am 1. Juli 1970 aus der „Gesellschaft für Kali-Interessen mbH“ (GKI) entstandenen „Kali und Salz Die BASF-Gruppe blieb bei der Besetzung des neuen Vorstands GmbH“ und der Vorstand der am 27. August 1971 gebildeten im Hintergrund, sicherte sich aber durch die Berufung ihres „Kali und Salz AG“ (alt) wurde paritätisch besetzt: Sprecher der Vorstandsmitglieds Dr. Hans Moell am 8. Juni 1970 zum Auf- GmbH-Geschäftsführung wurde zunächst Max-Stephan Schulze sichtsratsvorsitzenden der Kali und Salz GmbH und ab 1971 von der Salzdetfurth AG, der gleichzeitig das Personal-Ressort der Kali und Salz AG ihren Einfluss als indirekter Mehrheits- leitete (Vorstand bis 1983). Am 14. September 1972 wurde gesellschafter. 1920 in Freiburg i.B. geboren, studierte Hans Dr. Ernst Denzel von der Wintershall AG Vorstandsvorsitzender Moell Pharmakologie und Chemie und kam 1953 zur BASF. der Kali und Salz AG (Vorstand bis 1975), der gleichzeitig seit 1966 wurde er stellvertretendes und 1968 ordentliches Vor- 1970 für Finanzen zuständig war. Von der Salzdetfurth AG kam standsmitglied für das Ressort Personal und Soziales. Seit 1970 1970 außerdem der Geschäftsführer für Bergbau Dr. Willi Heim war er für das Ressort Grund- und Agrochemikalien, Gas und (Vorstand bis 1989), von der Wintershall AG der Geschäftsführer Öl zuständig. In dieser Funktion trieb er die Eigenversorgung für Produktion Professor Dr. Arno Singewald (Vorstand bis 1989). der BASF mit Rohstoffen voran. Von 1972 bis 1975 war Moell Leiter des Verkaufsressorts wurde am 1. Januar 1971 (Vorstand gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Wintershall AG, die er bis 1990) Ralf Zimmermann v. Siefart, bis dahin Geschäftsführer erfolgreich in die BASF integrierte. Bis zu seiner Pensionierung der „Verkaufsgemeinschaft Deutscher Kaliwerke“ (VDK) in 1982 blieb er BASF-Vorstandsmitglied und Aufsichtsratsvor- Hannover. Die Vertriebsorganisation der VDK wurde als Ver- sitzender der Kali und Salz AG. Er starb im Jahr 2000. kaufsressort der Kali und Salz GmbH übernommen. Nach der Umwandlung der Kali und Salz AG (alt) in die Kali und Salz AG (neu) wurde der Vorstand am 8. August 1972 durch Anton Ubbenjans (Technik, bis 1978) ergänzt. Sitz der neuen Gesell- schaft wurde Kassel, wo sie Räume im Gebäude der Winters- hall AG bezog. Dr. Josef Rust und Clemens von Velsen gehörten ab dem Das Fiasko der Salzdetfurth AG am Großen Salzsee 11. September 1970 dem Aufsichtsrat der Kali und Salz GmbH und der späteren AG an. Anders als Rust, der bis 1978 im Auf- Im Dezember 1970 wurde – nach fünf Jahren Entwicklung, drei trennten. Auch die geplante Verwertung der Magnesiumchlorid- sichtsrat tätig war, schied von Velsen 1972 aus dem Aufsichts- Jahren Bauzeit und 35 Millionen Dollar Investitionssumme – die Laugen konnte nicht verwirklicht werden. Für mehrjährige Verlust- rat aus. Von seinem Posten als Vorstandsvorsitzender der Salz- Produktionsanlage der „Great Salt Lake Minerals & Chemicals Corp.“ übernahmen waren aber weder die Salzdetfurth AG noch Gulf Re- detfurth AG trat er bereits zum 29. Juni 1971 zurück und wurde (GSL) in Ogden/Utah in Betrieb genommen, zunächst „mit befriedi- sources finanziell stark genug. Das Engagement der Salzdetfurth AG zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates gewählt. Sein Nachfolger gendem Erfolg“. Die Salzdetfurth AG hatte zwar viel Geld investiert, am Großen Salzsee entwickelte sich zum wirtschaftlichen „Fiasko“ als Vorstandsvorsitzender war bis zur Umfirmierung der Salz- aber dennoch gehörte ihr die GSL nur zu 49 Prozent. Zu 51 Prozent für Salzdetfurth (Süddeutsche Zeitung). Nach eingehenden techni- detfurth AG in die Kali und Salz AG (neu) am 7. August 1972 gehörte sie der „Gulf Resources & Chemicals Corp.” in Houston schen und wirtschaftlichen Untersuchungen fiel auf Drängen der Dr. Willi Danz. (siehe Kapitel 4, Seite 130f). Die geplante Mineralsalzgewinnung Wintershall die Entscheidung, sich von dem „Fass ohne Boden“ aus dem Wasser des Großen Salzsees vor allem zur Produktion von (Helmut Klucke) zu trennen – gegen den erbitterten Widerstand Kaliumsulfat war jedoch viel schwieriger als anfangs gedacht. Vor seitens Clemens von Velsens, der nach wie vor an den Erfolg des allem die Salzkonzentration des Sees (und damit der durch Verduns- Engagements glaubte. Am 8. Mai 1973 verkaufte die Kali und Salz tung entstehende Salzertrag) schwankte erheblich – je nachdem, AG ihre Beteiligung und verabschiedete sich von den „unkalkulier- wie viel Regen gefallen war und wie viel Schmelzwasser in den See baren Risiken“ am Großen Salzsee. Die hohen Abschreibungen von Max-Stephan Schulze, Sprecher der Dr. Hans Moell, Aufsichtsratsvorsitzender Geschäftsführung der Kali und Salz GmbH der Kali und Salz GmbH gelangte. Langfristig konnte der Salzgehalt des Sees sogar abneh- 96 Millionen Mark (90 Prozent des Salzdetfurth-Kapitals), davon allein men, denn der Eisenbahndamm, der den hochprozentigen Südteil 65 Millionen Mark für das Salzsee-Engagement, hatten der Salzdet- des Sees vom niederprozentigen Nordteil trennte, wurde mehrfach furth AG finanziell den Todesstoß versetzt und belasteten auch die vom Wasser durchbrochen. Die „Ernte“ im Salzsee in der zweiten erste Bilanz der 1972 gebildeten Kali und Salz AG (neu) erheblich: Jahreshälfte 1971 fiel aufgrund ergiebiger Regenfälle katastrophal „Im Großen Salzsee ... ist die Salzdetfurth AG untergegangen“, aus. Angesichts des steigenden Wasserstandes mussten die Deiche bilanzierte die Frankfurter Börsen-Zeitung im Mai 1973. erhöht werden, die die Verdunstungsbecken (Bild 1974) vom See

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Mit Hilfe der Bankenvertreter im Salzdetfurth- kräftig. Damit war der Firmenname Salzdet- Aufsichtsrat wurden 1972 die notwendigen furth AG erloschen. aktienrechtlichen Beschlüsse herbeigeführt: Die letzte Hauptversammlung der Salz- Dr. Ernst Denzel – Vorstandsvorsitzender der Kali und Salz AG 1972–1975 Die Hauptversammlung der Salzdetfurth AG detfurth AG am 13. Juli 1972 verlief überaus vom 13. Juli 1972 beschloss, das Grundkapital turbulent. Zahlreiche aufgebrachte Aktionärs- Am 14. September 1972 wurde Dr. Ernst Denzel Vorstandsvorsitzender der Kali und Salz AG. von 125 Millionen Mark (Wintershall-Beteili- vertreter und viele alte und treue Salzdetfurth- 1920 in Wetter an der Ruhr geboren, studierte Ernst Denzel nach Krieg und Gefangenschaft in gung: 43,4 Prozent) auf 250 Millionen Mark Aktionäre fühlten sich von Wintershall und Köln Betriebswirtschaft und promovierte 1950. Im selben Jahr trat er in die Wintershall AG ein, zu erhöhen, wobei das gesetzliche Bezugsrecht BASF über den Tisch gezogen. Sie kritisierten arbeitete auf verschiedenen Werken und leitete schließlich den Geschäftsbereich Erdöl- und Erdgas- der außen stehenden Aktionäre ausgeschlossen heftig das „Missmanagement“ des Salzdetfurth- gewinnung in der Kasseler Hauptverwaltung. 1967 wurde er Vorstandsmitglied der Wintershall AG, wurde. Weitere Beschlüsse waren die Umwand- Vorstands am Großen Salzsee und zweifelten zuständig u.a. für Finanzen. Bei der Gründung der Kali und Salz GmbH im Jahr 1970 wurde er der lung der Kali und Salz AG (alt) auf die Salzdet- die Unternehmensbewertung der Salzdetfurth für Finanzen zuständige Geschäftsführer. Von 1972 bis 1975 war er Vorstandsvorsitzender der Kali furth AG, die Änderung des Firmennamens in an. Einige Aktionäre warfen Wintershall vor, und Salz AG, bevor er 1975 als Finanzchef in den BASF-Vorstand wechselte. Kali und Salz AG (neu) und die Sitzverlegung Salzdetfurth ausgebeutet und „kaputtgerech- von Hannover nach Kassel. net“ zu haben. Am Ende aber genehmigte die Die Umwandlung vollzog sich in zwei Hauptversammlung mit überwältigender Schritten: Zunächst brachte die Wintershall Mehrheit die Beschlussvorlagen. Die Winters- Der Aufsichtsratsvorsitzende der AG ihre Beteiligung an der Kali und Salz AG hall erhöhte die bereits zugesagte Garantiedivi- Wintershall AG, Dr. Josef Rust, bei (alt) in Höhe von 85,7 Millionen Mark (42,8 dende für die Minderheitsaktionäre von 5 auf der Eröffnungsansprache zur Haupt- Prozent) als Sacheinlage in die Salzdetfurth AG 7,5 Prozent. Trotzdem klagte die Frankfurter versammlung der Wintershall AG am ein und erhielt dafür nominell 107,1 Millionen Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre gegen 9. Juni 1970 in Kassel. Links von ihm Die Logos der Salzdetfurth AG, der die Vorstandsmitglieder Dr. Otto Roser Wintershall AG und der Kali und Salz AG Mark Salzdetfurth-Aktien. Das Umtauschver- Kali und Salz und den Ausschluss der freien und Dr. Hans-Lothar Pallas. hältnis betrug acht Kali und Salz-Aktien im Aktionäre vom Bezugsrecht bei der Erhöhung Nennwert von 100 Mark für zehn Salzdetfurth- der Wintershall-Beteiligung an Salzdetfurth Aktien im gleichen Nennwert. Die Salzdetfurth gegen Sacheinlage – allerdings erfolglos. AG besaß nach der Übernahme des Winters- Die kartellrechtliche Genehmigung hall-Anteils zusammen mit ihrem Anteil von des Zusammenschlusses war hingegen kein 50 Prozent nunmehr eine Beteiligung von Problem, denn das Kartellamt sah in der neuen 92,8 Prozent an der Kali und Salz AG (alt). Firma eine Fortführung des alten Rationali- Diese Beteiligung gab der Salzdetfurth AG das sierungskartells aus den 1950er Jahren. Weil Recht, die Kali und Salz AG (alt) auf sich um- die deutschen Landwirte weiterhin das Kali zuwandeln. in ganz Deutschland zum gleich günstigen Mit Erlöschen der Kali und Salz AG (alt) Preis beziehen konnten, stimmten auch die schied auch die Burbach-Kaliwerke AG als Aktio- Vertreter der Landwirtschaft dem Zusammen- Ein Teil des Vorstandes und Aufsichts- närin aus. Sie erhielt für ihren Beteiligungswert schluss zu. rates der Salzdetfurth AG bei der Haupt- versammlung am 25. Juni 1970 in entsprechende Aktien der Kali und Salz AG Diese Kalifusion war ein Markstein im Hannover. Vorstandsvorsitzender (neu). Damit waren die Wintershall AG mit jahrzehntelangen Konzentrationsprozess, der Clemens v. Velsen erstattet den Bericht 64,6 Prozent und die Burbach-Kaliwerke AG unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg begonnen des Vorstandes. mit 7,2 Prozent am Grundkapital von 250 Mil- und in der Zwischenkriegszeit mit den Kon- lionen Mark der Kali und Salz AG (neu) betei- zernbildungen um Wintershall, Salzdetfurth ligt. Der Rest befand sich in Streubesitz. Die und Burbach seinen ersten Höhepunkt erreicht BASF war über die Wintershall AG Mehrheits- hatte. Nun war der Weg frei für die Rationali- aktionärin. Alle Hauptversammlungsbeschlüsse sierungen und Modernisierungen, die die vom 13. Juli 1972 wurden mit Eintragung in 1970er und 1980er Jahre der westdeutschen das Handelsregister am 7. August 1972 rechts- Kaliindustrie prägen sollten.

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Die Kali- und Steinsalzwerke in der Bundesrepublik Deutschland 1970

Kali und Salz Niedersachsen (Raum Hannover/Braunschweig) Baden (Oberrhein) Braunschweig-Lüneburg in Grasleben Buggingen bei Müllheim Steinsalzwerk, abgeteuft 1910-1912, ehemals Salzdetfurth, Kaliwerk, abgeteuft 1922-1928, bis 1965 Preussag, 2006 aktiv dann Wintershall, Stilllegung 1973 Sigmundshall in Wunstorf-Bokeloh Kaliwerk, abgeteuft 1898-1904, ehemals Salzdetfurth, Kali-Chemie 2006 aktiv Niedersachsen (Raum Hannover) Niedersachsen-Riedel in Hänigsen/Wathlingen Ronnenberg bei Hannover Kali- und Steinsalzwerk, abgeteuft 1905-1910, Kaliwerk, abgeteuft 1898-1905, 1975 abgesoffen ehemals Burbach, Stilllegung 1996 Friedrichshall in Sehnde Bergmannssegen-Hugo in Sehnde-Ilten Kaliwerk, abgeteuft 1902-1905, Fabrik 1981 stillgelegt, Kaliwerk, abgeteuft 1908-1911, ehemals Wintershall, Grube (verbunden mit Bergmannssegen-Hugo) 1994 Grube 1994 stillgelegt, Fabrik 2006 aktiv stillgelegt Salzdetfurth in Bad Salzdetfurth Kaliwerk, abgeteuft 1896-1899, ehemals Salzdetfurth, Solvay Stilllegung 1993 Nordrhein-Westfalen (Niederrhein) Siegfried-Giesen in Groß-Giesen Borth bei Rheinberg Kaliwerk, abgeteuft 1906-1909, ehemals Burbach, Steinsalzwerk, abgeteuft bis 1908, 2004 über esco an K+S, Stilllegung 1987 2006 aktiv Hope in Lindwedel Kaliwerk, abgeteuft 1909-1912, ehemals Salzdetfurth, Südwestdeutsche Salzwerke (SWS) Stilllegung 1982 Baden-Württemberg Mariaglück in Höfer Heilbronn Steinsalzwerk, abgeteuft 1911-1915, ehemals Salzdetfurth, Steinsalzwerk, abgeteuft 1884-1885, 2006 aktiv Stilllegung 1977 Bad Friedrichshall-Kochendorf Hansa(-Silberberg) in Ronnenberg-Empelde Steinsalzwerk, abgeteuft 1896-1899, Kali- und Steinsalzwerk, abgeteuft 1896-1907, Produktion 1994 stillgelegt ehemals Salzdetfurth, Stilllegung 1973 Bayerische Berg-, Hütten- und Salzwerke (BHS), oben Außenansicht des ehemaligen Hessen (Werra-Fulda-Revier) heute Tochter der SWS Wintershall-Werkes Neuhof-Ellers in Wintershall in Bayern den 1970er Jahren Kaliwerk, abgeteuft 1900-1903, ehemals Wintershall, Berchtesgaden 2006 aktiv Salzbergwerk, Stollen angeschlagen 1517, 2006 aktiv links Einfahrt in ein Kalibergwerk (1969) Hattorf in Philippsthal rechts Das Steinsalzwerk Mariaglück in Kaliwerk, abgeteuft 1905-1908, ehemals Salzdetfurth, Wacker-Chemie Höfer bei Eschede (Foto 1972) gehörte 2006 aktiv Baden-Württemberg zur Salzdetfurth AG und wurde 1977 Neuhof-Ellers in Neuhof Stetten in Haigerloch stillgelegt. Kaliwerk, abgeteuft 1905-1907, ehemals Wintershall, Steinsalzwerk, abgeteuft 1854-1857, 2006 aktiv 2006 aktiv

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persönlich verantwortlicher Generaldirektor stand. Tatsächlich aber verfügten die Kombi- nate zur Realisierung ihrer Ziele nur über eine sehr begrenzte Selbstständigkeit. Die General- direktoren waren dem zuständigen Fachminis- ter direkt unterstellt und konnten von ihm berufen oder abgelöst werden. Jeden Montag musste etwa der Generaldirektor des Kalikom- binats beim zuständigen DDR-Minister für Erzbergbau, Metallurgie und Kali (EMK) über die Planerfüllung seines Kombinats Rechen- schaft ablegen. Die Kali- und Steinsalzwerke der DDR wurden mit ihren Zuliefer- und Absatzunter- nehmen in sieben regional und fachlich orien- tierte Betriebe innerhalb des Kombinats aufge- teilt. Außerdem gehörten das 1955 gegründete Kaliforschungsinstitut in Sondershausen mit etwa 450 Mitarbeitern und das 1953 gegrün- dete Kali-Ingenieurbüro in Erfurt mit etwa 200 Mitarbeitern zum Kombinat. Insgesamt beschäftigte das Kalikombi- nat Anfang der 1970er Jahre mehr als 30.000 Die Gründung des VEB Kombinat Kali Mitarbeiter, darunter – auch im gewerblichen Der Generalsekretär der SED, Erich in der DDR Bereich – sehr viele Frauen. Allerdings arbeitete Honecker (im Bild vorne links), besuchte am 15. Januar 1976 das Kaliwerk in nur ein Teil der Beschäftigten im Bergbau. An- Merkers. Praktisch zeitgleich mit der Kalifusion in West- in Sondershausen zusammengefasst: So sollten dere arbeiteten in den sozialen Einrichtungen deutschland kam es in der DDR – im Zug der die Produktion erhöht und unterschiedliche der Betriebe (Küche, Kindergarten, Ferienheime beginnenden Kombinatsbildung – zu einem technische Entwicklungen der Werke bei Berg- usw.), im Maschinen- und „Rationalisierungs- organisatorischen Zusammenschluss der Kali- bau und Verarbeitung vermieden werden. mittelbau“ und in der Konsumgüterproduktion. industrie. Die Gründe für die Fusionen waren Die Gründung des VEB Kombinat Kali allerdings unterschiedlich: Im Westen mussten stand am Anfang einer umfassenden Kombi- die Kosten gesenkt werden, um auf dem Welt- natsbildung in der DDR, die Ende der 1960er markt konkurrenzfähig zu bleiben. Im Osten Jahre unter dem Schlagwort „sozialistische sollte die Kaliproduktion so weit wie möglich Großproduktion“ eingeleitet wurde. Bis Ende gesteigert werden, um durch deren Export der 1970er Jahre wurden sämtliche überbe- Das Direktorium des Kalikombinats möglichst viele Devisen erwirtschaften. Da die trieblichen Zusammenschlüsse in 147 Kombi- DDR ihre Arbeiter und Angestellten in nicht- nate umgewandelt. Mit diesen Kombinaten Generaldirektor des Kalikombinats war von 1970 bis 1990 Dr. Ing. Heinrich konvertierbarer Ostmark bezahlte, spielten die sollten wenige, besser überschaubare sowie Taubert (Bild). Taubert stammte aus Dankmarshausen an der hessisch-thüringi- eigenen Kosten keine Rolle, so dass die DDR zentral steuerbare Wirtschaftseinheiten ge- schen Grenze. Sein Vater war vor dem Krieg auf dem Werk Wintershall beschäftigt, ihre Kalipreise in Dollar dem Weltmarktniveau schaffen werden. Die Kombinate sollten außer- wo er selbst noch als Lehrling gearbeitet hatte. Dr. Taubert unterstanden sechs anpassen konnte. dem die Produktionsbasis zentralisieren, die fachlich zugeordnete Direktoren für Ökonomie (Dr. Willing), für Kader und Bis 1970 hatten die einzelnen Kaliwerke Zulieferung sichern, die industrielle Forschung Bildung (Rosenbaum), für Forschung und Entwicklung (Prof. Duchrow), für oben links Moderne Technik in der DDR: der „Vereinigung Volkseigener Betriebe“ (VVB) vorantreiben und das System der sozialistischen Technik (Seesemann) und für Produktion (Bachmann) sowie für Beschaffung Die zentrale Fabrikwarte des Kaliwerkes in Erfurt oftmals recht selbstständig agiert. Planwirtschaft verbessern. und Absatz (Rug). Daneben gab es in der Kombinatsleitung einen Beauftragten Zielitz (um 1973) Mit der neuen Kombinatsstruktur wurden ab Organisiert waren die Kombinate als des Ministeriums für Staatssicherheit. oben rechts DDR-Kalikumpel bei der 1. Januar 1970 alle Werke unter dem Dach des juristisch selbstständige Wirtschaftseinheiten Einfahrt in den Schacht volkseigenen Betriebs „VEB Kombinat Kali“ mit einem Direktorium, an dessen Spitze ein

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linke Seite oben Das Kaliwerk „Ernst Thälmann“ in Merkers war eines der Die Betriebe des VEB Kombinat Kali (1970) wichtigsten Werke des Kalikombinats.

VEB Kalibetrieb „Südharz“ linke Seite Mitte Das Kaliwerk „Glück- auf“ in Sondershausen. In Sondershausen „Glückauf“ Sondershausen war auch die Kombinatsleitung des abgeteuft 1893-1895, ehemals Wintershall, Stilllegung 1991 1970 gegründeten „VEB Kombinat Kali“ „Karl Marx“ Sollstedt angesiedelt. abgeteuft 1902-1904, ehemals Salzdetfurth, Stilllegung 1990 linke Seite unten Montagehallen des „Karl Liebknecht“ Bleicherode Bergwerksmaschinenbaus in Dietlas abgeteuft 1899, ehemals Preussag, Stilllegung 1990 „Heinrich Rau“ Roßleben links Kalikumpel bei der Einfahrt abgeteuft 1903-1905, ehemals Salzdetfurth, Stilllegung 1991 (Merkers) „Thomas Müntzer“ Bischofferode (früher „Bismarckshall“) rechts Der Bohrwagenfahrer Hans Wittig abgeteuft 1912-1915, ehemals Wintershall, Stilllegung 1993 vom Kalibergwerk Unterbreizbach Volkenroda-Menteroda bekam 1976 den „Vaterländischen abgeteuft 1906-1909, ehemals Burbach, Stilllegung 1991 Verdienstorden in Gold“ der DDR.

VEB Kalibetrieb „Werra“ „Ernst Thälmann“ Merkers (früher „Kaiseroda“) abgeteuft 1895-1901, ehemals Wintershall, Stilllegung 1993 * Integration und Neuorganisation im Westen „Marx-Engels“ Unterbreizbach (früher „Sachsen-Weimar“) abgeteuft 1905-1910, ehemals Wintershall, 2006 aktiv * Anders als im Westen herrschte in der Kaliindustrie der DDR Die Integration der beiden Unternehmen Salzdetfurth und „Wilhelm Pieck“ in Dorndorf (früher „Heiligenroda“) stets ein Mangel an Arbeitskräften, weil man – statt teurer und Wintershall in der neuen Kali und Salz war eine Herausforde- abgeteuft 1913, ehemals Wintershall, Stilllegung 1991 importierter Technik, etwa schwerer Bergwerksmaschinen – rung, denn Organisation und Unternehmenskultur der Werke häufig mehr Menschen einsetzte. Hinzu kamen lange Warte- waren sehr unterschiedlich. Während die Wintershaller in der VEB Kalibetrieb Zielitz und Stillstandszeiten, wenn die Produktion etwa aus Material- Branche spöttisch als „Ölhändler“ bezeichnet wurden, nannte „Ernst Schneller“ (Umbenennung 1982) Zielitz mangel stockte. Diese Wartezeiten mussten durch Überstunden man die Salzdetfurther „Glückauf-Schreier“: Hier gaben Berg- abgeteuft 1967-1969, Produktionsaufnahme 1973, 2006 aktiv * wieder ausgeglichen werden, was sich negativ auf die Arbeits- leute den Ton an, bei der Wintershall dagegen Kaufleute. So moral auswirkte. Die sinkende Arbeitsintensität führte zwangs- waren die Salzdetfurther stets stolz auf den bergbautechnischen VEB Kali- und Steinsalzbetrieb „Saale“ läufig zu einem Rückgang der Arbeitsproduktivität. Zahlreiche Vorsprung gegenüber Wintershall, während Wintershall den Bernburg (Kali-, ab 1974 nur noch Steinsalzwerk) Mitarbeiter wurden zudem durch aufwändige Reparaturen, die betriebswirtschaftlichen Erfolg und die eigene Sparsamkeit abgeteuft 1912-1914, ehemals Wintershall, 2006 aktiv * Herstellung von Ersatzteilen, Instandsetzungsarbeiten veralteter betonte. „Salzdetfurth war im Kali- und Steinsalzgeschäft gut Staßfurt (Kali- und Steinsalzwerk) und überlasteter Maschinen oder durch technische Improvisa- im Geld-Zusammenbringen, Wintershall im Geld-Zusammen- abgeteuft 1851, ehemals Preussag, Stilllegung 1973 tionen gebunden. Die Rationalisierungen und die Verbesserung halten“, brachte es Heinrich von Hundelshausen, Vorstand Teutschenthal (Kali- und Steinsalzwerk), früher „Deutschland“ der Arbeitsorganisation dienten deshalb in der DDR weniger der Wintershall AG, später auf den Punkt. Planzahlen lehnte abgeteuft 1905-1906, ehemals Burbach, Stilllegung 1982 dazu, Personalkosten zu sparen, sondern um Arbeitskräfte zu Clemens von Velsen strikt ab („Wir sind nicht die DDR!“). Statt- Saline Oberilm, abgeteuft 1904, Stilllegung 1999 gewinnen, die an anderen Stellen dringender gebraucht wurden. dessen gab er seinen Leuten lieber eine Investitionssumme vor, Die Konzentration der Kaliproduktion in einem Groß- die sie ausgeben durften. VEB Fluß- und Schwerspatbetrieb Lengenfeld kombinat war erfolgreich. Die DDR steigerte ihre Kaliproduk- Hatte die Salzdetfurth AG moderne Bergwerke, aber

tion von 2,4 Millionen Tonnen K2O im Jahr 1970 auf 3,5 Millio- Finanzprobleme, so verdiente die Wintershall AG viel Geld –

VEB Bergwerksmaschinen Dietlas nen Tonnen K2O in den 1980er Jahren. 75 bis 80 Prozent dieser allerdings vor allem mit Öl. Während die Salzdetfurth AG eine Produktion wurden exportiert – vornehmlich in den „nicht- offen organisierte Publikumsgesellschaft mit breit gestreuten BERGBAU-HANDEL Gesellschaft für Ausfuhr und Einfuhr sozialistischen Wirtschaftsraum“, wo die DDR existenzwichtige Aktien und hoher Dividende war, gehörte die Wintershall AG von Bergbauerzeugnissen m. b. H., Berlin Devisen erwirtschaften konnte. Das bedeutete, dass die DDR mehrheitlich den beiden Familien Rosterg und Quandt. Aus 1981–1990: VE Außenhandelsbetrieb KALI-BERGBAU, Berlin auf den Weltmärkten, in Asien, Nord- und Südamerika, als diesem Grund hatten dort die Banken keinen Einfluss. August Konkurrent der Kali und Salz AG auftrat. Kosten spielten im Rosterg hatte sie bereits Ende der 1920er Jahre aus dem Auf- * seit 1993 Kali und Salz Kalikombinat keine wesentliche Rolle. Der Staat finanzierte sichtsrat gedrängt. Im Salzdetfurth-Aufsichtsrat saßen dagegen die Investitionen und vereinnahmte die Gewinne. zahlreiche Bankenvertreter. Daher schüttete die Salzdetfurth

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eher Gewinne aus, während Wintershall Walterspiel – während die jüngere Generation eine Thesaurierungspolitik verfolgte und die der Vorstände gut miteinander auskam. „Das Die deutsch-französische Zusammenarbeit beim Kali Gewinne möglichst im Unternehmen beließ. war später eine große Hilfe bei der Fusion“, Die Salzdetfurth AG galt als „feiner so Max-Stephan Schulze. In Westeuropa war Kali und Salz nun der größte Kaliproduzent. Laden mit kleiner Hauptverwaltung“ und war Schwieriger war es, unter den Beleg- Mehr als 40 Prozent der westeuropäischen Produktion stammte – fast wie eine Holding – mit sehr selbstständi- schaften ein „Wir-Gefühl“ zu erzeugen. Eine 1970 aus dem neuen Unternehmen. Zweitgrößter Kaliproduzent gen Werken und Tochterunternehmen aufge- der wichtigsten Aufgaben der ersten Jahre war war das französische Staatsunternehmen „Mines de Potasse baut. Die Wintershall AG war hingegen auf den daher, Ressentiments abzubauen, denn noch d’Alsace“ (MDPA), deren Produkte durch die „Société Commer- Mann an der Spitze zugeschnitten, zunächst auf jahrelang prägte der Stolz auf die eigene Her- ciale des Potasses et de l’Azote“ (SCPA) vermarktet wurden, August Rosterg, dann auf Wilhelm Zentgraf, kunft als Wintershaller oder Salzdetfurther beides Tochterunternehmen der staatlichen „Entreprise Minière später auf Dr. Josef Rust. Dieser Zentralismus die Identität unter wie über Tage. Unter Tage et Chimique“ (EMC). Seit Ende des Ersten Weltkriegs hatten die führte dazu, dass bei Wintershall ein autokrati- gingen die Unterschiede so weit, dass in der deutschen Kaliproduzenten stets eine freundschaftliche Verbin- scherer Umgangston herrschte als in der Salz- Grube Wintershall rechts gefahren wurde, dung zu den französischen Kollegen aufrechterhalten und beim detfurth. Solche atmosphärischen Unterschiede während bei Salzdetfurth im benachbarten Vertrieb sowie bei Auslandsaktivitäten zusammengearbeitet, in der Unternehmenskultur erschwerten die Hattorf das Linksfahrgebot galt. so etwa in Kanada oder bei der Pec-Rhin in Ottmarsheim (Elsass). Integration der beiden Gesellschaften. Um den Zusammenschluss möglichst Es gab immer einen regen technischen Erfahrungsaustausch Erleichtert wurde die Zusammenführung konfliktarm zu bewältigen, setzten Dr. Josef zwischen Deutschland und Frankreich. Auch im 1952 gegründe- hingegen durch den Umstand, dass die Vor- Rust und Clemens von Velsen eine Kommission ten „Internationalen Kali-Institut“ (IKI) in Bern (siehe Seite 205) stände sich untereinander gut kannten, oftmals ein (bestehend aus Dr. Heim, Schulze, Prof. arbeiteten die westdeutsche Kaliindustrie und SCPA gut zusam- dieselben Universitäten besucht hatten, gemein- Dr. Singewald und Dr. Denzel), die zusammen men. Allerdings gab es auch immer wieder Reibungspunkte, die sam in den Ausschüssen des Kalivereins saßen, mit den jeweiligen Wirtschaftsprüfern eine aus der unterschiedlichen Eigentümer- und Gesellschaftsform in der VDK miteinander über Quoten und Preise Bewertung beider Unternehmen durchführen beider Unternehmen – SCPA als abgesicherte Staatsgesellschaft, verhandelten oder zwischen den Kaliunterneh- und die zukünftige Organisation des neuen, Kali und Salz als Privatunternehmen – resultierten. Im Mai 1973 men wechselten, wie der ehemalige Salzdetfurth- gemeinsamen Unternehmens und die Auf- allerdings untersagte die EG-Kommission, um den Wettbewerb Vorstand Max-Stephan Schulze erläuterte, der gabenverteilung festlegen sollte. Dabei wurden in Europa zu stärken, aus kartellrechtlichen Gründen die Ver- 1970 Sprecher der Geschäftsführung der Kali auch bewusst personelle Umsetzungen ver- triebskooperation in den EG-Ländern. und Salz GmbH geworden war: „Alle kannten anlasst. Auch der damalige Vorsitzende des sich untereinander und es gab in der Regel eine Gesamtbetriebsrats, Willi Schüler vom Werk freundschaftliche und offene Zusammenarbeit.“ Wintershall, sowie sein Stellvertreter und Lediglich die beiden Unternehmens- Nachfolger, Wolfgang Oppermann vom Salz- lenker, Clemens von Velsen von der Salzdet- detfurth-Werk in Hattorf, hatten einen wesent- furth und Dr. Josef Rust von Wintershall, waren lichen Anteil an der erfolgreichen Zusammen- oft gegensätzlicher Auffassung, erinnert sich führung der Kali- und Steinsalzaktivitäten der spätere Vorstandsvorsitzende Dr. Otto beider Unternehmen.

oben Der ehemalige Geschäftsführer der Verkaufsgemeinschaft Deutscher Kali- werke (VDK) Ralf Zimmermann v. Siefart leitete von 1971 bis 1990 das Verkaufs- ressort in der Geschäftsführung bzw. im rechte Seite oben Französische Kali- Vorstand der Kali und Salz. kumpel im Elsass in den 1970er Jahren unten Dr. Willi Heim von der Salzdetfurth unten links Befahrungsfahrzeug AG wurde 1970 Mitglied der Geschäfts- im Kaliwerk Hattorf (1976) führung der Kali und Salz GmbH und leitete im Vorstand der Kali und Salz bis unten rechts Leitstand im Kaliwerk 1989 das Ressort Bergbau. Salzdetfurth um 1972

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linke Seite Ein moderner Fahrlader vom Typ „LF29“ in der Grube Hattorf (1976)

DIE 1970ER JAHRE: MODERNISIERUNG oben links Die Großraumzüge im Kali- werk Sigmundshall bestehen aus 12 bis UND WIRTSCHAFTLICHER ERFOLG 15 Waggons mit jeweils 30 Tonnen Nutzlast (1976).

oben rechts Flotationsanlage 1975

Investitionen und Rationalisierungen

Die erste Aufgabe des Vorstands der neuen Kali Hugo, Neuhof-Ellers, Salzdetfurth, Hattorf, Kaliumsulfatfabrik und im Werk Bergmanns- 3.000 und Salz AG war die Konsolidierung des neuen Sigmundshall und Hope konzentriert und segen-Hugo die Thomaskali-Anlage erweitert. Kieserit Unternehmens und die Straffung der Produk- gleichzeitig gesteigert werden. Parallel dazu An den Standorten Neuhof-Ellers und Winters- 2.500 tionsabläufe. Es galt, das Potenzial des Zusam- war ein Ausbau des Industriegeschäfts geplant. hall gingen die ersten Anlagen zur elektrosta- menschlusses zu nutzen, denn noch war die Auch die drei Steinsalzwerke (Niedersachsen-) tischen Trennung von Rohsalzen in Betrieb. 2.000 wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht Riedel, Braunschweig-Lüneburg und Maria- Dadurch konnten die Abwassermengen dras- sulfathaltige Kalisorten stabil, Exporte und Erträge waren rückläufig. glück sollten umstrukturiert und die Produk- tisch reduziert und die Produktion von Spezia- 1.500

Das Unternehmen investierte sehr viel Geld tion von Speise- und Gewerbesalz auf zwei litäten gesteigert werden. KCI fein (40/50% K2O) in Rationalisierungsmaßnahmen und die quali- Werke konzentriert werden. Das Werk Hattorf Von Anfang an war es das Ziel des Vor- 1.000 KCI granuliert (60% K2O) tative Verbesserung der Produktpalette, um vor übernahm bei Bedarf zusätzlich die Auftausalz- stands, alle Investitionen aus eigener Kraft zu allem das einfache 40er oder 50er-Kali durch versorgung der Kunden in Süddeutschland. erwirtschaften und eine teure Fremdfinanzie- 500 KCI granuliert (40/50% K2O) höherwertige Sorten und Spezialprodukte – Die Kali und Salz AG investierte erheb- rung zu vermeiden. Als Konsequenz aus den wie beispielsweise Kieserit und andere Magne- liche Summen in die Grubenbetriebe und in finanziellen Schwierigkeiten der Salzdetfurth AG 0 siumsalze – zu ersetzen und dazu die jeweils neue Anlagen über Tage. Während unter Tage einerseits und den langjährigen guten Erfahrun- 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 kostengünstigsten Werke zu nutzen. Die Kali- vor allem die Mechanisierung vorangetrieben gen bei der Wintershall AG andererseits wollte förderung sollte auf die acht Werke Winters- wurde, wurden über Tage unter anderem zwei Kali und Salz „jede Abhängigkeit von Bankkredi- Absatz ausgewählter Produkte der Kali und Salz AG 1971–1980 hall, Niedersachsen(-Riedel), Bergmannssegen- Anlagen ausgebaut: Im Werk Hattorf wurde die ten ausschließen“, so Dr. Otto Walterspiel. (Angaben in Tausend Tonnen Ware)

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Die wirtschaftliche Entwicklung Sowjetunion große Überkapazitäten aufgebaut Der Sitz der 1974 gegründeten der Kali und Salz AG wurden, die später auf die Preise drückten. „Kali-Export GmbH“ in Wien Angesichts der wachsenden Konkurrenz Die Investitionen waren erfolgreich und die durch kanadische und US-amerikanische Unter- Rahmenbedingungen günstig: In den 1970er nehmen gründeten die europäischen Kali- Jahren erlebte die Kali und Salz AG eine bemer- produzenten 1974 die „Kali-Export GmbH“ kenswerte Aufwärtsentwicklung. Zwischen 1971 in Wien. Die Gesellschaft bündelte den Vertrieb und 1980 konnte der Umsatz von 713 Millionen nach Übersee und verlieh der europäischen Mark auf 1,4 Milliarden Mark verdoppelt wer- Kaliindustrie so auf den Weltmärkten ein den. Mit einem Gewinn von knapp 40 Millio- größeres Gewicht. Neben den beiden großen nen Mark war 1974 das damalige „Rekordjahr“ Unternehmen Kali und Salz AG und der franzö- der deutschen Kaliindustrie (Otto Walterspiel). sischen SCPA gehörten dieser Übersee-Export- Maßgeblich für die gute Geschäftsentwicklung Gesellschaft die Kaliproduzenten aus Spanien den internationalen Wettbewerb verschärften. linke Seite oben Das „August-Rosterg- der Kali und Salz waren die Erfolge der Rationa- (Copsa), Israel (Dead Sea Works) und Großbri- Die DDR exportierte Ende der 1970er Jahre Haus“ in Kassel war Sitz der Hauptver- waltung der Wintershall AG sowie der lisierungsmaßnahmen und die günstige Nach- tannien (Cleveland Potash) an. Die neue Gesell- mehr als 80 Prozent ihrer Produktion. Aller- Kali und Salz AG. Der Erweiterungsbau frage im internationalen Düngemittelmarkt. schaft ließ sich zunächst gut an, allerdings sank dings blieb die Lage Anfang der 1980er Jahre vorne im Bild wurde 1974 bis 1976 Erst in den Jahren 1979 bis 1981 konnten die die Zahl der Mitglieder in den 1980er Jahren noch beherrschbar, denn die DDR und die so- errichtet. Gewinne diesen Wert wieder übertreffen. Die wieder: Die „Dead Sea Works“ schied wegen wjetischen Anbieter hielten ihre Marktposition linke Seite unten links Ein deutscher Kali- Kaliproduktion erhöhte sich zwar zwischen Regelverstößen aus und der britische Produzent von etwa 40 Prozent. Vor allem die inzwischen dampfer hat in einem kleinen Übersee- 1971 und 1980 von 2,1 auf 2,5 Millionen Ton- Cleveland wollte sich auf seinen Heimatmarkt zum größten Kaliproduzenten aufgestiegene hafen angelegt. Das Kali wird per LKW und Eselskarren weitertransportiert. nen K2O. Weil die Erzeugung aber langsamer konzentrieren. Schließlich wurde die Gesell- Sowjetunion konzentrierte sich auf die Belie- wuchs als die Nachfrage, sank der Weltmarkt- schaft Ende der 1980er Jahre nur noch von ferung der heimischen Landwirtschaft und der In vielen Entwicklungsländern spielen solche einfachen Transportmittel noch anteil der Kali und Salz AG von elf auf etwa Kali und Salz, der SCPA und der Copsa getragen. COMECON-Staaten. Dies sollte sich erst später die Hauptrolle (1971). neun Prozent. Außer der Konkurrenz aus den USA und ändern. 1980 entfielen rund 35 Prozent der Die weltweit steigende Düngemittel- Kanada machten der Kali und Salz AG in der Weltkaliproduktion auf nordamerikanische Fir- linke Seite unten rechts Entladung von nachfrage kurbelte die Produktion an. Wegen zweiten Hälfte der 1970er Jahre vor allem die men und 21 Prozent produzierten die westeu- Düngemittel-Säcken 1977 im Hafen von Puerto Cabello (Venezuela) der rasch wachsenden Weltbevölkerung und Kaliproduzenten des „Ostblocks“ zu schaffen, ropäischen Anbieter. Knapp die Hälfte davon steigender Ansprüche an die Nahrungsmittel die mit ihren verstärkten Exportbemühungen lieferte die Kali und Salz AG. in den Industrieländern mussten die landwirt- schaftlichen Hektarerträge deutlich gesteigert werden. Allein der landwirtschaftliche Stick- stoffverbrauch verdoppelte sich weltweit zwi- Dr. Otto Walterspiel – schen 1970 und 1980 auf mehr als 60 Millionen Vorstandsvorsitzender 1975 bis 1991 Tonnen, der landwirtschaftliche Verbrauch von Phosphat und Kali stieg um jeweils rund 1975 kam es zu einem wichtigen Führungs- Salzdetfurth AG noch der Wintershall AG 50 Prozent auf 32 bzw. 24 Millionen Tonnen wechsel im Unternehmen. Der Kali und Salz- verpflichtet, und so konnte ihm von keiner Reinnährstoffe. Vorstandsvorsitzende Dr. Ernst Denzel wech- Seite Parteilichkeit vorgeworfen werden. Nachdem es 1973 schon bei der Ver- selte als Finanzchef in den BASF-Vorstand, sein Otto Walterspiel wurde 1927 in sorgung mit Stickstoff- und Phosphatdüngern Nachfolger wurde Dr. Otto Walterspiel – für München geboren, studierte 1947 bis 1952 Engpässe und Preissteigerungen gegeben hatte, viele eine Überraschung, denn Walterspiel war in München und den USA Landwirtschaft, konnte auch die Kaliproduktion im Jahr 1974 bisher in Kassel wenig bekannt. Für ihn spra- promovierte 1952 und kam 1954 als Aus- den weltweit steigenden Bedarf nicht mehr chen seine Herkunft aus dem Vertrieb, seine landsberater für Lateinamerika zur BASF. decken, Preise und Erträge stiegen. Diese insge- Auslandserfahrung und sein diplomatisches Von 1975 bis 1991 war er Vorstandsvorsit- samt positive Entwicklung hielt bis 1981 an – Geschick. Außerdem kam er von der BASF, die zender der Kali und Salz AG, von 1976 bis wenn auch mit gelegentlichen kleinen Dämp- damit ihren Einfluss bei der Kali und Salz AG 1980 gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der fern. Allerdings überschätzten die Kaliproduzen- absichern konnte. Zudem war er weder der Wintershall AG. ten Mitte der 1970er Jahre die künftige Bedarfs- entwicklung, so dass in Kanada und in der

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Der Absatz von Steinsalz war und ist starken, wetterbeding- Salzlagerstätten bieten ideale geologi- ten Schwankungen unterworfen. Abhängig von der Nach- sche Voraussetzungen für die Einlage- Die Dollar-Turbulenzen der Jahre 1973 bis 1980 rung von Abfällen. frage nach Auftausalz für den Winterdienst bewegte sich der Absatz in den 1970er Jahren zwischen ein und zwei Ab 1973 sorgte die Freigabe der internationalen Wechselkurse Millionen Tonnen pro Jahr. Die Kali und Salz AG besaß Ende für dramatische Veränderungen im Vertrieb. Diese Freigabe war der 1970er Jahre einen Anteil an der deutschen Steinsalz- nötig geworden, als 1973 das System der festen Wechselkurse erzeugung zwischen 15 und 20 Prozent. Bei einzelnen Salz- zusammenbrach, das 1944 von der Finanz- und Währungskon- sorten war der Marktanteil höher: Beim Gewerbesalz hielt ferenz der Vereinten Nationen in „Bretton Woods“ eingerichtet das Unternehmen in der Bundesrepublik einen Anteil von worden war und bisher für eine relative Stabilität auf den Finanz- 45 Prozent und beim Speisesalz von 25 Prozent. Beim Auftau- märkten gesorgt hatte. Die im internationalen Vergleich bis da- salz stammten, je nach Bedarf, 20 bis 30 Prozent aus der Pro- hin unterbewertete Deutsche Mark machte sofort einen kräfti- duktion von Kali und Salz. Am Geschäft mit Industriesalzen gen Sprung nach oben und der Kurs des US-Dollars halbierte für die Elektrolyse beteiligte sich Kali und Salz wegen der sich in der Zeit von 1970 bis 1980 auf rund 1,80 Mark. Da die relativ hohen Frachtkosten kaum. Trotz der großen Produk- Kali-Weltmarktpreise auf Dollar-Basis notiert wurden, zehrte der tionsmenge trug das Steinsalz lediglich 10 bis 15 Prozent fallende Dollarkurs einen großen Teil der Erlöse von Kali und Salz zum Gesamtumsatz der Kali und Salz AG bei. Die Untertage-Deponie Herfa-Neurode wieder auf. Der US-Dollar hatte also – neben der Entwicklung auf dem Weltkalimarkt – entscheidenden Einfluß auf das Ergeb- Die Kali und Salz AG entwickelte ab 1972 einen Nach Ende des Betriebs werden die Abfälle nis. Auch die anderen europäischen Anbieter aus „Hartwährungs- nahe liegenden, neuen Geschäftszweig, der dauerhaft in 700 Metern Tiefe fest eingeschlos- ländern“ waren nicht in der Lage, diese Einbußen durch Preis- in den nächsten Jahrzehnten immer größere sen. Das machte diese damals einzigartige Ein- erhöhungen auszugleichen. Sie mussten kostengünstiger pro- Bedeutung gewinnen sollte: In einem Teil des richtung auf der Welt zu einem wichtigen Eck- duzieren. Für die Kalierzeuger des „Ostblocks“ spielte die Ent- Grubenfeldes Herfa-Neurode des Werkes Win- pfeiler der Abfallbeseitigungspläne von Bund wicklung des US-Dollarkurses nur eine untergeordnete Rolle. tershall wurde in 700 Metern Tiefe die weltweit und Ländern. 1990 wurde die einmillionste erste Untertage-Deponie (UTD) für Industrie- Tonne Sonderabfall in Herfa-Neurode langzeit- rückstände in Betrieb genommen. Dabei konn- sicher entsorgt. Das Entsorgungsgeschäft lieferte Auftausalz ten zahlreiche Synergien erschlossen werden, in den schwierigen Jahren des Weltkalimarktes denn die UTD nutzt nicht nur die durch den wichtige Beiträge zum Ergebnis. Die Bundesrepublik Deutschland war in den 1960er Jahren zur Kaliabbau entstandenen Hohlräume, sondern „automobilen“ Gesellschaft geworden, die auch im Winter bei im Verbundbetrieb mit dem Kaliabbau auch die Meister Georg Siebold führte Buch über Eis und Schnee freie Straßen für einen reibungslosen Straßen- vorhandene Infrastruktur, die Schächte und die Eingänge und Einlagerungen der UTD, verkehr benötigte. Als geeignetes Auftaumittel für schnee- und Fördereinrichtungen. die er in Grubenkarten einträgt (1973). eisglatte Straßen bot sich Auftausalz an, das bereits seit Ende Die gesetzlichen Standards für diese Art der 1950er Jahre eingesetzt wurde. Seit 1968 wurde in Hattorf der langfristigen Abfallentsorgung waren von Auftausalz produziert, 1971 bekam auch das Werk Braunschweig- Anfang an sehr hoch. In der UTD werden nach Lüneburg eine Auftausalzfabrik. Allerdings war und ist der gründlichen Eingangskontrollen umweltgefähr- Auftausalzabsatz extrem witterungsabhängig und schwankt dende Stoffe in jeweils separaten Bereichen von Jahr zu Jahr stark. langzeitsicher eingelagert. Die Abfälle stammen Das neue Auftausalz war bald umstritten. Sicherheits- beispielsweise aus der Metallverarbeitung, aus gewinne im Straßenverkehr standen Korrosionsschäden am Auto der Chemieindustrie oder aus Verbrennungs- und Salzschäden an Straßenbäumen gegenüber. Mit optimierter anlagen. Der Vorteil der Salzlagerstätten als Salzqualität und verbesserter Streutechnik (Bild) bekam man Deponien ist ihre absolute Trockenheit. Ein diese Probleme in den Griff. Vor allem dank der elektronisch System aus technischen und natürlichen Bar- gesteuerten Feuchtsalz-Streutechnik, bei der das Auftausalz rieren schließt die eingelagerten Stoffe sicher mit einer Salzlösung angefeuchtet wird, sank die benötigte gegen die Biosphäre ab. Während der Betriebs- Salzmenge bis heute auf 25 bis 50 Prozent der Mengen der dauer der Deponien können alle eingelagerten 1960er Jahre (10 bis 20 statt 40 Gramm pro Quadratmeter). Materialien auch wieder ausgelagert werden – etwa wenn neue Techniken die Wiederverwer- tung wertvoller Rohstoffe ermöglichen sollten.

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Konzentration und Konsolidierung: Grubenstilllegungen

Die Kehrseite des geschilderten Konzentrations- Nachdem die Kali-Chemie 1981 ihr letztes lung von hochprozentigem Kaliumchlorid Produktion 9,3 Millionen Tonnen Salz erreichte. prozesses im Westen waren Gruben- und Werk- Werk Friedrichshall stillgelegt und Lagerstätte zugunsten von Magnesia-Kainit eingestellt Angesichts der sinkenden Zahl ihrer Mitglie- stilllegungen, denn die Kali und Salz AG musste sowie Gelände an die Kali und Salz AG ver- worden. Bei den Rationalisierungen und Werks- der schlossen sich der „Verein Deutscher Sali- ihre Produktionsmengen und -kosten der Welt- kauft hatte, stieg sie ganz aus der Kaliproduk- schließungen wurden Kündigungen vermieden nen“ und die Salzbergwerke, die sich um 1900 marktentwicklung anpassen. Gab es um 1970 tion aus. Kali und Salz baute die Lagerstätte und die Mitarbeiter stattdessen versetzt, an getrennt hatten, 1973 erneut zum „Verein in Westdeutschland noch 13 Kaliwerke, sank über eine untertägige Verbindung vom Werk benachbarte Unternehmen vermittelt oder in Deutsche Salzindustrie e.V.“ mit Sitz in Bonn ihre Zahl bis Ende der 1980er Jahre auf nur Bergmannssegen-Hugo weiter ab. Bereits vor- den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet. Mit zusammen. noch 7. Von den 11 Kaliwerken, die Anfang her hatte Kali und Salz exklusiv den Vertrieb der Übernahme der verbliebenen Aktivitäten Im Rahmen des Konsolidierungs- und der 1970er Jahre in der DDR in Betrieb waren, der Kalidüngemittel der Kali-Chemie übernom- der Kali-Chemie AG im Jahre 1981 war die Konzentrationsprozesses der deutschen Stein- blieben bis 1988 allerdings noch 10 übrig. men. Die EG-Kommission hatte das zwar aus gesamte westdeutsche Kaliindustrie endgültig salzindustrie schloss die Kali und Salz AG 1977 Noch während der Phase der Zusammen- kartellrechtlichen Gründen zunächst verboten, in einer Hand zusammengefasst. Durch die das 1911 geteufte Steinsalzwerk Mariaglück legung drosselte die Kali und Salz AG 1971 die dieses Verbot wurde jedoch später durch ein Rationalisierungen war ein für die damalige Zeit bei Celle, wo nach einigen Jahren der Kaliför- Produktion des seit Jahren defizitären Werkes im Urteil des Europäischen Gerichtshofs wieder wettbewerbsfähiges Unternehmen geschaffen. derung 1923 durch den Aschersleben-Konzern badischen Buggingen. 1973 wurden die Werke aufgehoben. Der Fall fand kartellrechtlich große Auch auf dem westdeutschen Steinsalz- ein wertvolles Steinsalzlager aufgeschlossen Buggingen und Hansa bei Hannover stillgelegt. Beachtung. markt zeichnete sich in den 1970er Jahren das worden war. Zwischen 1911 und 1977 wurden Vorstandsvorsitzender Dr. Denzel betonte je- Auch in den 1980er und 1990er Jahren Ende eines Konzentrationsprozesses ab: Hatten hier rund 13 Millionen Tonnen Steinsalz und doch, dass Stilllegungen für die Zukunft keine gab es weitere Stilllegungen: 1982 schloss Kali Anfang der 1950er Jahre noch 21 Salinen und auch Kali gefördert. Die Kaliproduktion auf Option seien. Stattdessen müssten die Produk- und Salz das kleine Kaliwerk Hope, das die 8 Steinsalzbergwerke sowie 5 Solebetriebe rund Mariaglück war bereits 1969 eingestellt worden. tionskosten gesenkt werden, um international Kaliförderung bereits 1980 eingestellt hatte. 3,3 Millionen Tonnen Natriumchlorid (Stein- konkurrenzfähig zu bleiben. 1987 wurde der Untertagebetrieb in Siegfried- salz, Siedesalz und Sole) produziert, waren es Im Sommer 1975 soff das Werk Ronnen- Giesen stillgelegt. Dort war die Kaliförderung 1975 nur noch 6 Salinen und 9 Steinsalzberg- berg der Kali-Chemie AG/Deutsche Solvay ab. bereits 1976 reduziert und 1983 die Herstel- werke sowie 5 Solebetriebe, deren gemeinsame

von links nach rechts 1982 schloss Kali und Salz das kleine Kaliwerk Hope in Lindwedel nördlich von Hannover (Foto 1980).

Das Kali- und Steinsalzwerk Hansa bei Hannover wurde 1973 stillgelegt.

1976 wurde die Förderung des Kali- werkes Siegfried-Giesen bei Hildesheim reduziert und 1987 der Untertagebetrieb stillgelegt (Foto 1975).

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Beginn des Grubenverbunds an der Werra

Entscheidende Synergie- und Konzentra- Wintershall eingerichtet, um wertstoff- tionseffekte erreichte das neue Unter- reicheres Rohsalz von Hattorf zur Ver- nehmen Kali und Salz durch die engere arbeitung nach Wintershall zu bringen. Zusammenarbeit der Kaligruben an der Aus Sicherheitsgründen wurde von Werra. Die Gruben Wintershall und Hattorf her auf der oberen und von Herfa-Neurode waren bereits 1969 unter Wintershall auf der unteren Sohle je Tage verbunden worden, um die Schacht- eine Strecke bis zur „Markscheide“ auf- förderung und Wetterführung zu optimie- gefahren, die dann durch ein „Rollloch“ ren. Um die wachsenden Fördermengen miteinander verbunden wurden. Durch bewältigen zu können, erweiterte die das Rollloch wurden täglich mehrere Kali und Salz AG im Jahr 1971 den Win- tausend Tonnen Rohsalz aus dem wert- tershall-Schacht Grimberg zur „Zentral- stoffreicheren Grubenfeld Hattorf zur schachtanlage Wintershall“ und schuf Fabrik Wintershall befördert. 1988 ent- damit einen Wetterverbund zwischen den stand außerdem ein Wetter- und Fahr- Anfang Mai 1971 konstituierte sich in Kassel aus den gewählten Belegschaftsvertretern der Werke und Verwaltungen der Gesamtbetriebsrat der Kali und Salz. Zum Vorsitzenden wurde Willi Schüler (1. Reihe, 3.v.r.) gewählt. Annegret Volling war vier Wintershall-Schächten Grimberg, verbund zwischen beiden Gruben. die einzige Frau im Betriebsrat. Heringen, Herfa und Neurode. Damit war ein wichtiger Baustein zum 1979 wurde unter Tage ein Förder- späteren „Verbundwerk Werra“ gelegt. verbund zwischen den Gruben Hattorf und

Gewerkschaft und Betriebsrat oben 1970/71 wurde der Schacht Grimberg des Kaliwerkes Wintershall zu Große Umstellungen, wie sie die Kali und Salz Intensive und kritische Auseinandersetzungen BRD DDR einer Zentralschachtanlage umgebaut. AG in den 1970er Jahren vollzog, sind leichter zwischen Gesamtbetriebsrat und Gewerkschaft Der markante neue Förderturm wurde zu bewältigen, wenn die Zusammenarbeit der auf der einen Seite sowie dem Kali und Salz- mit einer Achtseilförderung ausgerüstet. Unternehmensführung mit den Arbeitnehmer- Vorstand hatte es gegeben, als die IG BE 1976 links Schematischer Grubenriss der Bau- vertretern von Betriebsrat und Gewerkschaft ihr nur in der Montanindustrie geltendes Recht felder Wintershall und Herfa-Neurode gut funktioniert. Bei Kali und Salz war das der auf die Berufung des für Personal zuständigen mit den Schächten Grimberg (1), Heringen Fall. In vielen Betrieben des Unternehmens Vorstandsmitglieds (Arbeitsdirektor) auch auf (2), Herfa (3) und Neurode (4) sowie dem Wetterloch (5), dem Sprengsiloraum (6) waren und sind mehr als 90 Prozent der ge- das Unternehmen Kali und Salz ausdehnen und Werkstatt/Magazin (7). Die 1. Sohle werblichen Mitarbeiter gewerkschaftlich orga- wollte. Dabei trafen sie auf den entschiedenen bildet das Kaliflöz Hessen, die 2. Sohle 1 das Kaliflöz Thüringen. nisiert. In Gesprächen loben Unternehmensvor- Widerstand des Vorstands um Dr. Otto Walter- 7 stände, Betriebsräte und Gewerkschaft immer spiel. Als Kompromiss übernahm Walterspiel wieder die verlässliche Partnerschaft, die auch selbst – statt eines Vertreters der Gewerkschaft in schwierigen Zeiten einen offenen Umgang – nach dem altersbedingten Ausscheiden möglich macht. Besonders gilt diese Anerken- von Max-Stephan Schulze zusätzlich zu seinen nung den Vorsitzenden des Gesamtbetriebs- Aufgaben als Vorstandsvorsitzender das 6 rats Willi Schüler, Wolfgang Oppermann und Personalressort. Dass die Gewerkschaft diesen 2 Gerhard Söllner sowie Adolf Schmidt, Helmut Kompromiss akzeptierte, zeigt das Vertrauens- 3 5 Gelhorn und Heinz-Werner Meyer aus dem verhältnis zum Vorstand. „Walterspiel hatte 4 Vorstand der Industriegewerkschaft Bergbau immer ein gutes Verhältnis zur Gewerkschaft“, und Energie (IG BE). Gelhorn und Meyer waren bestätigt auch Gerhard Söllner, der von 1972 auch stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bis 1998 Betriebsrats- und zuletzt Gesamt- von Kali und Salz. betriebsratsvorsitzender bei Kali und Salz war.

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Gruben-Kooperationen in Niedersachsen und in Thüringen

Gruben-Kooperationen gab es auch in Nord- deutschland: 1974 gelang in einer Tiefe von 490 Metern der Durchschlag zwischen den Bergwerksfeldern Niedersachsen und Riedel, die ursprünglich zu unterschiedlichen Kon- zernen gehört hatten. Im gleichen Jahr war man hier mit 1.200 Metern in die größte Tiefe vorgestoßen, die bis dahin je ein Kaliwerk erreicht hatte. Anfang der 1990er Jahre wurden sogar 1.525 Meter erreicht. 1977 wurde schließ- lich die letzte trennende Wand zwischen den Kaligruben Niedersachsen und Riedel durch- oben Auszeichnungen für den Kalibe- trieb Werra, präsentiert in: „Die Jugend brochen. Mit diesem „historischen Augenblick“ und der wissenschaftlich-technische war der Weg zum Einfeldbetrieb frei. Diese Fortschritt im Kalibetrieb Werra“, 1976 Verbindung ermöglichte eine rationellere Förderung und eine Steigerung der Gruben- links Festveranstaltung mit Umzug beim „Tag des Bergmanns“ 1974. Die Berg- leistung. Ein zweiter Grubenverbund entstand, leute gehörten in der DDR zur hofierten als die Kali und Salz AG 1982/83 einen unter- Arbeiterelite. tägigen Verbund der benachbarten Gruben- felder Bergmannssegen-Hugo und Friedrichs- hall realisierte. Außerdem lieferte das Werk VEB Kombinat Kali: Die Kaliindustrie Hope zwischen 1964 und 1982 Rohsalz per der DDR in den 1970er Jahren LKW zum Werk Sigmundshall. Während auf der hessischen Seite Mit der Gründung des Kalikombinats verband gekörnten und staubfreien Kalidüngern zu ver- Hattorf und Wintershall zusammenwuchsen, die Kaliindustrie der DDR ehrgeizige Ziele: sorgen. Allerdings gab es in den 1970er Jahren verbesserte auf der benachbarten thüringischen Nachdem die Kaliproduktion bereits bis 1970 Probleme mit der physikalischen Beschaffen-

Seite auch das Kalikombinat die Zusammen- auf 2,4 Millionen Tonnen K2O gesteigert worden heit der Granulate, deren Lagerfähigkeit nur arbeit der Gruben Merkers, Unterbreizbach war, sollten nach dem Fünfjahresplan bis 1975 begrenzt war.

und Springen. Bereits Ende 1958 war aus den jährlich 2,9 Millionen Tonnen K2O produziert Defizite gab es jedoch nach wie vor Gruben und Fabriken in Merkers (Kaiseroda), werden. im Hinblick auf Produktivität und Effizienz. Dorndorf (Heiligenroda) und Unterbreizbach Um auf den Weltmärkten konkurrenz- Das lag vor allem daran, dass die finanziellen (Sachsen-Weimar) der VEB Kalibetrieb „Werra“ fähig zu bleiben, wollte das Kalikombinat die Mittel für moderne Maschinen fehlten. Mit mit 7.500 Mitarbeitern gebildet worden; über Qualität der Dünger verbessern, denn die Stan- der steigenden Produktion wuchsen zwar Tage wurde ein Rohsalzverbund zwischen dardsorten 40er- und 50er-Kali ließen sich in Grubengebäude, Teufen und Bandanlagen, diesen Werken eingerichtet. 1978 wurden die Übersee kaum mehr absetzen. Die Planziele aber gleichzeitig auch die Entfernungen zwi- drei Gruben auch unter Tage zum „Wetterver- wurden erreicht: In den 1970er Jahren wurde schen Förderschächten und Abbaubereichen. bund“ Werra zusammengeschlossen, um die mehr und mehr hochprozentiger Kalidünger Der Abbau wurde aufwändiger und teurer. oben Gruppenaufnahme in 1.500 Lagerstätten besser auszunutzen. Zur Versor- produziert und das Produktionsziel des Jahres Um technisch optimal ausgestattet zu sein, Meter Tiefe im Kali- und Steinsalzwerk gung der Fabrik in Merkers nach dem Gebirgs- 1975 wurde mit mehr als 3 Millionen Tonnen schlossen die DDR und die UdSSR 1973 ein Niedersachsen-Riedel (v.l.n.r.): Gerhard Paschkowski, Dr. Willi Heim (Vorstand), schlag von Völkershausen 1989 (siehe Kapitel 6, K2O sogar übertroffen. Damit lag die Kaliindus- Abkommen über eine verstärkte Zusammen- Dietmar Krug, Peter Seifert, Alwin Seite 229) wurde 1989/90 zwischen den Gruben trie im Trend der gesamten DDR-Wirtschaft, arbeit in der Kaliindustrie. Ziel war es, sich Potthoff und Heinz Busche Springen und Merkers ein Förderverbund die in den 1970er Jahren ein jährliches Wachs- gegenseitig bei Rationalisierung und Produk- eingerichtet. Bis dahin hatte Springen per tum von rund vier Prozent erzielte. tionserweiterung zu unterstützen sowie unten Moderne Untertage-Technik in der DDR: Ein Tiefschaufellader ST8 im Seilbahn ausschließlich die Fabrik Dorndorf Außerdem versuchte das Kombinat, Forschungsergebnisse und Ausrüstung aus- Kaliwerk „Ernst Thälmann“ (Merkers) mit Rohsalz versorgt. durch Granulierung die Landwirtschaft mit zutauschen.

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Während der nächsten Fünfjahresplan-Periode Da die DDR rund 80 Prozent ihres Kalis expor- VEB Kalibetrieb „Ernst Schneller“ zwischen 1975 und 1980 konnte die DDR ihre tierte, übte sie mit diesen großen Mengen Druck in Zielitz Produktion noch einmal von 3,0 auf 3,4 Mil- auf die Weltmärkte aus. Vor allem in Lateiname- lionen Tonnen K2O steigern. 1984 und 1985 rika und Asien trat sie auch als Konkurrentin Das ehrgeizigste Projekt der ostdeutschen wurden sogar fast 3,5 Millionen Tonnen K2O der Kali und Salz AG auf. Während das wert- Kaliwirtschaft war jedoch das Kaliwerk Zielitz erreicht, womit das Kalikombinat allerdings stoffärmere 40er-Kali in die sozialistischen im heutigen Sachsen-Anhalt, das 1973 mit knapp unter dem Plan von 3,56 Millionen Nachbarländer des Comecon exportiert wurde der kontinuierlichen Förderung aus einer Tiefe

Tonnen K2O blieb. Trotzdem war das Kalikom- (beispielsweise im Tausch gegen Kohle), lieferte von bis zu 1.100 Metern begann (siehe Kapitel 4, binat damit der drittgrößte Kaliproduzent der die DDR auf den Weltmarkt ihr hochwertigeres Seite 148f). Mit Fahrschaufelladern, Kammer- Welt, deutlich größer als Kali und Salz. 60er-Kali, etwa nach Brasilien im Tausch gegen pfeilerbau und Bandanlagen zur Streckenförde- Möglich war diese Produktionssteige- Erz und Kaffee, aber auch nach Indien oder rung galt Zielitz damals als modernstes Kaliwerk rung, weil die DDR die Bohr- und Sprengtech- Kolumbien. Basis des DDR-Exports waren meist Europas. Die zur Kaliumchlorid-Gewinnung niken sowie das Transportsystem erfolgreich so genannte Clearing-Abkommen, bei denen die eingesetzte Flotationstechnik war im Vergleich verbessert hatte. Außerdem verringerte das Kali- Vergütungen für Ein- und Ausfuhren auf dem zur sonstigen DDR-Kaliindustrie nicht nur kombinat die Abbauverluste im Werra-Revier Weg einer gegenseitigen Verrechnung erfolgten. moderner, sondern auch umweltfreundlicher. durch eine schwächere Dimensionierung der Die DDR hatte solche Clearing-Abkommen mit Nach einer ersten provisorischen Förde- Stützpfeiler, ein, wie sich später herausstellen 29 Entwicklungsländern abgeschlossen. Haupt- rung 1969 nahm das Werk 1970 eine Versuchs- sollte, sehr riskantes Unterfangen (siehe Kapi- umschlagplatz der Kaliexporte der DDR war der anlage zur Verarbeitung der hochwertigen tel 6, Seite 229). Schließlich konnten auch die Ostseehafen Wismar, der Anfang der 1970er Rohsalze mit einem Wertstoffgehalt von 16,5

Stillstandszeiten gesenkt werden. Allein in Jahre modernisiert wurde. Jetzt konnten täglich Prozent K2O in Betrieb. Allerdings stieß man den Ausbau der Werra-Werke wurden zwischen 5.000 Tonnen verladen werden. In vier Hallen im Sommer 1971 unerwartet auf eine steil 1969 und 1984 fast eine Milliarde Ostmark wurden 1973 Lagermöglichkeiten für 70.000 stehende Störungszone und musste ein neues investiert. Tonnen Dünger geschaffen. Entwicklungskonzept ausarbeiten. Damit war

von links nach rechts Festveranstaltung zur Aufnahme des Auch die DDR modernisierte den unter- Dauerbetriebs im Kaliwerk Zielitz am tägigen Transport: leistungsfähiger Fahr- 23. Juni 1973 lader des Kalikombinats.

Kali-Umschlag im Hafen von Stralsund

Hauptumschlagplatz der Kaliexporte der DDR war der Ostseehafen Wismar, der Anfang der 1970er Jahre moder- nisiert wurde.

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von links nach rechts klar, dass der vorgesehene Zeit- und Produk- So wurde Zielitz „zum Schrecken aller überge- Die Waschkaue des Kaliwerkes Zielitz tionsplan nicht einzuhalten war. ordneten staatlichen und gesellschaftlichen Der markante Förderschacht des Werkes Ein weiteres Problem war die Rekrutie- Leitung“, so die Werksgeschichte von 1998. Zielitz rung von Arbeitskräften, die entweder mühsam Zeitweise musste der Betriebsdirektor dem aus anderen Bergbaurevieren angeworben und zuständigen Minister jeden Morgen über die Ein Absetzbagger auf der Zielitzer auf Kali umgeschult werden mussten oder die Planerfüllung berichten. Ein Bergwerksdirektor Abraumhalde aus gänzlich bergbaufremden Berufen stamm- nach dem anderen musste sich in Berlin beim ten. Auch dies war ein Grund, dass die Produk- Ministerium verantworten – und wurde ent- tion lange hinter den Erwartungen zurückblieb. lassen. Im Sommer 1979 hatte das Werk Zielitz Erst 1973 begann die planmäßige Pro- bereits den siebten Betriebsleiter. duktion. Etwa gleichzeitig wurde das unwirt- Erst Ende der 1970er Jahre zeichnete schaftliche Werk in Staßfurt stillgelegt und ein sich eine Wende ab. Anfang der 1980er Jahre Neue Verfahren unter Tage: Moderne Teil der Mitarbeiter nach Zielitz versetzt. Mit wurde ein umfangreiches Streckenauffahrpro- Grubentechnik in West und Ost einer Produktion von rund 600.000 Tonnen gramm zur Sicherung des Abbaus umgesetzt.

K2O (1975) trug das neue Werk erheblich zur Über Tage wurde eine Granulieranlage gebaut, Hintergrund der steigenden Produktivität der Automatisierung von Gewinnungs- und Förder- Ein Beraubefahrzeug im Kaliwerk Steigerung der DDR-Kaliproduktion bei. Die um hochwertiges staubfreies 60er-Kali zu pro- Kaligruben waren umfassende Modernisierun- aggregaten sowie den Einsatz von Elektrofahr- Wintershall. Beim „Berauben“ werden lockere Gesteinsschichten an Decken Erwartungen an das Werk waren allerdings duzieren. Rohsalzgewinnung und Kaliproduk- gen der Untertage-Betriebe sowohl in West- ladern noch einmal deutlich verstärkt. (Firste) und Wänden (Stöße) entfernt. noch höher, denn bereits 1976 sollten nach tion stabilisierten sich allmählich. Zeitweise als auch in Ostdeutschland. Die 1970er Jahre In der DDR und der Bundesrepublik politischer Vorgabe jährlich 890.000 Tonnen wurde sogar mehr Kali produziert als geplant wurden in Westdeutschland rückblickend als verlief die technische Entwicklung des Berg-

K2O erreicht werden. Die Kalifabrik mit der und der Überschuss – vorschriftswidrig – für „Jahrzehnt des technischen Umschwungs baus weitgehend parallel. Auch in der DDR Flotationsanlage lieferte zwar die gewünschten schwierigere Zeiten gelagert. Das fiel erst auf, unter Tage“ bezeichnet. Durch Investitionen wurden selbst fahrende Sprenglochbohrwagen Ergebnisse, aber das Bergwerk kam mit der als Ende 1982 nach einem Brand trotz Produk- von mehr als 300 Millionen D-Mark in neue statt elektrischer Säulendrehbohrmaschinen Rohsalzförderung nicht nach. Angesichts der tionsstillstand weiter geliefert werden konnte. Abbau- und Fördermethoden stieg die Förder- eingesetzt, seit 1966/67 ersetzten moderne komplizierten Lagerstättenverhältnisse, der Zusätzlich zu den beiden vorhandenen Schäch- leistung in Westdeutschland um etwa ein Frontlader aus der Bergwerksmaschinenfabrik oft noch wenig getesteten Abbau- und Verar- ten (Förderschacht und Seilfahrt) bekam das Drittel. Die Grubenleistung wurde von 1970 Dietlas die alten Schrapper, die manuelle beitungstechnik und zahlreicher fachfremder Werk 1988 noch zwei rund 430 Meter tiefe bis 1980 sogar auf mehr als 50 Tonnen je Mann Beraubung wurde von maschineller abgelöst, Mitarbeiter blieben die Mengen hinter den Wetterschächte. So erreichte das Werk 1989 und Schicht verdoppelt. In den 1980er Jahren die Streckenförderung von Bahn- auf Band- Planzahlen zurück. Das zuständige Ministe- die gesamtdeutsche Spitzenproduktion von wurde diese Modernisierung in der Gruben- anlagen umgestellt und der Sprengstoff wurde

rium wurde ungeduldig, ständig mussten neue 860.000 Tonnen K2O. und Abbautechnik durch den Einsatz von nicht mehr patroniert, sondern als einblas- „Planaufholkonzeptionen“ vorgelegt werden. Prozessrechnern und Mikroprozessoren, die fähiger Sprengstoff eingesetzt.

190 191 K+S GRUPPE K+S GRUPPE WACHSTUM ERLEBEN ZUSAMMENSCHLÜSSE UND HERAUSFORDERUNGEN. WACHSTUM ERLEBEN ZUSAMMENSCHLÜSSE UND HERAUSFORDERUNGEN. KAPITEL 5 UNTERSCHIEDLICHE ENTWICKLUNGEN IN WEST UND OST KAPITEL 5 UNTERSCHIEDLICHE ENTWICKLUNGEN IN WEST UND OST 1968 –1989 1968 –1989

Allerdings gab es bei den technischen Neuerun- Angesichts der letztlich unzureichenden Inves- Neue Verfahren über Tage: gen einen Qualitätsrückstand gegenüber dem titionen und des oft überalterten und überstra- ESTA, Kristallisation und Granulierung Westen, der mit den Jahren wuchs. Das hatte pazierten Maschinenparks konnte die enorm mehrere Ursachen: Zum einen fehlte im Osten hohe Produktion in der DDR nur durch das Modernisiert wurden in den 1970er Jahren nicht nach dem Krieg die Geräte- und Maschinenbau- bemerkenswerte Engagement und eine beein- nur die Grubentechnik, sondern auch die Pro- industrie für die Gruben. Die entsprechenden druckende Improvisationsfähigkeit der ost- duktionsverfahren über Tage: So hatte die Kali Firmen lagen in Westdeutschland, während in deutschen Kalikumpel aufrechterhalten werden. und Salz AG 1971 nach langer Forschungsarbeit der DDR der Maschinenbau erst neu aufgebaut Zahlreiche Mitarbeiter waren nur damit beschäf- das revolutionäre ESTA-Verfahren zur trockenen, werden musste (Dietlas). Häufig waren die tigt, irgendwo in Ostdeutschland Ersatzteile elektrostatischen Trennung von Kali-Rohsalzen Maschinen aus Dietlas Nachbauten von Model- aufzutreiben oder notfalls mit Schmiede und bis zur Produktionsreife entwickelt. Das Ver- len aus dem Westen, wurden auf Lizenzbasis Drehbank selbst herzustellen, veraltete Maschi- fahren reduzierte die Abwassermengen; außer- oder mit importierten Baugruppen montiert. nen mit viel Zeit und Engagement am Laufen dem konnte Kali und Salz die Herstellung von Zum anderen waren die Investitionen des Staa- zu halten und mangelnde Automatisierung Spezialprodukten steigern. tes in die Kaligruben letztlich zu gering. Daher durch Arbeitskraft zu ersetzen. Die Ressourcen, Bedeutenden Anteil an der Entwicklung blieben Teile der Grubentechnik, besonders die für die Aufrechterhaltung dieser Mangel- hatte der Leiter des Produktionsressorts Profes- der Bergwerksmaschinenbau, in den 1970er wirtschaft aufgewendet werden mussten, waren sor Dr. Arno Singewald mit seinen Mitarbeitern und 1980er Jahren gemessen an internationalen gewaltig. Außerdem kam es immer wieder zu Dr. Günther Fricke und Hans Domning: „Pro- Standards technologisch immer weiter zurück. Warte- und Stillstandszeiten. Die Findigkeit, fessor Singewald glaubte fest an die Machbar- So gingen zwar auf den ersten Blick Ost und Flexibilität und Hartnäckigkeit, die die Kali- keit des Konzeptes“, erinnert sich der heute West dieselben technologischen Schritte, doch kumpel im Osten dabei gewannen, kamen unter anderem für Forschung und Entwicklung mit unterschiedlicher Konsequenz sowie auf ihnen nach der Wende zugute. zuständige K+S-Vorstand Gerd Grimmig. Jahre- Basis unterschiedlicher finanzieller und tech- lang hatte das Kaliforschungs-Institut (KAFI), nischer Möglichkeiten. das Kali und Salz 1970 übernommen hatte, am Verfahren getüftelt und in einem eigens dafür gebauten Technikum Großversuche unternom- links oben Der beeindruckende Haupt- 2,5 grubenlüfter des Kali- und Steinsalz- men. Für die ersten Proben mit einer großtech- werkes Niedersachsen-Riedel bewegte nischen Anlage wurden die Werke Neuhof-Ellers pro Minute 27.000 Kubikmeter Frischluft und Wintershall ausgewählt. Nach erfolgreichen 2,0 (1982). Tests im Jahr 1973 bekam die Fabrik in Neuhof- links unten Sprengfahrzeug im Werk Ellers 1974 die weltweit erste ESTA-Anlage zur abwasserfreien Herstellung von Kieserit. In Niedersachsen-Riedel um 1980. Der 1,5 Sprengstoff wurde jetzt nicht mehr Wintershall ging 1977 die erste ESTA-Stufe in patroniert, sondern als einblasfähiger Betrieb, 1979 folgte eine zweite Stufe. Es dauerte Sprengstoff eingesetzt. allerdings noch bis in die 1980er Jahre, bis das 1,0 rechts Selbst fahrende Bohrwagen ESTA-Verfahren auch wirtschaftlich erfolgreich ersetzten die elektrischen Säulendreh- war. Heute gibt es ESTA-Anlagen an den Stand- bohrmaschinen; hier ein Großlochbohr- orten Wintershall, Hattorf, Neuhof-Ellers und wagen im Jahr 1986. 0,5 Sigmundshall, so dass dort jährlich mit relativ rechte Seite Die ESTA-Anlage des Kali- geringem Energieaufwand Millionen Tonnen werkes Wintershall erstreckt sich über Rohsalze trocken in ihre verschiedenen Be- mehrere Stockwerke (1979). 0 standteile zerlegt werden. „Die Russen und

die Kanadier haben bisher vergeblich versucht, 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 die ESTA auf Basis eigener Entwicklung einzu- Hattorf / Wintershall Unterbreizbach setzen“, so Gerd Grimmig. ESTA-Verfahren (erst ab 1994 dargestellt) Aufhaldung Rückstandsaufbereitung Spülversatz

Entwicklung der spezifischen Abwassermengen der Werra-Standorte (Angaben in m3/Tonne Rohsalz)

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Die ESTA-Technik Umstellung auf den Voll-Konti-Betrieb

Salzminerale trocken zu sortieren war Um die Anlagenlaufzeiten zu verlängern und damit die seit langem ein Wunschtraum der Kosten zu senken, führte Kali und Salz in den 1970er Jahren Kaliindustrie. Mitte der 1950er Jahre die durchgehende „vollkontinuierliche“ Betriebsweise begannen dazu intensive Forschungs- („Voll-Konti-Betrieb“) in den übertägigen Anlagen ein. und Entwicklungsarbeiten. Zwanzig 1971 machten die Werke Wintershall und Sigmundshall Jahre später stand mit dem „ESTA-Ver- den Anfang, später wurde der Voll-Konti-Betrieb auf allen fahren“ zur elektrostatischen Trennung Werken übernommen. Voraussetzung war der Bau großer von Rohsalzen eine praxistaugliche Untertage-Bunker, aus denen die Fabriken kontinuierlich Technik zur Verfügung, die zunächst Rohsalz beziehen konnten, wenn an den Wochenenden für Magnesiumsulfat (Kieserit), später der Grubenbetrieb ruhte. Allerdings erforderte der vollkonti- auch bei anderen Salzen angewendet nuierliche Betrieb mehr Personal, dessen zusätzliche Kosten wurde. aber durch die bessere Auslastung der Werke wieder auf- Beim ESTA-Verfahren werden gefangen werden konnten. die Salzmineralien im Rohsalz mit Hilfe eines elektrischen Spannungsfeldes getrennt. Die elektrischen Eigenschaf- ten an der Oberfläche werden durch Die ESTA-Großanlage im Kaliwerk oben Voraussetzung für den Voll-Konti- Hattorf sortiert mehr als 1.000 Tonnen die Zugabe bestimmter Reagenzien Staubender Dünger bereitet bei Produktion und Anwendung Betrieb waren unterirdische Großbunker, Rohsalz pro Stunde in die einzelnen und klimatischer Konditionierung so Probleme. Er verschmutzt Luft und Anlagen, lässt sich wie hier in der Grube des Kaliwerkes Mineralienbestandteile (Bild 1988). beeinflusst, dass sich die unterschied- schlechter handhaben und dosieren und bedeutet letztlich Hattorf (1976). lichen Mineralien durch Reibung unter- einen Produktverlust. Um den Dünger staubfrei und damit Feingemahlenes unten In der Grobkorn-Kristallisations- Rohsalz schiedlich aufladen. Beim anschließen- verbraucher- und umweltfreundlicher anbieten zu können, Vorbehandeln den freien Fall durch ein Hochspan- setzte Kali und Salz ursprünglich auf das Pressen des Kalis. anlage des Werkes Wintershall produzie- ren acht riesige Gegenstromverdampfer nungsfeld werden die positiv geladenen Schließlich kam aber in den 1970er Jahren das neue Verfah- (Kristallisatoren) stündlich 140 Tonnen Teilchen in die eine Richtung, die nega- ren der Grobkorn-Kristallisation zum Einsatz. Mit Hilfe des staubfreies Kaliumchlorid (1976). tiv geladenen Teilchen in die andere von dem früheren K+S-Mitarbeiter Hans Domning entwickel- Richtung abgelenkt und getrennt auf- ten „Gegenstrom-Kristallisationsverfahrens“ werden grob- Trennen gefangen. körnige und staubfreie Düngemittel erzeugt. 1974 wurde Da das ESTA-Verfahren ohne in Sigmundshall eine erste Grobkorn-Kristallisationsanlage Wasser auskommt und keine Abwäs- in Betrieb genommen und 1976 eine entsprechende Anlage ser anfallen, konnte durch das Verfah- in Wintershall, damals eine der größten der Welt. ren die Versenkung von salzhaltigen Neben dem Kristallisationsverfahren wurde ab Mitte Produktionsabwässern (Salzlaugen) der 1960er in der DDR wie auch in der Bundesrepublik immer oder deren Einleitung in die Werra häufiger das so genannte Granulierungsverfahren angewandt. erheblich reduziert werden. Da außer- Mit den entsprechenden Ausbringungsmaschinen setzte dem sehr viel weniger Energie benötigt sich granulierter Dünger in den 1970er Jahren in der Land- wird als beim Heißlöse- oder Flotations- wirtschaft schnell durch. Nach dem Standardprodukt Kali- verfahren, ist das ESTA-Verfahren im umchlorid gelang der Kali und Salz AG auch die Granulie- Betrieb insgesamt erheblich kosten- rung von Düngemittel-Spezialitäten. günstiger und umweltfreundlicher Professor Dr. Arno Singewald, der (siehe Seite 205). „Vater“ des ESTA-Verfahrens. Singewald wurde 1970 Mitglied der Geschäfts- Rückstand Werkstoffgemisch (NaCI) (KCI u. Kieserit) führung der Kali und Salz GmbH und leitete im Vorstand der Kali und Salz bis 1989 das Ressort Produktion. Schematische Darstellung der elektrostatischen Trennung

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links Rundpacker für Korn-Kali-Säcke der 1980er Jahre die Waldschäden bekannt im Kaliwerk Neuhof-Ellers (1970) wurden, die der „saure Regen“ aus den schwe- rechts Kartoffelfeld mit optimaler felhaltigen Emissionen der Kraftwerke verur- Kalium- und Magnesium-Ernährung sachte, stellte die Kaliforschung fest, dass eine Kieserit-Düngung bei der Bekämpfung der rechte Seite In der Tablettenpresse wird Waldschäden hilft, denn Kieserit macht die das Salz zu Tabletten von 20 mm Durch- messer kompaktiert. K+S hat 1978 rund Bäume widerstandsfähiger. 350 verschiedene Verpackungsarten Als Reaktion auf das Waldsterben wur- für Salz im Verkaufsprogramm. den in den 1980er Jahren überall in den west- europäischen Kraftwerken Entschwefelungs- anlagen eingebaut. Die dadurch verringerten Schwefel-Emissionen führten dazu, dass seit Anfang der 1990er Jahre in weiten Teilen West- europas die landwirtschaftlichen Flächen nicht Steinsalzverarbeitung mehr genug Schwefel als Nährstoff aus der Luft in Niedersachsen (1978) bekamen und sulfathaltige Spezialdünger wie Kieserit plötzlich dringend für die Pflanzen- Die niedersächsischen Steinsalzlagerstätten, ernährung benötigt wurden. die während des Zechsteins entstanden Neue Produkte: Kieserit und andere waren, sind mehr als 500 Meter stark, liegen Spezialitäten von Kali und Salz aber in einer Tiefe von 3.000 bis 4.000 Metern und sind damit bergmännisch uner- Neue Produktionsverfahren wurden ergänzt tung der zahlreichen anderen Nährstoffe wurde reichbar. Allerdings gibt es in der norddeut- durch neue Produkte. Mit den „Massenproduk- jedoch erst nach und nach erkannt: So etwa schen Tiefebene immer wieder Salzdurch- ten“ 50er- oder 60er-Kali war angesichts der die positive Wirkung von Schwefel und Magne- brüche nach oben, die teilweise bis in eine Konkurrenz auf dem Weltmarkt kein großer siumsulfat für das Pflanzenwachstum. Erst Tiefe von nur 100 Metern unter der Erdober- wirtschaftlicher Erfolg mehr zu erzielen. Kali in den 1970er Jahren konnte Kali und Salz – Wasseraufbereitung fläche reichen. Auf solchen Salzstöcken liegen Farbstoffe und Salz gelang es in den 1970er und 1980er vor dem Hintergrund einer Intensivierung der Kunststoffe die Steinsalzbergwerke Riedel und Braun- Papier Jahren aber, besonders in der deutschen Land- Landwirtschaft – durch intensive Beratungs- Wasserenthärtung Epoxidharze schweig-Lüneburg, in denen das Salz in wirtschaft neben den Standardprodukten zahl- und Werbeaktivitäten der eigenen Anwendungs- Desinfektions- steiler Lagerung zwischen 350 bis 1.200 Lederproduktion Lösungsmittel mittel Glas reiche Spezialitäten wie Korn-Kali, Patentkali, beratung langsam den Absatz von Magnesium- Chlor Metern Tiefe abgebaut wurde bzw. wird. Waschmittel Aluminium Kaliumsulfat, Kieserit oder Bittersalz zu ver- sulfat (Kieserit und Bittersalz) ausbauen. Backpulver Gewürze Nach der Förderung wird das Salz durch Natronlauge markten, mit denen die Erträge gesteigert Das neue Produkt „Kieserit“ erforderte Futtermittel Medikamente Zerkleinern, Klassieren, Selektieren und werden konnten. Korn-Kali und Kieserit werden aber auch neue Verfahren, denn besonders die Textilfarben Industrie Jodsalz Konditionieren veredelt. Es entsteht eine Spezialsalze beispielsweise auf Böden und in Kulturen ein- Granulierung des Kieserits bereitete zunächst Keramik Feuerlöschpulver breite Palette von Salzqualitäten in rund gesetzt, die einen erhöhten Magnesium- und Schwierigkeiten. Entscheidend für die Kieserit- Ernährung/ 350 verschiedenen Verpackungsarten. Gewerbe Soda Schwefelbedarf haben, wie Raps, Kartoffeln Gewinnung war daher das ESTA-Verfahren, das Natrium-Bikarbonat Gesundheit Außerdem wird Salz zu Tabletten kompak- oder Zuckerrüben. Die sulfathaltigen (Schwefel Kali und Salz seit den 1970er Jahren aufbaute. Bohrspülungen Brot-/Backwaren Käse/Milchprodukte tiert oder mit verschiedenen Zusätzen für in pflanzenverfügbarer Form) Spezialdünger Mit dem neuen Verfahren verdoppelte das unterschiedliche Gewerbezwecke konditio- Winterdienst Fleisch-/Wurstwaren Kaliumsulfat oder Patentkali, aber auch Kieserit Unternehmen die Kieserit-Produktion. Da die Fischerei niert oder präpariert, etwa mit Naphtalin Feuchtsalz Pökelsalz werden vor allem bei chloridempfindlichen Lagerstätte von Neuhof-Ellers viel Kieserit Pharmasalze und Soda für das Häutesalz oder Jod für Streusalz Kulturen benötigt, wie etwa Kartoffeln, Wein, enthielt, baute die Kali und Salz AG Mitte der Infusionslösungen das Speisesalz. Weil Speisesalz bis 1993 Gemüse oder Zitrusfrüchte. Das Vorhanden- 1980er Jahre auch hier die ESTA-Anlage weiter der Salzsteuer unterlag, wurden die ande- sein der Mineralien für diese Spezialitäten war aus, um das gesamte Rohsalz zur Kieserit-Gewin- ren Salzarten bis dahin durch gesetzlich

und ist ein bedeutender Vorteil der deutschen nung elektrostatisch aufzubereiten. Neuhof- Steinsalz Siedesalz Salzsole Meersalz vorgeschriebene „Denaturierungsmittel“ Kali-Lagerstätten. Ellers wurde damit Hauptproduzent für Kieserit. (Geschmacks-, Geruchs- und Farbstoffe) Die Bedeutung von Kali, Stickstoff und Parallel dazu suchte Kali und Salz nach vergällt. Phosphat für die Pflanzenernährung war seit Wegen, um das Potenzial der Magnesium-Salze Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Die Bedeu- für die Düngung besser zu nutzen. Als Anfang Der „Salzbaum“ zeigt die vielfältigen Anwendungsbereiche von Salz.

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Kaliforschung zur Verbesserung von Abbau und Produktion

Die bemerkenswerten Fortschritte in den Pro- 1984 hatte es mehr als 500 Mitarbeiter und duktionsverfahren wären ohne eine intensive beschäftigte sich beispielsweise intensiv mit Der Gebirgsschlag von Sünna 1975 Forschungsarbeit des Kaliforschungs-Instituts der Entwicklung und Einführung von alterna- (KAFI) nicht möglich gewesen. Über viele Jahre tiven Gewinnungsmethoden (solende Gewin- Die Grenzen der Abbaupraxis in der DDR mit den immer schmaler dimen- stand die Entwicklung und Weiterentwicklung nung) und Verbesserung der Aufbereitungs- sionierten Pfeilern zeigten sich, als es 1975 in Sünna in der Nähe von des ESTA-Verfahrens im Vordergrund. Daneben verfahren (Heißlöse- und Flotationsverfahren), Unterbreizbach (Thüringen) zu einem schweren Gebirgsschlag mit einer beschäftigte sich das KAFI mit den Grundlagen der Technik sowie der Bergbauforschung Erdbebenstärke von 5,2 auf der Richter-Skala kam, der durch unzureichende und verfahrenstechnischen Bedingungen des (Gebirgsmechanik). Pfeilerdimensionierung und fehlerhafte Abbauführung ausgelöst worden Heißlöse- und des Flotationsverfahrens. Für Nach einem schweren Gebirgsschlag war. Zwei Quadratkilometer Bergwerksflächen brachen zusammen. Nach alle Verfahren kamen aus dem KAFI wichtige im thüringischen Merkers im Jahr 1958 ent- den Gebirgsschlägen Teutschenthal bei Halle 1940 (Stärke 4,3 mit 42 Toten), Anregungen und Impulse. Für die Koordination wickelte das Kaliforschungsinstitut der DDR Heringen in Hessen 1953 (Stärke 5) und Merkers in Thüringen 1958 der bergtechnischen Forschung war und ist der neue mathematische Modelle für die Dimen- (Stärke 4,8) war dies das vierte Ereignis dieser Art. Bei den zuständigen 1905 gegründete Kaliverein mit seinem „Berg- sionierung der Stützpfeiler. Um die Abbauver- Ministerien der DDR wurden die Ursachen des Gebirgsschlags von Sünna technischen Ausschuss“ zuständig, der in seiner luste möglichst gering zu halten und möglichst allerdings in der Bundesrepublik gesehen: Die „Verpressung von Kalilaugen“ Fachzeitschrift „Kali und Steinsalz“ kontinuier- viel Salz aus einer Lagerstätte zu fördern, gab in den Plattendolomit durch die westdeutsche Kali und Salz AG habe das lich über die technischen Verbesserungen der es dabei allerdings die gefährliche Tendenz, Erdbeben ausgelöst, hieß es. Von einer „nachweisbaren und vorsätzlichen Abbauverfahren berichtet. bei der Stützpfeiler-Dimensionierung bis an Verletzung der Souveränität der DDR“ war die Rede. Die DDR forderte vom Das DDR-Gegenstück zum KAFI war die physikalischen Grenzen zu gehen – und Westen daher eine Entschädigung von fast 100 Millionen Mark (West). das 1955 als „Zentrale Forschungsstelle für manchmal auch darüber hinaus. Diese von Verschärft wurde der Konflikt dadurch, dass die DDR ihre Abstoßquoten die Kaliindustrie“ gegründete Kaliforschungs- den DDR-Bergbehörden geforderte und sank- an Salzabwasser in die Werra überschritten hatte und die Werra dadurch institut (KFI) in Sondershausen, das nach tionierte Abbaupraxis mit den damit einher- schwer belastete. Der Konflikt um den Gebirgsschlag dauerte fast zehn 1970 in die Kombinatsleitung integriert wurde. gehenden Gefahren (seismische Aktivitäten, Jahre und endete damit, dass die DDR angesichts ihrer erwiesenermaßen Forschungsschwerpunkte waren hier Rationa- Bruchgefahr) veranlassten die DDR zu einer falschen Pfeilerdimensionierung ihre Forderungen nicht weiter verfolgte. lisierung (Mechanisierung), Rohstoffsicherung sehr restriktiven Informationspolitik: Bergbau- Die deutsch-deutsche Kali-Kooperation war auf einem Tiefpunkt angelangt. sowie Produktverbesserung, aber auch die Kon- fragen und Bergbauprobleme entwickelten sumgüterentwicklung. Daneben gehörte 1964 sich – wie alle strategisch wichtigen Wirtschafts- auch die Erkundung des künftigen Gruben- bereiche der DDR – zur „geheimen Kommando- feldes in Zielitz zu den Aufgaben des Instituts. sache“. Ein Großlochbohrwagen (oben) und Kali und Salz AG ein Firstankerbohrwagen (unten) in einem Bergwerk des Kalikombinats links Das Kaliforschungs-Institut (KAFI) VEB Kombinat Kali der DDR befand sich von 1967 bis 1989 in Hannover-Kirchrode. Im Hintergrund das „Kali-Haus“ der ehemaligen „Verkaufs- 31m 45m gemeinschaft Deutscher Kaliwerke“. Das KAFI wurde 1989 nach Heringen verlegt und mit dem dort ansässigen 15m Technikum zum KAFI-Technikum zusam- 15m mengefasst. rechts Arbeit an einem modernen Spectrometer im Jahr 1995 Pfeilerbelastung 45 MPa (= N/mm2) 38 MPa Bruchlast 45 MPa 119 MPa B:H 4,4 6,4 Vergleich der Pfeiler-Dimensio- Pfeilerfläche 100% 204% nierungen bei der westdeutschen Kali und Salz AG und beim VEB Salzart: C 80 Teufe: 850m Abbauhöhe: 7m Kombinat Kali der DDR

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Bilder von Kalisteigerungsversuchen: Oben Hafer, darunter Kartoffeln und Zucker- rüben sowie unten zwei Grünland-Felddün- 4 gungsversuche 3 7 6 2 5 1

Bodenuntersuchung und Kaliberatung in West und Ost oben links Luftbild der Landwirtschaft- Während sich die beiden deutschen Kalifor- der der dritte Baustein einer erfolgreichen ist heute die Zusammenarbeit konstruktiv, von links nach rechts lichen Forschungsanstalt „Büntehof“ in schungsinstitute in Hannover und Sonders- Kaliwirtschaft. Um die Ergebnisse der Dünger- um gemeinsam eine optimale Kaliversorgung Die Beratung der Landwirte war und ist ein Hannover-Kirchrode mit den Abteilungen wichtiger Baustein der Kaliwirtschaft (1972) für Bodenkunde (1), Pflanzenernährung hausen mit Abbau- und Produktionsverfahren forschung bekannt zu machen, betrieb Kali der Böden zu erreichen. Trotz jahrzehntelanger (2), Pflanzenphysiologie und Biochemie beschäftigten, untersuchten landwirtschaft- und Salz 1973 zwölf Beratungsstellen in West- Kaliberatung waren nach Erkenntnissen der „Eine gute Durchschittsernte!“ Aber hätte (3), Mikrobiologie (4), Grünland und liche Forschungsanstalten in West- und Ost- deutschland, jede besetzt mit einem Kaufmann landwirtschaftlichen Beratungsstellen Ende der Ertrag nicht noch höher liegen können, Tierernährung (5), tropische und sub- deutschland die Anwendung des Kalidüngers und einem Diplomlandwirt. Grundlage ihrer der 1980er Jahre noch immer 60 Prozent der wenn der Pflanze stets genug Kali zur Ver- tropische Landwirtschaft (6) sowie fügung gestanden hätte? Dokumentation und Bibliothek (7) auf dem Feld. Im Westen war dafür die 1956 Arbeit waren die Ergebnisse der Feldforschun- Böden mit Kali unterversorgt und nur gut gegründete landwirtschaftliche Forschungs- gen des Büntehofes, eigene Feldversuche und 30 Prozent optimal versorgt. Grobe und gekörnte Kalidünger lassen sich oben rechts Im Isotopen-Labor auf dem anstalt „Büntehof“ zuständig. wissenschaftliche Arbeiten Dritter. besser transportieren, lagern und ausbringen. Büntehof wird die Aufnahme von mar- Forschungsschwerpunkte waren die Diese Beratung hatte eine lange Tra- kierten Nährstoffen durch die Wurzeln und ihr Weitertransport in die verschie- Ernährungsphysiologie der Pflanzen, die Nähr- dition, denn schon das Kalisyndikat hatte denen Pflanzenteile gemessen. stoffverfügbarkeit und -dynamik in den Böden, erkannt, dass es die Verbindung zur Landwirt- Düngungsfragen und Düngungsmethoden. schaft nicht dem Zufall oder den amtlichen Die Forschungsergebnisse über die Wirkung Beratern überlassen durfte. Daher hatte die von Kali auf verschiedene Getreidearten wurden Kaliindustrie bereits 1891 eine „Agrikultur- in den „Büntehof-Abstracts“ und dem „Bünte- abteilung“ eingerichtet. Auch wenn sich der hof-Kolloquium“ veröffentlicht. Düngerverbrauch pro Hektar von den 1920er 1991 wurde der Büntehof im Zuge bis in die 1970er Jahre erheblich gesteigert eines Ergebnissteigerungsprogramms von Kali hatte, wurden den Kunden immer wieder und Salz geschlossen, die für Kali kaum noch neue Forschungsergebnisse, die Bedingungen benötigte Grundlagenforschung übernahm der landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion das BASF-Agrarzentrum Limburgerhof, andere und damit der Düngeranwendung näher Aufgaben wurden der landwirtschaftlichen gebracht. Beratung zugeordnet. Während in den 1980er Jahren im Neben der Optimierung der Kaliproduk- Zeichen der Umweltschutzdebatte die staat- tion und der landwirtschaftlichen Forschung lichen Beratungsstellen der Kali und Salz AG ist die Beratung der Landwirte als Kalianwen- zu hohe Düngerempfehlungen vorwarfen,

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Auch die DDR bemühte sich um einen opti- malen Düngereinsatz. Grundlage dafür waren DS 69 – Die Düngemittelempfehlungen der LUFA umfangreiche Bodenuntersuchungen. Bereits 1952 war die Bodenuntersuchung für alle Be- Die DDR-Düngeberatung nutzte ein landesweit einheitliches triebe ab einer Größe von einem Hektar Pflicht Computerprogramm zur Berechnung von Düngeempfehlungen. geworden. Zuständig für die Agrarforschung in 1969 war es „DS 69“, später „DS 73“ und schließlich „DS 79“, der DDR war das Jenaer „Institut für Pflanzen- das für die damalige Zeit ein sehr modernes Programm war. ernährung“ der Akademie der Landwirtschafts- Es berücksichtigte bereits Klimazonen und beinhaltete ein wissenschaften der DDR. Das Institut nahm Mikronährstoffprogramm. DS 79 wurde in jedem Landwirt- agrochemische Untersuchungen von Böden schaftsbetrieb der DDR berechnet. Es gab daraufhin Sekundär- und Pflanzen vor und gab wissenschaftliche auswertungen für jeden Kreis und alle 14 DDR-Bezirke. Der Empfehlungen zur Düngung und Steigerung Anwender konnte damit die Anbaustrukturen, den Düngemittel- der Pflanzenproduktion. Ihr angeschlossen war bedarf nach Nährstoffen oder die angestrebten Erträge genau die bereits 1875 gegründete „Landwirtschaft- verfolgen. Später entstand mit „DS 87“ ein erstes Kleinrechner- liche Untersuchungs- und Forschungsanstalt“ programm für die Landwirtschaft. (LUFA) in Rostock, die Düngerempfehlungen erarbeitete („DS 69“ siehe Kasten) und regel- mäßige Bodenuntersuchungen vornahm – in den 1970er Jahren jährlich 300.000 bis 350.000 linke Seite Industrielle Düngung in der Untersuchungen zu Phosphat, Kalium, Magne- DDR mit dem „Düngerflieger“ Die Industrialisierung der DDR-Landwirtschaft sium und Mikronährstoffen. Die Düngerberatung in der DDR war rechts Das Gebäude der Landwirtschaft- Bis Ende der 1970er Jahre bemühte sich die DDR um eine Industrialisierung eine der Aufgaben der 1970 gegründeten Abtei- lichen Untersuchungs- und Forschungs- anstalt (LUFA) Rostock wurde von 1911 der Landwirtschaft. In immer größeren Kooperationen wurde die strikte Tren- lung für „Agrochemische Untersuchung und bis 1913 errichtet. nung von Tier- und Pflanzenproduktion durchgesetzt. 1975 bewirtschafteten Beratung“ (ACUB) des Jenaer Instituts, dessen 1.210 „Kooperative Abteilungen Pflanzenproduktion“ (KAP) rund 85 Prozent Zweigstelle 1973 die LUFA wurde. Die ACUB unten Bodenuntersuchungen durch Mitarbeiterinnen der LUFA um 1975/76 der landwirtschaftlichen Nutzfläche. „Agrochemische Zentren“ (ACZ) spezia- schloss Verträge mit den Agrochemischen Zen- lisierten sich auf Pflanzenschutz und Düngung. tren (ACZ), in denen die zu untersuchenden Die Böden erhielten infolge der getrennten Tier- und Pflanzenproduk- Betriebe festgelegt wurden. ACUB-Mitarbeiter tion nicht mehr genügend organische Substanzen, der Verbrauch an Mineral- berieten diese Betriebe und organisierten die düngern stieg beträchtlich. Trotz eines enormen Einsatzes an Produktionsmitteln Untersuchung der Bodenproben im Zentral- blieben die erhofften Ernteerfolge aus, teilweise nahmen die Hektarerträge labor in Jena. sogar ab, so dass die DDR Getreide, Kartoffeln und Futtermittel importieren Als Erfolg ihrer eigenen Arbeit wertete musste. Das Missverhältnis von Aufwand und Ertrag wuchs. es die LUFA, dass zwischen 1970 und 1985 Damit war der Versuch gescheitert, in der Landwirtschaft industrielle nur noch drei bis fünf Prozent der Böden mit Produktionsbedingungen aufzubauen. 1979/80 begann eine neue Phase der Kalium unterversorgt waren, während es vorher DDR-Agrarpolitik: Durch kleinere Einheiten, die Beachtung von Standortbedin- 30 Prozent waren. Ende der 1980er Jahre stieg gungen und Vegetationszeiten, die Anpassung der Fruchtfolgen, den Anbau dieser Anteil allerdings wieder auf 10 Prozent. von Gründünger zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit, die Veränderung der Bei Phospat war Anfang der 1970er Jahre mit Arbeitsorganisation, die Aufwertung der Privatproduktion, die Nutzung jeder 19 Prozent unterversorgter Böden der niedrigste möglichen Anbaufläche und eine Agrarpreisreform sollte der landwirtschaft- Anteil erreicht, anschließend stieg der Wert auf liche Ertrag gesteigert werden. Dennoch blieb das Missverhältnis von Aufwand 27 Prozent. und Ertrag bestehen. Ende der 1980er Jahre hatte sich die Landwirtschaft der DDR mit ihren radikalen Maßnahmen in eine Sackgasse manövriert. Die schlechten Ernten der Jahre 1988 und 1989 machten erneut Getreideimporte aus dem Westen notwendig.

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links Flotationszellen im Kaliwerk Hattorf Auf internationaler Ebene hat das „Interna- in den 1980er Jahren Das Internationale Kali-Institut (IKI) tionale Kali-Institut“ / „International Potash im Jahr 2005 Institute“ (IKI/IPI) in Basel die Aufgabe, das rechts Umweltschutz: Der bei der Ausmaß und die Folgen von anhaltend unaus- Verladung entstehende staubförmige Abrieb wird abgesaugt, aufgefangen Das IKI stellt heute die Bedeutung des gewogener Düngung aufzuzeigen sowie Land- und der Produktion wieder zugeführt. Nährstoffes Kali für die Welternährung wirte, Handel, Berater und Entscheidungs- dar und fördert weltweit eine standortge- träger durch Düngungsversuche, Seminare, rechte, nachhaltige Düngung. Außerdem Konferenzen und zahlreiche Publikationen ist das IKI eine Informationsplattform für über die Vorteile einer ausgewogenen Dün- den Austausch, die Auswertung und die gung mit Kali zu informieren. Das IKI wurde Weitergabe wissenschaftlicher Daten 1952 in Bern von mehreren europäischen Kali- an Produzenten, Händler, Berater und produzenten gegründet. 1990 wurde es ange- Anwender sowie die Entscheidungsträger sichts der Einbußen beim Kaliabsatz verkleinert in Politik und Wirtschaft. In China, Indien, und nach Basel verlegt. Seit 2005 hat es seinen Osteuropa, Westasien, Nordafrika und Sitz in Zürich. Träger des IKI sind die Kalipro- einigen GUS-Staaten versuchen beispiels- duzenten in West- und Osteuropa sowie im weise die regionalen Koordinatoren durch Nahen Osten. Demonstrationsversuche den Nutzen einer ausgewogenen Kalidüngung aufzuzeigen.

oben Dünge-Beratung im Maisfeld um 1983 Umweltprobleme und Umweltschutz rechts Ein Experte der UNO-Ernährungs- Wie die Debatte um eine mögliche Überdün- die Flotation und durch das neue ESTA-Ver- organisation FAO und Westafrikaner gung der Felder zeigte, waren die 1970er und fahren ein großer Teil der Rückstände in fester besprechen Anbauthemen. die frühen 1980er Jahre auch die Zeit eines Form anfiel. Die verringerten Salzabwässer erwachenden Umweltbewusstseins. In der wurden entweder in tiefere Gesteinsschichten Kaliindustrie spielten Umweltbelastung und des Plattendolomits versenkt oder umwelt- Umweltschutz von Anfang an eine wichtige verträglich in die Vorfluter (in diesem Fall Rolle, denn durch die Kaliproduktion gelangten Werra und Ulster) eingeleitet. Die festen jahrzehntelang große Salzfrachten in die Flüsse. Rückstände wurden auf Großhalden gelagert. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Mehr als 100 Millionen Mark setzte das Unter- daher die Versalzung der Flüsse und die Not- nehmen bis Ende 1982 für diese „abwasser- wendigkeit der Verringerung dieser Salzfracht mindernde Umstrukturierung“ der gesamten diskutiert. Bereits 1913 nahm in Vacha die Produktion ein. „Abwasserkommission“ für das Werra- und Neben der Verringerung der Salzfrach- Fuldagebiet ihre Arbeit auf und legte 1920 ten in den Flüssen spielte schon in den 1970er erste Einleitungsquoten und Höchstwerte für Jahren die Reinhaltung der Luft eine immer den Salzgehalt der Werra fest. größere Rolle. Besonders die Schwefeldioxid- In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre emissionen wurden seit 1977 stetig verringert. verstärkte die Kali und Salz AG vor dem Hinter- Seit 1981 war der Umweltschutz neben der grund des wachsenden öffentlichen Umweltbe- Energieeinsparung und dem ESTA-Verfahren wusstseins ihre Anstrengungen auf dem Gebiet ein zentrales Ziel der Forschungs- und Ent- des Umweltschutzes. Die Abwassermengen, wicklungsanstrengungen der Kali und Salz AG. die bei der Kaliaufbereitung entstanden, konn- Gleichzeitig wurden im internationalen Ver- ten nach und nach reduziert werden, da durch gleich aber auch die ersten Wettbewerbsver-

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zerrungen durch international ungleiche Umweltauflagen zum Nachteil der deutschen Die Chronik der COMPO (1967–1999) Kaliindustrie spürbar. Anders als in Westdeutschland, wo 1967 Salzdetfurth erwirbt 50 Prozent der „Sprenger & Toden- die Umweltbelastungen durch den Kaliberg- hagen KG“, Zusammenarbeit mit der „Salzdetfurth Verkaufs- bau in den 1970er Jahren reduziert wurden, kontor GmbH“. Gründung der „Salzdetfurth COMPO-Werk verschärften sich in der DDR die ökologischen GmbH & Co. KG“ in Handorf, an der die Salzdetfurth AG Probleme. Hier hatte die Produktion den ab- und Konsul E. H. Sprenger gleichberechtigt beteiligt sind. soluten Vorrang vor dem Schutz der Umwelt. Seit Mitte der 1960er Jahre überstiegen die 1970 Das COMPO-Werk in Handorf übernimmt die Tätigkeit der Einleitungen in die Werra deutlich die seit Guano-Spezialdünger Handelsgesellschaft mbH & Co. KG 1920 festgelegten Grenzwerte, besonders nach- (Bielefeld). dem die thüringischen Werra-Werke 1968 die Versenkung der Kaliabwässer in den Platten- 1971 Die COMPO-Primel wird neues Firmenlogo. Wintershall erwirbt dolomit eingestellt hatten. Nun flossen die vom Firmengründer Konsul Sprenger dessen 50-prozentigen Abwässer mit jährlich neun Millionen Tonnen Anteil an der „Salzdetfurth COMPO-Werk GmbH & Co. KG“. von links nach rechts Salz nahezu vollständig in die Werra, die da- CFK, COMPO, Guano-Werke und KTG Sauerstoff-Anreicherung der Werra. durch schon bald biologisch tot war. Weil die in den 1970er Jahren 1972 Im Zuge der Umfirmierung geht der 50-prozentige Salzdet- Das Abwasser der Werke wird mit dem Salzfracht der Werra über die Weser auch Teile furth-Anteil an der COMPO an die Kali und Salz AG. Damit Flusswasser vermischt und dabei mit der Bundesrepublik belastete, verhandelten Von den Tochterunternehmen der Kali und Salz gab es zu Sauerstoff angereichert. halten Kali und Salz AG und Wintershall AG je 50 Prozent beide deutsche Staaten schon in den 1970er Beginn der 1970er Jahre zunächst positive Nachrichten. Die an der COMPO. Die Lagerhalle für den KAMPKA-Dünger Jahren über eine Reduzierung der Mengen, Chemische Fabrik Kalk (CFK) steigerte ihren Umsatz mit dem der CFK in den 1960er Jahren allerdings ohne Erfolg. Zur überhöhten Salz- Düngemittel „KAMPKA“ sowie mit Soda, Calciumchlorid, Fein- 1973 Die BASF-Gruppe bündelt ihre Vertriebsinteressen und einen fracht in Werra und Weser kamen hohe Schad- chemikalien, Futterphospaten und Spezialdüngern (Blumen- und Das COMPO-Verwaltungsgebäude Teil ihrer Produktion im Bereich Haus und Garten unter dem stoffemissionen aus den veralteten Kraftwerken Gartendünger) und erreichte 1974 mit rund 1.800 Mitarbeitern in Münster-Handorf im Jahr 1969 Namen „COMPO Produktions- und Vertriebsgesellschaft mbH“. der DDR hinzu. einen Umsatz von mehr als 400 Millionen Mark. Bis 1985 konnte der Umsatz sogar auf 570 Millionen Mark gesteigert werden. In 1974 Die Blumenerde COMPO SANA bekommt das amtliche einem Artikel zum 125-jährigen Jubiläum im Jahre 1983 blickte LUFA-Siegel der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und die Geschäftsleitung der CFK optimistisch in die Zukunft: „Wir Forschungsanstalt Münster. haben ein stetig modernisiertes und stabiles Unternehmen mit Energieeinsparungen einer guten Mannschaft ... Es besitzt einen ausgezeichneten 1976 BASF übernimmt die COMPO-Geschäftsanteile von der Namen und eine ökonomisch vorzügliche Versorgungsbasis Wintershall, vereinigt ihren Vertrieb und einen Teil ihrer Die Kaliindustrie ist eine energieintensive außerdem die Nutzung der Kraft-Wärme- durch eigene ... Energie- und Wasserversorgung“, dies sei die Produktion für Haus und Garten, Gartenbau und öffentliches Branche. Neben den Personalkosten sind Kopplung und der Energieverbund der Voraussetzung für „gute Fahrt trotz ... starken Seegangs“. Grün unter dem Dach der COMPO. die Aufwendungen für Energie in der Produk- Werra-Werke. Um die Energiewirtschaft der Noch rasanter entwickelte sich in den 1970er und 1980er tion der größte Kostenblock. Angesichts der Nachbarwerke Wintershall und Hattorf zu Jahren die 1956 gegründete COMPO in Handorf bei Münster. 1981 COMPO wird die BASF-Geschäftseinheit „Garten- und seit den Ölkrisen 1973 und 1980 sprunghaft verbessern, wurde 1977 ein Stromverbund Im Zuge der Neuorganisation der Kali und Salz AG übertrug die Haus-Spezialprodukte“. Die BASF verlegt die Geschäftsleitung gestiegenen Energiepreise investierte die Kali zwischen den Werken geschaffen. 1981/82 CFK 1971 den Verkauf von Spezialdüngern an COMPO. Die der COMPO von Münster nach Limburgerhof bei Ludwigs- und Salz AG seit Ende der 1970er Jahre ver- war die Umstrukturierung weitgehend COMPO verbreiterte so ihre Angebotspalette um Spezialdünger hafen. stärkt in Energie sparende Maßnahmen. Der abgeschlossen. Mit einem eigenen Kraft- und zahlreiche Pflanzenpflegeprodukte und konnte ihren Umsatz Energieverbrauch bei der Gewinnung und werk wurden die Werke später weitgehend von 38 Millionen Mark (1973) auf 142 Millionen Mark (1985) 1986 Die BASF kauft von der Kali und Salz AG den restlichen Verarbeitung der Salze sollte gesenkt werden. unabhängig von Fremdstrombezug. Die fast vervierfachen. COMPO beschäftigte damals rund 230 Mit- 50-Prozent-Anteil an der COMPO, die damit 100-prozentige Der Einsatz alternativer Energien wurde Energiekosten blieben jedoch weiterhin arbeiter. Das seit 1968 zur Wintershall AG gehörende Torfwerk Tochter der BASF wird. geprüft. Möglichkeiten zum Energiesparen ein entscheidender Kostenfaktor der west- Uchte (heute COMPO-Standort) erreichte mit 47 Beschäftigten bot beispielsweise das ESTA-Verfahren, das deutschen Kaliindustrie. einen Umsatz von 3,5 Millionen Mark und war ebenfalls mit 1999 K+S kauft die COMPO von der BASF zurück. sich allerdings nicht für alle Rohsalze eignet, Ergebnis und Geschäft zufrieden.

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oben Entladung eines Binnenschiffs im Krefelder Rheinhafen der Guano- Wenig dynamisch entwickelte sich dagegen im Jahr 1973 wurden die Kaliexporte im Werke AG zunächst das Geschäft der 1926 vom Kalisyn- Wesentlichen über Hamburg abgewickelt. Die Chronik der Guano-Werke AG dikat gegründeten Kali-Transport Gesellschaft (KTG Bremen firmierte bis 1992 noch als unten Im August 1976 wurde im Werk (1961–1999) (KTG) mit ihren Verladeanlagen in Hamburg Hafenspedition). Bis Mitte der 1970er Jahre Krefeld der Guano-Werke AG eine neue Schiffsentladeeinrichtung in Betrieb und Bremen. Die Kali und Salz AG hatte ihre stagnierte der Umsatz der KTG bei rund genommen. 1961 Die Wintershall wird im Rahmen einer Beteiligung an der KTG zum 1. Januar 1972 17 Millionen Mark. Die Zahl der Mitarbeiter Kapitalerhöhung Anteilseigner der „Guano- durch die Übernahme der von der Kali-Chemie sank durch Rationalisierungen von 262 (1971) Werke AG vormals Ohlendorff’sche und AG gehaltenen Anteile von 90 auf 100 Prozent auf 168 (1977). Seit 1976 entwickelte sich das Merck’sche Werke“. aufgestockt. Nach dem Verkauf des Bremer Geschäft aufgrund verstärkter Übersee-Exporte Am „Kalikai“ in Hamburg wird ein Umschlag- und Lagerbetriebs „Anker Anlage“ wieder günstiger. Seeschiff beladen (1977). 1968 Die Wintershall AG übernimmt von der Essener WASAG-CHEMIE (Sprengstoff- Hersteller, heute H & R Wasag AG) die Mehrheit an der Guano mit Standorten in Krefeld (das heutige COMPO-Werk), Nordenham, Hamburg, Friedrichstadt, Dänischburg bei Lübeck sowie Vienenburg am Harz. Durch die Übernahme der Wintershall AG kommt die Guano-Werke AG zur BASF- Gruppe.

1971 Schließung der Produktion in Dänischburg Die Guano-Werke AG in Hamburg, seit 1968 und Vienenburg, Umbau zu Lagern. mehrheitlich ein Tochterunternehmen der Schließung und Verkauf des Tochterunter- Wintershall AG (siehe Kapitel 4, Seite 137) nehmens „Rohphosphat-Gesellschaft mbH“, stellte Anfang der 1970er Jahre mit knapp Hamburg. 800 Beschäftigten vor allem in den Werken Krefeld, Nordenham und Hamburg jährlich 1972 Stilllegung des Lagers Friedrichstadt. rund 400.000 Tonnen Düngemittel sowie Auflösung des Tochterunternehmens Chemikalien und Produkte für die Futtermit- „Norddeutsche Hyperphosphatkali GmbH“. telindustrie her. Nach tief greifenden Umstruk- turierungen erwirtschaftete das Unternehmen 1986 Die BASF übernimmt die Guano-Werke AG 1975 einen Umsatz von 300 Millionen Mark von der Wintershall AG. und erzielte erstmals seit Jahren wieder einen Gewinn. Zwischen 1974 und 1979 investierte 1988 Die BASF gibt das Guano-Werk in die Guano-Werke AG rund 52 Millionen Mark Nordenham auf. in neue Anlagen sowie Umweltschutz- und Rationalisierungsmaßnahmen. So bekam der 1999 K+S kauft das Krefelder Düngemittelwerk Standort Krefeld 1976 zum Beispiel eine neue zusammen mit der COMPO von BASF. Schiffsentladeeinrichtung. Seit dem Jahr 2000 ist das Werk Krefeld ein wichtiger Produktions- standort der K+S-Tochter COMPO.

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und geriet daher schnell in die Verlustzone. Schließlich erhob die Regierung 1974 eine ruinöse, weil ertragsunabhängige „Reserve Tax“ auf die Ausbeutung von Bodenschätzen. Die Alwinsal entwickelte sich zu einer „Geld- vernichtungsmaschine“, so der damalige Kali und Salz-Vorstand Dr. Willi Heim. Als sich 1975 der Kalimarkt wieder erholte, betrieb die sozialistische Provinzregie- rung von Saskatchewan die Verstaatlichung von Kaligesellschaften, um die Gewinne aus dem Kaligeschäft im Land zu behalten. Zu diesem Zweck wurde die staatliche „Potash Corporation of Sasketchewan“ (PCS) gegrün- det. Die Regierung führte erste Sondierungs- gespräche mit den Kaligesellschaften. Die Kali und Salz AG und die französische EMC beschlossen daraufhin, das geplante Investi- Die Übertageanlagen des Kaliwerkes Kanada I: Schwierigkeiten und Verstaat- tionsprogramm der Alwinsal zu reduzieren. der Alwinsal in Saskatchewan Anfang lichung der Alwinsal (1970–1977) Als 1976 die Kosten stiegen und die Erlöse der 1970er Jahre schlecht blieben, informierten die Gesell- Während die 1970er Jahre für die Kali und schafter die Provinz-Regierung, dass sie nicht Salz AG in Europa eine Zeit der Modernisie- mehr bereit seien, für das defizitäre Geschäft rung und der wirtschaftlichen Erfolge waren, auch noch Steuern zu bezahlen. Daraufhin entwickelte sich das noch von Salzdetfurth entschloss sich die Regierung zur Verstaat- und Wintershall gemeinsam mit dem französi- lichung: Zum 1. November 1977 übernahm schen Partner EMC eingegangene Engagement die staatliche PCS für 76,5 Millionen kana- bei der kanadischen Beteiligungsgesellschaft dische Dollar das Kaliwerk der Alwinsal. Nach „Alwinsal Potash of Canada Ltd.“ in Lanigan dem verlustreichen Ausstieg der Salzdetfurth Kanada II: Erfolg und Ende von Das Kaliwerk der Denison-Potacan Potash nicht zu einer Erfolgsgeschichte. Dabei waren AG am Großen Salzsee war damit der zweite New Brunswick (1980–1998) Company (DPPC) in New Brunswick kurz vor der Fertigstellung im Jahr 1985 die Voraussetzungen doch ideal: Es gab ein Versuch der deutschen Kaliindustrie beendet, riesiges Grubenfeld, dessen Rohsalz einen in Nordamerika Fuß zu fassen. Der Firmen- Trotz der Verstaatlichung der „Alwinsal“ blieb nur 65 Kilometer entfernt vom eisfreien hohen Wertstoffgehalt von rund 20 Prozent mantel „Alwinsal“ mit seinen hohen Verlust- es für die deutsche und die französische Kali- Atlantikhafen St. John, auf viel versprechende

K2O aufwies und das mit der technisch ein- vorträgen (die Kosten für Schächte konnten industrie interessant, Kalivorräte im Ausland zu Kalivorkommen gestoßen. Die Reserven wurden facheren schneidenden Gewinnungsmethode in Kanada im ersten Jahr in voller Höhe abge- erschließen – einerseits um auf dem Weltmarkt nach weiterer Exploration durch IMC auf etwa abgebaut werden konnte. schrieben werden) wurde an eine Wintershall- konkurrenzfähig zu bleiben, andererseits um 200 Millionen Tonnen Kalisalze mit einem

Ende der 1960er Jahre jedoch hatten Tochter verkauft. Dank des letztlich glimpf- am Wachstum der überseeischen Kalimärkte sehr hohen K2O-Anteil geschätzt. Die Schürf- die kanadischen Kaliwerke den Weltmarkt lichen Ausgangs des Kanada-Projekts konnte teilnehmen zu können. Angesichts der abseh- rechte kaufte 1979 das kanadische Unterneh- durch Überproduktion und Dumpingpreise die Kali und Salz AG sogar eine „Alwinsal- baren Erschöpfung der französischen Kalivor- men „Denison Mines Ltd.“ aus Toronto. Da so stark beeinträchtigt, dass sie selber in eine Sonderdividende“ ausschütten. Die neue Eigen- kommen im Elsass war besonders das Interesse Denison aber aus dem Erz- und Kohlebergbau schwere Krise gerieten. 1970 legte daher die tümerin des Werks, die staatliche Kaligesellschaft der Franzosen an der Erschließung neuer Kali- kam, benötigte die Firma für die Exploration Provinzregierung von Saskatchewan Mindest- PCS, baute eine zweite Fabrik. Heute steht hier vorräte groß. und Vermarktung des Kalis einen kompetenten preise fest und erließ gleichzeitig Förderquoten, eines der größten Kaliwerke der Welt mit einer Bereits in den Jahren 1971 bis 1973 Partner. Den fand sie in der „Potacan“ (Potash um den Weltmarkt zu stabilisieren und die Produktionskapazität von 3,8 Millionen Tonnen hatte die Provinzregierung von New Brunswick Company of Canada Ltd.), die bereits 1932 als defizitäre Kaliindustrie im Land zu einem wirt- Kaliumchlorid. Die 1989 privatisierte PCS an der kanadischen Ostküste die Suche nach gemeinsame kanadische Verkaufsgesellschaft schaftlicheren Kurs zu zwingen. Durch die ist heute neben der amerikanischen Mosaic Bodenschätzen gefördert. Die US-amerikanische der französischen und der deutschen Kaliindus- staatlichen Produktionsbeschränkungen konnte (Fusion von IMC Global und Cargill Crop IMC, ein großer Kaliproduzent in Saskatchewan trie gegründet worden war. „Die Potacan war die Alwinsal ihre Anlagen nicht mehr auslasten Nutrition) der größte Kaliproduzent der Welt. (Kanada), war in der Nähe des Ortes Sussex, unser Standbein im Markt eines mächtigen

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Wettbewerbers“, so der heutige Bergbau-Vor- mit 50 Prozent beteiligt waren. Mit der voll- EMC, die einen größeren Teil der Produktion Die Kali und Salz AG und EMC verkauften stand Gerd Grimmig. Die Potacan sollte gemein- ständigen Übernahme der Potacan wurde auch der Potacan nach Frankreich exportieren wollte. 1998 ihre Anteile an der Potacan an die „Potash sam mit Denison nach Kali suchen und – wenn die Projektfinanzierung durch eine konventio- Zum Konflikt über die Ausrichtung der Potacan Corporation of Saskatchewan“ (PCS). Sie nutzt sich die Lagerstätten wirtschaftlich nutzen nelle Finanzierung mittels Bankkredit abgelöst. kam es jedoch nicht mehr, denn im März 1997 seither die Übertage-Anlagen in New Brunswick ließen – als Partner von Denison ein Kaliwerk „Dies führte zu einer deutlichen Reduzierung traten aus einer Laugenstelle in der Grube plötz- zur Granulierung, um dann die Ware über den errichten. Deshalb wurde 1980 ein gemein- der Finanzierungskosten“ so Dr. Volker Schäfer, lich mehrere Hundert Kubikmeter Wasser täg- eisfreien Hafen St. John zu exportieren. Durch sames Tochterunternehmen gegründet, die der damals als Finanzvorstand von Kali und lich aus dem Deckgebirge aus. Man hatte ganz den Verkauf und die Versicherungsleistungen „Denison-Potacan Potash Company“ (DPPC), Salz die Verhandlungen führte. zu Anfang der Inbetriebnahme beim Abbau wurden die finanziellen Folgen aus der Still- an der Potacan mit 40 Prozent und Denison mit Als sich der Weltkalimarkt nach 1993 offensichtlich zu wenig Sicherheitsabstand zu legung für Kali und Salz stark gemildert. Nach 60 Prozent beteiligt waren. Zur Finanzierung langsam wieder erholte, warf das Unternehmen den Grundwasser führenden Schichten gehal- dem Scheitern der Salzdetfurth AG am Großen des 560-Millionen-Mark-Projektes wurde ein PMC endlich deutlich Gewinne ab, 1995 fast ten, so dass an einigen Stellen nur noch wenige Salzsee und der Verstaatlichung der Alwinsal internationales Bankenkonsortium gebildet. Die 20 Millionen kanadische Dollar. So konnte ein Meter Salz zwischen dem Bergwerk und dem war dies das dritte unglückliche Ende eines beteiligten 19 Banken stellten die benötigten großer Teil der Bankverbindlichkeiten getilgt Grundwasser lagen. Nordamerika-Engagements der deutschen Gelder in Form einer Projektfinanzierung zur werden. Der Umsatz stieg auf fast 170 Millionen Der Wassereinbruch verstärkte sich stetig, Kaliindustrie. Verfügung. Bei dieser Finanzierungsform über- kanadische Dollar (1995/96) und die Produk- bis im Juni 1997 täglich fast 10.000 Kubikmeter nahmen die Banken den größten Teil des Pro- tion stabilisierte sich bei 1,1 Millionen Tonnen in die Abbauhohlräume strömten. Die unverzüg- linke Seite Klare Strukturen der Förder- jektrisikos. Denison und Potacan vereinbarten Kaliumchlorid, das im Wesentlichen nach lich eingeleiteten Rettungsmaßnahmen ver- und Produktionsanlagen der PMC in eine klare Arbeitsteilung: Denison übernahm Nord- und Südamerika sowie nach Asien ver- schlangen rund 30 Millionen kanadische Dollar, New Brunswick den Bau und die Betriebsführung von Grube kauft wurde. Zu dieser Zeit beschäftigte das und während dieser Zeit konnte auch nicht unten Der eisfreie Hafen St. John an und Kaliwerk, während die Potacan den Ver- Werk rund 500 Mitarbeiter. produziert werden. Im Oktober 1997 mussten der kanadischen Atlantikküste mit seinen trieb übernahm. 1982/84 wurden zwei Schäch- Mitte der 1990er Jahre gab es jedoch schließlich die umfangreichen Rettungsversuche Kali-Lagerhallen liegt nur 65 Kilometer te abgeteuft und eine Kalifabrik gebaut. Die Differenzen zwischen Kali und Salz und der und damit das Bergwerk aufgegeben werden. vom Kaliwerk in New Brunswick entfernt. Planungen sahen vor, dass ab 1985 jährlich 1,3 Millionen Tonnen Kaliumchlorid produ- ziert werden sollten. Zunächst wurden diese Mengen jedoch deutlich verfehlt, denn die Verhältnisse unter Tage waren ungünstiger als angenommen. Bei einem Umsatz zwischen 60 und 80 Millionen kanadischer Dollar erwirtschaftete die DPPC bis 1987 jährliche Defizite. Erst 1988 wurde bei einer Produktion von mehr als 1 Million Ton- nen KCl und einem Umsatz von 130 Millionen kanadischer Dollar endlich ein leicht positives Ergebnis erreicht, aber schon 1989 machte die DPPC bei rückläufiger Produktion und sinken- dem Absatz wieder Verluste. Hintergrund war die durch den Zusammenbruch des Ostblocks ausgelöste weltweite Kalikrise. Als Denison Mines durch eine Reihe von Misserfolgen auf anderen Geschäftsgebieten in finanzielle Schwierigkeiten geriet, übernahm die Potacan 1991 nach langen und schwierigen Verhand- lungen und zu sehr günstigen Bedingungen den 60-prozentigen Denison-Anteil und be- nannte das Unternehmen in „Potacan Corporation“ (PMC) um, an dem die Kali und Salz AG und die französische EMC nun jeweils

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„Noch kein Ende der Talsohle in Sicht“: Rund 370 Aktionäre, Aktionärs- und Bankenvertreter informierten sich 1982 auf der Kali und Salz-Hauptversammlung über die „unerfreuliche Geschäftsent- wicklung“ im Jahr 1981.

Ein untertägiges Büro im Kaliwerk Sigmundshall (1982)

linke Seite und unten Einsatz einer Teilschnittmaschine im Kali- werk Wintershall in den 1980er Jahren. DIE 1980ER JAHRE: STAGNATION AUF DEM KALIMARKT Rund 70 Meter Strecke werden damit pro Tag in Hartsalz-Lagerstätten mit geringer Mächtigkeit aufgefahren. Das Verfahren setzte sich allerdings nicht durch.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Kali und Salz AG

Nach einigen ertragreichen Jahren zeichnete sich 1981 ein Ende entstanden in Kanada und Jordanien neue Kaliwerke, die zität vom Markt genommen wurde. Außerdem profitierten die der positiven Entwicklung auf dem Weltkalimarkt ab. So sank den Weltmarkt weiter belasten sollten. Exporterlöse vom rasant steigenden Dollarkurs der Reagan-Ära. die Nachfrage in den Jahren 1981 und 1982 um insgesamt fast Das Überangebot an Kali auf dem Weltmarkt ließ die Preise Ende 1982 ließ der Preisverfall bei Kali nach, und 1983/84 zehn Prozent auf weltweit 24 Millionen Tonnen K2O. Diese sinken. Der Jahresüberschuss der Kali und Salz AG sank drastisch schienen die Schwierigkeiten überwunden zu sein. Die Erzeuger- Entwicklung war zwar auch eine Folge der weltweiten Rezession von 55 Millionen (1980) auf 15 Millionen Mark (1982). Nach vier preise in der Landwirtschaft stiegen wieder. Damit belebte sich Anfang der 1980er Jahre, die Ursachen für den Preisverfall bei Jahren der Steigerung ging die Kaliproduktion des Unternehmens auch die Düngermittelnachfrage. Der Weltkaliverbrauch zog

Kali waren aber vielfältiger: Dank guter Witterung und zweier von 2,5 Millionen Tonnen K2O (1980) auf 2,1 Millionen Tonnen wieder kräftig an und der Exportanteil der Kali und Salz, der in Rekordernten sanken in den USA die landwirtschaftlichen (1982) zurück. Die Steinsalz-Produktion sank witterungsbedingt den 1970er Jahren zwischen 45 und 50 Prozent gelegen hatte, Erzeugerpreise, während die Kosten für die Betriebsmittel der von 1,4 Millionen Tonnen (1980) auf 1,1 Millionen Tonnen wuchs auf fast 60 Prozent. Die Kaliproduktion erreichte 1984

Landwirtschaft weiter stiegen. Mit einem umfangreichen Flächen- (1982). Dank ihrer gesunden Finanzstruktur konnte die Kali und mit 2,6 Millionen Tonnen K2O einen neuen Rekordwert, Um- stilllegungsprogramm versuchten die USA seit 1983 die Agrar- Salz AG die Schwierigkeiten jedoch meistern. Positiv wirkte sich satz und Gewinn der Kali und Salz AG erreichten in diesem preise zu stabilisieren. Gleichzeitig waren die Zinsen hoch außerdem die seit langem geplante Stilllegung der Fabrik Fried- Jahr mit 1,7 Milliarden und 60 Millionen Mark ebenfalls neue und den Entwicklungsländern fehlten die Devisen. Schließlich richshall (1981) durch die Kali-Chemie AG aus, wodurch Kapa- Rekordhöhen. Die Perspektiven schienen gut zu sein.

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links Unterwegs zu einem neuen Einsatz entlang der Bandstrecke im Kaliwerk Sigmundshall (1986) Dr. Hans Detzer – Aufsichtsratsvorsitzender 1982 bis 1989 rechts Berauben der Firste mit der Dr. Hans Detzer (Jahrgang 1927) studierte Chemie, promovierte 1953, Beraubemaschine BR 3 trat 1954 in die BASF ein, wurde 1982 Vorstandsmitglied und 1983 stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Zu seinem Ressort gehörten die Unternehmensbereiche Düngemittel, Pflanzenschutz, Energie, Kohle sowie Kali und Salz, deren Aufsichtsratsvorsitz er 1982 übernahm. Auch bei schwierigen Anpassungsmaßnahmen „bewies er Einfühlungsvermögen, warb vehement um Verständnis und setzte ein hohes Maß an sozialem Ausgleich für die Betroffenen durch“, so 1989 die „BASF-Information“.

Es traf Kali und Salz überraschend, dass dieser Die Kalipreise gerieten zunehmend unter Druck. Trend nicht anhielt, sondern sich Mitte 1985 Hinzu kam, dass der US-Dollar bis 1987 deut- in sein Gegenteil verkehrte: Erstmals seit 1972 lich an Wert verloren hatte, so dass es für die musste das Unternehmen 1986 mit 25 Millio- nordamerikanischen Anbieter attraktiver war, nen Mark einen erheblichen Verlust ausweisen, verstärkt in westeuropäische Märkte zu liefern. der 1987 sogar auf 41 Millionen Mark stieg. Der verstärkte Wettbewerb führte auch hier zu Der Umsatz brach innerhalb von nur zwei Jah- niedrigeren Preisen. Verschärft wurde die Krise ren um 25 Prozent ein. Die Ursachen für diesen schließlich auch durch die zu hohen Lohn- Rückgang waren vielfältig: Weltweit hohe abschlüsse der 1980er Jahre. Getreideernten führten zu Preiseinbrüchen bei Als Reaktion auf diesen Wettbewerbs- wichtigen Agrarprodukten. Diese Überschüsse druck musste die Kali und Salz AG erneut verschlechterten die wirtschaftliche Lage vieler verstärkt Kosten reduzieren und war 1987 landwirtschaftlicher Betriebe in Nordamerika gezwungen, das Werk Siegfried-Giesen bei und Westeuropa. Der daraus resultierende Hildesheim zu schließen. Dadurch wurde Rückgang des Düngemittelverbrauches wurde zugleich eine Kapazität von 250.000 Tonnen

durch die Devisenknappheit in Entwicklungs- K2O vom Markt genommen. ländern noch verstärkt.

Das Auf und Ab des US-Dollar in den 1980er Jahren

1980 hatte sich der Dollarkurs auf dem niedrigen Niveau von etwa 1,80 Mark stabilisiert. Die Situation änderte sich, als nach dem Amtsantritt von Ronald Reagan (1981) der Dollarkurs scheinbar unaufhaltsam stieg. Erst 1985 war bei einem Spitzenkurs von 3,45 Mark der Gipfel erreicht. Der steigende Dollar erhöhte zwar die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kali- links Die Grubenlampe gehört damals produzenten und begünstigte die Exporte der Kali und Salz AG in Industrieländer, er schmälerte wie heute zur Ausrüstung der Bergleute. aber andererseits die Kaufkraft der Entwicklungsländer für Kalidünger. Nach seinem Höhenflug bis 1985 sank der Dollar ab 1987 wieder unter 2 Mark. Bis zum Ende der 1980er Jahre ver- rechts Die Arbeit am Schreibtisch zählt harrte er auf niedrigem Niveau. Die Kursschwankungen zeigten, dass die Wechselkurs-Unsicher- auch zu den Tätigkeiten unter Tage; hier im Bild: Buchführung im Spreng- heiten fortbestehen würden. stofflager

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Der Konzernumbau der BASF (1986) Der Trend zum Einzeldünger

Mitte der 1980er Jahre befand sich die durch BASF zu verbessern. Denn bisher 1986 übernahm die BASF die erwähnten Hatte die Bedeutung der NPK-Dünger bis 1980 stetig zu- BASF auf einem Kurs der Umstrukturierung war die Kette lang: Die BASF war Mitte Düngemittelbeteiligungen der Winters- genommen, kehrte sich der Trend in den folgenden Jahren und Rationalisierung. Zu den Arbeitsge- der 1980er Jahre Alleinaktionärin der hall und erwarb von Kali und Salz die um. Der Einzeldünger wurde immer wichtiger. Damit bieten, mit denen die BASF nicht zufrieden Wintershall AG, der wiederum inzwischen restlichen 50 Prozent an COMPO. CFK geriet die NPK-Düngerindustrie in eine schwere Krise – war, gehörten neben Raffinerieprodukten 98,5 Prozent der Guano-Werke AG, das und KTG blieben Tochterunternehmen verschärft durch den Markteintritt des neuen norwegischen auch Düngemittel. Um hier die Ergebnisse Torfwerk Uchte, die Gewerkschaft Victor, der Kali und Salz AG. Kali und Salz und Wettbewerbers Norsk Hydro, der einen ruinösen Wett- zu verbessern, sollten die gesellschafts- die Chemag AG, 50 Prozent der Pec-Rhin, die anderen Düngemittelunternehmen bewerb entfachte. Die Ursache für diesen Trend vom Mehr- rechtlichen und organisatorischen Struk- 50 Prozent der COMPO sowie die Mehr- wurden so gesellschaftsrechtlich direkt nährstoff- zum Einzeldünger war vor allem der Strukturwan- turen an die veränderte Aufgabenvertei- heit der Kali und Salz AG gehörten. Kali der BASF zugeordnet, die die Unterneh- del in der Landwirtschaft: Zu Beginn der Mineraldüngung lung im BASF-Konzern angepasst werden. und Salz ihrerseits hielt die anderen 50 men auf diese Weise leichter führen Ende des 19. Jahrhunderts war die Landwirtschaft geprägt Es ging vor allem darum, die operative Prozent der COMPO sowie 100 Prozent konnte. Für Kali und Salz änderte sich von vielen kleinen Bauernhöfen. Die oft kaum ausgebildeten Führung der Düngemittelbeteiligungen an der CFK und der KTG. Zum 1. Januar durch die neue Struktur zunächst wenig. Landwirte nutzten gerne die NPK-Fertigrezepte, die ihnen die schwierige Dosierung der Düngersorten abnahmen. Mit der Zunahme größerer Betriebe und besser ausgebil- deter Landwirte wurde häufiger preiswerter Einzeldünger Luftaufnahme von der CFK in Köln-Kalk (1988) eingesetzt. Um aus wirtschaftlichen und ökologischen BASF: Wesentliche Beteiligungen 1974 BASF (Düngemittel) Gründen die Düngermengen reduzieren zu können, gingen 95,7% die Landwirte mehr und mehr zu einer „gezielten Düngung“ Umsatzeinbruch bei der CFK über, die den unterschiedlichen Ansprüchen der Kulturen, Wintershall dem Wasserbedarf und den Böden mit ihrem unterschied- Bei der Kali und Salz-Tochtergesellschaft CFK waren die Geschäfts- lichen Mineraliengehalt sehr spezifisch gerecht wurde. Diese aussichten seit Mitte der 1980er Jahre ungünstig, denn sie litt „gezielte Düngung“ war Inhalt der landwirtschaftlichen 71,8% 50% 97,1% 100% 50% 50% 100% unter der scharfen Wettbewerbssituation in der westeuropäischen Beratung seit den 1970er Jahren. Die dafür notwendigen Mehrnährstoff-Düngemittelindustrie und dem zunehmenden Bodenanalysen durch die Landwirtschaftskammern und Kali und Salz Guano Uchte Victor Pec-Rhin Chemag Trend hin zum Einzeldünger (siehe Kasten). Der Umsatz der durch private Labore nahmen seit den 1980er Jahren erheb-

50% Compo CFK brach in den Jahren 1985 bis 1987 von 570 auf 370 Millio- lich zu. Gefördert durch stark verbilligte Einzelkomponenten nen Mark ein. Jahr für Jahr nahmen die Verluste der CFK im setzten zahlreiche Kunden auf das preiswertere mechanische 100% CFK Düngergeschäft zu und eine Besserung war nicht in Sicht. Am Mischverfahren („Bulk blending“), statt auf kompaktierte Kölner Standort in Kalk waren die Produktionskosten für den und granulierte NPK-Komplexdünger. Die Landwirte lassen 100% KTG Mehrnährstoffdünger nicht weiter zu senken. Entscheidender dabei ihren Dünger individuell nach den eigenen Bedürfnis- Standortnachteil war die Entfernung zum Rhein: Jährlich mussten sen vom Handel mischen. Die eingeführten NPK-Marken 50% Alwinsal rund 500.000 Tonnen Rohstoffe für die Produktion über den wie Nitrophoska überlebten durch ihren guten Ruf sowie Kölner Hafen umgeschlagen und per LKW ins Werk gebracht durch die vielfältigen Zusammensetzungen, die auch unter- werden. Hinzu kamen rund 100.000 Tonnen Fertigprodukte der schiedlichsten Nährstoffbedürfnissen gerecht werden – Umbau 1986 BASF CFK, die ebenfalls per LKW über den Hafen zum Weiterversand dies gilt bis heute. gebracht wurden. Angesichts der Krise bei NPK-Düngern hatte 75,1% 100 % 100 % 98,5% 100 % 100 % 50% 100% die CFK Anfang der 1980er Jahre begonnen, eine Feinchemie- sparte aufzubauen, die auf Brom-Verbindungen basierte. Benö-

Kali und Salz Compo Wintershall Guano Uchte Victor Pec-Rhin Chemag tigt wurde dieses Brom als Flammschutz und in der Pharmazie. 1985 war die 30 Millionen Mark teure Brom-Anlage fertig ge- 100 % CFK stellt – 14 Tage später brannte sie ab. Die Versicherung deckte zwar die Schäden ab, aber trotzdem war mit dieser Katastrophe 100 % KTG der Einstieg in die Feinchemie gescheitert, zumal sich aufgrund der toxischen Eigenschaften des Broms auch Umweltfragen 50% POTACAN ergaben.

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Modernisierte Sodaproduktion: Kaliindustrie und Konsumgüter- 1985 stellte die CFK die Abtrennung produktion in der DDR des Natriumbikarbonats, eines Vorpro- duktes von Soda, von alten Trommel- filtern (links) auf eine moderne Band- Während die westdeutsche Kaliindustrie in tert war – nicht zuletzt aufgrund der Verstaat- filteranlage (rechts) um. den 1980er Jahren mit den Turbulenzen des lichung der letzten privaten Betriebe –, erhielt Weltmarktes zu kämpfen hatte, belasteten die DDR-Industrie 1978 den Auftrag, neben die ostdeutsche Kaliindustrie ganz andere den Investitionsgütern auch Konsumgüter Probleme: Trotz einer Rekordproduktion von herzustellen. So produzierte das Kaliwerk Blei-

3,5 Millionen Tonnen K2O konnte sie die Plan- cherode beispielsweise Spülbecken, während vorgaben Mitte der 1980er Jahre nicht erfüllen. Zielitz den Auftrag erhielt, gemeinsam mit Für die notwendigen technischen Investitionen dem Campingwagen-Hersteller „Queck Junior“ fehlte das Geld, und der schlechte technische zum X. Parteitag einen Campingwohnanhänger Zustand der vorhandenen Anlagen war nirgend- samt Innendekoration als „Parteitagsobjekt“ wo mehr zu übersehen. Damit ging es der zu bauen. Tatsächlich war im August 1981 Ende der Düngerproduktion und DDR-Kaliindustrie nicht anders als der gesamten der Prototyp eines Campingwagens namens Werksschließung bei der CFK DDR-Wirtschaft, die in den 1980er Jahren mit „KALIBRI“ fertig entwickelt und eine „Null- einem hohen Verschleiß der Industrieausrüs- serie“ von 30 Stück wurde gebaut. Da aber die Verschärft wurde die Krise der CFK durch die Nachdem sich das Geschäft der CFK um 1990 tung, geringer Arbeitsproduktivität, viel zu erforderlichen Polyesterharze fehlten, wurde umweltpolitische Diskussion der 1980er Jahre. stabilisiert hatte, geriet das Unternehmen 1992 hohen Kosten und übermäßigem Planungs- die Produktion im März 1982 wieder einge- „Auch wenn die Emissionen der CFK weniger in die nächste Krise, als die Preise für Soda und Verwaltungsaufwand zu kämpfen hatte. stellt und nur die Innendekoration für Cam- gefährlich waren, als sie auf den ersten Blick fielen, von dem die CFK jährlich rund 250.000 Wegen ihrer wachsenden Verschuldung pinganhänger weiter gefertigt. Andere Kon- wirkten, haftete unserem Unternehmen doch Tonnen produzierte. Einerseits sank der Soda- war die DDR nicht mehr in der Lage, ihre Bür- sumgüter, die bis 1990 in Zielitz hergestellt der Ruf einer ‚Dreckschleuder’ an“, schildert verbrauch der Glasindustrie durch den immer ger mit den Konsumgütern zu versorgen, die wurden, waren vor allem Hochantennen für CFK-Geschäftsführer Peter Heinsohn die dama- stärkeren Einsatz von Recycling-Glas, ande- die Überlegenheit des Sozialismus beweisen Binnenmarkt und Export, darüber hinaus lige Diskussion. Die Akzeptanz der Chemie- rerseits sorgte der Verfall des Dollarkurses sollten. 1971 hatte der neue Parteichef der SED, Elektrospulen, Anhängerräder, Kinderturn- fabrik inmitten von Wohngebieten sank. Viele seit 1985 dafür, dass große Mengen billiger Erich Honecker, die „weitere Erhöhung des beutel, Schaukelstuhlbezüge, Laminatteile Kommunalpolitiker wünschten sich „saubere“ US-Soda von Deutschland importiert wurden. materiellen und kulturellen Lebensniveaus des und Kondensatoren. Rund 160 Mitarbeiter Industrien und wollten die CFK lieber heute Der Umsatz sank um zwölf Prozent auf 225 Volkes“ versprochen und damit begonnen, die waren in Zielitz mit diesen bergbaufremden als morgen loswerden. Der richtige Zeitpunkt Millionen Mark, die jährlichen Verluste der Konsumgüterindustrie zu Lasten von Investi- Aufgaben beschäftigt. für eine Umsiedlung der CFK war allerdings CFK stiegen in den zweistelligen Millionen- tionen in der Großindustrie anzukurbeln. Als vorüber, denn ohne Unternehmensgewinne bereich. Da auch das Calciumchlorid- und dieser Versuch Ende der 1970er Jahre geschei- war ein solches Projekt nicht mehr finanzier- das Futterphosphat-Geschäft diese Verluste bar. Mangels Zukunftsperspektiven wurde die bei weitem nicht mehr auffangen konnten, 1981 versucht sich das Kaliwerk Zielitz NPK-Düngerproduktion daher Mitte 1989 auf- entschieden sich Kali und Salz und BASF zur mit der Produktion des Campinganhän- gegeben; die Kunden wurden über die BASF Schließung des traditionsreichen, allerdings gers „KALIBRI“. Nach einer Nullserie von weiter beliefert. Die Zahl der CFK-Mitarbeiter technisch veralteten Werks zum Jahresende 30 Anhängern musste das Experiment sank von 1.400 (1985) auf 830 (1990). Weiter- 1993. Von der Stilllegung waren rund 700 Mit- 1982 aus Mangel an Rohstoffen wieder eingestellt werden. geführt wurden noch die Produktion und der arbeiter betroffen. Die Fabrikanlagen wurden Vertrieb von Soda, Calciumchlorid und minera- abgerissen, das 360.000 Quadratmeter große lischen Futterzusatzstoffen. Bis 1990 war eine Gelände saniert und verkauft. schwarze „Null“ im Betriebsergebnis gewähr- Die „Chemische Fabrik Kalk GmbH“ leistet. Auch andere Unternehmen der BASF- betreibt heute mit einer kleinen Mannschaft Düngemittelsparte waren von der schwierigen ein Handelsgeschäft mit Grundchemikalien Stickstoffmarktlage betroffen: 1988 gab die wie beispielsweise Calciumchlorid aus Schwe- BASF das Guano-Werk in Nordenham und den oder Soda aus Frankreich und erwirtschaf- 1990 das erst 1984 komplett erworbene Victor- tet damit einen Umsatz von rund 10 Millionen Werk in Castrop-Rauxel auf, die beide ebenfalls Euro jährlich. NPK-Dünger produzierten.

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Tauwetter in den Ost-West-Beziehungen

Das Interesse der Bundesrepublik an einer Rücksicht auf die unterirdischen Kalilagerstät- Entsalzung der Werra, das Interesse der DDR ten. Zahlreiche Kalivorräte, die nur vom Osten Vertragsgebiet Vertragsgebiet an einem Kaliabbau jenseits der Staatsgrenze oder vom Westen aus wirtschaftlich abgebaut Dankmarshäuser Aue Großensee’er Zipfel und schließlich die Notwendigkeit, die Salz- werden konnten, befanden sich auf der jeweils abwasserversenkung im Grenzgebiet zu koor- anderen Seite des „Eisernen Vorhangs“ und dinieren, führten ab 1980 zu ersten konstruk- waren damit unzugänglich. Bereits in den Wintershall tiven Kontakten zwischen der Kaliindustrie Jahren 1943/45 hatte man einen Teil dieser Thüringen der Bundesrepublik und der DDR. Seit Herbst untertägigen Feldesgrenzen „begradigt“. Mitten 1980 wurden deutsch-deutsche Expertenge- im Kalten Krieg hatte 1954 ohne Wissen der spräche über die Frage der Werra-Entsalzung Regierungen unterirdisch eine weitere „Grenz- und eine mögliche finanzielle Beteiligung der begradigung“ zwischen den Werken Hattorf Bundesrepublik an den Entsalzungsmaßnahmen und Unterbreizbach („Marx-Engels“) statt- der DDR geführt. Da die Werra aus dem thürin- gefunden, wie der ehemalige Kali und Salz- gischen Kalirevier nach wenigen Kilometern in Vorstand Dr. Willi Heim berichtete. Als dies den Westen floss, hatten die Verantwortlichen Anfang der 1970er Jahre durch die deutsch- in der DDR jedoch wenig Interesse, diese wirt- deutsche Grenzkommission, die im Zusammen- Hessen schaftlich günstigste Form der Rückstands- hang mit den Ostverträgen die innerdeutsche beseitigung aufzugeben. Vermutlich nur auf- Grenze markierte, an die Öffentlichkeit kam, Springen grund des westlichen Drucks zeigte sie sich habe es einigen Wirbel deswegen gegeben. überhaupt zu Verhandlungen bereit. Diese Um den grenzüberschreitenden Abbau Vertragsgebiet zogen sich allerdings lange hin, weil das Kali- vertraglich zu ermöglichen, wurden Anfang Großer und kleiner Kiel kombinat immer neue Varianten durchspielte der 1980er Jahre Verhandlungen zwischen der und letztlich kein Geld für die Werra-Entsal- „Treuhandstelle für Industrie und Handel“ im Hattorf zung aufbringen wollte. Schließlich wollte Westen und dem Außenhandelsministerium Merkers man – mit finanzieller Beteiligung der Bundes- der DDR geführt. Nach „irrsinnig langen und republik – zur Entsalzung der Werra an den unglaublich komplizierten Verhandlungen“, ostdeutschen Werra-Werken eine ESTA-Anlage so der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. Otto errichten. Die Kali und Salz AG war durchaus Walterspiel, wurde im April 1984 (der lange zu einer Lizenzvergabe bereit, bestand aber Streit um den Gebirgsschlag von Sünna im Jahr darauf, über das in den Anlagen produzierte 1975 war gerade beigelegt) ein entsprechender Kieserit mitbestimmen zu dürfen. Denn es Staatsvertrag paraphiert. Im Dezember wurden bestand die Gefahr, dass die DDR ohne Rück- sicht auf die wirklichen Kosten mit dem im Flächenaustausch zwischen Hessen und der DDR im Jahr 1984 und Flächenaustausch zwischen Hessen und Thüringen im ESTA-Verfahren erzeugten Kieserit der Kali Jahr 1996 (siehe Kapitel 6, Seite 267 f.) im Bereich der Standorte Wintershall und Hattorf (Grubenbaue auf der ersten Sohle) und Salz Konkurrenz machen würde. Trotz des politischen Drucks aus Bonn, der DDR entgegenzukommen, bestand Kali und Salz die Verträge unterschrieben und der Bundestag senen Vorräte entsprachen zwar nur dem Roh- darauf, dass diese Gefahr vorher ausgeschlossen und die Volkskammer der DDR stimmten dem salzbedarf von acht Monaten, aber immerhin würde. Weil der DDR-Kalivertrieb in Ost-Berlin Gesetz über den Abbau von Salzen im Grenz- gab es nun endlich offizielle Kontakte zum aber allein über das Kieserit verfügen wollte, gebiet zu. Nun konnten die Kali und Salz AG DDR-Kalikombinat. Das deutsch-deutsche scheiterte das Projekt. und das Kalikombinat auch grenzübergreifend Verhältnis im Kalibergbau hatte sich verbessert: Einen weiteren wichtigen Ost-West- Lagerstätten abbauen. Eine mindestens 200 Seit 1986 gab es sogar einige gemeinsame Kontakt gab es seit 1984 in der Frage eines Meter breite Salzbarriere („Markscheidesicher- Vorstandstreffen der Kali und Salz AG und grenzüberschreitenden Kaliabbaus. Der Grenz- heitspfeiler“) sollte einen möglichen Wasser- des Kalikombinats mit gegenseitigen Betriebs- verlauf zwischen der Bundesrepublik und der Nach der Seilfahrt auf der 785-Meter-Sohle im Kaliwerk einbruch ebenso stoppen wie fluchtwillige besichtigungen. DDR in Hessen und Thüringen nahm keine Sigmundshall (1986) Bergleute. Die der Kali und Salz AG zugewie-

222 223 K+S GRUPPE K+S GRUPPE WACHSTUM ERLEBEN ZUSAMMENSCHLÜSSE UND HERAUSFORDERUNGEN. WACHSTUM ERLEBEN ZUSAMMENSCHLÜSSE UND HERAUSFORDERUNGEN. KAPITEL 5 UNTERSCHIEDLICHE ENTWICKLUNGEN IN WEST UND OST KAPITEL 5 UNTERSCHIEDLICHE ENTWICKLUNGEN IN WEST UND OST 1968 –1989 1968 –1989

Das Ende der Krise?

Nach dem Rekordverlust von mehr als 40 Mil- des nordamerikanischen Kaliverbrauchs blieb lionen Mark im Jahr 1987 zeichnete sich für aus, und die Preise stagnierten. Auch die Dün- die Kali und Salz AG im Jahr 1988 eine Trend- gerexporte nach China entwickelten sich nicht wende ab. Ein Anfang 1988 erfolgreich bei- wie erhofft und die Düngerexportpolitik der gelegtes Anti-Dumping-Verfahren der USA Sowjetunion blieb „unklar und wechselhaft“, gegen Kanada besaß Signalwirkung für den so Kali und Salz 1989. In Osteuropa waren die Weltmarkt und sorgte dafür, dass sich das inter- Lebensmittel zwar knapp, aber es fehlte das nationale Preisniveau verbesserte. Trotzdem war Geld für den Kauf von Düngemitteln. In West- der frühere Stand noch nicht wieder erreicht. europa kämpfte Kali und Salz mit der sinken- Die Weltkalinachfrage kletterte 1988 auf mehr den Nachfrage der deutschen Mehrnährstoff-

als 30 Millionen Tonnen K2O – den für lange dünger-Industrie und mit der Stilllegung oder Zeit höchsten Wert. Die Kapazitätsauslastung nur noch extensiven Bewirtschaftung von der Werke von Kali und Salz wurde wieder Nutzflächen in der EG. Außerdem reduzierten besser. Der Weg zum Erfolg auf dem Dünge- verschärfte Umweltschutzauflagen den Dünger- mittelsektor sei zwar noch steinig, „aber das verbrauch. härteste Stück haben wir wohl hinter uns“, Trotzdem blieb man bei Kali und vermutete der BASF-Vorstandsvorsitzende Salz optimistisch und ging von einer stabi- Dr. Hans Albers Anfang 1988. Nur ein Jahr nach len Nachfrage auf dem Weltmarkt aus. Am dem schlechtesten Ergebnis der Geschichte 3. Oktober 1989 beging die Kali und Salz AG schloss die Kali und Salz AG das Geschäftsjahr zwar ohne große Feier, aber voller Zuversicht 1988 bei fast unverändertem Umsatz mit 22,5 das 100-jährige Jubiläum der „Aktiengesell- Millionen Mark Gewinn ab. schaft für Bergbau und Tiefbohrung“, der Das Geschäftsjahr 1989 lief zwar späteren Salzdetfurth AG. Wie schwierig die zunächst gut an, doch es zogen bereits erste Lage des Unternehmens im 101. Jahr werden Gewitterwolken auf: Zwar konsolidierte sich würde, ahnte bei diesem Geburtstagsfest wohl der Weltkalimarkt, aber die erhoffte Belebung niemand.

links Elektrolysezellen in der DDR (1987). In der chemischen Industrie ist die Salz für die Industrie in den Chloralkali-Elektrolyse das wichtigste 1980er Jahren Einsatzgebiet für Salz.

„Feine Prise“ und „Cristall Edelsalz“ Seit den 1980er Jahren gingen etwa (etwa zur Herstellung von Vinylchlorid, aus Auftausalz ein „überragender Anbieter“, sind in den 1980er Jahren die Spitzen- 75 bis 80 Prozent des deutschen Salz- dem der Kunststoff PVC hergestellt wird), so ein Unternehmenssprecher damals. sorten unter den Speisesalzprodukten absatzes in die chemische Industrie. wird das Natrium zu Natronlauge weiter- Exportiert wurde vor allem nach Skandi- der Kali und Salz. Zu den Speisesalzen Während früher Soda ein wichtiger Stoff verarbeitet, die beispielsweise von der navien und in frachtnahe EG-Länder und gehörten auch eine Reihe erfolgreicher Eigenmarken. für die Textil- und Glasindustrie war, Papierindustrie zur Trennung der Cellulose auch hier hatte die Kali und Salz AG eine ist heute die Chloralkali-Elektrolyse das von den anderen Holzbestandteilen ver- bedeutende Marktposition. Das Unter- rechts Durchschlag auf der 900-Meter- wichtigste Einsatzgebiet für Salz. In wendet wird. Hinzu kommen aber noch nehmen war zuversichtlich, sich durch Sohle: Handschlag zwischen dem neuen diesem Verfahren wird das Salz mit Hilfe viele andere Anwendungsgebiete. intensive Forschung, verbesserte Produk- Kali und Salz-Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard R. Wolf (links) und dem langjäh- von elektrischem Strom in seine Bestand- 1989 musste sich Kali und Salz tionsmethoden, Qualitätssicherung und rigen Vorstandsvorsitzenden Dr. Otto teile Chlor und Natrium zerlegt. Während zwar im In- und Ausland gegen starke Servicebereitschaft „auch in Zukunft Walterspiel im Kaliwerk Salzdetfurth am das Chlor als Trägerstoff beispielsweise in Wettbewerber behaupten, war aber einen hervorragenden Platz im heiß 4. Oktober 1989. der chemischen Industrie benötigt wird trotzdem bei Gewerbe-, Speise- und umkämpften Markt zu sichern“ .

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