BOCHUMERJAHRBUCH ZUR OSTASIENFORSCHUNG

Bruno Lewin zu Ehren Festschrift aus Anlaß seines 65. Geburtstages

Band III KOREA

Koreanistische und andere asienwissenschaftliche Beiträge

herausgegeben von Michael Kuhl und Wemer Sasse

Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer . Bochum Herausgegeben von der Fakultät für Ostasienwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum. Band 14

Bochumer Jahrbuch zur Ostasienforschung 1990

ISSN 0170-0006 ISBN 3-8196-0042-6 Alle Rechte vorbehalten © 1992 by Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer Skript: M. L Frank, Gerhofstraße 2, 2000 Hamburg 36 Ostasiatische Schriftzeichen: W. Müller-Yokota Uni-Tech-Center, Gebäude MC, 4630 Bochum 1 Gesamtherstellung: Druck Thiebes GmbH & Co. KG Hagen Inhalt

Vorbemerkung der Herausgeber Michael Kuhl/Werner Sasse vii

Zur mongolischen Fassung der Sam-jön-do Inschrift Pentti Aalto 1

Zur Erforschung des koreanischen Schamanismus Norbert R. Adami 15

On Kyunyö's Books in Korean Pyöng-Hi Ahn 25

A Comparative Study of Ancient Folktales of Korea and China Chong-yon Chu 33

Mongolica im Alttürkischen Gerhard Dörfer 39

Die Determinationsrichtung in den determinativen Nominalkomposita europäischer und ostasiatischer Sprachen Roland Harweg 57

Austreiben eines bösen Krankheitsgeistes Walther Heissig 93

The Question of Korean Aesthetics. Reflections of a Korean Ceramics Collector Gregory Henderson 101

Zu den Geister- und Jenseitsvorstellungen bei Maewöltang Kim Sislip (1435-1493) - Unter be- sonderer Berücksichtigung der Erzählungssamrnlung Neue Geschichten vom Berg Kilmo (Klimo sinhwa) - Albrecht Huwe 117

Entwicklung und Perspektiven der Ost-West- Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung Japans Wolfgang Klenner 139

Die Tradition der koreanischen Schulgrammatik und der jüngste Versuch ihrer Vereinheitlichung Y6ngglin Ko 155

Bemerkungen zu den koreanischen Wörtern für Kimch'i Ki-Moon Lee 181

On Dating Changes in the Phonetic Rules of Korean Samuel E. Martin 185

Südkoreanische Demokratisierungsbewegung von 1987 im Spiegel der japanischen Presse Manfred Pohl 217

Zur Metrik der Kory6-Kayo Reta Rentner 235 vi Inhalt

Die Beschreibung Koreas durch Lufs Fr6is (ca. 1594) Arcadio Schwade 257

Politische Gegensätze innerhalb der japanischen Militärverwaltung im südostasiatischen Raum 1942-1945. Die Fälle Burmas und Indonesiens l-äsz16 Sluirners 265

Pelagische Purgatoria? Chinesische Gedichte für sillanische Mönche Erling von Mende 293

The Deity of the Seventh Day - and other narrative muga from Cheju Island - B.C.A. Walraven 309

Abkürzungen 329 Vorbemerkung

Im Jahre 1989 erschienen die Bände I und II der Festschrift zu Ehren eines herausragenden Vertreters der deutsch(sprachig)en Japanologie, der am 18. Juli desselben Jahres sein 65. Lebensjahr vollendete: Bruno Lewin. 37 führende internationale Wissenschaftler der japanbezogenen Forschung wür• digten in 36 Aufsätzen und einer Laudatio den unermüdlichen Einsatz des Ostasien­ wissenschaftlers Bruno Lewin für die nunmehr auf eine über hundert Jahre währen• de Geschichte zurückblickende deutsch(sprachig)e Japanologie, die er, wie Frau Prof. Dr. Irmela Hijiya-Kirschnereit in ihrer Laudatio zu Recht erkennt, ''[...] mit seinem Wirken als Wissenschaftler wie kaum ein anderer gefördert hat."l Das wissenschaftliche Interesse Bruno Lewins galt jedoch nicht ausschließlich der Japanologie, wie ein Blick auf das Verzeichnis derjapanologischen und koreanisti­ schen Schriften Bruno Lewins deutlich macht, das der ihm zu Ehren herausgegebe­ nen Festgabe beigefügt wurde. In dieser Überschrift wird auf das weitreichende wissenschaftliche Betätigungsfeld Bruno Lewins neben der Japanologie auch inner­ halb der Koreanistik verwiesen, die ihn zu Recht als ihren Nestor betrachtet und die er im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Fakultät für Ostasienwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum über einen langen Zeitraum, mit einer kurzen Unter­ brechung in den Jahren 1977 bis 1979, bis Ende 1987 parallel zu den Verpflich­ tungen an seinem eigentlichen Lehrstuhl für Sprache und Literatur Japans betreute. Die Koreanistik wurde von Bruno Lewin erstmals an einer (damals west-)deutschen Universität im Rahmen des von ihm eingerichteten Fachbereiches Sprache und Kultur Koreas auf ein wissenschaftliches Niveau gebracht. Der enge Bezug beider Fachgebiete zueinander wurde in den Arbeiten Bruno Lewins immer wieder heraus­ gestellt. So zunächst in seiner im Jahre 1962 veröffentlichten Habilitationsschrift über Aya und Hata von 1959, eine Arbeit, in der er sich ''[. ..] wiederum mit interkulturellen Einwirkungen befaßt. Gegenstand ist hier die erste koreanische Einwanderungswelle nach Altjapan, die Arbeit mithin eine Studie zur altjapanischen Geschichte anhand chinesischer, koreanischer und japanischer Quellenwerke [...J.,,2

1 I. Hijiya-Kirschnereit u. J. Stalph (Hg.): Bruno Lewin zu Ehren. Festschrift aus Anlaß seines 65. Geburtstages. Band I. Japan. Sprach- und kulturwissenschaftliche Beiträge. Bochum 1989. S.rX. (Bochumer Jahrbuch zur Ostasienforschung 1989. Band 12). 2 Ebd., SXI. viii Vorbemerkung

Neben seinen Forschungen im geschichts- und kulturwissenschaftlichen Bereich widmete sich Bruno Lewin immer wieder Fragestellungen zur koreanischen Sprache, deren Ergebnisse in zwei fundamentalen Abhandlungen, der Morphologie des koreanischen Verbs (1976) und der Geschichte der koreanischen Sprache (1977), letztes eine deutsche Übertragung des Grundlagenwerks zur koreanischen Sprach­ geschichte von Ki-Moon Lee, sowie in zahlreichen Aufsätzen insbesondere zur engen sprachlichen Verbindung zwischen dem Japanischen und Koreanischen (1973, 1976, 1978, 1980, 1981) versammelt sind. Im sprachdidaktischen Bereich erschien bereits 1974 eine Einführung in die koreanische Sprache, mit der es Bruno Lewin in Zusammenarbeit mit Tschong Dae Kim dem obligatorischen Rückgriff auf Lehr­ material zur koreanischen Sprache, das nicht eigens für deutschsprachige Koreanisch-Lernende bestimmt gewesen ist, entgegenzuwirken gelang. Der vorliegende Band erscheint als dritter und letzter Teil der Bruno Lewin zu Ehren herausgegebenen Festschrift und versammelt in erster Linie koreanistische Beiträge; daneben haben aber auch Vertreter anderer asiatischer Forschungsrich­ tungen die wissenschaftlichen Leistungen Bruno Lewins in Beiträgen gewürdigt, die wiederum Zeugnis darüber ablegen, welche Wertschätzung der Ostasienwissen­ schaftler Bruno Lewin nicht nur in seinem Wirkungskreis, sondern darüber hinaus auch unter zahlreichen Kollegen benachbarter Forschungsgebiete erfuhr. Die wissenschaftliche Schaffenskraft Bruno Lewins hat auch nach seiner Emeritierung im Jahre 1989 nicht an Produktivität eingebüßt. Zahlreiche, z.T. revidierte Neuauflagen der von ihm verfaßten bzw. herausgegebenen japanologi­ schen Standardwerke erschienen in den Jahren 1990 und 1991, ebenso stehen noch einige neue Arbeiten zur Veröffentlichung an. Nicht zuletzt trugen und tragen in den Jahren nach seiner Emeritierung mehr als ein Dutzend Magisteranwärter und Doktoranden dazu bei, daß der Abschied, den der Ostasienwissenschaftler Bruno Lewin bei seiner offiziellen Emeritierung im Oktober 1989 genommen hat, ein "Abschied in Raten" werden sollte, wie Bruno Lewin selbst in seiner damaligen Dankesrede aus Anlaß des Erscheinens der Bände I und 11 der Festschrift bemerkte.

Zuletzt ein Wort des Dankes. Die z.T. unglücklichen Umstände, die die Herausgabe des dritten und letzten Bandes der Festschrift erheblich verzögert haben, sollen hier nicht nachgezeichnet Vorbemerkung ix werden. Vielmehr danken die Herausgeber insbesondere den mit einem Beitrag an der Herausgabe dieser Festgabe beteiligten Autoren für das Verständnis und die Geduld, die uns in zahlreichen Gesprächen immerwieder entgegengebracht wurden. Zudem erinnern sich die Herausgeber gerne an den Einsatz zahlreicher Helfer im Hintergrund, die einen wesentlichen Beitrag zur Herausgabe der vorliegenden Festgabe geleistet haben. Zunächst sei Frau Karen Finney-Kellerhof gedankt, die sich, wie schon zuvor in den Bänden I und H, auch für den vorliegenden dritten Band der Durchsicht und stilistischen Bearbeitung sämtlicher englischsprachig verfaßten Manuskripte von Nicht-Muttersprachlern angenommen hat. In altbewähr• ter Weise fügte Herr Akad. Oberrat Dr. Wolfram Müller-Yokota die Schriftzeichen in die Druckvorlagen ein, während Frau Marie Louise Frank die oftmals mühevolle Reinschrift der Manuskripte übernahm. Schließlich ist der Korea Research FoundationjSeoul für eine Spende zu danken, die die Veröffentlichung dieses dritten Bandes ermöglichte.

Bochum, im März 1992 Michael Kuhl Werner Sasse

Zur mongolischen Fassung der Sam-jön-do Inschrift

Pentti AaIto (Helsinki)

Im Januarheft des Jahrganges 1888 des Journal 0/ the China Branch 0/ the RAS (Shanghai 1889) veröffentlichte W.R. Carles den chinesischen Text des Denkmals zu Song-pha (Sam-jön-do) am Han-Fluß, südlich von Söul, zusammen mit einer englischen Übersetzung. Die Mandschu- und mongolischen Fassungen der Inschrift wurden im Septemberheft1 derselben Zeitschrift abgedruckt. Diese letzteren wurden dann 1890 von A.M. Pozdneev in Faksimile herausgegeben, mit einer russischen Übersetzung des Mandschu-Textes (ZVOlRAO V, S. 37-55). W.W. Rockhill hatte sich durch den amerikanischen Marine-Attache in Söul, G.c. Foulk, einen Abklatsch der chinesischen Inschrift besorgt, veröffentlichte eine englische Übersetzung des Textes und referierte auch Foulks Beschreibung des Fundortes (S. 39 ff). Hauers Übersetzung (KKFL, S. 496) des chinesischen Textes weicht gewissermaßen von denen der obigen Gelehrten ab.

Nach Hulbert (11, S. 130 ff) hätten die Mandschu selbst den Text verlaßt und den Koreanern zugeschickt? Auch Pozdneev vermutete, daß die Mandschu-Fassung die ursprüngliche wäre. Weil aber die Namen des Verfassers und der Schreiber nur in der chinesischen Version (Carles, S. 7, Rockhill, S. 44) erwähnt werden, dürfte eben diese den Urtext vertreten. Es ist vielleicht nicht ausgeschlossen, daß alle drei Fassungen auf ein koreanisches Original zurückgehen. Alle drei weichen jedenfalls in mehreren Einzelheiten voneinander ab. Darum helfen auch die Paralleltexte dem Leser oft nicht, schwierige Ausdrücke, die uns in der mongolischen Version begegnen, mit Sicherheit zu interpretieren. Meine Übersetzung kann dementspre­ chend nur als ein Versuch betrachtet werden. Nach KKFL (Hauer, S. 496 und 697, Anm. 76) hatte der koreanische König Li Tsung das Denkmal errichten lassen und den Thron darüber informiert. Die Beamten Cabuhai, Li Ts'i-feng, Biliktu und Mafuta wurden dann hingeschickt, um die Inschrift nachzuprüfen und abzuschrei- 2 Pentti Aalto

ben. Hauer bemerkt, daß diese die älteste dreisprachige Inschrift der Mandschuzeit ist? Dreisprachigkeit war dann eine Regel in den Inschriften der Ch'in Dynastie. In diesem ersten Falle kann man sie auch als darauf beruhend betrachten, daß in dem 120.000 Mann starken Heere der Mandschu 30.000 Mongolen und 20.000 Chinesen einbegriffen waren. Diese Hilfstruppen nahmen auch an der Erstürmung von Söul teil, um ihren Anteil an der Beute zu verdienen (Hauer, S. 425).

Die Unterstützung der Tsakhar-Mongolen war der Mandschu-Dynastie um so wertvoller, weil sie angeblich von ihnen das Siegel der Machtübertragung erhielt, und sich somit als legitime Erben der mongolischen Yuan betrachten konnte. Die Ming hatten nicht das Chuan kuo hsi (bzw. Chih kao shih pao) besessen, und galten darum als illegitime Usurpatoren.4 Pozdneev bemerkt (S. 54 f), daß in der mongolischen Fassung einige offenbare Schreibfehler vorkommen. Es wird z.B. durchweg farlay statt farliy geschrieben. Die Schreibung öberlerge sieht ganz befremdend aus, denn sie dürfte nur örbelge 'petite plume d'oiseau' (Mostaert DO, 540 b) vertreten können. Der Verfasser der mongolischen Version scheint sie aus phraseologischen Elementen, die chronologisch und stilistisch verschiedener Herkunft sind, zusammengesetzt zu haben. Z.B. die Ausdrücke farliybol- 'be­ fehlen' = 'sagen', und soyurqa- 'geruhen zu ...' (als ein notwendiges Hilfsverb, wenn ein Höherstehender das Subjekt ist) werden in den ältesten mongolischen Texten zunächst von Buddha gebraucht. Andererseits scheint ayiladqa- 'rapportieren, gehorsamst melden' = 'sagen' (von Untergeordneten gebraucht) zur militärischen Sprache zu gehören.

Die politische Phraseologie, z.B. die "jüngere-Bruder Nation - die ältere-Bruder Nation" spiegelt im allgemeinen konfuzianisches Denkenwider. Nach Nelson (S. 79) beweisen ähnliche Wendungen in der politischen Terminologie der Mandschu, daß die Sinisierung dieses tungusischen Volkes schon recht weit fortgeschritten war.

Den im Koreanischen allgemeinen Höflichkeitsausdrücken können vielleicht Bezeichnungen wie mo. ücügüken efen = 'nichtiger Herrscher' = ma. sitahCin (Hauer, S. 697, Anm. 78 'arm an Tugend') ejen, mit der der koreanische König sich selbst erwähnt, bzw. minu qarangyui mungqay 'mein finsterer Unverstand' = ma. mini farhCin liyelihun, u.ä. zugerechnet werden. In der Inschrift sprechen abwech­ selnd der König und sein Volk. Man würde eine konsequentere Verwendung des Zur mongolischen Fassung der Sam-jön-do Inschrift 3

Pluralis majestatis erwarten: manu 'unser' ist in mongolischen Inschriften Plur. majest. des Qayans, während das Volk bidanu sagen sollte, vgl. ma. meni. Der Mandschu-Herrscherheißt folgerichtigEnduringge Hfm = Bo yda Qa yan 'Göttlicher Kaiser': Dieser Titel scheint nur im Lessingschen Wörterbuche (S. 111 a) belegt zu sein, und zwar nur als "a title of Mongolian khans". Die Inschrift betont durchge­ hend die außerordentliche Milde des Boyda Qayans. Wie z.B. die von Hulbert verwendeten Quellen zeigen, bestand diese "Milde" des Mandschu-Herrschers zunächst darin, daß er die einheimische Dynastie weiterhin regieren ließ. Korea mußte nur die Abhängigkeit von den Ming aufgeben, und wurde von den Mandschu als Vasall angenommen. Die einheimische Dynastie war ohne Zweifel von großer Bedeutung für das Weiterbestehen der koreanischen Nation (vgl. ferner Nelson, S. 82 ff).

5 DayiCing ulus-un Boyda Qayan-u erdem bilig-i dayurisqaysan bii //DayiCing ulus-un Degedü Erdem-tü-yin terigün on ebül-ün segül sam-dur // ayuda örüsijegCi nayiramdaqu Boyda Qayan Solongyas6 (?) ulus-i elsegsen törü-yi ebdebe kemen yekede kilinggejü bürün / qamu y cerig-üd-iyen abun7/ Solongyas (?) ulus-tur / Cingda joriylan iregsen cay-tur / dorodus irgen bügüdeger ayuyad / ken ber esergülcen ese Cidaluya //tere cay-tur / ücügüken8 ulus-un ejen manu / Nan Qan qota-dur-iyan qoryodaju sayuqui-dur/ qabur-un mölsün-i gijgigsen 9 matü / ayun emiyen iyen10 (?) atala / tabin qonoy-un jayur-a ll dorun-a emün-e-deki / ayima y büri-yin cerig-üd manu ded-ded-iyer daru ydaba // barayyun12 qoyitu13 eteged deki / cerig-ün tüsimed ayula qada-du~4 yarcu nigeken ber uru ysida alqun ese Cidabai // qotan-u dotoraki idesi ben dayuscu mengdegüreküi15 cay-tur / degedü 16 cerig-ün auy-a kücün inu / türgen salkin-dur / namur-un cay-tur / modun-u nabcis unaqui metü / yal-un ilfi-du~7 / sibayun-u öbelerge18 (?) tüleküi metü bülüge // Boyda Qayan erdem bilig-iyen aldarsiyul-un / nigülesküi sedkil-iyen uqatuyai kemen jarlay (?) bolur-un /oroju ögbesü Cimadur qour kikü ügei / es-e oroju ögbesü / bügüde-yi Cinu ecüs bolyamui kemen jarlay (?) boluysan-u qoyina / Ingyuldai Metüde19 (?) olan tüsimed / Boyda Qayan-u jarlay (?)-iyar inaysi Cinaysi elCilen yabuqui-dur / ücügüken ejen manu / biCig-un sayid / cerig-ün tüsimed-iyen cu yla yulju ügüler-ün / bida yeke ulus-lu y-a elsegseger arban fil boluysan bülüge / minu qarangyui mungqay-tur / tengri dayisun-i edügüljü / tümen oboy-tu erkin jobalang-tur uCiraba / edeger gem-üd yayca nada-aca bolbai // Boyda Qayan fiCi örüsiyejü / suyun20 suryayad / uridus-un törüber yabuyulju / ulus irgen-i manu mön kü nadur (?) jonggilayul-un bügetele / bi ayuqu metü kündü jarla y (?)- aca inu yakin (?) dabamu kemen ügülegsen-dür / olan tüsimed 1 jöbsiyeldüjü el-e2 / darui deger-e sayid-iyan da ayul-un yeke cerig-ün emün-e irejü / öber-ün gem-üd-iyen medeged / mörgün jalbari ysan-dur / Bo yda Qa yan 4 Pentti Aalto

örüsiyen jolyayuluyad soca / gegegen-deki ünen üges-iyen Jarlay (7) boluyad / Wang kiged dayaysan tüsimed bügüde-dür / öglige kesig-iyen soyurqafu el-e / qoyina ysidt? tu Cf} qota-dur qariyulu yad / qamuy cerig-üd-iyen quriyan / altan Jilu y-a-ban egefü / ulus irgen-i öTÜSiyen / tariyan-u üile-yi kiciyelgegsen-dÜT / qola ba oyir-a-dakin butaray san irgen oryon manu / sine{:ilen irefü sayuysan inu yeke ibegel buyu i-a (= Ja) / ücügüken ulus degedü ulus-tur buru yu üiledügsen gem-üd manu / siraycin qonin Jil-a / do (7) YuwaludaP4 (7) Jiyangquli-yi ilege]üj Ming ulus-i ömülen cerig odu yad daru ydafu bari ydaysan-u qoyin-a / Tayisu suu-tu Boyda / Jiyangquli-yin Jerge'26-yin nigen kedün kümün-i sayulyayad / bügüde-yi inu yariyululuy-a / egün-ece ülemJi örysiyel yayun aJuyu27/ teyin bügetele üCügüken ulus basa munglJ,!f!afu es-e medegsen­ tJü?8 / ulayaycin taulai Jil-a / Boyda Qayan mani(7)-yf9 dayila gefü / cerig­ üd-!>!.en ilegegsen-dür/ ulus-un eJen kiged / tüsimed manu buru yudcu / dalai-yin qoCW-dur oroyad elCi ilege]ü / elsei-tlI kemen ayiladqaysan-dur / Boyda Qayan Jöbsiyen soyurqafu / degü (7) ulus bolyan nutuy usun-du,J2 manu sayulyayad Jiyangqungli-yi qariyulfu öggüluge // tegün-ece inaysid~3 tÖTÜ-yi sakifu elJi(?)-ben tasural-ügei yabuyul-un atala / iTÜgel ögkü üCügüken ulus bida al[zyas sedkil-iyer / Jiaqa-yin tüsimed-tür-iyen / Jokis ügegü üges-i biCifü ilegegsen biCig-i manu elCi iregsen tüsimed uCirafu / abeu oduyad ayiladqaysan-dur / Boyda Qayan basa ayuda sedkifü / darui deger-e cerig es-e irelüg-e / gegegen degen sedkigsen-iyen ilete' uqatu yai kemen ceriglekü cay-iyan dakin dabtan34 uqayuluysan inu / Cikin-eee barifu suryaysan-oca ülemJi buyu / teyimü Jarlay(7)-tur es-e oroysan olan tüsimed-ün gem-üd manu aburafu ülü bolqu bülüge // Boyda Qayan yeke cerig-iyer-iyen Nan Qan qota-yi qayafu / bas-a nigen ayimay cerig-iyen ilegefü / dalai-yin qoi-daki qota-yi abuyad / Wang-un qatud köbegüd kiged / sayid-un em-e köbegüd bügüde-yi bariysan-u qoyin-a / Boyda Qayan / olan tüsimed-tür-iyen buu köndedkün kemen Jarlay (7) bolfu manu tüsimed tayigiyan-nar-iya,J5 sakiyulbai // teyimü yeke öTÜSiyel kürtegsen-dür / ücügüken ulus-un eJen / tüsimed ba­ ri yda ysan gergei köbegüd-tür-iyen neyileldüged / iJa yur-un yosu yar bolu ysan inu / ebül-ün casun / qabur-un cay-tur gesküi metü / yangdaysan yaJar-a qur-a oro ysan metü / ücüken (7) ulus-un eJen bolqui-yi inu JiCi bayi yulba / ebüged-ün töTÜ (7) tasuraysan(7)-i dakifu JalyamJilayulba / Jegün eteged-ün kedün kedün mingyan ber-e yaJar-taki / ulus irgen-i toytayaysan inu ülemJi öTÜSiyel buyu / eyimü öTÜSiyel erten-eee edüged-tür kürtele ese sonustaluy-a // Qansui mören-ü ögede Sand~an-du yaJar-un emün-e / Boyda Qayan-u ögede bolfu36 sayuysan sayurin-i 7 Jasaqu-yin tulada / ücügüken eJen manu / ÜileCin-dür tusiyalyafu / tabcang sayurin-i nemefü / öndür yeke bayiyuluyad / bas-a cilayun-iyar möngke ber (7) bosqafu bür-ün // Boyda Qayan-u sayin aldar-i inu / tengri yaJar-luy-a sacayu boltuyai kemen / temdegtei-e bayiyulbai / ücügüken ulus bida / üi-e-yin üi-e-dür kürtele itegen sitüfü amui/ yeke ulus-un a yui yeke aldar au y-a küCün-dür inu / qola ba oyir-a­ dakin bügüdeger orofu ögküi inu yayun ügületele (7) / kedüi ber tengri yaJar-un Zur mongolischen Fassung der Sam-jön-do Inschrift 5

cinegen-i inu üligerlen / naran saran-u gerel-dür adalidqan jirubasu ber / adali bolqu qamiy-a bui / cidaqu Cinegeber cu yulyaJu temdeg bolyahai / fun-u uryuysan ceceg / tengri-yin küiten kirayun-a qubirayad / füyf!8 (?) dulayan-a uryuqui metü / tegün-dür adali / Boyda qayan au ya küCün kiged / erdem bilig­ iyen neyitt/9 (?) aldarsiyulumui // Boyda Qayan / arban tümen cerig-iyer-iyen / Solongya ulus-i dayilaysan inu / bars kiged / pi (?) görügesün40 metü qotala-dur dayurisbai / yeke cerig-üd inu / Jer Jebes-iyen bariJu mital ügei Joriylaysan sür jibqulang-aea inu masi ayuqu metü bülüge // Boyda Qayan / ayui gegegen sedkil-iyer-iyen örüsiyejü bayulyaysan Jarlay (?) kiged / arban mör-iyer (?) biCigsen biCig inu coy jibqulang yeke büged / masi 41 nayiramdaqu buyu / urida mungqayuraJu es-e medegsen-ü tulada / öbesüben eribei bida Jobalang-ud-i // Boyda Qayan-u gegegen Jarlay (?) kürcü iregsen-dür / noyir-aea- yan sai serigsen metü / Wang manu oroJu öggügsen siltayan inu / au y-a kücün-ece ayun bügetele / erdem bilig-i inu küsen oroJu öggügsen bui i-a (= Ja) // Boyda Qayan / örüsiyen kesig öglige-ben soyurqaJu el-e / gegegen Cirai kiged / mösiyeküi ayali ber abuycu (?) bürün / sayin mori kiged / sayin daqu soyurqayad / Wang-i manu Jobalang-aea yaryaJu ilegegsen inu / Boyda Qayan-u örüsiyel bui i-a (= Ja) kemen / ulus manu büdüdeger bayasulcan dayulaldumui // Boyda Qayan cerig-iyen abun ögede boluysan siltayan inu / butaraysan ulus irgen-i manu / amutu yai kemen örüsiyeged / tariyan-u üile-yi kiciyelgefü el-e / ebderegsen ulus-i edüge iJayur-un(?) bolyaysan inu / qubaqai yasun-dur miqa bütügsen metü / ebül-ün öndüsün qabur-un cay-luy-a uCira(l)duysan42 metü bolbai /yeke mören-üJaqa-duröndüryeke Ciyayun (= cilayun) bayiyulfu / San Qan-u yaJar tümen on engkejikü inu / Boyda Qayan-u / suu buyan-u kücün bui i-a (= Ja) // Degedü Erdemtü-yin dörbedüge,43 on / ebül-ün segül sara-yin sin-e-yin (nai)ma­ na bayiyulbai //

Ein Denkmal, verkündigend die Tugend und Weisheit des Boyda Qayans des Daicingschen Imperiums. In dem letzten Wintermonat des ersten Jahres der Regierungsperiode Degedü Erdemtü wurde der allergnädigste und barmherzigste B.Q. sehr erzürnt, weil die koreanische Nation das friedliche Einverständnis gebrochen hatte, und mit allen seinen Truppen fiel er mit strenger Entschlossenheit in das koreanische Reich ein. Das ganze nichtige Volk44 erschrak, und kein einziger war im Stande, Widerstand zu leisten. Zu jener Zeit verweilte der Herrscher unseres nichtigen Volkes, Schutz 45 suchend, in seiner Stadt Nam Han versteckt , zitternd vor Furcht und Besorgnis wie ein im Frühling auf Eis Schreitender. Binnen fünfzig Tagen und Nächten 6 Pentti Aalto wurden unsere östlichen und südlichen Truppen alle nacheinander vernichtet.46 Die Würdenträger der nördlichen und westlichen Truppen zogen sich in die Berge 47 und Felsen zurück, und waren nicht imstande, ein einziges Mal vorzurücken • Die 48 Lebensmittel in der Hauptstadt versiegten , und in der chaotischen Zeit war die Macht und Kraft der kaiserlichen Armee derart, daß wir wie die herbstlichen Blätter waren, die im heftigen Winde fallen, wie Daunen der Vögel, die im Feuer 49 versengt werden. B.Q., seine Tugend und Weisheit verkündigend, befahl : "Möge meine barmherzige Gesinnung verstanden werden. Falls du zu uns herauskommst und dich ergibst, wird dir nichts Böses widerfahren. Falls du aber nicht kommst und dich nicht ergibst, werden wir allen Deinigen ein Ende machenSO.', Nachdem er dies befohlen hatte, Ingguldai und Mafuta51 und andere Würdenträger, gemäß 52 dem Befehl des B.Q., reisten hin und her als Gesandte • Unser nichtiger Herrscher, die Zivilbeamten und die Würdenträger des Heeres zusammenrufend, äußerte: "Es sind jetzt zehn Jahre vergangen, seitdem wir53 mit dem großen Reiche in Frieden gelebt haben. In meinem blinden Unverstand ließ ich des Himmels Feindlichkeit aufkommen. Dadurch begegnete zehntausenden Familien (= dem ganzen Volk ?) größtes Leid. Diese Fehler rührten gänzlich von mir her". B.Q., wieder seine Barmherzigkeit zeigend, geruhte, eine Vorschrift vorzutragen und unserem Volk die Möglichkeit, nach der Ordnung der Vorfahren zu leben, zu geben. Er hat unsere Nation vereinigt und sie mir wieder rechtmäßig anvertraut. Wie würde ich einen so schicksalsschweren Befehl zu übertreten wagen ?". Nachdem ich so geredet hatte und die zahlreichen Würdenträger es gutgeheißen54 hatten, begab ich mich unmittelbar, mit meinen Ministern, vor das große Heer. Als ich, meine eigenen Fehler bekennend, ihn verehrte und anflehte, geruhte B.Q. sofort uns mit Gnaden zu grüßen und in seiner erlauchten Person mit seinen wahren Worten anzureden, und mir, dem Wang, und den Würdenträgern in meiner Suite Gaben und Gnadenbezeugungen zu verleihen. Später, nachdem er uns in die Hauptstadt im Westen zurückgeschickt hatte, sammelte er alle seinen Truppen und kommandierte seine Soldaten weg. Das gemeine Volk begnadigend trieb er es zur Ackerbauarbeit an. Unsere fern und nahe zerstreut gewesene Nation kam zurück und ließ sich nieder: Dies war ja ein großer Segen ?

Unser nichtiges Reich hatte früher dem erhabenen Imperium gegenüber unrecht gehandelt und Verbrechen begangen, als es im Jahre des gelblichen Zur mongolischen Fassung der Sam-jön-do Inschrift 7

Schafes55 den General56 Kiang Hung-lieh57 schickte, der Ming-Dynastie zu helfen; nachdem sein Heer niedergeworfen und gefangengenommen war, behielt Taisu58, seine erhabene Majestät, nur einige Leute des Ranges (?) von Kiang Hung-lieh und schickte alle die übrigen zurück. Was für eine Gnade war größer als diese ? Während dem so war, das nichtige Volk handelte wieder unverständig, ohne Einsehen. Im Jahre des rötlichen Hasen59 erklärte B.Q. uns den Krieg und schickte wieder seine Truppen. Der Herrscher unsere Reiches und unsere Würdenträger entflohen und begaben sich auf eine Insel60 im Meere, und schickten Gesandten gehorsamst zu melden: "Laß uns Frieden suchen". B.Q. geruhte dies zu genehmigen, und (uns) als eine Jüngerer-Bruder-Nation61 betrachtend, siedelte er (uns) in unserer (Plur. Majest. ?) Heimat an, und ließ uns zuliebe auch den Kiang Hung-lieh zurückkehren. Von jener Zeit bis heute bewahrte er die Ordnung, schickte weiterhin seine Gesandtschaften und bezeugte sein Wohlwollen, als wir, das nichtige Reich, aufgrund unruhiger Gedanken, an die Grenzbehörden respektlose Worte schrieben 62 und schickten • Unsere Gesandten, die den Brief brachten, begegneten (kaiserli­ 63 chen) Würdenträgern, die ihn nahmen und gingen und dem Kaiser rapportierten .

B.Q., wieder sehr großzügig denkend, meinte, daß dadurch, daß sein Heer nicht sofort kam, sein erlauchter Sinn klar verstanden werde. Damit, daß der Zeitpunkt des (kommenden) Feldzuges mehrmals proklamiert wurde, würde man besser belehrt werden als bei den Ohren packend (?)64. Einem solchen Befehl nicht zu gehorchen war ein Verbrechen von unseren zahlreichen Würdenträgern und von uns selbst, das nicht mehr entschuldigt werden konnte (?). B.Q. schloß mit seiner großen Armee die Festung65 Nam Han ein, und schickte weiter eine Abteilung 66 seiner Armee, um die auf der Insel des Meeres liegende Stadt zu erobern , wobei sie die Königinnen und Kinder des Wangs und die Frauen und Kinder der Minister 67 gefangennahmen • Danach gab B.Q. seinen zahlreichen Würdenträgern den Befehl: "Ihr sollt sie nicht belästigen", und ließ sie durch unsere (?) Beamten und Eunuchen schützen. Nachdem er dem Herrscher des nichtigen Reiches und seinen Würdenträgern eine so große Gnadenbezeugung hatte zukommen lassen, ließ B.Q. 68 sie mit ihren gefangengenommenen Frauen und Kindern wieder vereinigen • Es 8 Pentti Aalto

wurde somit wieder möglich, nach der ererbten Ordnung weiterzuleben. (Es war) wie wenn des Winters Schnee zur Zeit des Frühlings schmilzt, wie wenn in die ausgetrocknete Erde Regen fällt. Die Dynastie (?) des nichtigen Reiches, die zu Grunde gegangen war, richtete er wieder auf, die von den Vorfahren ererbten Institutionen (?), die abgebrochen waren, ließ er erneuern und fortbestehen. Die Nation in dem östlichen Lande mit seinen Abertausenden von Meilen etablierte er wieder: Dies war seine größte Gnadenbezeugung. Eine ähnliche Gnadenbezeugung ist von jeher bis in die jetzige Zeit nicht gehört worden.

Am oberen Lauf des Han-Sui Flusses, südlich des Ortes San Tien, wo B.Q. gethront und sein Standquartier aufgeschlagen hatte, ließ unser nichtiger Herrscher Handwerker beordern, den Altar und das Postament69 erweitern und erhöhen, und eine große Höhe aufgebaut habend, einen Stein darauf für alle Ewigkeit errichten. Der Stein wurde mit einer Inschrift versehen, auf das Boyda Qayans guter Leumund dem Himmel und der Erde gleichkommen würde (?). Wir, das nichtige Volk, werden von Generation zu Generation auf ihn vertrauen und ihn verehren. Des großen Imperiums überaus großer Leumund und dessen Macht und Kraft wird alle von der Ferne und von der Nähe dazu bringen, sich ihm zu unterwerfen: was ist darüber zu sagen70 ? (?), Wieviel (der Größe) des Himmels und der Erde (müßte man nehmen) um (damit) seine Größe zu vergleichen? Wenn er auch beschrieben würde wie das Licht der Sonne und des Mondes, wie wäre es möglich, ein Ebenbild zu schaffen (?)? Nach dem besten Wissen und Vermögen wurde diese Inschrift verfaßt.

Wie eine wachsende Blume des Sommers von der Kälte des Himmels in Reif gewandelt wird, und in der Wärme, nach der Ordnung (des Himmels), wieder aufwächst, in derselben Weise wird die kriegerische Macht des Qayans und seine Tugend und Weisheit allgemein berühmt gemacht. Mit seinen zehnmal zehntausend Soldaten marschierte B.Q. gegen das koreanische Reich, und wurde überall gehört 71 wie ein Tiger und wie eine Pi-Bestie . Seine große Armee, ihre Wehr und Waffen tragend, handelte furchtlos und jagte große Furcht vor seiner Macht und Majestät ein. Seinem edelmütigen Sinn und Gedanken gemäß Gnade erweisend, proklamier­ te B.Q. eine Verordnung. Obgleich sein in zehn Zeilen geschriebener Erlaß von großer Autorität war, war es noch mehr friedfertig. Weil wir wegen unserer früheren Torheit nicht verstanden, haben wir aus eigenem Antrieb uns die Zur mongolischen Fassung der Sam-jön-do Inschrift 9

Unglücke zugezogen. Als Boyda Qayans erlauchter Befehl uns erreicht hatte, erwachten wir wie aus einem Schlaf (?). Unserem Wang war der Anlaß zur Unterwerfung nicht nur die Furcht vor der Kraft und Macht, sondern er unterwarf sich ja im Vertrauen auf die Tugend und Weisheit des B.Q. B.Q. geruhte barmherzig Gnade und Gaben zu gewähren. Er nahm ein leuchtendes Gesicht und heiteres Wesen an (?), und geruhte uns vortreffliche 72 Pferde und schöne Pelze zu bewilligen . Nachdem er unseren Wang vom Leiden befreit und ihn nach Hause geschickt hatte, sang unser gesamtes Volk zusammen: "Boyda Qayan ist wahrhaftig gnädig!". Daß B.Q. mit seinem Heer nach Hause zog, war der Anlaß dazu, daß er unser zerstreutes Volk im Frieden zu leben begnadigte und es zu der Ackerbauarbeit anspornte. Den zusammengebrochenen Staat brachte er wieder in den ursprüngli• chen Stand. Es war wie wenn auf getrockneten Knochen wieder Fleisch wächst, wie wenn eine winterige Wurzel wieder die Frühlingszeit erlebt. Auf dem Ufer des Han Stromes wurde ein hoher und großer Stein aufgestellt. Dank der Wohltat des Schutzes und Segens Boyda Qayans wird das San Han Land73 für zehntausend Jahre Frieden geniessen. Errichtet am achten Tag der ersten Dekade des letzten Wintermonats im vierten Jahre der Regierungsperiode Degedü Erdemtü (= 1636-1643)74.

Anmerkungen

1 In Nordeuropa bedauerlicherweise nicht auffindbar; mein Text beruht auf der Veröffentlichung von Pozdneev. 2 C. Imbault-Huart erzählt (JA VII: 14, S. 337): "Pour transmettre ala posterite le souvenir de la paix qui venait d'etre condue, les populations coreennes eleverent a l'endroit ou l'autel ete construit a Sam tienn tou, une colonne commemorative (Song to pei)". 3 Dieselbe Angabe bei Haenisch, S. 22.

4 Vgl. meinen Aufsatz "Qas buu tamaya und Chuan kuo hsi" (Studia Sino-Altaica. Festschrift für Erich Haenisch zum 80. Geburtstag. Wiesbaden 1961, S. 12 ff.). Rockhill erwähnt in gleichem Zusammenhang (S. 16) "the dynastie seal of the YÜan". 10 Pentti Aalto

5 -bei = chin. bei 'Denkmal, Grabstein, Ahnentafel', ma. bei (P S. 43, 13-14), kor. pi 'a tomb stone, a monument'.

6 Solongya(s?): GG § 274 Solongqas 'die Koreaner'.

7 qamuy cerig-üd-iyen abun 'alle seine Soldaten nehmend': Cv modale ab-u-n

9 -gifgi- (?): L 381b, 384b gicki- - giSgi-, R 21la ;ski-, kh. giSgi-, mogh. gickä• 'schreiten', DO 262b gdkxi- 'Marcher'.

10 ayu- = emiye- 'fürchten', ma. geleme dahume, eine Binom-Verbindung. Obwohl die mo. Form auf -n ursprünglich ein Nomen war, wirkt das danach stehende -iyen (refl.-poss.) befremdend. 11 = ma. dergi julerki 'east and south'.

12 barayun 'recht, Westen' = ma. wargi.

13 qoyitu 'hinterer, westlich'. L 955a 'rear, north, future' = ma. amargi.

14 = ma. alin holo de 'in mountains and ravines'.

15 Unter den Wörterbüchern scheint nur Lessing 536b mendegür- 'to be lost, troubled, perplexed' zu kennen, und das bei Mostaert 462b belegte mengdüli" dürfte auf ein *mengdegür- zurückgehen.

16 degedü: L 242a 'superior, imperial' = ma. amba.

17 ilfi: R 207b iltfi 'innere Wärme', Most. 384b ilCi 'chaleur'.

18 öbelerge (?): Mostaert 54Gb ärwölgä 'petite plume d'oiseau' = ma. fungala 'tail feathers'.

19 metüde (?): muß den Namen Mafuta wiedergeben.

20 L 735b suyu- 'to become cultured, civilized', MX 477a coex, coeH cyprax

21 el-e Verstärkungspartikel.

22 L 955axoisida = qoyinaysida 'after, in the future, behind', GG § 56 'nach hinten, rückwärts'; die Paralleltexte setzen etwa "die Westlich, die im Westen liegende" voraus.

23 altan filuya-ban ege-: GG § 256, § 275 a. f tata- 'den goldenen Zügel anziehen'. ege- L 296b 'to return, go back, to fall back, retreat'. 24 = ma. yuwanfuwai 'commander, marshai'. 25 Tai-tsu kao.

26 = ma. jergi 'usw.': mo. fehlerhaft übersetzt? 27 ajuyu: Praet. Imperf. von a- 'sein', Poppe § 214 f. 28 = ma. geli liyeliyefi ulhirakU ojoro 'again becoming dizzy did not understand'. Zur mongolischen Fassung der Sam-jön-do Inschrift 11

29 mani-yi scheint der Akkusativ des exklusiven Personalpronomens der ersten Person Pluralis zu sein, vgI. Poppe § 156. 30 L 254a qoiy 'Peninsula'.

31 elseie: Voluntativ (Poppe § 197) von else-: R 120b 'friedsam, friedfertig sein', L 310a 'to join, enlist, conscript', GG § 176, § 241 'sich unterwerfen, kapitulieren', § 251 'Bündnis schließen' (R in einer Marginalnote 'Frieden suchen').

32 nutuy usun: Binom, GG 279 Haenisch "Weideplätze und Wasser".

33 inaysida: L 410a 'from the time of ... up to here' = ma. ereci amasi. 34 dakin dabtan: DO 110a 'a plusieurs reprises' = ma. dahun dahun. 35 = ma. taigiyasa, PI. von taigiyan < chin. t'ai-kien 'Eunuch'. 36 ögede bol-: MX 441b ööd bolox a. zalrax, b. üxex, c. deesee bolox, suux': zalrax R 465b 'reisen (von Fürsten und hohen Geistlichen), seinen Einzug feierlich halten, sich niederlassen'; ma. enduringge Mn i isinjiha ba: Hulbert 11, S. 131: 'where the great Emperor rested'. 37 sayuysan sayurin = ma. tan soori 'altar, throne' - tabcang sayurin.

38 DO 226a DZüi 'destin, les dispositions du eiel par lesquelles est gouverne le monde'. 39 DO 494b neyite 'en tout, au total' = ma. sasa 'together'. 40 = ma. tasha bii gurgui: chin. pI 'brauner Bär'. 41 = ma. liyeliyeft sarkU oft. 42 uCira-ldu-: L 860a 'to be confronted with, to ron into each other'; ma. tuweri orho i julehe geli niyengniyeri erin be ucaraha gese. 43 dörbedüger: vgI. Poppe § S. 249.

44 'das nichtige Volk': Rockhill, S. 16: "chin. pu ku 'the unworthy one' in accordance with usages prevailing between neighbouring countries which are on a footing of equality". 45 Die Flucht des Königs ist beschrieben bei Hulbert 11, S. 100.

46 Siehe bei Hulbert 11, S. 109 ff, Rockhill, S. 19. 47 VgI. Hulbert 11, S. 128.

48 Hulbert 11, S. 113: "Food was now practically gone. The officials themselves were put on half rations and even the king's daily supply was diminished by one third. At the very most there was enough to last but twenty days more". Hauer, S. 424 und 496, Rockhill, S. 19. 49 = 'sagte'.

50 VgI. die Einzelheiten bei Hulbert 11, S. 123.

51 Nach Hulbert 11, S. 125 'generals', nach Hauer, S. 429-433 waren Y. und M. Direktoren im Finanzministerium; vgI. ebd., S. 94 ff. 12 Pentti Aalto

52 Hauer, S. 496 'als Vermittler'. 53 PI. majestatis ? 54 Siehe Hauer, S. 434. 55 = 1619, Hauer, S. 83. 56 Hauer, S. 497 'Feldmarschall', ma. yuwanSuwai.

57 Hauer 'Kiang Kung-lieh'. 58 Hauer, S. 497 T'ai-tsu Wu-huang-ti.

59 = 1627, Hauer, S. 155 ff.

60 Rockhill, S. 20 Kang-hua, Hauer, S. 431 Kiang-hua-tao, Hulbert 11, S. Kang-wha. 61 Hauer, S. 497: "Sah mein Reich als das eines jüngeren Bruders an".

62 VgI. Rockhill, S. 17.

63 Hauer, S. 421 (Armeebefehl des Kaisers) "Auch haben sie dem Gouverneur Hung der Provinz P'ing-an-tao ( = kor. Hpyang-an-to) ein Schreiben geschickt, in welchem es hieß, das im Jahre Ting-mao (= 1627) erzwungene Friedensabkommen sei jetzt für immer gekündigt, er müsse sorgfältig die Paßsperren in Bereitschaft halten und die Soldaten anfeuern. Dieses Schriftstück ist von Ingguldai und Genossen fortgenommen worden."

64 = ma. genggiyen hese be wasibumbi coohalambi erin boljombi daMm ulhibuhangge san be jahaji tacihiyara ci hon dabali kai; Hauer, S. 497: "Nachdem wiederholt Warnungen mißachtet worden waren, wurde man nur am ühre gefaßt besser denn ausgescholten". Pozdneev, S.". npeMY.llpblH HMIIepaTopb OIIlITb TaKH, B3Hpall Be~HKO.llyumO, He OTIIpaBH~b TOTQaCb ~e CBOHXb BOHCKb, a HaIIepe.llb HHCIIoc~a~b CBoe CB~T~oe IIOBe~~HHe, Ha3aQH~b CPOKb BblCTYII~eHHlI Bb IIOXO.llb H IIOC~~.llOBaTe~bHblll. MHorOKpaTHblll Bpa3YM~eHHlI ero 6bl~H BlIm­ we, Q~Mb QHTa~b 6bl OHb HaCTaB~eHHlI, B311BWH 3a yxo."

65 Hauer, S. 423 'Bergstadt'. 66 Hulbert 11, S. 118 ff.

67 Hulbert 11, S. 119, Rockhill, S. 20: "He captured the queen, the crown prince, and their household, 76 persons in all, and 166 persons belonging to the families of the high ministers of state. These were, however, all treated like guests and assigned separate apartments". 68 Hauer, S. 435.

69 Rockhill, S. 21: "in the second month (the king) came out of the fortress with several tens of horsemen, and buHt on the (south-)east bank of the Han gang at Sam-jon-do an altar, and erected a yellow tent. The Emperor with an escort, having crossed the river, ascended the altar to the sound of music ...". Hulbert 11, S. 122. Zur mongolischen Fassung der Sam-jön-do Inschrift 13

70 Professor Poppes Vorschlag zur Übersetzung des Ausdruckes yayun ügületele-. Pozdneev, S. 52, Fn. 4: "M,l, MaJIeHbKHH HapO.llb, H3b BtKa Bb B'ßKb OTHO­ CHMCR Cb .llOBtpHeMb H Ha.lle~.llaMH, a TO, qTO BCt, 6JIH3KHe H .llaJIbHHe, .llOJI~eHCTBYIDTb nOKopHTbCR npe.llb BeJIHqamneID CHJIOID H qpe3BWqaHHOID cJIaBOID BeJIHKarO HapO.lla, KaKb Bwpa3HTb?"

71 Pozdneev 'zverej pi', Carles 'Leopard', Rockhill 'Bear', Hauer 'Eisbär'.

72 Hulbert 11, S. 126: "Their conversation was interrupted by general Yonggolda who came up with a magnificent horse sumptuously caparisoned, and with a splendid sable robe ... General Yonggolda also presented each of the ministers about the king with a sable robe." 73 San Han, nach Hauer, S. 449 und S. 698 N. 96 ein Metapher für Korea, nach Krause = Ma-Han, Ch'en-Han, Pien-Han. 74 Nach Hauer, S. 496 am 20. Januar 1640, während Hulbert 11, S. 130 das Jahr als 1637 angibt (?). 14 Pentti Aalto

Literaturverzeichnis

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Norbert R. Adami (Tökyö)

Der BegriffSchamanismus ist seit längerer Zeit zum Modewort in der anthropologi­ schen bzw. ethnologischen Forschung geworden, ja mehr und mehr dringt er auch in den allgemeinen Sprachgebrauch ein, zumindest in den Sprachgebrauch derer, die sich in der einen oder anderen Weise von "Esoterik" angezogen fühlen, wie ein Gang durch die entsprechende Abteilung jeder beliebigen Buchhandlung bestätigt. In der wissenschaftlichen literatur werden "schamanistische Phänomene" oder schlicht "Schamanismus" aus der ganzen Welt berichtet, von den Eskimos im äußersten Norden bis nach Südamerika, aus Nordamerika und Kanada ebenso wie aus Ost- und Südostasien, aus Sibirien, dem [oeus classieus natürlich (wenn sich die diesbezügliche literatur im Westen auch - wohl nicht zuletzt aus sprachlichen Gründen - in vergleichsweise engen Grenzen hält), und selbst in Europa will man schamanistische Erscheinungen konstatiert haben.2 Diese inflationsartige Entwicklung wurde hervorgerufen (oder zumindest stark gefördert) durch das berühmte Buch von Mircea Eliade, das in zahlreiche Sprachen übersetzt worden ist, darunter auch - als einziges theoretisches Werk zum Schamanismus - ins Koreanische.3 Eliade bietet hier eine phänomenologische Deutung des Schamanismus, als dessen konstitutives Element er die Ekstase sieht, während derer die Seele des Schamanen dessen Körper verläßt und in den Himmel oder in die Unterwelt reist. Diese ekstatische Seelemeise nun sei, meint Eliade, wie die verschiedenen Mythologien der Völker zeigen, ursprünglich eine allgemein­ menschliche Fähigkeit gewesen, die sich im Laufe der Zeit, im Laufe der historischen Entwicklung verloren haben, so daß der Schamane gleichsam als Symbol für die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies fungiere.4 Unstreitig bietet diese Sicht Eliades einenInterpretationsrahmen für zahlreiche komplizierte Erscheinungen im religiösen Leben der unterschiedlichsten Völker, gleichzeitig aber dehnt er den ursprünglich aus Sibirien stammenden Begriff so weit 16 Norbert R. Adami

aus, daß er unscharf und damit unbrauchbar wird, weil nunmehr problemlos fast jedes Phänomen, das mit mystisch-ekstatischem Kontakt zwischen Menschen und Göttern zu tun hat, zumindest in die Nähe des Schamanismus gerückt werden kann. In (Süd-)Korea ist Eliades Werk, wie nahezu überall (eine Ausnahme bildet die Sowjetunion, in der die Forschung anderen Traditionen folgt); zu einem Standard­ werk über den Schamanismus geworden, das in keinem Literaturverzeichnis fehlt und das auch ausgiebig zitiert wird, insbesondere wenn man für koreanische Erscheinungen nach Parallelen aus anderen Weltteilen sucht. Allerdings fehlt es an einer kritisch-theoretischen Auseinandersetzung mit Eliades Thesen. Sein Buch wird gleichsam als Steinbruch benutzt, um für einzelne - isolierte - Phänomene Belege zu finden oder um eigene Positionen mit der Meinung einer "Autorität" zu stützen. So konnte Eliades Werk nicht dazu beitragen, jene koreanischen Phänomene, die im weitesten Sinne mit mu, mudang, mansin usw. zu tun haben, auch theoretisch zu durchdringen und sie im Vergleich zu Erscheinungen etwa Sibiriens oder Japans einzuordnen. Nun hat es allerdings sehr wohl unter koreanischen Gelehrten eine Diskussion darüber gegeben, ob das in Korea Beobachtete als Schamanismus zu bezeichnen sei oder nicht, wobei sich sowohl die Meinung findet, das koreanischen musok? sei etwas anderes als der sibirische Schamanismus und die koreanische mudang daher keine Schamanin6, als auch die gegenteilige Ansicht, nach der die koreanischen Erscheinungen historisch und strukturell eng mit dem aus Sibirien Bekannten verwandt sind.7 Eine Mittelstellung zwischen diesen beiden Positionen nimmt Ch'oe Kilsöng ein, der die Echtheit der sogenannten Schamanenkrankheit (mubylJng oder sinbylJng) zum Unterscheidungskriterium macht: Im Norden und in der mittleren Region Koreas, wo es echte Schamanenkrankheiten gibt, ist von Schamanismus zu sprechen, im Süden, wo diese fehlt (und wo auch die Ekstase fast immer nur vorgetäuscht wird), dagegen handelt es sich um etwas anderes, das Ch'oe mit der einheimischen Bezeichnung tan'gof belegt.8 Diese Diskussionen gehen letztendlich auf Ansätze aus den zwanziger Jahren zurück, als koreanische Gelehrte die traditionellen (konfuzianischen) Vorurteile gegen volksreligiöse Erscheinungen überwanden und - bedingt wohl auch durch die Rückbesinnung auf die eigene Kultur als Gegengewicht gegen die japanische Fremdherrschaft, die alles Koreanische in den Hintergrund zu drängen, ja auszumerzen suchte - dem Studium des koreanischen Schamanismus ihre Auf- Zur Erforschung des koreanischen Schamanismus 17 merksamkeit schenkten, wobei - vereinfachend gesagt - Yi Nünghwa mit seinem ChostJn musok ko die historische Dimension repräsentierte, Ch'oe Namsön mit Salmangyo eh'agi die vergleichende Dimension und Son Chint'ae mit Chösen shinka ihen, der ersten Sammlung koreanischer Schamanengesänge (muga), die so wichtige Feldforschung. Letztere lag ursprünglich, d.h. seit den achtziger Jahres des 19. Jahrhunderts, fast ausschließlich in den Händen von Missionaren, denen natürlich aufgrund ihres eigentlichen Zieles, das Christentum zu verbreiten und die "heidnischen Vorstellungen" auszurotten, oft der Blick verstellt war für die Besonderheiten des von ihnen bekämpften "Aberglaubens". Nichtsdestoweniger liefern ihre Berichte bis heute wertvolle Einzelbeobachtungen,9 die durch die Berichte von Reisenden wichtige Ergänzungen finden. lO Die klassische Zeit der Feldforschung zum koreanischen Schamanismus bilden jedoch die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts, in denen japanische Gelehrte, unterstützt von der Kolonialverwaltung (Chösen sötokufu), die dabei durchaus von politischen Zielen geleitet war, reiches Material zusammentrugen, das bis heute in vielen Fällen grundlegend geblieben ist, nicht zuletzt, weil damals noch lebendige Erscheinungen inzwischen aufgrund der sozioökonomischen und politischen Um­ wälzungen im Korea der letzten fünfzig Jahre längst unwiederbringlich verloren sind. 11 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Forschung dann wieder - und zunächst fast ausschließlich - von koreanischen Gelehrten betrieben, wobei sich deren Herkommen von der Literaturwissenschaft nicht zuletzt durch die vergleichsweise zahlreichen Untersuchungen zu koreanischen Schamanengesängen (muga) offen­ barte.l2 Bei allen wichtigen Ergebnissen, die dabei zutage gefördert wurden, ging jedoch, wie mir scheint, der Anschluß an die anthropologisch-ethnologische Forschung ziemlich verloren, so daß die beachtlichen Entwicklungen dort (insbesondere in der zu einem guten Teil auf Edward Evans-Pritchard zurückgehen• den cuttural anthropology) über lange Zeit kaum für die Erforschung und theoretische Deutung der koreanischen Phänomene nutzbar gemacht wurden.13 Neue Impulse erhielt die Erforschung des koreanischen Schamanismus dann seit Ende der sechziger Jahre, als neben einzelnen psychologisch bzw. psychoanaly­ tisch ausgerichteten Studienl4 von koreanischen Wissenschaftlern, die größtenteils im Ausland studiert hatten, moderne religionswissenschaftliche Methoden in die Forschung eingebracht wurden, so daß in dieser Hinsicht ein Wiederanknüpfen an 18 Norbert R. Adami internationale Entwicklungen stattfand.15 Seit den siebziger Jahren leisteten dann auch erneut Nichtkoreaner vermehrt wichtige Beiträge zur Erforschung der schamanistischen Phänomene in Korea. Zu nennen ist hier insbesondere eine Reihe amerikanischer Anthropologen, Griffin Dix, Roger L Janelli, Laurel Kendall und Donald Owens sowie die aus Korea gebürtigen, aber in den. USA ausgebildeten Youngsouk Kim Harvey und Dawnhee Yim Janelli.16 Sie alle brachten verstärkt in der aktuellen Anthropologie lebendige Ansätze in die auf Korea bezogene Diskus­ sion ein, wobei hervorgehoben sei, daß erstmals auch in der theoretischen Aus­ einandersetzung den Besonderheiten der Rolle der Frau im musok starke Aufmerk­ samkeit geschenkt wurde, am augenfälligsten in der in mancher Hinsicht wegwei­ senden Arbeit von Youngsook Kim Harvey. Ergänzend dazu finden sich bei Laurel Kendall vor allem - wenn auch kaum systematisch, so doch unübersehbar - Hin­ weise auf die Notwendigkeit, die religiös-rituelle Welt der Frauen in Korea (z.B. die Verehrung der Familienahnen) in Beziehung zu setzen, um so zu einem tieferen Verständnis der koreanischen schamanistischen Phänomene wie auch darüber hinaus der koreanischen Geistigkeit und traditionellen Weltanschauung überhaupt zu kommenP Von koreanischer Seite werden diese Anregungen, wie es scheint, nur äußerst zögerlich übernommen, was wohl nicht zuletzt mit der in Korea noch immer sehr viel stärker als in den USA oder in Europa ausgeprägten patriarchalischen Struktur zu tun hat.18 Und auch in Europa ist bedauerlicherweise kaum jemand zu sehen, der in dieser - äußerst erfolgversprechenden - Richtung arbeitete, wofür die stark philologisch ausgerichtete Forschungstradition, die hier in den Asienwissenschaften vorherrscht, mitbestimmend sein dürfte.19 Betrachtet man die Geschichte der Erforschung des Schamanismus im all­ gemeinen wie die der Erforschung des koreanischen Schamanismus im besonderen (wenn die um mu zentrierten Phänomene denn tatsächlich als eine Form des Scha­ manismus zu bezeichnen sind, wofür manches spricht), so scheint mir das pessi­ mistische Urteil von Cho HÜllgyun, der Schamanismus sei "aujourd'hui l'un des sujet d'etudes dont l'etat est des plus catastrophique"ZO, keineswegs gerechtfertigt. Vielmehr habe ich den Eindruck, daß es in Korea selbst wie auch im Ausland zunehmend gelingt, die Forschung nicht nur durch eine Verbreiterung der Material­ basis, sondern auch in bezug auf eine theoretische Durchdringung und Einordnung des Stoffes voranzutreiben, wofür so manche der oben genannten Arbeiten als Zur Erforschung des koreanischen Schamanismus 19

Beispiel zu dienen vermag. Allerdings ist auch nicht zu übersehen, daß die innovativen Elemente der Forschung nicht in Korea selbst entstanden sind bzw. entstehen, sondern ausnahms­ los aus dem Westen, in neuerer Zeit vornehmlich aus den USA, stammen. Die koreanische Forschung folgt dann den vorgezeichneten Wegen mit mehr oder minder großem zeitlichen Abstand, wie es ja auch in anderen Wissenschaftsberei­ chen (der Psychologie, den Sozialwissenschaften u.a.) der Fall ist. Eigene Ansätze, die methodologisch schlüssig und dem Material angemessen wären, fehlen gänzlich. Die "Verwestlichung" Koreas vollzieht sich also auf dem Felde der Anthropologie und Ethnologie genau so wie auf allen (?) anderen Gebieten der koreanischen Gesellschaft und Kultur. Soll man dies bedauern? Soll man vielleicht für die Erforschung des koreani­ schen Schamanismus sogar so etwas wie eine geistige chuch'e-Ideologie erträumen, wie sie in der Demokratischen Volksrepublik Korea ja auf anderen Gebieten in der Praxis (wenn auch mit oft zweifelhaftem Erfolg) versucht wird? Ich glaube nicht. Wissernschaft, wie wir sie verstehen, ist ihrem ganzen Wesen nach eine genuin abendländische Sache, eine Denkweise, die aus dem griechischen Geist geboren ist. Sie bildet nicht die einzig mögliche Denkweise, wie etwa das - wenn auch in anderer Weise, so doch darum nicht weniger - wissenschaftliche System der chinesischen Medizin beweist.21 Aber die Wissenschaft, von der hier die Rede ist und als deren Teil die Anthropologie bzw. Ethnologie zu gelten hat, ist "unsere" Wissenschaft. Das schließt nicht aus, daß auch in Korea - mit seinen von unseren arg verschiedenen Traditionen - dazu wichtige Beiträge geleistet werden können, aber es macht es auch nicht sogleich wahrscheinlich. Die wissenschaftliche Erforschung des koreanischen Schamanismus ist unsere abendländisch(-amerikanische) Herangehensweise an dieses höchst komplexe religiös-geistige Phänomen, unser Weg, es zu verstehen und zu deuten. Das bedeutet nicht notwendigerweise, daß unseren Deutungen auch ein ontologischer Status zukomme, d.h. daß es tatsächlich "so ist" wie wir meinen. Es schließt keineswegs aus, daß eine Betrachtung aufgrund und in den Bahnen der koreani­ schen Traditionen zu gänzlich anderen Schlüssen kommt als wir. Es wäre auch durchaus reizvoll, eine solche "koreanische" Interpretation des koreanischen Schamanismus mit unserer zu vergleichen (wenn denn nicht der koreanische Schamanismus selbst schon diese "koreanische" Interpretation ist). 20 Norbert R. Adami

In Süd-Korea sehe ich jedoch erst erste Ansätze zu so etwas wie einem koreanischen "Fundamentalismus", und in Nord-Korea gibt es - wohl aus ideologi­ schen Gründen - keine wirkliche Religionswissenschaft.22 Außerdem werden die koreanischen Wissenschaftler, so lange sie sich als Wissenschaftler in unserem Sinne zu geben versuchen, stets damit zu kämpfen haben, daß wir Ihnen aufgrund des uns eigenen geistig-kulturellenHintergrunds voraus sind. In der Wissenschaft haben wir stets ein "Heimspiel"; für ein "Auswärtsspiel" fehlt es bisher, so weit ich sehe, sogar noch an einer Mannschaft, nicht nur auf dem Felde der Erforschung des koreani­ schen Schamanismus!

Anmerkungen

1 Forschungsüberblicke bieten - neben den entsprechenden Abschnitten in den meisten neueren Monographien zum koreanischen Schamanismus (z.B. Yu Tongsik 1975, S. 16 ff.) - insbesondere Cho Hllngyun 1985, Ch'oe Kilsöng 1979, Kim T'aegon 1979, Kim Tujin 1974 und Mun Sanghlli 1975 (letzterer dem Phänomen des Schamanismus gegenüber insgesamt sehr ablehnend). 2 Vgl. die bibliographische Übersicht Adami 1984. 3 Erstmals Eliade 1951. 4 Es ist hier nicht der Ort für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Thesen Eliades, etwa im Vergleich zu den wichtigen Arbeiten von Vilmos Di6szegi (vgl. Adami 1984, Nr. 197-242) oder Ulla Johansen 1967. Lediglich hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die vorzügliche Studie von Me Hultkrantz 1978 (Be­ sprechnung bei Menges 1981, S. 268 f.), welche einen wichtigen Ausgangspunkt für alle weiteren Diskussionen bieten dürfte. 5 Dieser Begriff, erstmals wohl von Yi Nllnghwa 1927 in die wissenschaftliche Literatur eingebracht, dient - neben dem in neuerer Zeit häufig verwendeten mugyo - weithin zur Bezeichnung dessen, was im vorliegenden Aufsatz als koreanischer Schamanismus bezeichnet wird. 6 So Yim Sökchae 1970/71, allerdings mit nicht immer überzeugenden Begründun• gen. 7 So z.B. Yu Tongsik 1975; mit ihm stimmt der weitaus größte Teil der koreani­ schen und westlichen Schamanismusforscher überein. 8 Ch'oe Kilsöng 1969, S. 52 ff.; 1977, S. 311 ff.; 1981, S. 11 ff.; tangol bezeichnet eigentlich den festen "Kundenstamm" eines koreanischen Schamanen. 9 Als Beispiel sei Clark 1929 (Nachdruck 1961), bes. S. 173 ff., genannt. 10 Angeführt sei hier stellvertretend für viele Isabella Bird Bishop 1905 (Nachdruck 1970), bes. S. 399 ff. Zur Erforschung des koreanischen Schamanismus 21

11 Vgl. Akamatsu Chijö und Akiba Takashi 1937/38; Murayama Chijun 1931 und 1932. 12 Zu den muga liegt inzwischen - außer der reichen koreanischen und japanischen Literatur - die hervorragende englischsprachige Studie von Walraven 1985 vor. 13 Vgl. hierzu die kritischen Bemerkungen bei Ch'oe Kilsöng 1979, S. 119, sowie bei Cho Hüngyun 1985, S. 38 f. und 46 f.; allerdings sind die von letzterem vertretenen Positionen (z.B. der koreanische Schamanismus sei eine Religion, a.a.O., S.47) auch durchaus nicht immer fraglos zu akzeptieren. 14 Zahlreiche Publikationen hierzu von Kim Kwangil (darunter auch einige in englischer Sprache) und von Yi Puyöng; eine kritische Würdigung der Arbeiten von Kim und Yi bei Harvey 1979, S. 244 ff. 15 Als Beispiele aus den Anfängen seien Chang Pyönggil 1970, Yu Tongsik 1975 und Yun Söngböm 1968 genannt. Heute wird die religionswissenschaftlich ausgerichtete Forschung neben den noch arbeitenden koreanischen "Begründern" von vielen jüngeren Gelehrten vorangetrieben; verwiesen sei in diesem Zusammen­ hang auf Cho Hüngyun 1983 und dessen Literaturangaben, in denen alle wichtigen Arbeiten angeführt sind. 16 Vgl. das literaturverzeichnis am Ende der vorliegenden Arbeit, in dem einige exemplarische Studien der Genannten angeführt sind. 17 Zu welch außerordentlich fruchtbaren Ergebnissen ein solcher Vergleich führen kann, hat am Beispiel der Ainu die aus Japan stammende, aber seit Jahren in den USA arbeitende Emiko Ohnuki-Tierney 1981 gezeigt (bes. S. 129 ff.). 18 Man muß lediglich die bei Cho Hüngyun 1983 und 1985 genannten neueren Titel oder auch die Veröffentlichungen von Cho selbst ansehen, um hiervon einen leider nur zu deutlichen Begriff zu bekommen. 19 In Europa beschäftigen sich nur wenige Forscher mit dem koreanischen Schamanismus. Hervorzuheben ist hier insbesondere Alexandre Guillemoz, dessen Monographie von 1983 stellvertretend für seine zahlreichen Aufsätze genannt sei. Erwähnen möchte ich außerdem die Überblicksdarstellung von Frits Vos 1977, S. 66 ff., die vornernlich auf der älteren koreanischen, japanischen und europäisch• sprachigen Literatur beruht, sowie die Aufsätze von Boudewijn CA. Walraven 1980 und 1983 (letzterer eine kritische Auseinandersetzung mit dem Buch von Lee Jung­ Young 1980, das leider viel zu große Beachtung gefunden hat). 20 Ch Hüngyun 1985, S. 28. 21 Vgl. hierzu etwa Porkert 1986, S. 56 ff., sowie die Einleitung zu Porkert 1982 (erstmals 1973 erschienen), einer grundlegenden Studie zur chinesischen Medizin, die allerdings eine wichtige - und notwendige - Ergänzung in den Veröffentlichun• gen von Paul U. Unschuld (z.B. Unschuld 1980) findet. 22 Eine der ganz wenigen mir bekannt gewordenen Veröffentlichungen, die diesen Bereich der Forschung zumindest streift (und dabei vereinzelt auch auf Erscheinun­ gen zu sprechen kommt, die mit dem koreanischen Schamanisnus in Verbindung stehen), ist Hong Kimun 1964. 22 Norbert RAdami

Literaturverzeichnis

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On Kyunyö's Books in Korean

Pyöng-Hi Ahn (Seonl)

(1)

Kyunyö (923-973), a monk in the early Koryö dynasty, is weIl known to Korean linguists for his eleven poems called Hyangga. But it is not yet very weIl known that he also wrote a number of works in Korean1 on Buddhism, particularly the Hwai5mgyong (Avatarnsaka-sütra). According to the biography of Kyunyö written by Hyök Yönjöng in 978, there used to be 10 works consisting of 65 volumes. At present, only five works consisting of 18 volumes2 remain, contained in the Koryo Taejanggyong, wood blocks dating from the mid-13th century, today at the Haein temple in South Kyöngsang province. These books, like all of the Taejanggyong, are written not in Korean but in classical Chinese. According to the notes appended, Ch'ön'gi, a famous monk, and his disciples translated the books which had originally been written in Korean into classical Chinese during the mid-13th century. Thus, today there are no writings in Korean in Kyunyö's works. This is a great loss, for also almost no other material exists today to show the real aspects of 10th century Korean. In light of the few existing materials written earlier than the 10th century, it is, however, possible to infer the writing system of Kyunyö's works in Korean. In his days, there were a number of Sino-Korean writing systems in use in Korea and, naturally, Kyunyö in his books adopted one of them. First, we can suppose that they were written in Chinese script, adjusting the Chinese characters to the structure and word order of the Korean language. Because of his poems written this way, which are contained in the supplement to one of his works in the Koryo Taejanggyong, there is astrang possibility that Kyunyö's books adopted the same writing system. Still there is another possibility, namely, that they are written in a hybrid system, using the sentence structure of classical Chinese, with particles or 26 Pyöng-Hi Ahn conjugational endings in Korean indicating grammatical functions added to the Chinese phrases. These particles or endings are called kugy61 or t'o. Kugyol can be divided into two types: In a narrower sense, traditional kugy61 is a system of annotations in Korean using Chinese characters in their phonetic values, inserted after words or phrases in classical Chinese. In a broader sense, kugyol is inserted after sterns as weH as words or phrases, reading, in other words: translating, Chinese phrases. The former had frequently been used in classical Chinese material since the 15th century. The latter was adopted in the Kuyök-Inwanggyöng, written between the 12th century and the 14th century, and only discovered about 10 years ago. It was also used in several Chinese works written in the 15th and the 16th centuries. All the kugyol materials using these two types will result in Chinese phrases if kugyol is omitted. As mentioned above, Ch'öng'gi and his disciples converted the Korean version of the works into the classical Chinese version. Strictly speaking, it is recorded in a note that "Korean was omitted". Therefore it is possible that his book may have been written in classical Chinese with kugy61 annotations unlike the Hyangga which are in Korean. But there is another note which explicitly states that Korean was rendered by Chinese phrases. Today there is no conclusive evidence which of the two writing systems was used. There is, however, one sentence written in Korean stating that there were no Korean sentences but only classical Chinese ones. Compared with the whole book, this sentence is very short, no more than two lines. But this material makes it possible nevertheless to reveal the linguistic characteristics of Kyunyö's works in Korean. The purpose of this paper is to introduce this sentence and to discuss the original writing system which was adopted in Kyunyö's works.

(2)

The material in question appears in the Sokkyobun'gi and reads as foHows:

~~~.tt~~mA~~:W~A~~~~~~.tt~.~A~~:

,;:j~A~)"~~:z;:m (Val. 3, p.29) On Kyunyö's Books in Korean 27

The small letters, m, ~,R v1' and fZpltfP T, are not used as they are in Chinese writing. As the editors of Han'guk Pulgyo ChOnso, who published the Sokkyobun'gi in modem type printing, correctly point out3, the above smaliletters are considered to be Koryö dynasty kugyol, because the material otherwise, except for these few small letters, is written completely in Chinese. What matters here is which one of two types of kugyol they belong to, and we can say they belong to the kugyol in the broader sense, similar to the system used in the Kuyok Inwanggyong. The only difference is that our material is printed while in the Kuyok Inwanggyong the kugyol is handwritten. 4 Let us examine the smallletters one by one . (1) m: In traditional kugyol this character is used phonographically to mark the Korean particle ya (the vocative case), or the prefinal ending -yas- (the past tense). In kugyol in its broader sense, it is used logographically to indicate the prefinal ending -ta- (the reflective mood). This character is also used to mark 'ta', in sound like the latter, in Kyunyö's Hyangga: the particle mada 'each' is written W: fZp in the Yegyong-chebul-ka and in the Kwangsu-chebul-ka. If fZp were to be regarded as the marker ofya, the relation between fZp and 1f cannot be accounted for. On the other side, reading mas the indicator of ta, we can arrive at the natural explanation that 1f fZp reads is-ta > itta 'to exist, to have' in Middle Korean. In the same way * fZp in the poem P'ungyo, a Hyangga transmitted in the Samguk Yusa, indicates oda 'to come'. The fact that 1f can be read as 'is-' (the stern of the verb 'to exist') supports our view that the kugyol in the quote in question is not in the narrower sense, but in the broader sense, because every Chinese character used in the narrower kugyol is read according to its phonetic value, while many letters of the kugyol in the broader sense are read according to their meanings also.

(2) ~ : In kugyol, Kyunyö's Hyangga and Idu, this character is used according to its phonetic value as an indicator of the particle -rn (absolute case ending) or the ending -rn (adnominal ending). In this sentence, it is also thought to be the marker of the particle -in. ~ is normally related to the immediately preceding phrase, for example in phrases such as iIltl :m A ~ . But this is not the case in 'Ml~ . One has to be careful not to relate this particle in 'Ml '11: ~ to only the immediately preceding phrase, because it is connected with the whole sentence1ffZp'Ml'f't which is to be read 'Mltt1ffZp 'Buddha's nature exists'. The above sentence shows that the word or phrase order of the Chinese writing when read has to be adjusted to that 28 Pyöng-Hi Ahn

of the Korean word order, and therefore ~ gives further evidence for our view that the kugyol used in this material is of the broader sense.

(3) lilj} : These two letters are not found together in kugyol as known up to today or in Hyangga, but used only separately. In the narrower sense kugyol, li indicates the particle to 'too' or tu/to of -tuda and -toda, two variants of the exclamatory sentence-final ending. It is also used to mark the particle yo (vocative case). In Idu,1ff is used as an indicator of i (nominative case) and -i or -hi (the final syllable of the denominal adverb). Kyunyö's Hyangga show several examples of 1ff as the nominative case i. Putting these usages together, we can draw the inference that li 1ff is a marker of -tui or -tuhi. By reference to the context of the passage, the function of this kugyol agrees with that of the Modem Korean ending -chiman 'the converbal ending in the adversative conjunction'. Thus it corresponds to the Middle Korean ending -odnj or -tißi. Considering from the negation in the matrix sentence, -tißi is the exact Middle Korean counterpart. 1ili1ff here is interpreted as isyod lIj or istißi 'although ... exist'.

(4)m:JtlTPT can be analysed as m:J like in (1) above an

a compound of the dependent noun t 1\. and the enumerative particley e. Thus kugyol tIT P Tis supposed to be indicating the Middle Korean phrase hol'tye '... doing something and ... doing something ...'.x yp tIT PT then is interpreted as ebsta hol'tye 'to say that this is not (existent)'.

Above interpretation of these early Korean language data in the Sokkyobun'gi reveals the fohn and meaning of early kugyol. It is not clear, however, whether the above kugyol was originally written by Kyunyö himself or has been inserted when published. This matter is directly related to the chronology of kugyol, and to the On Kyunyö's Books in Karean 29 characteristics of Kyunyö's books in Korean. In the following chapter we will deal with this problem.

(3)

With regard to the publication of the Sokkyobun'gi, it is recorded at the end of the 6th volume that it was written in the capital Kanghwa in November of Sinhae. This is to be understood that the duplicates far the wooden printing were finished at this date, which corresponds to 1251, the 28th year of King Kojong of the Koryö dynasty, when the Koryö dynasty had moved its capital to Kanghwa Island. Publications used to be published as soon as the duplicate plates were finished. Considering this usual practice, Sokkyobun'gi is thought to have been published around 1251. Thus, kugyol was in use at least in the rnid-13th century. The kugyol of that period is probably the earliest printed one, but kugyol can be traced back to an earlier period. Ch'ön'gi and his disciples could not have newly introduced kugyol when they published Kyunyö's books which they had intentionally translated into Chinese. In other words, the use of kugyol appears to have begun with Kyunyö's original books in Korean.

Kyunyö's books in Korean, including the Sokkyobun-gi, were ariginally Kyunyö's lecture notes taken by his disciples. The period of Kyunyö's lectures is recorded to be contemporary with the writing of these books. According to the notes at the end of volumes 1 and 4 ofSokkyobun-gi, Kyunyö's lecture containing the above material was delivered in the summer of 960 (the 11th year of King Kwangjong of the Koryö dynasty). Thus the use of kugyol can be traced back to the latter half of the 10th century. The kugyol of the 13th century should not be thought of as the same as that of Kyunyö's books in the late 10th century. The latter like Kyunyö's Hyangga must have looked "more Korean" than the 13th century material, which is basically Chinese and only the annotations are in Korean. This is revealed from the general views of those days on written material in Korean. We can find one example in the collection of Yi Kyubo's works. Yi Kyubo (1168-1241) was one of the outstanding literary figures in the Koryö dynasty, who left many Chinese writings in prose and verse behind. Among them is Namhaeng-worilgi, the travel sketches on a tour to the Cholla Province. 30 Pyöng-Hi Ahn

Namhaeng-worilgi contains the following anecdote. Yi Kyubo took memoranda in Korean while travelling around Cholla Province as a local govemor from autumn of 1199 to winter of 1200. In 1201, he returned to the capital and in lune tried to write his travel sketches using these memoranda. Since they were written in Korean, it was very difficult for Yi Kyubo himself to interpret them, and so he burned most of them, using only a few memoranda. If these notes in Korean had been in Chinese phrases with kugyollike our material, Yi Kyubo only one year later could have easily read them. Apparently, however, the writing system of these memoran­ da in Korean seems to have been similar to that of the Hyangga, i.e. Korean language written in Chinese characters. Yi Kyubo related a similar experience in another book, where there is the mysterious story of a Buddhist statue written in Korean, which he translated into classical Chinese so that it could be handed down to posterity. In other words, writings in Korean, unlike Chinese writings, were not popular enough to be easily interpreted. Kyunyö's books in Korean, which were quoted in the notes of the book by Ch'ön'gi and his disciples, contemporaries of Yi Kyubo, are supposed to have used a writing system similar to Yi Kyubo's. Their motivation for the translation into Chinese is considered to be the same as that of Yi Kyubo.

(4)

The above discussion can be surnmed up as follows. In the mid-13th century, when Ch'ön'gi and his disciples published Kyunyö's works, they translated them into Chinese. Sokkyobun-gi, which still exists today, is one of them. It is especially interesting that some kugyol in Korean can be found in this work, because but for the kugyol it is entirely in Chinese. This kugyol cannot have been inserted by Ch'on'gi and his disciples, and it can be regarded as the original grammatical morphemes of the Korean language which happened to be carried over, probably as amistake. Small as it is, it is written material of the Korean language in the 10th century, and, actually, it is in accord with the grammatical morphemes in Kyunyö's Hyangga. Gur material is of great value considering the scarcity of written material in Korean earlier than the 15th century when Han'gill, the Korean alphabet, was devised. On Kyunyö's Books in Korean 31

Footnotes

1 By "in Korean" we here mean a Korean writing system where Chinese characters are employed phonetically or logographically in Korean word order similar to the writing system of the Hyangga. It will be used in the same sense throughout the article. 2 See Kim Tujin, Kyunyo Hwaom-sasang Yongu, Seoul: 1981, for Kyunyö's books. 3 The Han'guk Pulgyo Chönsö Compilation Committee ed., Han'gukPulgyo ChOnso, vol. 4, Seoul: 1982, p. 321. 4 As for the Ch,inese characters used in kugyol, see An Pyöng-hi, Chungse-kugo­ kugyol-ui Yon'gu, Seoul: 1977. The arguments on Hyangga presented in this article are limited to generally accepted ones.

Index

Ch'ön'gi 7(~

Chungse-kugö-kugyöl-ili Yön'gu 9=tfft~ifflD~.2J ~~

Haein i'iHD

Han'guk Pulgyo Chönsö ~ ~ '@!; ~t~: • Hwaömgyöng .IJ&~

Hyangga 3ffiiX

Hyök Yönjöng s~~

Idu ~iM

Kanghwa 0=.

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Koryö iI1.'iB

Kugyöl D~

Kuyök-Inwanggyöng .~ t:.=E~ Kwangjong :Yt* Kwangsu-chebul-ka Jf f~ ~ ,@!;iX

Kyöngsang ~f&} 32 Pyöng-Hi Ahn

Kyunyö ~:\!rJ Kyunyö Hwaöm-sasang Yön'gu ~:\!rJ * ~ ,w.;m liFf ~ Namhaeng-wörilgi ~fi J3 B ~e

P'ungyo )i\~

Samguk-yusa ~mjl$

Sangsu-purhak-ka 'ffi&i-m;~fX

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Sökkyobun'gi ~~7t~e

Suhüi-kongdök-ka Jiji.J1J~fX

Taejanggyöng *iG~

1"0 II±

Yegyöng-chebul-ka iiI~~-m;fX

Yi Kyubo $~~ A Comparative Study of Ancient Folktales of Korea and China

Chong.yon Chu

(Seoul)

Manchuria, which China now calls the northeastern region, was inhabited by the Mongolian, Tungusic and Korean tribes around the first century Re. These people had come down from the Altai region and were often called the Northern Tribes. They differed from the Chinese, who had built their culture in the Yellow River basin, in origin, customs and history. They have handed down their own cultural tradition, and today we can see their unique cultural heritage in Northeast Asia. As far as can be ascertained from history books, it was around the first century A.D. that the first Korean states made their appearance in the Korean peninsula and in part of Manchuria. Koguryö, which occupied the northern Korean peninsula and southeastern Manchuria, was one of the largest and strongest of the Korean states. Because it had originated in Manchuria and not in the Korean peninsula like the other two Korean states, Silla and Paekche, Koguryö shared customs, linguistic, and religious traits with northern tribes. Unlike ancient Chosön and other states which had come and gone before them, Koguryö, Silla and Paekche had substantial historical records and material covering the entire span of their history from the rise to the fall. There are also a considerable number of myths and legends surrounding the three Korean states, and for many scholars of the history of Korean literature these myths and legends are the beginning of Korean literature. Fully realizing that it is too tall an order for me to compare ancient Korean and Chinese myths and legends and study their relations here, I would like to limit my presentation to comparing a narrative of Koguryö, which shared Manchuria with China, and an ancient Chinese narrative, in order to pinpoint some of the differences between Korean and Chinese literature. To do so would be a small step 34 Chong-yon Chu forward in comparing the characteristics of early Korean and Chinese literature. It would also be interesting to see how the same motif has been taken up and interpreted by different cultures. Of the many myths and narratives about the founding of Koguryö as recorded in ancient Korean written material, it is the one aboutthe mysterious birth of the founder, Chumong, his flight from Puyö, the foundation and building up ofKoguryö, and the meeting between the father and his son , that is one of the most interesting and moving. According to the narrative, Chumong was born to Haemosu, who was the first son of the Heavenly Emperor, and a daughter of Habaek, the God of the Sea. Because ofhis parentage and his apparent potential to grow into a great leader, the Puyö court tried to harm him. Sensing the imminent danger, Chumong fled the country, leaving behind his wife pregnant with his son, to establish Koguryö in the south. His son, Yuri, grew into a healthy and high-spirited boy. Samguk-sagi, Korea's oldest history book, records the meeting of Chumong and his son, Yuri, as follows:

As a boy, Yuri used to kill birds with stones. One day a stone thrown by him at a bird hit a water jar which a woman was carrying on her head, breaking the jar. The woman scolded Yuri, saying that the fatherless boy had broken her water jar. Returning horne, Yuri asked who his father was. His mother, fearing for her child's safety, refused to tell him. When Yuri threatened suicide, his mother told him that he was a grandson of the Heavenly Emperor and the God of the Sea and that his father had fled to the south to found his own of Koguryö. She explained that his father had told his pregnant wife that if a boy was born, her husband would recognize hirn as his son when he brought to him a matching portion of something whole which he had hidden in a "pine tree on a stone in seven valleys of seven peaks". Yuri searched valleys and peaks to find the object his father had hidden, but without success. Exhausted, he was resting in the courtyard, when he suddenly heard asound beneath one of the house pillars. Taking a elose look at the pillar, he saw that the pine pillar was seven-cornered and that it was standing on a stone plinth. He knew then that he had finally found what he was so eagerly looking for. From a hole between the plinth and the pillar, he retrieved part of a sword. Comparative Study of Ancient Folktales of Korea and China 35

Having joumeyed to Koguryö, Yuri presented his father the broken sword, whereupon his father, King Tongmyöng, produced the other, perfectly matching piece. King Tongmyöng recognized Yuri as his son and made hirn crown prince to succeed hirn as ruler of Koguryö. This narrative was recorded only briefly in such Chinese books as Lun-Heng, Liang-Shu, Wei-shu, Chou-shu, Sui-shih, and Pei-shih, while Korean history books give more detailed accounts. I have discovered the following narrative on the sword motif in Sou-shen-chi, a collection of ancient myths and legends ofnorthem Chinese tribes edited by Kan­ pao during the Chin period. Mo-ya of Wu made a pair of swords (male and female swords) for the king of Ch'u. Mo-ya knew that the king would kill him because it had taken hirn so long (three years) to make them. Before going to see the king to present the sword, he told his pregnant wife: "The angry king will surely kill me because it took three years to make them. If you should give birth to a son, tell hirn when he grows up: Step out of the house gate and look towards South Mountain and you will see a sword behind a pine tree growing on a rock in the mountain." Mo-ya left his wife to bring a female sword to the king. After having the sword examined and learning that it was a female sword ofa pair of male and female swords, the king put hirn to death. One day, Ch'ih, the son of Mo-ya, asked his mother where his father was. She told hirn that his father had been executed by the king of Ch'u because it had taken hirn three years to make hirn a sword. She also told hirn what her husband had said to her regarding where their son would be able to find the matching sword. Ch'ih s!epped out of the house gate and looked towards South Mountain. However, he saw no mountain but a flat stone plinth supporting a pine pillar. He struck near the plinth with an axe and retrieved the male sword. Ch'ih by chance made the acquaintance of a righteous man and with his help was able to kill the king of Ch'u. Ch'ih and the righteous man died, too, and the three were buried in the Three King Tomb. The Chinese narrative ended tragically. Although both narratives involved fathers and swords, the broken piece of sword in the Yuri narrative led the son to his father and the throne. In the Mo-ya narrative, the sword led to the deaths of both, father and son. One narrative was 36 Chong-yon Chu about meeting, while the other was about separation through death. According to ancient Chinese tradition, Mo-ya came from Wu. Judging from the events surrounding the making of the swords, it is presumed that the narrative dates from the 6th century B.C., when Wu was dorninated by Ch'u. Although there is no way to deterrnine which narrative predated which, it is interesting that the two northern narratives on the same motif had such different endings. Generally speaking, there are two types of stories. One is the comedy type. In the stories of tbis type, heroes are happily integrated or accepted by the community and society to which they belong. In stories of the tragedy type, however, the heroes are isolated. The expressions "cornic" and "tragic" here indicate not only the form of the narratives but also the general aspects of their plots. The Chinese narrative of Mo-ya is obviously tragic. By contrast, the meeting between the father and his son and the reunion of husband and wife, which was described as "King Tongrnyöng was happy that Prince Yuri had fled Puyö with bis mother to come to him in April of the 19th year of his reign" was a truly happy ending to an heroic epic. This ending satisfies N. Frye's definitions ofplot and basic structure of comedy in that the hero's love relations and social relations merge at the end and the farnily as a unit becomes harmonious within society. The heroic life of Chumong began as an abandoned son and ended with a happy farnily reunion. It had all the elements of a comedy. The majority of Korean epics after the Yuri narrative have had comedy structure down to the 20th century. I must confess my ignorance about how the tragic motif has continued in the history of Chinese literature. While it rnight be difficult to characterize the vast world of Chinese literature simply as cornic or tragic, it would be an interesting task, in order to throw light on the traditional context of history of literature, to trace how the tragic motif has been transformed in the course of history down to the present and through what processes.

Literaturverzeichnis

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Iryön: Samguk-yusa. Kan Pao: Sou-ehen-chi. Kim Pusik: Samguk-sagi.

Glossary

Ch'ih Chin Chosön ~~ Chou-shu !iIDw Ch'u ~ Chumong *~ Habaek ruHs Haemosu pif~UX Hsüan-ch'un ~* Kan-pao 'fJl Koguryö ~liJE Liang-shu ~w Lun-heng Mo-ya ~$ Paekche EfiJ'f Pei-shi ~t~ Puyö :f1(~ Samguk-sagi -= 1i\IlI~~~ Samguk-yusa -=1i\IlIj!~ San-wang-mu -=.=E~ Silla ~m Sou-shen-chi ~ ffl$ ~e; Sui-shih Ili~ Tongmyöng ßl:[ß] Wei-shu W/,W Wu ~ Yuri ~;ffJ

Mongolica im AIUürkischen

Gerhard Doerfer (Göttingen)

1. Vf. behauptete einst, vor dem 13. Jh. seien einseitig Lehnwörter aus dem Türkischen (Tü.) ins Mongolische (Mo.) gewandert (T I.5, reservierter in I.551, IV.344). Dies hat er in D widerrufen (161-7, 279 f., 287). Jedoch bedarf das Thema einer weiteren Darstellung, da so ausgezeichnete Forscher wie Clauson, Clark (in vorsichtiger Form) die Einbahnstraßenthese vertreten.

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3. Die heutigen mo. Dialekte stehen einander sehr viel näher als die tungusischen (tu.). Dennoch lassen sich drei Gruppen unterscheiden: Mo.A = Schriftsprache (vielleicht ursprünglich Dialekt des Stammes Cinggis Chans?); Mo.B. = populäre Sprache, heute in der Mehrzahl der mo. Dialekte fortlebend, aber (Doerfer 1964, 37) schon in gewissen älteren mo. Dokumenten erscheinend, in manchem altertümlicher als Mo.A; Mo.C = Dagurisch (vgl. KaI uZyllski, wo weitere Literatur). Hier eine Übersicht mit Beispielen ('Berg, fünf, euer, euch, euch, von euch, Hund, Hase', nur hintervokalische Beispiele gegeben):

Mo.A Mo.B Mo.C IGI /'I /,/ayula o~la aula Ibl Ibl - lvi IlJI tabun tabUn tau Genitiv.u .l .l tanu tanf tanf Akkusativ .i .fgi .f tan.i tanfgi tänf Lokativ .dur .du *.du tandur tandu tända Ablativ .aca < .sa .äsa *.äsa tan.aca tanäsa tanäs lai lai la noqal nogai. noyo tau.. lai taulai.. taula..

Diese drei Gruppen beeinflussen sich, z.B. 'Schulterblatt' (tü. ägen) Aegem - > B chalcha egem (aber Boirat., burjat. em), B mogai 'Schlange' - > C mogoi (- moyo). C weist weitere Charakteristika auf (D 156-61), z.B. Bewahrung Ilpl in colpon 'Venus' (= tÜ. colpan), gegen AlB colbon, häufigere Formen ohne Indivi­ dualissuffix +sUn als AlB (z.B. anfu 'Pflug' = AlB anfasun, gala 'Pfahl', erschließ• bar aus solon.gata = A/Bgatasun), häufig IGI statt AlB IKI (z.B.xerge 'Daumen', altmandschuJerge!, = A hereke{, aga 'älterer Bruder' = aqa, sagal, 'Bart' = saqal); C hat auch besondere Wörter wie kaso 'Eisen' (AlB temür < - Tü.); es hat altes 42 Gerhard Doerfer

*pl (außer im Dialekt von Chailar) als xl bewahrt, und dieses xl ist erst in sehr junger Zeit aus *pl hervorgegangen, wie Lehnwörter aus dem Chines. beweisen (z.B. xeiji 'Ziegel' < - p'ei-tsu). Andererseits scheint es wegen C xerge = alt­ mandschuferge, daß C sehr früh Mittelsilbenschwund erlitten hat, vgl. z.B. Cxoalya 'Dieb' = A qula!!( (eine ähnliche Erscheinung in B ist nachweislich jünger). A und C sind also Extrempunkte, B steht in der Mitte. Das wichtige Merkmal C = IA gegen AlB /Ai spielt für Entlehnungen ins Tungusische (Tu.) eine wichtige Rolle, vgl. mandschu (ma.) xI1lxa 'Dieb' = C, weitere Beispiele in D 157-60, vgl. auch Ligeti in AOH 16 (1963), S. 140-2. Soweit zum Mo. seit dem 13. Jh. Was aber war davor? Welche Völker lebten, welche Sprachen gab es in der Steppe nördlich von China? Geschichte und Sprache der Alttürken (552-744), Uiguren (744-840) und Kirgisen (840-937) sind uns vertraut. Das extreme Gegenteil gilt für die Sprache der Hsiung-nu (3. vor bis 4. Jh. nach Chr.); am wahrscheinlich­ sten ist wohl Ligetis (1950/1) und Pulleyblanks Hypothese, daß es sich um eine jenisseische ("paläo-asiatische") Sprache handelt. Wörter wie eh 'eng-li = tä'1ri 'Himmel', wo-lu-to = ordo 'Palastwache' sind aus dieser Sprache ins Tü. und Mo. eingedrungen, jedoch nicht etymologisierbar. Auch die Sprache der Jou-jan (402-552) ist kaum bekannt. Sollte sie mit dem Avarischen zusammenhängen, wofür historisch einiges spricht, ist Mongolentum möglich (vgl. Moravcsik 84 Baiavos = mo. bayan 'reich', weiter wäre deutbar 135 Kave5ix = ganfuga 'Riemen am Sattelende', 227 ~af.Lo6p = samur 'Zedernuß', 240 ~6Äaxos = solagai 'links'). All dies ist unzureichend. Und das Wei-shu (5. Jh., Kapitel 103) liefert (abgesehen von den Allerweltstiteln qayan S. 2291 und erkin S. 2301) einige Herrscherdevisen auf S. 2289, 2291-2300, 2303, die aber kaum aus einer bekannten Sprache deutbar sind. Auffällig ist allerdings, daß mehrfach ~ bat erscheint (in damaliger Aussprache laut Liu, Ying-sheng, etwa Kiu-dau-bat 'Lenker, Öffner', Daulabokbatdaubat 'Beherrscher', Cikliantaubingdaubat 'Nehmend-Be­ sichtiger/Behütender'). Ob bat mit /b/r im alttü. Titel eldäbär (zu mo. elde- 'drive, pursue'?) = jou-jan S. 2300 ilibat sowie Namen wie Küräber, (Kljastornyj/Livsic 73) Nivar, Taspar zusammenhängt? Vgl. auch Liu, Mau-tsai, 497, M 35-7 zu jou-jan ehi­ k'in 'Prinz' (= tegin, degin). Wenig bekannt ist auch die Sprache der Sien-pi (155 bis Mitte 5. Jh.), die aber als Vorfahren der To-pa (Taßyac) genannt werden (L 274-6; der Zusammenhang Mongolica im Alttürkischen 43 der Shih-wei mit ihnen wird aus ethnologischen Gründen von Ratchnevsky bezweifelt; freilich findet ja nicht selten Wirtschafts- und Kulturwandel statt). Von ihrer Sprache sind nur wenige deutbare Wörter liefert: k'o-han 'Kaiser', k'o-sun 'Kaiserin', mo-ho 'Vater', mo-tun 'Mutter', a-kan (a-yü?) 'älterer Bruder', eh'u 'perfekt', (t'ien)-k'i-lien 'Himmel', niao-hu-ts'in 'Staub, Erde', ho-ehen. Zu deuten ist (L 276-91, Pelliot 1921, M 23 f., F 13-7) qayan; qasun (tu-yü-hunqacun, oder beides =qatun), maya (vgl. shih-wei bei W 430 mo-ho-tu 'great chieftain' = bayatur?, mo­ ho-fu 'chieftain of a tribe'(-tu = -bat, siehe oben), Pelliot liest mwak- ya und vergleicht den tÜ. Titel baya sowie mo. abaga 'oncle paternei', F 15 muo-ya = tÜ. baya); matun oder amatun (mit Femininsufix +tun wie in qa[ a]tun); aqan oder eher agan; tenkirin (= hsiung-nu eheng-li, tÜ. tälJri, mO.A telJgeri); lies t'o-hu-ts'in = tayuCin (mo.A toyosun); (mo.A) guCin. Insgesamt ergibt sich ein mongolider Eindruck; auffällig ist das In in agan und tenkirin (vgl. aber Mo.D), auch die Existenz von Mo.A abweichender Suffixe (Feminin +tun statt mo.A +, +Cin statt +sun).

4. Aber betrachten wir die historische Lage im 5./6. Jh. vor der Machtübernahme der Alttürken (Herrmann, S. 30 f.). Den Norden und Westen des Jou-jan-Reiches nehmen die Alttürken (mit Tölis) ein, noch weiter nördlich siedeln die Kirgisen. Die Alttürken arbeiten als Eisenschmiede für die Jou-jan (Liu, S. 5 f.; dem entspricht die Tatsache, daß mo.A/B temür 'Eisen' wohl ein Lehnwort < - alttü. tämer ist, während mo.e/E wohl ein altes [hsiung-nu?] Wort bewahrt haben). Sie leben also nördlich vom alten Sien-pi-Reich. (Clausons Behauptung 1958/9, 1959/60, die Mo. hätten als Waldvolk nördlich von den Tü. gesessen und ihre Steppenvolk-Termino­ logie und Kultur von diesen übernommen, ist unhaltbar; es ist, s. unten, strukturell wahrscheinlicher, daß tÜ. buzayu 'Kalb' < - mo. *bur!,ayu stammt als umgekehrt. Die heutige Mongolei wird von den Jou-jan eingenommen. Östlich des Großen Chingan schließen sich an (von Nord nach Süd) a) Shih-wei (s. oben), b) Tat(a)bi (so alttü.) = c) K'u-mo-hsi (entfernte Verwandte der Sien-pi) und d) vom Liao-Fluß umfangen die Qi'tan (so alttü.), e) den Norden Chinas beherrschen die To-pa (Wei­ Dynastie), alttü. Taßyac. Nur die beiden südlichen Stämme e) und d) haben 386­ 556 bzw. 937-1125 (Liao-Dynastie) größere historische Wirksamkeit entfaltet, nur 44 Gerhard Doerfer

über sie erscheint ein einigermaßen befriedigendes Material in den Quellen. Gehen wir dies durch. Hier aber einige Vorbemerkungen: (1) Die philologische Situation ist oft schwierig. So kann fo-pa a-kan (= agan) 'älterer Bruder' wegen der Ähnlichkeit der Zeichen auch a-yü gelesen werden (s. M 23, F S. 14 f.: lliiJ T bzw. lliiJ T ; von Pulleyblank 256 wirdyü als hwäh rekon­ struiert - was für die relativ späte Zeit nicht überzeugt). Darüber hinaus gibt es die üblichen Abschreiberprobleme, vgl. Franke 1976, S. 179 f. (2) Die Rekonstruktion älterer chinesischer Sprachformen ist noch nicht ganz gelöst; die Systeme Karlgrens, Pulleyblanks, Masperos, Csongors usw. widersprechen sich teilweise; auch dürfte es mannigfaltige Dialektformen und Übergangserschei• nungen gegeben haben. Vgl. Pelliots Bemerkung 1930 zu fo-pa "hien-tchen" ­ = gf,amCin 'Postangestellter' = mO.A famCi, tÜ. yamcf: 'j'indine a penser que le systeme de M. Karlgren [*yam] neglige ici un element qui existait deja dans la prononciation chinoise de 500 AD."; auch ma. giyamun 'Poststation' weist auf eine Aussprache gf,am, vgl. auch Maspero 15, Anm. 3 (dialecte de Wou Ve siede). (3) Wir müssen mit Völkermischungen rechnen; so mögen mit B, Mund F tÜ. und tu. Elemente im Taßyac- und Qi:tan-Reich beteiligt gewesen sein. Diese Gruppen mögen vor allem in Namen ihren Niederschlag gefunden haben, ähnlich wie im deutschen· Sprachschatz Ostpreußens zwar wenige baltische Appellative, jedoch viele Namen fortlebten. Uns interessiert allein die maßgebliche Sprach­ schicht, die sich vornehmlich in den Appellativen zeigt und Grundwörter enthält (vgl. zu diesem Begriff Vf. 1988). Pelliot (1925) und Ligeti (1964, L) haben die klare, maßgebliche Schicht der Appellative als mo. bestimmt. Sie sei nun dargestellt, zunächst MO.D nach B (Nummern), mit Zusätzen aus L und D; es werden auch einige Termini behandelt, die nicht ganz sicher sind; zu den chinesischen Zeichen usw. s. Bund L; mo. g bezeichnet wie in Deinen Verschlußlaut, y einen Reibelaut, unabhängig von der vokalischen Umgebung. Wir finden:

MO.D = Taßyac (To-pa, Wei) 1. agan 'älterer Bruder'(a-kan, B 143, L 306) sien-pi agan, - mo.A/B aqa, mo.C aga. Mongolica im Alttürkischen 45

2. aryun (haryun?) 'Mischling' (ho-Iu-hun, B 157, D 162). Nur im Tü. belegt (arqun Clauson 1972, S. 217), dort jedoch nicht etymologisierbar und struktur­ fremd, wohl Lehnwort < - MO.D. Etwas unsicher. 3. bitiyCin 'Sekretär' (pi-te-ehen, B 123/128, L 298-302, Pelliot 1925, S. 254 f., D 162) - moA biGiyeGi. Nicht tü., sondern Form mit Mittelsilbenschwund, mo. 4. boxtaiGin 'Kleiderwart' (p'u-ta-ehen), B 124) - mO.A bogca, boyoca 'Bündel', bogta(g) 'Damenhut'; tÜ. boxtay/boxtoy (Clauson 1972, S.313) offenbar Lehnwort aus MO.D oder E. 5. Gino 'Wolf (eh'i-nu, B 15, L 305 f., D 161) - moA Gino. (Ob t'o-pa ?) 6. degin 'Prinz' (ehih-ehin, B 141, L 306 "tehe-kin") - moA tegin (Franke 1970, S. 143, T 11.533-41), auch tÜ. tegin, mo.E teyin. 7. eJen 'Vaterbruder' (i-chan, B 44, unsicher) - mO.A eJen 'Herr'? 8. eülen 'Wolke' (yu-lien, B 112, L 304 F., der üglen liest, D 161) - mO.A eYÜlen. 9. gf,amcin 'Postvorsteher' (hsien-ehen, B 129, L 296 f., Pelliot 1925, S. 254 f., D 161 f., T IV. 110-20) - moAJamGi (ma. giyamun). 10. halan?, qaran? 'gefleckt' (ho-Ian, B 34, D 162) - älter tÜ. häla (so chaladsch) 'bunt' oder - mo., tÜ. qara 'schwarz'? Unklar. 11. kelmürtin oder keimörein, kelmerCin 'Dolmetsch' (B 126, L 292 f., Pelliot 1925, S. 254 f., D 161) - moA kelemürCi. 12. miugi'1 'Leopard' (wu-heng, B 148, D 162) - mO.A migut 'Katze'. 13. modi 'Provinzkommandant' (mo-t'i, B 137, L 304, D 161) - moA moJi 'Provinz'. 14. pörtöyCin 'Postangestellter ' (ju-ehu-ehen, B 128, L293 f., Pelliot 1925, S. 254 f., D 161) - moA örtöyeCi. 15. qaßayCin 'Türhüter' (k'o-po-ehen, B 127, L296-8, Pelliot 1925, S. 254 f., D 162) - mO.A qayayGi, vgl. Mo.E, tÜ. qapa-. 16. qayan 'Chan' (k6-han, B 140, L287, 306) - moAqayan, auch sien-pi,jou-jan, tÜ. usw., s. T III.141-80. 17. qasun, nach W 429 aber qatun (k'o-sun, B 135, L 306, D 162, T 111.132-41) ­ moA qatun (auch tü., so alt wie qayan, s. Nr. 16, vgl. auch Mo.E). 18. qityatGin 'Henker' (eh'i-hai-ehen, B 130, L 303 f., D 162) - mO.A qitugatGi zu qitugat 'Messer' (älter wohl 'Schwert', laut L = qiduyaGi - was die 2. Silbe nicht erklärt). 46 Gerhard Doerfer

19. qoninein 'Schafhirt' (k'u-jen-ehen, B 142, D 162) - mo.A qoniei (Geheime Geschichte aber qoninei), unklar. 20. qorlayein 'der den Kaiser mit Waffen umgürtet' (hu-lo-ehen, B 125) - mo.A qor 'Köcher (oder Bogenfutteral?)' (*qor+la-yaei). 21. saydagein 'Köcherträger ' (so-tu-ehen, B 146, D 162) - mo.A. sayadag+Ci. Unklar. 22. silu 'hoch' (shih-lou, B 80, D 162) - mo.A sili 'Hügel' (vielleicht< +silui, vgl. tolui 'Spiegel' > toli). 23. tabagein 'Infanterist' ( to-po-ehen, B 145, D 162) - mo.A tabag 'Fußsohle', also - +.tabagei. 24. teyein 'Umgebung des Herrschers' (ehieh-ehen, B 121, D 162) - mo.A teye 'Seite'. 25. telJgirin 'Himmel' (eh'i-lien, davor X t'ien 'Himmel' zu ergänzen, B 10, D 162, T 11.577-82) - mo.A telJgeri, auch hsiung-nu celJli = t'älJri, tÜ. tälJri, sien-pi tenkirin. 26. toqi 'alt' (t'u-hsi, B 100, D 162) - mo.A toki 'slave or serf of the fourth generation, full-grown elk'. 27. törö 'Gesetz' (tou-lu, B 154) - mo.A törö. 28. törötü 'gesetzesgetreu' (?, Kognomen) (tou-lu-t'u, B 154, D 162) - mo.A törötü. Greifen wir Frankes Gedanken auf (1976, 180), daß bei Namendeutung "instead of trying to suggest at random possible etymologies it would be more useful to discover ... sound-patterns", so zeigt sich, daß die Taßyac-Stammesnamen mit folgenden Konsonanten beginnen: t, c, k, p, h ?, fJ. ?, g, m (auch ohne folgenden Nasalkonsonanten), n, b, s, s, d, y; dies entspricht nicht der tü., wohl aber der mo. Wortstruktur. Wir wollen nun Mo.D mit Mo.A vergleichen. Wir stellen fest: (1) Mo.D hat vielfach ein zusätzliches In (1, 10,25, alle Belege mit lein); von 13 Nomina außer 2, 12 und solchen mit lein enden 8 mit In, in Mo.A nur 5, ferner 5 ohne In. Vgl. § 3: 1, 25 stimmen mit dem Sien-pi überein. Laut L 308 ist In in den Formen mit lein nicht Plural, sondern "marque de cas determine". (2) Mo.A'-q- entspricht in 1 -g-; vgl. sien-pi und Mo.C in § 3. (3) Mittelsilbenschwund ist zu konstatieren in 3, 11, 14, 15, 18, 20, 21, 24; vgl. Mo.C § 3, auch L306-8 (mo.Agöröye 'Wild', arayan 'Eckzahn' = ma.gurgu, argan). (4) Statt jl finden wir gy in 9. Mongolica im Alttürkischen 47

(5) di ist bewahrt: 13 (vgl. T III.379, D 181, wonach der Übergang zu Ji auch in Mo.A erst im 12. Jh. stattfand). (6) Urmo. p/ ist bewahrt: 14. (7) Frührno. /ß/ « urmo. */p/) ist bewahrt: 15. (8) In 20 (eventuell 4: boxtaein ?) scheint, wie in Mo.C (s. §3) I!zu fehlen (das wohl ein altes Klassensuffix ist, s. D 157-61). (9) Dagegen ist jy/ vor Labialvokal geschwunden: 8 'vielleicht aber eher /ß/?), eine in Mo.B/Cviel weiter gehende Erscheinung, s. §3. Kommen wir nun zu Mo.E. Unsere Quellen sind: W, M, F, Franke 1976, Ugeti 1964. MO.E = Qi1an (Uao) 1. altan 'edel' (a-tien, W 431) - ? moA altan 'Gold, kaiserlich' (Altan xan = Titel des Jürcen-Kaisers laut Geheimer Geschichte). 2. ca'ur 'Raid' (ch'ao-wu-erh, falsch in W 272, 433, korrekt in F 36, Ligeti 1964, S. 287 f.) - moA (Geheime Geschichte) ca'ur (zu frührno. *caßur oder *cayur). 3. cerbi 'Sklave, Diener' (F 42 shih-Li-pi = sirbi, vgl. dazu Franke 1976, S. 287 f., i-Li-pi = W 432 = il/bi, Stammesname Tat[a]/bi) - moA cerbi 'Höfling'. 4. dargan 'ein Adelstitel' (ta-la-kan, W 433, M 30, T 11.460-74) - moA darqan (tü. tarxan). 5. d~ 'Salz (in einem Seenamen)' (tao-sm, F 38) - moA dabusun (ma. dabsun). 6. ebüge 'Greis (als Apposition zu einem Namen)' (i-pu-ko, F 23) - moA ebüge. 7. ergin 'ein Adelstitel' (W 431 i-Li-chin, 471 i-chin, M 32 f., T III.647-52). MoA nicht belegt, jedoch der Struktur nach mo., vgl. tÜ. erkin (auch L 1950/1, 171 f.: Der Kirgisenchef hatte den Titel hie-kin = hergin). 8. gasä (Jasllg ?) 'kleine Stammeseinheit' (cha-sa, W 430) - moA gaeayan oder eher mO.B chalcha gasän 'Dorf, aber auch ma. gaSan (kaum zu mo. Jasag 'Gesetz', das volle Isa weist auf Länge). 9. glala 'einladen, Einladung' (in hsia-Li-p'o 'Einladungs-Zeit', W 269, M 53, F 32, zum Anlaut, der gewöhnlich als ga/, ya/ gedeutet wird, vgl. oben Pelliot zu glamCin) - mo.AJala- 'einladen, hinlenken', vgl. dazu tü.yala-vae 'Gesandter'. 10. gütbür 'Flegel' (kuo-pu-Li, F 41) - moAgütbür. 48 Gerhard Doerfer

11. gür (xan) 'oberster Herrscher' (ko-er-han, W 431, T I1I.633-7) - mO.A gür 'universell'. 12. ilbi oder irbi 'ein Adelstitel' (i-li-pi, Franke 1976, S. 178). In MoA nicht belegt, erinnert im Wortende an cerbi, q.V. 13. Jau 'hundert' (chao, Ugeti 1964, S. 287) - moAJayun, mo.CJau. 14. möra 'fluß (in Flußnamen)' (mu-li, F 33 f.) - moA mören. 15. nai 'erster' (nai, W 271 'head', 269 nai nieh-i-erh 'erster Tag', zum letzten Wort s. fiära) - moA nai 'sehr' (semantisch - 'groß, vomeweg, Spitze'). 16. fiära 'Tag' (nieh-la, nieh-i-erh, s. nai, M 58, W 88, 90, 269) - moA naran 'Sonne'. 17. fioya 'Hund' (fiöya ?) (nieh-ho, W 271) - moA noqa!. (aber vgl. ma. niohe 'Wolf?), mo.C noyo, IrinJin 63: nekhei. 18. ordo 'Heerlager'(wo-lu-to, W 508, T 11.32-9, schon hsiung-nu) ...;. mO.A ordo. 19. pili 'Holzgefäß'(p'i-lie, Franke 1976, S. 179; erinnert an ma. fila, dies aber < - Mo.E; denn vgl. solon. ila < hila < pila, dagur. xila, s. D 155; vgl. auch nanai. pilia < - älterem Ma. - silia < - älterem Solon., denn urtu. *hi/ > nanai. si/) - moA pila, dies aber < - Ma. 20. po 'Zeit' (in hsia-li-p'o, s. gfale, M 44, W 269, vgl. auch L 307-8) - mo.A hon 'Jahr' (aber ma.fon 'Zeit'). 21. qaßayCi 'Kleiderwart' (ho-pa-chih, Franke 1976. S. 179, bei M 32 'Türhüter') - mo. *qayayaei, vgl. mO.D Nr. 15. 22. qa.so 'Eisen (eigentlich eher qafu)' (ho-chu, W 150, M 19, auch Aalto in UAJb 31.33-40, Ligeti 1950/1, S. 140-67: Vergleich mit altkirgis. qa.sa) Mo.A/B unbelegt, - mo.C kasö. 23. qatun 'Kaiserin' (k'o-tun, W 272,429, F 24) - mO.A qatun, vgl. mo.D Nr. 17. 24. qol 'Militärabteilung' (k'o, W 433) - moA qol 'Zentrum der Armee'. 25. sär(a) 'Monat' (sai-i-erh, W 270) - moA sara. 26. suan 'Herz und Magen' (suan, W 541) - ? mo. saba 'Gefäß; Magen. Einge­ weide', unsicher, da laut Franke = 'intim, Busenfreund'. 27. sauä 'Falke', sauäCi 'Falkner' (shao-wa, Ugeti 1964, S.288, M 46 im Namen eines mit Vogelfang befaßten Stammes) - moA sibayun 'Vogel', mo.C sowö und ähnlich. 28. sä 'gut' (sM, W 270) - moA sayin. Mongolica im Altmrkischen 49

29. tama 'Eskorte' (t'a-ma, W 433, T 1.255-7) - moA tama, tammal:i, vielleicht = alttü. taman (oder Eigenname Taman?). 30. tarim 'ein Titel' (t'a-lin, W 434, M 35). MoA unbelegt, vielleicht <-- Tü. (Clauson 1972, S. 549 liest tärim, was vielleicht, s. T 11. 656 f., richtig ist). 31. t~ 'fünf (t'oo, W 270) - moA tabun, mo.C t~. lrinJin 63: tau. 32. t~le 'Hase' (t'oo-li, W 270, M 53, Ligeti 1964, S. 288, der sogar taulliest) ­ moA t~la!,mo.C t~ltl, IrinJin 63: "taulia" (vielleicht t~l'e ). 33. t~wes 'Staub' (t'ao-wei-ssU, L 287) - moAtoyosun (tü. to ), vgl. oben sien-pi tayuCin, alle < *tayo ? 34. tergen 'Herrscherin' (t'e-li-chien, W 431, F 25 f., T 11.495-8). MoA unbelegt, aber als Taßyac-Titel - > tü. tärkän. 35. teyin 'Prinz' (t'i-yin, M 35-7, W 432). Vgl. mO.D. degin,jou-jan chi-k'in (= d'egin ?), - mo.A, tü. tegin (da die ältere Form stimmhaft anlautete, vielleicht Rückentlehnung < - Tü.). 36. toyu 'Gürtel mit Schnalle' (t'u-hu, W 235, M 47) - mO.A tuuqai < *toyuqai, ma. tooxan. Wie steht hierzu tÜ. toqo 'Schnalle'? 37. tümen 'Armee' (kaum *dümen; te-man, W 433) - moA tümen 'zehntausend, Division' (eventuell auch für Mo.D in B 158 zu lesen). 38. tüsie 'Präfektur' (t'ou-hsia, W 65) - mO.A tüsiye 'support'. 39. u 'fluß' (wu, F 36-40; unsicher, da auch als chines. nioo deutbar = ma. niyo 'Sumpf, für diese Deutung spricht, daß nioo auch in der Chin-Zeit erscheint, dagegen die ma. Semantik) - moA usun (genauer: u +sun, mit dem bekannten Suffix) 'Wasser; Fluß (häufig so, s. M. Haltod: 'Mongolische Ortsnamen, Wiesbaden 1966 passim). lrinJin 63 bietet zusätzlich dakhaia (moA taqiya) 'Huhn', is (mo.Ayisün. 'neun' (lies wohl yise ), uul (moA ebül/öbül) 'Winter' sowie das etwas unklare dau­ uan-u 'Mitte' (moA dumda ?), ferner 70 elfigen 'Esel', 71 qonin 'Schaf.

Werten wir nun auch diese Liste aus und vergleichen MO.E mit Mo.A-D. Wir stellen fest: (1)ln Mo.E steht nur selten In, nie über MO.A hinaus: 1,4, 7,23, 34, 35, 37; oft fehlt In, übereinstimmend mit den meisten Dialekten von MO.B und mit Mo.C: 5, 8, 13, 14, 16, 27, 28, 29 ?, 31, 33; ein Sonderfall ist 26. Das In erscheint fast nur 50 Gerhard Doerfer

in Titeln. MO.E weicht also in dieser Beziehung von Sien-pi und MO.D ab.

(2) MoA /K/ entspricht (wohl nicht nur graphisch) /g/ in 4,7,34 = Mo.C/D. Dagegen ist jy/ vor /i/ > /y/ geworden in 35, ist geschwunden in 2, 8, 13, 27 (= Mo.B/C). Hierzu auch 33. (3) Mittelsilbenschwund ist zufällig nicht belegt, jedoch sind die Auslaute mehrfach reduziert: 9, 14, 16,25,32,33 (wohl auch 5) = Mo.B/e. (Die Reduktion geht besonders aus 10 hervor: /li steht für /r.) (4) Statt J/ finden wir giJ in 9 (aberJ/ in 13). (5) di/ti sind unbelegt (vgl. aber MO.D: Bewahrung ist für diese Zeit noch anzunehmen).

(6) Urmo.•p/ ist bewahrt: 19,20.

(7) Frühmo. /ß/ « urmo. •/p/) ist bewahrt: 21. (8) Das Klassensuffix +i fehlt wie in Mo.C/D (Die Überlieferung der Daguren, sie seien Nachkommen der Qi'tau, mag zutreffen, Ligeti 1950/1, S. 166): 32, m.B. auch 17. Auch das Ma. weist vielfach Wörter ohne +i auf, s. §3.

(9) /b/ ist geschwunden in 5, 25 ?, 31 = Mo.C/D, abweichend von Mo.A/B.

(10) Auffällig ist das Suffix (?) /bi: 3, 12.

(11) Auffällig ist n/ > uj: 16, 17 (Palatalisierung auch in 27, 28). Vgl. ma. nioxu- = moA nuqu- - niqu-; also vielleicht urmo. +u/ bewahrt.

(12) 22 qalo 'Eisen' ist typisch für Mo.C (in A/B femür < - Tü.)

(13) Umlaute finden sich in 16, 17 ?, 25, 28.

(14) Möglicherweise liegt in 39 eine Form ohne Individualissuffix vor, wie in Mo.C und tu. Sprachen (vgl. D Nr. 404 mo.Aayura+sun 'Ausstattung' = ma. ayura, 517 mO.A hoyima +sun 'Filzstiefel' = ma. fomon, ferner §3). (15) In 27 scheint i-Brechung vorzuliegen: sauä = moA sibayun (Mo.B schwankend: ordos siwu, chalcha suwu, burjat. subUlJ, kalmück, sowun), mo.C sowo. Dagegen findet sich in Mo.D 5, 18 keine i-Brechung, z.B. Gino = ordos, chalcha, burjat., kalmück, cono u.a. Vgl. Clauson 1972, S. 838: Mitteltü. (ab 11. Jh. = Qi'tan­ Zeit) sOlJqor, ma. sOlJgon (vgl. auch T 1.360-2, D 278 f.), dagegen tÜ. Texte der Yüan-Zeit Name Sii]qor < MoA. Es ist möglich, daß Lehnwörter mit bewahrtem Mongolica im Alttürkischen 51

lil im Tü. und Tu. aus Mo.D stammen, solche mit i-Brechung aus Mo.E. Es mag aber auch sein, daß urmo i - > i wurde, ia usw. - > a (worauf alte Entlehnungen des Ma. weisen). Das komplexe Thema (wozu vgl. auch Kaluiyrlski 1965) kann hier nicht behandelt werden. Fassen wir zusammen: A. Mo.D und E weisen gegen Mo.A (meist auch B) eine Reihe von Gemein­ samkeiten auf: Punkte (2), (3) (wahrscheinlich), (4), (5) (wahrscheinlich), (6-8).

B. Hiervon sind als altertümlich zu betrachten: (4-8).

C. Mit Mo.C stimmen DIE überein in (2), (3), (8); ferner stimmt Mo.E in (1), (9), (12), (14), (15) mit Mo.C überein. In (4-7), weitgehend auch in (15) hat Mo.C die Entwicklung von Mo.B mitgemacht.

D. Wie ersichtlich, stehen Mo.DIE Mo.C nahe, stimmen jedoch (auch abgesehen davon, daß sie altertümlicher sind) nicht ganz überein, jedoch steht Mo.E Mo.C näher. Immerhin weist Mo.E gewisse Sondererscheinungen auf: (10), (11), (13). Es gibt also fünf mo. Basisdialekte.

Man darf vermuten, daß unter den bisher unerklärten Vokabeln von Mo.D/E sich eine Reihe urmo. Wörter befindet, die inzwischen ausgestorben sind. Schon die Sprache der Geheimen Geschichte des 13. Jh. weist solche Wörter auf, z.B. ablin 'geraubte Gattin', ibul- 'Verwirrung stiften'. Für Mo.E und besonders für Mo.D ist derlei erst recht zu vermuten. (Daß Wörter aussterben, ist ein jedem Linguisten bekanntes Faktum, vgl. etwa got. mimz 'Fleisch', gut indoeur., z.B. slav. m~so, sanskrit ma'?!sa, in keiner sonstigen german. Sprache belegt).

E. Im Alttü. gibt es (neben anerkannt tÜ. Suffixen) Pluralsuffixe +t, + (A)n, +s. Hier gibt es vier Theorien:

a) Es handelt sich um altaische Suffixe; b) die Suffixe sind ursprünglich tü.; c) sie sind mo. Ursprungs (zu a)-c) s. Scerbak, S. 82-95); d) +t, +(A)n sind sogdischen, +s ist tocharischen Ursprungs (vgl. Clark, S. 117-21, für +t akzeptiert von Erdal, §2.4).

Das Suffix +t erscheint als Plural in tarqat 'Adlige' (zu tarqan = mo.A darqan, mo.E dargan), säl]üt 'Generäle' (zu säl]ün < - Chines., s. T I1I.278 f.), sad(a)pi"t 'Fürsten' (Fremdwort wegen si, ob Ipi" = mo.E Ibi, s. Nr. 37), tegit 'Prinzen' (zu tegin, vgl. mo.D Nr. 6, mo.E Nr. 35), alpayut 'dienstverpflichtete Söldner' (vgl. mo.A 52 Gerhard Doerfer alban 'Dienstpflicht', albayud 'Angestellte, Beamte') bayayut 'Kapitalisten' (vgl. moA bayayud zu bayan 'reich'), übertragen auch in Termini wie uz uzayut 'Experten'. Das Suffix +A yUd ist im MoAwohlbekannt (Poppe 72); es ist möglich, daß tü. + yUn hierauf zurückgeht und +A yUd einer der im Mo. üblichen doppelten Plurale ist. Aus dem Sogdischen kann +t nicht abgeleitet werden da dort (Kljastor­ nyj/Livsic 86, 89, Benveniste 80) Inl vor +t bewahrt bleibt: tryw'nt, tw6wnt,pr"mnt usw. = tarxwant, tu6unt, pramant(Brahmanen), während für das Mo.A/B Ausfall charakteristisch ist: noyan 'Fürst', aber noyad 'Fürsten'. Das Suffix + (A)n erscheint in alttü. är+än 'Mannen, Recken' (zu är, vgl. moA ere), oyl+an 'Kinder' (zu oyal), vielleicht auch in tor +an 'System von Netzen' (zu tor, vgl. mo.Ato~r) bo6 +an 'Volk' (zu boIS 'Statur, Klan', vgl. mo.Aboda). Herkunft aus dem Sogdischen ist unwahrscheinlich, da +an dort nur als Genitiv Plural in erstarrten Formeln erscheint (Benveniste 78, Gershevitch 180). Das Suffix +n ist in Mo.A wohlbekannt, erscheint freilich La. nur nach li, li (Poppe 72). Das Suffix +s erscheint allein in isvara+s (Titel), einem Wort, das letztlich auf sanskrit rsvara zurückgehen mag. Ein starker tocharischer Einfluß ist aber nicht überzeugend, vgl. eher mo.A +s (Poppe 70). Ich fasse zusammen:

(1) Daß diese unproduktiven, fast allein bei Titeln erscheinenden Suffixe altaischen oder urtÜ. Ursprungs sind, ist unwahrscheinlich.

(2) Sogd. Herkunft ist ausgeschlossen; auch befremdet, daß ein Teil der Pluralsuffixe sogd., ein anderer tochar. Ursprungs sein soll. Allein vom Mo. her ergibt sich eine durchgängige Theorie. (3) Mo. Herkunft wird bestätigt auch durch zahlreiche Parallelen im Vokabu­ lar: Es ist kaum ein Zufall, daß die tÜ. Formen auf +t fast durchweg ihren Widerpart im Mo. finden, daß aber nur im Mo. (nicht im Tü.) +d = [+t] ein übliches, produktives Suffix ist. Wie steht es aber mit den Lexemen? Es gibt im alttü. Wörter, die (trotz Abweichung von Mo.A) auf den ersten Blick klar erkennbar mo. Ursprungs sind. Dazu gehörtz.B. balbaI 'Statue eines erschlagenen Feindes', vgl. mo.A ban-mal 'Skulptur' zu ban- 'greifen; konstruieren, modellieren' + -mal (produktives Suffix, Poppe 48), aus echt mo. Bestandteilen zusammengesetzt. Der Mittelsilbenschwund entspricht dem in Mo.D üblichen (Punkt 3); es ist etwa moA bar(e)bal zu rekon- Mongolica im Alttürkischen 53 struieren, im Tü. durch Assimilation verballhornt. Ebenso ist tü.yalavae 'Gesandter' aus dem Tü. nicht erklärbar, vgl. aber moA Jala- und Mo.E Nr. 9. Aber auch morphologische Charakteristia weisen oft auf mo. Herkunft tü. Wörter. Einer der häufigsten Wortausgänge von MoA/B (auch in Mo.C nicht selten, s. D S. 157-61) ist IVokal + f!; so gilt dala!. 'Meer' für MoA-C. Offenbar darauf geht alttü. talott (t = im modernen Tü. ausgestorben) zurück. Clarks Einwand S. 153 f., die Glei­ chung alttü. lul (er liest alttü. taluy) = moA lai spreche gegen mo. Herkunft, ist irrig, s. T 1.9-12, 77, 97, 100, Clauson 1966, 31-7; Frührno. = alttü. 101 ist im Mo. nach IA zu IAI assimiliert worden. Vgl. noch alttü. uma!. 'Plazenta' = moA uma!., burda!. 'Weizen' = buyudat, boxtatt 'Kleiderbündel' = Mo.D Nr. 4, turumta!. 'kleiner Habicht' = turimta!., qi'ryut 'Sperber' = qirgut. Ich halte es für möglich, daß auch folgende in Mo.A nicht oder nicht direkt belegte Wörter hierher zu rechnen sind: ögät 'Stier, Ö'1ät 'Jupiter', urumda!. 'Stein zur Giftabwehr', boryu(ij 'Trompe­ te', ci'ra!. 'wilder Hanf, corat 'Ortsname, schattig', ca1ra!. 'Frontfedern', ciryutt 'Pfeilspitze', tarat 'Mutterbruder', qorda!. 'Pelikan', qaryutt 'Wachturm' (zu mo. qara- 'spähen', mit Mittelsilbenschwund?), kükütt 'Mutterschwester', täväi (so auch chaladsch dialektisch belegt, moA teme en, samdutt 'lauwarme Speise'. Zum großen Teil handelt es sich hier also um Wörter, die auch im Tü. selbst heute ausgestorben sind (oder nur noch selten belegt sind): ein ganz natürlicher Prozeß bei diesen typischen Kulturwörtern. Es fällt aber auch die Fülle von Titeln und sonstigen Wörtern mit In auf (mit Vollvokal AIO/U/I zuvor), die im Tü. nicht etymologisierbar sind. (Wir sehen ab von a) Verbalsubstantiven wie in aq-an 'Strom', b) Verbaladjektiven wie in uz-ün 'lang', c) Wurzelderivativen bei Körperteilbezeichnungen wie äl/an 'Stirn', täpa/n 'Ferse', d) längeren typisch tÜ. Suffixen wie llAn, e) unklaren Fällen wie den dass markers auf irAn.) In MoA (wohl auch D) ist In ein sehr charakteristischer Wortausgang, eine eigene Deklinationsklasse bildend. Auch im Mo.(La. A) sind folgende alttü. Wörter belegt: atan 'kastriertes Kamel', alton 'Gold' (+ Mo.E), arqun (nur Mo.D), erkin (nur Mo.E), atran 'Buttermilch', cur1ant 'Titel bei den Qarluq' (? vgl. eugla-, cigul- 'sammeln', mo.B cugl-, sonst t), colpan 'Venus', tu6unt 'ein Titel' (T 111.207-10, in Mo.B t), tuturqan 'Reis', tegint 'Prinz' (+ Mo.DIE, in Mo.B t), talqan 'zermahlenes Korn' (mo.A talqa, wegen In <-- Mo.D, tu.talgan mit Igl wie in Mo.D/E), telgän 'Rad'(= 54 Gerhard Doerfer telegen 'Karren', Avar. --> slav. telega, in MO.B t), tämän 'lange Nadel', tümän 'zehntausend'( + Mo.E), twxant 'Adliger' (+ Mo.E), tärkänt 'Herrscherin' (nur Mo.E), talyan 'Hunderasse' (in MoA taißa - taißan, auch ma. ta~a < - Mo.E; typisch mo. Tiernamensuffix wie in üne/gen 'Fuchs', unu/gan 'Fohlen') qatun 'Herrscherin' ( + Mo.DJE), qayan 'Herrscher'( + MO.DJE), qayun 'Melone', qalqan 'Schild' (moA qalqa, das tÜ. Wort wegen jn <-- Mo.D), qoru riin 'Blei', kökörtgön 'Taube', köränt 'Strick für Lämmer', küzän 'Iltis', laCin 'Falke'(mit untü.lj),yipgin 'violett' (in Mo.B t), yayan 'Elefant', yägän 'Sohn der jüngeren Schwester bzw. Tochter' (in MoAfeye, das tÜ. Wort wegen jn < - Mo.D),yägrän 'kastanienbraun'. Dies sind 30 Wörter (= 46,9%), davon 2 im modernen Tü. t, 2 in Mo.B, 6 in beiden Sprachen. (Nur im Südsibirischen belegte Wörter mögen teilweise <:... MoAjB stammen.)

Rein tÜ. Wörter, die heute ausgestorben sind: aryun 'Wiesel', baqan 'Halsband', basan 'Totenmahl',cätkän 'Zügel',ci'qan 'Mutterschwestersohn',Ciktän 'Satteldecke', cäkün 'Murmeltierjunges', cekin 'eine Pflanze', carun 'Platane', tügsin 'ein Titel', tarJan 'Krähe', kegün 'Unwohlsein', kömän 'Gaunerei', kürin 'Korb', lariin 'Schwein' (mit untü. Ij), satun 'Knoblauch', sayun 'ein Titel' (= sä1]ün ?), sögän 'Packsattel', yaryun 'ein wilder Vierfüßer = 19 Wörter (29,7%).

Rein tÜ. Wörter, die noch fortleben: bulan 'Elch', ca6an 'Skorpion', cö6in 'Bronze', ta6un 'Kalb', toyan 'Falke', tayun 'Schmeichelei', tuman 'Nebel', sapan 'Pflug',si'yun 'Hirsch',saman 'Stroh',saran 'Geizhals',yavcan 'Wermut',yoyün 'dick', yügön 'Zügel',yi1yun 'Tamariske'= 15 Wörter (23,4%). Ein weiteres Argument ergibt sich aus der Struktur tÜ. und mo. Wurzeln. Clausons Darstellung in 1962, 135-9 läßt sich so vereinfachen, daß es für tÜ. Wurzeln nur folgende Schemata gibt: CV, CVC, CVCC, CVCvC (v = reduzierter Vierfachvokal, C auch = Vokalanlaut). Er stellt ferner fest (S. 298), daß tÜ. Wurzeln La. 1-2 Silben haben, bei Verba keine 3-Silber auftreten; dagegen habe das Mo. sehr wenige Einsilber, 2-, aber auch 3-Silber seien bei Nomina wie Verba üblich, vgl. auch S. 199 f. Und in der Tat sind im Mo. Wurzeln des Typs CVCCV, CVCVCV, CVCCVC ganz üblich. Wörter wie colpan 'Venus'( = mO.A colbon, mo.C colpon), ülkär 'Plejaden' (moA ülger) machen daher einen ganz mo. Eindruck. Zusammen mit dem ebenfalls "verdächtigen" Ö1]äl 'Jupiter' erscheint es als möglich, Mongolica im Alttürkischen 55 daß die astronomische Terminologie des Tü. mo. Ursprungs ist. Man sollte einmal ganze Gruppen von semantischen Feldern untersuchen (es ist z.B. möglich, daß, trotz der Gleichung tÜ. /z/ = mo. /r/ in tÜ. buzayu 'Kalb' = mo. burayu, die Rinderterminologie des Tü. mo. Ursprungs ist). Weiteres vgl. in D 161-9. Der Raum läßt Exhaustion des Themas nicht zu. Uns scheint aber, daß viele tÜ. Wörter allein aus dem Mo. erklärbar sind, so ilär- 'to be dimly visible' (vgl. mo. Wurzel ile 'sichtbar', ilere- 'sichtbar werden'), bälgö 'Zeichen' (mo. beIge), bärgä 'Knute' (mo. beriye), arqar 'Argali' (mo. argali), yigdä 'Brustbeere' (mo. Jigde, chalcha Jigd < - Ji +ktä), orolJO 'Standarte' (mo. oralJga, wohl slav. xorqsy avar. horolJgU, zu h- s. D 150-4), ordo (Mo.E NI. 17) ist ja ohnehin klar entlehnt. Hierzu auch Wörter mit mo. Wurzel wie kertü 'wahrhaft' = mo. gere+tü (zu gere 'Glanz', mit typisch mo. Suffix, vgl. auch gereN 'Beweis, Illustration, Zeugnis', geretei 'vertragsgebunden') si'roq 'Zeltstange' = mo. Simplex siro. Interessant ist auch ein Vergleich Mo.-Ma.; so scheinen ma. darasu 'Reisbrannt­ wein', deresu 'Pfriemgras' wegen des fehlenden /n aus MO.E (oder B/C) zu stammen, vgl. NI. 4, 31. Andere mo. Termini auf +sUn sind entweder (s. §3) im Ma. ohne dieses Suffix belegt (vgl. auch mo. burga+sun 'Weidenbaum' = ma. bufan 'Wald') oder haben ein anderes Suffix (mo. gü!lesün 'Aprikose' = ma. guYexe oder weisen eben doch +sUn auf (wie dabsun 'Salz', s. Mo.E, NI. 5). Uns scheint, daß bei einer Gleichung wie ma.fomon 'Filzstrumpf' = ho!masun = tÜ. o!ma (samojed. pä!ma) die altertümliche Form ohne +sUn auf alte Entlehnung des Tü. weist (aufgenommen in einer Zeit, als noch tÜ. 'p/ gesprochen wurde, vielleicht sien-pi), während tü. balya, balqa 'Hammer' (T 11.256 f.) erst nach dem tÜ. Lautwandel p/ > h/ oder gar schon loser Einsatz/ aus MO.D oder E 'palga aufgenommen worden ist (Kin-Jürcen poluhuo, ma. folgo < palgo, It. Mitteilung Franke). Es fällt auf, daß nicht selten tÜ. und tu. Sprachen dieselben mo. Kulturwörter entlehnt haben: Zeichen einer überlegenen Macht mo. Dynastien.

Man muß zugeben, daß bei vergleichbaren Wörtern des Tü. und Mo. die Lehnrichtung oft schwer entscheidbar ist. (Dies mag ein Grund dafür sein, daß viele Forscher Verwandtschaft der beiden Sprachen annahmen. Ein weiterer liegt in der Strukturähnlichkeit der Sprachen, die es erlaubt, sogar Grundwort-Verba leicht zu übernehmen: Während arabische Verba nicht direkt ins Tü. entlehnt werden 56 Gerhard Doerfer können, kann dies bei mo. durch einen einfachen Suffixwechsel geschehen: mo. qara:ba 'er schaute' - > tÜ. qara:di".) Bei den beiden Sprachen gemeinsamen Wörtern finden wir a) solche, die sicher ursprünglich tÜ. waren, z.B. mo. ikire 'Zwilling' < - tü. *eki+riä (zu eki 'zwei', dies mo. qoyar, heute tÜ. ikiz u.ä.) mo. daqu 'Regenmantel' < - tÜ. *dayqu (zu heute yay- 'regnen', mitteltü. yayqu); umgekehrt gibt es tÜ. Wörter, die klar mo. Ur­ sprungs sind, so (s. oben) tÜ. balbai < - *barabal, talo! < - *dalo!; ferner gibt es ein breites Gebiet, wo beide Lehnrichtungen möglich sind, z.B. tÜ. boz 'grau' = mo. bora (älter *boria, vgl. dazu mO.E pi/ta), tÜ. qara 'schwarz' = mo. qara. Durch die Untersuchung semantischer Felder mag sich hier noch manches ermitteln lassen. Hier konnte nur eine Anregung gegeben werden. Zum Abschluß möchte ich Herbert Franke (München) und Liu, Ying-sheng (Nanking) für ihre beratende Unterstützung danken und unserem Jubilar ein ad multos annos! zurufen. Die Determinationsrichtung in den determinativen Nominalkomposita europäischer und ostasiatischer Sprachen

Roland Harweg (Bochum)

1. Zur Determinationsrichtung in Nominalphrasen und Nominalkomposita 2. Die Determinationsrichtung in Nominalphrasen 3. Die Determinationsrichtung in Nominalkomposita 3.1. Die Determinationsrichtung in den Nominalkomposita europäischer Sprachen 3.2. Die Determinationsrichtung in den Nominalkomposita ostasiatischer Sprachen 3.2.1. Die DeterminationsrichtunginzweigliedrigenjapanischenNominalkomposita 3.2.2. Die Determinationsrichtung in zweigliedrigen koreanischen Nominalkom- posita 3.2.3. Die Determinationsrichtung in vielgliedrigen japanischen und koreanischen Nominalkomposita 3.2.4. Die chinesischen Entsprechungen des japanisch-koreanischen Kompositions­ typs Determinandum: Determinans und die Determinationsrichtung in chine­ sischen Nominalkomposita 3.3. Der typologische Status des Kompositumtypus Determinandum : Determinans

1. Zur Determinationsrichtung in Nominalphrasen und Nominalkomposita

Wenn man, unter dem Gesichtspunkt der Determinationsrichtung, die interne Strukturvon determinativen Nominalphrasen und determinativen Nominalkomposi­ ta in europäischen und ostasiatischen Sprachen miteinander vergleicht, so kann man eine eigenartige und bemerkenswerte Beobachtung machen. Während es nämlich in den europäischen Sprachen so ist, daß die determinativen Nominal p h ras e n überwiegend die Reihenfolge Determinandum : Determinans, die determinativen Nominal kom pos i t a hingegen weit- bis weitestgehend die Reihenfolge Determinans : Determinandum zeigen, ist es in den ostasiatischen Sprachen - und darunter verstehe ich hier und im folgenden das Chinesische, das Japanische und das Koreanische - weitgehend umgekehrt: In den oder zumindest: in die sen ostasiatischen Sprachen zeigen die determinativen Nominal p h ras e n weitest- 58 Roland Harweg gehend, d.h. im Chinesischen weitgehend und im Japanischen und Koreanischen sogar ausschließlich, die Reihenfolge Determinans : Determinandum, die deter­ minativen Nominal kom pos i t a hingegen zwar nicht ausschließlich und auch nicht überwiegend, aber doch immerhin in einem erstaunlichen Umfange die Reihenfolge Determinandum: Determinans.

2. Die Detenninationsrichtung in Nominalphrasen

Sehen wir uns, in Form eines groben Überblicks, die Verhältnisse etwas genauer an und beginnen wir mit den Beziehungen im Bereich der determinativen Nominalphrasen. Wir berücksichtigen dabei die Beziehungen zwischen dem Determinandum 'substantivischer Gipfel' auf der einen und den Determinantia 'Adjektivattribut', 'partizipiales Attribut', 'Genitivattribut (oder Äquivalent)', 'präpositionales Attribut', 'Relativsatzattribut (oder Äquivalent)' und 'Substantiv­ satzattribut'l auf der anderen Seite und betrachten diese Beziehungen zunächst im Bereich der europäischen Sprachen. Dabei ergibt sich, unter dem Gesichtpunkt der Reihenfolge von Determinandum und Determinans, folgendes Bild. Das Determinans Adjektivattribut geht seinem Determinandum teils voran, teils folgt es ihm. Es geht ihm voran in den germanischen Sprachen, im Neugriechischen, Finnischen und Ungarischen, aber es folgt ihm in Neuirischen und Walisischen sowie, von Ausnahmen abgesehen, in den romanischen Sprachen. In den slawischen Sprachen kann es seinem Determinandum sowohl vorausgehen als auch folgen, doch scheint von der Nachstellung des Adjektivattributs zumeist nur dann Gebrauch gemacht zu werden, wenn es hervorgehoben werden soll. Auch scheinen in dieser Hinsicht Unterschiede zwischen den einzelnen slawischen Sprachen zu bestehen. Vergleichsweise am häufigsten scheint mir die Nachstellung des Adjektivattributs im Polnischen zu sein.

Das Determinans 'partizipiales Attribut' zeigt in den europäischen Sprachen ebenfalls ein stellungstypologisch uneinheitliches Verhalten seinemDeterminandum gegenüber. Es geht ihm voraus in Sprachen wie dem Deutschen, Niederländischen, Dänischen, Schwedischen, Finnischen oder Ungarischen, und dies in der Regel auch dann, wenn es zu komplexeren Konstruktionen erweitert ist? es folgt ihm aber in den romanischen Sprachen und, vor allem wenn es zu komplexeren Konstruktionen Determinative Nominalkomposita 59 erweitert ist, im Englischen. In den slawischen Sprachen geht es ihm teils voraus, teils folgt es ihm. Innerhalb der Genitivkonstruktion - die übrigens in ellligen europäischen Sprachen, wie z.B. im Ungarischen oder Walisischen, nur der Bedeutung nach als eine solche bezeichnet werden kann - geht das Determinans dem Determinandum in Sprachen wie dem Ungarischen oder Finnischen auf der ganzen Linie vorauf, im Neugriechischen, Neuirischen, Walisischen, den romanischen und den slawischen Sprachen folgt es ihm, und in den germanischen Sprachen geht es ihm teils voran, teils folgt es ihm, wobei in den westgermanischen Sprachen, also Deutsch, Niederländisch und Englisch, die Nachstellung des Genitivattributs, das präpositio• nal gebildete mitgerechnet, die bei weitem überwiegende Variante ist. Präpositionale Attribute, also Attribute vom Typus des Ausdrucks aufder Straße in Nominalphrasen wie der Mann aufder Straße, folgen ihrem zu determinierenden Gipfel in fast allen europäischen Sprachen. Eine Ausnahme bildet lediglich das Ungarische, dort geht, wie z.B. in der Nominalphrase tancra keres 'Aufforderung zum Tanz' (vgl. Tompa 1968: 289), das präpositionale Attribut, in diesem Falle ein Attribut mit "präpositionalem" Kasus, seinem Gipfel voran.3 Allerdings scheinen präpositionale (genauer postpositionale) Attribute im Ungarischen überwiegend adjektivisiert oder partizipialisiert zu werden, so durch Anfügung des adjektivbil­ denden Suffixes -i oder durch Hinzufügung von Partizipien - man vergleiche Nominalphrasen wie az eMd utani alvas 'das Schläfchen nach dem Essen' bzw. az eMd utan val6 pihenes 'das Ruhen nach dem Essen' (vgl. Tompa 1968: 289). Relativsatzattribute und Substantivsatzattribute schließlich finden sich, in der einen oder anderen Form, in so gut wie allen europäischen Sprachen, und in so gut wie all diesen Sprachen pflegen sie ihrem Gipfel, d.h. ihrem Determinandum zu folgen. Die einzige mir bekannte Ausnahme unter den europäischen Sprachen ist, abgesehenvon dichterischen Lizenzen, wie sie sich beispielsweise in der lateinischen Verssprache finden,4 das Baskische. Im Baskischen stehen nämlich alle nominalen Attribute außer dem Adjektivattribut, also auch die Relativsätze (die dort jedoch keine Relativsätze im engeren und eigentlichen Sinne sind), vor ihrem Gipfel ­ allerdings nicht ausschließlich: besonders komplexe Relativsätze werden ihrem Bezugswort eher nachgestellt (vgl. Lehmann 1984: 59 ff., 184), und ebenfalls gern nachgestellt wird der Relativsatz im Baskischen, wenn er appositiv, d.h. nichtrestrik­ tiv verwendet wird (vgl. Lehmann 1984: 278). 60 Roland Harweg

Wie der Überblick über die verschiedenen Typen von determinativen Nominal­ phrasen in den verschiedenen europäischen Sprachen zeigt, ist das von mir behauptete Übergewicht des Stellungstyps Determinandum : Determinans in den determinativen Nominalphrasen der europäischen Sprachen in erster Linie auf das stellungstypologisch beinahe völlig einheitliche Bild, das die Relativsatzattribute und die Substantivsatzattribute zeigen, und das stellungstypologisch weitestgehend einheitliche Bild, das die präpositionalen Attribute bieten, zurückzuführen; denn bei den adjektivischen und den partizipialen Attributen ist die Verteilung der Stellungstypen Determinandum: Determinans und Determinans : Determinandum, gesamteuropäisch gesehen, mehr oder weniger ausgeglichen. Ein relatives Über• gewicht zugunsten des Stellungstyps Determinandum : Determinans findet sich, gesamteuropäisch gesehen, allerdings auch noch im Falle der Genitivattribute, zumal wenn man, in den germanischen Sprachen, die präpositional gebildeten Genitivattribute mitzählt. In den determinativen Nominalphrasen der drei ostasiatischen Sprachen, Chinesisch, Japanisch und Koreanisch, scheint sich demgegenüber, wie bereits erwähnt, weitestgehend der andere Stellungstyp, d.h. der Stellungstyp Determinans : Determinandum, zu finden, im Japanischen und im Koreanischen sogar ausschließ• lich. Zwar gibt es im Japanischen keine partizipialen und im Koreanischen keine adjektivischen Attribute, zwar gibt es präpositionale Attribute in diesen beiden Sprachen nur in "genitivisierter", d.h. um die Genitivpartikel erweiterter Form und "Relativsatzattribute" nur in Formen ohne einen sie eigens markierenden Unterordnungsindikator (weshalb die Grammatiker denn auch zögern, den Begriff Relativsatz noch auf sie anzuwenden), aber die Typen und Formen von Attributen, die in den beiden Sprachen begegnen, gehen dem Gipfel, den sie determinieren, sämtlich voraus. Das gleiche gilt für die Substantivsatzattribute, d.h. diejenigen Attribute dieser Sprachen, die europäischen daß-Sätzen und indirekten Fragesätzen entsprechen. Die Voranstellung der Attribute gilt, von elmgen wenigen Ausnahmen abgesehen, auch fürs Chinesische. Eine dieser Ausnahmen bildet, wie mir scheint, ein bestimmter Subtyp der sogenannten chinesischen Kupplungssätze,S nämlich der Typ dieser Sätze, in deren erstem Teil das Verbumyou 'haben, es gibt' oder dessen Vemeinung meiyou 'nicht haben, es gibt nicht' gebraucht wird. Beispiele für diesen Typ sind etwa die Sätze Wo you y{ ge gege jiiio Zhöngwen 'Ich habe einen älteren Determinative Nominalkomposita 61

Bruder, der Chinesisch unterrichtet' und Zheli mei you ren zhiäao zhejiim shiqing 'Hier gibt es niemanden, der diese Angelegenheit kennt' (vgl. Pekinger Kollektiv & Piasek 1957: 90). Zwar wird die chinesische Entsprechung der deutschen Relativsät• ze in diesen Sätzen - in den chinesischen Sätzen jeweils deren zweiter, nicht deren erster Teil - in der chinesischen Grammatik meines Wissens nicht als ein de­ terminatives Attribut interpretiert - einige Grammatiker, so z.B. Chan (1951: 35), interpretieren sie vielmehr explizit als nichtdeterminativ, und im Falle des ersteren der beiden Sätze scheint der Relativsatz bzw. seine chinesische Entsprechung ja auch tatsächlich (obwohl das keineswegs zwingend ist) als nichtdeterminativ inter­ pretiert werden zu können -, im Falle des letzteren der beiden Sätze hingegen scheinen mir der deutsche Relativsatz und seine chinesische Entsprechung nur als determinativ interpretiert werden zu können; denn ohne diesen hätte der in dem Ausdruck niemand semantisch enthaltene Ausdruck Mensch bzw. seine chinesische Entsprechung ren einen ganz anderen Umfang. Zwar gibt es Vorkommens- oder Existenzsätze,6 die, indem sie anstelle des Relativsatzes ein formal als Hauptsatz zu interpretierendes Gebilde verwenden, suggerieren, es läge anstelle eines deter­ minativen Relativsatzes ein nichtdeterminativer Hauptsatz vor, auch im Deutschen - es handelt sich um Sätze wie Es gibt Leute, die haben Geld wie Heu -, aber auch in diesen deutschen Sätzen steht die Determinativität ihres so undeterminativ aussehenden zweiten Teils für mich außer Frage; denn der Satz Es gibt Leute, die haben Geld wie Heu ist logisch sicherlich synonym mit dem Satz Es gibt Leute, die Geld wie Heu haben. Eine andere Ausnahme von der Regel, daß das Determinans seinem Determi­ nandum in chinesischen Nominalphrasen normalerweise vorausgeht, bilden, im Chinesischen, sogenannte Bestimmungssätze zum Objekt, so z.B. Zusätze vom Typus da· qiu 'Ball spielen' zu - vorzugsweise wiederum, wie es scheint, von dem Verbumyou 'haben' abhängigen - Objekten wie shijiän 'Zeit' in Sätzen wie Wo mei you shijiän da qiu 'Ich habe keine Zeit zum Ballspielen'. Allerdings gelten diese Konstruktionen (die mehr dem Sprachgebrauch des klassischen Chinesisch entsprechen) in der gesprochenen Sprache als unnatürlich und werden gern durch Konstruktionen des Typus Wo meiyou dli qiu de shijiän, d.h. durch Konstruktionen mit seinem Determinandum vorangestelltem Determinans ersetzt (vgl. Pekinger Kollektiv & Piasek 1957: 197 f.). 62 Roland Harweg

Ich weiß nicht genau, als wie marginal die vorgeführten Determinandum : Determinans-Konstruktionen im Chinesischen eingestuft werden können, aber da sie weder im Japanischen noch im Koreanischen eine Entsprechung haben, tun sie, gesamtostasiatisch gesehen, der behaupteten Dominanz des Stellungstyps Deter­ minans : Determinandum in den determinativen Nominalphrasen dieser Sprachen sicherlich keinen entscheidenden Abbruch.

3. Die Determinationsrichtung in Nominalkomposita

Von dem beschriebenen stellungstypologischen Verhalten der determinativen Nominalphrasen weicht, wie bereits angedeutet, das der determinativen Nominal­ komposita mehr oder weniger ab. Besonders stark ist diese Abweichung in vielen europäischen Sprachen; denn viele europäische Sprachen weisen - während sie in ihren determinativen Nominalphrasen überwiegend die Konstellation Determinan­ dum : Determinans aufweisen - in ihren determinativen Nominalkomposita nicht nur überwiegend, sondern ausschließlich oder beinahe auschließlich die Konstellati­ on Determinans : Determinandum auf. Sehen wir uns daraufhin zunächst determinative Nominalkomposita aus den verschiedenen europäischen Sprachen an und beschränken wir uns dabei der Einfachheit halber auf zweigliedrige und um der Vergleichbarkeit mit den Nominalphrasen willen auf substantivische Komposita.

3.1. Die Determinationsrichtung in den Nominalkomposita europäischer Sprachen

Wir beginnen unseren Überblick über die substantivischen Determinativkomposita europäischer Sprachen mit einem Blick auf die entsprechenden Komposita des Deutschen. Diese weisen, bei substantivischem Schlußglied, Anfangsglieder der verschiedensten Wortarten auf. So kennt das Deutsche bekanntlich Determinativ­ komposita aus

- Substantiv + Substantiv wie Haustür oder Frühlingsanfang - Adjektiv + Substantiv wie Großstadt oder Kleinkind - Partizip + Substantiv wie Gebrauchtwagen - Pronomen + Substantiv wie Ichgefühl - Numerale + Substantiv wie Zweizahl Determinative Nominalkomposita 63

- Verb + Substantiv wie Zündholz oder Gießkanne und - Partikel + Substantiv wie Innenraum oder Jetztzeit, und es ist offensichtlich, daß alle diese Kompositatypen das Stellungsmuster Determinans : Determinandum aufweisen. Zu den vorgeführten deutschen Determinativkomposita, genauer: zu denen des Typus Substantiv + Substantiv, rechne ich übrigens auch Bildungen wie Weintrinker, Radfahrer, Bauausführung oder Berichterstattung. Diese Bildungen werden in der deutschsprachigen Grammatik oft als sogenannte 'Zusammenbildungen', d.h. als Ableitungen von Substantiven aus syntaktischen Verbindungen angesehen, d.h. als Ableitungen aus Wortgruppen wie Wein trinken oder Bericht erstatten mit Hilfe von Suffixen wie -er oder -ung.7 Dagegen läßt sich jedoch geltend machen, daß auch eine mit Ableitungen einhergehende 'Zusammenbildung' noch eine Art von Zusammensetzung von Wörtern oder Wortstämmen ist, und davon abgesehen ist darauf hinzuweisen, daß die Wortgruppe, die der Zusammenbildung als zugrunde liegend angenommen wird, durchaus nicht immer die Form hat, die sie in der Zusammenbildung aufweist. So z.B. weisen die Wortgruppen aus den Wörtern Wein und trinken zum Teil, so etwa in dem Satz Ich trinke Wein, eine andere Wortstellung als die 'Zusammenbildung' auf (ein Unterschied, der z.B. für das Englische, worauf Bloomfield (1933: 234) angesichts des Kompositums meat-eater hinweist, sogar ausnahmslos gilt), und Wortgruppen wie z.B. diejenige, die der Zusammenbildung Bauausführung zugrunde liegen soll, weisen außerdem, anders als in den Zusam­ menbildungen, auch noch obligatorische Begleiter in Form von Artikeln oder Pronomina auf: die Wortgruppe kann bekanntlich nicht lauten *Bauführt die Firma Sowieso aus, sondern nur Den Bau führt die Firma Sowieso aus.

Darüber hinaus liegen vielen der sogenannten Zusammenbildungen überhaupt keine Wortgruppen zugrunde, und diese Bildungen - Beispiele dafür sind etwa die Bildungen Arbeitnehmer oder Farbgebung - sind in meinen Augen ein besonders starkes Argument für die Annahme von Komposition anstelle von Ableitung mit Zusammenbildung. Zwar könnte man einwenden, daß die Schlußglieder dieser Bildungen, nämlich -nehmer bzw. -gebung, nicht selbständig vorkommen können, doch wollte man die Fähigkeit zu selbständigem Vorkommen zum entscheidenden Kriterium machen, so würde das implizieren, daß man die Bestandteile -nehmer und -gebung als g a n z e zu Suffixen erklären müßte. Dies aber wäre eine Konsequenz, die, zumal sie nicht nur Wortschlußglieder wie -nehmer oder -gebung, 64 Roland Harweg sondern auch Wortschlußglieder wie -steig (als Bestandteile von Komposita wie Gehsteig, Bürgersteig oderBahnsteig) sowie fast alle sinojapanischen und sinokoreani­ sehen Binomen betreffen würde, kaum als akzeptabel betrachtet werden könnte ­ Grund genug, auch jene deutschen Zusammenbildungen, wie angedeutet, als Komposita zu interpretieren. Als Beispiele für determinative substantivische Nominalkomposita anderer europäischer Sprachen führen wir (wobei wir, bei den Kompositionsvordergliedern, nach Möglichkeit wiederum auf die Berücksichtigung verschiedener Wortarten achten) die folgenden vor:

- die englischen Komposita house-door, housebreaking 'Einbruch', meat-eater, blackboard, blackbird 'Arosel', he-goat 'Ziegenbock' und writing-desk - die niederländischen Komposita huisvrouw 'Hausfrau', beeldhouwer 'Bildhauer', douaneverklaring 'Zollerklärung', grootmoeder 'Großmutter', kleinkind 'Enkelkind', ilaucht 'Egoismus', drietal 'Dreizahl', woonplaats 'Wohnort', buitenland 'Ausland' und binnenkant 'Innen­ seite' - die dänischen Komposita husmor 'Hausfrau', billedhugger 'Bildhauer', livsforsikring 'Lebensversicherung', storbonde 'Großbauer', tretal 'Drei' und liggevogn 'Liegewagen' - die schwedischen Komposita hudfärg 'Hautfarbe', bildhuggare 'Bildhauer', livförsäkring 'Lebensversicherung', nysnö 'Neuschnee', sovkammare 'Schlafkammer', nutid 'Jetztzeit' und eftemamn 'Nachname' - die norwegischen Komposita husmor 'Hausfrau', billedhogger 'Bildhauer',smlihy 'Kleinstadt', spisesal 'Speisesaal' und ettersmak 'Nachgeschmack' - die isländischen Komposita hUsfreyja 'Hausfrau', liftrygging 'Lebensversicherung', storkaupma6ur 'Großkauf• mann' und eftirleikur 'Nachspiel' Determinative Nominalkomposita 65

- die finnischen Komposita8 koti-rouva (Haus + Frau) 'Hausfrau', lämpö-mittari (Wärme + Messer) 'Thermo­ meter', henki-vakuutus (Leben + Versicherung) 'Lebensversicherung', pikku­ kaupunki (klein + Stadt) 'Kleinstadt', makuu-huone (liegen + Zimmer) 'ScWafzimmer' und yli-opisto (Ober- + Lehranstalt) 'Universität' - die ungarischen Komposita szak-orvos (Fach + Arzt) 'Facharzt', könyv-köt6 (Buch + Binder) 'Buchbinder', nagy-wlros (groß + Stadt) 'Großstadt', Ml6-szoba (schlafend + Zimmer) 'Schlafzimmer' und vtir6-terem (wartend + Saal) 'Wartesaal' - die neugriechischen Komposita oOov,o-LaTPos (Zahn + Arzt) 'Zahnarzt', ap,o-nocos (Brot + -macher) 'Bäcker', YEw-ypa~Ca (Erde + Beschreibung) 'Geo­ graphie', ~EyaA-E~nopos (groß + Kaufmann) 'Großkaufmann', XCAcO-~E'pO(V) (1000 + m) 'km', ,T)AE-Opaocs (fern + sehen) 'Fernsehen' - die walisischen Kompostta llaw-feddyg (Hand + Arzt) 'Chirurg', llyfr-dy (Buch + Haus) 'Bibliothek' undprif­ ysgol (Haupt- + Schule) 'Universität' - die russischen Komposita bogo-mater' (Gott + Mutter) 'Mutter Gottes', avia-poeta 'Luftpost', avia-nosec 'Flugzeugträger', avto-zavod 'Kraftwagenwerk',bogo-molec (Gott + -beter) 'Pilger, Wallfahrer', ruko-poiatie (Hand + Druck) 'Händedruck', tovaro-oborot (Ware + Umlauf) 'Warenumsatz', novo-strojka 'Neubau', polu-bog 'Halbgott' und sverh­ davlenie (über + Druck) 'Überdruck'

- die polnischen Komposita swiatJo-druk 'Lichtdruck', ustawa-dawca 'Gesetzgeber',j~ko-znawstwo'Sprach­ wissenschaft', swiato-poglqd 'Weltanschauung', nowo-tw6r 'Neuprägung', cudzo­ ziemiec (fremd + -"länder") 'Ausländer', wsp6J-praca 'Mitarbeit', wsp6J-istnienie 'Koexistenz' und mi~dzy-czas 'Zwischenzeit' - die tschechischen Komposita zeme-pfm 'Landesherr', zeme-zrada 'Landesverrat', jazyko-veda 'Sprachwissen­ schaft', sveto-vlada 'Weltherrschaft', novo-vek 'Neuzeit', samo-hlaska 'Selbstlaut', samo-obsluha 'Selbstbedienung', sebe-chvaIa (sich + Lob) 'Selbstlob' und ne-elen 'Nichtmitglied' 66 Roland Harweg

- die serbokroatischen Komposita zemljo-tres 'Erdbeben',zemljo-radnik 'Landarbeiter',ledo-lomac 'Eisbrecher',toplo­ mjer (warm + -messer) 'Thermometer', slado-led (süß + Eis) 'Speiseeis' und ne­ sreea 'Unglück' - und die bulgarischen Komposita kino-pregled (Kino + Vorschau) 'Wochenschau', zeme-tresenie 'Erdbeben', zeme­ delec 'Landwirt', pozaro-gasitel (Brand + Löscher) 'Feuerlöscher', nebo-stiUgac (Himmel + Kratzer) 'Wolkenkratzer', miro-gled 'Weltanschauung' und novo-lunie 'Neumond'. Die vorgeführten substantivischen Determinativkomposita weisen sämtlich die Stellungsstruktur Determinans : Determinandum auf, und da sie für die substantivi­ schen Determinativkomposita der Sprachen, denen sie angehören, in dieser Hinsicht repräsentativ sind, kann man sagen, daß die substantivischen Determinativkomposi­ ta all dieser Sprachen - Komposita, von denen einige der genannten Sprachen, nämlich die slawischen, zwar nur vergleichsweise wenige, die germanischen sowie das Finnische, das Ungarische und auch das Griechische dafür aber um so mehr besitzen - ganz allgemein diese Stellungsstruktur aufweisen. Bedenkt man des weiteren, daß die verschiedenen Sprachen, die in dieser Hinsicht übereinstimmen, genealogisch gesehen zum Teil verschiedenen Sprach­ gruppen, ja sogar verschiedenen Sprachfamilien angehören, so könnte man leicht zu dem kühnen und voreiligen Schluß gedrängt werden, substantivische Determina­ tivkomposita wiesen diesen Stellungstyp womöglich universell auf, ja müßten ihn vielleicht sogar aufweisen. Indes - schon ein Blick auf einige weitere europäische Sprachen, Sprachen, die mit den meisten der bisher zitierten zur selben, nämlich zur indogermanischen Sprachfamilie gehören - ich meine die romanischen Sprachen -, lehrt uns, daß dem wohl nicht so ist. Zwar kennen die romanischen Sprachen in bestimmten Bereichen ihres Wortschatzes durchaus auch substantivi­ sche Determinativkomposita mit der Stellungsstruktur Determinans : Determinan­ dum, doch begegnen in ihnen daneben auch substantivische Determinativkomposita mit der umgekehrten Stellungsstruktur, der Stellungsstruktur Determinandum : Determinans - wie viele, hängt ab vom Umfang des auf diese Sprachen anwendba­ ren Begriffes von Kompositum. Determinative Nominalkomposita 67

Substantivische Determinativkomposita mit der - für die übrigen europäischen Sprachen typischen - Stellungsstruktur Determinans : Determinandum finden sich in den romanischen Sprachen fast nur in Form von - zumeist gelehrten - Fremdwör• tern aus dem Altgriechischen, Fremdwörtern, die entweder, wie z.B. die französi• schen Komposita anthropophage 'Menschenfresser' oder democratie 'Demokratie', bereits als Komposita aus ihrer Herkunftssprache übernommen worden sind oder aber, wie z.B. die französischen Komposita photocopie 'Photokopie' oderphotogra­ phie 'Photographie', die italienischen Komposita aerodinamica 'Aerodynamik' oder aerotecnica 'Luftfahrttechnik' oder die spanischen Kompositafonografla 'Schallauf­ nahme' oder fonometro 'Phonometer', nach dem Muster solcher Komposita erst in den romanischen Sprachen selber gebildet worden sind. Abgesehen von solchen Komposita - und abgesehen auch von den modernen hybriden Komposita mit nur einem griechischen Bestandteil wie frz. photocellule, itaI. fotocellula, rum. fotocelulii 'Photozelle', frz.photomontage, itaI.fotomontaggio 'Photomontage', itaI.fotoromanzo 'Bildroman' oder fonofilm 'Tonfilm' - begegnen in den romanischen Sprachen nur sehr wenige substantivische Determinativkomposita mit der Stellungsstruktur Determinans : Determinandum, so z.B. span. ferrocarril oder itaI. ferrovia 'Eisen­ bahn', ital.fruttivendolo 'Obstverkäufer' oder rum. anotimp 'Jahreszeit'. Im Französi• schen und Italienischen lassen sich, soweit sie das ScWußglied -di aufweisen, vielleicht auch noch die Namen der Wochentage zu diesen Komposita rechnen, doch interessanterweise weisen, soweit sie es überhaupt aufweisen, nicht alle romanischen Sprachen dieses Morphem als Schlußglied auf. Im Katalanischen und im Provenzalischen bildet es, ähnlich wie das Morphem dydd 'Tag' im Walisischen, den Anfang der Wochentagsnamen. Die Wochentagsnamen des Katalanischen und des Provenzalischen sind damit Determinativkomposita mit der Stellungsstruktur Determinandum: Determinans, und Komposita dieses Typs finden sich, sofern wir auch die Verbindungen vom Typ frz. salle de bains 'Badezimmer', itaI. sala di scherma 'Fechtsaal', span. casa de campo 'Landhaus', port. caminho de ferro 'Eisenbahn') oder rum. s,tiint,e de frontierii 'Grenzwissenschaften' als Komposita interpretieren, in den romanischen Sprachen in geradezu unüberschaubarer Fülle. Aber geht es tatsächlich an, diese Bildungen zu den Komposita zu rechnen? Gewiß, die deutschen Entsprechungen dieser und vieler ähnlich strukturierter Verbindungen sind tatsächlich regelrechte Komposita, aber das gilt auch für die deutschen Entsprechungen zahlreicher Verbindungen aus Substantiv und Adjektiv (oder Adjektiv und Substantiv), und zwar nicht nur solcher 68 Roland Harweg aus romanischen, sondern auch solcher aus slawischen Sprachen, und auch die s e Verbindungen müßte man dann. d.h. wenn man solche Entsprechungs-, und das heißt: semantische Relationen zum Kriterium für den Kompositumstatus einer Wortverbindung machen will, woW als Komposita interpretieren. Will man dies jedoch nicht und sieht man sich deshalb nach anderen, etwa, wie Bloomfield, nach syntaktischen Kriterien um, so könnte man sich, wie Bloomfield es angesichts der französischen Komposita bofte-ii-lettres und bofte-aux-lettres (die er für Komposita hält, weil eine nichtkompositionelle, d.h. syntaktische Fügung bofte pour des lettres heißen müßte (1933: 234» tut, fragen, ob jene Verbindungen denn auch hinrei­ chend von entsprechenden syntaktischen Fügungen verschieden seien. Dies allerdings ist eine Frage, die, angesichts der typologischen Vielfalt, die jel;1e Verbindungen verkörpern mögen, kaum in ein oder zwei Sätzen zu beantworten sein dürfte. Beschränken wir uns aufs Französische, so läßt sich z.B. in bezug auf Verbindungen wie voyage d'etudes 'Studienreise' oder formation de mots 'Wortbil­ dung', da ihre Bestandteile d'etudes bzw. de mots als (oder zumindest au c hals) Genitive derpluralischen nominativischenTeilungsartikelformendesetudes 'Studien' bzw. des mots 'Wörter' interpretiert werden können, n ich t behaupten, sie seien von den entsprechenden syntaktischen Verbindungen verschieden, und auch das von Bloomfield (1933: 232) zum Nachweis des Kompositumstatus der französischen Verbindungsage-femme 'Hebamme' bemühte syntaktische Kriterium der Nichtmodi­ fizierbarkeit des Deterrninans, nämlich sage, durch ein weiteres Determinans, etwa tres 'sehr', führt, angewandt auf Verbindungen wie voyage d'etudes und formation de mots, zu keinem anderen Ergebnis: man kann. wie die Verbindungenvoyage d'etudes linguistiques 'linguistische Studienreise' (eigentlich: 'Reise linguistischer Studien') oder formation de mots tres complexes 'Bildung sehr komplexer Wörter' zeigen, die Deterrninantien der Ausgangsverbindungen, nämlich d'etudes bzw. de mots, sehr woW noch determinierend erweitern. Es gibt allerdings auch Verbindungen - so z.B. salle de bains -, in denen solche Erweiterungen nicht möglich sind, und außerdem gibt es viele Verbindungen, die, wie bofte-ii-lettres , schon durch ihre Präposition von entsprechenden syntaktischen Verbindungen unterschieden sind: Ich erinnere nur an die französischen Verbindungen vom Typus bouteille ii biere 'Bierflasche' (im Unterschied zu bouteille de biere 'Flasche Bier') oder italienische Verbindungen vom Typus camera da letto 'Schlafzimmer'. Aber ist es andererseits stets so, daß ihre Determinantien nicht modifizierend erweitert werden können oder wenn. dann nur, wie im Falle der (im Deutschen allerdings wiederum als Kompositum möglichen) Determinative Nominalkomposita 69

italienischen Verbindung camera a due letti 'Zweibettzimmer', mit einer anderen Präposition? Ferner: Weinflasche heißt auf Französisch bouteille a vin, aber wie heißt Rotweinflasche? Und - ist das Erweiterbarkeitskriterium, angesichts dieses deutschen Beispiels, überhaupt zu halten? Ist es zu halten vor allem angesichts der zahlreichen Komposita, die, wie ansatzweise auch das Kompositum Rotweinflasche (man kann z.B. nicht sagen *Hol mal eine Rotweinflasche, wohl aber Bring die Rotweinflasche wieder zurück), erst im Laufe eines Textes oder im Verlaufe einer Situation entstehen? Wie diese Andeutungen zeigen, lassen sich die artikellos präpositionalen Verbindungen zweier Substantive in den romanischen Sprachen weder sämtlich als Komposita noch sämtlich als Nichtkomposita, d.h. als syntaktische Verbindungen interpretieren. Zumindest. einige und vermutlich sogar nicht ganz wenige dieser Verbindungen - über ihren prozentualen Anteil an der Gesamtzahl derselben möchte ich allerdings keine Spekulationen anstellen - dürften jedoch als Komposita einzustufen sein und damit (von Ausnahmen wie frz. chef-d'ceuvre 'Meisterwerk' einmal abgesehen) determinative Komposita mit der internen Stellungsstruktur Determinandum : Deterrninans manifestieren. Sämtlich als Komposita einzustufen sein dürften darüber hinaus die präpositi• onslosen Substantivverbindungen vom Typ frz. position clef 'Schlüsselstellung', industrie clef 'Schlüsselindustrie' oder question clef 'ScWüsselfrage', span. posici6n clave 'Schlüsselposition', industria clave 'Schlüsselindustrie', ital. posizione chiave 'Schlüsselstellung', industria chiave 'Schlüsselindustrie', vettura letto 'Schlafwagen' und port. carro-dormit6rio 'ScWafwagen', vagäo-restaurante 'Speisewagen' oder escrit6rio informaqäes 'Auskunftsbüro, -schalter', und offensichtlich sind auch diese Komposita Determinativkomposita mit der Stellungsstruktur Deterrninandum : Determinans. Komposita dieses Typs, früher vergleichsweise selten, scheinen übrigens in letzter Zeit, zumindest in ein e r der romanischen Sprachen, nämlich im Italienischen, zusehends an Boden zu gewinnen. Die Tatsache, daß viele der substantivischen Determinativkomposita der ro­ manischen Sprachen eine andere - interne - Determinationsrichtung aufweisen als die substantivischen Determinativkomposita in den übrigen europäischen Sprachen, ist, auf den ersten Blick, zweifellos auffällig. Bedenkt man jedoch, daß diese Komposita entweder präpositionale (oder präpositional genitivische) sind oder aber auf solche zurückgeführt werden können und daß sie als solche eine mehr oder 70 Roland Harweg weniger enge Verwandtschaft mit den präpositionalen oder präpositional genitivi­ schen Nominalsyntagmen dieser Sprachen aufweisen, so dürfte die Andersartigkeit ihrer Determinationsrichtung kaum noch überraschen; denn sie unterscheidet sich nichtvon derjenigen, die die entsprechenden Bestandteile dieser Nominalsyntagmen aufweisen.

3.2. Die Detenninationsrichtung in den Nominalkomposita ostasiatischer Sprachen

Ähnlich wie die romanischen Sprachen weisen auch die ostasiatischen Sprachen determinative substantivische NominalkompositabeiderDeterminationsrichtungen, sowohl solche mit der Determinationsrichtung Determinans : Determinandum als auch solche mit der Determinationsrichtung Determinandum : Determinans, auf, und so wie die Verteilung der beiden Klassen in den romanischen Sprachen zwar nicht ausschließlich, aber doch weitgehend mit einem bestimmten die sprachliche Herkunft der Komposita oder ihrer Glieder betreffenden Unterschied korreliert werden kann, so, wenn auch nur in erheblich geringerem Umfang, kann sie dies auch in zweien der drei ostasiatischen, nämlich im Japanischen und Koreanischen. So wie nämlich in den romanischen Sprachen die griechischstämmigen Determina­ tivkomposita weitestgehend eine andere Determinationsrichtung aufweisen als die autochthonen, so im Japanischen und Koreanischen, zwar nicht weitest- oder auch nur weitgehend, aber doch zu einem nicht unbeträchtlichen Teil, die chinesischstäm• migen, die sogenannten sinojapanischen bzw. sinokoreanischen Komposita. Begin­ nen wir mit den japanischensubstantivischen Determinativkomposita und beschrän• ken wir uns dabei zunächst auf zweigliedrige.

3.2.1. Die Determinationsrichtung in zweigliedrigen japanischen Nominalkompo­ sita

Im Rahmen unserer Betrachtung der - zweigliedrigen -japanischen substantivischen Determinativkomposita beginnen wir mit den autochthon japanischen. Diese lassen sich, ähnlich wie ihre deutschen Entsprechungen, auf eine Reihe von - die unterschiedliche Wortartenzugehörigkeit ihrer Glieder reflektierenden - Typen ver­ teilen. Bruno Lewin zählt, in seinem Abriß der japanischen Grammatik (1975: 47 f.), die folgenden auf: Determinative NoITIinalkomposita 71

- Nomen + Nomen, z.B. yama-michi 'Bergweg', kawa-doko 'Flußbett' - Verb + Nomen, z.B. ii-kata (sprechen + Art und Weise) 'Sprechweise', ki-mono (anziehen + Ding) 'Gewand' und watashi-bune (übersetzen + Boot) 'Fährboot' - Qualitativum (d.h. Adjektiv) + Nomen, z.B. aka-hara (rot + Bauch) 'Plötze' - Nomen + Verb, Z.B. tsuki-mi (Mond + Sehen) 'Mondschau', mono-gatari (Dinge + Erzählen) 'Geschichte' und hana-tsukuri (Blumen + Machen) 'Blumenzucht' - Nomen + Qualitativum, z.B. yo-samu (Nacht + kalt) 'Nachtfrost' und hi-naga (Tag + lang) 'Tageslänge' - Qualitativum + Verb, z.B. taka-warai (hoch + Lachen) 'schallendes Gelächter' und naga-iki (lang + Leben) 'Langlebigkeit' - Adverb + Nomen, z.B. tada-goto (gewöhnlich + Sache) 'Unbedeutendes' und mata-itoko (auch + Vetter) 'Vetter zweiten Grades' - und Adverb + Verb, z.B. tada-nori (gratis + Fahren) 'Freifahrt' und mata-danomi (auch + Bitten) 'indirekte Bitte', Typen, denen sich ein weiterer, nämlich der von Lewin an anderer Stelle seines Buches (1975: 57) durch Komposita wie hito-yo 'eine Nacht', hito-tsuki 'ein Monat' oder futa-go 'Zwillinge' exemplifizierte Typus - Numerale + Nomen noch hinzufügen ließe. Unter diesen Komposita sind einige, deren zweites Glied Lewin als Verb (in Konjunktionalform) interpretiert, also Komposita, die deutsche Grammatiker, in Analogie zu den deutschen Komposita vom Typus Blutvergießen oder Farbgebung, vermutlich als 'Zusammenbildungen', d.h. als Ableitungen aus syntaktischen Verbindungen interpretieren würden. Aber wie schon im Falle dieser deutschen Verbindungen, so lassen sich auch im Falle jener japanischen Verbindungen Gründe anführen - im Grunde sind es dieselben -, die der Komposituminterpretati­ on den Vorzug geben und damit die Lewinsche Subsumtion auch dieser Verbindun­ gen unter die Komposita vollauf rechtfertigen - dies allerdings um den Preis, daß die Zweitglieder dieser Verbindungen nicht mehr als Verben (in Konjunktional­ form), sondern nur noch, ähnlich wie die deutschen Schlußglieder -vergießen bzw. ­ gebung, als verbale Substantive charakterisiert werden können,9 als verbale Substantive auch dann, wenn sie, wie z.B. die Schlußglieder der Komposita tsuki­ mi 'Mondschau', mono-gatan 'Geschichte', naga-iki 'Langlebigkeit' oder tada-nori 72 Roland Harweg

'Freifahrt' selbständig entweder gar nicht oder aber nicht in derselben Bedeutung vorkommen. Aber dies ist ja bekanntlich das Los vieler und im Japanischen - um es noch einmal zu sagen - das Los fast aller sinojapanischen Kompositumsglieder. Eine ähnliche Reinterpretation müssen meines Erachtens auch die Komposita, deren Zweitglieder Lewin, seiner substantivischen Übersetzung derselben zum Trotz, als Qualitativa, d.h. als Adjektive bezeichnet, nämlich yo-samu 'Nachtfrost' und hi-naga 'Tageslänge', erfahren - dergestalt, daß z.B. deutlich wird, daß die in einem japanisch-englischenWörterbuch zu findenden Übersetzungena long day von hi-naga und a cold night (neben the chill ofnight) von yo-samu, zumindest formal gesehen, eine Umkehrung der diesen KompositainhärentenDeterminationsrichtung implizieren. Die nicht nur diesen beiden, sondern auch allen anderen der zitierten autochthon japanischen Komposita inhärente Determinationsrichtung ist die Determinationsrichtung Determinans : Determinandum. Dies gilt in gewissem Sinne selbst für das Kompositum aka-hara 'Plötze'. Dieses bedeutet zwar wörtlich 'Rotbauch' und ist damit ein exozentrisches Kompositum, ein sogenanntes Bahuvrihi, das hindert jedoch nicht, es gleichzeitig als determinativ zu interpretie­ ren, und dies nicht nur extern, d.h. in bezug auf das lediglich implizite exozentrische Bezugswort Fisch, sondern auch intern, d.h. was die Determinans-Determinandum­ Beziehung zwischen seinen Gliedern aka 'rot' und hara 'Bauch' betrifft, so daß Lewin, wenn er dieses Kompositum, anders als verschiedene andere exozentrische Komposita, als determinativ statt als exozentrisch charakterisiert, nicht ganz unrecht hat. Allerdings ist seine interne Determinationsbeziehung, wie bei exozentrischen Komposita nicht anders möglich, eine hierarchisch untergeordnete, und diese Untergeordnetheit dürfte der Grund dafür sein, daß exozentrische Komposita zumeist als eine von den Determinativkomposita verschiedene Kategorie der Komposita betrachtet werden. Aber auch wenn man den durch das Kompositum aka-hara exemplifizierten japanischen Kompositumtyp 'Qualitativum + Nomen' durch in diesem Sinne echte, d.h. endozentrische Determinativkomposita exemplifizieren wollte, hätte man keine Schwierigkeiten. Man fände selbst einige mit dem Anfangsglied aka 'rot', so u.a. aka-go (rot + Kind) 'Säugling', aka-guma 'Braunbär', aka-gutsu 'braune, rote Schuhe' und aka-hata 'rote Fahne'. Dievorgeführten autochthonjapanischensubstantivischenDeterminativkompo­ sita sind, was ihre - interne - Determinationsrichtung angeht, für die autochthonen Determinative Norninalkomposita 73 substantivischen Determinativkompositades Japanischenweitestgehend repräsenta• tiv. Diese weisen damit, von Ausnahmen abgesehen, dieselbe Determinationsrich­ tung auf wie die substantivischen Determinativkomposita in der Mehrzahl der europäischen Sprachen, und bedenkt man, daß auch die Nominal p h ras endes Japanischen diese Determinationsrichtung aufweisen, so ist diese ihre Determinati­ onsrichtung - die Richtung Determinans : Determinandum - keineswegs überra• schend, sondern im Gegenteil geradezu natürlich - natürlicherjedenfalls als dieselbe Determinationsrichtung in den entsprechenden Komposita der Mehrzahl der europäischen Sprachen; denn diese zeigen in ihren Nominalphrasen, wie wir gesehen haben, ja überwiegend die umgekehrte Determinationsrichtung. In Übereinstimmung mit der internen Determinationsrichtung der japanischen determinativen Nominalphrasen befinden sich allerdings nicht nur die autochthon japanischen, sondern auch die Mehrzahl der sinojapanischen substantivischen Determinativkomposita. Um so bemerkenswerter ist es deshalb, daß eine kleinere, aber durchaus nicht gerade kleine Gruppe sinojapanischer substantivischer Deterrninativkomposita eine andere, nämlich die Determinationsrichtung Deter­ rninandum : Determinans aufweist. Es handelt sich bei diesen Komposita um Kom­ posita, deren Hauptglied, d.h. deren Deterrninandum, die Funktion eines Verbal­ substantivs hat. Lewin unterteilt, da er der Ansicht ist, die Glieder der sinojapanischen Nominalkomposita seien - ebenso wie diese selber - formal gesehen durchweg nominaler Natur (1975: 48), die sinojapanischen substantivischen Determinativkom­ posita, anders als die autochthon japanischen, nicht in wortartentypologische, sondern in syntaktische Kategorien, und zwar die Kategorie der attributiven und die Kategorie der prädikativen Determinativkomposita, auf. Er spricht dabei nicht von Determinationsrichtungen, aber die Beispiele, die er für die beiden Kategorien gibt - Komposita vom Typus shoku-motsu (Essen + Ding) 'Nahrung, Speise' auf der einen und Komposita vom Typus men-kan (Absetzen + Amt) 'Amtsenthebung' auf der andern Seite -, nähren die Vermutung, daß die beiden Kategorien mit den beiden von mir genannten determinationsrichtungstypologischen Kategorien identisch sein könnten: die Kategorie der attributiven mit der Kategorie Determi­ nans : Determinandum und die Kategorie der prädikativen mit der Kategorie Deterrninandum : Determinans. 74 Roland Harweg

Führenwir einige Beispiele für die beidendeterrninationsrichtungstypologischen Kategorien vor. Die möglichen Beispiele für die Kategorie Deterrninans : Determinandum sind gewissermaßen unübersehbar zahlreich. Wir beschränken uns auf einige weitere Binomen mit dem Anfang shoku 'Essen'; denn schon diese sind relativ zahlreich. Es sind u.a. die Komposita shokkaku « shoku-kaku 'Essen + Gast') 'Schmarotzer', shokken « shoku-ken 'Essen + Bon') 'Essensbon', shokki « shoku-ki 'Essen + Gerät') 'Geschirr', shoku-dö (Essen + Weg) 'Speiseröhre', shoku-en (Essen + Salz) 'Kochsalz', shoku-go (Essen + nach) 'Nachtisch', shoku­ hi (Essen + Kosten) 'Verpflegungskosten', shoku-hin (Essen + Ware) 'Lebensmit­ tel', shoku-ji (Essen + Sache) 'Essen, Mahlzeit', shoku-niku (Essen + Fleisch) 'Fleisch' (zum Essen), shoku-ryö (Essen + Material) 'Proviant, Lebensmittel' und shoku-yoku (Essen + Lust) 'Appetit'. Als Beispiele für die Kategorie Deterrninandum : Determinans führen wir, da diese Kategorie zweifellos die typologisch interessantere ist - Binomen mit verschiedenen Anfangsgliedernvor. Zu den Anfangsgliedern, die eine etwas größere Anzahl von binominalen Verbindungen des Richtungstyps Determinandum : Determinans eingehen, gehören im Japanischen vor allem die sinojapanischen Morpheme nyü 'Eintritt', shutsu 'Herauskommen, Hinausgehen, Aussenden', tai 'Rückzug, Rücktritt, Entfernen', kai 'Öffnen, Eröffnen', datsu 'Verlagerung, Wegnehmen, Wegwerfen, Fliehen usw.' und hatsu 'Aussenden, Öffnen, Entladen, Starten usw.', daneben aber gibt es durchaus noch eine vergleichsweise große Anzahl sinojapanischer Morpheme, die als Anfangsglieder einer kleineren Anzahl von Binomen des Richtungstyps Determinandum : Deterrninans auftreten. Beispiele für solche Binomen sind: nyü-gaku (Eintritt + Schule) 'Aufnahme, Eintritt (in eine Schule), Immatrikulation', nyü-goku (Eintritt + Gefängnis) 'Einkerkerung', shukketsu « shutsu-ketsu 'Austritt + Blut') 'Blutung', shusshi « shutsu-shi 'Aussenden + Kapital') 'Kapitalanlage', tai-gaku (Entfernen + Schule) 'Verweisung von der Schule', tai-i (Rücktritt + Rang, Position) 'Abdankung', kai­ kai (Eröffnen + Versammlung) 'Eröffnung einer Tagung', kai-koku (Gründung, Öffnung + Land) 'Gründung eines Staates, Öffnung eines Landes', datsu-goku (Fliehen + Gefängnis) 'Ausbruch aus dem Gefängnis', datsu-rnö (Ausfall + Haar) 'Haarausfall', dassui « datsu-sui 'Wegnehmen + Wasser') 'Entwässerung', hakkan « hatsu-kan 'Aussenden + Schweiß') 'Schwitzen', hakken « hatsu-ken 'Ausgeben + Banknoten') 'Banknotenausgabe', hassha « hatsu-sha 'Start + Wagen') Determinative Nominalkomposita 75

'Abfahrt', ki-kyä (Heimkehr + Hauptstadt) 'Heimkehr in die Hauptstadt (Tokio)', kin-en (Verbot + Rauchen) 'Rauchverbot', chakkä « chaku-kä 'Ankommen + Hafen') 'Ankunft im Hafen', chaku-riku (Ankommen + Festland) 'Landung', kei­ rä (Verehrung + Alte) 'Verehrung der Alten', dan-jiki (Unterbrechen + Essen) 'Fasten', tä-byä (Kämpfen + Krankheit) 'Kampf gegen eine Krankheit', san-ran (Produktion + Eier) 'Eierlegen', san-sei (Teilnahme + Regierung) 'Beteiligung an der Regierung', san-sen (Teilnahme + Krieg) 'Teilnahme am Krieg', yä-to (Aufziehen + Kaninchen) 'Kaninchenzucht', yä-ton (Aufziehen + Schweine) 'Schweinezucht', ha-yaku (Brechen + Vertrag) 'Vertragsbruch', kai-shoku (Lösen + Beruf) 'Entlassung', zä-sen (Bauen + Schiff) 'Schiffbau', shoku-hi (Verpflanzen + Haut) 'Hautverpflanzung', shoku-rin (Pflanzen + Wald) 'Aufforstung', ri-kon (Verlassen + Ehe) 'Scheidung' und viele andere. Wie bereits angedeutet, charakterisiert Lewin das Verhältnis zwischen den Gliedern solcher Binomen, anders als das zwischen den Gliedern der Binomen vom Typus Deterrninans : Deterrninandum (das er als attributiv bezeichnet), als prädikativ. Das ist eine Charakterisierung, die zwar angesichts der - auch von Lewin (1975: 48) betonten - Tatsache, daß auch diese Komposita und ihre Glieder nominalen Charakter haben, in dieser Form kaum zu halten sein dürfte - denn zwischen nominalen Kompositionsgliedern können eigentlich nur attributive Beziehungen bestehen -, die jedoch auf ihre Art daran erinnert, daß die Deterrni­ nanda, d.h. die Anfangsglieder all dieser Komposita Verbalnomina sind. Diese Verbalnomina bezeichnen teils Handlungen und teils Vorgänge, und was die Schlußglieder, die Deterrninantia der Binomen angeht, so bezeichnen sie, wenn die Anfangsglieder Handlungen bezeichnen, in der Regel, wie im Falle des Binomens ha-yaku 'Vertragsbruch', deren Objekt und wenn die Vorderglieder Vorgänge bezeichnen, gewöhnlich, wie im Falle der Binomen datsu-mä 'Haarausfall', hakka « hatsu-ka 'Ausbrechen + Feuer') 'Feuerausbruch' oder kan-reki (Wiederkehr + Kalender) 'Feier des 60. Geburtstages', deren Subjekt.10 Daneben kommt, und zwar in beiden Fällen, gelegentlich auch vor, daß das Schlußglied einen Schauplatz bezeichnet, im ersteren Falle z.B. im Falle des Kompositums tai-bei (Aufenthalt + Amerika) 'Amerikaaufenthalt' und im letzteren Falle z.B. im Falle des Komposi­ tums shusse « shutsu-se 'Aufstieg + Welt') 'Aufstieg in der Welt'. Die Tatsache, daß die Deterrninanda dieser Binomen sämtlich Verbalnomina sind, erklärt, wenigstens universaltypologisch gesehen, noch nicht die absonderliche 76 Roland Harweg

Determinationsrichtung dieser Binomen, erklärt nicht, warum diese Determinanda ihren Determinantia voraufgehen. Jedenfalls weisen die autochthon japanischen Binomen mit einem Verbalnomen als Determinandum, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die umgekehrte und das heißt: die für alle übrigen determinativen Nominalkomposita des Japanischen gültige Determinationsrichtung auf. In Komposita wie hana-mi (Blüte + Sehen) 'Blütenschau', hara-kiri (Bauch + Schneiden) 'Harakiri', hito-goroshi (Mensch + Töten) 'Mord', mi-mochi (Körper, Person + Halten) 'Benehmen, Verhalten', mina-goroshi (alle + Töten) 'Massaker, Gesamtausrottung',mise-biraki (Geschäft + Eröffnung) 'Geschäftseröffnung', mizu­ maki (Wasser + Sprengen) 'Wässern', mono-mi (Dinge + Sehen) 'Besichtigung', ni-hodoki (Ladung + Auspacken) 'Auspacken', tsumi-horoboshi (Verbrechen, Schuld + Zerstören) 'Sündenwiedergutmachung, Buße', yama-biraki (Berg + Öffnen) 'Öffnen eines Berges (für Bergsteiger), Beginn der Bergsaison', yama-nobori 'Bergsteigen', yuki-doke (Schnee + Schmelzen) 'Schneeschmelze', yuki-furi 'Schneefall', yuki-kaki 'Schneeschaufeln', yuki-mi 'Schneeschau' und yuki-nage 'Schneeballwerfen, Schneeballschlacht' ist, wie übrigens auch in den deutschen Komposita dieses Typs, das Determinandum jeweils das Schlußglied. Der determinationsrichtungstypologische Unterschied, den diese Komposita damit gegenüber den sinojapanischenKomposita mit einem Verbalnomen als Determinan­ dum aufweisen, wird besonders sinnfällig im Falle der Komposita hito-goroshi 'Mord', mono-mi 'Besichtigung' und hara-kiri 'Harakiri'; denn diese haben, in Gestalt der Komposita satsu-jin (Töten + Mensch) 'Mord', ken-butsu (Sehen + Dinge) 'Besichtigung' und seppuku « setsu-fuku 'Schneiden + Bauch') 'Harakiri', sogar sinojapanische Entsprechungen, in denen, in umgekehrter Reihenfolge, dieselben Kanji erscheinen. Autochthon japanische Komposita mit einem Verbalnomen als Determinan­ dum, die die "sinojapanische" Determinationsrichtung aufweisen, sind, wie bereits angedeutet, selten. Sie sind fast ebenso selten wie sinojapanische Komposita dieses Typs, die die "autochthon japanische" Determinationsrichtung aufweisen. Zu den ersteren gehören autochthon japanische Komposita wie uchi-mizu (Schlagen, Sprengen + Wasser) 'Wassersprengen' oder ike-bana (Arrangieren, Stecken + Blumen) 'Blumenarrangement'- das letztere allerdings nur, sofern es die Handlung des Blumensteckens und nicht, was es auch kann, deren Produkt bezeichnet -, und zu den letzteren zählen sinojapanische Komposita wie kai-bö (Meer + Schützen) Determinative Nominalkomposita 77

'Küstenverteidigung', sa-bo (Sand + Schützen) 'Sandschutz, Sandarretierung' und riku-un (Festland + Transport) 'Transport auf dem Landwege'.

3.2.2. Die Determinationsrichtung in zweigliedrigen koreanischen Nominalkompo­ sita

Im Koreanischen liegen die Verhältnisse ganz ähnlich wie im Japanischen. Zwei­ gliedrige autochthon koreanische substantivische Determinativkomposita und sino­ koreanische substantivische Determinativkomposita, deren Determinandum kein Verbalnomen ist, weisen, wie die koreanischen determinativen Nominal­ p h ras e n, die Determinationsrichtung Determinans : Determinandum, sino­ koreanische substantivische Determinativkomposita, deren Determinandum ein Verbalnomen ist, hingegen weisen, sofern sie Binomen, d.h. zweigliedrig sind, die Determinationsrichtung Determinandum : Determinans auf. Beispiele für - zwei­ gliedrige - autochthon koreanische substantivische Determinativkomposita sind Komposita wie

iut-chipll (Nachbar + Haus) 'Nachbarhaus', kyoul-nalssi (Winter + Wetter) 'Winterwetter', yori1m-nalssi (Sommer + Wetter) 'Sommerwetter', kyoul-bam (Winter + Nacht) 'Winternacht', nun-mul (Auge + Wasser) 'Tränen', mul-mat (Wasser + Geschmack) 'Geschmack des Wassers', pi-ot ( Regen + Gewand) 'Regenmantel', mori-t'ol (Kopf + Haar) 'Kopfhaar', som-saram (Insel + Mensch) 'Insulaner' und yen-mal (alt + Sprache) 'altes Wort',

Beispiele für -zweigliedrige -sinokoreanische substantivische Determinativkomposi­ ta, deren Determinandum kein Verbalnomen ist, sind Komposita wie chu-mal (Woche + Ende) 'Wochenende', nam-p'ung (Süden + Wind) 'Südwind', ki-ap (Luft + Druck) 'Luftdruck', sin-jang (Körper + lang) 'Körpergröße', dong-maek (Bewegung + Ader) 'Schlagader', naeng-su (kalt + Wasser) 'kaltes Wasser',yang-bok (Ozean + Kleidung) 'europäische Kleidung', tae-hak (groß + Schule) 'Universität', sang-in (Handel + Mensch) 'Händler', yon-p'il (Blei + Pinsel) 'Bleistift', ui-byong (Magen + Krankheit) 'Magenkrank­ heit', si-ryok (Sehen + Kraft) 'Sehkraft', oe-gwa (außen + Fach) 'Chirurgie' und un-ha (Transport + Fluß) 'Kanal', 78 Roland Harweg und Beispiele schließlich für - binominale - sinokoreanische substantivische Determinativkomposita, deren Determinandum ein Verbalnomen ist, sind Komposita wie i-nong (Verlassen + Land) 'Landflucht', cho-rim (Machen + Wald) 'Auf­ forstung', ip-kuk (Hineingehen + Land) 'Einreise', ch'ul-guk (Hinausgehen + Land) 'Ausreise', myon-se (Befreiung + Zoll) 'Zollbefreiung', ch'ang-nyuk (Ankommen + Festland) 'Landung', chu-ch'a (Parken + Wagen) 'Parken', t'al-san (Verlagern, Verlassen + Unie) 'Entgleisung', ib-won (Hineingehen + (Kranken)anstalt) 'Krankenhauseinlieferung', t'oe-wan (Verlassen + (Kran­ ken)anstalt) 'Krankenhausentlassung', ch'ur-hyol (Herauskommen + Blut) 'Blutung', srlng-ma (Besteigen + Pferd) 'Reiten', pak-su (Schlagen + Hände) 'Klatschen, Applaus', ip-hak (Hineingehen + Schule) 'Einschulung', ch'ui-jik (Aufnehmen + Beschäftigung) 'Arbeitsaufnahme',t'oe-jik(Verlassen, Aufgeben + Beschäftigung) 'Arbeitsaufgabe', kae-jom (Eröffnen + Geschäft) 'Geschäfts• eröffnung', i-hon (Verlassen + Ehe) 'Scheidung',yak-hon (Versprechen + Ehe) 'Verlobung', ip-ch'un (Beginnen + Frühling) 'Frühlingsanfang' und ip-ch'u 'Herbstanfang'.

3.2.3. Die Detenninationsrichtung in vielgliedrigen japanischen und koreanischen Nominalkomposita

Sowohl die sinojapanischen als auch die sinokoreanischen substantivischen Determinativkomposita mit der Determinationsrichtung Determinandum : Determinans sind, von ganz wenigen Ausnahmen, wie z.B. jap. rittaishi « ritsu (Einsetzen, Ernennen) + tai-shi (Kronprinz» 'Ernennung des Thronfolgers' (oder 'zum Thronfolger'), abgesehen, zweigliedrig oder anders ausgedrückt: die Determinationsrichtung Determinandum: Determinans begegnet nur innerhalb von Binomen, d.h. nur zwischen Einzelmorphemen, nicht zwischen Morphemverbindun­ gen. Diese Binomen können zwar ihrerseits mit weiteren - binominalen oder nichtbinominalen - Kompositionsgliedern zu längeren Komposita verbunden werden, aber diese Verbindungen weisen dann, vorausgesetzt, sie sind determinati­ ve, immer die Determinationsrichtung Determinans : Determinandum auf, und zwar auch dann, wenn das Determinandum dieser neuen Verbindung wiederum ein Verbalnomen sein sollte. Determinative Nominalkomposita 79

Wenn die Binomen des Determinationsrichtungstyps Determinandum : Determinans mit weiteren Kompositionsgliedern kombiniert werden, dann, sowohl im Japanischen als auch im Koreanischen, besonders häufig in der Rolle eines einem eingliedrigen Determinandum voraufgehenden Determinans. Beispiele dafür sind, aus dem Japanischen, Komposita wie bö-en-kyö «Blicken + Weite) + Spiegel) 'Teleskop, Fernrohr', bö-doku-men «Schutz + Gift) + Gesicht) 'Gasmaske', bö-fü-rin «Abhalten + Wind) + Wald) 'Win<:lschutzgürtel', bö-fu-zai «Verhindern + Verwesung) + Mittel) 'Konservierungsmittel', ehiku-den-ehi «Speichern + Elektrizität) + Batterie) 'Akkumulator', ehiku-den-ki «Speichern + Elektrizität) + Apparat) 'Kondensa­ tor', ehiku-on-ki «Speichern + Laute) + Apparat) 'Grammophon', dai-mei-shi «Ersetzen + Nomen) + Wort) 'Pronomen', shoku-min-ehi «Verpflanzen + Volk) + Gegend) 'Kolonie', shoku-niku-rui «Fressen + Fleisch) + Art) 'fleischfressendes Tier' und viele andere, Beispiele aus dem Koreanischen Komposita wie su-sin-in «Empfangen + Briet) + Mensch) 'Empfänger',pal-sin-in «Absenden + Briet) + Mensch) 'Absender', ehu-yu-so «Eingießen + Öl) + Stelle) 'Tank­ stelle', ehu-eh'a-jang «Parken + Wagen) + Platz) 'Parkplatz', s-ung-eh'a-gwon «Besteigen + Wagen) + Schein) 'Fahrkarte', ehin-t'ong-je «Lindern + Schmerzen) + Mittel) 'Schmerzmittel', so-dok-yak « Löschen + Gift) + Medizin) 'Desinfektionsmittel',sa-jin-gi «Kopieren + Wirklichkeit) + Apparat) 'Kamera', ehak-kok-ka «Machen + Melodien) + Person) 'Komponist', eh'o­ in-jong «Einladen + Menschen) + Glocke) 'Klingel' und viele andere. Freilich können die Binomen mit der Determinationsrichtung Determinan- dum : Determinans auch, wie z.B. in den sinojapanischen Komposita shoku-niku­ shoku-butsu «Essen + Fleisch) + (Pflanzen + Sache» 'fleischfressende Pflanze' oder kai-ten-hi-rö «Eröffnung + Geschäft) + Präsentation) 'Geschäftseröffnungs• feier' oder in den sinokoreanischen Komposita ip-kuk-sa-jUng «Eintritt + Land) + Visum) 'Einreisevisum' oder nan-bang-si-sol «Erwärmung + Zimmer) + Anlage) 'Heizungsanlage', nachfolgende Determinanda determinieren, die zweigliedrig sind, und außerdem können sie, wie in den sinojapanischen Komposita mi-shu-gaku-ji­ dö «noch) nicht + (Besuchen + Schule) + Kinder) 'Vorschulkinder',gen-shi-ryoku­ sen-sui-kan (Atom + Kraft + (Tauchen + Wasser) + Schiff) 'Atom-Unterseeboot' oder mu-ehaku-riku-hi-kö (nicht + (Ankunft + Festland) + Flug) 'Nonstop-Flug', 80 Roland Harweg auch, durch ihnen voraufgehende Kompositionsglieder, noch selber determiniert werden. Schließlich können sie auch, wie in den sinojapanischen Kompositayü-bin• cho-kin (Post + (Sparen + Geld)) 'Postsparen' oderyü-bin-tö-hyö (Post + (Werfen + Wahlzettel)) 'Briefwahl' oder dem sinokoreanischen Kompositum u-p'yon-jo­ grlm (Post + (Sparen + Geld)) 'Postsparen', als Determinanda in SchlußgliedsteI• lung auftreten. Die drei letzten Komposita sind zugleich Beispiele für Komposita, in denen binominale Yerbalnomina in Schlußgliedstellung durch ein anderes Binomen determiniert werden, und lassen wir die Forderung fallen, daß die binominalen Yerbalnomen selber, d.h. intern, eine determinative Struktur (die dann jeweils die Determinationsrichtung Determinandum : Determinans aufwiese) besitzen sollten, das heißt: ziehen wir auch binominale Yerbalnomen mit k 0 pul at i ver Binnenstruktur als Schlußglieder in Betracht, so wird die Klasse der sinojapanischen und sinokoreanischen Nominalkomposita, in denen ein Binomen (oder auch eine größere Einheit) ein binominales Yerbalnomen (als Schlußglied) determiniert, vermutlich unübersehbar groß. Beispiele für solche Determinativkomposita mit kopulativen Binomen als Schlußgliedern sind sinojapanische Komposita wie yü-bin• hai-tatsu 'Postzustellung',yü-bin-kitte-shü-shü 'Briefmarkensammeln',gen-shi-kaku­ bun-retsu 'Atomkernspaltung', kai-ten-hi-rö 'Geschäftseröffnungsfeier', ka-kaku-ko­ tei 'Preisfestsetzung', ka-kaku-hen-kö 'Preisänderung', ka-kaku-kei-sei Preisbildung', sei-shin-kei-sei 'Geistesbildung' usw. und sinokoreanische Komposita wie chig-6p­ son-t'aek 'Berufswahl', chig-6p-chOn-hwan 'Berufswechsel', song-in-kyo-yuk 'Erwachsenenbildung', chu-ch'a-grlm-ji ((Parken + Wagen) + Verbot) 'Parkver­ bot', kyo-t'ong-ui-ban 'ÜbertretungvonVerkehrsregeln', u-p'yon-bae-dal 'Postzustel­ lung', ch'ae-so-jae-bae 'Gemüsezucht' usw.

Diese Determinativkomposita, sowohl die sinojapanischen als auch die sinokoreanischen unterihnen, weisen, obwohl ihr DeterminandumeinYerbalnomen ist, als ganzejeweils die DeterminationsrichtungDeterminans : Determinandum auf, also jene Determinationsrichtung, die im Japanischen und Koreanischen, von Ausnahmen abgesehen, alle nominalen Determinativkomposita außer den b i ­ no mi n ale n chinesischstämmigen mit einem Yerbalnomen als Determinan­ dum aufweisen. Diese letzteren, also die zweigIiedri gen sinojapani­ sehenundsinokoreanischenDeterminativkompositamitderDeterminationsrichtung Determinandum: Determinans, die Komposita vom Typus jap. nyü-koku 'Einreise' Determinative Nominalkomposita 81 und korean. ip-kuk 'Einreise', erweisen sich damit aus determinationsrichtungstypo­ logischer Sicht als noch sonderbarer und erklärungsbedürftiger als ohnehin schon.

3.2.4. Die chinesischen Entsprechungen des japanisch-koreanischen Kompositons­ typs Determinandum : Determinans und die Determinationsrichtung in chinesischen Nominalkomposita

Da sowohl die j~panischen als auch die koreanischen binominalen Determinativ­ komposita mit der Determinationsrichtung Determinandum : Determinans chine­ sischstämrnige sind, ist zu vermuten, daß die Erklärung ihrer stellungs- und determinationsrichtungstypologischen Sonderbarkeit im Chinesischen liegt, und tatsächlich haben diese Komposita im Chinesischen determinationsrichtungstypolo­ gische Entsprechungen, viele, wenn nicht die meisten, sogar wörtliche, d.h. etymologisch und semantisch identische. So z.B. entspricht - dem jap. nyü-gaku und dem korean. ip-hak 'Einschulung' die chinesische Verbindung rn-xue - dem jap. shukketsu und dem korean. ch'ur-hyol 'Blutung' die chinesische Verbindung chü-xue - dem jap. tai-shoku und dem korean. t'oe-jik 'Arbeitsaufgabe' die chinesische Verbindung tui-zhz - dem jap. men-zei und dem korean. myon-se 'Zollbefreiung' die chinesische Verbindung milin-shui - demjap. zö-rin und dem korean. cho-rim 'Aufforstung' die chinesische Verbindung zao-lfn - dem jap. haku-shu und dem korean. pak-su '(Hände-)Klatschen' die chinesische Verbindung päi-shou - dem jap. kin-shi und dem korean.la1m-ji 'Verbot' die chinesische Verbindungjin­ zhz - dem jap. ri-kon und dem korean. i-hon 'Scheidung' die chinesische Verbindung lf­ Mn - dem jap. sai-bai und dem korean. chae-bae 'Kultivierung, Zucht' die chinesische Verbindung zäi-pei - und dem jap. risshun und dem korean. ip-ch'un 'Frühlingsanfang' die chinesische Verbindung li-cMn. 82 Roland Harweg

Diese Reihe ließe sich vermutlich beliebig erweitern, und damit wären die de­ terminationsrichtungstypologischen Besonderheiten der sinojapanischen und sino­ koreanischen Komposita mit der Stellungsstruktur Determinandum: Determinans erklärt, und zwar erklärt als Entlehnungen aus dem Chinesischen. Aber wie steht es mit den chinesischen Verbindungen selber? Ist die Determinationsrichtung Determinandum: Determinans in chinesischen Komposita nicht ebenso erklärungs• bedürftig wie in den japanischen und den koreanischen und die Erklärung jener japanischen und koreanischen Besonderheiten als Entlehnungen aus dem Chinesischen damit nicht nur eine Verschiebung des Problems um eine Stufe?

In der Tat - die Entlehnungserklärung ist als solche nur eine Verschiebung des Problems; denn bei den nominalen Determinativkomposita, deren Determinandum k ein Ver baI n 0 m e n ist, finden wir, genauso wie im Japanischen und Koreanischen und ebenso wie in der Mehrzahl der europäischen Sprachen, nur die Determinationsrichtung Determinans : Determinandum: man vergleiche daraufhin, als Beispiele für beliebig viele andere chinesische Komposita, nur die Komposita lie-ehe (Reihe + Wagen) 'Zug', hub-ehe (Feuer + Wagen) 'Zug', huo-ehe-zhim (Feuer + Wagen + Station) 'Bahnhof, eän-ehe (Speise + Wagen) 'Speisewagen', mim-ehe (langsam + Wagen) 'Personenzug', kuizi-ehe (schnell + Wagen) 'Schnellzug', che-piao (Wagen + Karte) 'Fahrkarte', piao-jia (Karte + Preis) 'Fahrpreis', tie-lil (Eisen + Weg) 'Eisenbahn' und tie-lil-wling (Eisen + Weg + Netz) 'Eisenbahnnetz'. Bedenkt man des weiteren, daß die Determinationsrichtung dieser Komposita dieselbe ist wie diejenige der meisten Nominalsyntagmentypen des Chinesischen, so erscheint die Determinationsrichtung in den chinesischen Entsprechungen der binominalen sinojapanischen und sinokoreanischen Komposita vom Typus nyü-gaku bzw. ip-hak 'Einschulung' ebenso erklärungsbedürftig wie in diesen selber. Aber die Erklärung ist nicht sonderlich schwierig. Sie liegt darin, daß die chinesischen Entsprechungen dieser sinojapanischen und sinokoreanischen Komposita selber keine Komposita, jedenfalls keine Nominalkomposita sind. Sie sind vielmehr das, was ihre sinojapanischen und sinokoreanischen Entsprechungen erst in Verbindung mit den Verben sum bzw. hada 'machen' sind, nämlich Verben, genauer: Verben mit nominalen Ergänzungen, zumeist solchen in der Funktion eines grammatischen Objekts, und grammatische Objekte pflegen ihren Verben im Chinesischen, anders als im Japanischen und Koreanischen, eher zu folgen als ihnen - was sie meist in Determinative Nominalkomposita 83

speziellen Konstruktionen tun - voraufzugehen. In europäischen Wörterbüchern des Chinesischen werden diese nichtkompositionellen chinesischen Verbindungen aus Verb und Nomen zwar gelegentlich auch durch Substantive, genauer: Verbalsub­ stantive wiedergegeben, aber das besagt nur, daß diese Verbindungen im Chine­ sischen, außer in - syntaktischen - Positionen, in denen ihr verbaler Teil in europäischen Sprachen durch ein Verbum finitum wiedergegeben würde, auch in - syntaktischen - Positionen begegnen, in denen ihr verbaler Teil in europäischen Sprachen durch ein Verbum infinitum, d.h. durch ein Verbalnomen wiedergegeben würde. Es besagt, auch wenn man bereit ist, dem chinesischen Verbum in diesen Positionen den Charakter eines Ver baI n 0 m e n s zuzusprechen, nicht, daß dieses Verbalnomen mit dem auf es folgenden Nomen zusammen ein nominales Kompositum bilden müßte. Es kann mit ihm ebensogut eine Nominalphrase bilden, eine Nominalphrase, in der das Nomen, ähnlich dem in der englischen Nominal­ phrase entering the hospital oder der italienischen Nominalphrase l'indebolire la tesi 'die Schwächung der These', als Objekt des Verbalnomens fungierte, und seine Stellung - sowie auch die Inakzeptabilität von Verbindungen des Typus * täde rn­ xue12 'sein Schuleintritt'- zwingt uns dazu, anzunehmen, daß es dies tatsächlich tut. 13 In ein Kompositum integriert wird dieses Nomen erst, wenn es, zusammen mit dem ihm voraufgehenden Verbum, einem weiteren Nomen - einem Nomen, das übrigens kein Verbalnomen ist - als determinative Gruppe vorangestellt wird. 14 Das bedeutet, daß wir die Determinationsrichtung Determinandum : Determinans in chinesischen Komposita, anders als in sinojapanischen und sinokoreanischen, nur in untergeordneten Bestandteilen finden, Bestandteilen, die selber als Determinan­ tia komplexerer Komposita fungieren. Solche komplexeren Komposita - Komposita vom Typ des jap. bä-doku-men 'Gasmaske' oder des korean. su-sin-in 'Briefempfän• ger'- aber sind im modernen Chinesisch ungemein häufig. Folgende Beispiele stehen für zahllose andere: jia-you-zhim «hinzufügen + Öl) + Station) 'Tankstelle', shti­ che-you «bremsen + Wagen) + Öl) 'Bremsflüssigkeit, ting-che-chl1ng «parken + Wagen) + Platz) 'Parkplatz', ll-ja-shf«ordnen + Haar) + Meister) 'Friseur', zhi­ blng-shZ «machen + Kuchen) + Meister) 'Konditor', ja-dian-jf «aussenden + Elektrizität) + Maschine) 'Lichtmaschine (beim Auto)', deng-lu-qiao «besteigen + Festland) + Brücke) 'Landungsbrücke', tiao-wen-qi «regulieren + Temperatur) + Gerät) 'Thermostat', da-huo-jf«schlagen + Feuer) + Maschine) 'Feuerzeug', xl­ ja-ji «waschen + Haar) + Mittel) 'Haarwaschmittel', kiii-ping-qi «öffnen + Flasche) + Werkzeug) 'Flaschenöffner', bi-shU-di «vermeiden + Hitze) + Ort) 84 Roland Harweg

'Luftkurort', xiäo-yfm-gäo «löschen + Entzündung) + Salbe) 'Wundsalbe' und sM­ chOng-yao «töten + Insekten) + Medizin) 'Insektenmittel'. Der zweite Bestandteil des komplexen attributiven Determinans in diesen Komposita kann (was z.B. im Japanischen äußerst selten ist) auch mehr-als-nur­ ein-gliedrig sein - Beispiele sind Komposita wie zhi-t6u-tong-ji (stoppen + (Kopf + Schmerzen) + Mittel) 'Kopfschmerztabletten' und ffmg-hua-xue-bfng «verhin­ dern + Chemie) + Truppe) 'antichemische Truppe' -, und andererseits kann das attributive Determinans, wie im Japanischen, auch, durch ein vor ihm stehendes Kompositionsglied, selber determiniert sein. Ein Beispiel dafür ist das Kompositum xian-shf-tfng-che-q1l «beschränkt + Zeit) + (parken + Wagen) + Bezirk) 'Kurzparkzone'. In dem Kompositum yesü-shou-nan-jie «Jesus + empfangen ;I­ Leiden) + Fest) 'Karfreitag' scheint geradezu eine satzartige, d.h. eine aus Subjekt, Prädikat und Objekt bestehende Konstruktion als Determinans in ein Kompositum integriert worden zu sein. Wie im Japanischen, so scheinen auch im Chinesischen binominale Komposita mit einem 'mono-nominalen' Verbalnomen als Determinandum und Schlußglied selten zu sein - ein Beispiel ist, wie im Japanischen koku-bö 'Landesverteidigung', so im Chinesischen gu6-f{lng 'dass.'-, aber ebenso wie im Japanischen, so sind auch im Chinesischen komplexere Komposita mit einem bin 0 m i n ale n Verbal­ nomen als Determinandum und Schlußglied häufig. Beispiele sind Komposita wie gu6-fang-jian-she «Land + Verteidigung) + Aufbau) 'Aufbau der Landesverteidi­ gung', rU-xue-kiio-shi ((Eintritt + Schule) + Prüfung) 'Schulaufnahmeprüfung', käi• juan-kiio-shi ((Öffnen + Buch) + Prüfung) 'Prüfung bei offenem Buch', m-ge-she­ j f (Erde + Taube) + Schießen) 'Tontaubenschießen', hU-zhilo-jii'1n-cha 'Paßkon• trolle', Mi-guän-jii'1n-cha 'Zollkontrolle' oder yti-gen-zhi-litio 'Zahnwurzelbehand­ lung'. Allerdings finden wir nicht selten auch Verbindungen mit umgekehrter De­ terminationsrichtung, Verbindungen, in denen das komplexe Determinandum seinem - ebenfalls komplexen - Determinans voraufgeht. Aber diese Verbindun­ gen - Beispiele sind Verbindungen wie shen-bao-guän-shui (Erklärung + Zoll) 'Zollerklärung',yäo-qiu-fU-kui'1n (Aufforderung + ZaWung) 'Zahlungsaufforderung', fang-bei-huai-tiän-qi (Abschirmung + (schlecht + Wetter» 'Wetterschutz' oder q1l­ jie-cf-ju (Verdrehung + Wörter) 'Wortverdrehung' - sind, ähnlich wie die einfachen chinesischen Verbindungen vom Typus rU-xue 'Einschulung', keine Komposita, sondern Nominalphrasen, Nominalphrasen des englischen Typus entering the Determinative Nominalkomposita 85 hospital. Als komplexe attributive Determinantia in Komposita mit einem Nomen, das kein Verbalnomen ist, als Determinandum und Schlußglied zeigen solche viergliedrigen Verbindungen manchmal sowohl die kompositionelle als auch die phrasale Determinationsrichtung - man vergleiche daraufhin die beiden Komposita x{ng-Zr-tuä-yun-chU «Gepäck + Aufgabe) + Stelle) 'Gepäckaufgabe(stelle)' undtuä• yun-xing-ZI-chU «Aufgabe + Gepäck) + Stelle) 'Gepäckaufgabe(stelle)' (vgl. Langenscheidts Sprachführer (1987: 78, 74».

3.3. Der typologische Status des Kompositumtypus Determinandum: Determinans

Wie wir gesehen haben, ist die Determinationsrichtung Determinandum: Determi­ nans in den Nominalkomposita ostasiatischer Sprachen nur ein Problemjapanischer und koreanischer substantivischer Determinativkomposita; denn im Chinesischen begegnet diese Determinationsrichtung in substantivischenDeterminativkomposita, wie wir gesehen haben, nur in attributiv eingebetteter Position. Ihre Problemlosig­ keit im Chinesischen aber ist andererseits die Basis für die Erklärung und damit wenigstens diachrone Lösung ihrer Problematik im Japanischen und Koreanischen. Deren Erklärung und diachrone Lösung liegt nämlich darin, daß jene determina­ tionsrichtungstypologisch sonderbaren sinojapanischen und sinokoreanischen Komposita, die Komposita vom Typus jap. nyü-gaku bzw. korean. ip-hak 'Einschu­ lung', Entlehnungen chinesischer (und im Chinesischen determinationsrichtungsty­ pologisch unproblematischer) ni c h t kom pos i ti 0 n e 11 e r Verbin­ dungen sind, Entlehnungen von Verbindungen, die beim Übertritt ins Japanische und Koreanische, auf Grund des agglutinierenden statt isolierenden Charakters dieser Sprachen, automatisch zu Komposita werden mußten, und zwar zu Komposita werden mußten insofern, als diese Sprachen nur in der Kompositumbil­ dung eine Entsprechung zu der isolierenden - und zwar auch außerhalb der Kompositumbildung isolierenden - Struktur des Chinesischen aufweisen. Die Möglichkeit dieser - diachronen - Erklärung ändert jedoch nichts daran, daß die Komposita vom Typus nyü-gaku und ip-hak, sprachsystemimmanent­ synchron gesehen, weiterhin eine typologisch fremdartige Nische unter den Komposita, selbst den chinesischstämmigen, ihrer Sprachen bilden und daß sie auch unter einem allgemeineren, d.h. typologisch sprachvergleichenden Gesichtspunkt fortfahren, eine Merkwürdigkeit darzustellen. Determinative Nominalkompositamit 86 Roland Harweg der Determinationsrichtung Determinandum : Determinans sind zwar nicht schon als solche eine typologisch ausgefallene Erscheinung - wir haben sie ja, im Rahmen der autochthonen Wortbildungen der romanischen Sprachen, auch in den europäischen Sprachen kennengelernt -, aber dort sind sie Komposita, deren Determinationsrichtung einerseits mit der der Nominalphrasen übereinstimmt und andererseits nicht auf eine bestimmte Teilkategorie unter den Komposita gleicher sprachlicher Herkunft beschränkt ist. Zwar weisen, in den romanischen Sprachen, die fremd-, und das heißt im wesentlichen: die griechischstämmigen Determinativ­ komposita weit- bis weitestgehend eine andere Determinationsrichtung auf, aber die autochthon romanischen Determinativkomposita untereinander sind, determina­ tionsrichtungstypologisch gesehen, doch weit- bis weitestgehend homogen. Das aber ist, wie wir gesehen haben, im Japanischen und Koreanischen anders. Dort stimmt die Determinationsrichtung der Komposita vom Typus nyü-gaku bzw. ip-hak nicht nur nicht mit der der Nominalphrasen dieser Sprachen überein, sie stimmt, ohne daß diese Komposita dabei auf die Rolle von Ausnahmen und Außenseitern reduziert wären, auch nicht mit der der Mehrheit der herkunftsmäßig gleichen, d.h. der chinesischstämmigen unter den determinativen Nominalkomposita dieser Sprachen überein. Eine bis zu einem gewissen Grade ähnliche, aber noch idiosynkratischere Nische determinationsrichtungstypologischer Absonderlichkeit innerhalb eines herkunftsmäßig homogenen Wortstandes bilden in europäischen Sprachen, meines Wissens, nur die altgriechischen Komposita mit den AnfangsgliedernqJI.Ao.J.liebend', lJ.I.CJO-'hassend' undAool....!lösend' sowie, allerdings in erheblich geringerem Ausmaß, ihre Entlehnungen in andere europäische Sprachen. Auch sie weisen, wie die deutschen EntlehnungenPhilanthrop 'Menschenfreund' undMisanthrop 'Menschen­ feind, Menschenhasser' auch dem Nichtgräzisten deutlich machen, die Determinati­ onsrichtung Determinandum : Determinans auf, und auch sie sind, auf Grund der zahlreichen Verbindungen, die vor allem das AnfangsgliedqJl.Ao-und in etwas geringerem Grade auch das Anfangsglied lJ.I.CJO- im Altgriechischen eingeht, keineswegs gering an Zahl - erheblich häufiger jedenfalls, als die Anzahl ihrer Entlehnungen in andere europäische Sprachen vermuten läßt. Andererseits aber treten die meisten Verbaladjektive, die das Altgriechische in der Funktion der AusdrückeqJl./uJ- und lJ.l.ao-kennt, also z.B. -ß6po(;;'verzehrend', -~'essend', -OOlIDl; 'aufnehmend',-x"to\)()(;;'tötend', -"tO}{()(;; 'gebärend', ...-qx).yO(;; 'essend, fressend', -qXlOpo(;;'verderbend' undviele andere, als Kompositum s chI u ß glieder und damit Determinative Nominalkomposita 87 als Glieder von Komposita auf, die, ebenso wie die Mehrzahl der sinojapanischen und sinokoreanischen nominalen Determinativkomposita, nominale Determinativ­ komposita mit derDeterminationsrichtung Determinans : Determinandumsind. Das gleiche gilt für viele - wenngleich nicht alle - der modernen Neubildungen mit Hilfe des Elementes phil in verschiedenen modernen europäischen Sprachen, zwar nicht für Bildungen wie Philatelie oder Philharmonie, wohl aber für die verschiedenen neugebildeten Verbindungen des Elementes phil mit Völker- oder Ländernamen. So z.B. stehen im Deutschen dem althergebrachten Kompositum Philhellene die zahlreichen Neubildungen vom Typus anglophil oder frankophil gegenüber.

Die Komposita vom Typus Philanthrop undMisanthrop unterscheiden sich - und das gleiche gilt für Komposita wie frz. porte-avions 'Flugzeugträger', it. grattacielo 'Wolkenkratzer', engl. lickspittle 'Speichellecker' oder dt. Störenfried - von den mit ihnen determinationsrichtungstypologisch übereinstimmenden sinojapanischen und sinokoreanischen Komposita vom Typus nyü-gaku bzw. ik-hap 'Einschulung' jedoch dadurch, daß sie keine vollgültigen, d.h. keine endozentrischen, sondern exozentri­ sche Determinativkomposita, sogenannte Bahuvrihis, sind - ein Befund, der bei den den Komposita vom Typus Philanthrop oder Misanthrop zugrunde liegenden altgriechischen Bildungen noch offensichtlicher ist, da diese, wie die deutschen Komposita vom Typus anglophil, Adjektive sind. Zwar finden wir auch end 0 ­ zentrische Bildungen mit den Anfangsgliedern philo- und miso-, so z.B. die Abstrakta Philanthropie bzw. Misanthropie, aber diese verdanken ihre Endozentrizi­ tät, anders als die in Rede stehenden sinojapanischen und sinokoreanischen Komposita, erst einem an das exozentrische Kompositum angehängten Derivations­ suffix, ihre Endozentrizität ist mithin, anders als bei jenen, keine genuine, sondern eine derivational sekundäre. Entsprechungen dieses Grades hätten die sinojapanischenund sinokoreanischen Komposita vom Typus nyü-gaku bzw. ip-hak in den europäischen Sprachen, zumindest rein stellungstypologisch gesehen, in noch größerem Umfange, wenn wir auch Präfixe zu den Kompositionsgliedern rechneten, und zwar nicht nur die Präfixe genuiner Nomina, wie die Präfixe ab- und auf- in den WörternAbweg bzw.Aufwind, sondern auch die Präfixe von Verbalnomina, also Präfixe wie ein- oder ent- in den deutschen Verbalnomina Einschulung oder Entgleisung oder 00- und de- in den englischen Verbalnomina afforestation bzw. derailment. Wir finden nämlich, wie diese Nomina anschaulich zeigen, in den europäischen Sprachen eine Reihe von 88 Roland Harweg

Verbalnomina, in denen auf das Präfix ein Sub s t a n t i v folgt, Verbalnomina, die, wenn wir ihr Präfix in Richtung auf ein gewöhnliches Kompositumsglied hin aufwerteten, eine nicht zu übersehende stellungstypologische Verwandtschaft mit den sinojapanischen und sinokoreanischen Verbalnomina vom Typus nyü-gaku bzw. ip-hak aufwiesen. So entspräche, auch stellungstypologisch, das aufgewertete Präfix ein- des Wortes Einschulung den verbalnominalen Anfangsgliedern nyu und ip 'Eintreten, Eintritt' der Komposita nyu-gaku bzw. ip-hak und das auf das Präfix ein- folgende Substantiv Schule, ebenfalls auch stellungstypologisch, den auf die Anfangsglieder nyü und ip folgenden Substantiven gaku bzw. hak 'Schule', und in ähnlicher Weise entsprächen einander auch die Erst- und Zweitglieder in dem sinojapanischen Kompositum dassen und dem sinokoreanischen Kompositum fal­ son auf der einen und deren deutscher oder englischer Übersetzung, nämlich Entgleisung bzw. derailment, auf der andern Seite. Einige weitere Entsprechungen dieser Art wären diejenigen zwischen den japanischen Komposita nyu-goku oder tö• goku und ihrer deutschen oder englischen Übersetzung, nämlich Einkerkerung bzw. imprisonment; die zwischen den japanischen Komposita zö-rin (machen + Wald) und shoku-rin (pflanzen + Wald) und wiederum ihrer deutschen und ihrer englischen Übersetzung, näm1ichAufforstung bzw. afforestation und die zwischen den japanischen Komposita datsu-mö und tai-jin und ihren englischen Übersetzungen depilation bzw. decampment.

Die ins Auge gefaßte Aufwertung der europäischen Präfixe und ihre annähe• rungsweise Gleichsetzung mit sinojapanischen und sinokoreanischen Kompositions­ gliedern entbehrt nicht jeglicher Grundlage; denn gewisse Gleichsetzungen dieser Art sind in der interlingualen Lexikographie zwischen den europäischen und den ostasiatischen Sprachen bereits etabliert. So finden wir als Entsprechung des deutschen oder englischen Präfixes pro- in Wörtern wie pro-amerikanisch bzw. pro­ American das japanische Kompositumsglied shin-, als Entsprechung der deutschen Präfixe über-, super-, hyper- und ultra- sowie ihrer Äquivalente in anderen europäischen Sprachen das japanische Kompositurnsglied chö- und als Entsprechung der deutschen Präfixe um- und re- und ihrer Äquivalente in anderen europäischen Sprachen das japanische Kompositurnsglied kai-. Gestützt wird die Idee der annäherungsweisen Gleichsetzbarkeit von europäischen Präfixen und sinojapanischen und sinokoreanischen Kompositurnsglie­ dern auch noch dadurch, daß die meisten dieser Kompositurnsglieder, ähnlich wie Determinative Nominalkomposita 89 europäische Präfixe, nicht selbständig, sondern nur, als sogenannte gebundene Formen, als Bestandteile von - mindestens zweigliedrigen - Komposita auftreten, als Bestandteile von Komposita, die ihrerseits, typologisch gesehen, zwischen den europäischen Komposita und den aus zwei gebundenen Formen bestehenden und deshalb von Bloomfield (1933: 240) noch als 'primary words' klassifizierten englischen Wörtern vom Typus perceive oder deceive stehen. Andererseits aber ist der Grad, in dem europäische Präfixe und sinojapanische oder sinokoreanische Kompositumsglieder gleichgesetzt werden können, nicht identisch mit dem Grad, in dem europäische Substantive vom Typus Einschulung und sinojapanische oder sinokoreanische Substantive vom Typus nyü-gaku bzw. ip­ hak als ganze gleichgesetzt werden können. Dieser ist nämlich ganz offensichtlich geringer als jener, und dies hauptsächlich deshalb, weil die ersteren - wie bereits die Substantive vom Typus Philanthropie - Suffixe aufweisen, die letzteren dies hingegen nicht tun. Außerdem wäre auch noch zu fragen, ob die stellungstypologische Übereinstimmung zwischen den semantisch einander entsprechenden Gliedern des Typus Einschulung und des Typus nyü-gaku bzw. ip-hak auch eine determinations­ richtungstypologische impliziert oder ob, während in dem Typus nyü-gaku bzw. ip­ hak das erste Glied das Determinandum ist, in dem Typus Einschulung nicht das zweite Glied diesen Status hat. Aber auch wenn dies der Fall sein sollte - der Typus Einschulung wiese auch dann noch eine größere Ähnlichkeit mit dem Typus nyü• gaku bzw. ip-hak auf als der - aufs ganze gesehen sicherlich verbreitetere - Typus Schuleintritt und trüge auch dann noch dazu bei, die durch die strukturelle Polarität zwischen den Typen nyü-gaku und Schuleintritt manifestierte Kluft zwischen einem Teil der europäischen und einem Teil der ostasiatischen Kompositabildungen ein wenig zu verkleinern.

Anmerkungen

1 Substantivsatzattribute - die Bezeichnung 'Substantivsatz' übernehme ich, obwohl sie (was auch Lehmann sieht) nicht befriedigt, von Lehmann (1984: 46 und passim) - sind Attribute, die z.B. im Deutschen die Form von daß- oder indirekten Frage­ sätzen haben. 2 Ausnahmen sind, im Deutschen, nachgestellte Partizipi~.lkonstruktionen, die mit den Partizipien bestehend aus oder beruhend au/beginnen. Ahnliche Konstruktionen 90 Roland Harweg finden sich, eingeleitet durch die - entsprechenden - Partizipien bestaande uit bzw. berustend op, auch im Niederländischen. 3 Wenn Tompa (1968: 289) angesichts solcher Verbindungen sagt, es handele sich bei ihnen weniger um eine attributive als vielmehr um eine adverbiale Wortgruppe, so dürfte diese Einschätzung lediglich morphologisch, aber wohl kaum syntaktisch legitimierbar sein. 4 Man vergleiche z.B. den Ovid-Vers quas dedimus, certe terras habitare sinamus (Metamorphosen I 195), aber z.B. auch den Goethe-Vers die ich n'ef, die Geister (aus dem Zauberlehrling). Zumindest angesichts dieses deutschen Beispiels fragt es sich jedoch, ob es sich in ihm tatsächlich um einen vorangestellten Relativsatz handelt oder ob man den Vers nicht im Sinne der Formulierung die, die ich rief, nämlich die Geister lesen könnte (oder gar zu lesen hätte), wobei der Ausdruck die Geister dann nicht Bezugswort des Relativsatzes, sondern nachgestellte Apposition wäre. 5 Der Terminus 'Kupplungssatz' findet sich in Piaseks Bearbeitung der Elementar­ grammatik des Neuchinesischen eines Pekinger Kollektivs (1957: 89 f.). Englisch­ sprachige Grammatiken und Lehrbücher des Neuchinesischen bezeichnen die Konstruktionen als 'pivotal', so z.B. Chan (1951: 35), Chao (1968: 124) und T'ung & Pollard (1982: 46). 6 Zu Vorkommens- und Existenzsätzen (unter textlinguistischen Gesichtspunkten) vgl. Tschauder (1979). 7 Vgl. z.B. die Duden-Grammatik (1973: 390), Henzen (1965: 234) und Erben (1972: 130). Fleischer (1972: 63 f.), der den Terminus als einen Terminus der historischen Wortbildungslehre qualifiziert, hält es unter synchronischen Gesichts­ punkten, zumindest für bestimmte Fälle, für möglich, sowohl von Zusammenbildung als auch von Zusammensetzung zu sprechen. Brinkmann (1971: 120, 123 f.) scheint den Terminus 'Zusammenbildung' nur in bezug auf Adjektive zu verwenden. 8 Die Bindestriche zwischen den Gliedern der Komposita aus Sprachen, die mit dem Deutschen weniger direkt oder gar nicht verwandt sind, dienen nur dem Zwecke, die interne Struktur der Komposita zu veranschaulichen; sie entsprechen, in Sprachen mit Buchstabenschriften, in der Regel nicht der Orthographie dieser Sprachen. 9 Auf S. 105 seiner Grammatik (1975) charakterisiert auch Lewin sie als solche. 10 Die Begriffe Objekt und Subjekt sind hier handlungsbezogen und nicht eigentlich syntaktisch zu verstehen und insofern gegenüber der Opposition 'attributiv vs. prädikativ' neutral. 11 Für die Wiedergabe koreanischer Wörter verwende ich die Umschrift von Lewin & Kim (1978). Aus Lewin & Kim (1978) stammen auch meine koreanischen Beispiele. 12 Anstelle von ttide 'sein' müßte tä 'er' stehen.

13 Vgl. dazu die aus T'ung & Pollard (1982: 121, 65) stammenden chinesischen Sätze Zuo feijf ('going by plane') you kuizi you shafu 'Fliegen ist sowohl schnell als auch bequem' und Mai dongxi ('buying things') gei tä zhen nan 'Für ihn etwas zu kaufen ist wirklich schwierig'. Determinative Nominalkomposita 91

14 Eine dieser These auf den ersten Blick widersprechende Darstellung dieser Verbindungen von Verb und Nomen gibt Chao (1968: 415 ff.); denn Chao erkennt den Verbindungen aus Verb und (nachfolgendem) Objekt im Chinesischen auch unter bestimmten anderen Bedingungen den Status von Komposita zu. Bei genauerem Hinsehen jedoch scheint seine Ansicht der meinen nicht zu widerspre­ chen; denn als N 0 m i n a I komposita scheint er diese Verbindungen nur dann zu interpretieren, wenn sie exozentrische Komposita sind, d.h. ein implizites nachfolgendes Nomen determinieren (1968: 419 ff.); in den übrigen Fällen hält er sie, s 0 f ern er sie für Komposita hält, nicht für Nominal-, sondern für Verbalkomposita. Zwar sagt Chao nicht explizit, diese Verbindungen seien nur dann Nominalkomposita, wenn sie exozentrisch seien, er sagt lediglich - umgekehrt -, ein Verb-Objekt-Kompositum sei exozentrisch, wenn es beispielsweise als Nomen fungiere (1968: 418), doch glaube ich, daß der von mir gezogene Umkehrschluß der Meinung Chaos im Grunde nicht widerspricht. Dieser mein Umkehrschluß seiner These aber ist lediglich die implizite Variante meiner im Bezugskontext dieser Anmerkung geäußerten These, daß die genannten Verbindungen erst dann Bestandteil eines (Nominal-)Kompositums würden, wenn sie einem Nomen als determinative Gruppe vorangestellt würden.

Literaturverzeichnis

Bloomfield, Leonard (1933): Language, New York: Holt & Comp. Brinkmann, Hennig (1971): Die deutsche Sprache. Gestalt und Leistung, Düsseldorf: Schwann 21971. Chan, Shau Wing (1951): Elementary Chinese, Stanford: Stanford University Press. Chao, Yuen-Ren (1968):A GrammarofSpoken Chinese, Berkeley and Los Angeles: University of California Press. Duden-Granlffiatik der deutschen Gegenwartssprache (1973), bearb. v. P. Grebe unter Mitwirkung von H. Gipper, M. Mangold, W. Mentrup und Chr. Winkler, Mannheim: Duden-Verlag 31973. Erben, Johannes (1972): Deutsche Grammatik. Ein Abriß. München: Hueber. Fleischer, Wolfgang (1975): Wortbildung derdeutschen Gegenwartssprache, Tübingen: Niemeyer 41975. Henzen, Walter (1965): Deutsche Wortbildung, Tübingen: Niemeyer 31965 (11947). Langenscheidts Sprachführer Chinesisch P987), chin. Bearb. von K. Stermann u.a., Berlin u.a.: Langenscheidt 51987 ( 1983). Lehmann, Christian (1984): Der Relativsatz, Tübingen: Narr. Lewin, Bruno (1975): Abriß der japanischen Grammatik, Wiesbaden: Harrassowitz 21975 (11959). Lewin, Bruno & Kim, Tschong Dae (1978): Einführung in die koreanische Sprache, Heilbronn: Scherer 31978. 92 Roland Harweg

Pekinger Kollektiv & Piasek (1957): Elementargrammatik des Neuchinesischen (= Deutsche Fassung des grammatischen Lehrbuches der Universität Peking Jy fa giau cai, übers. u. bearb. von M. Piasek), Leipzig: Harrassowitz. Tompa, J6zsef (1968): Ungarische Grammatik, Budapest: Akaderniai Kiad6. Tschauder, Gerhard (1979): Existenzsätze. Eine textgrammatische Untersuchung vor dem Hintergrund bestimmter Positionen der modemen Sprachphilosophie, München: Fink. T'ung, Ping-Cheng & Pollard, D.E. (1982): Colloquial Chinese, London u.a.: Routledge & Kegan Paul. Austreiben eines bösen Krankheitsgeistes

Walther Heissig (Bonn)

Die Auseinandersetzung mit den bösen Geistern, die für Mensch und Vieh Krank­ heit und Verderben bringen, und ihre Vertreibung und Überwindung hat sich als eine der vordringlichen Aufgaben des zentralasiatischen Schamanismus herausge­ stellt. Über den Schamanismus der turksprachigen Ethnien Sibiriens und der Burjat-Mongolen sind in rezenter Zeit übersichtliche Untersuchungen erschienen.! Für den Schamanismus der Mongolen in den Gebieten der Mongolischen Volksre­ publik stehen seit 1959 drei Bände mit schamanistischen Anrufungen und Beschwö• rungen2 für die Forschung zur Verfügung, von denen ein großer Teil auch in franzö• sischer Übersetzung3 vorliegt. Auch über die schamanistischen Glaubensvorstellun­ gen der Ethnie der Darkhat im Nordwesten der MVR am Chövsgöl-See ist nun eine mongolische Monographie in Übersetzung zugänglich.4 Dank der Arbeit mon­ golischer indigener und chinesischer Gelehrter wächst auch seit einigen Jahren die Zahl der Veröffentlichungen von Materialien über den Schamanismus in den ost­ mongolischen Gebieten innerhalb der Volksrepublik China, und es liegen erste zu­ sammenfassende Darstellungen5 und Analysen vor. Aus dem Fundus von mündlichen volksreligiösen Texten, die in den frühen SOer Jahren, allen gesellschaftlichen Veränderungen, der landwirtschaftlichen und indu­ striellen Erschließung der östlichen Mongolengebiete zum Trotz noch aus der Gene­ ration der 60-80jährigen Mongolen aufgezeichnet werden konnten, soll hier ein Austreibungsritual für eine als böser Geist (cidkür) erkannte Seele (sÜllesü)6 behan­ delt werden, das als "Dämonen-Befriedung" (Cidkür nomudqaau) bezeichnet wird. Es zeigt sich daran erneut die schon öfter erwähnte synkretistische Veränderungn uralter Vorstellungen durch bewußte wie auch unbewußte Integration buddhisti­ scher ritualisierter Formen und Gedanken. Der Wortlaut dieses "Pazifizierungs-­ "Rituals ist um 19S2 nach dem Vortrag eines damals 61jährigen Schamanen aus dem Darkhan-Qori'}1l der Khortsin7 aufgezeichnet worden. Es weist thematische Ähnlichkeiten mit schamanistischen wie lamaistischen Bannungen von Krankheits­ geistern in Substitutsfiguren und Erdlöcher8 auf, und ich habe daraus bereits einige Zeilen andernorts zitiert.9 Es finden sich aber auch sprachliche Anklänge an die 94 Walther Heissig

Worte, mit denen ein ostmongolischer Schamane seine Hilfsgeister und Ong'}'Ot am Ende des Schamanisierens zum Vertreiben einer Krankheit entläßt,10 und zu einer Anrufung des Schamanen Mendübayar aus dem benachbarten Küriye-Gebiet. Bei diesen idiomatischen Übereinstimmungen scheint es sich um Überreste von Proto­ typen von Anrufungen lokaler Schamanengruppenll zu handeln, die sich. zu ste­ reotypen Formeln entwickelten. Nur der Vergleich vieler solcher Anrufungen kann sowohl diese Frage wie auch die nach gleichen geistigen Inhalten aufklären. Die "Dämonen-Befriedung" lautet: 12 "Gibt es ein bereits angebundenes Pferd? Geist, unsere Zauberkraft Ist nicht zu besiegen, siehst du des Tages Sonnenlicht? Dir ist es ein Zeichen, wiederzukehren (?) 5 Wenn man dich in das Tiefland legt Wird man Dir nicht Seidengewebe umsonst geben? Wenn man dich ins Flachland legt, Hat man dich da zur Nachtruhe vergeblich vertrieben?13 Hörst du auf, Übel zu verbreiten? 10 Spitze nicht die Ohren! Schütze dich nicht mit dem Hemd! Es sind die Zauberkräftigen mit dem Kleid mit (Eisen-)Ringen ge­ kommen, du Geist Mit dem geworfenen Stock dich zu unterdrücken, Geist Drücke dich nicht mit dem Rücken davon, 15 Es sind die Zauberkräftigen mit dem bunten Kleid 14 gekommen, Dich, der die Krankheiten verstreut, zu schlagen! Eh, Geist! Drück dich nicht nach rückwärts fort, Geist! Schütze dich nicht mit dem Kleidersaum, 20 Es sind die Zauberkräftigen mit dem Pfeilköcher gekommen, Dich, der das Gift verstreut, zu verfolgen, Eh, Geist! Den zehntausen Pfund (schweren) Stein Drücke ich auf seinen Schädel, Geist! Nagle den eisernen P'urbu-Zeremonialdolch15 25 Auf den Herz, Geist! Presse dir auf die Stirne Den tausend Pfund (schweren) Stein, Stoße dir auf die Brust den Stachel mit dem Zypressenholzgriff!16 30 Wie eine Ziege will ich dich schlachten,17 Will dir folgen, nachdem ich an deine Schuld gedacht, Um deinem Tun ein Ende zu machen; Ist nicht an deine Wiedergeburt zu denken! Wie ein Rind will ich dich töten, 35 wm dir folgen, nachdem ich an deine Folgen gedacht! Beenden, daß du Krankheiten verstreust! Denkst du nicht an deine Wiedergeburt, Geist? Wenn du die mit dem bunten Kleid hörst, Laß ab von deinem Verbreiten chonischer Krankheit, 40 Wende dich ab von deinem Verbruß zu verbreiten. Bringst du keinen Verdruß, dann Austreiben eines Krankheitsgeistes 95

Laß uns zu zweit die Kragenknöpfe lösen, Laß uns zu zweit auf übliche, freundliche Weise sprechen. Zu zweit wollen wir dann die Seitenknöpfe öffnen 18 und 45 Zusammen auf zivile Weise reden, Ehe wir einander begegnen, Heh, Geist! Es gibt doch, daß drei Tiere vom Berg, die Nachdem sie sich trafen, miteinander schön sprachen, Und es gibt doch auch drei Adern in den Lippen 50 Bevor sie zueinanderpaßten, Heh, Geist! Es gibt drei Tiere in der Steppe auch, die Wenn sie kamen und übereinstimmten, miteinander sprachen, Und es gibt im Gaumen doch auch drei Adern!19 Von uns, die wir mit Trommelklang 55 Eingreifend gekommen, Mach dich nach hinter hinüber davon! Von uns, die mit dem Klöppelschlag20 Betend gekommen sind, Geh aufgefordert dort hinüber und 60 Nachdem du im Zelt hinten Platz genommen, Geht es nicht, Schaden zu verstreuen! Bei den Leuten, bei denen du als Gast gekommen Geht es nicht mit Füßen und Händen zu stoßen! Nachdem du dich dem schwarzen Lama hast ergeben, 65 Geht es nicht, uns hier schlecht zu machen. Nachdem du in einem Monats Spanne hier gesessen, Geht es nicht, deine Gedanken zu verbreiten, Laß es sein, uns grundlos zu schaden. Es geht nicht mit Füßen und Händen 70 Nach den Leuten zu stoßen, die miteinander kamen. Nachdem du an dem Brunnen Platz genommen, Geht es nicht (dort) Gift zu verstreuen. Nachdem du dich dem bösen Lama hast ergeben, Nenne den im rotbraunen Kleid nicht schlecht! 75 Erwecke (aus) schlechtem Schlaf Vermindere schlechte Blutklumpen. Nimm hinweg bösen Zorn Führe den Blinden, Geleite schützend den Betrunkenen, 80 Stütze den Lahmen, Führe den armen Schwachen! Geh jenseits des abgeschnittenen Baumes Spitze, Verbringe die Nacht am Obo und einer Gräberreihe, Geh an der Spitze des gestürzten Baumes vorbei, 85 Verbringe die Nacht mit schlafend liegenden Leichen, Geh und verbringe an der Spitze geschlagener Bäume Die Nach mit Cali cali Buman! Inmitten von Tamarisken und Unterholz,21 Am Grab, das zum Sammelplatz geworden, 90 Ist das Gebiet der Behinderungen,22 Rasch entspringe dorthin, Geh nicht auf den Weg der Menschen Geh den Weg der Leichen Geh nicht den Weg der Vielen 95 Geh den Pfad des Ongghon. 23 Geh nicht den falschen Weg 96 Walther Heissig

Geh den Weg der Buman!24 Von uns sogenannten Tugend(haften) Heb' dich rasch hinweg 100 Von uns, die mit Trommelklang Eingreifend gekommen sind, Geh dorthin zurück! Von uns, die mit KlöppelscWag Betend gekommen sind, 105 Heb dich dorthin hinweg!" Inhalt und Gliederung weisen dieses Lied als für die Bannung eines Krankheitsgei­ stes gebracht aus. Es beginnt mit einem Hinweis auf eine Substitutsfigur (joli'Y) , die mit Kleidern bekleidet in der Steppe ausgesetzt wird, nachdem der Krankheits­ geist in diese Figur gebannt wurde (Zeile 1-20), weist dann auf die Einpflockung dieses Geistes in einem Erdloch hin (21-31), die unter Verwendung der im Lama­ ismus ebenfalls verwendeten Zeremonialdolche und Pflöcke erfolgt und ist von Gedankengängen und Phrasen aus den buddhistischen Totenzeremonien beeinflußt (32-81) und von der Abhängigkeit der Form der Wiedergeburt durch gute Taten, endet aber dann doch mit der Vertreibung aus dem Bereich der Lebenden (81-105). Die dabei zu beobachtende Parallelität des Ausdrucks mit ähnlichen Texten zeigt auf die nur mündliche Tradierung der Schamanengesänge hin.

Anmerkungen

1 N.A. Alekseev, Samanizm tjurkojazycnych narodov Sibiri, Novosibirsk 1984 (dtsch. Übers.: R. ScWetzer, Schamanismus der Türken Sibiriens, Hamburg 1987); E.S. Novik, Obrjad i fol'klor v Sibirskom Samanizme, Moskau 1984; T.M. Michajllov, Burjatskij Samanizm, Novosibirsk 1987, G.R. Galdanova, Dolamaistskie verovanija a burjat, Novosibirsk 1987. 2 B. Rintchen, Les Materiaux pour l'Etude du Chamanisme Mongoi I-III, Wiesbaden 1959-1975. 3 M.D. Even, Invocations chamaniques Mongoles (Dissertations-Druck), Paris, Juni 1987. 4 S. Badamhatan, Les chamanistes du Bouddha vivant (übers. u. bearb. M.D. Even) in: etudes mongoles ... et siberiennes 17, Paris 1986.

5 Saman jiao yan jiu, Shanghai 1985! K. Buyanbatu, Mong-yol-un bögeyin sasin-u ucir, Hailar 1985! Cigci-Tajid-Batatur, Andai, Kökehota 1984! W. Heissig, Schamanenlegenden und ihr historischer Hintergrund, in: (Fest­ schrift f. N. Poppe) Wiesbaden 1988, (dort weitere Literaturangaben). 6 Zu diesem Begriff C.R. Bawden, Calling the Soul: A Mongolian Litany, in: BSOAS XXV: 1962, 83 Anm.2. Austreiben eines Krankheitsgeistes 97

7 O. Lattimore, The Mongois of Manchuria, London 1935, 206-212. 8 A. Särközi, A Mongolian text of exorcism, in: M. Hoppal (ed.), Shamanism in Eurasia, II, Göttingen, 325-343; Cutting the Lasso, in: AOH XXXIX, 39-44; Symbolism in exorcising the spirit, in: Religious and Lay Symbolism in Altaic World, (Proceeding of the 27th Permanent International Altaistic Conference 1984) Wiesbaden 1988. 9 W. Heissig, Banishing of lllnesses into Effigies in Mongolia, in: Asian Folklore Studies XLV-I: 1986,33-34. 10 K. Buyanbatu, 1985, 48-49. 11 W. Heissig, Zur Fragen der Homogenität des ostmongolischen Schamanismus, in: Col1ectanea Mongolia (Festschrift für Prof. B. Rintchen zum 60. Geburts­ tag), Wiesbaden 1966, 81-100. 12 Uya-yacu ugei mori bayinu Uqa-yan cu bidanar sünesü Edür-ün nara-yi üIeIü deyilekü ügei. cini Ebegegsen-ü cini temdeg yum. 5 Door-a -yaJar talbibasu Durtung-yi"gini duta')'U ögkübeü? Qoto')'Ur -yaJar talbibasu Qono"}'-i Cini duta')'U kögegecebeü? Qoor qayaqu. cini ta-yaranu? 10 Qiki-ban buu qandu Ca-yari '}'tu degeltü uqu')'Utan iregsen yum. ci sünesü Sildesü qaya1San cimayi da-yara. sünesü-yi Aru bar-iyan buu uqur-a. 15 Engger-iyer iyen buu qalqala sünesü. Eriyen debeltü uqa')'Utan iregsen yum. Cini EbedCin qayatan. Cimayi-yi da-yan-a sünesü e! Qoyisi-ban buu uqura sünesü Qormoi-bar buu qalqala! 20 Qobdu-yin uqa')'Utan iregsen yum. Cini Qoor qa1.atan. Cimayi. da-yan-a sünesü e! TÜIDen Jing-un Cila')'U-yi Terigün-ü degere Cini darun-a sünesü! Temür purbu qada-yasu-yi 25 Jirüken deger-e cini darun-a sünesü! Ming-yan jing-un cila')'U-yi Mangnai degere Cini darun-a Mayilasun esi-ki qada-yasu-yi EbCigün-degere cini qadan-a. 30 Ima-ya adali alacay-a cimayi-yi Yala-da-yan bodu-yad yabu')'Uluy-a. Yabudal qayaqu cini da-yaraqu. ErgiIü törökü-ben bodaqu ügei uu? Üker adali alay-a Cimayi 35 Öri-degen bodo-yad yabu')'Uluy-a Ebedcin qayaqu. cini da-yaranu ErgiJü törökü-ben bodoqu ügei uu sünesü Ala'Y debeltü sonusabal Arqa'Y qaya1San-iyan aldara-yaJu ab 40 Ursh qaya1San-iyan ergjgülJü ab Ursh iregülkü-ber yabuJu bolqu ügei Ja-yama tobCi-ban tayiluy-a qoya')'Ula 98 Walther Heissig

jang-tai eng-tei kelelcey--e qoya-yula. Engg"er-ün tobCi-ban tayiluy-a 45 Eng Jangtai kelelcey--e qoya-yula A-yuljaqu-aca urida sünesü e A-yula-yin '}Urban görügesü yum siu UCira-yad sayiqan kelecebel(e) Uru-yul-un '}1lIban sudasu yum siu 50 Ta-yaraqu-aca ban emüne sünesü e Tala-yin '}Urban görügesü yum siu Ta-yara-yad sayiqan kelelCiged irebel Tangnai-yin '}Urban sudasu yum siu. Kenggere-yin da'}Uu-tai 55 Kilgeged iregsen bidanar-aca Gedergü casi-ban yabu! Janci'}Ur-un da'}Uu-iyar JalbariJu iregsen bidanar-aca Jalaraju casi-ban yabu. 60 Ger-ün qoyidai sa'}U-yad Gem-iyen qayaJu bolqu ügei. GeyiCileJü iregsen IDus-ud-tu Köl .,.ar-iyan qayaJu olqu ügei Qara lama-duni bari'Yda-yad 65 Edeyen man-i ma-yulaJu bolqu ügei Sara-yin qo-yorun ni sa'}U-yad Sanal-iyan qayaju bolqu ügei Saba ügei man-i ma-yulaju bolqu ügei Kürülceged iregsen ulus ud-tu 70 Köl xar-iyan qayaJu bolqu ügei Quddu'Y deger--e ni sa'}U-yad Qoor qayaju bolqu ügei Qorton lama duni bari'Yda-yad Qong-yor debeltü-yi buu ma'}U kele 75 NoY.ir ma'}Utu-ban sergüge Nöji ma'}Utun-ban da-ya-yul-a. A-yur ma'}Utu-ban abu-yaCi Soqor-i ban kötüle So-yto-yu-yi ban tüsin Jalara. 80 Do-yulang-i ban tüsi Doroi ma-yutu-ban kötüle O-ytIDu'YSan modun-u oroi cinaEi yabu! Obo-ya cobu-ya kegür-iyer qonoJllan yabu! Körbegsen modu oroiCilan yabu! 85 Kebtege unta-ya kegür-iyer qonojilan yabu! Cabci'YSan modu oroicilan Cali cali buman-iyar qonoJilan yabu! Suqai kere modun dumda Cu'Ylang-ya boldas kegür-tü 90 Silta-yan barcid-un ayima"....ci Salab casi-ban tonil! Kümün-ü Iam-iyar buu yabu! Kegür-ün Jam-iyar buu yabu! Olan-u Jam-iyar buu yabu! 95 Ong-yon-u Jam-iyar yabu! Buru-yu Jam-iyar buu yabu! Buman-u Jam iyar yabu! Austreiben eines Krankheitsgeistes 99

Buyan &,edeg bidanar-aca Busi')'U JayilaJu yabu! 100 Kenggerege-yin da')'Un -iyar Kilgeged iregsen bidanar-aca Gedergü casi-ban yabu! JanCi')'Ur-un da')'llll-iyar JalbiraJu iregsen bidanar-aca 105 Jayilaju casi-ban yabu!

13 Hierzu finden sich Ähnlichkeiten in einem Bannspruch eines Schamanen aus dem Küriye-Gebiet (W. Heissig, 1986, in: Asian Folklore Studies XLV, 36-37).

14 eriyen debel N ala-y debel ist ein immer wiederkehrendes Epithet der mongoli­ schen Schamanen (Buyanbatu 1985, 83; W. Heisig, in: Folklore Studies III, 1944,44,69, Abb.l.) 15 Diese aus dem tibetischen Lamaismus übernommenen Zeremonialdolche sind im ostmongolischen Schamanismus oft zu Holzpflöcken geworden, mit welchen die Grube abgegrenzt wird, in die die bösen Geister oder ihre Effigien gebannt wer­ den (W. Heissig, Schamanen und Geisterbeschwörer im Küriye-Banners, in: Folklore Studies (Peking 1944) III, 54; A. Sarközi, 1984, 325-343). Für tibet. P'urbu-Ritual: Th. Marcotty, Dagger Blessing, The Tibetan Phurpa Cult: Re­ flections and Materials, Delhi 1987. 16 Asian Folklore Studies 1986, 33-34.

17 Das böse, unheilbringende Ungeheuer der mongolischen Heldenepen, der Mang')'Us, wird oftmals wie Schaf und Rind getötet (W. Heissig, Erzählstoffe rezenter mongolischer Heldendichtung, I, Wiesbaden 1988, 72sg (10.6.-8). 18 Zuknöpfen der meist 72 Knöpfe des mongolischen Kaftans vor dem Aufbruch sowie das Lösen der Knöpfe am Kragen und der Seitenaufschläge bei Ruhe oder vor dem Ringkampf gehört zu den oft im mongolischen Epos auftretenden Phrasen. 19 Eine analoge Stelle zu dieser Einigkeit illustrierenden Metapher findet sich auch in einem Beschwörungslied eines Schamanen aus dem ostmongolischen Küriye-Gebiet:

Na'yi')'Ur .ayas-iyc:n qanggina')'lllu-yad ire Je naYl ')'Ilf naYl ')'Ur Namayi da-ya-yan sajila')'lllu-yad ire da Je nayi ')'Ur nayi ')'Ur Ucaraqu-aca ban uridai a')'Ula ')'Urban görügesü-e je nayi')'llf nayi ')'Ur Ucara-yad kelelcebel uru')'lll-un ')'Urban sudasu e Je nayi ')'Ilf nayi')'Ur Tay.uaqu-aca ban uridai tabun ')'Urban görügesü e Je nayi')'Ilf nayi ')'Ur Tay.tra-yad kelcebel tang-yari-y nige-tei bisiu je nayi')'Ilf nayi')'Ur Ein ebenfalls Naigür betiteltes Schamanenlied der östlichen Burjaten bei N. Poppe, Burjat-Mongol'skij fol'klorny i dialektologiceskij sbornik, Moskau­ Leningrad 1936, 72-73, weist keine Ähnlichkeiten auf. Wie weit Zitate aus einer selbst so speziellen mündlichen rituellen Poesie wandern, zeigt sich am Auftre­ ten der Zeilen 50-53 aus dieser schamanistischen Bannung in einem rezenten 100 Walther Heissig

Frage und Antwortlied "Begejing" (Peking) von Badma, das damit beginnt: Tanileaqu-aca ban emüne kill Tala-yin '}'Urban görügesü Ta-ya.raju kelelceged irebel kill Tangnai-yin '}'Urban sudasu

Ba-ya.tur Ceeeg, Mong70l arad-un amam Jokiyal-un tuqai, Hailar 1985, 202). 20 Eine der vielen Namen für den Schlegel der Schamanentrommel. (T.M. MichajIov, 1987, 109-110; N.A. Alekseev, Schamanismus, 1987, 208-221, Abb.14; Ostmongolischer Trommelschlegel, W. Heissig, 1944, Abb.6). 21 < Kerüü ~IDsyn ner tom'jony komissyn medee 89-90, IDanbator 1973, Nr.15221) I Niedriges Holz. Gestrüpp"; Nr.15113: ger-ün uyang-ya.tu modu, Nr.15114, kegere-yin uyang-ya.tu modu, bezeichnet verschiedene Arten von Gestrüpp und Kriechgewächsen. 22 In einem ostmong. Gebet an den Jaya-ya.Ci tngri: Silda-y barCid-i aril-ya.Ju. 23 Ähnlich in einem anderen ostmongolischen Gebot, die Ongghot-Hilfsgeister zu entlassen (Ong70d morda'}'ll1qu): Kegür ong')On-u eIed QariJu oron da-yan yabu e Keger--e to'}'Urida-y keyicid Kebtekü oron~a-ya.n yabu e. Kümün-ü Iam-iyar buu OIO. Kegür-ün Jam-iyar yabu e Man-u Jam-~ar buu oro Mangqan-u Jam-iyar yabu e. ...K. Buyanbatu, 1985, 48-49

24 < ba'}'Umal N buumal (LA. ManZigeev, Burjatskie samanisticeskie dosamanisticeskie terminy, Moskau 1978, 31). The Question of Korean Aesthetics Reflections of a Korean Ceramies Collector

Gregory Henderson t (Cambridge, Massachusetts)

Korean art is, and for some time has been, an established field. Many non-Koreans, east and west, north and south, have heard of Korean for the first time - and perhaps ultimately most favorably - through art. I myself did; two years before I first met Koreans during the 1944 invasion of Saipan, I had already heard of their ceramic arts through Langdon Warner's art course at Harvard. This interest has broadened without slackening for forty-five years.

Art leads to aesthetics: the study ofwhat is involved in the creation, appreciati­ on and criticism of art and its relation to other human activities and interests. Yet, strangely, Korean aesthetics, even in general but at least in the sense of formulati­ ons of Korean art devised by pre-20th century Koreans, remains an almost unknown subject even while the interest and study of Korea's art itself constantly increases, both inside Korea and out. Most studies of Korean art, both Korean and foreign, fall even to mention Korean aesthetics: it does not appear, for example, as an indexed subject either in Mrs. McCune's nor Andreas Eckhardt's entire Korea art volumes.1 The gap between art and aesthetics has emerged as one of several puzzling lacunae and paradoxes within Korean studies. This article must confine itself more to introducing and tentatively probing than to surveying Korean aesthetics, especially the aesthetics of pre-1850 Koreans about Korean art, which needs far more thorough-going research and exposition, a research in numerous chinese-Ianguage sources which, most curiously, Korean scholars have so far neglected to explore with published results. What is it within Korean arts, above all visual arts, which explains so strange an omission midway between the aesthetically-explored Chinese and Japanese worlds? We need some initial hypotheses. For it appears that pre-twentieth century Koreans may not have had the same attitude toward art in general and thier own 102 Gregory Henderson art in particular which Chinese and Japanese aestheticians and art observers brought to bear on the arts of their own cultures. What strikes one first in beginning to probe this area is the social dimension of Korean art: based on the theory that, in a society of strongly-asserted structure, the literati might have been chary of talking about Korean arts if they connected them with a world and with occupations below their own. And, indeed, the two strikingly different worlds within Korean art would strike one as having great potential for generating just such areaction. For Korean art was strongly socially bifurcated. There was the world of literati art, comprising virtually all calligraphy and a major proportion of painting, especially bamboo and landscape painting, the literary arts, of course, but not a great deal else unless one includes archery and, debatably, some urban planning, tomb siting or occasional house or garden planning. Then there was the lower world of all other arts. Virtually all other arts, especially pottery, sculpture, music, dance and drama and all those crafts for making furniture or tasteful objects in wood, iron, stone, paper or (except for some gentlewoman embroidery) textile, which, at their best, merge into art, were performed and often even planned by the lower classes until at least the beginning of the present century. Since pottery comprises a larger number of examples than allother surviving dynastic arts of Korea put together, and since the other socially 'low' arts were also numerous and productive, it is clear that a very considerable majority - at least 75 %- of all surviving traditional Korean objeets which Westemers, at least, would be inclined to describe as art were made by the then lower classes of Korea.2 These classes were, in large degree, illiterate, though numbers of low-bom painters attached to the royal court or the Towhaso (official art academy) as professionals, like An Kyön (1418-?) or the former slave Yi Sang-chwa (fl. mid-16th century), found ways - presumably informal ways - to become literate: itself an interesting and little-explored process. What we call art and what the Korean literati called art are, of course, two different things. There was a distinct tendency for the Yangban to glorify as art only the calligraphy, painting and poetry which they themselves could create and to relegate to the craft category of "lowly expertise" all the rest. This means that the majority of what we today call Korean art was largely created outside the literary and intellectual traditions of Korea. That is to say, most Korean art in our sense was not subject to much formal or published discussion concerning its nature, The Ouestion of Korean Aesthetics 103 origins, style or purposes and while it was undoubtedly subject ot informal criticism and to the forces of official - hence literate - patronage and even connoisseurship, it seems to have been little subject to written criticism, except, perhaps, in usually unpublished sources such as colophons and letters.3 This does not mean that some Korean literati did not expatiate on the general subject of art and even aesthetics. Prom Ch'oe Ch'i-wön's (857-915) Kyewon p'ilgyong, (Essays of a Judas-tree Garden) through Kim Chöng-hUi's (1786-1856) "Mukböppyön" chapter on calligraphy in Wandang sonsaeng munjip (Anthology of Teacher Wandang) there are such writings in the early, middle and late Yi dynasty, but it appears that, at least until about 1770, very little such discussion was directed at Korean art itself and even less at ceramics, sculpture and the 'lower' arts.4 Even when, as in the Pukhagrli (Discourse on Northern Learning) of Sirhak scholar Pak Chega (1750-?) pottery is referred to, the reference is derogatory: in comparison with Chinese ceramics, "our country's pottery is very coarse. Covers don't fit and pieces wobble".5 How exceptional a general world condition this origin of arts in the lower classes was - or whether it was exceptional at all - is a subject too far-reaching and complex to be examined here. Perhaps almost the same can be said of China, although there the weight of court taste on pottery was usually almost certainly greater than it was in Korea except for the 11th-13th centuries. Very likely it can be said of India; and perhaps still more generally. Certainly, there are countless cultures of enormous artistic production and value - most of Africa and the pre­ Columbian Western Hemisphere among many - which were illiterate cultures; hence all their art existed outside a literate tradition. Some of Europe's art and much in the Near East rose out of illiterate environments. This does not reduce aesthetics to non-existence in these midsts; only to a certain evanescence within oral traditions. Nor, of course, does it mean that the art produced was any less worthy. Even an opposite hypothesis is possible: that when one does not perceive one's life and surroundings through literature, partaking of life through visual, musical or dancing experience, art becomes more essential. Such art is hence exalted in its role. And this, too, is important to remember even in the instance of so famously literate a culture as Korea's: for beneath that literate exterior, there were many villages and mountain areas which had no literati and were largely divorced from a literate existence and one feels, I think, something of the urgent artistic pull of 104 Gregory Henderson such places for which the visual, dancing and musical arts dominated all channels of expression, tugging under the surface as we face Korean art and aesthetics as a whole. For the high-born, 'folk art' may have been the low road; but it was the low­ born's highroad to understanding and expressing existence. Was the relationship of sodal dass to art in Korea exceptional either in general cultural experience or in removal from literate pressures? The question needs more examination and debate. But whatever the problem's overall dimensions, there are indications of somewhat peculiar subordinate problems, problems which make Korea stand out among other great cultures. One such problem is that ofpatronage, a largely unexplored quandry helpfully broached by Mrs. McCune. Korea's system of patronage seems to have diverged rather widely from that of most famous cultures, induding the related, neighboring cultures of China and Japan; its divergence with the European tradition of patronage is so broad as to constitute one of the most striking of many Korean contrasts with Europe. Within patronage, with very few exceptions, no Korean until the middle of the 19th century seems to have been famous as a collector. That is, of course, different from asserting that no one collected; merely that collecting was rarer and brought to less overt farne and attention with fewer of the prideful expressions it had in China: formal catalogues, collection nemes and seals, biographical references to collecting, sodal occasions organized around collecting. That active practise ofaesthetics which collecting has represented for so many leading cultures, induding prominently China, seems to have been practised extraordinarily and puzzlingly little in Korea. One objective sign of this is that, though Koreans otherwise share China's great seal tradition, with few exceptions and until the last century, Koreans almost never had seals glorifying personal collections as the Chinese do and did. Based on sources currently available to us, it appears that, through 518 dynastic years, no Yi King seems to have made, sought to make or to transmit, a significant art collection. One handscroll by Yun Sun (Paekha) (1680-1741) in the Joseph Carroll collection still has a collector's seal with the royal crest. Perhaps this indicates a royal collection of some kind at one time. Perhaps it only simulates one. But how large the collection, if any, might have been, how long it lasted and, above all, what happened to it seems to be completely unknown or, at least, undivulged. Rumors abound about this extraordinary situation. Some believe a Japanese administrator of the Yi Household made off with or dispersed the collection. Some The Question of Korean Aesthetics 105 believe that chronic dispersal may have taken place after the deaths of monarchs so that successors would not inherit with old objects the bad fortune of previous owners. Yet the apparent lack of any substantial statement or record in so literate and record-keeping a culture seems perplexing, even unprecedented. In any case, when the Yi Household Museum was founded under Japanese influence in 1909, its former Director told me that not a single art piece in it had come, then or subsequently in the Museum's half century of existence, from the Royal Household. For a half-millenial dynasty, this constitutes a fact so strange to Europeans as almost to beggar belief. There are a very few exceptions to this absence of prominent collecting. Anp'yöng Taegun, Sejong's son (poisoned in 1453), is known to have had a fine collection of Chinese paintings. Some Koryö kings probably collected: certainly Kings Uijong (1146-1170), and Kongmin (1351-1374) were aesthetes, the latter being also a painter. In the 2nd quarter of the nineteenth century, a painter, epigrapher and leading statesman (at one time premier) named Cho In-yöng (Unsök) (1782-1850), also a friend of the famous calligrapher Kim Chöng-hiii (Chusa, Wandang) (1786-1857) formed a fairly systematic, comprehensive collection of portraits which in part survives. This could have been motivated by Confucian piety as weIl as by artistic considerations.6 A few prominentyangban are known, in the later 19th and early 20th century, to have had painting collections, although they do not seem to have organized aesthetic activities prominently around them; nor did they last long. But with these exceptions, Mr. Chun Yöng-p'il (a non-yangban descendant of Seoul inn-keepers) seems to have been the first Korean within Korea widely known as a prominent and devoted collector who also used his collection to spread aesthetic appreciation. He seems also to have been Korea's first known collector of ceramics. Mr. Chun's inspiration for these innovations seems to have been Japan, certainly in the patriotic sense that he wished to rescue valuable pieces from Japanese purchasers and return them to, or keep them in, Korea; but also because the passionate collecting habit of so many private Japanese seems to have constituted for hirn, later for others, a kind of inspiration or model. 'Within Korea', we said of Mr. Chun's collecting innovation. For there was one Korean renowned as a collector in the early 18th century: incredibly, the son of a Korean slave in the family of a Manchu Minister. This man, An Ch'i, born in China in 1683 (?) and a salt merchant, became famous as a connoisseur of Chinese 106 Gregory Renderson painting and calligraphy and also used his collection to sharpen his own and other's aesthetic sense? But An Ch'i had become Chinese, collected and lived in Tientsin, and never, to anyone's knowledge, so much as visited the land of his once-humble fathers. An's example, however, sets us on the path toward seeking the seerning restraints within Korea's own social, artistic or political culture which inhibited a collecting instinct which otherwise would earlier and better have been expressed in Korea, stimulating the development of aesthetics among Koreans. What these inhibitions were seem not thus far to have been probed. Jealousy, rumor and the threat of confiscation undoubltedly constituted one duster of inhibitions for this, as for so many other, signs of personal wealth and display. Perhaps the monarchs, after Anp'yöng Taegun, failed to colleet because the Yi Academy of Arts (Towhaso) did so and they may have thought this an institution more responsible than they for collecting, an institution they were loath to riyal. This constraint rnight have been abetted by the Yi censorate, ever a sedulous watchdog against monarchal extravagance or excessive assertiveness in the Yi tradition of puritanical revolt against what was regarded as the sybaritic extrava­ gances attributed to the Kory6 court. These are guesses, however; we do not really yet know. Though notknowing, we can suspect. I suspect that undemeath private censoriousness and public censors lies the same basic Korean cultural characteristic. Collecting seems to have been viewed as a kind of surplus neither used for subsistence nor benevolence. The late Rahm Pyong-Choon in a thoughtful artide, speaks of Yi dynasty (and general Korean) attitude toward such surpluses as marked by "uneasiness". "As soon as wealth was to be accumulated for purposes other than subsistence or generosity, it immediately became an object of suspicion and distrust was that such surplus was thought to have the propensity to destroy the basic decency in the man who accumulated it. To paraphrase the common Korean parlance, surplus wealth was liable to cause its possessor to "lose his humanness". Such "threat to humanness came...from the change in interpersonal dynarnics which the possession of surplus wealth usually forced upon its possessor. The problem was rniserliness..."s Neither Dr. Rahm nor anyone else, to my knowledge, has brought the subject of art collecting within this general context; but I believe it belongs here and continues to this day in Korean attitudes. Exactly why Korea developed stronger instincts of this sort than either of her dose, culturally-related neighbors The Question of Korean Aesthetics 107

is a subject which no one, including Dr. Hahm, has yet explained. Yet I believe it is so. The question ofKorean collecting needs further exploration on many historical, cultural or philosophical grounds. But it is intensely germane to our theme because the collecting function has, historically, been a central one in the formation and expression of views, standards and appreciation of art. Its comparative absence in Korea takes us a step forward toward understanding the apparent relative neglect of aesthetics by Koreans about their own art. There remains the question of the high, prestige world of Korean calligraphy and painting. Here we should seek to know and to assemble in one text all references which might throw light on Korean aesthetics. These are more likely to be in private sources, such as munjip (personal anthologies) or colophons than in official records, and it is such private sources which have been the slowest to be exploited and remain largely umead and unpublished. Some fifteen or more sources of at least general aesthetic observations have been found and others, perhaps many others, may be found because aesthetics was part of the Sino-Korean intellectual tradition and because, though large-scale collecting pursued with determination seerns absent, Koreans, especially within a certain chungin or middle-technical class circle had or inherited smaller collections on which they did exchange or solicit opinions in the course of which colophons were written. Thus there was, and long had been some connoisseurship in Korea. But this connoisseurship seerns to have been insufficiently concerted, developed and socially well-located to engender an embracing and independent aesthetic about the independent nature of Korean art in general or of the 'lower class' arts, like ceramics, in particular. While it can perhaps be answered that artistic nationalism was slow to develop in most cultures, such slowness does not characterize the aesthetic which the Japanese elaborately constructed for simple, early Yi folk ceramics from the mid-sixteenth century on. It will be interesting to see whether Koreans did anything comparable regarding their own arts until far more recent times. Until at least the mid-17th century, for example, there is reason to believe that Korean disquisitions on aesthetics uncoupled from Chinese models may weIl have existed little if at all. It was, of course, early Yi policy to take her cultural and political cues from the Ming, casting Chosön in the form of a 'little China'. Even in the area of language, in which it was hopeless to try to bring Korea into 108 Gregory Henderson conformity with China, this policy inhibited King Sejong's beloved han'gUl fram gaining currency among the literati. How much more difficult would it then have been to create an independent Korean aesthetics in the area of arts in which differences, but differences far less unbridgeable than the linguistic, then separated Chosön from China! Differences, in the related field of philosphy, which gradually came to exist and to affect the value system may weH also have deflected Yi Koreans away from embracing speculations on material or artistic objects. The victory in the 16th century, associated with Toegye (1501-1570), of the Chu Hsi philosophy in Chosön trended toward abstract metaphysical speculation rather than philosophizing about material objects or even trends. More than that, the very human tendency to glorify man in terms of material objects which one sees so prominently in the West but also in many Chinese, such as the Emperor Ch'ien-Iung, was eviscerated in Korea by T'oegye and his schanI. Absent in Korea are the paintings of literati admiring paintings or surrounded in palaces by splendid objects. Painting does not even represent man in terms of the real universe but as gingerly encraaching on the edge of spiritual landscapes. Thus along the edges of many values shared between the traditional Chinese and Korean elites were some values bearing on aesthetics which remained unshared. Any attempt at independent Korean aesthetics, moreover, would, as in so many fields, have run head on irrto the problem of matching China's long-established prowess. Already in the fifth and early sixth centuries, Tsung Ping and Hsieh Ho had laid down the foundations of aesthetic philosophy. Such principle as the first, the eh 'i-yun ('spirit-consonance') cosmic or natural energy to which the painter must attune himself, was itself deeply embedded in Chinese philosophy already richly internalized by Yi culture. Others, like the ku-fa ('bone-means') principle was fundamental to the art of the brush, then already at least a millenium old in Korea. Then came the rich pictorial vocabulary of Sung "type forms" and texture strokes, the art essays of Ching Hao and Kuo Hsi, the art criticism of Tung Ch'i-ch'ang and, in 1679, the Painting Manual of the Mustard Seed Garden. These, and much else, constituted a formidable tradition, probably the world's most formidable consistent aesthetic tradition.9 One could, of course, imagine Korean variations on these principles and canons such as the Japanese 'tea ceremony' culture or, in philosophy, the work of T'oegye represented. Yet they would not have been easily generated The Question oJ Korean Aesthetics 109 by the vastly smaller, less urbanized intellectual circles of Yi Chosön. Thus far, it does not appear that they were so generated, though unappraised or unpublished sources may yet revise this oppinion. Even if the signal Chinese formulations on aesthetics constituted a standard hard to excel, the question arises as to whether Korean art, of either the upper or the lower worlds, set up vis a vis China a sufficient contrast, a sufficient, consistent artistic entity, to constitute natural ground for the formulation of an independent Korean aesthetic. Again, this is an arena of debate too spacious to be traversed here. Very generally, for the craft-art world beneath the yangban the answer seerns most likely to be 'yes'; indeed, the aesthetic formulations of tea ceremony in Japan about early Yi pottery have already given a positive answer to a portion of this question. Whether an equally positive retort can be given in the instance of yangban art remains in doubt. An independent aesthetic for Korean literati painting and calligraphy as a whole and for the earlier periods has yet to be convincingly formulated. This does not mean that it cannot be divised; only that it has not been, at least satisfactorily. Korean literati art is explicitly and obviously derivative from Chinese models. Yet the niche within Chinese art traditions which it carved for itself may still be quite an individual niche. Though closely linked to the Ming, early Yi painting seerns, for the first century and a half, largely to have emulated Sung­ Yüan traditions and only after that Ming. Moreover, Yi painting was created within a social and philosophical- one might almost say spiritual - context quite different from that of China. Trapped in a far smaller tradition, geographically and socially isolated from its Chinese models and with limited communication even among and within its own tradition, Yi painting was a far lonelier affair. It had about it far less motivation of technical display for art circles; it partook far more of aspiritual exercise. Seen with Chinese eyes, it looks spare, stripped-down. Whether or not it was so different as to evoke, let alone demand, aseparate aesthetic remains to be debated: and Korean, Chinese and Japanese art experts should all take part in such debate. Yet perhaps we know enough to assert that Yi painting needed, and continues to need, such separate aesthetic to be understood for what it is rather than as a derivative from its models. Certainly the culture as a whole did not lack for originality. Korean art, craft and culture in general have, as often observed, very much their own stamp. But 110 Gregory Henderson here we return to our former theme of the bifurcation of Korean art, the thesis that the majority of what we now call art represented the creation of the lower, non­ literate Korean dasses. In returning, we find that, unsurprisingly, it is in precisely these dasses that the greatest originality, the greatest verve, the most 'Koreanness', the least 'Chineseness' tended to reside. There are, of course, exceptions on both sides: Wandang and Kyomjae in the visual arts and Kim Sakkat in literatlire who, though Yangban in status, were defiantly original in spirit; An Kyon, Yi Sang-chwa and perhaps Yi In-mun, who, though 'lower', assimilated to the 'upper' Chinesey taste and manner (Yi Sang-chwa was even freed from his slave status because of his skill in the approved artistic style!) But, on the whole, in a large field, these are the exceptions which prove the rule. It is the calligraphy and the upper dass landscape and bamboo painting, the philosophical and belles lettres writing which can be hard, until ca. 1750, to tell from their Chinese models; it is the ceramics, the folk art painting and the furniture which are easy - and openly Korean. Thus it is the very art that, because of its 'Koreanness', might have argued and even brought about a more independent Korean aesthetic which was not weIl situated for so doing because it was largely removed from the cirdes and traditions in which work on aesthetics was formulated or at least committed to writing. lO Looking at this 'lower' art, however, one feels sympathy for its need - fairly demonstrable need - of a separate aesthetic. Yet here lay the irony: status conflicted both with nationalism and also with maximum creativity. The fact that so much Korean art was produced by the lower dasses constituted, in a Korea very sensitive to social distinctions, a further major yangban motivation for not writing or philosophizing about it. This factor was additionally acute for Koreans over what it was for Chinese and Japanese because the Korean slave population occupied a many times greater proportion of the total population than it occupied in those neighboring cultures and slaves, especially public slaves attached to the government, performed many crafts and some arts. The resulting attitude in Korea toward art until perhaps the 18th century was expressed by Kang Hili-an (ca. 1419-65), one of early Yi Choson's finest and highest-born )iterati artists: "Painting is lowly expertise; if a painting of mine ll remains for later times, it will only bring stigma on my name. " History, of course, proved hirn wrong: he is today remembered only for his painting! The Question of Korean Aesthetics 111

A scholar 1 met at a conference in Europe in April 1986 said something to me which sticks: "Always try to fmd that area in which each culture is most painfully sensitive". Koreans are, in my experience, not sensitive about their nationhood, their race ar their art; they are sensitive about their social origins. It is a variant of the phenomenon of American reluctance to discuss social class, though Koreans are more afraid of being designated 'low', Americans more coy of admitting to being 'high'. In each case, this area constitutes a point of theoretical opportunity for outsiders. Thus it happened that the first work in constructing a widely-known Korean aesthetic ironically came from the Japanese. Whether they were unencum­ bered with prejudice or whether their prejudice related to spotlighting the 'lower' in Korea very much depends on who is judging them! Opportunity in social level analysis also intersected for them with the development of a special aesthetic criterion: the tea ceremony aesthetic. Using these two tools they 'discovered' for themselves, later far the international world of art and even, eventually, for the Koreans themselves the special beauty of late Koryö and early Yi dynasty pottery and also the special beauty of Korean wooden ware and of certain humbler house­ hold furniture or objects. These 'discoveries' began with the pillar tea master, Sen Rikyii, a Kyöto citizen of possibly Korean descent, towards the middle of the 16th century. They were accompanied, from almost the first moment of discovery, with a tide of aesthetic prose exceeding by many times everything which had been written about Korean ceramics or, indeed, Korean aesthetics in any language until that time; indeed, until ours today. Although only a trickIe of this long spate of aesthetics escaped tea magazines, newspaper feuilletons and books on art and aesthetics written in Japanese to appear in Western and other languages, the results have probably been more encompassing than is generally realized.· Especially in the hands of Yanagi Söetsu, a master of aesthetics, of international friendship and of Japanese and English prose, and through bis intimate friend and admirer, Bernard Leach, a great potter and eloquent aesthetic advocate, an international network of folk art movements, admirers and publications was formed wbich has probably had more pervasive results on world artistic perceptions of Korean art than all of Korea's great international exhibitions so far. Through these Japanese works, the nameless, humble potters ofthe early Yi dynasty, unmentioned in any Korean record, became transforming innovators throughout modem world pottery, its aesthetics and its design. It is the only such widespread, voluntary, influence traditional Korean 112 Gregory Henderson

culture acbieved in any field.

With pottery design was spread not only a perceived aesthetic but also an image of Korean potters who often became for distant foreigners the first and only Koreans they had heard of. The Korean potters wrote Yanagi, "...are quite free from the conflict of the beautiful and the ugly...they just make what they make without any pretension.,,12 They are "at once naive and cultured." ''The clays...are handled with nonchalance."B "Korean wares...are unaffected", according to both Honey and Griffing; "they are, in fact, utterly lacking in artificiality or self­ consciousness.',14 To Gompertz, the pots "possess a wild, free beauty...',15 The aesthetic and the image merged. ''These pots, made by craftsmen who could not have been less concerned about aesthetic as such, may best be described as sturdy, straightforward, and unassuming.',16 They were aided by innate artistry and by "the boundless power of nature (that) existed in fire, water, clay and glaze. "Certainly there was something unspoken in this ofHsieh Ho's ch'i-yun spirit consonance. But, inadvertently, there was also more than a litde of Chateaubriand's Atala (1801): mystic, romantic rapture, admiration and a touch of patronizing benevolence and disdain for a new variety of the noble savage, the untrammelled child of natureP And this image has been abetted by the fact that between the aesthetics of Hsieh Ho and those of Rikyü, Yanagi, Leach and Griffing, Korean intellectual life and Korean's own aesthetic have appeared, to the outside world, at least, as a vacant lot; more probably one untilled. Because of its previous reticence, Korea was probably as unprepared for tbis Japanese, then Western invasion of her aesthetic territory as she had been in 1592 and from 1894-1910 against Japanese troops. In effect, Japan largely captured the field of Korean aesthetics by solicitous but unsolicited invasion. Though Korea has now successfully shown to the United States and Europe a far wider segment of her total art than the Japanese have dealt with in their particular forays and enthusi­ asms, Korea is only beginning to devise a strategy for recapturing Japan's now ancient beachhead on the coast of Korea's art and its value, appraisal and interpretation. A portion at least of that field has remained Japan's intellectual territory; indeed, it influences South Koreans' aesthetic choices and feelings about themselves even today. Outside Korea, the image ofKoreans imprinted by Japanese aesthetes and the folk art movement, however palliated by war and other headlines, The Question of Korean Aesthetics 113 still persists indelibly, often merging with the general Korean image. In recent years, there is a greatly increased discussion and writing among Korean scholars of their own visual, musical, dance and, especiaily, literary arts. Korean aesthetics may not have jeiled into a consistent view, but it is no longer the vacant lot it once seemed. Gradually, an appreciation is emerging that the characteristics grasped, perceptively and partly accurately, by the Japanese aesthetes and their Anglo-American friends do not address all. Korean art and are not a function of the untrammeiled nature of the Korean country potter - or artist - alone. They are a function of the nature of Korean society, its surroundings and of the patronage it gave and withheld: a world of generally warm and embracing communication and of a life lived, by the greatest yangban in the land, in single­ storied, modest, 99-kan houses with small, rather simple rooms but with hearty, spontaneous gatherings and entertainment. Dr. Kim Won-yong, in summarizing for his country's art the aversion most Korean patrons had for expression removed from the daily world, comes doser than his predecessors to the right aesthetic note: 'Perfection for its own sake is neither human nor friendly.,,18 The absence of a discernible component of independent aesthetics in Korea's inteilectual life until very recent years, therefore, has thus had far larger conse­ quences for Korea's image than anyone could, under normal circumstances, have predicted. Korean inteileetuals may do weil to ponder tbis problem further and, with it, the fascinating challenge it presents to the international understanding of Korea's culture. Korea needs and deserves a view of its own art; we all need a Korean aesthetic rich enough to match Korea's arts: one better-expressed, more widely known, more valued.

Notes

1 Evelyn McCune, The Arts 0/Korea, Charles E. Tuttle, Rutland and Tokyo, 1962; Andreas Eckhardt, Geschichte der koreanischen Kunst, Leipzig, Hiersenmenzel, 1929; A History 0/ Korean Art, Landon, 1929. Both authors, of course, discuss aesthetic things mingled under other rubrics but feel no need to bring the subject together in one place. 114 Gregory Henderson

2 See, for example, Yi Kang-ch'il (ed), Han'guk Myongin Chosang Taegam (Portraits of Historic Korea) Tamyu-dang Publishing Co., Seoul, 1972, p. 5: "Except for a few noblemen who cultivated the art of painting as amateurs, most of the artists of Korea used to be court-or-state-artists who, despite their lower social status and artistic restraints, played a very important role..." 3 The best known of these are the colophons attached to the low-bom "professional" artist, An Kyön's "Spring Dream view of the Peach Valleys", painted in the Chinese neo-classical style on which high-born literati could appropriately expatiate, especially since the gifted professional painter, who died in the poverty into which he was born, was attached to Sejong's mid-fifteenth century court. 4 Examples between these are a few passages from the P'ahanjip (Collection to Dispel Leisure) by Koryö writer, Yi li-Io (1152-1220); the Sagajong-jip (Collection of Sagajöng), the P'irwon chapki (An Author's Trivia) and the Tongmunson (Collection of Eastem üterature), all by SÖ Kö-jöng (1420-88); the Pohan chaejip (Collection to Relieve Idleness) by the famous courtier Sin Sukchu (1417-75); the Chinyang sego (Chinyang = Worldly Drafts) and Sasukchae-jip (Collection of Sasukchae), both by Kang HUi-maeng (1417-?), Yongjae ch'onghwa (Assorted Writings ofYongjae) by Söng Hyön (1439-1504); Yongch'ondam chokki (Soliloquies at Dragon Spring) by Kim AHo (1481-1553); Hwadan (Painting Circles) by Yun Tu­ s6 (1668-?); Ch'ongch'uk hwasa (a history of painting) by Nam T'aeung (late 17th century); the P'yoam yugo (Posthumous collection of P'yoam) and Tanwon'gi (Record of Tanwön) both by Kang Se-hwang (1712-1791). For these, to which 1 have made transcription corrections and attempted translations, 1am grateful to Dr. Youngsook Pak of London. 5 Yi Chung-hwan, Pak Che-ga, T'aengniji-Pukhagi1i, Han'guk Myongcha Taejonjip, (TransI. (into modem Korean) by No To-yang and Yi Sök-ho), 1972, p. 320 (I am grateful to Mr. Ki-baek Yang for the reference.) Of course, thePukhagi1i (Discourse on Northem Learning) by Pak Chega (1750-?), one of the most critically-minded books of the entire dynasty, cannot be cited as typical opinion. 6 Ibid, p. 5. Cho of P'ungyang was a member of a very powerful queen-related yangban clan of this period. 7 Arthur W. Hummel, Eminent Chinese 0/ the Ch'ing Period, U.S. Govemment Printing Office, Washington, D.C., 1943, Vol. 11, pp. 11-13. 8 Hahm Pyong-Choon, "Toward a New Theory of Korean Politics", in Edward Reynolds Wright (ed.) ,Korean Politics in Transition, Royal Asiatic Society Korea Branch, University of Washington Press, Seattle and London, 1975, pp. 336 ff. Though politely critical of my own 'vortex' theory of Korean politics, 1 believe this thoughtful article by Dr. Hahm merits far more attention. 9 George Rowley, Principles 0/ Chinese Painting, Princeton University Press, 1959, (rev.) is a standard treatment of Chinese aesthetics. 10 There is an apparent interesting exception to this in the Korean literary field pointed out to me by Dr. Marshall Pilil: P'ansori, a striking instance of a literary art of low social origins, appears to be the very literary art in which one first thinks of preserved aesthetic principles. Practitioners ofp'ansori maintained an oral history of their profession which included critical notions of what distinguished great from poorer performers. This critical tradition eventually became recorded in this The Question of Korean Aesthetics 115 century. Initial soundings indicate, however, that elsewhere in Korean literature an interest in aesthetics may have been sparse until very recent decades. 11 Gregory Henderson, Historical Introduction to Masterpieces of Korean Art, an Exhibition under the auspices of the Government of the Republic of Korea, Boston, 1957, p. 21. 12 Söetsu Yanagi, ''The Mystery of Beauty: a Tribute to the Korean Craftsman", Far Eastern Ceramic Bulletin, IX, Nos. 3-4, Sept.-Dec. 1957, p. 8. 13 Bernard Leach, A Potter's PortfoZio, Lund Humphries and Co. Ltd., London, 1951, p. 26. 14 Robert P. Griffing, Jr., Introduction to The Art of the Korean Potter, The Asia Society, New York, 1968, p. 13, citing William B. Honey, The Ceramic Art ofChina and Other Countries ofthe Far East, London, 1945, p. 167. 15 G. St. G. M. Gompertz, Korean Pottery and PorceZain ofthe Yi Period, Frederick A. Praeger, New York, 1968, p. 3. 16 Griffing, idem. 17 For a particulary absorbing and extensively illustrated thesis of the artistic effects of the Chateaubriand perspective, see Hugh Honour, The European Vzsion of America, catalog of a special exhibition to honor the Bicentennial of the United States organized by the Cleveland Museum of Art with the National Gallery of Art, Washington, and the Reunion des Musees Nationaux, Paris, published by the Cleveland Museum of Art, 1975. The artistic impulses of the 'Chateaubriand perspective' and ofthat of Sen Rikyü ran in opposite directions: the former brought motifs of tropically exuberant ornateness; the lauer, a disciplined, if expensive, simplicity. 18 Quoted in The Robert Moore Collection ofFine and Important Korean Ceramies, Christie's, New York and London, 1986, p.8.

Zu den Geister- und Jenseitsvorstellungen bei Maewöltang Kim Sisiip (1435 - 1493)

- Unter besonderer Berücksichtigung der Erzählungssammlung Neue Geschichten vom Berg Kilmo (Kiimo sinhwal •

Albrecht Huwe (Bonn)

1. Die Person des Autors und die literarische Bedeutung der Neuen Geschichten vom Berg Ki1mo

Spricht man von den Geister- und Jenseitsvorstellungen2 bei Kim Sisüp, so stellt sich im gleichen Augenblick der Gedanke an die höchst interessante Lebensgeschi­ chte dieses Autors ein.3 Als frühreifes Wunderkind konfuzianisch streng erzogen, mit zwanzig Jahren als buddhistischer Bettelmönch auf der Flucht vor seinen politischen Verfolgern, vierzigjährig als Einsiedler auf dem Kümo-Berg in der Provinz Nord-Kyöngsang, als achtundvierzigjähriger Mann nach kurzer Zeit der Seßhaftigkeit wieder auf Wanderschaft - bei einem so bewegten Leben kann man davon ausgehen, daß die vielfältigsten Einflüsse geistiger Art auf Kim Sisüp gewirkt und sich in seinem Werk niedergeschlagen haben, das seinerseits dann Einflüsse auf verschiedene Bereiche des koreanischen Geistesleben ausgeübt haben dürfte.4 Es hieße jedoch den zweiten oder dritten Schritt vor dem ersten tun, wenn man der Frage nach der Stellung des Werkes von Kim Sisüp innerhalb der koreanischen Geistesgeschichte - sei es auch nur in dem engen Bereich des gestellten Themas - untersuchen wollte, ohne zunächst eine Art kritische Bestands­ aufnahme durchzuführen.5

Der literaturhistorische Stellenwert der um 1465 entstandenen Erzählungs• sammlung Neue Geschichten vom Berg Ki1.mo,6 die fünf Titel umfaßt,7 wird allgemein in der nord- wie südkoreanischen Literatur als sehr bedeutend angesehen.8 Wegen der Erreichung einer relativ hohen Fiktionalität, der Zugrunde­ legung einer strengen Form, die - was an anderer Stelle noch genauer zu 118 Albrecht Huwe untersuchen sein wird - mit der Herausarbeitung eines Höhepunkts (unerhörte Begebenheit) an die der Novellen erinnert, sowie der gleichzeitigen Loslösung von der bis dahin verbreiteten Form der 'biographisierenden' Geschichten sieht man in ihr den eigentlichen Anfang der koreanischen Erzählliteratur.

2. Zum Inhalt der einzelnen Erzählungen

Gemeinsame Grundthematik der Neuen Geschichten vom Berg Kilmo ist im wei­ testen Sinne "der Kontakt des Menschen mit der jenseitigen Welt".9 Die auftreten­ den Personen und Wesen sind auf der einen Seite gesunde, lebende Menschen sowie auf der anderen Totengeister, Unsterbliche, der Drachenkönig und eÜl Unterweltsfürst. Betrachten wir zunächst der Reihe nach kurz den Inhalt der einzelnen Erzählungen aus den Neuen Geschichten vom Berg Kilmo. In der ersten, die den Titel 'Bericht vom Würfelspiel im Manbok-Tempel' (Manbok-sa chöp'o ki) trägt, würfelt ein Junggeselle mit Buddha um die Wette: Falls Buddha verliert, soll dieser ihm eine schöne Frau schicken. Buddha verliert, und es taucht tatsächlich ein hübsches, junges Mädchen hinter der Buddhastatue auf. Die beiden verlieben sich sofort ineinander. Das Mädchen nimmt ihn mit zu sich nach Hause, wo sie drei Tage verbringen. Danach klärt das Mädchen den jungen Mann auf, daß er sich in der Geisterwelt befindet: "Drei Tage hier gleichen drei Jahren in der Welt der Menschen".l0 Sie bittet ihn, am nächsten Tag an einer buddhistischen Totenzeremo­ nie teilzunehmen, die ihre Eltern für sie abhalten. Sie überreicht ihm dabei ein silbernes Eßgeschirr. Am folgenden Tag treffen sie sich, und er begleitet sie zum Tempel. Bei der Trauerfeier ist das Mädchen nur für ihren Geliebten sichtbar, die Eltern können ihre Tochter nur beim Essen hören. Von ihnen erfährt der junge Mann, daß ihre Tochter während eines Überfalls japanischer Seeräuber umgekom­ men und schon zwei Jahre in einem provisorischen Grab ohne irgendeine Totenzeremonie gelegen war. Die Eltern lassen beide zusammen schlafen. Dabei erfährt der Mann von seiner Geliebten, daß der unerlöste Zustand, in dem sie sich als Tote befand, in ihr eine unbezwingbare Liebe erweckt, und Buddha sie beide zusammengeführt habe. Nun sei sie dank seiner Zuneigung gleichsam erlöst und könne den Weg ins Jenseits antreten. Von tiefem Schmerz über das jähe Ende der Beziehung erfüllt, zieht sich der junge Mann in einen Tempel zurück und hält für Maewöltang Kim Sisup 119 sie ein Opfer ab, das an drei Abenden wiederholt wird. Ein letztes Mal erscheint sie ihm, wobei sie ihm zuruft, daß sie nun als Mann in einem anderen Land wiedergeboren wird.

In der 'Geschichte des Studierten Yi, der über die Mauer spähte' (Yi-saeng kyu chang cMn) wird von dem Schicksal zweier junger Eheleute erzählt, die sich seit ihrer ersten Begegnung in früher Jugendzeit leidenschaftlich und treu lieben. Sie werden bei Rebellenunruhen voneinander getrennt. Die Frau gerät in die Hände der Rebellen und vermag der Schändung nur durch Selbsttötung zu entgehen. Nach den Wirren sucht der Mann vergeblich nach seiner Frau. Er vergießt Tränen der Verzweiflung. Da taucht sie plötzlich wieder auf und zwar - wie er später von ihr erfährt - in der Form ihres Geistes. Sie leben mehrere Jahre zusammen, bis sie sich eines Tages wieder auf den Weg ins Jenseits machen muß. Der Mann begräbt ihre Gebeine und stirbt selbst wenig später.

In der dritten Erzählung, dem 'Bericht von einer weinseligen Bootsfahrt zum Pubyök-Pavillon' (Ch'wi yu Pubyök-cMng ki) begegnet ein junger, gebildeter Mann in mondheller Nacht auf einem Pavillon einer Unsterblichen, die er durch seine für sich selbst vorgetragenen Gedichte neugierig macht und herbeigelockt hat. Sie erzählt ihm, daß sie die Tochter des Königs Chun-wang (trad. reg. um 200 v. Chr.) sei.ll Als ihr Vater durch Wei Man (trad. reg. 194-?) vom Thron vertrieben wurde, mußte sie Todesängste ausstehen, da man sie vergewaltigen wollte. Jedoch einer ihrer Vorfahren, der vor mehreren tausend Jahren Unsterblicher geworden war, errettete sie und nahm sie mit in die Welt der Genien. Noch in der gleichen Nacht kehrt die Unsterbliche wieder dorthin zurück. Der junge Mann ist außerstande, die Begegnung zu vergessen. Er verliert seinen Verstand. Nachdem er eines Tages im Traum in die Welt der Unsterblichen gerufen wird, stirbt er, wobei das besondere ist, daß sich an seinem Leichnam selbst nach vier Tagen noch keine Anzeichen von Verwesung zeigen. Die Handlung der vierten Geschichte, der 'Beschreibung der südlichen Insel Yömbu' (Nam-yömbuju chi) ist noch einfacher als die der anderen: Es widerfährt gerade einem konfuzianischen Gelehrten, der den Glauben an Himmel, Hölle und Geister strikt verneint, im Traum in die Unterwelt zu gelangen, wo er mit einem dortigen Fürsten ein Gespräch führt, eben über Himmel, Hölle und Geister. Die Ironie, die in der Begegnung selbst schon liegt, wird auf die Spitze getrieben, als der 120 Albrecht Huwe

Unterweltsfürst aufgrund des guten Eindrucks, den er von dem konfuzianischen Gelehrten gewonnen hat, diesen zu seinem Nachfolger bestimmt. Kurze Zeit nach diesem Traum stirbt der Gelehrte.

Die letzte der Geschichten 'Die Einladung zum Festmahl im Drachenpalast' (Yonggung pu-an nok) erzählt, wie ein junger Dichter wegen seiner besonderen Fähigkeiten vom Drachenkönig zu sich gerufen wird, damit er eine feierliche Schrift zum Richtfest eines neuerrichteten Nebenpalasts verlaßt. Aus Dankbarkeit über die gelungene Schrift veranstaltet der Drachenkönig ein Fest. Dabei treten nicht nur verschiedene Meerestiere, sondern auch Kobolde und Ungeheuer aus Wäldern und Bergen auf. Reich beschenkt, tritt der Literat seinen Heimweg an. Zu Hause angelangt, merkt er, daß es ein (wahrer) Traum gewesen ist. Von nun an will er nichts mehr von der Welt wissen und zieht sich zurück in die Einsamkeit der Berge.

2.1 Zusammenstellung der wichtigsten inhaltlichen Punkte

Versuchen wir den Inhalt dieser Geschichten anband der einfachen Fragefürwörter wer, wo, wann, wie und warum einmal in einer Tabelle zu ordnenP

Geschichte Grund des (Kurztitel) Personen Ort der Begegnung Umstände Zusammentreffens

uaverh. Mann - hübsche Frau Wette mit Buddha I Sehnsucht des Mannes (1) Würfelspiel (= Geist e. Frau, huddh. Tempel nach Frau - die gewaltsamen abends Sehnsucht des Geistes Todes starb) nach Erlösung

Ehemann - Ehefrau (= Geist d. Ehefrau ehemaliges, gemein- quälende Sehnsucht (2) Studierter Yi die gewalts. sam bewohntes Haus Mondnacht nacheinander Todes starb)

Sehnsucht d. Unsterb- lichen Dach ircli- junger Mann im scher Heimat, (3) Bootsfahrt Rausch - Unsterb- Pavillon Mondnacht Schönheit der Ge- liehe dichte des Mannes - Trauer um unter- gegangene Reiche

konfuz. Gelehrter - Begegnung schon (4) südliche Insel UnteIWcltfürst UntcIWeIt Begegnung im Traum vorbestimmt?

Auftrag des (5) Festmahl begabter Dichter Drachenpalast Begegnung im Traum Drachenkönigs an - Drachenkönig befahigten Dichter Maewöltang Kiln Sisiip 121

Mit Hilfe dieser Tabelle und der Inhaltsangaben läßt sich von den Geister- und Jenseitsvorstellungen Maewöltangs ein erster Eindruck gewinnen, der in den folgenden fünf Punkten zusammengefaßt werden kann: (1) In den ersten drei Geschichten sind es Frauen, die eines gewaltsamen Todes starben bzw. den Tod herbeisehnten, deren unerlöste Totenseelen nehmen mensch­ liche Gestalt an und kommen zu den Männern.13 Der Ort der Begegnung liegt in diesen Fällen im Diesseits. Die Begegnung findet statt aufgrund der Sehnsucht, die gleichzeitig bei Mann und Frau besteht, die somit gleichsam die Brücke zwischen Diesseits und Jenseits schlägt. (2) In den beiden letzten Geschichten sind es Männer, die aufgrund ihrer besonde­ ren Fähigkeiten von den Mächtigen des Jenseits zu sich gerufen werden. Dies geschieht, während die Männer träumen, also im Schlaf. (3) Die Begegnung mit den Totenseelen und den Überirdischen versetzt den jeweiligen Menschen offensichtlich immer einen Schock, der sich als Rückzug aus der Welt der Menschen durch mehr oder weniger sofortigen Tod des Betroffenen äußert. (4) Die erste Begegnung mit den jenseitigen Wesen findet in der Nacht statt. (5) Gleichsam als Beweis für den Besuch im Jenseits bringen die Menschen Gegenstände von hier mit in ihren irdischen Lebensbereich (vgl. 1., 3. und 5. Geschichte).

3. Vorstellungen von jenseitigen Wesen 3.1 Naturgottheiten, Geister, Kobolde

Versuchen wir anband einschlägiger theoretischer Überlegungen Maewöltangs das bisherige Bild noch zu präzisieren. Über den Begriff 'Geister' schreibt Maewöltang in der 'Beschreibung der südlichen Insel Yömbu' folgendermaßen:

'Was sind Geister (kwisin)?,14 Der König antwortete: 'Dämon (kwi) ist die Wesenheit des Yin; Gottheit (sin)15 ist die Wesenheit des Yang. Sie sind die Spuren der Natur, das heißt die Fähigkeiten von Yin und Yang, der beiden Fluiden (oder auch Materien, ki). Zu Lebzeiten sagt man Mensch, nach dem Tod sagt man Geist (kwisin). Könnte es etwas anderes bedeuten?,16 122 Albrecht Huwe

Es überrascht zu lesen, daß Maewöltang zwischen Lebenden und Toten keinen prinzipiellen Unterschied sieht, da beide sowohl aus Yin als auch Yang bestehen. Und da "Anfang und Ende der Dinge doch im Zusammen- beziehungsweise Aus­ einandergehen von Yin und Yang liegt",17 grenzen sich für ihn selbst Naturgeister (-gottheiten) nicht von Geistern Verstorbener ab. Wenn Maewöltang allerdings auf das Besondere der Wesenheit von Dämon, also Yin, und Geist, also Yang, eingeht, ihre Eigenschaften erläutert, so schälen sich doch grundlegende Unterschiede heraus, hier zunächst zwischen Naturgottheiten einerseits und den Kobolden andererseits, auf die weiter unten noch einzugehen ist. 'Auf der Welt gibt es bösartige Kobolde (yomae), die Menschen oder Sachen Schaden zufügen. Handelt es sich bei ihnen auch um Geister?' Der König antwortete: 'Dämon (kwi) bedeutet, daß er sich zusammenzieht. Gottheit (sin) bedeutet, daß sie sich ausstreckt. Es sind die Naturgottheiten, die sich zusammenziehen und dabei doch in der Lage sind, sich auszudehnen. Aber es sind die mit Gram erfüllten Kobolde, die zusammengezogen sind und sich nicht zu strecken vermögen. Die Naturgottheiten sind vereint mit der Schöpfung. Also beginnen und enden sie mit Yin und Yang und sind ohne Spur. Nur die Kobolde mischen sich wegen ihres Grams unter die Menschen und rächen sich an ihnen. Und sie nehmen Gestalt an. Die in den Bergen nennt man 'Bergkobolde'(solsdiejenigen des Wassers heißen 'Kinderkobolde'(yök) ... Alle sind Dämonen...'

Der folgende Abschnitt gibt Auskunft darüber, wie es überhaupt dazu kommen kann, daß Dämon und Geist, damit Yin und Yang, des Gram erfüllten Kobolds zusammengeballt bleiben und sich nicht ausdehnen können, d.h. mit anderen Worten, wie Kobolde entstehen können.

Was das Leben des Menschen betrifft, so verleiht es der Himmel durch sein Wesen, ernährt es die Erde durch Leben, regelt es der Fürst durch Gesetzte, lehrt es der Meister durch Einblick, erzieht es der Vater durch Güte. Darin liegt der Grund für die in den 'fünf menschlichen Beziehungen' festgelegte Rangfolge und für die Gültigkeit der 'drei Bande'. Folgt man ihnen, verheißt das Glück; mißachtet man sie, bedeutet es Unheil. Glück und Unheil widerfährt dem Menschen zu Lebzeiten. Stirbt der Mensch, dann haben sich Lebensessenz (chöng) und Hauch (ki)19 schon aufgelöst und steigen auf beziehungsweise sinken herab, um zu ihrem jeweiligen Ursprung zurückzukehren. Wie können sie sich dann erneut im Diesseits oder Jenseits aufhalten? Lediglich die Seelen (hon), die Groll und Haß hegen, die Dämonen (kwi) der früh oder gewaltsam Verstorbenen, erlangen keinen Tod. Sie können ihre Fluiden (Materien, ki) nicht ausbreiten, also klagen sie auf den Schlachtfeldern oder in den Wü• steneien, wimmern gelegentlich in Familien, in denen Tote beklagt werden. Zuweilen geben sie durch eine Schamanin ihren Willen kund, manchmal be- Maewöltang Kim Sisiip 123

nutzen sie einen Menschen, um ihren Groll zu zeigen. Aber selbst wenn sich zu dieser Zeit die Lebensessenz nicht aufgelöst hat, am Ende kehrt sie doch zurück in einen Zustand, wo diese Zeichen fehlen. Wie kann man dann an­ nehmen, die Gestalt könne im Jenseits gefangen sein?2o

In diesem Textabschnitt scheinen folgende Punkte von Bedeutung zu sein: (1) Tod ist in Maewöltangs Augen also das Auseinandergehen von Yin und Yang. Damit verbunden ist die Auflösung individueller Züge; (2) Demzufolge gibt es für die Menschen, die eines natürlichen Todes starben und als Voraussetzung dafür ein Leben in Übereinstimmung mit den gegebenen moralischen Gesetzen geführt haben, keine Existenz nach dem Tod, also auch kein Jenseits. (3) Dies kann jedoch nicht gesagt werden bezüglich derjenigen, die in Groll und Haß starben. Sie erlangen das erlösende Auseinandergehen von Geist und Dämon nicht und sind dann gezwungen, als sog. Kobolde in einer noch näher zu betrachten­ den Art weiter zu existieren. Logischerweise müssen sie einen Aufenthaltsort haben und sind ferner in die Lage versetzt, Kontakt mit Menschen aufzunehmen.

3.1.1 Beziehungen zwischen Kobolden und Menschen

Was nun die Beziehung der Kobolde zu den Menschen anlangt, so schreibt Maewöltang, wie wir sahen, daß man sie wimmern und klagen hören kann. Sie brauchen mitunter Menschen als Medien, um sich in der Welt der Menschen kundzutun. Nicht nur als bloße Medien für die unerlösten Geister der Frauen in den Erzählungen vom 'Würfelspiel im Manbok-Tempel' und vom 'Studierten Yi' dienen die Männer, sondern vielmehr als Lebenspartner, deren Erlöser-Rolle etwas Tragisch-Ergreifendes an sich hat. Aufmerksamkeit verdient dabei die Tatsache, daß es zum einen Buddha ist, der sich des Geistes des unverheirateten Mädchen erbarmt und helfend eingreift, indem er die Verbindung zwischen Kobold und Mensch herstellt, damit die Erlösung des Geistes (Kobolds) in die Wege leitet. Und zum anderen zeigen der Geist der Frau, die Selbstmord beging, und der des unverheirateten jungen Mädchens, der im Volksglauben ja bekanntlich als besonders gefährlich gilt,21 in keiner Weise 124 Albrecht Huwe

Rachegefühle. Dies könnte freilich damit erklärt werden, daß die Frauengeister nunmehr nach langer Suche in Kontakt mit ihren männlichen Erlösern gekommen sind. Nicht umsonst auch lassen die Eltern ihre (Geister-) Tochter mit ihrem Geliebten zusammen schlafen. Daß indessen nicht alle Kobolde so friedfertig sind, wie der Geist dieses Mädchens, zeigt folgender Abschnitt:

Jene nichtsnutzigen Kobdolde halten sich auf an Schreinen im wildwuchernden Wald. Sie fordern von den Menschen Fleisch und Wein und jagen ihnen dabei Angst und Schrecken ein. Sie betrügen und täuschen die Menschen. Niemand kann ihnen Einhalt gebieten. Wenn keine vollkommenen Menschen auftauchen, wie können ihre Lügen erkannt werden?22

Das Betrügen und Täuschen geschieht, indem sich die Kobolde in scheinbare Gottheiten verwandeln und als solche den Menschen erscheinen. Mit den vollkommenen Menschen23 im vorangehenden Zitat kommt Mae­ wöltang auf einen weiteren Aspekt des Kontakts der Kobolde und Menschen zu sprechen, und zwar mehr aus der Sicht der Menschen. Nur die Vollkommenen erkennen die Kobolde und können sich gegen sie und ihr Treiben wehren. Daraus ist zu folgern, daß im Gegensatz dazu die gewöhnlichen Menschen den Kobolden hilflos ausgeliefert sind. Die abgestufte Fähigkeit der Menschen, Kobolde wahrzunehmen, führt Maewöltang anschaulich an dem Beispiel des Geistes des jungen, unverheirateten Mädchens vor, der für den Geliebten sicht- und hörbar, für die Eltern nur hörbar und für Fremde nichts von beidem ist. Man ist geneigt, daraus den ScWuß zu ziehen, daß, je 'geeigneter' die Menschen für den Kontakt mit den Kobolden sind, sich diese desto weniger von ihrer unheilvollen Seite zeigen. Immerhin jedoch bedeutet, wie in den Neuen Geschichten vom Berg Kiimo durchgängig zu sehen, eine Begegnung mit allen überirdischen Wesen stets eine Art von mehr oder weniger schwerem Schock für die Menschen. Bedauerlicherweise läßt sich die auf die fünf Erzählungen gestützte Beobach­ tung (vgl. obige Zusammmenstellung), welche Gruppen vornehmlich miteinander in Verbindung treten, also weibliche Geister mit Männern im Diesseits bzw. gelehrte Männer aus dem Diesseits mit den Mächtigen des Jenseits, nicht durch Maewöltang Kim Sisup 125

Hinweise an anderen Stellen des Werks von Maewöltang konkretisieren. Opfergaben für Kobolde spielen eine wichtige Rolle in der Beziehung zwischen Menschen und Kobolden. So bringt in der Erzählung 'Würfelspiel im Manbok­ Tempel' der Mann seiner (Geist-)Geliebten ein Opfer dar, in dessen Folge die Geliebte aus ihrem ungewissen Zustand erlöst wird, indem sie eine Wiedergeburt als Mann erlangt. Zwei Dingen ist hier Beachtung zu schenken, nämlich der Funktion des Opfers und der Seelenwanderung. Letztere erkennt Maewöltang bis zu einem gewissen Grad an. So findet sich in dem Gespräch zwischen dem Unterweltsfürsten und dem konfuzianischen Gelehrten in der 'Beschreibung von der südlichen Insel Yömbu' folgende Stelle:

'Ich würde gerne wissen, was es auf sich hat, wenn die Seelenwanderung nicht beendet ist, und die Seele im Jenseits lebt, nach dem Tod im Diesseits.' 'Nur wenn sich die Lebensenergie (chöngnyöng) noch nicht zerstreut hat, dann gibt es wohl so etwas wie Seelenwanderung. Vergeht jedoch eine lange Zeit, dann wird sie [die Lebensernergie, Seele ?] sich in Nichts auflösen.'Z4

Über Opfer schreibt Maewöltang, indem er seine Gedanken wieder dem Unterweltsfürsten in den Mund legt:

Das Darbringen der Opfer für Himmel und Erde geschieht zur Ehre der Schöpfung durch Yin und Yang. Das Darbringen der Opfer für die Natur ist der Dank für das Steigen und Fallen der Fluidenänderungen, die Opfer für die Ahnen sind der Dank für das Steigen und Fallen der Fluidenänderungen, die Opfer für die Ahnen sind der Dank für den eigenen Ursprun:!' die Opfer für die sechs Götte~ werden gemacht, um Schaden abzuwenden.

Es ist hier nichts zu lesen über die Funktion des Opfers, die es in dem 'Würfelspiel im Manbok-Tempel' hat: Nicht nur die warme Liebe, die der Mann dem Totengeist der Frau entgegenbringt, sondern gerade auch das Opfer bewirkt, daß die gleichsam ins Stocken geratene Seelenwanderung überhaupt erst angetreten werden kann.

Bevor wir uns den Drachen und Unsterblichen als weiteren Formen überirdi• scher Wesen zuwenden, sollen die bisher behandeltenArten noch einmal aufgeführt und voneinander abgegrenzt werden. Im einzelnen sind dies: (1) die Gottheiten (sin) und Dämonen (kwi), die ihren "unverfälschten, wahrhafti­ gen Materien (ki)"Z7 entsprechen; 126 Albrecht Huwe

(2) die Natur- und Totengeister, deren beide Materien Yin und Yang sich ohne weiteres aufzulösen vermögen und so eine Einheit mit den Ursprüngen darstellen; (3) die Kobolde, bei denen die Trennung der beiden Materien nicht ohne weiteres möglich ist, weil die betreffenden Menschen die moralischen Gesetzte mißachteten, eines gewaltsamen oder frühen Todes starben. Unter den Kobolden gibt es zwei Arten, nämlich einerseits die gleichsam friedfertigen, den Menschen nicht übel mitspielenden, zu denen z.B. die unerlösten Totengeister in den Erzählungen 'Würfelspiel im Manbok-Tempel' und 'Geschichte des Studierten Yi, der über die Mauer spähte' gehören. Andererseits weiß Maewöltang auchvon bösartigen, die Menschen schädigenden Kobolden zu berichten, zu denen sich auch erstaunlicherweise gewisse Tiere, Türen, Brunnen und zerbrochenes Geschirr in der Gestalt von Gottheiten gesellen können.28

3.2 Unsterbliche

Neben den bisher genannten Formen von Geistern tauchen in den Erzählungen Maewöltangs noch sog. Genien, Unsterbliche (sinsön) auf. Der erste Bestandteil 'sin' des sinokoreanischen Begriffs 'sinsön' legt nahe, sie mit den Geistern und Gottheiten in Verbindungzu bringen. In der dritten Erzählung, dem 'Bericht von einer weinseligen Bootsfahrt zum Pubyök-Pavillon', droht der HeIdin die unmittel­ bare Gefahr, entehrt zu werden, befindet sich also in der gleichen Situation wie die Heldinnen der ersten beiden Geschichten. Aber im Gegensatz zu diesen wird der Freitod, mit dem sich die Frauen der Schändung entzogen, hier gerade noch verhütet, indem sie von einem Urahn, der bereits Unsterblicher ist, mit in die Welt der Genien genommen wird. Dort bekommt sie die Unsterblichkeitsdroge zu essen und wird selbst zur Unsterblichen. Kim Sisup zeigt sich in seinen Schriften nicht als Anhänger dieses 'Unsterblich­ keitsdrogen-Taoismus,.29 Vielmehr vertritt er einen Taoismus, der duch innere Selbstdisziplin, durch Atemtraining und ähnliches die Unsterblichkeit zu erreichen trachtete. Die Wege dieser beiden taoistischen Richtungen sind zwar verschieden, das Ziel aber ist das gleiche, nämlich die Unsterblichkeit. In Maewöltangs Augen hat ein Unsterblicher alle Yin-Elemente aus sich herausgeschafft, besteht also nur Maewöltang Kim Sisup 127 noch aus reinem Yang. 30 Allerdings erhebt sich hier die interessante Frage, welche Kraft das Auseinan­ derdriften der Yang-Elemente in den Unsterblichen über ewige Zeiten hinweg verhindert? Denn eigentlich soll ja das Yang, dessen Wesenheit 'Gottheit' (sin) ist, die Neigung haben, sich auszudehnen.31 Betrachtet man in diesem Zusammenhang 'Die Beschreibung der südlichen Insel Yömbu', so kann der Wille als eine Form dieser Kraft angesehen werden.32 Der Höllenfürst nämlich, der diese Insel schon seit über zehntausend Jahren regiert,33 berichtet von sich:

Als ich in der Welt der Menschen lebte, diente ich meinem König mit größter Treue. Unerbittlich tötete ich die räuberischen Aufrührer. Ich schwor mir, daß ich auch nach meinem Tode als Rachedämon (yögwi) die Aufrührer töten wollte. Dieser Wille blieb auch bestehen, als ich starb, denn meine Treue war unerschöpflich. Ich kam in dieses Land des Grauens und wurde sein König.34

Einer ähnlich gearteten Kraft haben es die Genien wohl zu verdanken, daß ihre individuellen Züge, die sie als Menschen besaßen, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad erhalten bleiben. Daß es sich bei den gewöhnlichen Menschen, also bei denen, die keine taoistischen Praktiken anwandten, gerade umgekehrt verhält, wird bei den unerlösten Totengeistem recht deutlich. Sie streben nämlich stets einen Zustand an, in dem sich individuelle Züge auflösen.35 Es bedeutet keinerlei Schwierigkeit für die Genien sich in der Welt der Menschen aufzuhalten oder mit den Menschen in Verbindung zu treten. Sie sind in der Lage, Menschen von Angesicht zu Angesicht zu sprechen oder ihnen im Traum zu erscheinen und sie sogar zu sich in ihre Welt zu holen. Umgekehrt aber scheint eine Kontaktaufnahme von Seiten der Menschen zu den Unsterblichen unmöglich zu sein. Etwas ganz außergewöhnliches geschieht mit den Menschen, die mit den Unsterblichen in Kontakt kamen. Allein dieses Zusammentreffen mit den Unsterblichen bewirkt schon, daß die toten Körper der Menschen auch nach vielen Tagen noch keine Verwesungserscheinungen zeigen. Freilich handelt es sich bei den betroffenen Menschen um Gelehrte und Dichter,36 sie sind also auch wieder dafür prädestiniert. 128 Albrecht Huwe

3.3 Drachen und der himmlische Kaiser

Zu den jenseitigen Wesen sind ferner auch die Drachen zu zählen, die in der Geschichte 'Einladung zum Fest im Drachenpalast' vorkommen. Zwar äußert sich Maewöltang nicht darüber, welche Wesen Drachen in seinen Augen sind, welche Eigenschaften sie besitzen, wie sie entstehen usw., doch tauchen bei dem Fest im Drachenpalast auch Naturgottheiten und Kobolde auf. Es erscheint daher immer­ hin gerechtfertigt, Drachen mit Kobolden und Naturgottheiten als jenseitige Wesen in eine Reihe zu stellen. Ja, der König der Drachen wird sogar als König der (Natur-) Gottheiten (sinwang) bezeichnet, der über Wolken zusammenballende Kräfte verfügt. Das letzte Wort aber in Sachen Wettergestaltung liegt offensichtlich beim Himmelskaiser (ch'önje).37 Es ist nicht auszuscWießen, daß es derselbe himmlische Kaiser ist, um den sich die Unsterblichen in der Jaspishauptstadt (okkyöng) scharen,38 und der somit als oberste Gestalt aller jenseitigen Wesen zu betrachten wäre. Wie schon bei den Totengeistern und Unsterblichen so hat auch eine Begegnung mit Drachen für die Menschen eine schockartige Wirkung, in deren Folge sich der Betroffene aus der irdischen Welt zurückzieht.

4. Vorstellungen von jenseitigen Welten

Ebenso vielgestaltig wie die Vorstellung von den jenseitigen Wesen sind die von ihren Aufenthaltsorten.

4.1 Aufenthaltsorte von Kobolden und Totengeistern

Dichtes Gestrüpp bietet, wie wir bereits sahen, einen idealen Aufenthaltsort für Kobolde und Totengeister.39 So heißt es denn im 'Bericht vom Würfelspiel im Manbok-Tempel': "Sie kamen an einen Ort, wo Beifuß das Feld überwucherte, und wo Dornengestrüpp sich in den Himmel reckte." 40 Der Mann wird vom Geist der Frau hierher geführt und mit Speisen und Getränken bewirtet, die von überirdischem Geschmack sind. Maewöltang Kim Sisup 129

In der Nachbarschaft des erwähnten Häuschens befinden sich noch weitere Häuser, die ebenfalls von Frauen bzw. von deren Seelen bewohnt werden. Obwohl dieser Aufenthaltsort der Geister nicht etwa in überirdischen, himmli­ schen Regionen angesiedelt ist, sondern auch auf der Erde, ist der Unterschied zur Menschenwelt doch so groß, daß eine beträchtliche Zeitraffung bzw. -dehnung stattfindet: Drei Tage in der Geisterwelt entsprechen drei Jahren im Diesseits.

Ganz offensichtlich ist dieser Aufenthaltsort der Geister identisch mit den Gräbern ihrer Leiber. Gegen Ende der ersten Erzählung heißt es nämlich: "... indem mein Körper in dem wild wuchernden Beifuß lange Zeit unter der Erde lag...,,41 und "Richtig, hier gab es ein flüchtig angelegtes Grab".42 Allerdings handelt es sich bei diesem Aufenthaltsort nur um einen möglichst vorübergehenden. Denn die Geister (Seelen) streben ja nach ihrer Erlösung und wollen diesen Ort verlassen. Der Geist der Frau sagt in dieser Situation zu dem Menschen: "... außerstande dem Karma zu entgehen, muß ich ins Jenseits auf­ brechen.,,43 Die Geister betrachten also ihren bisherigen Aufenthalt nicht als Jenseits. Da Maewöltang hier für Jenseits das Zeichen myong (dunkel, unergründ• lich, Unterwelt) und an anderer Stelle yu (dunkel, entlegen) oder auch ku won (wörtl. Neun Quellen, Unterwelt)44 handelt es sich zweifellos um ein in keiner Weise einladendes jenseitiges Land. Allein läßt insbesondere der ScWuß der ersten ErzäWung den Gedanken auf­ kommen, daß das Jenseits eng mit Wiedergeburt zusanlIDenhängt: "Ich bin nun durch Eure Güte in einem anderen Land als Mann wiedergeboren worden,045 - und es fragt sich dann, ob Maewöltang überhaupt einen Unterschied zwischen Jenseits und irdischer Welt sieht, deren Qualen und Strafen eben darin bestehen, daß sich die Menschen nicht aus den Verstrickungen des irdischen Daseins herauszulösen vermögen, damit immer wieder in irdische Tragödien hineingerissen werden, also niemals die Erlösung erlangen.

4.1.1 Aufenthaltsort sündiger Seelen: die Unterwelt

Eine ganz genaue Beschreibung einer Unterwelt liefert Maewöltang in der vierten Erzählung, der über die südliche Insel YÖmbu. Hierbei fällt zunächst auf, daß Maewöltangs Schreibung von Yömbu () von der gleicWautenden, lexikalisch 130 Albrecht Huwe nachgewiesenen () abweicht. Letztere bezeichnet, auf ursprünglich jainistischer Kosmologie aufbauend, eine Insel am südlichen Rande der Welt und wurde sowohl mit Indien als auch allgemein mit der Menschenwelt gleichgesetzt. Durch die Verwendung des Zeichens' '(Feuer) anstelle von' '(Höllenfürst) erreicht Maewöltang zweierlei: Einmal die Assoziation an eine Feuerhölle, die er tatsächlich in der vorliegenden Erzählung beschreibt, und zum anderen verwischt er die Grenzen zwischen Hölle und irdischer Welt oder setzt gar beide gleich: Was ist wiederum Diesseits und was Jenseits?46 In deutlicher Anlehnung an buddhistische Höllendarstellungen beschreibt Maewöltang diese Unterwelt, wobei er allerdings durch die Kombination von Flammen- und Eishölle eine in buddhistischen Texten wohl nicht zu findende Steigerung der Höllenunwirtlichkeit erreicht47 und damit wiederum eine gewisse Parallele zu den irdischen Verhältnissen herstellt:

Plötzlich gelangte er auf eine Insel mitten im Meer. Hier gab es weder Gräser und Bäume noch Sand oder Kies. Das, worauf die Füße traten,war Kupfer oder Eisen. Tagsüber durchschlugen gewaltige Lohen den Himmel; die Erde schien zu schmelzen. In der Nacht jedoch blies ein scharfer, eiskalter Westwind. Es war unerträglich hier zu leben. Aus dem Meer erhob sich burgartig eine ebenfalls aus Eisen bestehende Steilküste. Es gab nur ein einziges gewaltiges Eisentor, das fest verriegelt war. Die Wächter blickten finster drein, als ob sie jeden auf der Stelle zerfleischen wollten. Sie waren mit Lanze und Keule bewaffnet. Die Bewohner innerhalb der Befestungsmauer lebten in Eisenhäusern. So wurde tagsüber die Haut durch Hitze verbrannt und in der Nacht klebte sie am Eisen fest. Die Menschen konnten sich offenbar nur des Morgens und des Abends für eine kurze Weile bewegen, miteinander sprechen und lachen. Doch litten sie nicht so sehr unter diesen Verhältnissen.48 Auf unserer Insel herrscht eine schlimme Seuche... Rote Wolken verdecken die Sonne. Giftiger Nebel liegt über dem Land. Wenn die Leute hier Durst haben, trinken sie flüssiges Kupfer; haben sie Hunger, müssen sie heiße Eisenstücke essen.49

Doch diese 'Nahrungsmittel' der Unterwelt verwandeln sich in die köstlichsten Speisen und Getränke, als sie dem irdischen Gast vorgesetzt werden. Bei den Bewohnern der Insel Yömbu handelt es sich um die Seelen solch schwerer Sünder, die in ihrem früheren Leben auf der Erde ihre Eltern oder ihren König ermordet haben, und die nun in dieser Art Strafkolonie gebessert werden sollen. Allerdings erhält man in dieser Erzählung keine Antwort auf die Frage, was Maewöltang Kim Sisl1p 131 danach mit den geläuterten Seelen geschieht, ob sie gleich das erlösende Auseinandergehen der Fluiden erlangen oder erst die Seelenwanderung antreten müssen. Der Gelehrte Pak, die Hauptfigur der Geschichte, gelangt im Traum zu der besagten Insel Yömbu, er wird also von niemandem dorthin geführt, und die Überwindung der Distanz bedeutet hier für den Menschen keinerlei Schwierigkeit.

4.2 Die überirdischen Gefilde der Unsterblichen

In dem 'Bericht von einer weinseligen Bootsfahrt zum Pubyök-Pavillon' werden die bereits in der chinesischen Literatur mehr oder weniger phantasievoll beschriebenen Aufenthaltsorte der Genien,50 nämlich die 'zehn Kontinente' (sip chu), die 'drei Inseln' (sam to) sowie der Kristallpalast nur kurz erwähnt. Etwas mehr Einblick in die himmlische Welt der Genien vermittelt der Gedichtzyklus 'Das Tao der Unsterblichen' (Söndo).51 Es ist hier zu lesen von der unendlichen Weite des Himmels, die von tiefer Wahrheit erfüllt ist, von den Kranichen, die die Unsterblichen durch den Äther tragen, von dem bläulich kalten Kristallpalast, von dem darin thronenden obersten Jadekaiser, der ein strenges Regiment über seine sich um ihn scharenden Untertanen führt.52 Was die Nahrung der Unsterblichen anlangt, so besteht sie zum einen aus dem Morgentau nördlicher Regionen (hanghae) und zum anderen dem 'Abendwein' (yuha). In dem 'Bericht von der weinseligen Bootsfahrt zum Pubyök-Pavillon' wird dem Dichter hartes Drachenfleisch und bitterer, sog. Weiß-Jademost (Paeg-ongnye) vorgesetzt, beides ist für ihn allerdings ungenießbar.

4.3 Der Palast des Drachenkönigs

Eine weitere jenseitige Welt stellt Maewöltang in dem Drachenreich dar, das sich vom unterirdischen Drachenpalast am Grunde eines Sees bis in himmlische Bereiche erstreckt, wobei sich freilich die Grenzen zwischen beiden Teilen auf geheimnisvolle Weise verwischen, ja es nicht einmal mit Bestimmtheit zu sagen ist, ob es sich wirklich um den Himmel der irdischen Welt handelt oder nur um den 132 Albrecht Huwe der jenseitigen Drachenwelt. Als Kontrast zur Flammenhölle auf der Insel Yömbu soll hier ein Abschnitt aus der Beschreibung der Umgebung des Drachenpalasts folgen, der den paradiesischen Charakter dieser jenseitigen Welt unterstreicht:

Der Drachenkönig befahl demjenigen, der Wolken wegbläst, die Wolken zu vertreiben. Da trat einer in den Palasthof, spitzte seinen Mund und blies. Mit einem Mal war der Himmel frei und hell. Es gab weder Berge, steile Felsen, noch Abgründe. Eine weite Ebene, so flach wie ein Paduk-Spielbrett, breitete sich vor den Augen der Betrachter aus. Der Blick reichte viele Meilen weit. Rot leuchtende Blumen und jadegleiche Bäume standen hier. Der Boden war mit goldenem Sand ausgestreut. Umgeben wurde der Drachenpalast von einer goldenen Mauer. Die Gebäude beiderseits des Tores, die Säulengänge und die Empfangshalle waren alle gepflastert mit grünen Glasziegeln. Licht tauchte sich in Schatten und Schatten in Licht.53

Abgesehen aber von dieser Umgebung mit ihren märchenhaften Zügen unterscheidet sich das Leben hier am Hof des Drachenkönigs nicht grundsätzlich von dem der Könige und Kaiser auf der Erde bei den Menschen. Es herrschen ähnliche hierarchische Strukturen zwischen König und Untergebenen, der Drachenkönig zeigt vergleichbare Bedürfnisse bezüglich seiner Lebensführung und Repräsentationsaufgaben. Hinsichtlich der Speisen und Getränke aus diesem Teil des Jenseits läßt Maewöltang zwar keine Bemerkung fallen, jedenfalls scheinen sie im Gegensatz zu denen der Unsterblichen, für die Menschen durchaus genießbar. Was indessen die Überwindung der Distanz zwischen Diesseits und jenseitigem Drachenreich anlangt, so ist sie hier im Vergleich zu den beiden anderen Fällen aus den Neuen Geschichten vom Berg Kilmo, wo lebende Menschen ins Jenseits gelangen, nur mit viel größerem Aufwand möglich. Das Hinüberwechseln in die andere Welt, das sonst während des Traums54 der Menschen in wenigen Augen­ blicken und - modern ausgedrückt - ohne Transportmittel gelingt, ist hier, ebenfalls im Zustand des Schlafes, nur mit Hilfe eines amphibischen, fliegenden Pferdes zu bewerkstelligen. Diese paradiesische Drachenwelt ist, um die Jenseitsvorstellungen noch einmal zu resumieren, im Gegensatz zu der höllenartigen Feuerinsel nicht etwa zum Aufenthaltsort für Menschenseelen (in diesem Fall natürlich guten) vorgesehen, sondern stellt eine Welt dar, die hauptsächlich von Drachen bewohnt wird. Ein Maewöltang Kim Sisup 133

Paradies für die Menschen gibt es in Maewöltangs Augen praktisch nicht; denn die Möglichkeit, sich als Unsterblicher frei und schwerelos in den Lüften zu bewegen, ist wohl nur höchst selten erreichbar. Die Seelen der 'normal' Gestorbenen lösen sich auf, was gleichbedeutend ist mit dem Ende ihrer individuellen Existenz. Grundsätzlich gibt es bei Maewöltang ein Diesseits und damit auch ein Jenseits. Aber beide gehören zu einem Ganzen: "Könnte es neben Himmel und Erde noch einmal Himmel und Erde geben?"SS Das Jenseits kann mitten im Diesseits liegen, z.B. im wild wuchernden Beifußgestrüpp in der Nähe menschlicher Siedlungen, oder aber auch in der Feme des Himmels und der Tiefe des Wassers.

Anmerkungen

Abkürzung: MI (Kugyak) Maewoltang-jip

1 Geradezu als spannend ist die textliche Überlieferung dieser Geschichten zu bezeichnen. Maewöltang hat sie zu Lebzeiten unter Verschluß gehalten. Auch nach seinem Tod waren sie offensichtlich nur schwer zugänglich, bis sie eines Tages ganz verschwanden. In Japan jedoch, wohin sie während der Hideyoshi-Invasion (1592­ 1599) gelangten, erlebten sie einen zweimaligen Druck, und zwar 1653 (und nicht wie bei Ch'oe Namsön, Yi Kawön und Chöng Chudong 1658) sowie 1884. In Korea erschienen die Erzählungen erst wieder 1917, als Ch'oe Namsön die Edition der 1884-Ausgabe für Heft 19 der Zeitschrift Aufklänmg (Kyemyöng) besorgte. In der Folge entstanden U.a. die kommentierten Ausgaben von Yi Kawön, Yi Chaeho und der Arbeitsgemeinschaft zum Gedächtnis an König Sejong, den Großen (Sejong taewang kinyöm saöp-hoe). S. KUmo sinhwa, verf. Kim Sisup, komm. Yi Kawön, Söul: Tongmun'gwan 1959, S. 33-35 (s.u.); Maewolt'ang Kim SisUp yon'gu, verf. Chöng Chudong, Söul: Sinasa 1965, S. 485-488; " haeje", verf. Ch'oe Namsön, Yuktang Ch'oe Namson chOnjip, Bd. 9, Söul: Hyönamsa 1974, S. 603-606 (zugleich Kyemyong, Heft 19 Bd. 3 Nr. 4 , 1927, S.?). Ausgaben: (1) KUmo sinhwa, verf. Iqm Sisup, komm. Yi K~wön (s.o.); (2) dass., verf. ders., komm. Yi Chaeho, Söul: Uryu munhwasa 81979 (Uryu mun'go 81); und (3) für die vorliefende Arbeit maßgeblich MI, hrsg. Sejong taewang kinyöm saöp• hoe, Bd. 3, Söul: 1982, S. 295-396 (korean. Übers.), Anhang S. 93-115 (chin. Orig.). 2 Um von vornherein eine Einengung der Betrachtungsweise zu vermeiden, sollen die Begriffe 'Geister' und 'Jenseits' hier in einer weiten Bedeutung zugrunde gelegt werden. So gehören zu den Geistern alle Wesen und Erscheinungen außerhalb der irdischen Menschenwelt und das Jenseits umfaßt an die Orte, wo sich diese Wesen und Erscheinungen aufhalten. 134 Albrecht Huwe

3 Eine detaillierte Studie zu Maewöltangs Leben liegt vor in "Kim Sisup yön'gu", verf. Chöng Pyönguk, Soul taehakkyo nonmunjip, Inmun sahoe kwahak Bd. 7, 1958, S. 155-196; aus der umfangreichen Literatur zu diesem Punkt seien noch angeführt "Panhanggwa t'ahyöbUi kyoch'aroesö", verf. ders., Han'gugi1i ingansang, Bd. 5, Söul: Sin'gu munhwasa 1965, S. 141-161; Maewoltang Kim SisUp yon'gu, verf. Chöng Chudong, S. 33-371. 4 Demzufolge ist grundsätzlich eine geistige Entwicklung bei Maewöltang anzunehmen, die eine Einheitlichkeit seines Werkes fraglich erscheinen läßt. Da es bisher offensichtlich noch nicht gelungen ist, die zahlreichen kleineren Einzelschrif­ ten in eine chronologische Ordnung zu bringen, sollte man sich bewußt sein, daß im folgenden u.U. Dinge zusammengeführt werden, die aus verschieden~n Entwick­ lungsphasen stammen. Andererseits ist das Aufzeigen unterschiedlicher Außerungen zu einer Sache schon als gewisser Schritt in Richtung auf eine chronologische Gliederung aller Teile eines Gesamtwerkes zu betrachten. 5 So etwas wie eine knappe kritische Würdigung der Geistervorstellungen Kim Sisups unternimmt Chösen no kijin, verf. Murayama Chijun, Keijö: CMsen sotokufu 1929, S. 94-99. 6 S. KUmo sinhwa, komm. Yi Kawön, S.33; Maewoltang Kim SisUp yon'gu, verf. Chöng Chudong, S. 452-460. 7 Yi Kawön u.a. schreiben, daß sich am Ende der fünften Erzählung eine Bemerkung findet, 'Teil l' sei hiermit abgescWossen. Dies legt die Vermutung nahe, daß möglicherweise noch Folgeteile existierten, die jedoch verloren gegangen sind. S.. KUmo sinhwa, komm. Yi Kawön, S. 21 f. 8 S. u.a. Yijo sidae sosol-lon. Naeyongjok koch'an1l chungsimuro hayo, verf. Kim Kidong, Söul: Chöngyongsa 1959, S. 89; Han'guk munhaksa, verf. Chang Töksun, Söul: Tonghwa munhwasa 1977, S. 186; Munhak yesul sajon, P'yöngyang: Sahoe kwahak ch'ulp'ansa 1972, s.u. KUmo sinhwa (S.97 f.). 9 Han'guk munhaksa, verf. Chang Töksun, S. 186; vgl. auch weiter unten. 10 "Kumo sinhwa", MI 3, 4a.8f. (= Bd. 3, Anhang S. 94). 11 Wurde der Überlieferung nach von dem aus China geflohenen Wei Man (kor. Wi Man) in den Süden Koreas verdrängt. Näheres s. (Sinsu) Han'guk sa taegwan, Yi Pyöngdo, Söul: Pomungak 1972, S. 28, 48f. 12 S.a. KUmo sinhwa, verf. Söl Chunghwan, Söul: Kodae minjok munhwa yön'guso ch'ulp'anbu 1983, S. 122. 13 S.a. "Kiimo sinhwae nat'anan yögwi", verf. Kim Miran, Yonse omunhak, Bd. 9,10, 1977, S. 256 ff. 14 In bezug auf die Termini richte ich mich nach denen von Alfred Forke, Die Gedankenwelt des chinesischen Kulturkreises, München: 1927, S. 72-79, 124-127; ders., Geschichte der neuen chinesischen Philosophie, Hamburg: 2 1964, S. 171-192. 15 Da mit sin jedenfalls bei Maewöltang nichts Negatives, Angsteinflößendes verbunden ist, gebrauche ich abweichend von Forke, der für sin 'Geist' verwendet, daneben auch 'Gottheit', um damit der uns naheliegenden Vorstellung von Bös• artigkeit der Geister aus dem Weg zu gehen. Maewöltang Kim Sisiip 135

Zu den Geistervorstellungen im abendländischen Kulturraum s. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. E. Hoffmann-Krayer, Bd. 3, Berlin u.a. : 1930/31, Sp. 472-510. 16 "Kiimo sinhwa", MI 3, 30b. 6-8 (= Anhang, S. 107). 17 Ebda, 30b. 10-31a.1 (=Anhang, S. 107 f.) 18 Ebda, 31 a.5-b.1 (= Anhang, S. 108). Es werden an dieser Stelle insgesamt acht Arten von Dämonen genannt. 19 Das entspricht nach Forke 'Dämon' und 'Geist'. S.A Forke, Die Gedankenwelt des chinesischen Kulturkreises, S. 125 f. 20 "Kiimo sinhwa", MI 3, 33a.1-9 (= Anhang, S. 109). 21 Dazu s. u.a. Frits Vos, Die Religionen Koreas, Stuttgart: 1977, S. 100, 103; "Kiimo sinhwae nat'anan yögwi", verf. Kim Miran, S. 256. 22 "Kwisin che p'al", MI 3, Kw.17, 28a.1O-b.2 (= Anhang, S. 26). 23 Gemeint sind hier die in der taoistischen Lehre höchste Erkenntnis erlangt habenden Menschen (chi-in). 24 "Kiimo sinhwa", MI 3, 33b.5f. (= Anhang, S. 9). 25 Die sechs, mit bestimmten Sternbildern in Beziehung zu setzenden Götter bewachen die sog. fünf Richtungen: der blaue Drache den Osten, der weiße Tiger den Westen, der rote Vogel den Süden, die schwarze Schildkröte den Norden sowie die fliegende Schlange und ein weiterer Gott die Mitte. 26 "Kiimo sinhwa", MI 3, 31a.1-3 (=Anhang, S. 108). 27 "Kwisin che p'al", MI 3, kw. 17, 28a.2 (= Anhang, S. 26). 28 S. ebda, kw.17, 28b.2-8 (= ebda) 29 S. u.a. "Sujin che 0", MI 3, kw. 17, 19a.7-21b.3 (= Anhang, S. 22f.); "Pokki che yuk", ebda, kw. 17, 21b.4-24a.8 (ebda, S. 23 f.) ; "Yongho che ch'il", ebda, kw.17, 24a.9-27b.1 (ebda, S. 24-26) 30 S. "Yongho che ch'il", ebda, kw.17, 26a.6f. 31 Vgl. Abschnitt 3.1 32 Dem Willen entspricht dann möglicherweise der Gram der unerlösten Totenseelen. 33 S. "Kiimo sinhwa", MI 3, 30a.6 (=Anhang, S. 107) 34 Ebda, 33b.6-9 (= ebda, S. 109) 35 Bei den unerlösten Totengeistern spricht Maewöltang von Lebensenergie (chöngnyöng), als der Kraft, die sich noch nicht aufgelöst hat (vgl. weiter oben). 36 Vgl. 3., 4. und 5. Geschichte 37 S. "Kiimo sinhwa", MI 3, 45a.1 (= Anhang, S. 115). 38 S. "Söndo", MI1, kw.3, 1a.9 (= Bd. 1, Anhang, S. 46) 39 Vgl. Abschnitt 3.1.1 ("Jene nichtsnutzigen Kobolde...") 136 Albrecht Huwe

40 "Klima sinhwa", MI 3, 4a.5f. (= Anhang, S. 94) 41 Ebda, 8a.9 (= ebda, S. 96) 42 Ebda, 9a.1 (ebda, S. 97) 43 Ebda, 8b. 2 (ebda, S. 96) 44 Näheres über die Bedeutungsverschiebung, die dieser Ausdruck in China erlebte, s. Wolfgang Bauer, China und die Hoffnung auf Glück. Paradiese, Utopien, Ideal­ vorsteIlungen in der Geistesgeschichte Chinas, München: 1974, S. 273. 45 "Klima sinhwa", MI 3, 9b.6 (= Anhang, S. 97) 46 S.a. Maew6ltang Kim Sisup yon'gu, verf. Chöng Chudong, S. 685 47 S.a. ebda 48 "Klima sinhwa", MI 3, 28a.1O-28b.6 (= Anhang, S. 106) 49 Ebda, 34b.8-10 (ebda, S. 109) 50 S. W. Bauer, China und Hoffnung auf Glück. Paradiese, Utopien, Idealvorstel­ lungen in der Geistesgeschichte Chinas, S. 247-253 u.ä. 51 S. "Sondo", MI1, kw.3, 1-3 (= Anhang, S. 46f.) 52 Letzteres s. "Koma sinhwa", MI 3, 26aA (= Anhang, S. 105) 53 Ebda, 44a.2-6 (= ebda, S. 114) 54 In diesem Zusammenhangwird die Vorstellung von einerAusleibigkeit durchaus nahegelegt, wonach die sog. Hauchseele (hon) umherwandern und sich im Jenseits aufhalten würde. Welche Vorstellung sich Maewoltang allerdings wirklich gemacht hat, wäre im einzelnen noch zu untersuchen. Zu chinesischen Deutungen des Traummechanismus s. Michael Lackner, Der chinesische Traumwald. Traditionnelle Theorien des Traumes und seiner Deutung im Spiegel der ming-zeitlichen Anthologie Meng-lin hsüan-chieh, Frankfurt a.M.: 1985, S. 1-28 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 27: Asiatische und Afrikanische Studien, Bd. 11) 55 "Klima sinhwa", MI 3, 31b.1O-32a.1 (= Anhang, S. 108) Maewöltang Kim Sislip 137

Glossar

Chang Töksun Maewöltang chi-in Manbok-sa chöp'o ki Ch'oe Namsön Munhak yesul sajon chöng Murayama Chijun Chöng Chudong myöng Chöng Pyönguk Nam-yömbuju chi chöngnyöng okkyöng ch'önje paeg-ongnye ChOsen ni Idjin Panhanggwa t'ahyöbiii kyoch'aroesö Chun-wang Ch'wi yu Pubyök-chöng ki samto Sejong taewang kinyöm saöp-hoe hanghae Han'gugili in' gansang sin Han'guk munhaksa sinsön hon (Sinsu) Han'guk sa taegwan ki Kim Kidong sinwang Kim Miran sipchu Kim Sislip so (Kugyok) Maewoltang-jip Söl Chunghwan söndo Kilmo sinhwa Wei Man Klimo sinhwa haeje Yi Chaeho Klimo sinhwae nat'anan yögwi Yi Kawön Yi Pyöngdo kuwön Yijo sidae sosol-lon. Naeyongjok kwi koch'anll chungsimuro hayo kwisin Kyemyong Yi-saeng kyu chang chön Kyöngsang puk-to 138 Albrecht Huwe yögwi yak yomae Yonggung pu-an nok Yonse omunhak yu yuha Yuktang Ch'oe Namsan chönjip Entwicklung und Perspektiven der Ost-West-Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung Japans

Wolfgang Klenner (Bochum)

Einleitung und Überblick

Die Ost-West-Beziehungen, d.h. die Beziehungen zwischen Westeuropa, Nord­ amerika und dem Fernen Osten haben in der Vergangenheit viele fasziniert. Heute sind sie zu einem weltwirtschaftlich maßgeblichen Faktor geworden, und alles deutet darauf hin, daß sie in Zukunft an Bedeutung noch gewinnen werden. So hat sich das Zentrum wirtschaftlicher Dynamik, das in der Vergangenheit die Länder des Mittelmeeres bildeten - zumindest für die westliche Kultur - und sich dann nach Nordwesteuropa und zum Nordatlantik hin bewegte, nunmehr zum Pazifi­ schen Becken, nach Ostasien verlagert. Viele ostasiatische und südostasiatische Länder weisen seit Jahrzehnten Wachstumsraten des Sozialproduktes auf, die weit über dem Durchschnitt des weltwirtschaftlichen Wachstums liegen, und es sind keine Einflüsse erkennbar, die den Wachstumstrend dieser Region in absehbarer Zeit unterbrechen könnten. Japans Pro-Kopf-Einkommen ist inzwischen fast so hoch wie das der USA. Sein Anteil am Weltsozialprodukt beläuft sich auf nahezu 15%. Japanische Banken zählen zu den größten der Welt. Die hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten, die Japan an die Weltspitze brachten, wurden in den sechziger und siebziger Jahren von Südkorea, Taiwan und den beiden Stadtstaaten Hongkong und Singapur er­ reicht. Auch im südostasiatischen Raum, insbesondere in Malaysia, Thailand und Indonesien wurde in den letzten Jahren ein hohes Wirtschaftswachstum erzielt, wenn auch nicht in dem gleichen Maße wie in den ostasiatischen Ländern. Überaus hohe Wachstumsraten weist seit mehr als drei Jahrzehnten schließlich die Volks­ republik China auf. Dort hatten mangelhafte Planung und fehlende wirtschaftliche Anreize zwar dazu geführt, daß die produzierten Güter nicht in vollem Umfang dem Konsumbedarf der Bevölkerung zugute kamen oder die Basis für das wirt­ schaftliche Wachstum stärkten. Gleichwohl ist es der Volksrepublik China aber 140 Wolfgang Klenner gelungen, ein tragfähiges wirtschaftliches Fundament aufzubauen, und es ist zu erwarten, daß unter den nunmehr liberaler gestalteten ordnungspolitischen Bedin­ gungen und im Rahmen einer verstärkten Kooperation mit dem Westen die Quan­ tität und auch die Qualität der Produktion rasch gesteigert werden können. Die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten der Europäischen Gemeinschaft und Nordamerikas werden demgegenüber im allgemeinen weniger optimistisch beur­ teilt. Sicherlich wird sich an deren überragenden weltwirtschaftlichen Bedeutung für absehbare Zeit kaum etwas ändern, selbst wenn die Wachstumsraten des Sozial­ produktes in den nächsten Jahren wesentlich niedriger liegen als in den Ländern Ostasiens und Südostasiens. Betrachtet man aber längerfristige Entwicklungs­ trends, so sind Gewichtsverlagerungen in den Ost-West-Beziehungen unüberseh• bar. Im folgenden soll versucht werden, in einer größere Zeiträume umfassenden Untersuchung einen Überblick über die Entwicklung und Perspektiven der Ost-West-Beziehungen zu erhalten. Besonderes Gewicht wird dabei auf die Bedeu­ tung Japans gelegt.

Ost-West-Beziehungen in der Vergangenheit

Japan war in historischen Zeiten eine im Westen nur wenig bekannte Inselgruppe. Die Europäer richteten in Ostasien ihr Hauptaugenmerk auf China - sofern sie überhaupt an Ostasien interessiert waren. Handelsbeziehungen mit China wurden zunächst auf dem Landwege und später, ungefähr seit dem 1. Jahrhundert, schritt­ weise auch auf dem Seewege aufgenommen. So verhandelten römische Delegierte mit dem chinesischen Herrscher Huang Ti über die Eröffnung einer Seeroute zwi­ schen dem Römischen und dem Chinesischen Imperium. Die Römer wollten durch die Aufnahme des Seehandels die hohen Transportkosten und Zollbelastungen, die beim Handel auf der Seidenstraße entstanden, umgehen. Der Seehandel entwickelte sich rasch, und bald liefen westliche Schiffe indische und südchinesische Häfen an. Seit dem 3. Jahrhundert beteiligten sich auch chinesische Seefahrer am Übersee• handel. Im 15. Jahrhundert beherrschten sie sogar für eine kurze Zeit die Meere und verwiesen. die Araber, die ihre Handelswege bis in den Pazifik ausgedehnt und im Seehandel dominiert hatten, auf den zweiten Platz. Chinesische Dschunken fuhren nach Borneo, zu den Philippinen, nach Sri Lanka und sogar nach Sansibar. Japan nahm lange Zeit nicht am Ost-West-Handel teil, jedenfalls nicht unmit­ telbar. Überseehandel wurde im wesentlichen nur mit dem asiatischen Festland Ost-West-Beziehungen 141 betrieben. Zunächst verfügte Japan über keine eigene Handelsflotte. Der Waren­ transport zwischen Japan und dem Festland wurde von chinesischen und koreani­ schen Seeschiffen durchgeführt. Erst nach den Invasionsversuchen der Mongolen begann Japan mit der Entwicklung eigener Seeschiffe. Ende des 14. Jahrhunderts nahm Japan den Handel mit China auf offizieller Basis auf. Japan exportierte Kunstgegenstände, Schwerter und andere Produkte, die vielfach in Massenproduk­ tion hergestellt wurden, und führte aus China Rohseide, Porzellan, Arzneimittel usw. ein. Bei diesem Warenaustausch handelte es sich etwa bis Mitte des 16. Jahr­ hunderts um einen "staatlich gelenkten" Handel. Danach begannen japanische Kaufleute, auf eigene Rechnung den Überseehandel zu betreiben. Hierzu gründeten sie Niederlassungen in Annam, Siam und Luzon. Japanische Kaufleute beteiligten sich auch am Gewürzhandel. Mitte des 16. Jahrhunderts erreichten das erstemal europäische Seefahrer die japanischen Inseln. So landeten im Jahr 1543 portugiesische Kaufleute auf der klei­ ne Insel Tanegashima südlich von Kyüshü. Die Portugiesen weiteten ihre Beziehun­ gen zu Japan aus und wurden wegen ihrer bei den Japanern sehr gefragten Produk­ te wie Feuerwaffen, Glaswaren, Uhren, Brillen und Gewebe sehr beliebte Handels­ partner. Indessen fanden in Europa Machtverschiebungen statt, die sich auch in den Ost-West-Beziehungen bemerkbar machten. Spanien, das enorme Reichtümer aus den lateinamerikanischen Kolonien geschafft hatte, verdrängte die Portugiesen in Europa aus ihrer führenden Rolle - im Jahre 1580 wurde Portugal sogar für eine kurze Zeit in spanisches Territorium eingegliedert. Es war daher nicht verwunder­ lich, daß die Spanier die von den Portugiesen geschaffenen Überseekontakte über• nahmen. So gelangten im Jahr 1587 spanische Kaufleute auch nach Japan und er­ öffneten den Handel mit Japan. Bald darauf entwickelte sich Holland zur führen• den Handelsmacht. Es nahm Handelsbeziehungen mit den Mittelmeerländern, mit Nordamerika, Südamerika, Südostasien und Japan auf und dominierte Anfang des 17. Jahrhunderts im Welthandel. Sicherlich wurden Lebensniveau und Weltanschauung in Ost und West von den Handelsbeziehungen und den wissenschaftlichen und kulturellen Kontakten beein­ flußt. Tiefergreifende Einwirkungen auf die Wirtschaft fanden aber erst statt, als England im 18. Jahrhundert die maßgebliche Weltmacht wurde. Wichtige Schritte Englands auf dem Wege zur Weltmacht waren der Sieg gegen die bengalesische Armee im Jahr 1757 und die Übernahme des nordamerikanischen Territoriums östlich des Mississippis im Jahr 1763 von Frankreich. Der englischen Weltmacht wurden zwar ihre Grenzen gezeigt, als sie im Jahr 1783 einen Friedensvertrag mit 142 Wolfgang Klenner den USA abschließen und die USA als selbständiges Land anerkennen mußte. Gleichwohl prägte die britische Hegemonie bis zum Ersten Weltkrieg die Ost-West-Beziehungen und veränderte sie grundlegend. Japan befand sich in jener Phase "am Rande" des Weltgeschehensj glücklicher• weise für Japan, weil die Ost-West-Beziehungen in jener Zeit ausschließlich nach den Interessen der britischen und sonstigen westeuropäischen Industrieländer aus­ gerichtet wurden - zumeist zu Lasten des "Ostens". Die ökonomische Basis für die wirtschaftlichen Erfolge Englands in Ostasien war sein hohes Entwicklungsniveau von Technologie und Industrie. England wurde hierdurch in die Lage versetzt, wirtschaftliche, politische und militärische Erfolge im Osten zu erzielen und die Eigenständigkeit der wichtigsten ostasiatischen Länder ernsthaft zu bedrohen. Freilich darf man hieraus nicht auf eine generelle wirtschaftliche Unterlegenheit des Ostens schließen. Auf manchem Gebieten war der Osten hochentwickelt, wie aus nur einem hier dargelegten Beispiel ersichtlich wird. Edo - der frühere Name für Tökyö - hatte sich aus einer kleinen Siedlung gegen Ende des 18. Jahrhunderts in eine Großstadt mit einer Bevölkerung von über einer Million entwickelt. Zum Vergleich: Londons Bevölkerung betrug im Jahr 1750 ca. 600.000. Die Bedeutung einer derartig großen städtischen Ansiedlung kann gar nicht überschätzt werden. Um sie funktionsfahig zu erhalten, war ein äußerst kompliziertes Handelsnetz und Transportsystem erforderlich, das in der Lage war, Nahrungsmittel, Brennstoffe und andere lebensnotwendige Güter sowie Luxusprodukte zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort zu schaffen. Hundert­ tausende von spezialisierten Arbeitskräften wurden benötigt, um dieses hochgradig arbeitsteilige System aufrecht zu erhalten. Sogar die bäuerliche Bevölkerung im städtischen Einzugsbereich war Teil dieses Systems; sie war durch Vertragsbezie­ hungen und Kreditbeziehungen mit ihm verbunden und mußte ihre Produktion den Schwankungen von Marktpreisen anpassen. Größe und Komplexität der ostasiati­ schen Städte sind wohl auch Gründe dafür, weshalb nur wenige Ausländer jemals in der Lage gewesen waren, erfolgreich auf binnenländischen ostasiatischen Märk• ten zu bestehen. Die Europäer konzentrierten sich dementsprechend auf den Außenhandel, .wo sie wegen ihrer seetüchtigen Schiffe und ihrer Kenntnis der Aus­ landsmärkte einen komparativen Vorteil besaßen. Englische Schiffe verwiesen die Holländer im 18. Jahrhundert zunächst von ihrer führenden Position in Kanton. Anfang des 19. Jahrhunderts drangen sie bis zur japanischen Küste vor und be­ drohten wiederholt japanische Städte. Indessen konzentrierte sich England in Asien im wesentlichen auf Indien und China, und es gelang ihm Anfang des 19. Jahrhun- Ost-West-Beziehungen 143 derts, vor allem seit dem Opiumkrieg, die Ost-West-Beziehungen ganz nach den eigenen geschäftlichen und politischen Vorstellungen zu gestalten. Sehr vereinfacht könnte man sagen, daß für die Umgestaltung der Ost-West­ Beziehungen maßgeblich waren die Entscheidung des englischen Arbeiters, Tee zu trinken, und die Absicht der englischen Textilhersteller, die gesamte chinesische Bevölkerung in britische Textilien zu kleiden. Die Ostindien Companie hatte zu­ nächst Textilien aus Indien in England verkauft. Im Jahr 1700 wurden die Textil­ importe aus Ostasien verboten, um auf diese Weise die britische Textilindustrie zu schützen. Daraufhin begann die Ostindien Companie mit der Vermarktung chinesi­ schen Tees in England. Tee war zuvor ein Luxusgut in England gewesen. Seit dem 19. Jahrhundert wurde Tee indessen zum nationalen Getränk, das auch der engli­ sche Arbeiter in großen Mengen konsumierte. In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts z.B. erreichte der Pro-Kopf-Konsum von Tee nahezu elf Pfund. In dem Maße, in dem Tee zunehmend aus Ostasien importiert wurde, sah sich die englische Wirtschaft aber vor ein Problem gestellt: Zur Bezahlung der Tee-Einfuh­ ren exportierte England in großen Mengen Silber nach China mit der Folge, daß sich die englischen Währungsreserven verminderten. Um einen weiteren Abfluß von Silber zu verhindern, verknüpfte England den China-Handel mit dem Indien-Han­ del auf eine ganz spezifische Weise: Tee aus China wurde nicht mehr mit engli­ schem Silber, sondern mit Opium bezahlt, das in Indien angebaut wurde. Chinas "Integration" in den Weltmarkt erfolgte ferner dadurch, daß es zum Absatzmarkt für englische Produkte, vor allem für englische Textilien wurde. Baumwolle war der Schrittmacher des industriellen Wandels in England. Die gleiche Rolle spielte Baumwolle auch ein Jahrhundert später, zunächst in Japan, dann in Südkorea, in Taiwan, in Hongkong, in China und in Indonesien. Darüber hinaus war die Entwicklung der englischen Textilmanufaktur aber eng verbunden mit dem Aufbau des englischen Imperiums. Weitaus der größte Teil der englischen Baumwollproduktion wurde exportiert, häufig - vor allem in Indien und China ­ gegen heftigen Widerstand der Abnehmerländer. Die enormen Profite, die England im China-Handel erzielte, aber auch die Widerstände, die China den englischen Aktivitäten entgegensetzte, waren wohl maßgeblich dafür, daß sich England vor allem mit China befaßte und weniger Interesse an Japan hatte. Zudem war unter westlichen Kaufleuten die Meinung ver­ breitet, daß der Handel mit Japan nicht so lohnend sei wie der mit China. Gleich­ wohl kam es auch zu einem Anstieg des Warenaustausches zwischen Japan und dem Westen. Ein wichtiger Grund war das vom Ausland abweichende Preisverhält- 144 Wolfgang Klenner nis zwischen Gold und Silber in Japan. Westliche Kaufleute kamen nach Japan, um Edelmetalle in Japan zu tauschen und auf diese Weise die Unterschiede in den Preisrelationen zu nutzen. Darüber hinaus hatten sie Interesse an japanischem Tee, japanischer Seide sowie japanischem Porzellan. Japan war sich der die Selbständigkeit Asiens bedrohenden Veränderungen im Ost-West-Verhältnis wohl bewußt. So unterrichteten Mitte des 19. Jahrhunderts die Holländer die japanische Regierung über den Ausgang des Opium-Krieges in China und legten unmißverständlich dar, daß Japan mit einem ähnlichen Schicksal wie China rechnen müsse, sofern es nicht bereit sei, seine Häfen dem Ausland gegenüber zu öffnen. Immer häufiger kreuzten westliche Schiffe in japanischen Gewässern. Zwischenflille mit Ausländern häuften sich. Russische Pelztierfänger gelangten bis nach HOkkaidö, und es gab Anzeichen dafür, daß die russische Regie­ rung ihren Einfluß auf das nördliche Japan ausdehnen wollte. Der entscheidende Druck, der - aus westlicher Sicht - schließlich zum Erfolg führte, wurde aber erst von den USA ausgeübt. Diese hatten nach der Eingliederung Kaliforniens Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Handel mit Kanton und Shanghai ausgeweitet und wurden in diesem Zusammenhang an der Öffnung Japans interessiert. Sie ergriffen massive Maßnahmen gegen Japan und zwangen ihm im Jahr 1854 einen Handelsvertrag auf. In den nächsten Jahrzehnten, nach der Meiji-Restauration, erfolgten in Japan tiefgreifende innenpolitische Änderungen, die es in die Lage versetzten, auf den Westen nicht allein zu reagieren, sondern auch aktiv den Modernisierungsprozeß voranzutreiben. Die Maßnahmen zur Modernisierung von Wirtschaft und Gesell­ schaft führten bald zu Erfolgen. So wurde der Baumwollsektor ausgebaut und me­ chanisiert. Es gelang der einheimischen Textilindustrie nicht allein die Binnen­ nachfrage zu decken, sondern Textilien auch am Weltmarkt abzusetzen. Um die Jahrhundertwende wurde Japan der größte Seidenlieferant der Welt. Das Erstarken Japans hatte zur Folge, daß Japan sich wirtschaftlich, politisch und schließlich auch militärisch am asiatischen Festland engagierte. So griff Japan in die wirt­ schaftlichen und politischen Angelegenheiten Koreas ein. China, das Korea als tri­ butpflichtigen Staat betrachtete, widersetzte sich. Ende des 19. Jahrhunderts kam es zum chinesisch-japanischen Krieg, der mit dem Sieg Japans endete. In dem im Jahr 1895 geschlossenen Friedensvertrag mußte China u.a. Taiwan an Japan abtre­ ten. Japan verstärkte seinen wirtschaftlichen Einfluß auf Korea und begann, auch den chinesischen Markt für sich zu erschließen. Hierbei stieß es indessen auf den Widerstand Rußlands, das ebenfalls an der Ausweitung seines Einflusses auf die Ost-West-Beziehungen 145

Mandschurei und auf Korea interessiert war. Anfang dieses Jahrhunderts führten die Konflikte zum russisch-japanischen Krieg, den Japan im Jahr 1905 für sich entscheiden konnte. Fünf Jahre später annektierte Japan Korea. Es faßte in der Mandschurei Fuß, besetzte Anfang der dreißiger Jahre die gesamte Mandschurei und setzte daraufhin in Mandschukuo eine von ihm abhängige Regierung ein. Dar­ aufhin verschärften sich die Auseinandersetzungen zwischen Japan und China. Es begann der Pazifische Krieg, der 1945 mit Japans Niederlage endete. In Anbetracht dieser Vorgänge. kann es nicht verwundern, daß sich der "Osten" in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts wirtschaftlich nur geringfügig entwickelte.

Entwicldungstendenzen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges änderten sich die politischen und gesell­ schaftlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung Ostasiens und Südostasiens grundlegend. Das Ausmaß der militärischen Auseinandersetzungen, die zuvor einen großen Teil der Energie der Bevölkerung Ostasiens und Südostasiens absorbiert hatten, war zurückgegangen. Die politischen Differenzen hatten freilich an Brisanz nur wenig verloren. Immerhin waren die Widersprüche zwischen den marktwirt­ schaftlich orientierten Ländern Ostasiens und Südostasiens auf ein Niveau redu­ ziert worden, das diesen Ländern erlaubte, ihre Energien vor allem auf den Aufbau ihrer Volkswirtschaft zu richten. Dazu kam, daß aus der Sicht des Westens die marktwirtschaftlich orientierten Länder wie Japan, Südkorea, Taiwan, Singapur, Hongkong, Thailand, Malaysia als Partner in den politischen Auseinandersetzun­ gen mit den sozialistischen Ländern angesehen wurden. Ihre wirtschaftliche Ent­ wicklung galt daher als wünschenswert. Dementsprechend erhielten sie verhältnis• mäßig freien Zugang zu modernen westlichen Technologien und zu westlichen Ab­ satzmärkten. Wie oben dargelegt, waren die nach dem Zweiten Weltkrieg in den ostasiati­ schen und südostasiatischen Ländern ergriffenen Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung außerordentlich erfolgreich. Wirtschaftliches Wachstum wurde in die­ ser Region dermaßen selbstverständlich, daß sich sogar die Frage erhebt, ob Wirt­ schaftswachstum oder, umgekehrt, wirtschaftliche Stagnation erklärungsbedürftig sei. Indessen macht der Blick in andere Weltregionen deutlich, daß hohes wirt­ schaftliches Wachstum keineswegs eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Befin­ den sich doch in Südasien, in Afrika und in Lateinamerika Volkswirtschaften, 146 Wolfgang Klenner deren Wachstumsmöglichkeiten aufgrund ihrer umfangreichen Ressourcen zwar als sehr hoch eingeschätzt werden, die aber trotzdem nur geringfügige Wachstums­ raten aufweisen oder sogar stagnieren. Im folgenden wird versucht, einige derjeni­ gen Faktoren darzulegen, die zur raschen Entwicklung Ostasiens und Südostasiens beigetragen haben könnten. Ein gemeinsames Merkmal der wirtschaftlichen Führungsschicht in Ostasien und Südostasien ist der relativ hohe Stellenwert, der konfuzianistischen Wertvor­ stellungen beigemessen wird. Konfuzianismus ist ein komplexer Begriff, zu dem Fachleute sehr viel zu sagen wissen - hier, unter entwicklungspolitischen Gesichts­ punkten, reicht es aber wohl aus, wenn auf die dem Konfuzianismus eigene hierar­ chische Einordnung und Disziplinierung des Einzelnen verwiesen wird, die der Produktion in größeren betrieblichen Organisationen zugute kommen, und auf das hohe Ansehen, das Wissen und Bildung in konfuzianistisch geprägten Staaten hatten und haben. In China und zu einem gewissen Grad auch in Korea wurde die Bedeutung der Erziehung darüber hinaus dadurch unterstrichen, daß sich staatliche Beamte Prüfungen unterziehen mußten. Entwicklungspolitisch bedeutsam war ferner, daß in den meisten ostasiatischen und südostasiatischen Ländern ordnungspolitische Bedingungen geschaffen wurden, die ihrer wirtschaftlichen Entwicklung förderlich waren. So basierte die Wirt­ schaftsordnung auf marktwirtschaftlichen Elementen und damit Wettbewerbspro­ zessen. Dem Staat wurde aber gleichzeitig eine gewichtige Rolle bei der Gestaltung der Wirtschaftsprozesse eingeräumt. In der Anfangsphase des industriellen Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg war der Staat in den meisten Ländern sogar dominie­ rend. So wurden in Japan nach 1945 Devisen und weitere wichtige volkswirtschaft­ liche Ressourcen zunächst vom Ministry of International Trade and Industry, vom Finanzministerium und von der Bank of Japan kontrolliert. In Korea gab es ver­ gleichbare staatliche Institutionen, die wahrscheinlich noch massiver als die japani­ schen staatlichen Organe in die Wirtschaftsprozesse eingriffen. Auch in Taiwan war der Staat bei vielen wirtschaftlichen Entscheidungen maßgeblich, nicht zuletzt deswegen, weil er Anteile an den Schlüsselindustrien besaß. Vergleichbar war die Situation in Singapur. Auch dort war der Staat an vielen Großunternehmen kapi­ talmäßig und damit auch an deren Entscheidungen beteiligt. Eine Ausnahme bilde­ te Hongkong, das allgemein als Musterbeispiel für eine erfolgreiche Laissez-Faire­ Politik gilt. Löhne und Preise konnten sich stets frei bewegen, Kapitalbewegungen wurden nicht reguliert. Gleichwohl übte auch in Hongkong der Staat einen nicht unwesentlichen Einfluß, wenn auch indirekter Art, auf die Entwicklung der Stadt Ost-West-Beziehungen 147 aus, was im Ausland gelegentlich übersehen wird. So wurde eine effiziente Land­ und Siedlungspolitik betrieben, und es wurden Maßnahmen zur Handelsförderung, bildungspolitische Maßnahmen usw. ergriffen. Zumeist nahm der Einfluß des Staates auf die Wirtschaft mit deren fortschrei­ tenden Entwicklung und mit der Herausbildung einer international erfahrenen Führungsschicht ab. Schrittweise wurden immer weitere Teilbereiche der Wirt­ schaft liberalisiert und den Entscheidungen sachkundiger, weltgewandter und er­ fahrener Manager überlassen. Selbst in der VR China, in der für mehr als drei Jahrzehnte mit unterschiedlichen planwirtschaftlichen Konzepten experimentiert wurde, hat man vor ca. zehn Jahren begonnen, Marktprozesse in Teilbereichen der Wirtschaft zuzulassen. Die Wirtschaftserfolge werden auch auf die in einzelnen Ländern verfolgte offe­ ne Außenwirtschaftspolitik zurückgeführt. Man verstand es sehr wohl, die Ost­ West-Beziehungen für die eigene wirtschaftliche und technologische Entwicklung zu nutzen, um auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik mit dem Westen gleichzuziehen. So wurden in großem Umfang technologisches Know-How in Form von Patenten, Ausrüstungen, Anlagen und kompletten Unternehmen importiert. Kostspielige Investitionsruinen wurden vermieden, weil man sich bei Import­ entscheidungen an der Absorptionsfähigkeit der Wirtschaft orientierte. Japan be­ schritt diesen Weg als erstes Land. Zunächst konzentrierte man sich auf die Schwerindustrie und die Chemieindustrie, dann auf den Schiffbau, die Elektronik und weitere Branchen. Die erforderlichen Devisen wurden zu Beginn vor allem durch Textilausfuhren erworben. Es folgten Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singa­ pur, die südostasiatischen Staaten und nunmehr auch die VR China. Auch sie ex­ portierten anfangs vor allem Textilien. Anders als Japan, das seinen Kapitalbedarf im wesentlichen durch inländische Ersparnisse deckte, setzten die meisten von ihnen aber auch Auslandskapital zur Entwicklung ihrer Wirtschaft ein. Einige Län• der nahmen umfangreiche Auslandskredite auf. Südkoreas Auslandsverschuldung z.B. betrug zu Beginn der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts mehr als 50 Mrd. US-Dollar. Daneben wurden 100%ige ausländische Direktinvestitionen, Gemein­ schaftsunternehmen und sonstige Formen der betrieblichen Kooperation mit dem Ausland gestattet und gefördert, um auf diese Weise Auslandskapital und moderne Technologien zu erwerben. Den gleichen Zielen diente die Einrichtung von Freihan­ delszonen und - in der VR China - "Sonderwirtschaftszonen". Lange Zeit war in der Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik umstritten, ob die außenwirtschaftliche Öffnung und Integration in den Weltmarkt eine geeig- 148 Wolfgang Klenner nete Strategie ist. Die Gegner einer solchen Politik verwiesen darauf, daß hiervon letztlich nur die internationalen Großkonzerne profitierten. Indessen beweisen die Entwicklungsergebnisse der ostasiatischen und südostasiatischen Länder, daß durch eine offene Wirtschaftspolitik auch die nationale Wohlfahrt gesteigert werden kann. Stellt man einen internationalen Vergleich der Wachstumsraten des Sozial­ produkts unterschiedlicher Entwicklungsländer an, so wird man sogar feststellen, daß diejenigen Länder, die in enger Zusammenarbeit mit dem Westen ihre Wirt­ schaft entwickelten, verhältnismäßig große wirtschaftliche Erfolge aufwiesen. Dieje­ nigen Länder dagegen, die eine Strategie der Importsubstitution verfolgten und versuchten, wirtschaftliches Wachstum zu verwirklichen, indem sie ihre wirtschaft­ lichen Verbindungen mit den USA oder den westeuropäischen Ländern minimier­ ten, waren nicht allzu erfolgreich. Es zeigte sich, daß Länder, die nicht kolonialisiert worden waren, relativ früh in die Phase eines sich selbst tragenden wirtschaftlichen Wachstums eintraten. Hierzu gehört an erster Stelle Japan. Japan hatte gegenüber den ehemaligen Kolonien einen entscheidenden Vorteil. Es verfügte über eine heimische Führungselite, die seit Generationen mit den Belangen von Wirtschaft und Gesellschaft vertraut war. Selbst wenn die Führungsschicht von bestimmten gesellschaftlichen Gruppierungen als "rückschrittlich" angesehen wurde, so hatte diese sich doch im Laufe der Geschichte den Erfordernissen einer sich entwickelnden Gesellschaft und Wirt­ schaft zumindest zu einem gewissen Maße angepaßt. In den ehemaligen Kolonien dagegen gab es in der Anfangsphase ihrer Unab­ hängigkeit kaum Führungskräfte mit den erforderlichen Qualifikationen. In der Kolonialisierungsphase Indonesiens z.B. waren alle wichtigen Positionen in Regie­ rung und Wirtschaft durch Ausländer besetzt gewesen. Die heimische Führungs• elite war ausgeschaltet worden. Indonesien oder auch Vietnam und Korea mußten daher zu Beginn ihrer Unabhängigkeit zunächst Kräfte herausbilden, die geeignet waren, Entwicklungsprozesse zu initiieren, zu koordinieren und hierbei die Ver­ antwortung zu übernehmen, bevor alle Energien auf den wirtschaftlichen Aufbau gerichtet werden konnten. Ein weiterer wichtiger Faktor für das rasche Wirtschaftswachstum, auf den abschließend eingegangen werden soll, ist die Stabilität der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Sie ist erforderlich, damit Investoren langfristig planen und auch solche Projekte durchführen, die für die Entwicklung eines Landes von außerordentlicher Bedeutung sind, die aber erst längerfristig Profite abwerfen. Unter diesem Gesichtspunkt bot Japan in Ostasien wohl die besten Voraussetzun- Ost-West-Beziehungen 149 gen. So blieb das politische und wirtschaftliche Umfeld japanischer Unternehmen von der Meiji-Restauration bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts relativ konstant. Auch die vier Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg waren von politi­ scher Stabilität gekennzeichnet. Zudem wurde Japan von einer politischen Partei regiert, in der geschäftliche Interessen dominierten. Positiv wirkte sich ferner der Sicherheitsvertrag mit den Vereinigten Staaten aus, der es Japan ermöglichte, den größten Teil seiner Ressourcen für zivile Zwecke und nicht für militärische Aufga­ ben einzusetzen. Dagegen litten Länder wie China, Korea oder Vietnam bis zu Be­ ginn der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts unter politischen Unruhen und militä• rischen Auseinandersetzungen, die wirtschaftliche Fortschritte erschwerten oder unmöglich machten.

Gegenwärtige Lage und Perspektiven

Inzwischen gehören über 200 Millionen Menschen in Ostasien der industrialisierten Welt an. Ihre Länder, in denen erst in den vierziger und fünfziger Jahren Land­ reformen in Angriff genommen wurden, entwickelten sich in nur wenigen Jahrzehn­ ten von asiatischen Agrargesellschaften, in denen große Teile der Bevölkerung noch in extremer Armut lebten, zu prosperierenden Volkswirtschaften. Wenn Chinas Modernisierungsvorhaben und Entwicklungsanstrengungen erfolgreich sein werden, werden weitere 1,1 Milliarden Menschen in industrialisierten Ländern leben. Die Wirtschaftserfolge in Ostasien haben die Ost-West Beziehungen bereits grundlegend geändert. Die erfolgreichen Länder in Asien sind nicht mehr oder nicht mehr in dem Maße wie bisher technologische Nachfolger. Japan bietet inzwischen in vielen Branchen technologische Spitzenprodukte am Weltmarkt an. Südkorea, Taiwan und Singapur sind auf dem Wege, modernste Technologien zu beherrschen. Die VR China, die insgesamt wirtschaftlich zwar noch zurückgeblieben ist, hat in bestimmten Teilbereichen der Wirtschaft Weltniveau erreicht. So bietet sie ihre Trägerraketen am Weltmarkt an, und wesentliche Partner prüfen ernsthaft die Frage, ob sie zum Transport ihrer Satelliten auf dieses Angebot eingehen sollen. Es gibt viele Anzeichen dafür, daß der "Westen" Schwierigkeiten hat, den geän• derten weltwirtschaftlichen Gewichten hinreichend Rechnung zu tragen. Darüber hinaus scheint es unter den Bedingungen der gegenwärtigen Weltwirtschafts­ ordnung nur sehr begrenzt möglich zu sein, bestimmte positive Effekte, die sich aus der Dynamik Ostasiens ergeben, in vollem Umfang der Weltwirtschaft nutzbar zu 150 Wolfgang Klenner machen. Hierfür sind sehr unterschiedliche Gründe maßgeblich. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die unausgewogenen Beziehungen zwischen einzelnen ost­ asiatischen Ländern - insbesondere Japan - und den USA sowie gewisse Struktur­ schwächen der Europäischen Gemeinschaft. Japan ist als Folge der über Jahre an­ dauernden enormen Außenwirtschaftsüberschüsse inzwischen das größte Gläubiger• land der Welt. Seine Vermögenswerte im Ausland belaufen sich auf über 500 Mrd. US-Dollar. Ein weiteres Ansteigen ist zu erwarten, weil trotz drastischer Aufwer­ tungen des Yen ein Ende der Außenhandelsüberschüsse nicht abzusehen ist. Dementsprechend wird Japans Bedeutung als Kreditgeber in den nächsten Jahren noch zunehmen. Neben Japan haben auch Südkorea und Taiwan in den letzten Jahren erhebliche Außenhandelsüberschüsse erwirtschaftet. So weist Taiwans Außenhandelsbilanz, die seit 1981 positiv ist, im Jahr 1987 voraussichtlich einen positiven Saldo von ca. 18 Mrd. US-Dollar auf - das entspricht ca. 20% des Bruttosozialprodukts. (Zum Vergleich: Die Anteile des Außenhandelsüberschusses Japans und der Bundesrepublik beliefen sich im gleichen Jahr auf ca. 4%). Taiwans Devisenreserven betragen inzwischen nahezu 75 Mrd. US-Dollar. Südkorea, dessen Außenverschuldung Mitte der 80er Jahre noch über 50 Mrd. US-Dollar betrug ­ deswegen war es von einzelnen Kreditgebern nahezu als kritischer Schuldner eingestuft worden - erzielte allein im Jahr 1987 Außenwirtschaftsüberschüsse von ca. 10 Mrd. US-Dollar. Das waren ca. 8% des südkoreanischen Bruttosozialpro­ dukts. Außenwirtschaftsüberschüsse sind isoliert betrachtet keineswegs ein weltwirt­ schaftliches Problem. Wenn Industrieländer mehr ausführen als sie einführen, d.h., wenn sie einen Teil ihrer Produktion nicht selbst verwenden, so ist das grundsätz• lich sogar wünschenswert. Wird es doch auf diese Weise weniger entwickelten Län• dern möglich, Auslandskapital zu erhalten und ihre Investitionsquote über die in­ ländische Sparquote hinaus anzuheben. Sie können sich dann rascher entwickeln als es der Fall wäre, wenn sie sich allein auf eigene Ressourcen stützen müßten. In­ dessen fließen die vor allem von Japan erwirtschafteten Kapitalüberschüsse nicht, wie es - zumindest unter entwicklungspolitischen Zielsetzungen - weltwirtschaft­ lich sinnvoll wäre, in die Entwicklungsländer, sondern werden hauptsächlich in die USA gelenkt. Die USA, der wichtigste bisherige Garant der Weltwirtschaftsord­ nung, erwirtschaften seit Jahren Außenhandelsdefizite. Die Folge ist, daß nicht Entwicklungsländer wie Mexiko oder Brasilien, sondern die USA inzwischen der größte Schuldner in der Welt geworden sind. Die USA versuchen zwar, durch Ab­ wertung des US-Dollars die Importe zu senken und die Exporte zu erhöhen. Aber Ost-West-Beziehungen 151 trotz drastischer Dollar-Abwertungen hat sich bisher noch nicht viel an der negati­ ven amerikanischen Handelsbilanz geändert, und es ist nicht erkennbar, wann diese ausgeglichen sein wird. Die Schuldenlast der USA wird daher weiter zunehmen. Ihre Beziehungen zu Japan und anderen wirtschaftlich erfolgreichen Ländern Ost­ asiens werden angespannt bleiben und, was wohl längerfristig am bedeutendsten ist, ihre Rolle als Garant einer funktionsfähigen Weltwirtschaftsordnung wird wei­ ter geschwächt werden. Entscheidende Maßnahmen zur Stabilisierung der Weltwirtschaftsordnung und zur Verbesserung der weltwirtschaftlichen Lage wurden auch von den Ländern der Europäischen Gemeinschaft bisher noch nicht getroffen. Sie sind zur Zeit zu stark mit eigenen, nationalen Problemen befaßt - so liegt die Arbeitslosenquote in eini­ gen Ländern bei über 10% - und konnten sich nicht zu gemeinsamen, energischen Maßnahmen durchringen. Es fehlt im "Westen" nicht nur an Konzepten für eine stabile und funktionsfähige Weltwirtschaftsordnung, die den geänderten Ost-West Beziehungen Rechnung trägt, sondern auch an der Bereitschaft und Fähigkeit, die zu ihrer Errichtung und Aufrechterhaltung entstehenden Kosten zu tragen. In ostasiatischen Ländern, vor allem in Japan, ist man sich inzwischen bewußt geworden, daß die Maßnahmen ihrer Unternehmen und ihrer Wirtschaftspolitik Einfluß nicht nur auf die Binnenwirtschaft sondern, wegen der enormen weltwirt­ schaftlichen Bedeutung ihrer Volkswirtschaften, auch auf die Weltwirtschaft aus­ üben. Unternehmer und Wirtschaftspolitiker in Ostasien beginnen, ihre Entschei­ dungen nicht mehr allein unter Berücksichtigung betrieblicher und nationaler Be­ lange zu treffen, sondern zunehmend auch deren Auswirkungen auf die Weltwirt­ schaft in Rechnung zu stellen. Insbesondere Japan, dem seit langem vorgeworfen wird, die Vorteile des von den westlichen Nationen getragenen Freihandelssystems zu nutzen, ohne gleichzeitig einen entsprechenden Beitrag zu leisten, befindet sich in einem Umdenkungsprozeß. Man macht sich mit dem Gedanken vertraut, nicht mehr umhin zu können, einen der eigenen weltwirtschaftlichen Position adäquaten Anteil an den Kosten zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Weltwirt­ schaftsordnung zu leisten. Es handelt sich hierbei um die Erbringung sog. inter­ nationaler öffentlicher Güter wie Sicherheit und Stabilität der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und internationale Wirtschaftshilfe. Es geht auch darum, daß der Yen eine größere Bedeutung als bisher im internationalen Handel und als inter­ nationale Reservewährung erhält. Im Zusammenhang mit der Börsenkrise Ende 1987 ist Japan bereits schmerzlich bewußt geworden, welche Gefahren von wenig durchdachten Maßnahmen der amerikanischen Wirtschaftspolitik ausgehen können, 152 Wolfgang Klenner falls der US-Dollar weiterhin die einzige Schlüsselwährung bleibt. Man ist daher bereit, Maßnahmen zu ergreifen, die der Internationalisierung des Yen förderlich sind, und in diesem Zusammenhang auch gewisse Kosten zu tragen, die Japan als Folge einer stärkeren Internationalisierung seiner Währung erwachsen können. In Anbetracht des außerordentlichen weltwirtschaftlichen Gewichtes Japans wurde die Frage aufgeworfen, ob die Welt nicht am Anfang einer neuen Ära, der "Pax Japonica" stände. Da Japan die größte Gläubigernation geworden ist, scheint diese Frage sicherlich nicht unberechtigt zu sein, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Großbritannien und die USA in ihrer Blütezeit, in der sie der Weltordnung ihren Stempel aufdrückten, jeweils die größten Gläubiger gewesen waren. Indessen ist aus gegenwärtiger Sicht der Anbruch eines japanischen Zeitalters, zumindest im klassischen Sinne, kaum vorstellbar. Die Wirtschaftskraft der USA und der Euro­ päischen Gemeinschaft ist trotz aller derzeitigen Probleme außerordentlich groß. Außerdem muß ein Land, soll es eine historische Zeitspanne prägen, in der Lage sein, auch längerfristig seine Überlegenheit zu beweisen. Es müßte über viele Jahre hinweg den Nachweis führen, daß es eine Weltwirtschaftsordnung nach seinen Vor­ stellungen gestalten und tragen kann. Gegenwärtig wäre Japan sicherlich mit die­ sen Aufgaben überfordert. Es wird daher vorerst wohl darauf ankommen, daß Japan zusammenmit den USA und der Europäischen Gemeinschaft eine tragfähige Weltwirtschaftsordnung konzipiert und sich an den Kosten zu ihrer Aufrechterhal­ tung angemessen beteiligt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Beziehungen zwischen Japan und den übri• gen ostasiatischen sowie den südostasiatischen Ländern entwickeln werden. Wahr­ scheinlich wird der Handel innerhalb dieser Region weiter zunehmen. Wegen der ausgeprägten wirtschaftlichen, politischen und sozialen Heterogenität dieser Region wird es wohl auch zu Handelskonflikten und politischen Auseinandersetzungen kommen. Längerfristig wird das Gewicht des "Ostens" indessen weiter zunehmen, insbesondere dann, wenn die VR China in ihren Bemühungen sich zu industrialisie­ ren erfolgreich sein wird. Bis dahin wird freilich noch einige Zeit vergehen. Noch ist China auf der Suche nach einem geeigneten ordnungspolitischen Konzept und einer adäquaten wirtschaftspolitischen Strategie zur Modernisierung des Landes. Nicht zuletzt die außerordentlichen Wirtschaftserfolge seiner Nachbarn haben China veranlaßt, sein bisheriges entwicklungspolitisches Konzept zu revidieren und sich vor allem in seiner Außenwirschaftspolitik zu einem gewissen Maße an Japan, Südkorea und Taiwan zu orientieren. Indessen ist die Außenwirtschaftsstrategie dieser Länder unter den derzeitigen weltwirtschaftlichen Bedingungen nicht not- Ost-West-Beziehungen 153 wendigerweise ein geeignetes Leitbild für China. Die Ost-West Beziehungen haben sich im Vergleich zu denen der fünfziger und sechziger Jahre grundlegend geändert. Aus der Sicht vieler westlicher Länder sind zunehmende Importe aus China nur wenig wünschenswert, weil sie dem Import von Arbeitslosigkeit gleichgesetzt wer­ den. Es wäre allerdings folgenschwer, wenn der "Westen", weil er zur Anpassung seiner Wirtschaftsstrukturen an die sich ändernden weltwirtschaftlichen Bedingun­ gen nicht fähig ist, gerade dann zu protektionistischen Maßnahmen griffe, wenn China zu einer offenen Außenwirtschaftspolitik übergeht. Westliche Handelsbar­ rieren gegenüber den ostasiatischen Partnern würden kurzfristig sicherlich den Im­ portdruck reduzieren. Sie würden aber auch zur Verstärkung der Kooperation zwi­ schen Japan, China, den sonstigen ostasiatischen Ländern sowie den südostasiati• schen Staaten führen. Der "Westen" würde sich von der weltwirtschaftlichen Re­ gion mit der größten Dynamik abkoppeln mit der Folge, daß in den westlichen Volkswirtschaften nur sehr begrenzt Entwicklungsimpulse zum Tragen kommen, die aus dem freien Wettbewerb mit asiatischen Wirtschaften resultieren. Die Kon­ sequenzen der sich ändernden Ost-West Beziehungen müssen daher nicht allein im "Osten" neu durchdacht und bedacht werden. Ein Umdenken und darüber hinaus entschlossene Maßnahmen zur Förderung der Dynamik, der Initiative und der Flexibilität sind auch in den USA und in der Europäischen Gemeinschaft erforder­ lich.

Die Tradition der koreanischen Schulgrammatik und der jüngste Versuch ihrer Vereinheitlichung

YÖnggu.n Ko (Seoul)

1. Vorwort

Wann genau die koreanische Sprache gebildet wurde, läßt sich zwar nicht leicht beantworten, aber man kann vermuten, daß um Christi Geburt auf der koreani­ schen Halbinsel im gewissen Grade eine gemeinsame Sprache existiert hat, die man als koreanische Sprache bezeichnen kann.1 Später, in der letzten Hälfte des 7. Jahrhunderts, als die Drei Reiche durch Silla (trad.: 57 v.Chr. - 953 AD) vereinigt wurden, wurde die Sprache des Kyöngju-Gebiets zur gemeinsamen Sprache der Halbinsel. Am Anfang des 10. Jahrhunderts, der Gründung von Koryö zur Folge, herrschte als gemeinsame Sprache der Halbinsel die Regionalsprache von Kaesöng. Am Ende des 14. Jahrhunderts wurde Chosön (1392-1910) mit der Hauptstadt Seoul gegründet, was aber keine qualitative Veränderung in der gemeinsamen Sprache verursachte, da beide Städte, Seoul und Kaesöng, zum Sprachbereich des Zentralgebiets gehörten.2 Mitte des 15. Jahrhunderts wurde eine Buchstabenschrift erfunden, mit der die koreanische Sprache, als agglutinierende Sprache strukturver­ schieden vom Chinesischen, aufgezeichnet werden konnte, und gleichzeitig wurden auch beachtlich tiefe Forschungen über das System der Phonologie der koreani­ schenSprache durchgeführt. Im Zeitalter von Chosön gab es zwar über 500 Jahre hindurch Gelehrte, die einiges Interesse an der koreanischen Schrift oder an phonologischen Phänomenen hatten, aber es läßt sich keine Spur entdecken, die auf eine Erkenntnis der Grammatik hinweisen würde. Alle öffentlichen Dokumente wurden in chinesischen Schriftzeichen aufgezeichnet,· und auch in den Schulen existierte nur die chinesische Schrift als offizielles Lehrfach, daher fühlte man vermutlich keine Notwendigkeit, über die koreanische Sprache Forschungen zu betreiben. 156 Yönggiin Ko

Die koreanische Sprache als Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen begann Ende des 19. Jahrhunderts in Erscheinung zu treten. Kabo-kyongjang im Jahre 1894 war der Anlaß, daß die koreanische Sprache und die koreanische Schrift Offizialität erlangten. Mit Kabo-kyongjang wird eine Reformationsbewegung bezeichnet, die eine Veränderung des traditionellen Dynastiesystems in ein neuzeitliches Staatssystem mit sich brachte. Genau genommen kann man sagen, daß die gründliche Erforschung der koreanischen Sprache mit Kabo-kyongjang begann. Das erste Interesse bestand darin, die Grammatik der koreanischen Sprache zu erforschen, die Rechtschreibung festzulegen und ein Wörterbuch anzufertigen. Charakteristisch für die Grammatikforschung war, daß sie sehr normativ war und gleichzeitig unermüdlich versucht wurde, sie zu standardisieren. Im folgenden werde ich vom Gesichtspunkt der Schulgrammatik aus die Geschichte der Grammatikforschungen der koreanischen Sprache untersuchen und insbesondere ihrer Vereinheitlichung seit 1960 größere Wichtigkeit beimessen.

2. Die Geschichte des Grammatikunterrichts 2.1 Die Erforschung der koreanischen Grammatik durch Abendländer

Die Erforschung der koreanischen Grammatik vom Gesichtspunkt der westlichen Sprachwissenschaft aus geht bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Ph. Fr. von Siebold (1796-1866), ein deutscher Arzt, der nach Japan kam, um die westliche Heilkunde zu verbreiten und Forschungen über Japan zu betreiben, traf im März 1828 an der Küste von Nagasaki in Japan mit Koreanern zusammen und beschrieb dann auf Grund seiner Beobachtungen die koreanische Grammatik.3 Außerdem übersetzte er die herkömmlichen koreanischen Vokabelbücher, wie das Yuhap und das eh'onjamun usw., ins Deutsche und übernahm somit die Rolle eines Pioniers in der Erforschung der koreanischen Sprache unter den westlichen Ausländern. ImJahre 1864 verfaßte der französische Orientalist L. de Rosny (1842­ 1915) auf dem Fundament des Materials von v. Siebold eine Grammatik der koreanischen .Sprache.4 Diese koreanische Grammatikforschung der westlichen Ausländer wurde von protestantischen Pfarrern aus England, wie J. Ross (1842­ 1915), und französischen Priestern, die in der Auslandsmissionsgesellschaft tätig waren, wie F. Ridel (1830-1884), weitergeführt. Ross übersetzte die Bibel mit Hilfe von koreanischen Gläubigen in der Mandschurei und studierte die koreanische Tradition der koreanischen Schulgrammatik 157

Grammatik, aber das Rückgrat für seine Studien bildete der JYongando-Dialekt, und zudem handelt es sich hauptsächlich um morphologische Studien über Kugyol, koreanischsprachige Lesehilfen in chinesischsprachigen Klassikern.5 Dagegen verfaßte Ridel, der direkt in Korea Koreanisch gelernt hatte, mit Hilfe von Gläubigen aus Seoul im Jahre 1881 ebenfalls in der Mandschurei, in Tchakou, eine vollständige Grammatik der Standardsprache von Seoul.6 Die Grammatik von Ridel übte auch einen großen Einfluß auf den amerikanischen Missionar H.G. Under­ wood (1859-1916) aus, sowie auch auf die deutschen Missionare A Eckardt (1884­ 1974) und L. Roth (1890-1949?).7 Die ersten Abendländer studierten die koreanische Grammatik, um ihre re­ ligiöse oder diplomatische Mission erfolgreich durchführen zu können. Sie haben vorzugsweise die koreanische Sprache vom Gesichtspunkt der Grammatik ihrer Länder aus betrachtet. Daher gibt es auch entsprechend viele Stellen, an denen die koreanische Grammatik falsch aufgefaßt wurde. So haben sie z.B. versucht, das Kasussystem und den Artikel der westlichen Sprachen auf die Grammatik der koreanischen Sprache zu übertragen. Andererseits gibt es aber auch vieles, was richtig verstanden wurde.8 So wurde z.B. der agglutinierende Charakter der Sprache aufgezeigt und das Wesen der honorativen Ausdrucksweisen erfaßt. Die Studien westlicher Ausländer waren eben Studien der koreanischen Sprache in einer Fremdsprache und konnten nicht über den Rahmen einer Fremdsprachengrammatik hinausgehen. Aufjeden Fall übte die koreanische Grammatikforschung der westlichen Ausländer des 19. Jahrhunderts einen großen Einfluß auf die Grammatikforschung der Koreaner selbst aus. Unter solchen direkten oder indirekten westlichen Einflüssen begann seit Ende des 19. Jahrhunderts ein Aufschwung in der koreanischen Grammatikforschung, und auf diesem Fundament wurde der Grammatikunterricht durchgeführt.

2.2 Das Zeitalter des Koreanischen Kaiserreichs (1895-1910)

Mit einer nationalen Spracherziehung, die die koreanische Sprache und ihre Schrift zum Gegenstand hatte, wurde zum ersten Mal im Jahre 1895 in der damaligen Hansong-Lehrerbildungsanstalt begonnen. In der im selben Jahr öffentlich bekannt gemachten Grundschulordnung wurde vorgeschrieben, daß die Grammatik im Lehrfach "Koreanisch" unterrichtet werden sollte.9 Damals wurde auch den 158 Yönggiin Ko

Mittelschulen, Pädagogischen Schulen und den Oberschulen die Grammatik zusammen mit Lesen, Aufsatzschreiben und Schreibübungen auferlegt. Es läßt sich nicht genau sagen, wessen Werk konkret in welchem Lehrgang benutzt wurde. Es ist nur bekannt, daß das Ch'odung-kugo-ojon (1908) von Kim Hiiisang in der Elementarschule verwendet wurde, nachdem es vom Kultusministerium genehmigt worden war. Es besteht auch die Möglichkeit, daß das Buch Kungmun-chOngni von Lee Pongun verwendet wurde. Wir nehmen an, daß danach die Bücher von Yu Kilchun Choson-munjon, Taehan-munjon, Kim Kyusiks Taehan-munbOp, Ch'oe Kwangoks Taehan-munjon, Chu Sigyöngs Tae-Han'gugo-munbOp, Kodung-kugo­ munjon, Kugo-munbOp usw. als Lehrbücher verwendet wurden. Darunter gibt es zwar Bücher, die formell veröffentlicht wurden, aber die meisten erschienen in inoffizieller Form. Die Grammatikbücher in der Zeit des Koreanischen Kaiserreichs können in drei Gruppen geteilt werden, und zwar in Werke, die von der japanischen Grammatik beeinflußt wurden, in solche, die von der englischen Grammatik beeinflußt wurden, und in solche, die koreanische Originalität aufweisen. Yu Kilchun und Ch'oe Kwangok imitierten die japanische Grammatik der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Kim Hiiisang und Kim Kyusik wurden sehr von der koreanischen Grammatik von Underwood beeinflußt.lO Dagegen ist schwer zu sagen, ob Chu Sigyöngs Grammatik von irgendeinem anderen Modell beeinflußt wurde. Chu Sigyöng war der Meinung, daß die Sprache und die Schrift die wichtigsten Elemente in der Bildung einer Gesellschaft bzw. eines Staates seien.ll Er machte eigenständige Forschungen zur koreanischen Grammatik und setzte alles daran, sie zu verbreiten.12 Er vertrat die Ansicht, daß man mit einer sino-koreanischen Grammatikterminologie die wahre Gestalt der koreanischen Grammatik nicht verstehen könne und entwickelte eine Grammatikterminologie in rein koreanischer Sprache. Auf diese Weise kam es seit Beginn der koreanischen Grammatikfor­ schung zu einer Koexistenz sino-koreanischer und rein koreanischer Terminologie. Chu Sigyöng entwarf eine syntaktische Theorie aufder Grundlage der Semantik und Pragmatik, und durch die Einführung einer grammatischen Einheit, die dem Morphem der strukturellen Linguistik entspricht, legte er auch das Fundament für die Morphologie der koreanischen Sprache.13 Beeinflußt durch Chu Sigyöng wurden von den meisten Grammatikern die Postpositionen, die an Nomen angehängt Tradition der koreanischen Schulgrammatik 159 werden, oft aber auch die Endungen, die an Verben treten, als unabhängige Wörter anerkannt, und man sprach ihnen die Eigenschaft einer Wortart zu. Man betrachtete den Satz Agiga usotta (Das Kind lachte.) als aus folgenden Wörtern bestehend:

(1) agi -ga us -atta Kind / Nominativ lachen / Präterital-terminal

In dem Beispielsatz (1) wurdenAgi als Nomen, -ga als Postposition, us- als Verbum und -otta als Terminalwort betrachtet. Dieses Grammatiksystem kann als analytisches System bezeichnet werden. Grammatiker wie Kim Kyusik dagegen, die die westliche Grammatik als Modell nahmen, anerkannten natürlich eine Deklination der Nomina und Konjugation der Verba.

2.3 Die Kolonialzeit unter Japan (1910-1945)

Im Jahre 1910 wurde Korea die Staatsgewalt von den japanischen Imperialisten entzogen. Von dieser Zeit an mußte statt Nationalsprache der Ausdruck Choson­ Sprache verwendet werden, und die japanische Sprache wurde offiziell zur Nationalsprache. In allen Klassen der Schulen lehrte man zwar die Chosön-Sprache, aber der Inhalt der Lehrbücher der Chosön-Sprache war sehr steif. An der im Jahre 1925 errichteten Keijo- (heute: Seoul National-)Universität gab es zwar eine Abteilung für Choson-Sprache und Literatur als Bildungsanstalt für Mittel- und Oberschullehrer, aber die Anzahl der Graduierten war sehr gering, und die meisten von ihnen schlugen darüber hinaus eine Laufbahn als Dozent an einer pädagogi• schen Hochschule ein. Außerdem, da die koreanische Sprache kein Prüfungsfach für den Eintritt in eine höhere Schule war, war die natürliche Folge, daß der Unterricht zu einer oberflächlichen Nebensache wurde. Im Jahre 1938 wurde das Lehrfach Choson-Sprache sogar ganz abgeschafft. Die japanischen Imperialisten veranlaßten dann im Jahre 1940 die Einstellung der koreanischen Zeitung und lösten die Choson-ohakoe ("Chosön-Linguistikgesellschaft"), die die wichtigste Organisation für die Erforschung der koreanischen Sprache und Schrift gewesen war, auf. So konnte man auf der koreanischen Halbinsel die koreanische Sprache und Schrift fast nirgends mehr offiziell verwenden oder darüber Forschungen 160 Yönggiin Ko betreiben.14 Es ging sogar so weit, daß Mitglieder der Choson-ohakoe des Verbrechens beschuldigt wurden, die koreanische Sprache und Schrift studiert zu haben und deshalb ins Gefängnis kamen. Aber auch wenn im Zeitalter der Kolonialisierung der Unterricht der koreanischen Sprache nur noch formell bestehenblieb, wurde Grammatikunterricht durchgeführt und dafür auch ein Grammatiklehrbuch bereitgestellt. In den Jahren 1911 und 1913 veröffentlichte Chu Sigyöng das Buch Kugo-munbOp (1910) ("Koreanische Grammatik") in Neuauflagen unter dem veränderten Namen Choson munbOp ("ChosÖn-Grammatik"). Nach Chu Sigyöngs TodimJahre 1914, wurde 1916 von seinem Schüler Kim Tubong Choson-malbon ("Chosön-Grammatik") herausge­ geben, und nach der Widerstandsbewegung gegen Japan im Jahre 1919 mit Genehmigung des Generalgouvernements weitere Grammatikbücher, die meisten auf der Grundlage von Chu Sigyöngs oder Kim Tubongs Grammatiken:15 Chung­ dung-hakkyo Chosono-munjon ("Grammatik für Mittelschüler") von Yi Wanung, Chunghakkyo Chosono-munbOp von Sim Wirin und Chungdung-kyoyuk Choson-obOp ("Koreanische Grammatik für die Mittelstufe") von Ch'oe Hyönbae. Darunter übernahm Ch'oe Hyönbae einerseits die Grammatikvorstellungen von Kim Tubong und Chu Sigyöng und andererseits verwendete er die Grammatiktheorien des japanischen Grammatikers Yamada Yoshio als Grundlage und veröffentlichte ein umfangreiches Grammatikbuch unter dem Namen Uri malbon ("Unsere Gramma­ tik"), das alle bisherigen Forschungen zur Grammatik der koreanischen Sprache Zllsammenfaßte. Ch'oe Hyönbaes Auffassung von dem Begriff Wort war bereits anders. Er betrachtete die Endung, die an ein Verb angehängt ist, als einen Teil des Wortes. Für ihn bestand also der obige Satz: Agiga usotta (Das Kind lachte.) aus nur 3 Wörtern:

(2) Agi (Kind) / -ga (Norn.) usötta (lachte)

Er übernahm also die Konjugation aus der westlichen Grammatik und erklärte die Verbformen auf synthetische Weise. Sein Grammatiksystem wird auch als kompromißschließendes System bezeichnet, da er die Postpositionen, die an ein Nomen angehängt werden können, analytisch behandelte, das Verb mit seinen Endungen dagegen synthetisch. Ch'oe Hyönbae setzte sich energisch für den Tradition der koreanischen Schulgrammatik 161

Gebrauch der rein koreanischen Grammatikterminologie ein. Da die Terminologie von Chu Sigyöng und Kiln Tubong aber zu künstlich und schwer verständlich war, entwickelte er eine neue Grammatikterminologie, die aufWörter der Umgangsspra­ che zurückgriff.16 Natürlich gab es zu dieser Zeit auch viele Grammatiker, die eine sino-koreanische Terminologie bevorzugten, besonders in der Anti-Chu-Sigyöng• SchuleP Aber auch bei Anhängern von Chu Sigyöng kam es vor, daß aus Verständ• nisgründen die sino-koreanische Terminologie bevorzugt wurde. Der im Jahre 1933 von der Choson-ohakhoe öffentlich bekanntgemachte Entwurfzur Vereinheitlichung der koreanischen Rechtschreibung wurde auf der Grundlage von Ch'oe Hyönbaes Grammatik erarbeitet, was zur Folge hatte, daß die Grammatik von Ch'oe Hyönbae großen Einfluß gewann und noch immer viel gelesen wird.

2.4 Die Periode der amerikanischen Militärregierung (1945-1949)

Die Befreiung von Japan am 15. August 1945 hat im kulturellen Bewußtsein der Koreaner eine wichtige Bedeutung. Mit dem Untergang des japanischen Imperialis­ mus durch die alliierten Streitkräfte konnten auf der koreanischen Halbinsel auch die koreanische Sprache und Schrift, die 36 Jahre lang keinen Rechtsanspruch auf öffentlichen Gebrauch hatten, wieder frei verwendet werden. Während die Mitglieder der Chosön-Linguistikgesellschaft, die aus dem Gefängnis entlassen wurden, ihren Entwurf zur Vereinheitlichung der Rechtschreibung verbreiteten, kompilierten sie auch Lehrbücher der koreanischen Sprache und waren bestrebt, den Unterricht in der koreanischen Sprache durch Ausbildung von Koreanischleh­ rern zu standardisieren. Gleichzeitig entstand eine Bewegung, die die koreanische Sprache in eine reine Form bringen, die japanische Sprache verbannen und die chinesischen (eigentlich sino-koreanischen) Schriftzeichen abschaffen wollte.18 Da sich das Interesse für die koreanische Sprache steigerte und der koreanische Sprachunterricht wiederbelebt wurde, sah man sich natürlich gezwungen, auch den Grammatikunterricht wieder stärker zu betonen und so blühte die Grammatikfor­ schung erneut auf. Unter der amerikanischen Militärregierung wurden über 20 Grammatikbücher publiziert.19 Man kann diese in drei Klassen einteilen, und zwar in solche, die unverändert aus der Zeit vor der Befreiung Koreas übernommen wurden, oder deren Namen nur ein wenig verändert wurden, zweitens in solche, die revidiert, und 162 Yönggiin Ko

drittens in Bücher, die neu geschrieben wurden. Ihr Niveau war auch sehr unterschiedlich. So gab es z.B. einige, die Wissenschaftlichkeit anstrebten, und andere, die die Grammatik für den Gebrauch in Anfängerklassen und in Fortge­ schrittenenklassen unterschieden und anpaßten. Auch die Grammatiksysteme und die Terminologie waren sehr mannigfaltig. Bei letzterer gab .es wie zur Zeit der Kolonisierung ein Nebeneinander von rein koreanischen und sino-koreanischen Begriffen. Auch beim Grammatiksystem gab es weiter sowohl das analytische wie unter (1), als auch das kompromißschließende System wie unter (2). Ch'oe Hyönbae veröffentlichte sein vor der Befreiung Koreas erschienenes Lehrbuch erneut und schrieb gleichzeitig ein Lehrerhandbuch. Er verfaßte auch sein Grammatikbuch für den Anfängergebrauch neu und übte damit einen großen Einfluß auf den Gram­ matikunterricht in Schulen aus. Besonderer Bedeutung würdig ist das in dieser Zeit entwickelte synthetische System von Chöng Yölmo, der auch die Postposition, die von Grammatikern wie Chu Sigyöng und Ch'oe Hyönbae noch den Charakter eines unabhängigen Wortes zugestanden bekommen hatte, nicht mehr als eigene Wort­ klasse ansah. Er betrachtete den SatzAgiga usotta als aus zwei Wörtern bestehend:

(3) Agiga (das Kind) / usötta (lachte)

Agiga wurde von ihm als Nomen wie usotta als Verbum aufgefaßt und damit die Deklination der westlichen Grammatik auf das Phänomen, eine Postposition an ein Nomen zu agglutinieren, übertragen. Chöng Y6lmo übte auch die Kritik an der bestehenden Grammatik, daß sie zu normativ sei und betonte, daß man auf der Grundlage einer universellen Grammatik die Phänomene der koreanischen Gram­ matik mit einer erklärenden wissenschaftlichen Einstellung erforschen sollte. Überdies begrenzte er den Grammatikbereich auf die Formen- und die Satzlehre und klammerte die in der bisherigen Grammatik als notwendig angesehene Phonetik entschieden aus dem Grammatikbereich aus. Chöng Y6lmo verfaßte eine theoretische Grammatik Sinp'yon kodung-kugo-munbOp ("Neue koreanische Gram­ matik der Oberschule") sowie Bücher getrennt für den Anfängergebrauch und für Fortgeschrittene in Mittelschulen. Das Werk von Chöng Y6lmo ist nach Umfang und Bedeutung mit dem von Ch'oe Hy6nbae vergleichbar. Beide, Ch'oe Hy6nbae und Chöng Y6lmo, waren Schüler von Chu Sigy6ng und leisteten durch ihre vonein­ ander verschiedenen Grammatiksysteme und Forschungsmethoden einen großen Beitrag zur Erforschung der koreanischen Grammatik. Tradition der koreanischen Schulgrammatik 163

2.5 Die Periode der ersten amtlichen Prüfung der Schulbücher (1949-1955)

Die Gründung der Republik Korea im August des Jahres 1948 wurde auch zum großen Wendepunkt in der Forschung und im Unterricht der koreanischen Grammatik. Vor allem wurden die Mitglieder der Chosön-Linguistikgesellschaft, die während der Kolonialzeit an der Erforschung des Koreanischen mitgewirkt und sich gemeinsam während der dreijährigen Militärregierung um die Verbreitung der koreanischen Sprache und Schrift bemüht hatten, aufgrund der ideologischen Konfrontation und der darauf folgenden Teilung des Landes in Nord- und Südkorea aufgespalten. Mit dem Repräsentanten Yi Kungno der Chosön-Linguistik• gesellschaft gingen fähige Gelehrte wie Chöng Yölmo, Hong Kimun usw. nach Nordkorea, andere, wie Ch'oe Hyönbae, Yi Huisung, Chang Chiyöng, Kim Yun'gyöng usw., die einen Lehrstuhl an einer Universität erhielten oder mit Kompilationsarbeiten an der Abteilung für Schulangelegenheiten der amerikani­ schen Militärregierung betraut wurden, verblieben in Südkorea.20 Die Forschungen über die Probleme der Sprache und Schrift in der Republik Korea wurden vor allem von Gelehrten der Chosön-Linguistikgesellschaft wie Ch'oe Hyönbae, Yi Huisling, Chöng Insung, Kim Yun'gyöng, Yi Pyönggi usw. weiterge­ führt bzw. von Professoren der Abteilung für koreanische Sprache und Literatur an der heutigen Seoul National-Universität (Yi Huisung, Cho Yunje, Yi Sungnyöng, Pang Chönghyön, Kim Hyönggyu). Wie wir oben gesehen haben, befand sich der Grammatikunterricht während der drei Jahre amerikanischer Militärregierung in äußerster Verwirrung im Hinblick auf Terminologie und Theorie. Im Juli des Jahres 1949 wurde im Ministerium für Erziehung und Unterricht der Republik Korea eine Kommission zur Festlegung der grammatischen Terminologie gebildet und eine Verordnung über Grammatikterrninologie öffentlich bekanntgegeben, die folgende Regeln festlegte21:

(4) 1. Die Grarnmatikterrninologie wurde vorläufig für jeden Begriff doppelt festgelegt, rein koreanisch und sino-koreanisch. 2. In den vom Ministerium für Erziehung und Unterricht amtlich genehmig­ ten Büchern sollte auf terminologische Einheitlichkeit geachtet werden, und der jeweilige Parallelbegriff sollte zum Vergleich mit angegeben werden. 164 Yönggiin Ko

3. Außer der festgelegten Terminologie war erlaubt, wenn vom Standpunkt des Systems aus gesehen notwendig, zusätzlich Begriffe zu bestimmen und zu verwenden.

Aufgrund dieser Regeln wurden 292 grammatische Termini in folgenden 13 Kategorien vorgeschlagen:

(5) 1. Sprachlaut und Schrift 2. Nomina 3. Deklination der Nomina 4. Klasse der Verben 5. Konjugation der Verben 6. Attributiva 7. Adverbia 8. Konjunktionen 9. Postpositionen 10. Affixe 11. Satz 12. Satzzeichen 13. Anhang

Die rein koreanischen und die sino-koreanischen Bezeichnungen wurden einander gegenübergestellt und die sino-koreanische Bezeichnung in Klammern mit chinesischen Schriftzeichen versehen; manchmal wurden englische oder deutsche Termini wie declension, das trennbare Zeitwort beigegeben, da die vom Kultusmini­ sterium festgelegte Terminologie nicht nur für die Grammatik der koreanischen Sprache, sondern auch für diejenige von Fremdsprachen angewendet werden sollte. Die Verordnung von 1949 brachte eine Vereinheitlichung der Grammatikterminolo­ gie, aber noch keinen Vorschlag zur Vereinheitlichung des Systems. Immerhin aber handelte es sich um einen ersten Schritt in Richtung auf eine Vereinheitlichung der Grammatik. Die entsprechend der Verordnung amtlich genehmigten neuen Grammatikbücher erschienen im Herbst 1949, wobei die neue Grammatik für Anfängerklassen der Mittelschulen von Yi Inmo, Yi Huisung, Chöng Insung, Ch'oe Hyönbae, Chang Hail und die Grammatik für Fortgeschrittenenklassen der Mittelschulen von Ch'oe Hyönbae verlaßt worden waren. Diese Grammatikbücher Tradition der koreanischen Schulgrammatik 165 sind auf der letzten Seite mit einer Vergleichstabelle der Grammatikterminologie versehen, die der o.a. Verordnung entsprechen. Chöng Insung und Ch'oe Hyönbae verfaßten ein Anleitungsbuch für den Lehrergebrauch, und damit hatte der Grammatikunterricht der unabhängigen Republik von Korea allmählich neue Wurzeln geschlagen. Alle, außer Yi Huisung, verwendeten die rein koreanische Terminologie, allerdings wurde auch in Koo-ui Umun-kwa MunbOp ("Die Grammatik und Phono­ logie der alten Sprache") von Yi Sungnyöng, welches zwar kein vom Kultusmini­ sterium amtlich genehmigtes Lehrbuch war, aber weite Verbreitung fand, die sino­ koreanische Terminologie verwendet, ebenso wie überwiegend in den Grammatiken des Fremdsprachenunterrichtes. Die im Jahre 1949 festgelegte und öffentlich bekanntgegebene Grammatikterminologie baute aufderjenigenvon Ch'oe Hyönbae auf, und daß man auf diese Weise der Terminologie eines einzigen Grammatikers offiziellen Status gab, hat offensichtlich mit der Tatsache zu tun, daß damals Ch'oe Hyönbae die Stelle des Verantwortlichen für Lehrbuchpublikationen im Kultusmini­ sterium innehatte.22

2.6 Die Periode der zweiten amtlichen Prüfung der Schulbücher (1956-1965, 1967)

Zur Zeit der Befreiung Koreas hatte eine sechsjährige Schule Chungdung-hakkyo (Mittel- und Oberschule) existiert. Im Jahre 1950 wurde versuchsweise eine Oberschule eingeführt, und nach dem Koreakrieg wurde das Schulsystem auf eine jeweils dreijährige Mittel- und Oberschule festgelegt. Dementsprechend wurde auch der Lehrplan revidiert, und das Grammatiklehrbuch, das in der davorliegenden Periode für den Gebrauch in Anfänger- und Fortgeschrittenenklassen der Mittelschule aufgeteilt war, wurde von 1956 an getrennt für die Mittelschule und die Oberschule kompiliert. Im Jahre 1966 erschien dann eine einheitliche Grammatik für die Mittelschule und im Jahre 1968 die einheitliche Grammatik für die Oberschule. Während dieser Zeit kamen mehr Grammatikbücher heraus als in der vorhergegangenen. Für die Mittelschulen waren es acht verschiedene Lehrbücher von Chang Hail, Yi Sungnyöng, Kim Yun'gyöng, Chöng Insung, Yi Huisung, Ch'oe Hyönbae, Ch'oe Taeho, Kim Minsu und drei weiteren Autoren. Für die Oberschule waren es sechs verschiedene Bücher von Yi Sungnyöng, Kim Yun'gyöng, Chöng Insöng, Ch'oe Hyönbae, Yi Huisung, Kim Minsu und drei 166 Yönggiln Ko weiteren. Den Büchern von Ch'oe Hyönbae und Ch'oe Taeho für den Mittelschul­ gebrauch wurden ausnahmsweise drei Bände genehmigt. Es erschienen auch Lehrerhandbücher: Chöng Insung gab ein Handbuch für Lehrer der Mittel- sowie der Oberschule heraus, Ch'oe Hyönbae beschränkte sich auf die Mittelschule und Yi Sungnyöng schrieb Sae munbOp-ui taedoron ("Theorie über die Einstellung zu einer neuen Grammatik"). Yi HUisling und Yi Sungnyöng wählten nach wie vor die sino-koreanische Terminologie und auch jüngere Gelehrte, wie Ch'oe Taeho, Kim Minsu und drei weitere Autoren, zogen diese vor, wie überhaupt die jüngeren Grammatiker die letztere bevorzugten. Durch die Vielzahl der Grammatiklehrbücher hatte sich das Verständnis des Grammatikunterrichtes sehr verändert. Aber die verschiedenartigen System,e (analytisches, synthetisches und Kompromißsystem) und Terminologien (rein koreanisch und sino-koreanisch) wurden sowohl dem Lehrer als auch dem Schüler zu einer großen Belastung. Die Vielfalt förderte zwar die Wissenschaft, aber für die Schulgrammatik war es eine unerfreuliche Erscheinung, da inAufnahmeprüfungen an Universitäten auch Fragen zur Grammatik gestellt wurden. Letztlich mußte jeder Schüler alle Systeme und Terminologien beherrschen. Um diese Schwierigkeit zu überwinden, schlugen einige Oberschullehrer in Zeitungsartikeln und anderen Veröffentlichungen dem Kultusministerium vor, die Grammatik zu vereinheitlichen. Daraufhin wurde vom Kultusministerium angeordnet, daß keine Prüfungsfragen in bezug auf die Theorie eines einzelnen Grammatikers gestellt werden sollten, und daß auch Antworten entsprechend aller Systeme als richtig gewertet werden sollten.23 Auf Druck der Öffentlichkeit wurde im November 1958 die erste Konferenz über koreanische Sprache und Literatur veranstaltet, anläßlich derer Ch'oe Hyönbae, Yi Huisung, Chöng Insung und Yi Sungnyöng bei einem Forum über das Thema Das Problem der Schulgrammatiksysteme diskutierten. Danach wurden ihre Aufsätze zusammen mit einem weiteren von Kim Yun'gyöng in Han'giU (Zeitschrift der Han'glil­ Linguistikgesellschaft, Nachfolgerin der Chosön-Linguistikgesellschaft) Nr. 125 (1959) veröffentlicht. Unter den Streitpunkten schälte sich zunächst das Problem der Begriffsbestimmung des Wortes neben dem der dualistischen Terminologie als wichtigstes heraus.

Die Arbeit an der Vereinheitlichung der Schulgrammatik wurde im Jahre 1961, während sich die Militärregierung von Park Chung Hee etablierte, ernsthaft in Tradition der koreanischen Schulgrammatik 167

Angriff genommen, und das Kultusministerium begann mit diesem Vorhaben im März des Jahres 1962. Die Beraterkommission für Schulgrammatik veranlaßte einen Entwurf, und das Kultusministerium gab im September des gleichen Jahres ein Lehrerhandbuch für die Schulgrammatik heraus, das die Lehrer über den Zweck der Vereinheitlichung der Grammatik informieren sollte, eine etwas übertriebene Maßnahme.24 Nachdem man den Entwurf zur Vereinheitlichung mehr als zehn Mal diskutiert hatte, wurde er am 25. Juli 1963 bekanntgegeben.25 Wir können den Inhalt dieses Entwurfs zur Vereinheitlichung wie folgt zusammenfassen:26

(6) 1. Für die Grammatikterminologie wurde, mit Ausnahme der Begriffe für die Sprachlaute und die der Satzzeichen. die sino-koreanische Terminolo­ gie gewählt. 2. Als Grammatiksystem wurde das komprornißschließende System ausge­ wählt, das die Nominalpostposition als eigenständiges Wort und die Verbalendungen als Bestandteil des Wortes betrachtet. 3. Für die Wortklassen wurde ein System von neun Wortklassen gewählt, und zwar Nomina, Pronomina, Numeralia, Verba, Qualitativa, Attributiva, Adverbia, Interjektionen und Postpositionen.

Vor und nach der öffentlichen Bekanntmachung des Entwurfs zur Vereinheitlichung der Grammatik kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Die Grammatiker, die die sino-koreanische Terminologie bevorzugten, wurden MunbOp-p'a (Munböp• Fraktion) und die, die die rein koreanische Terminologie vorzogen. Malbon-p'a (Malbon-Fraktion) genannt. Da die Terminologie des veröffentlichten Entwurfs hauptsächlich aus sino-koreanischen Begriffen festgelegt wurde, kam es zu einer heftigen Ablehnung von seiten der Malbon-Fraktion. Dazu kam, daß der Kopula -ida, von Ch'oe Hyönbae, dem Leiter der Malbon-Fraktion, besonders hervorgeho­ ben, nicht die Eigenschaft eines Wortes zugestanden wurde, ein weiteres wichtiges Element im Streit um die Grammatik zwischen der Seoul-Universität mit Yi Huisung und seinen Anhängern, die an der sino-koreanischen Terminologie festhielten, und der Han'giil-Linguistikgesellschaft bzw. der Yonsei-Universität mit Ch'oe Hyönbae als Vertreter, der auf der rein koreanischen Terminologie bestand. Der Konflikt, bei dem die Malbon-Fraktion die vereinheitlichte Grammatik für ungültig erklären lassen wollte, kam bis vor Gericht und Parlament. Durch diese 168 Yönggiin Ko

Entzweiung mußte die koreanische Unguistikwelt erneut den Schmerz einer 27 Zweiteilung erfahren , nachdem schon nach der Errichtung der Republik Koreas eine tragische Nord-Süd-Zweiteilung der koreanischen Linguisten erlebt worden war.

3. Die Vereinheitlichung der Grammatik und die Kompilation des vom Kultusministerium genehmigten einheitlichen Grammatiklehrbuches 3.1 Die Zeit der ersten amtlichen Prüfung der einheitlichen Grammatik (1966, 1968-1978)

Die Terminologie und das System der vereinheitlichten Grammatik wurden, wie erwähnt, 1963 öffentlich bekanntgegeben, aber erst ab 1966 in der Schulausbildung in Kraft gesetzt. In diesem Jahr erschien das Grammatiklehrbuch für die Mittel­ schule und 1968 dasjenige für die Oberschule. In der Wzssenschaftlichen Gesellschaft für den koreanischen Sprachunterricht waren 1964 zwar ebenfalls ein Grammatikbuch für die Mittel- (Chunghakkyo-munbOp) und für die Oberschule (Kodung-hakkyo­ munbOp) herausgegeben worden, aber diese sollten nur die Lücke ausfüllen bis zum Erscheinen von neuen Lehrbüchern. 1965 erschien Hakkyo-munbOp-haesolso ("Erklärungen zur Schulgrammatik"), geschrieben in der Absicht, die Koreanisch­ lehrer der Mittel- und Oberschulen über den Entwurf zur Vereinheitlichung der Schulgrammatik zu informieren.28 Die angestrebte Einheitlichkeit beschränkte sich aber immer noch nur auf die Terminologie und ein System von neun Wortklassen. Weiteres blieb unberücksichtigt. Im Januar 1967 bildeten die Verfasser von Mittel­ und Oberschulgrammatikbücherneine Gesellschaft unter demNamenRatsver.samm­ lung zur Vereinheitlichung des Detailsystems der Schulgrammatik und veröffentlichten ein Detailsystem, das dem vom Kultusministerium festgelegten Vereinheitlichungs­ entwurf der Schulgrammatik folgte. Entsprechend den Regeln des Vereinheitli­ chungsentwurfs der Schulgrammatik des Kultusministeriums wurden zwölf Punkte vereinbart, bezogen auf Satzbestandteile, Komplemente, Klassifizierung der Postpositionen und der Endungen, Tempus, Arten der Sätze, graphische Darstellung der Sätze, unregelmäßige Verben, Begrenzung des Hilfswortstamms, untergeordnete Klassifikation der Wortkategorien, Honorativ und Wortstruktur. Die Mitglieder der Han'glil-Linguistikgesellschaft veröffentlichten im März 1967 Eine Kritik des Detaüsystems entsprechend dem vom Kultusministerium festgelegten Vereinheitlichungs­ entwurfs der Grammatik und brachten ihre gegensätzliche Meinung vor. Sie übten Tradition der koreanischen Schulgrammatik 169

Kritik daran, daß die Organisation der Ratsversammlung sehr einseitig sei und es auch dem Inhalt an Begründung mangele. Auf diese Weise führte das Problem der Schulgrammatik erneut 1966, als das Mittelschulgrammatiklehrbuch erschien, zu einem Disput. Insgesamt 16 Mittelschulgrammatiken erschienen in der Periode der ersten amtlichen Prüfung, sieben im Jahre 1966 und neun im Jahre 1967. Ein von Ch'oe Hyönbae, dem Vorsitzenden der Han'giil-Linguistikgesellschaft, eingereichtes Gesuch im Parlament bewirkte, daß vom Kultusminister eine Erklärung erlassen wurde, die den gleichzeitigen Gebrauch der rein koreanischen Terminologie erlaubte und der Kopula -ida die Anerkennung als Wort zusprach. Daraufhin wurde die Grammatik von Ch'oe Hyönbae, aber auch alle anderen Grammatikbücher, die zur Zeit der amtlichen Prüfung zurückgewiesen worden waren, genehmigt. Von den 16 folgten 15 der Terminologie und dem System des Vereinheitlichungsentwurfs des Kultusministeriums, und nur Ch'oe Hyönbae betrachtete die Kopula -ida als eine unabhängige Wortklasse und legte zehn Wortklassen fest. 29 Diese entsprachen dem System des Uri malbon. Ch'oe Hyönbae setzte allerdings die Terminologie des Vereinheitlichtungsentwurfs in Klammem neben seine rein koreanische Terminolo­ gie.30 Somit wurde die in langer Zeit gebildete vereinheitlichte Grammatik durch den hartnäckigen Widerstreit und den Eigensinn eines einzigen Grammatikers vereitelt. 1968 kamen 13 Oberschulgrammatiken heraus, und auch hier folgten alle außer Ch'oe Hyönbae demVereinheitlichungsentwurf. Verfasser der Grammatikbü• cher dieser Zeit waren natürlich die älteren Gelehrten, die schon früher Gramma­ tikbücher herausgegeben hatten, wie Ch'oe Hyönbae, Yi Huisung, Chöng Insung und Yi Sungnyöng, aber auch jüngere Grammatiker wie Hö Ung, Kim Minsu, Kang Poksu usw., sowie auch Yang Chudong, dessen Hauptfach eigentlich Literatur war, und andere, die Lehrer an einer Oberschule waren. Der Redaktionsstab der Grammatiklehrbücher war sehr vielseitig. Normalerweise wählte man die Methode, den ganzen Satz als Grundlage für die Analyse der Mittelschulgrammatik voraus­ zusetzen. Die Oberschulgrammatik dagegen behandelte das traditionelle normative Grammatiksystem vom Laut über die Wortklasse bis zum Satz. In einigen Fällen wurde auch die Analyse eines Textes in die Grammatik mit aufgenommen, um eine Beziehung zwischen dem Leseverständnis und der Fähigkeit, einen Aufsatz zu schreiben, herzustellen. Die meisten Verfasser legten ihr Hauptaugenmerk auf die Satzlehre, konnten sich aber nicht von der traditionellen Satzanalyse lösen, da man versäumte, Chu Sigyöngs Analysen zu berücksichtigen. Bis in die sechziger Jahre 170 Yönggiin Ko wurden nur ansatzweise Forschungen zur Morphologie beruhend auf der strukturel­ len Linguistik begonnen. Die meisten Grammatikbücher folgten dem Vereinheitli­ chungsentwurf und der Detailanweisung, aber die Kritik, daß es keinen großen Unterschied zu früheren Grammatiken gab, macht bewußt, daß der Weg zur Vereinheitlichung der Grammatik noch weit war.31

3.2 Das Zeitalter der zweiten amtlichen Prüfung der Grammatikvereinheitlichung (1979-1984)

Die amtliche Prüfung der Grammatiklehrbücher, die der Terminologie und dem System der vereinheitlichten Grammatik folgten, wurde in der Zeit von 1979 bis 1984 erneut aufgenommen. Einer Lehrplamevision zur Folge entfiel das Gramma­ tiklehrfach in Mittelschulen, und die Grammatik, die bis 1978 nur in der humanisti­ schen Abteilung der Oberschulen Pflichtfach war, wurde nun in allen Oberschulen obligatorisch. Die Anzahl der amtlich geprüften Lehrbücher, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht begrenzt war, wurde 1979 auf fünfverschiedene Ausgaben begrenzt, die alle ein beigefügtes Lehrerhandbuch haben mußten. Die Bücher, die zugelassen wurden, waren von Kim Wanjin und Yi Pyönggiin, Kim Minsu, Hö Ung, Yi Killok und Yi Chölsu, sowie Yi Üngbaek und An PyönghUi verfaßt. Die älteren Grammati­ ker, die direkt in Verbindung mit dem damaligen Streit um die Grammatik gestanden hatten, wurden, soweit sie überhaupt noch am Leben waren, ausgeschlos­ sen. Die Lehrbücher der zweiten amtlichen Prüfung der vereinheitlichten Grammatik zeichneten sich darin aus, daß sie alle die Terminologie und das System von 1963 befolgten, wie ja auch schon alle Werke in der ersten amtlichen Prüfung außer dem von Ch'oe Hyönbae. Letzterer war 1970 verstorben, und danach erlangte der Vereinheitlichungsentwurf seine volle Gültigkeit. Inhaltlich wurde jetzt auch das Hauptaugenmerk nicht mehr auf die Wortkategorie gerichtet, sondern auf den Satz.

3.3 Die Kompilation und Verbreitung der neuen vom Kultusministerium genehmigten einheitlichen Grammatik (1985-heute)

Alle Grammatikbücher, die bis 1984 amtlich genehmigt worden waren, sind inzwischen nach dem vom Kultusministerium herausgegebenen einheitlichen Tradition der koreanischen Schulgrammatik 171

Grammatikbuch umgeändert worden. Ich werde im folgenden den Werdegang dieser neuen Einheitsgrammatik darstellen und sie inhaltlich charakterisieren. Die amtlich genehmigten Lehrbücher, die auf der Terminologie und dem System der Vereinheitlichten Grammatik beruhen, wurden erst nach zweimaliger Prüfung herausgegeben, und viele Probleme, die in der praktischen Anwendung im Unterricht aufgetreten waren, wurden schon lange offiziell und inoffiziell diskutiert, wobei immer wieder die Forderung nach dem Vereinheitlichten Lehrbuch von Lehrern und Lernenden zum Ausdruck gebracht wurde. Daneben kam es auch unter den Sprachwissenschaftlern zu häufigen Diskussionen über Probleme der konkreten Unterweisung in der Grammatik am Unterrichtsort sowie der Überprüfung des Wissens der Schüler. Das Kultusministe­ rium änderte das Lehrfach Grammatik, das bis 1984 Pflichtfach in allen Lehrgängen der humanistischen Oberschulen war, um zum Lehrfach Nationalsprache II (im humanistischen Bereich) und entschied, ein amtlich geprüftes einheitliches Lehrbuch zu entwickeln. Der Zweck der neuerlichen Kompilation wurde wie folgt zusammengefaßt:

(7) Das System und die Terminologie der damaligen Schulgrammatik waren in al­ len Lehrbüchern verschieden und dadurch verwirrend und belastend für die Schüler. Durch die Vereinheitlichung der Grammatik soll für alle Koreaner eine einheitliche Grundausbildung vermittelt werden.32

Das Kultusministerium entschied, Grundlagenforschungen durchzuführen und ein neues Lehrbuch zu entwickeln. Professor Kang Sinhang, der Direktor des Taedong­ Kulturforschungsinstituts der Sönggyun'gwan-Universität, wurde mit dem Vorsitz für diese Forschung beauftragt. Die Forschungskomrnission urnfaßte folgende Personen:

(8) Verantwortlich: Kang, Sinhang (Sönggyun'gwan-Universität) Forschungsmitglieder: Ko Yönggiin (Seoul-Universität), Kim YönghUi (Han'giil-Linguistikgesellschaft), Nam Kisim (Yonsei-Universität), Yi Kidong (Yonsei-Universität), Yi Kimun (Seoul-Universität), Yi Yongju (Seoul-Universität). 172 Yönggiin Ko

Bei dieser Zusammensetzung der Kommission ist deutlich ersichtlich, daß eine sorgfältige Auswahl getroffen wurde. Es ist zwar nicht bekannt, ob man die Einwände von eh'oe Hyönbae berücksichtigte, der den Fachausschuß zur Verein­ heitlichung der Schulgrammatik in den sechziger Jahren als einseitig besetzt kritisiert hatte, die jetzige Organisation bestand jedenfalls aus einem Mitglied der Han'giil-linguistikgesellschaft, zwei Professoren der Yonsei-Universität und drei Professoren der Seoul-Universität. Die Verantwortung wurde Professor Kang Sinhang übertragen, da man davon ausging, daß er eine verhältnismäßig neutrale Einstellung annehmen würde. Bedeutsam war auch die Berufung von Yi Kidong (Yonsei-Universität), der in Amerika englische Sprachwissenschaft studiert hatte und, obwohl Professor für englische Linguistik, viele Arbeiten über die koreanische Grammatik verfaßt hatte. Berücksichtigt man nicht die heutigen Wirkungsstätten, sondern die jeweiligen Herkunftsuniversitäten, dann stammen von den sieben Mitgliedern fünf von der Seoul-Universität, Abbild der Tatsache, daß die Seoul­ Universität ein spezifisches Gewicht im koreanischen Gelehrtenkreis einnimmt. Zur Durchführung der Grundlagenforschung vereinbarten die sieben For­ schungsmitglieder zunächst, Grundregeln für das System und die Beschreibungs­ methode der Grammatik, den Bereich der Grammatik, die grundlegende Richtung der Grammatik, die Streitpunkte der gegenwärtigen Schulgrammatik usw. anzufertigen und verfaßten daraufhin einen Forschungsbericht mit der Schlußfolgerun~3, daß Terminologie und System der Grammatik ihren Ausgangspunkt grundsätzlich in dem Entwurf der Vereinheitlichung der Grammatik von 1963 haben sollten. Man einigte sich auf folgende Gliederung:

(9) I. Einleitung 11. Die Struktur der koreanischen Sprache III. Wort 3.1 Satz und Wort 3.2 Wort und Wortklasse 3.3 Wortbildung IV. Sa,tz 4.1 Bestandteile des Satzes (1) Subjekt, Objekt, Prädikat (2) Attributiva (3) Adverbia und Interjektionen Tradition der koreanischen Schulgrammatik 173

4.2 Bedeutung und Funktion der Verbalform (1) Kausativ und Passiv (2) Tempus und Aspekt (3) Höflichkeitsstufen (4) Affirmation - Negation (5) Terminalformen 4.3 Satzbau (1) Der untergeordnete Satz (2) Der verknüpfte Satz (3) Satz und Text V. Phonologie 5.1 Die Phonologie der koreanischen Sprache (Einführung) 5.2 Vokale und Konsonanten 5.3 Vokallänge 5.4 Silbe 5.5 Vokalharmonie 5.6 Morphophonetik 5.7 Fugen-s (Zwischen-s) VI. Rechtschreibung und Satzzeichen 6.1 Die Regeln der Rechtschreibung 6.2 Einige wichtige Bestimmungen 6.3 Wortabstandsregeln 6.4 Satzzeichen Vll. Bedeutung und Stil (Ausdrucksweise) 7.1 Bedeutung 7.2 Stil

Auf dem Fundament der Grundlagenforschungen wurde 1983 mit der Abfassung eines Lehrbuchs begonnen. Später kam noch ein Oberschullehrer zu der Kommissi­ on hinzu.34 Um die Arbeit effektiver durchführen zu können, wurden zwei Personen als eigentliche Verfasser bestimmt, Ko Yönggiin und Nam Kisim. Professor Nam und ich konnten durch Aktivitäten in wissenschaftlichen Gesellschaften nicht nur auf umfangreichen wissenschaftlichen Austausch zurückblicken, sondern auch auf gemeinsame Publikationen und sind eng freundschaftlich verbunden. Daneben ist es auch kein Zufall, daß wir sogar direkte Schüler von eh'oe Hyönbae bzw. Yi 174 Yönggiin Ko

Huisung waren, die die Hauptrolle in dem erwähnten Grammatikdisput spielten. Durch eine Reihe von Diskussionen von der Terminologie bis zum detaillierten System kamen wir vor der Kompilation über viele Teile zur Übereinstimmung. Die in der Grundlagenforschung angeführten Abschnitte H. Struktur der koreanischen Sprache, VI. Rechtschreibung und Satzzeichen, VII. Bedeutung und Stil wurden mit anderen Abschnitten verbunden und damit vier Abschnitte festgelegt: I. Einführung, H. Das Wort, III. Der Satz, IV. Der Sprachlaut. Auch in inhaltlichen Unterpunkten wurden viele Veränderungen vorgenommen.35 Das auf diese Weise angefertigte Grammatikbuch kann wie folgt charakterisiert werden:

(10) 1) Der Bereich der Grammatik ist in drei Teile gegliedert: Lautlehre, Formenlehre und Syntax. Die Lautlehre wurde an letzter Stelle angeordnet. 2) In der Einführung wurden die Wechselbeziehungen zwischen Sprache und Denken bzw. Sprache und Kultur des Volkes hervorgehoben. 3) Im Abschnitt Wort wurden die morphologischen Besonderheiten der koreanischen Sprache auf der Grundlage der Morphologie der strukturellen Linguistik und der Theorie von Chu Sigyöng beschrieben. (1) Bei den Nomenwurde das frühere unvollständige Nomen (Formalno- men) auf abhängiges Nomen umgeändert. (2) Die Flexion der früher als unregelmäßig angesehenen Verbstämme mit den Stammauslauten -u- und -r- wurde als regelmäßige Flexion behandelt. (3) Die Verbalendungen wurden in Präfinalendungen und Finalen­ dungen untergliedert. Der größere Teil der früheren Hilfsverb­ stämme wurde zu den Präfinalendungen eingeordnet. Die Finalendungen wurden in satzschließende und nichtsatzschließen• de untergliedert. In die letztere Kategorie wurden Verknüpfungs• endungen und derivative Endungen eingeordnet. Die adverbialen Endungen, die bis dahin als derivative Endungen angesehen worden waren, wurden als Verknüpfungsendungen betrachtet. (4) Die Wortbildungsregeln wurden in Ableitungs- und Zusammenset­ zungsregeln eingeteilt und ausführlicher behandelt. Der frühere Termins für Kompositum, Pokhap-o wurde auf Hapsong-o Tradition der koreanischen Schulgrammatik 175

abgeändert.Auch die sino-koreanischenWortbildungsregelnwurden aufgenommen. 4) Im Abschnitt Satz wurde die syntaktische Struktur der koreanischen Sprache auf der Grundlage der Transformationsgrammatik und zugleich der Syntaxtheorie von Chu Sigyöng beschrieben. (1) Bei den Hauptbestandteilen des Satzes wurde außer Subjekt, Prädikat und Objekt das Thema festgesetzt und dessen Prädikat wurde Kommentar (Rhema) genannt. (2) Im Tempus wurden Aspekte wie Durativ usw. festgelegt, und für das Futur wurde die Erklärung vom Standpunkt der Modalität eingeführt. (3) Im Passiv- und Negationssatz wurde das Problem der semantischen Interpretation behandelt. (4) Beim Einschließen eines Satzes wurden der kurze und der lange Attributivsatz getrennt behandelt. (5) Es wurde gezeigt, daß eine Nominalphrase, die durch eine Konjunktionspostposition verknüpft ist, auch als verknüpfter Satz erklärt werden kann. (6) Der Begriff Text wurde eingeführt, um Begriffe wie Demonstrativ­ wort, Hilfswort, Hilfsverb usw. besser zu erklären, und auch das Problem von Frage und Antwort wurde behandelt. 5) Im Abschnitt Phonologie wurde das Hauptgewicht auf die Erklärung von Ausspracheregeln gelegt, die eine Hilfe für die Standardaussprache sein sollen. 6) Die Terminologie neu eingeführter Begriffe wurde in rein koreanischer Sprache, gelegentlich in erklärender Weise, geschrieben, vor allem im Bereich einfache Sätze und verknüpfte Sätze, Reden usw.

Der oben angeführte Inhalt wurde, nach eingehender Prüfung durch die Mitglieder der Kommission, vom Beratungsausschuß für Bücherkompilationen aufgenommen. Das Kultusministerium druckte vorerst nur Probeexemplare und schuf Gelegenheit zu einer öffentlichen Prüfung, indem es die Vorlage an alle Oberschullehrer für koreanische Sprache und Sprachwissenschaftler, sowie an die Massenmedien verteilte.36 Im Institut für koreanische Sprache, in der Gesellschaft für koreanische 176 Yönggi1n Ko

Sprach- und Schriftpädagogik, in der Han'gUl-Linguistikgesellschaft usw. wurden Versammlungen abgehalten, in denen die Prüfungsvorlage diskutiert wurde. Nur die Han'gUl-Linguistikgesellschaft legte ein Memorandum vor und verlangte, die Prüfungsvorlage noch einmal umzugestalten. Durch die öffentliche Bekanntmachung der Prüfungsvorlage kam es zu einer ausgedehnten öffentlichen Diskussion, vor allem um die Thema-Rhema-Struktur, die Komplemente und die präfinalen Endungen. Nach Überwindung dieser Schwierigkeiten wurde zum ersten Mal in der 90jährigen Geschichte des koreani­ schen Grammatikunterrichts in den Oberschulen des ganzen Landes ein vom Kultusministerium genehmigtes einheitliches Grammatikbuch verteilt. Auch ein Lehrerhandbuch und eine Grammatikfür den Fernunterrichtund Schulfunk wurden herausgegeben. Danach wurde die Abstimmung der Mittelschul-Lehrbücher vorgenommen, und so übte die Herausgabe der Oberschulgrammatik einen großen Einfluß auf die gesamte koreanische Spracherziehung aus. Im September 1985 kam, von Professor Nam Kisim und mir verlaßt, eine Standardgrammatik heraus, die die vereinheitlichte Grammatik theoretisch untermauert. Siewendet sich an Universitätsstudentenundwurde leichtverständlich geschrieben, um sie jedem, der Interesse an der koreanischen Sprache hat, zugänglich zu machen. Eine von mir im März 1987 herausgegebene Standardgram­ matik des Mittelkoreanischen. wurde ebenfalls auf diese Ziele ausgerichtet. Damit ist die vereinheitlichte Grammatik auf die gegenwärtige wie auch auf die Grammatik der alten Sprache anwendbar.

4. Ausblick

Seit die vereinheitlichte Grammatik ihre ersten Anfänge nahm, sind kaum drei Jahre vergangen. Es ist ein Werk der Kooperation, das durch die Zusammenfassung der Weisheit vieler Gelehrter verwirklicht wurde. Dieses System sollte in Zukunft auch für eine koreanische Grammatik für Ausländer anwendbar sein, z.B. in einer englischsprachigen Fassung. In welcher Sprache und Form eine Fassung für Aus­ länder auch immer erscheinen möge, ich hielte es für gut, wenn auch die Ein­ führung der koreanischen Grammatik der Koreanistik im Ausland dem vereinheit­ lichten System folgte. Die Grammatik von 1985 ist schließlich das Ergebnis jahr- Tradition der koreanischen Schulgrammatik 177 zehntelangen Ringens und das Produkt einer umfassenden Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, die die verschiedensten Methoden grammatischer Beschreibung vertreten. Es wird zwar unvermeidlich sein, im Lauf der Zeit Korrekturen anzu­ bringen, eine totale Korrektur wird aber auf Jahre hinaus nicht zu erwarten sein.

Anmerkungen

Bei der deutschen Abfassung dieses Aufsatzes hat mir Herr H. Wolf, ein Österreicher, der zur Zeit an der Seoul-Nationaluniversität im MA-Kurs Koreanische Sprachwissenschaft studiert. viel geholfen, wofür ich sehr dankbar bin.

1 Über die Bildung und den Ursprung der koreanischen Sprache gibt es viele Erörterungen, vgl. als neuerliches Werk das von Kim Panghan 1983. 2 Zur Teilung und Vereinheitlichung der Sprache auf der koreanischen Halbinsel siehe Ki-moon Lee 1977, S. 31-46. 3 Über die Grammatikstudien von v. Siebold siehe Ko Yönggiin 1979 und 1983, S.254-9. 4 Zur koreanischen Grammatik von de Rosny siehe Ko Yönggiin 1979 und 1983. S.257-8. 5 Zu den Studien über die koreanische Sprache von Ross siehe Ko Yönggiin 1983. S. 6-7 und 259-61. 6 Zu den Studien über die koreanische Sprache von Riedel siehe Ko Yönggiin 1983, S. 244-5. 7 Zu den Studien über die koreanische Sprache von Eckardt und Underwood siehe Ko Yönggiin 1983. S. 213-33. 8 Eine Charakterisierung der koreanischen Grammatikstudien der Anfangsstadien findet sich in Ko Yönggiin 1983, S. 9-10. 9 Informationen darüber bei Kim Minsu 1986, und Cho Munje 1972. 10 Über die Beziehung der Grammatik der Fremdsprachen zu der der koreanischen Grammatik in den Anfangsstadien siehe Ko Yönggiin 1983, S. 32-43. 11 Zur Sprachanschauung von Chu Sigyöng siehe Ko Yönggiin 1983, S. 271-4. 12 Chu Sigyöng eröffnete eine Ausbildungsanstalt für die koreanische Sprache und eine Sommerschule, in denen er unzählige Schüler ausbildete. Er organisierte auch eine Gesellschaft für die koreanische Sprache und Schrift, womit er das Fundament für die Verbreitung und Erforschung der koreanischen Sprache und Schrift schuf. Genaueres in Ko Yönggiin 1983. 13 Über die Besonderheiten der Grammatiktheorie von Chu Sigyöng siehe Ko Yönggiin 1983 S. 277-84 und 290-304. 178 Yönggiin Ko

14 Über den Unterricht im Fach Koreanisch in der Zeit der Kolonisation siehe Kim Minsu 1973, S. 381-4. 15 Zu den verschiedenen Strömungen innerhalb der koreanischen Grammatikfor­ schung in der Zeit der Kolonisation siehe Ko Yönggiin 1983, S. 43-66. 16 Genaueres siehe Ch'oe Hyönbae 1937, S. 84-104 (1971, S. 6). 17 Die stellvertretenden Grammatiker der Anti-Chu-Sigyöng-Schule waren Pak Sungbin, der die Choson-Linguistikgesellschaft gründete, sowie An Hak, Hong Kimun usw. 18 Über die Probleme der koreanischen Sprache und Schrift in der Zeit der ameri­ kanischen MilitärregieI1Jng unmittelbar nach der Befreiung Koreas siehe Kim Minsu 1980, S.276-85 und Yi Ungho 1971. 19 Genaueres siehe Nam Kisim und Ko Yönggiin 1985, S. 435. In diesem Verzeichnis fehlen die Grammatikschriften aus der Befreiungszeit Koreas von Yi Kyubang, Kim Yun'gyöng und Sin Myönggyun. 20 In dem vorliegenden Aufsatz bleiben die Grammatikforschung in Nordkorea und die dortigen Vereinheitlichungsbestrebungen unbehandelt. Siehe dazu Ko Yönggiin 1987. 21 Siehe Kim Minsu 1973, S. 982-992. 22 Laut Ch'oe Hyönbae 1968, S. 497, soll aufgrund des Einspruches von Yi Huisung und Yi Sungnyöng von der Seoul-Universität die sinokoreanische Terminologie genehmigt worden sein. 23 Siehe Kugö-kungmun-hakhoe 30-nyön-sa, S. 62. 24 Genaueres findet man in Kim Minsu et.al. 1983 [1] 99. 25 Über den genauen Verlauf der Anfertigung des Vereinheitlichungsentwurfs siehe Kugö-kungmun-hakhoe 30-nyön-sa, S. 58-61. 26 Siehe Kim Minsu 1973, S. 992-1003. 27 Aufzeichnungen bezüglich der Grammatikverwirrung siehe Waesol Ch'oe Hyönbae paksa koMi kinyöm nonmunjip, S. 474-595 und Kugö-kungmun-hakhoe 30-nyön-sa, S. 68-74, Han'glil-hakhoe 50-nyön-sa, S.365-417, sowie Kim Minsu 1973, S. 459-67. 28 Neue Auflagen ihrer Grammatikschriften siehe Kim Minsu et.al. 1983, Bd. 102, 103 und 104. 29 Siehe Han'glil-hakhoe 50-nyön-sa, S. 414-5. 30 Über die Rechtfertigung der Festlegung von zehn Wortklassen und der rein koreanischen Terminologie von Ch'oe Hyönbae findet man Ausführungen im Vorwort der Bücher Chunghak-malbon ("Mittelschulgrammatik") (1967) und Saeroun Malbon ("Neue Grammatiklehre") (1968). 31 Zur Grammatikforschung dieser Zeit siehe Yi Killok 1974, S. 317-96 und SÖ Pyöngguk 1973, S. 67-224. 32 Das ist der Inhalt der Genehmigung des Kultusministeriums, die am 5. März 1982 entschieden wurde. Tradition der koreanischen Schulgrammatik 179

33 Dieser Bericht behandelt die Vereinheitlichung des Schulgrammatiksysterns und wurde am 3. Dezember 1982 vorgelegt. 34 Die Namensliste der Forscher und Verfasser befindet sich auf der letzten Seite von MunbOp ("Grammatik der Oberschule") (1985). Zu den Autoren kam noch eine Person vom Kultusministerium dazu, die mit der Kompilation der Schulbücher für koreanische Sprache vertraut war. 35 Siehe das Inhaltsverzeichnis der Oberschulgrammatik (1985). 36 Eine Zusammenfassung der Kritik des Probeexemplars und das Zustande­ kommen der vereinheitlichten Grammatik siehe Kugo-saenghwal Nr. 1 (Okt. 1984).

Literatur

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SÖ Pyöngguk: Kugö-munböp-non'go. Seoul1973. Yi Killok: Kugö-munböp-non yön'gu. Seoul 1974. Yi Ungho: Migun-chönggi-ui han'gUl-undong-sa. Seoul 1971. Waesol eh'oe Hyönbae paksa koMi kinyöm nonmunjip. Seoul 1968. Bemerkungen zu den koreanischen Wörtern für Kimch'i

Ki·Moon Lee (SeonI)

1. Kimch'i

Im heutigen Koreanisch bezeichnet das Wort Kimch'i verschiedene Arten von in Salz eingelegtem Gemüse, die unter anderem aus Rettich und Chinakohl hergestellt werden. Meist mit rotem Pfeffer und Knoblauch gewürzt, ist Kimch'i eine der beliebtesten Speisen, die bei fast jeder Mahlzeit mit gekochtem Reis heutzutage in Korea serviert werden. Es ist weitestgehend anerkannt, daß Kimc'i die Weiterentwicklung des mittelkoreanischen Wortes time'"y, das im Grunde dasselbe ausdrückt, ist. Dieses mittelkoreanische Wort ist aufgezeichnet im Hunmong-chahoe (1526), 2.22r, und im Sinjiing-yuhap (1576), l.30r, wo es als Saegim (bedeutungswertige Lesung) des chinesischen Zeichens ii[ (in Salz eingelegtes Gemüse) gebraucht wird. Man geht davon aus, daß dieses mittelkoreanische Wort im Dialekt von Seoul folgende Veränderungen durchgemacht hat:

time'"y > timc'iy » cimc':i-y » kimc'i

Hier bedürfen die Veränderungen des Anlautes einiger Erklärungen.

Erstens: t wurde auf Grund der Palatalisierung vor i zu C, was seinen Ursprung in den südlichen Dialekten hat, die ungefähr um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert in den Dialekt von Seoul eindrangen. Darüber hinaus erfuhren die südlichen Dialekte tatsächlich auch die k-Palatal­ isierung, k > cvor i, aber diese wurde nicht in den Dialekt von Seoul übernommen. In diesem Zusammenhang ist es aber interessant zu beobachten, daß der Anlaut c einiger Wärter sich im Dialekt von Seoul zu k veränderte, z.B. Cir > kir (Aufzucht), Cirsam > kirsam (das Weben), Cich > kis (Feder) etc. Dies sind Beispiele dafür, was 182 Ki-Moon Lee die französischen Dialektforscher "fausse regression" nennen. Der Anlaut c in den oben aufgeführten Wörtern wurde fälschlicherweise oft auch als ein Resultat der k-Palatalisierung aufgefaßt. Auch der Anlaut c in cime'iy wurde irrtümlich meist als Resultat desselben Phänomens angesehen. Vom mittelkoreanischen Wort time'ny kann angenommen werden, daß es seinen Ursprung im sino-koreanischen Wort tt~ hat. Wir finden dieses Wort mit chinesischen Zeichen geschrieben in einer mittelkoreanischen Quelle. Im Naehun (1475), 3.3v, wird iii im chinesischen Text in der koreanischen Übersetzung mit tt ~ wiedergegeben. Die Tatsache, daß diese Annahme richtig ist, wird auch durch die Form t'ime'ny in Quellen des späteren 16. Jahrhunderts bewiesen, die mehr oder weniger die korrekte sino-koreanische Aussprache von tt~ widerspiegelt (s. Sohak-önhae [1587], 1.7r.O., Kani-pyögonbang [1578], 15v). Wir finden auch die palatalisierte Form c'ime'ny in Quellen des 18. Jahrhunderts (s. Mongö-yuhae [1768] 1.47v). Es ist bemerkenswert, daß auch heute noch das Wort e'ime'e; gebraucht wird, um Kimch'i auf dem Altar bei der Ahnenverehrung zu bezeichnen. Es ist deutlich, daß beide Formen, sowohl die mit unaspiriertem als auch die mit aspiriertem Anlaut seit dem 16. Jahrhundert bis heute gebraucht wurden. Ich denke, daß dieses interessante Phänomen durch die ~ahme erklärt werden kann, daß die unaspirierte Form in der Umgangssprache gebraucht wurde, während die aspirierte Form von der gebildeten Aristokratie bewahrt wurde. Hier werden nun einige Fragen aufgeworfen. Die erste Frage hängt mit dem Ursprung des Wortes tt ~ zusammen. Ich gehe zunächst einmal davon aus, daß das sino-koreanische Wort in Korea gebildet worden ist. Aber bevor man eine letztgültige Meinung niederlegt, müssen die chinesischen Quellen noch genauer studiert werden. Eine weitere Frage betrifft die Koexistenz von time'ny und t'ime'ny im 16. Jahrhundert. Ich bin der Meinung, daß tim eine alte Aussprache von tt wiedergibt. Wenn diese Annahme richtig ist, ist die Bildung dieses Wortes vergleichsweise alt. Auf der anderen Seite möchte ich darauf hinweisen, daß bei t'imc'ny und e'ime'f:, obwohl eng mit der chinesischen Lautung verbunden, die Verbindung zu time'ny und kime'i völlig abgebrochen ist. Kimch'i 183

2. chi

Im Tusi-önhae (1481), 3.5Ov, wurde ein bisher unbekanntes Wort tihi entdeckt, d.h. in dem Buch wird m als tihi übersetzt. Das ist ein sehr wertvolles Wort, das bis jetzt die Wissenschaftler nicht kannten. Ich glaube, daß das Wort tihi ein ursprüngliches Wort der koreanischen Sprache ist. In diesem Zusammenhang möchte ich einige Tatsachen aufzeigen. Erstens, in Pönyök-pakt'ongsa (1410-1420) finden wir calJaystihi (in Sojasosse eingelegte Gurken). Da wir tihi bereits kennen, können wir das Wort folgenderma­ ßen analysieren: cWJ 'Sojasosse', ay Lokativsuffix, s Genitivsuffix und tihi. Dieses Wort erscheint im 18. Jahrhundert als cCllJascii (Hanch'öng-mun'gam 12.41v) und als calJacCi im heutigen Koreanisch. Zweitens, die heutigen südwestlichen Dialekte haben die Wörter Cimc'i und Ci, die beide mit dem Wort Kimc'i in der Standardsprache von Seoul korrespondieren. Der Gebrauch des Wortes Ci ist im Vergleich zu Cimc'i von der Anzahl der Benutzer her und auch lokal begrenzt. Hier repräsentiert Cimc'i eine neue Schicht und Ci eine alte Schicht. Es ist unnötig zu sagen, daß Ci die Weiterentwicklung von tihi ist. Drittens, in der Sprache von Seoul wird Ci auch benutzt, aber immer in Verbindungen wie Z.B. ccan-Ci (in Salzlauge eingelegter Rettich), ai-Ci (in Salzlauge eingelegte Gurken). In den nordwestlichen Dialekten erscheint es in der Form von ti. Diese Dialekte sind dafür bekannt, daß sie noch keine Palatalisierung kennen, z.B. ccan-ti, ai-ti etc. Aufgrund der Tatsache, daß ci und ti gedehnt ausgesprochen werden, kann man nicht daran zweifeln, daß eine Verbindung zum mk. tihi besteht. Die Etymologie von tihi ist nicht bekannt. Im Tusi-önhae ist die erste Silbe ti mit einem hohen Ton bezeichnet und die zweite Silbe hi mit einem tiefen Ton. Im Pönyök-pakt'ongsa haben beide Silben einen hohen Ton. Der Auslaut i bei tihi läßt zwar die Vermutung offen, daß es sich hierbei um eine Ableitung von einem Verbum handelt, aber es ist bisher nicht möglich, einen solchen Verbstamm *tih­ (mit hohem Ton) im Koreanischen nachzuweisen. 184 Ki-Moon Lee

3. jap. kimisui

Das koreanische Wort Idme'i ist in der letzten Zeit international weithin bekannt geworden. Einige der in der jüngsten Zeit publizierten englischen und japanischen Wörterbücher führen das Wort Idmchi bzw. kimuchi auf. In dem gegen Ende des 18. Jahrhunderts herausgegebenen Oeö-yuhae, einem koreanisch-japanischen Glossar, erscheint das sehr interessante japanische Wort kimisi-i (ldmisui) (1.47v), welches mit dem koreanischen t'imelI.y korrespondiert. Die Ähnlichkeit vom kimisui und dem koreanischen kime'i-y zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die Wahr­ scheinlichkeit, daß das Wort kimisui von Korea nach Japan gegangen ist, ist sehr groß. Die Kompilatoren dieses Wörterbuches werden in einem japanischen Dialekt das Wort kimisui gefunden haben. Ich kann jedoch zunächst nur darauf warten, daß die japanischen Sprachwissenschaftler das Wort kimisui in einer älteren japanischen Quelle nachweisen. On Dating Changes in the Phonetic Rules of Korean

Samuel E. Martin (New Haven)

In the absence of evidence to the contrary, we must assume that earlier stages of a language had the same phonological rules that we find today.1 Certain automatie rules of phonetic realization found in modern Korean were probably always part of the language. A prominent example is the set of rules for the phonetic realization of voicing, which is automatie and nondistinctive in Korean. 2 Another example is the automatie fortition which adds tenseness to an obstruent after an obstruent. Under what is perhaps the prevailing view of modern Korean, that rule is narrowed to "after a syllable--final stop (-p -t -k)"; but for earlier Korean the rule is more inclusive and covers the initial clusters of the 15th century, such as pt-, st-, pst-, and the minimal clusters written as geminates, such as tt-. Using an approach presented in Martin 1982b, even in modern Korean the feature of fortition (or tenseness) can be treated as automatie, so that the fortis [k] of both ipki 'wearing' and ikki 'moss' is an allophone of the simple /k/ when it follows any obstruent, including the minimal case when it follows itself. That is, we treat the reinforced consonants when they are not preceded by an obstruent as geminates, and that is the way they are treated by the modern Hankul spelling. But there are other rules that call for a fortition which is not phonologically determined. When a morpheme that begins with a simple consonant appears after a non-obstruent, we do not expect a fortis realization. If the fortis version occurs, we must say that the simple obstruent has been replaced by the geminate, and this we will call REINFORCEMENT. Much like the nigori phonomena of Japanese, reinforcement is widely but predictably used to mark the second element of a compound; when both elements are free nouns, the reinforcement usually goes back to an adnominalizing particle with the odd shape of just "s", on which see Martin 1982a. In one situation, the reinforcement is morphologically determined under phonological conditions. When a verb stem ends in a basically voiced consonant (m, n, or an I reduced from IC), an obstruent at the beginning of an attached ending is regularly reinforced: nam-ta -> /nämtta/ 'remain', än-ta -> /äntta/ 186 Samuel E. Martin

'embraee', ane-ta -+ /antta/, halth-ta -+ /haltta/ 'liek'. How old is this rille? If we were to rely on texts alone, we might say the rille has never eome into existenee at all, sinee it is ignored by the spelling even today, just as is the automatie forti­ tion mentioned earlier. 3 And it met with no attention in the deseriptions of a number of relatively sophisticated foreign linguists, including Ramstedt (1939:136 "kamda, sinda"). Ramsey 1978:63 says that the Seoill dialeet developed this rule "sometime after the Middle Korean period", pointing out that some of the peripheral dialeets still lack the rille. Speakers of the Hamkyeng and Ceyewu dialeets, for example, use the voieed version of the simple obstruent and say /namta/ [namda], ete. (Ramsey 1978:206), as do older speakers from fishing villages along the seaeoast of North Kyengsang (Choy Myengok 1979:22, 24). But the Korean linguists publishing after 1945 eorreetly deseribed the rille. And lYi Huysung, writing in 1955(:181), observed that some people prefer to note the re­ inforeement by inserting sai sios (" nam-s-ta", ete.), just as they prefer to note the reinforeement after the imperfeet adnominalizer by writing "-ul s C... ", as if both of these phenomena were to be put in the same eategory as the unpredietable eom­ pound-noun reinforeements that were traditionally written with sai sios, or a refinement thereof. That spelling deviee (freestanding -s-) is what is used in the headings of the Korean-Japanese dietionary published in 1920: nam-s-ta 'remain', an-s-ta 'embraee' or 'sit', hal-s-ta 'liek', '" . So we have evidenee that the rille goes back at least to 1920. There is no indieation of reinforeement in Gale's Korean-English dietionary of 1897, nor in Underwood 1890. In the Monge lyuhay of 1768 we find spellings that indieate reinforeement for ane- 'sit' and halth- 'liek': an.sta (1:19v), an.s.ta. (1:20r, 2:30r - also 1748 Tongmun 1:25), ans.ta (2:25v); ? hal.s.ta (1:49 - also 1748 Tongmun 1:62, '1775 Han-Cheng 382a). And Monge lyuhay pophyen of 1790 has siwi en.s.ta 'strings a bow' (17v) +- ene- 'put on top'. Yet we find in the 1768 main dietionary an.ta 'embraee' (1:22v), nwun kom.ta 'closes eyes' (1:214), phwum.ta 'carries in one's bosom' (1:23r), and wom.ta 'moves' (1:23r). The 1703 work Sam.yek ehonghay has an.sta (5:23) 'sits', and the 1690 work Yek.e lyuhay has en.sta 'puts on top' (1:49); 1728 Chengkwu yengen has en-skwo 'putting on top' (p.56), but ?1660- Kyeyehwuk ilki (p.208) has en.kwo (LCT 1964:551a). And 1653 Pek--on sinpang has an.skwo 'sitting'. It is doubtful that the pronounciation for 'sitting' was aetually /ankko/ in eontrast with /anko/ 'embracing'; these are imitations of earlier spellings from a time when final -ne redueed to -ns before a eonsonant, as in ans.kwo (1459 W 182 and 1481 T 15:15) = an.skwo (1447 S 11:1), ans'ti (1459 W 2:40) = an'sti (1447 S 6:10), and ans.nwos.ta (1482 Kumkang 4:46); by 1517 we find that final ne before a eonsonant is redueed Phonetic Rules.of Korean 187 to just n: an.non 1517 PS 8:17 (and, later, an.non.ta (1747 Songkang 2:10)). The case of hal.s.ta 'lieks', however, is another matter. Earlier the stern was halh-,4 so we would expect "ha1.tha" in accord with the Monge lyuhay spellings al.tha 'ails' (2:5v), i1.tha 'loses' (2:49v), and ssul.tha 'polishes (rice)'. It appears that the stern of halh-ta absorbed the /t/ of the ending and was reanalyzed as modern halth-; before a consonant the final lth reduced to lt, with the resulting pronunciation /halttaf. That is the form recorded in Gale's 1897 dictionary with the Hankul spelling hal.sta; he also has hwul.sta 'rub; smooth back and forth (as a cord)' corresponding to modern hwulh.ta 'thresh, hackle, strip'. In connection with this, it should be observed that the Hamkyeng dialect, while it did not acquire the rule that reinforces an obstruent after a verb stern that ends in /m/, /n/, or reduced /l[C] ,5 has a rule that reinforces those consonant-final sterns which in basic form (Le., before a vowel) end in the flap allophone of /1/ that we believe to be a lenition from /t/, so that the standard mut.ta 'question' (infinitive mul.e) is pronounced /multta/. I believe this to be a late development, which generalized the basic form with the stern-final liquid; notice that the generalization apparently extends even to such forms as /muilun/ for Seoul /munnun/ "mun-nun". After astern ending in m, n, or l[C], the modern rule requires the rein­ forcement of an initial obstruent in a verb ending, but not in a derivational formant: nam-ki 'remaining' is reinforced (fnamkkif), but nam-ki- 'let it remain' is not. What brought the reinforcement rule into being? One possibility is the in­ fluence of a somewhat similar rule in Japanese, present in the coiloquial language since at least the 1400s, whereby the gerund -te (together with forms based on it) takes nigori and is voiced to -de when attached to the reduced shapes of infinitives that end in m, n, b « mb), or IJ « ng). Examples are yon-de < yob[i] -te 'calling', and koide < ko [IJ] i-te 'rowing'. But I doubt that the rather complicated Japanese situation, which involves nasality as weil as voicing, would have stimulat­ ed the Korean rule, which reinforces not just /t/ but also /k/, /c/, and /s/, though not /p/ simply because no ending happens to begin with a labial stop. What ap­ pears more likely is that there set in a generalization from the automatie fortition of the obstruents after stern-final p, t, and k; by adding other consonants (m, n, 1[C] to the list, only the vowels were left before the voiced allophones of the simple obstruents in relevant verb forms. I say "only the vowels" but we must also include the simple /1/ that I have treated as a "stern extension" for the purpose of setting up a dichotomy of consonant-stem vs. vowel-stem conjugation. (Etymolog­ icaily, however, the /1/ is clearly part of the stern morpheme). In modern Korean 188 Samuel E. Martin the /1/ appears before obstruents and m, but it is elided before n or s: phalko, phalci, phalta, phalmyen; phanun, phan, phasinta. In earlier Korean the final /1/ was elided also before t and c; the modern forms phalta < phota 'seils', phalci < photi 'selling', and phalca < phocye 'let's sell' have restored the basic stem-final liquid by analogy with other forms in the paradigm, though the earlier pattern is sometimes found in literary clicMs such as äta-siph.i = älta-siph.i "as is known' and in structures of the type pha[l] ca ma[l] ca "as soon as we seil it'. It is unclear just when the liquid was restored before t and c. One example of the restored /1/ is dated 1897: pwonkwuk kul un aycwo lichi lul alci mwos honi 'are completely ignor­ ant of the principles of the script of our native country' (Li Pongwun, Kwukmun cengli, here quoted from Kwuk.e-hak chalyo sencip 5:88). Gale's dictionary, also from 1897, has the liquid intact: melta Cis distant', etc. I have been unable to find earlier exarnples without the elision. The 1887 translation of the Lord's Prayer has: wuli lwo sihem ey tuci [*tulci] ankhey hosimye 'lead us not into temptation' (Id., 5:24). And in Kakok wen.lyu of 1876 we find: talk a wu.ci ma.la 'Rooster, do not crow!' (177) and kan parn ey pwu.tun po.larn ey ... kan parn ey wU.tun ye.hul ... 'in the wind that blew last night ... the rapids that wailed last night ... ' (158). Earlier examples with the liquid elided can be found in Putsillo 1874 (ki.ta cis long' 138-9), in Monge l yuhay of 1768 (huntuta 'shakes' 1:21v, tuta 'lifts' 1:23r, phwuta 'unties' 2:45v), and in the [Sengcwu] Songkang kasa of 1747: syen-san twong-hoy yey kal kil two me-two mel sya 'the road to the sea east of the mountain of wizards is far far indeed!' (1:9 = p.20); nim ta.hi sywo-sik ul a.mu.lye.na a.cya hO.ni 'I want to have ("know") some news of you, in any event' (1:16 = p.33); nak-yep no.tey 'the fallen leaves have blown away ("flown")' (2:15 = p.79). What happens when a dental obstruent is attached to a morpheme-final /1/ in Chinese loanwords? In modern Korean the obstruent is regularly reinforced. In earlier days the normal orthography used Chinese characters, and the Hankul read­ ings were assigned character by character, with no morphophonemic adjustments; in the earliest texts the final -1 in Chinese loanmorphs was always written -lq, a cluster of liquid + glottal, regardless of what followed. Exceptionally, today the negative prefix pul, instead of reinforcing the dental obstruent, elides the /1/ before /t/ or /c/ - but not before /s/ with the exception of pusil ha- 'be insubstantial' (so treated also by the 1920 Korean-Japanese dictionary but pul.sil in Putsillo 1874:523): pu-tang 'unjust', pu--eok 'insufficient', but pul-ssin 'distrust'. It is unclear when this elision first began; we find 'ppwulq-'cywok in 1446 (S 6:64 - the initial labial is not geminate in other compounds: pwulq-... 13:15, 23:11, 23:14); Phonetic Rules of Korean 189

'pul-cywok'hi '[regards it] as insufficient' in 1586 (Sohak 5:29v)j but pwu-cywok hota 'be insufficient' in Gale's 1897 dictionary (and Underwood 1890), which also has pwu-twong 'what is not the same', pwu-tywo-cung 'irregularity in the menses', pwu-tuk-pwul -'certainly; necessarily; without doubt', pwu-ci-cwung 'un­ expectedly'. (The 1920 Korean-Japanese dictionary also has pwu- in these words). The 1586 example from Sohak enhay is probably artificial, for the 1517- Pak thongsa enhay has the assimilated version 'pu'cywok ho- twice (1:12, 1:20), both translating the contemporary Chinese bU-gou 'not suffice' (later pu.cywok ho- is also found in 1608 Thay 32 and ?1670- lNap.yak 1); and Sohak enhay (5:17) has the assimilated 'pu'cyeng hO'kwo 'being unchaste' < 'pu[1] -'cyeng. The adjectival noun pwulssang ha- 'be pitiful' apparently comes from pwul-syang ho- 'be inauspicious' and the characters appear in Kyeychwuk ilki (?1660-). This is spelled ? pu1.sang in 1748 Tongmun lyuhay 2:31 and in '1800 Han-ewung-[man] lok p.414. Gale's 1897 dictionary speils the word pwul.syang.ho- (as does Underwood 1890), but the 1920 Korean-Japanese dictionary writes pwul.ssang.ha-. Dur only evidence far reinforcement in Chinese loanwords is when such a word is weIl as­ similated into Korean and normally written in Hankul, as if the Chinese etymology were forgotten. One example is the spelling "kyel.s.tan ho.ta" for 'decide' in Monge lyuhay (2:24r) or 1768; this appears to indicate that the pronunciation was /kyelttan/, though the supplement (pophyen) of 1790 ignares the reinforcement in one place (kyel.tan chi mwos hO.ta 'cant decide' 14r) and misplaces it in another (kyel.tan s khwo 'definitely' 35v). The 1920 Korean-Japanese dictionary generally ignores these reinforcements and accordingly it speIls kye1-tan, but the expression /kyelttan na-/ 'go to ruin' is treated as native and written "kye1.stan.na-". Tongmun lyuhay of 1748 has "pwul.s.two" /pwulttwo/ for 'Buddhism' (2:11)j Gale's 1897 dictionary shows no indication of reinforcement for this word, nor for other similar words, such as kyel-tan 'decision'. (Underwood 1890 speIls pyel-two and kyel-tan like Gale. Putsillo 1874:597 speIls kyel.tan). All these data suggest that fairly early, perhaps even in the 15th century, something had to be done to adjust .. ·l-t.. · and .. ·l-e"·, either by dropping the liquid or by reinforcing the obstruent. We will now turn to questions of fortition in the fifteenth and sixteenth century. The early Hankul texts wrote a certain number of orthographic clusters at the beginning of words: st-, pst-, pt-, pth-; sp-, ps-, ss-; sk-, psk-; pc-. For the studied readings of Chinese characters we also find the geminates PP-, tt-, kk-, cc-, sS-. In Martin 1982a it is maintained that all these clusters were intended to 190 Samuel E. Martin

be pronouneed as speiled, with a real sibilant in those written "SC-" and with the same rule of automatie fortition that holds later: an obstruent is tense after an obstruent. The minimal obstruent clusters were the geminates, and an attempt was made to pronounee these initially in reading Chinese eharaeters, though Chinese loanwords whieh had been assimilated into Korean generaily simplified the geminate cluster to a single obstruent. In later Korean the spelling "SC-" beeame widely used, however, to write the fortis eonsonants, regardless of their origin. And many Korean linguists have feIt that even in the earliest Hankul times the "S" was not pronouneed as a sibilant, but rather served as a marker of the fortition. Yet there are near-minimal eontrasts sueh as 'ptoy 'dirt' (S 6:27) : 'pstay 'time' (Kok

50, T 8:66) : staCh] 'earth' (S 6:32). If we assume that the orthographie "SC-" represented nothing more than fortition, we would have to give up the notion of automatie fortition after an obstruent, sinee pt- and pst- (?= /pttf) are in eontrast. In 1972 (and earlier in 1963) lYi Kimun took the firm position that the sibilant was never pronouneed, at least in Hankul times. He feels that some eases of "SC-" must go baek to pC-; for example, he would reeonstruet 'stol 'daughter' as *ptol < *potol, the form indieated by phonograms in Kyeylim lyusa of 1103 (see LKM 1972:52; Kang 1980:68, #152). The spelling "ptol" aetually turns up in 1514 Soksam Hyo 19 and in 1728 Chengkwu 14, but at least in the latter work it must have been representing /ttol/. The problem posed by the word for 'daughter' may be addressed by two hypotheses that do not require that orthographie 'stol be treated as /,ttol/:

(1) It is possible that an earlier p[o]tol beeame pstol by the eommon proeess of assibilation of the minimal vowel (as happens in the Miyako dialeet of the Ryükyüs) and then idiosyneratieally dropped the p- just before the time of Hankul's ereation, leaving /stol/ to beeome /ttol/ later. (2) The etymology eould be mistaken. Perhaps 'stol 'daughter'is a trunea­ tion of ·kas-·tol[h] (W 2:28) 'women, Le. girls' and atol 'son' is from *a[k/h]-·tol[h] or *[z] a-·tol[h] 'ehildren, Le. sons'. It is surely more than happenstanee that the words for 'daughter' and 'son' rime so weil, both in the 15th eentury and in the 12th, for Kyeylim lyusa has *atol for 'son' (Kang 1980:68, #151). It is also argued that the Cosen-kwan yek.e of the early 15th eentury did not indieate the initial of the "SC-" clusters, but then, as Cen 1975: 179-80 points out, it did not indieate those of the pC- clusters (sueh as psol 'riee'), either. At least eertain eases of the spelling "SC-" must go baek to a sibilant pronuneiation at Phonetic Rules of Korean 191 some stage, for in Sankwuk saki (1145) the Chinese character 'kak 'horn' (Korean 'spul) was used as arebus to write part of a rank title that was also written with the rebus :cwu 'wine' (Korean swu[p] ul) and with phonograms read sye-pal and sye-pwul. 6 The Hankul "sC-" was used to write foreign strings with sibilants, The glossary appended to the possibly 15th--eentury Korean work Haytong ceykwuk ki = Kaitä-shokoku-ki give Hankul transcriptions for Rükyüan words, inc1uding stwo.muy.ti (4:6) 'early morning' for what is sutumiti or sutimiti in modern Shuri and and situmuti in Miyako, Yaeyama, etc" cognate with Japanese tutomete, (It should be noted that both Yonaguni and Ikema have ttumuti, with tense initials, but these are thought to be fairly late reductions of the cluster.) The work Ötay--ein.en of 1485 used Hankul "sC-" initials to transcribe paired Chinese phonograms that traditionally represented Indic clusters: st sta'tha (70), :stam'pa'na.ka'la (71- Indic stombhanagara?)j :zywo:stoy (56 - ju~:e 'having enjoyed'), 'la,sta"la,stam (31), ·ti'st:tyey (95) sth 'ti:sthi.ta (57v - ti~!hita 'you all stand!')j 'ti:sthi:tyey (57) = 'ti:sthi'tyey (46), cf. 'ti'sti:tyey (95) sp 'spwo:U'ta (33 - sporitä); 'nwo,spa (68), 'nwok'spam'na (67), 'mi·spwo.tha (95) skol 'na'mak 'ski'U-to'pa [spaced as two syllabies] (25, 66 - namas-k;tva 'having made obeisance') The first of the paired Chinese phonograms in each instance unmistakably has the sibilant initial, There are other clusters transcribed into a monosyllabicized Hankul "CoC", including so'Wa-'ha (5, 46 - svähä, a ritual exclamation), :o'la-'ha (67 - graha 'grasp'), :two-so'ni-'sam [spaced as three syllabies] (66 - perhaps this is some form of tüsnim- 'silent), 7 Ramsey 1973 suggests that a variant pronunciation of the "sC-" clusters as reinforced (i.e, geminate) came into being shortly after the first Hankul texts appeared. As lYi Kimun has pointed out, the "reinforced" forms of certain verbs created doublets: as early as 1462 we find ssip- (N 5:46) attested for sip- 'chew', and in 1463 both skuzu (P 7:91) and kuzu- (P 2:200) 'lead' appear in the same text. Yet it is conceivable that these forms (or at least some of them) were made with an emphatic prefix actually pronounced as a sibilant, The various clusters appeared also internally as interludes, sometimes the result of morpheme boundaries coming together, In the 1400s Korean syllables could end not only in the obstruents p, t, k, but also in .. 's, so that a number of 192 Samuel E. Martin

interludes were created when a morpheme ending in ···s was attached to a morpheme beginning with a consonant. (There was also the adnominalizer, or Ilgenitive", marker with the unique shape /s/.) Several verb stems ended in sk; in paradigmatic forms with a vowel-initial suffix the interlude was sometimes spelled -ll.k- and sometimes -.sk, as shown by tas·ka (W 9:14, 23:50) = ta·ska (S 13:20) 'polishj train'. In the modern language these verb stems end in geminates: takk­ 'polish', sekk- 'mix', pokk- 'roast'. That the final was no longer -llk is indicated by 17th-eentury spellings, such as sek.ke (1656 Kyengrnin 29) and pwok-ka (1670 lNo-cwung 1:55) for earlier ses·ke (1462 N 1:42) and pwos·ka (1463 P 2:126); the earliest example of the spelling -k.k- seems to be the noun pask 'outside' in the phrase pak.ku.lwo (1632 Kalyey enhay 6:14). Before a consonant or juncture the cluster -llk reduced to -ll: ses.non (n 6:57), ses--cl·ke (P 2:12), tas·ta (Wen 1:2:2:40). Later, the geminate -kk reduced to -k when before a consonant: tak.ta (1690 Yek.e lyuhay 1:47), tak.nwo.ni (1632 T-ewung 3:9). Between the time of-llk and that of -kk- there may have been aperiod with -tk-, as suggested by the spellings (for 'polish') of tat.non (1588 Cwungyong enhay 29) and tat.kul (?1750­ Waye lyuhay 2:399. These forms result from the merger of --ß with -t, which began in the early 1500s and is frequently attested in the latter third of the 16th century, as when pat is written (1583 Sekpong Chenca 10 and 1586 Sohak 2:36) for pas[k] (W 1:9, N:55, ... ) 'outside'. We detect that the merger was taking place because of misspellings, "t" for "s" and "s" for "t", despite the effort to conserve earlier spellingswhich characterizes the texts. There is a momentarily disturbing example in LCT 50a from 1482 (N 1:65) listed as if it were a case of "s" written for "t", but that is a mistakej the cited phrase, ·pal kes"ta, does not mean 'walks one's feet' hut 'breaks the feet (of the wine-warmer vessel)' and therefore properly belongs under the preceding entry in the dictionary ("kes-k-ta"). The earliest genuine example lYuhap (1:8) writes "sis na.mwo" (and the same spelling was repeated in 1748 Tongmun lyuhay 2:44, and also appeared in the phrase sis nam.kul in 1632 Twusi enhay cwung-kan 11:15); the word was sit na.mwo in 1527 Hwunmong Cahoy (1:10r = 5v) and appeared in the phrases sit na.mwo -ll swu·phu.ley 'in the maple grove' in 1481 Twusi enhay 7:28 and sit nam.kuy -ll pe·sus 'maple-tree fungi' in 1466 Kwukup-pang enhay 2:48. In 1690 Yek.e lyuhay 2:41 the more-or-less modern form sin-na.mwo appears; by this time the nasal assimilation rules, for which there are examples of -tn- -+ -nn- from quite early (Martin 1983: n. 14b in addenda), must have been fairly general, for there are examples of -mn- +- -kn­ as early as 1586 (kam.no·ni +- kap [h]- 'repay', Sohak 5:5,8 and of -ngn- +- -kn­ as early as 1553 (meng.no.ni +- mek- 'eat', Uncwung kyeng enhay 5).9 The earliest Phonetic Rules of Korean 193 examples of "t" written for "s" seem to be swut kat.na·hoy written for swus.kas.na·hoy 'virgin' twiee in 1517- Pak Thongsa enhay (1:45), though the same page also has kas.na·hoy 'woman' and the assimilated form with -nn- appears in the sentenee so.na·hoy·ka kan.na·hoy·ka (1:55) cis it a man or a woman?'. The 1586 Sohak enhay never writes "-s" for a final -t, and -s as a reduetion from -sk seems never to be spelled with a "-t": tas'kwo 'eultivating'(<- task- 'polish') eontrasts with tat'kwo 'shutting' (<- tat-) on the same page (6:62). Yet sterns with -s (or -e or -eh) are sometimes optionally treated as if -t. While 'trusting' (<­ mit-) is always mit'ti (5:29), 'attaining' (<- mieh-) appears both as mis'ti (2:76, 4:23, 6:78, 6:96) and as mit'ti (5:84). The adverb 'moreover', derived from the stern (mieh-), is spelled 'mis (4:38, 6:80) or 'mit (5:51, 5:54, 6:8). There seem to be no attestations in Sohak enhay with "-t" for a number of the sterns that end in -s or -e, but some of these sterns turn up with the assimilation -nn-, just like -tn-. For 'finds' (choe-) a single passage (3:78) has both ·ehos.non and ·ehon.non; forms like in'non (5.3) .... is- 'be' are fairly frequent, but there are examples also of iS.non (4:54) and the like. From these and other spellings we must conclude that the seribes of 1586 Sohak enhay were uneonsciously being influeneed by a spoken version of the language in whieh the syllable-final basic -s had merged (or was merging) with -t. Sinee the orthography was deliberately morphophonemie, there may have been a eonscientious eifort to preserve the distinetion in the spelling even after the merger was eomplete. To summarize: I believe that the "SC_li clusters, both as initials and as inter­ ludes, were normally pronouneed with a real sibilant until sometime in the 16th eentury. The interludes beeame -tC- with the merger of syllable-final -s with -t whieh gradually took hold in the course of the 16th eentury. Arguments that the sibilant in -sC- was pronouneed: (1) Verb sterns ending in -s attaeh the bound auxiliary -sop- as r"ssop-/, spelled "-s.s-" or "-.ss-". There is no evidenee that the aneestors of modern wassumnita 'laughs', nassumnita 'is better', issumnita 'exists', ete., were ever pronouneed I-ts-j. Verb sterns ending in -t attaehed the auxiliary as -t.eop-, probably pronouneed l-eeop-I. (2) Both noun and verb sterns ending in -sk must have been pronouneed with at least a dental (-tk- if not -sk-); if the orthographie cluster simply represented the fortis geminate -kk- of later Korean, then why did it reduee to orthographie "s" before a eonsonant or juneture? 194 Samuel E. Martin

(3) It is difficult to see how the "genitive" (adnominal) -s can have been pronounced as -t, or glottal stop, or a consonant "reinforcement", in such strings as :soym -s ·mu.li (1481 T 8:66) 'water of the spring [as subject] '. To be sure, there are those who assume the -s- was simply not pronounced in many of the strings; i.e., that it is to be taken as a morphophonemic or even morphemic writing. In Martin 1982a that view is rejected. (4) In both hyangka and litwu the character for 'scold' (Middle Chinese tsyet, TC 'chilq, modern eil) was used as a phonogram to write morpheme-final /s/ and also to write the adnominal marker (examples in LKM 1955:256--8), and it was the middle phonogram in a triad used to write a placename in the Chinese notes to lYongpi echen ka (7:25) that is rendered in Hankul as :hwus·ki. It was also used in litwu to write the initial s- of :spwun 'only' and stan '(in one's one estimation'. (5) There are examples where a final liquid drops before dentals (s, t, c, n). In addition to the various verb forms, we find ·to[l] :nim (W 2:51) 'the moon' and 'sto[l] :nim (S 11:40) 'YOllI daughter', 'pso[l] :nwun (C 1:2) 'small pellets of dry snow', 'na[l] 'nal (W 10:120, T 8:8) 'every day', i"thu[l] -s na'lay (S 6:27) = i"thul -s na'lay (W 1:6) 'on the next day'; mO[l]-sywo (T 7:18) 'horses and oxen'; :pye[l] -'to'li (W 8:7 [LCT entry is mistaken]) 'stars and moon [as subject] '; :se[l] -s to"lay (Kup 2:58) 'in December'; phu[l]-tye.hi (1632 T-<:wung 12:37) 'grass harp [as subject] '; modern ssa[l]-<:en 'rice dealer'. Unless the adnominal "genitive" marker was at least a dental (s or t), it wocld be difficult to explain the motivation for eliding the liquid in such examples as pa[l] -s pa·tang (N 10:79) 'flat of the foot', pa[l] -s mwok (Kup 2:26) 'ankle', mo.zo[lh] -s 'noy (T 15:50) 'village smoke', pskwu[l] -s :pel (T 18:4) 'honey bee', mu[l] -s 'kyel (T 18:11, Mok 24, C 1:4v = 2v) for 'mul -s 'kyel (S, Kok, W, N, P, T, Wen, MOk, Mong). A similar elision of final -n occurs in the passage nye[n] -s kwo'ei'le'la (?1517- Pak 1:70) 'it was a lotus blossom'. A problem: what about cämkkan 'a little while'? In the earliest texts this word was written both as :cams.kan (S 13:41, 13:53) and as :cam.skan (S 6:6, 9:12), yet it is a compund of two Chinese loanwords :cam 'a short time' and kan 'interval'; surely there is no reason for a sibilant to intrude. The answer may be that this is a lexicalization of a phrase made up in Korea, :cam s kan 'the interval of a short time', with the adnominal "genitive" particle /s/. The expression did not occur in China or Japan, and the Koreans seldom - if ever - wrote it using Chinese Phonetie Rules of Korean 195 eharaeters. It is treated as if the etymology were opaque; I have not seen it written with a free-standing /s/ (ttan sios or sai sios), though that eould be expeeted to oeeur, if my explanation is eorreet. An alternative (and perhaps better) explana­ tion also involves a sibilant. There is a binom eämsi 'a short time', whieh also oeeurs in China and Japan; in Korea this noun forms a eompound with kan to make the word eämsi-kan. Perhaps :eamskan is simply a eontraetion of the word :eams [i] -kan. I am uneertain how early the expression eamsi-kan ean be attested, but one faet favoring the seeond explanation over the first is that :eam 'short time' is not normally a free form in Korean, nor is it versatile, for the morpheme is limited to a very few eompounds. (The spelling eam.kan oeeurs at least onee, in ?1670- iNap.yak eungehi pang 11, but that may be a seribal error). In any event, this is probably a different sort of phenomenon from the reinforeement found in the modern pronunciation of eompounds sueh as sänqpo 'walk', iyemqka 'low priee', and kowka 'high priee', whieh is thought to be a later development. iO If we grant that there was a sibilant in the adnominal marker, then the spelling variants ".SC-" for "S.C" (as found in an'sti- = ans·ti) must mean there was a sibilant in the syIlable-initial clusters written "SC-", too. From the orthographie evidenee in the texts, it would appear that the initial sC­ eontinued intaet even while the internal -sC- turned into -tC- (and eventually the geminates -CC-) for we have no evidenee of a stage with initial *tC-. At some point, however, the s- dropped, and what remained of the initial was just the fortis artieulation. Direet orthographie evidenee beeomes available only when the geminate spellings ee-appear. In the early days of Hankul the geminate spellings were used for only two purposes: to preseribe literary readings of unassimilated Chinese words, and as one way to speIl the reinforeement of obstruents foIlowing the imperfeet adnominalizer -(u/o)lq. If we set aside these special situations, the first appearanee of geminate initials is rather late;l1 the earliest examples seem to be spellings with pp- in Kalyey enhay of 1632, whieh offers ppye 'bone' (10:11), ppul 'horn' (5:11b) ppu.li- 'sprinkle' (To:17); wos ppo[l]- 'wash clothes' appears in Yek.e iyuhay of 1690. Spellings with tt-, kk-, and cc- do not turn up before ? '1720- Waye iyuhay. That work has tta 'land; plaee' (1:7), ttwo 'also' (1:27); kka.pwul 'to toss, aet boisterous' (2:3); ceing.kuy- 'erumple' (1:19). Even in these and later works, the geminate spellings are hardly common. The normal way to speIl the tense initials was 11 SC_li , though ss- was usually speIled "pS_" regardless of origin. We feel, therefore, that the loss of the s- must have taken plaee wen before the orthographie evidenee provided by the geminates, perhaps by the latter 196 Samuel E. Martin half of the sixteenth century, and not long after the merger of syllable-final-s with -t.12 Indirect evidence may be provided by the merger of the "pC" clusters with the "psC" and "SC" clusters; we get a fair idea of when this was taking place from examining the rnisspellings in the texts. The earliest example of a "pt_" where list_li would be expected is ptol.Gwa 'with the daughter, in 1514 Sok Samkang hayngsil-to (Hyo 19), but that example is suspect, for there are no further examples till a century and a half later, when ptum appeared for stum 'moxicautery' in 1676. Chep.hay sin.e 2:18. The earliest example of "pS" for an expected "SS-" is pso- 'build up' (for sso-/so-) in 1632 Twusi enhay cwung-kan 4:5, followed by psu- 'write' (for ssu-/su-) in 1656 Nahywhun cwung-kan 3:32 and ·pso- 'be valuable' (for sso-/so-) in 1677 Pak thongsa enhay cwung-kan 2:57, the latter perhaps being influenced by the expression kap[s i) (s)so- 'be valuable in price'. An early case of "pS_li for "SS-" rnight be adduced: ·pswo- 'shoot' appears in ?1517- Pak thongsa enhay and 1527 Hwunmong Cahoy, whereas the earlier texts had ·sswo-/"swo-. But I suspect that ·pswo- was a variant form of the verb stem. Compare ·pswo- 'sting' which appears in 1481 Twusi enhay 18:8 (as well as the 1632 cwung-kan) in the form pswo.non but in the same text (10:28) and the cwung-kan) also in the form swo.non. The stems for 'shoot' and 'sting' are probably the same etymon, with semantic differentiation.

? Conversely, the earliest example of "SS-" for ps- is ·ssu- 'use' in ·1517- Pak thongsa enhay 1:55, but it is almost two centuries before another example turns up: we find ssul.key 'gall bladder' in 1703 Sam.yek chonghay 5:11. There was no original "SC_li but that spelling appears for pc- in 1703 Sam.yek chonghay (scwo.cha 'pursue' 1:10; scon 'wove' 8:9) and in ?1720- Waye lyuhay (scwo.chol ? 'pursue' 1:29) and ·1720- Tongmun lyuhay (scwoy-'expose to sun/fire' 1:60). At one time He Wung (1965:428-9) thought that in the first half of the 16th century there was a stage /pk- pt-/ between "psk- pst-" and "sk- st-", but lYi Kimun (1960:55) argues against that view, pointing out that "psk- pst-" were intact in 1569 Chiltay-manpep but are eroded by 1586, since Sohak enhay has skwu.i"mye (6:113) for pskwu.[G)i"mye elends and', which appeared in the corresponding passage (10:14) of the extant part of the earlier edition of 1517 known as Pen.yek Sohak; skwu.il 'to lend' is attested somewhat earlier, in 1576 Sincung lYuhap (2:45), and a variant of the stem appears in :skwuy·GLke·nol 'if ? one lends' in ·1517- Pak thongsa enhay 1:34, though the earlier version of the stem appears in :pskwuy·Gil in 1526 Hwunmong Cahoy (3:22). The word ·pstay 'time' keeps its initial cluster intact in 1586 (Sohak 6:124, 3:20), but that may be a Phonetic Rules of Korean 197 preservation of the spellings of the earlier text of 1517. The spelling "ptay" first appears in 1617 (Sin-Sok Hyo 1:34) and "st ay" does not appear until 1720- (Way 1:5); both spellings represent an initial /tt-f. A few words with psk- attested as dropping the p- rather early. There may have been dialect variants for the word for 'chisel', which is spelled ·pskul in 1466 Kwukup-pang enhay (2:32) and again in 1527 Hwunmong Cahoy (2:16v - 8v), but ·skul in 1459 Wel.in-sekpo (21:45) and again in 1482 Nammyeng-ehen Kyeysong enhay (1:78). The word for 'crack' is ·pskum in 1447 Sekpo sangcel (6:24), 1462 Nungem kyeng enhay 01:104) and 1463 Myopep lyenhwa-kyeng enhay (1:104), but it also occurs as ·skum in the latter text (P 2:15) and again in 1527 Hwunmong Cahoy (3:18r = 8v). The verb ·pske-ti­ 'collapse; drown' is attested with psk- in 1462 (N 2:95) and again in 1481 (T 20:7) and 1527 (C 3:17v = 8r); but there are four very early attestations of sk- (1447 L 37, 1447 S 2:71, 1463 P 6:13). The first syllable is probably the infinitive of the ? verb ·psku- 'extinguish, crush', which is attested only with psk- until ·1720 (Thayphyeng 1:37 "ske") and 1775 (Yek-po 14 "pke"). The word for 'honey' is ·pskwul in 15th-eentury texts (1459 W 1:42, 1462 B 7:16, 1481 T 21:6, 1489 Kup-kan 6:54) and again in 1576 (iYuhap 2:26), but meanwhile skwul is attested in 1514 (Sok-Sam Hyo 23) and 1527 (C 2:21v = Hr), while "pkwul" representing /kkwul/ turns up in 1632 (T-ewung 14:9). A word meaning 'perilla' is attested as twu·li-·skay in 1459 Wel.in-sekpo (10:120) but twu·li-·pskay in 1489 Kwukup kan.i-pang (6:54); this is the same etymon as tul-·pskay 1527 (C 1:14v = 8r), also spelled "tulp·skay" (C 1:13r = 7r), a noun compound from variants of tu.luh '(wild) field, moor' and ·pskay 'sesame'. (Modern forms for tuluh include the standard tül and dialect tulu, twulwu, and twulwui; cf. Choy 1978:78.) We conclude that there was occasional dropping of initial p- from clusters in a few words already in the middle of the 15th century; by a century later this apheresis had become more prevalent, and that was about the time when the merger of syllable-final -s with -t was taking hold, whereby internal strings of -sC­ became -tC-. By the first part of the 17th century the dental had assirnilated to the following obstruent, as shown by occasional spellings such as pak.ku.lwo (1632 Kalyey 6:14), though the assimilation was generally ignored by the orthography. The apheresis of initial s- in the sC- clusters was probably complete by 1632; it is unlikely that it started until the internal -sC- had become -tC- around the rniddle of the 16th century, and probably not until the p- apheresis was general, perhaps around 1575. But since the geminate spellings did not take hold until much later, we have little to go on in trying to pinpoint the date when the initial s- of the sC- 198 Samuel E. Martin clusters was suppressed and left the fortis consonants as newly emerged constrastive initials, which I would treat as obstruent clusters with the first obstruent neutralized - Le., they are treated as initial geminates. Unless new evidence can be brought to bear, the best I can guess is that in Seoul the first obstruent was still pronounced as a sibilant until around 1575. And there may weH have been versions of Korean in which the sibilant remained intact until much later. This would be one way to account far the hiragana transcription "sutagu" for 'earth' (stang) in Terajima Ryöan's 1712 encyclopedia Wa-Kan sansai zue (13:16v); in Korean the word first appears with the final velar nasal -ng in 1617 (Sin-Sok Hyo 1:1).14 Although the word appears only as "tagu" (tang) on p.208 of the 1751 Japanese work called CMsen-monogatari by Kimura Riuemon and [Höshö] Amenomori Tögörö (1668-1755),15 among the 294 Korean words given in -gana on pp.208-223 of a section (5: CMsen no kokugo) of that work we find (p.156) "sute" for 'belt' ('stuy) and p.217) "sufonnan" [= suponnan] translating sakura 'cherry' (spwong.na.mwo 'mulberry'). (Cf. He Wung 1965:325, Choy Hyenpay 1961:557-9.) I suspect that the sibilant may have lingered on in peripheral dialects for quite a while. A comparable situation exists in English, where long after London has lost its haitches most speakers still maintain the distinction of initial h- vs. vowel; some, like me, even maintain a distinction of hw­ from w- and hy- from y-, so that "Hugh saw the prints of whales" is different from "You saw the Prince of Wales". At least two wards with "st-" appear in modern dialects as / sit-/. In dialects of South Cenla the word sitong means 'human feces (as manure)'; the 15th-eentury word for 'feces' was stwong, corresponding to modern ttong. Modern ttek 'rice cake' is speHed 'stek as early as 1459 (W 1:42); in modern dialects (Choy 1978:483) the word is sitek (N. Hamkyeng), siteki (Kangwen), and sitekwu (N. Phyengan), and the Japanese word sitogi 'sacrificial rice cake' is thought to be related, probably by borrowing one way or the other. The noun kkol 'fodder' was spelled 'skwol as early as 1459 (W 8:98); a form sii-kkol is reported from the Kimchen dialect of North Kyengsang (Choy 1978:818), but that is probably from 's[yw]o [o]y ... 'of ox', as is indicated by other versions from the same province: so-kkol (Wulcin, Yengtek), say-kkol (Yengcwu, Ailtong), säy-kkol (Yengyang), söy-kkol (Wulcin). The earlier form 'skwol could be a syncope of a similar compound, derived from the phrase *'sywo 'oy :kwol 'sedge/rush for ox', or a truncation from one or more compounds ... s kwol 'sedge/rush of ... ', just as the noun kkol 'shape' results from truncating compounds with ... s kwol, such as 'mwom s kwol (1459 W 2:41) 'shape of the body' and perhaps "pwol skwol" = /pwolkkwol/ (1676 Sin.e 5:23) which is also Phonetic Rules of Korean 199 written as pwol kwol (Id. 5:25) 'shape of cheeks = facial expression' or 'shape to see = appearance'. Perhaps the (N. and S.) Kyengsang verb stem ssayli- = ttayli­ 'beat' reflects a variant reduction of the initial cluster in psto'li-, which is attested as early as 1449 (Kok 77).

***

In 1874 a Russian-Korean dictionary was published by Mikhail Putsillo, who had done fieldwork with Korean emigrants in the Siberian district of South Ussuri. The dictionary is printed in 731 paired pages: the odd-numbered pages carryeight to twelve Russian entries that are followed by Korean equivalents written phonetically in a modified Cyrillic alphabet j16 the even-numbered pages give Hankul spellings, hand-written for the lithographer by Putsillo himself, but probably provided by his principal informant, Nikolai Mikhailovich Lyan (?= lYang). The Hankul orthography follws the usual conventions of the day, but there are variations in syllable division and in the spelling of interludes that give a good indication of some of the features of pronunciation. Moreover, there is evidence that Putsillo's phonetic versions are independent of the Hankul spellings and not merely transliterations. For 'beans' (477) the Hankul has khwong.pas.chi without aspiration on the second syllable, but the phonetic version (476) has the aspiration: [khongphatchi]. (The Hankul may have been an inadvertence of the hand; a number of entries contain obvious misprints and mistakes for one or the other version, or for both versions.) Putsillo makes a few overt observations on the pronunciation. For example, he says that Ip t kl are often voiced. In Putsillo's phonetic transcriptions this phenomenon is sometimes indicated by voiced symbols [b d g], sometimes by putting a smaller voiced symbol just above the voiceless symbol. Contrary to the modern allophonics, Putsillo (p. xiii) says Isl is sometimes pronounced [z], and there are examples of "~-" in his transcriptions: (598) 'soidier' [kunsre, kun~a] kwun.soy, kwun.soj (372) 'luncheon' [cJO.m~imi] cy.:m.si.mi; (544) 'rhinoceros horn' [mu~yoispuri] mwu.sywoy.spwu.li. But there are also cases where the z is put over the affricate Icl [ts] , probably indicating the allophone [z], sometimes heard also in the modern language: (604) 'soy sauce' [kam~ang-i, tho~ang-i, kang~ang-i] kam.cang.i, thwo.cang.i, kang.cang.i; (160) 'uncle' [a~abi] a.ca.pij (8, 554) 'market' [dai] co.caij (648) 'three days ago' [ki&ke] ku.cyek.key. In only one example, (102) 'nest' [twungta] twung.ci, "dz" (perforce two letters) is put over c. There are at least two cases of a voiced sound written over a voiceless: (6) 'pharmacy' [yakßang-i] yak.pang.i; (232) 'alum' 200 Samuel E. Martin

[prekftn, prekp:ni] poyk.pen, poyk.pen-i. Putsillo may have been trying to capture the tense allophone of an obstruent after an obstruent, since non-Koreans often perceive these sounds to be like the voiced obstruents of their own languages. On the other hand, it may be nothing more than areminder that morphophonemically this is the simple lax Ipl which has the voiced and voiceless allophones. That explanation may also account for three unexpected cases of voiceless stop written over the voiced version: (520) 'lid' [t::plor~re] tep.phel.koy, te.phel.koyj (628) 'fortunate' [yuBokhao, yupokhata] ywu.pwyok.ho.wo, ywu.pwok.ho.taj (566) 'bend' [kußuo, kuBuda, kuphio] kwu.pwu.wo, kwu.pwu.ta, kwu.phi.wo (the last form is from a synonymous but different stem). And there are similar examples of "s" placed over z: (558) 'seH' [cyeson~o, son~o] cyey.swon.swo, swon.swoj (582) 'livestock'[kim~ui, cim~reng-i] kimsywuy, cum.soyng.i. With respect to the vowels, it is clear that the lost vowel now called alay a (= aloy 0) was not distinguished from lai, for both are rendered phonetically as [a] and there are confusions in the Hankul spellings, as was characteristic of the period. The orthographie diphthongs woy and ay have clearly been mono­ phthongized (p.xiv) and they are spelled with underlined digraphs: "oe" [ö] and "ae" [re]. But there appear to have developed secondary diphthongs as a result of the accretion (and desyllabification) of lil as the nominative particle or as a noun suffix: (360) 'nose' "khoi" = [khoi] khwo.i. (The peculiar Cyrillic "eo" on p.272 corresponds to Hankul ye, usually transcribed by Cyrillic "e" = [p].) The high-vowel diphthongs may have been still intact: "uy is pronounced like long [i] or almost like [i!], ywuy like [yui]" (pp.xii-xiv)j kwuy 'ear' (674) or 'corner' (662) is transcribed as "kui" = [kui]. In any event, the Hankul spelling con­ sistently differentiates Cuy and Ci, as in puy 'broom' (298) +pi 'rain' (143). Other examples of uy that are diphthongal according to the phonetic versions: mwo.kuy 'mosquito' (247), ya.kuy 'getting angry' (531, 571), e.kuyn.ta 'opposes' (512), cywong.uy 'pater' (35) [cyongii] j phuyn.ta 'blooms' (691)j pwu.puyn.ta 'rubs' (639); ma.tuy 'joint' (569, 627); suy.kwo.u.li, suy.kwol (569) 'country(side)' (569)j tul.muy cash tree' (729), ke.muy (525) 'facial blemish', hwom.muy (659) 'hoe' ­ the extra Iml is elsewhere unattestedj tal.puy, tal.[G]wuy (67) 'hairpiece'; .... At least one word is given with variants Cuy/Ci: 'drill' (564) pi.puy, pi.pi. Putsillo also recognized that [1] and [r] are variants; sometimes he writes one above the other in his phonetic transcriptions. Although the Hankul spelling -l.n­ is usually transcribed as if [-ln-] or (96, 638, ... ) [-rn-] , sometimes Putsillo puts a small "1" above the "n", as in (194) 'sounds' [ulfunda] wul.nin.ta; or the Phonetic Rules of Korean 201 opposite, as in (608) 'swiftly' [nal.fre] for (609) nal.noy, a misspelling of nal.loy ­ cf. (664) [mul~ mwul.ne for mwul.le 'retreat'. An -n.n- was sometimes written "-l.n-" and surely pronounced -ll-, as in (526) the ward 'slave' kwal.nwoy, kwan.nwo [kwalnö, kwanno] (the latter misprinted as "kuanno" without the appropriate underline) from the Chinese binom kwan-nwo. Only one word appears with an initial liquid: (676) 'phoenix' lan.tywoy is given a phonetic spelling (677) h with [r-]. The heavily aspirated stops are regularly transcribed C -, with the Russian letter "x" for [h], and Ch is used only for Hankul spellings with -k.h-; (360) 'nose' "khoi" is probably amisprint for khoi. Medial interludes are often treated, phonetically and/or orthographically, as conflated: (582) 'weak' [yakhao, yakkhao, yakhata] yak.ho.wo, yak.kha.wo, yak.ha.taj(282) 'leaf' [nipphi] nip.phi; (454) 'field' [patthi] pas.thi - notice the lack of assibilation or palatalization; (282) 'face' [natchi] nas.chi. The affricate is consistently noted as non-palatal [c], and orthographic ti and thi do not affricate except for a few doublets: (584) 'large village' [tini, cini] tin.i, cin.i; (402) 'guards' [cikhio, tikhio, tikhanta] cik.hi [] 17, tik.hanta, tik.hLwo; (330) 'pricks' [tirio, cirio] ti.lu.wo, ci.lu.wo. And there is one example of the affricate as a doublet variant of a velar: (508) 'swallows' [samkhinda, samkhio, samchio] sam.khin.ta, sam.khLwo. An elision of -h- shows up in (664) 'bridle bit' [mahami, maarni] ma.ho.mi, ma.a.mi (from Chinese :ma-:ham). The word for 'two' is spelled (129) twu.wul and pronounced (128) [tu-ur, tu-uri]. There is attestation of the nasal assimilation of a final stop to a following nasal. 18 Examples of this phenomenon are grouped below.

-pn- --+ -mn- (652) 'feels fear, fears' [komnrenda, k::mnreo] kep.noyn.ta, kep.noy.wo (284) 'catches' [capninda, camninda] cap.nun.ta; (328, 376) 'wears' [nimninda, ni1Pra, nipso] nim.nun.ta, ni.pe.la, nip.so +-- nip-. (279) 'lies down' [nipso, nimninda, nuw::sso] nup.swo, num.nun.ta, nwu.wes.swo - notice the vowel rounding in the last form only; (461) 'helps' [toara, tomninda, topso] twoa.la, twom.nun.ta, twop.swo; (164) 'roasts' [kuba, kupso, kumninda] kwupela, kwupso, kwup.nun.ta (we wou1d expect [kuw:::ra] kwuwela +-- kuwW- for the first form). (554) 'front teeth' [amni] ap.ni, am.nij (189) 'repays' [kamnmda] kap.nun.ta = (63, 311,399) kam.nun.ta +-- kaph-.

(564) 'drills (a hole)' [timninda] tup.nun.ta, tum.nun.ta +-- tu1p- = ttwulh-j 202 Samuel E. Martin

(193, 645) 'treads' [pamnffida] pap.nunta = pam.nun.ta f- palp-. -kn- ---. -ngn- (216) cis ample' [nongnokhao] nwong.nwok.ho.woj (664) 'thunderbolt' [py::nny::gi] (probably amisprint for -ng.n- with the subscript inverted apostrophe omitted) pyeng.nye.ki (with "ng" overwriting "k" as if a correction) < pyek-lyek i; (522) 'dry (= overland) route' [nyuknö, nyul]no] nywuk.nwoy, nywung.nwo < lywuk-lwo. Usually both the Hankul and the phonetic transcription has "kn": (270, 722) 'eats' [IIJdrnffida] mek.nun.taj (534) 'thaws' [mokninda] mwok.nun.taj (622) 'gets cool' [sikllinda] sik.nun.taj (636) 'hauls' [Jkn4-nda] ek.nun.ta; (602) 'weaves' [y:knffida] yek.nun.ta; .... But there are attempts to write the nasal: (252) 'dead (die)' [cu'llinda] cwuk.nuyn.ta has an apostrophe preceding the dental nasal, a device that elsewhere represents Innl <- -t.n-; (39) 'cools' [sinn4-nda] sik.nun.ta may be similar example (see below) or it may represent a typographicalloss of the inverted apostrophe under the first "n", Putsillo's usual way to write the velar

nasal. The verb kakk- f- kosk- appears without the assimilation in (638) 'cut' [kakninda] kak.nun.ta, but in (34) 'shaves the head' [kann4-nda] kan.nun.ta it shows an unusual morphophonemic development, which must be explained either as a double assimilation (place of articulation as well as manner) or as the expected

assimilation froma reduction of the old final ···tk f- ···sk- to its first consonant. Of course, there may have been a typographical loss of a subscript inverted apostrophe or the "n" might simply attest to the difficulty Russian speakers face in recognizing and writing a velar nasal. Since there are at least four examples that

indicate Innl f- -t.n <- -k.n-, perhaps that assimilation was a variant rule used by Putsillo's informants. -tn- ---. -nn-

(498) 'receive' [panninda] pan.nun.ta <- pat-; (458) 'gets' [Jninda] (typo for ann+nda?) en.nun.ta f- et- (the past form "[Jrotta] e.nes.ta" probably resulted from miswriting Hankul "nil for "t"); (442) 'buries' [munllinda] mwun.nun.ta <­ mwut-.

(64) 'loads [sin4-nda] = (325) [sinni-nda] sin.nun.ta <- sit-/sil-. (276) '(dog) barks' [cffin4-nda] cun.nun.ta, CUS.nun.ta <- cus- (but no

imperative given) f- cUC-. Four other devices are used to show this phenomenon. One is the simple [-n-]

and/or .n-, as in (192) 'closes' [tantnda] ta.nun.ta f- tat- (the imperative is cited

as ta.ta.la); (178) 'ties' [mren4-nda] moys.nun.ta f- moyc- (imperative moy.ca.la)j Phonetic Rules of Korean 203

(404) 'finds' [chaninda] chas.nunta f- chas- (imperative cho.so.la) f- choc-. Com­ pare (458) 'gets' [oninda] en.nun.ta f- et- (see above). Another device puts an apostrophe before the letter n: (581) 'listens' [ti-'ninda] tus.nun.ta f- tut-/tul-; (32) 'combs' [pi'ninda] pis.nun.ta f- pis-; (364, 368)

'smells it' [ma'ninda] math.nun.ta f- math-; 'seizes' [a'ninda] as.nun.ta f- a(s)-;

(522) 'swells' [pu'ninda] pus.nun.ta f- pwu(s)-; (490) 'follows' [co'ninda] cwos.nun.ta f- cwoch- (the infinitive is cited cwo.cha); (274) 'lacquer plant'

[o'namu, o'nangki] wo.na.mwu, wos.nang.ki f- woch, which appears in conflated form as (274) 'lacquer' [otchi] (the apostrophe over the t is a mystery) wos.chi. A third device puts an apostrophe before a double n: (388) 'smiles'

[piu'nninda] pi.wus.nun.ta f- pi-wus-. The fourth device puts an apostrophe over an n: (38) 'runs' [tafünda] tas.nun.ta f- tat-/tal-; (236) 'slanders' [sco;u.nda] scwos.nun.ta <- scwos- < pcwoch-. The final stops themselves were obviously unreleased and sometimes difficult for Putsillo to hear. In addition to the usual -p -t -k, he uses other devices in some of the entries, such as superscript kor t: (614) 'hundred' [prek, pregi] poyk, poyk.i; (384) 'pinenut (tree), [prekca] poykca; (152) 'olden (time)' [nyetcyok] nyeys.cyek; (526) 'five' [tasat] ta.sas. In addition an apostrophe was sometimes put over the preceding vowel: (162) 'more' [tau]'k te.wuk; (166) 'yellow-green' [samnoksre]' k sam.nwok.soyk; 'two hundred' [ib~, ibrei] i.poyk, i.poy.ki; (130) 'nine hundred' [kubregi, kubregi, kub~] kwu.poy.ki, kwu.poyk (in this example the apostrophe is positioned farther right, but it is obviously intended to be over the vowel). One entry has superscript k followed by an apostrophe: (214) 'or' [hok" ho'] hwok. And the opposite order is to be found in (272) 'blue (glaze), [höhöcho!)gsre,k] hoy.hoy.chyeng.soyk. The only unusual notation for -p is a superscript string of apostrophe + p over the vowel: (132) [a~P, aubi] a.hwup, a.hwu.pi. In at least one case a final apostrophe writes -k: (214) 'or' [hok" ho'] hwok. More often the inline apostrophe represents -t: (118) 'inn' [su'maki] swus.ma.ki; (274) [o'namu, o'nanggi] 'lacquer tree' wos.na.mwu, wos.nang.ki; (364) ma'ninda, ma'sso] mas.nun.ta, mas.swo (f- math-). In some cases the inline apostrophe seems superfluous: (552) 'brush handle' [put'tre, pu'tre] pwus.stoy, pwus.toy; (564) 'swine' [to'tthi] twos. thi. The most startling surprise is Putsillo's phonetic transcription of initial consonant clusters. There is ample evidence in the dictionary that he heard a 204 Samuel E. Martin sibilant in sp- and sk-, and perhaps even in sc- [sts]. On the other hand, he explicitly notes (p.196) that the initial s- in the word for 'earth', given as [stai] sta.i "is barely pronounced as if instead of 's' there were 't' [ttai]. The same applies to all words where es' stands before 't' ('siot' before 'tikit')." Though Putsillo usually writes [st-], there are places where he uses [tt-] or [St-]: (162) 'moreover' [tto] (the apostrophe is unexplained and may be amisprint) stwo < ptwOj (682) 'baked bread' [tt::gi] ste.ki < stek 'rice cake'j (478) 'belt' [atui] < stuYj (410) 'steams' [ttinda, sho] (the little "t" is misplaced and should have been written over the "s") stin.ta sti.wo < pti-; (436) 'raft' [ste (tte)] stey < ptey. Although (124) 'dirt' is written [stre] stoy < stoy, it appears with tt- in the compound (48) [stamttai] stam.stoy '(sweat dirt ~) heat rash' = ttam-tti, for which the earliest attestations are stom.two.ya.ki (1517 Sa 1: 17) and ·stom.twoy.ya·ki (1527 C 2:33v = 16v - accent misplaced in LCT), and Putsillo gives (73) 'time' [Stre] < pstoy and (75) 'at this time' [it(s)tre, ittrey] is.stoy, is.stoy.ye < i.pstoy. In one entry Iscl is indicated by putting the s over the c: (418) 'salted' [c~apta, ~apso] scapta, scapso. Is it possible that the sibilant in these clusters survived intact in a northeastern dialect spoken shortly before 1874? Or were these artificial reading pronunciations offered by Russian-speaking Koreans farniliar with the Slavic initial clusters sp-, sk-, st-, and even sc- [sts]? Notice that the sc- clusters go back to earlier pc- in all cases; the sibilant could not be a retention from the earlier cluster, nor could it be that in those cases of st- that come from pt- rather than pst- or st-, but Putsillo remarked on the difficulty in maintaining the sibilant in the st- cluster. It seems strange that he mentioned nothing to indicate that the other clusters caused difficulties of a similar sort, and there is no internal evidence in either the phonetic transcriptions or the Hankul spellings to cast doubt on the sibilant nature of the initial s- of sp-, sk-, and sc-. 1 am persuaded that Putsillo's principal informant, and perhaps other speakers referred to in his introduction, articulated the sibilant in these clusters, at least when words and phrases were being elicited.19 Except in compounds, such as (254) 'root of tree' [namuspuri] na.mwu.spwu.li, internal occurences of the sC- clusters are not given the sibilant pronunciation by Putsillo. Words written with a syllable--split geminate are treated as geminates in the phonetic transcription: (362, 528) 'rejoices' [kippuda] kip.pwu.taj (282) 'fox' [y::kki] yek.kij (194) 'rabbit' [thokki] thwok.kij (518) 'fledging' [srekki] soyk.ki. Syllable-final Hankul -s is treated as [t]: (176) 'outside' [patki] pas.ki; (162) 'is' [itta, isso] is.sta, is.swo; (542) cis emotionally moved' [ni:-tkinda] nus.kin.ta (but Phonetic Rulesof Korean 205

mistakenly written as "nus.kik.ta")j (36) 'bud' [kotpuburi, kotpudui] kos.pwu.pwu.li, kwos.pwu.twuYj .... But there are examples of the adnominal ("genitive") partiele where the pronunciation is given as a sibilant: (88, 624) 'branch of tree' [namuskaci] na.mwu.ska.cij (254) bark of tree' [bpci, namusbpci] kep.ci na.mwu.skep.cij (96) 'elove, carnation' [chamdreskoci] cham.toy.skwo.cij (226) 'drops of water' [mulspanguri] mwul.spang.wu.li. Additional complications are found in (424) 'official seal' [inskini] in.skLni (second syllable assirnilated i to the vowel of the flanking syllables)j and (592) 'string' [kukurskini] = (717) 'string for beads' [kukurskini] kU.sul.skun.i - the rounded vowels in the phonetic versions are incongruent with the unrounded vowels in the Hankul, and rounded vowels are also used both for the phonetics and the Hankul of (20) 'beads' [kusuri] kwu.swu.li. But (99) 'weights' [chyuttori] chywus.two.li assimilates the sibilant. Befare nasals there are several treatments: (60) 'rain water' [pinmuri, pitmuri] pin.mwu.li, pis.mwu.lij (188) 'inn' [su'magi] swus.ma.ki « swu[l] s mak)j (304) 'marrow' [spyetkori] spyey~.skwol.L The apostrophes here, as elsewhere, are something of a mystery, left unexplained by Putsillo. Finally, it is of interest that Putsillo (72) treats our word meaning 'a little while' as [camsi, camskuan] and in the facing Hankul speIls ca.skwan, cam.si (reversing the words). There is some confusion on both pages: -kuan is probably -kwan with the diphthong-indicating underline inadvertently omitted, and -m is left unwritten on the end of the first syllable. But the -sk~ comes through strident and elear.

Notes

1 Modern Korean farms are cited in the Yale romanization and older forms are cited in a modification of that romanization. The back rounded vowel is always written "wu" (the modern romanization omits the "w" after labials or y-, where there is no contrast)j the lost vowel thought to have been a rather unrounded [::J] is transcribed "0" and the rounded back vowel [0] is always written "wo" (the "w" is omitted in the modern romanization, since the earlier "0" is not preserved). The romanized farms are here mostly used to transcribe Hankul spellings. The Middle Korean intervocalic voiced fricatives are written -W- (bilabial), -z- (sibilant), and -G- (velar or laryngeal). The fifteenth- 206 Samuel E. Martin

century -G- is inferred from orthographic syllable divisions, here indicated by an online dot when critical in modern forms and regularly in older forms, unless obvious from other punctuation. In Middle Korean words cited from texts with "tone marks" the raised dot . is put before a syllable with high pitch, the double dot or colon : represents a rising pitch that can be regarded as a tautosyllabic low-high, and the low dot is the default syllable-division marker before low-toned syllabies, which were left unmarked in the Hankul texts. Morphemes are specifically noted as Chinese loanwords by underlining them. Abbreviations for the titles of the Korean texts cited will be found in the list at the end.

2 The earliest phonetic observations of the voicing, so far as I can find, are kana notations with -b- for /p/ among the 112 Korean words listed (both in hiragana and in phonograms) in Terajima Ryöan's 1712 encyclopedia Wa-Kan sansai zue (13:16-18): "pabi" = pap(i) 'cooked rice', "oboi" = epei 'parent'; "tanbako" = tampakwo 'tobacco', "abami" = apami 'father' (these two forms are also attested in the 1751 CMsen-monogatari but I have not seen them anywhere else); "tiyugubari" = cwyungpal(i) 'rice bowl' and "tibu" = cip 'house', which interestingly shows the final stop as (or as if) released, assuming the allophonics of today. An added final -i characterizes quite a few nouns in the modern dialects, not necessarily the same nouns where it was attested earlier. Whether this represents a derivative suffix or preserves a stem-final vowel that has dropped in the standard language must be decided for each case individually. In some of the kana versions the final -i may simply be the usual Japanese epenthesis of -i/-u after a consonant following an originally front/back vowel. In Russian transcriptions of Korean, such as those of Putsillo (below), some of the forms with a final-i after a consonant might be the result of eliciting nouns by using the Russian nominative. For /t/ and /k/ Wa-Kan uses only the voiceless-initial kana: "atoru" = atol 'son', "toruki" = tolk 'chicken', "sokumu" = swokum 'salt'. The failure to write voiced allophones of /k/ reflects the poverty of the kana system available, for the -g- syllables were used to write the Korean nasal velar: "kagu" = kang 'river', "kogu" = khwong 'soy bean', "tyagi" = cang(i) 'bean paste', "megudiyu" = myengcwu 'silk', "togu" = tung 'lamp'; "pakusegi" = poyksyng(i) 'farmer', "hegi" = hyeng(i) 'older brother'; "rigai" = linge(i) 'carp', "pugai" = punge(i) 'crucian carp', "osogai" = woce[k] nge(i) 'squid'. The kana symbols for "z-" are used to write most cases of (-)c- or (-)ch-: "zan" = can 'wine cup', "nanzau" = nam.co Phonetie Rules of Korean 207

'man', "butuzoi" = pwuehoy/pwuehey 'fan'. The dakuon syllables ofthe dialeet of the Japanese observer must have been mueh like those of modern Tökyö and Kyöto, with the nasality present only for the velar-initial syllabIes. Most of the Wa-kan examples are similarly attested in 1751 ChOsen-monogatari (see below), with only a few differenees of pronuneiation, e.g. "obai" parent, "segi" older brother.

3 The only possible example I have found is "stwul.k.kwo" (1876 Kakok 138) = /ttwulkkwo( 'boring', modern ttwulh.ko /ttwulkho/, but earlier "(t)twulp-kwo, (t)twul-kwo"; the "p" is not attested exeept before -e..., where it would probably have dropped, so it may not be authentie. There are a few examples that overtly spell the automatie fortition: pat.skul (?1586 Cwungyong 13) +- patk < pak 'outside'; sap.stywu (1660 Kwuhwang-po 9) 'Atraetylodes japoniea (modern sapewu)'j kwoy.lwop.s.key hO.ta (1768 Monge 2:47v) - eompare say.lwop.key ho.ta (1790 Monge-po 29r); eom.keyp.s.ta (1790 Monge-po 11r) cis sleepy'. But examples of "k.sk" and the like - such as mek.ske.na (1660 Kwuhwang-po 11r) = mek.ke.na (Id. 11v) 'eats or', ewuk.skey (Id. 9) 'so as to die', and nik.skey (1660 Sin-Kwuhwang 11) 'so as to ripen' - probably represent CONFLATED interludes, due to very slow pronunciation, whieh are "overspelling" a eonsonant string between vowels. That is surely the explanation for yak.s.kan (+- zyak-kan) 'a little bit' in 1790 Monge-po 384, where the Chinese eharaeters suggest etymologieal confusion with lyak. Writing a eonflation with the free-standing /s/ like this is rare, and it was overlooked in Martin 1982b. (Most eases of the free-standing /s/ represent the adnominal "genitive" particle.)

4 And halh- is still the basic form in North Phyengan, where the infinitive is /halha/ aeeording to LCT 1963:35.

5 From the data in Ramsey it is unclear what happens to 'liek' and other stems with similar shapes. The Ceyewu verb is halthuta ~ haluta, aeeording to Hyen, who also lists h(w)ulthuta 'threshes'.

6 Cf. He Wung 1965:325, Choy Hyenpay 1961:556-7, Kim Tongso 1981:68n. There are two pertinent passages in Samkwuk saki, and they ean be translated as follows: (1) "[the rank of] WINE MUCH (swu[pw]ul han) later ealled HORN DRY ('spul kan)"; (38) "In the 9th year of [Sin.la] King Zywu-:li [A.D. 33] there were established 17 ranks [of officials]. The first was ealled i-ppel-swon, or HORN DRY ('spul kan), or HORN POLISHED-RICE ('spul 208 Samuel E. Martin

chan), or sye-pel-han, or sye-pwul-han." LKM 1955:227-9 suggests that two etyma may have been involved, one being the' Mongolian word for 'horn': ebere in written Mongolian (in Monge lyuhay 2:32 cited as epel) and in Buryat, ewer in Kalkha and Ordos, and uyet in Monguor; but the Dagur form heure implies proto-Mongolian *Cebere (probably = *pebere), perhaps to be compared with the Middle Korean pwu.u:li or :pwu'1i 'beak, billj tip' < *pwupuli as shown by modern dialect forms pupuli and pupeli. LSN 1964 (/1972) suggests an apheretic doublet something like *[s]yepal or *[s]yepul; he oifers a number of similar pairs, such as formations with elk- and selk- < *[s] elk- 'weave': elki-selki 'entangled', selki < selk 'wicker trunk'. The final syllable of the title seems to be a category designator, -swon/-{;han/-han/-kan. Do the forms with sibilance show traces of the "genitive" marker, perhaps in an expression *[s] yepul s han 'the khan of the capital (*syepul > :sye. Wul, :sye.wul, :sye.wulh)'? We could further speculate that theinitial sibilant of 'spul 'horn' is a reduetion of 'sywo 'ox', or even of Chinese syey 'rhinoeeros', attached to an etymon *p(w)ul 'swellj protrude' (with numerous reflexes), but there is little evidence to support the notion. (The Tungusie word for 'horn' is the same as that for 'fang, tooth'j the Manehu version is weyhe or uyhe.)

7 The unusual spellings "CoC." were used for initial clusters of whieh the second member is a fricative or a voiced sonorant (in the Korean); notiee that /svä/ is written "soWa." (5) or "sowa." (32), but /sva/ with short vowel is "spa" (43, 52, 56). The only example of a voiceless initial cluster with the unusual spelling is skäntha, transeribed so:kan-tha (28). There are no examples of initial /sn/ but internally the transeription is ".sn" as in 'wo-'sni-sa (70) for usnIsa 'Buddha's bump (on the forehead)', or "-s.n-" as in ko:-lis-'na (28) for ~~~na 'Krishna'. Initial /sma/ is written "soma.-" as in 'soma-'la-'so'ma-'la (95) = 'so:ma-'la 'so:ma-'la (26) for smara smara 'reeall reeall!', and internal /sma/ is written "-.sma-" as in :a-pa-'sma-'la (87) for apäsmara '0 Epileptic Demon!', or "-s.-ma-" as in :a-pas-:ma :lye-'pak (+- *:a.pas:ma:lye·pak) for apasmärebyah 'at the Epileptie Demon'. Kang 1957:30, who relied on a later edition of the text, was mistaken in identifying sa.ma.spa.sa (96) with a three--syllable Indie wordj the devanägari of the earlier text (reproduced by Kwangmun-kak 1979) clearly has four syllables for the word. The text of these five sets of ineantations, fuH of abraeadabra and murnbo-jumbo that defy translation, was transcribed into Hankul by Queen Inswu from the Chinese phonetic version of the Tang dynasty monk Buköng (Pulkong), but the Hankul Phonetic Rules of Korean 209

represents something more than a purely formal transliteration; see Kang Kil.wun 1955 - who, however, draws quite different conclusions about the pronunciation of initial clusters.

8 The spelling ":wolp·no.ni"la" (Sohak 3:3) +- :wolm- 'move', if not amisprint, must be a scribal hypercorrection that has misinterpreted the source of /-mn-J.

9 A later edition of Uncwung kyeng enhay ("published between 1778 and 1800") spells the word mek.no.ni (10a).

10 But in some words the modern version may preserve the "highbrow" Chinese readings of the 15th century. The noun säqken 'incident' is spelled sso-kken in 1468- Mongsan pep.e (10) and the second character of sänqpo 'walking' is read ppwo in the same work (21), as in the binom 'cin-'ppwo (37,38,40) 'progress', though this is modern cInpo.

11 The geminate cc appears in il'ccuk 'early' in 1588 lNon.e 2:7, 1588 Mayngca 5:6, and (il·ccu.ki) in 1588 Cwungyong 47; and a century earlier in 1464 Kumkang 19v. LCT cites a different example from Kumkang "hwuse" [postface] 11, and Choy Hyenpay 1961:573 cites the same phrase from "Kumkang 1", but I have been unable to confirm the example; the 1977 Taycey-kak reproduction has no postface.

12 But in basic forms of certain morphemes ps- has remained to the present day, despite the modern spellings which reinterpret words like mey-psal as meyp-ssal. The word in isolation was probably pronounced ps- later than is often thought, at least in peripheral dialects. While the lateness of the appearance of the spelling ssol (1768 Mong 2:2 - also cwop.ssol 'millet' and chop-psol 'sticky rice') could be attributed to the tendency to use the spelling "ps-" for all cases of ss-, there is independent witness of the cluster from Japanese sources, for the 1712 encyclopedia Wa-Kan sansai zue (13:17) gives the pronunciation "pisaru" for 'rice', and the 1751 work Chösen-monogatari has kana "fisaru", probably to be taken as "pisaru". The related word psi 'seed' is spelled ssi in 1768 Monge lyuhay (2:1) and 1720- Waye lyuhay (2:3), but the latter (2:4) has psol for 'rice'.

13 In transcribing foreign languages, the syllable-final "-,s" was treated as a sibilant aslate as 1748, when Tongmun lyuhay drew a clear distinction between Manchu "-t.h-" and "-s.h-" as in "pet.he" = bethe 'leg' and "thas.ha" = tasha 210 Samuel E. Martin

'tiger'i and in 1789 Samhak ye.ke (1:6) writes "pals" for Mongolian bals 'tiger', treated as "pal.su" by 1790 Monge lyuhay (1:5).

14 It is clear that the transcriptions in Terajima's encyclopedia are from speech and not transcriptions of Hankul spelling, though we cannot be sure just which Korean dialect or what period is represented. Notice that initial m- and n- are sometimes transcribed by b- and d-: buru 'water' (= mull, toonburu 'hot water' (= tewun mull, boku 'ink' (= mwok; the odd butu 'brush' = pwut is anomalous); toi (?= doi) 'four' (= nei), zirukofu (= dirukopu) 'seven' (= nilkwop). In the 1713 work Intoku Taiheiki (compiled by Matsuoka Osamu and Sasakawa ?Yoshinari) there is apart of Kagawa ?Masanori's Intoku-ki (76) called Korai-kotoba no koto, which includes similar examples: boku 'ink' (= mwok) , dokutarai 'April' (= nek-tol ay 'in the fourth moon'), dirukobutarai 'July' (= nilkwop-tol ay), di 'tooth' (= ni), dirura 'tell it!' (= nilula). (Cf. Yasuda 1980: 317, n.45.) The 1729 textbook of Korean for Japanese called Zen'ichi-döjin has (34) doi 'four' (=nei), (54) dowa 'lying down' (= nurw] e), (78) biri 'already' (= rnili)i d. Yasuda 302. All of these spellings probably reflect the premature release of nasality [ffib_] and [Dd_] , a feature little mentioned until independently noticed by Martin 1951: 523, though Ogura 1923 had observed [b] for "m" (118-9) and [d] for "n" (96-7) in several dialects, and Putsillo 1874 has four relevant entries: (704) 'four' [R i, ne] ne.i, neYi (570) 'seven' [furgobi, furgop] nil.kwo.pi, nil.kwoPi (336) 'rernind' (probably a rnistake for 'I forgot') [futsppurp;so] ni.ces.pwu.lyes.swoi and (580) 'how much' [lfietchio] myeys.chi.wo. Putsillo also has (698) 'fishing boat' [kogicamninpre] kwo.ki.cap.nun.poy. Earlier, in 1818 Basil Hall (Account of a voyage of discovery to the west coast of Corea, and the great Loo-Choo island) cited three Korean words as bool 'water' (= mull, bodee 'hair' (= meli), and doon 'eye'(= nwun). There are a couple of words in Terajima with an inappropriate initial "b-": "butu" = pwut 'brush' and "butuzoi" = pwuchoy/pwuchey 'fan'. The dakuon is clearly intended, but the reason for it is a mystery.

15 There is more than one work bearing this title. Yale's Sterling Memorial Library has a book with the same title by Ököchi Hidemoto, published in Edo in 1849. The Kimura-Amenomori book has a few examples of voiced stops for nasals: (p.222) dowoi 'four' (nei) and dirikobu 'seven' (nilkwop)i (p.218) sodo 'hand' (swon)i (p.209) furi (?= buri) 'water' (mul). Both the 1712 list and the 1751 vocabulary write the diphthongs as two kana syllabies: koi 'cat', kai 'dog', Phonetic Rules of Korean 211

mai 'hawk', pai 'boat', tai 'bamboo', kokai 'slope'j (1712) mowe, (1751) moi 'mountain'j (1751) moroi 'day after tomorrow', fuita 'white', kuisin 'god'.

16 Our romanized transcription of the Cyrillic, eited in brackets as Putsillo's phonetic version, uses e for the palatal(ized) affricate [ts] and c for the non-palatal affricate [ts]. The palatalized 1 (Cyrillic 1 followed by "soft sign") is transcribed ly. Other letters are to be taken in more or less the usual phonetic values, but the velar nasal IJ, represented by the Cyrillic "n" with subscript inverted apostrophe, is transcribed as the digraph ng, following the usual practice of the Yale romanization. Notice that the Yale romanization "c" is non-eommittal with respect to the palatality of the affricate. In the modern dialects both versions are found; the palatal allophone predominates, espeeiaily in the south, but even there the non-palatal version is sometimes heard before the high unrounded non-front vowel "u". Though Putsillo usually writes the affricate with the non-palatal "c" [ts] , there are a number of examples of "e" written above the c, usually before i or y: (126) 'dregs' [kanggi] kang.ei; (186) 'farm' [Saa, funninda] ci.e.la, ein.nun.taj (682) 'master' [gyuini] cywu.i.ni; (664) 'supper'[cy::nagi, cy::nakpabi] cye.na.ki, cye.nak.pa.pi; (566) 'candle' I'h Vh iSI [c-yoi, ~ yo, yukc yo] chywoy, chywo, yuk.chywoj (620) 'fire a gun' &byongnoninda, ~yongnosso] chywong.nwo.nun.ta, chywong.nwos.swOj (450) 'candlestick' [Shottre] chwos.toy; 'cold' [Ehao, ghata, ghipso] cha.wo, cha.ta, chip.so (the third a different stem). There is even an example before [i-]: (58) 'how many days' [myJHmari] myes.chus.na.li. The Russian dental "s" is palatalized before i, so we do not find "s" for si, but in a few entries the palatal sibilant is placed above s before y: (650) 'thirty' [~y:Jrin, ~y:Jrini] syel.un, sye.lu.nij (714) 'sixty' [ye~yun, ye~yuni] yey.sywun, yey.sywu.ni.

17 The syilable ta was inadvertently omitted.

18 Attestations from as early as 1466 show that the nasal assimilation is quite old (Martin 1983, n.14b). Most spellings even today faithfully foilow the morphophonemics or (when known) the etymology, but various misperceptions of the basic form or the etymological source sometimes lead to reading pronuneiations that do not reflect the true history of a word. And there are occasional slips of the opposite sort, spelling out the pronuneiation, such as those that indicate that the assimilation was probably usual in the fifteenth century as weil as later. 212 Samuel E. Martin

19 Putsillo mentions the lack of written sources, saying he had access only to Medhurst's 1835 edition of the Waye lyuhay (in which Medhurst added English glosses to the entries). Medhurst's romanized version of the Korean words slavisWy transliterates the Hankul spellings, as is understandable enough in view of his admission "though the translator has not yet seen nor conversed with a Corean, yet he hopes he has not greatly erred in thus hazarding to elucidate their language". It is to be noted that Waye lyuhay writes "sc-" for those few words which were earlier pc-: scol 'to weave' (2:10), scol 'to be salty' (1:48), scak 'one of a pair' (2:33). Similar spellings are used in 1768 Monge lyuhay: sco.ta 'is salty' (1:48), ? .... And in ?1775 Han-Gheng munkam: scita (385a), scin (392b), sci.non (21d) 'steam'. But Waye lyuhay accords ccing.kuyl 'to be wrinkled' (1:19) the geminate spelling (the "sc-" spelling does not turn up till 1763 Haytong ka.yo), and it is far from certain that the "pc-" spelling of 1583 (Sekpong Chenca-mun 40) and 1677 (Pak--ewung 1:36) reflects a genuine ? labial stop; 1677 Pak--ewung (1:36) pcing'kuyn = '1517- Pak 1:40r psing'kuyn. Putsillo deplores Medhurst's romanization for its phonetic inaccuracy, however, and the independence of his own observations is obvious throughout the dictionary, I have not been able to find much information on Putsillo beyond that on a card in Harvard's Widener library ("Putsillo, Mikhail Pavlovich 1845-89) which cites him as the compiler of a work entitled Ukazatel' delam i rukopisyam, otnosyashchimsya do Sibirii prinadlezhashchikh Moskovskomu glavnomu arkhivu Ministera inostrannykh deI (Izdanie Kommissii pechataniya gosurdarstvennykh gramot i govorov, Moskva, Tip. A. Gatsuka 1879). Three pages of remarks on the Putsillo dictionary ("Zamechaniya 0 slovare Putsillo") by "Palladii, arcmmandrite appeared in Russkoe geograficheskoe obshchestvo 1875, t.ll, otdel 2, 488-91 (St. Petersburg: Izvestiya). I.F. Vardul kindly provided me with a photocopy of those pages, but they contain little further information on Putsillo himself, aside from observing that he served for a time as a commissar in charge of the Korean settlements,

Hankul texts cited

Abbrev. .Date Name oftext L 1447 lYongi echen ka S 1447 Sekpo sangcel Phonetic Rules of Korean 213

TC 1447 Tongkwuk cengwun Kok 1449 Wel.in chenkang ci kok W 1459 Wel.in-sekpo N 1462 Nungern kyeng enhay P 1463 Pep-hwa = Myopep lyenhwa kyeng enhay K--en 1464 Kumkang kyeng enhay Wen 1465 Wenkak kyeng enhay Kup 1466 Kwukup-pang enhay Mok 1466 Mok.wuca-swusim-kyel [cho-kan] Mong ?1468- Mongsan hwasang pep.e lyak.lok enhay Nay 1475 Nayhwun T 1481 Twusi enhay Kumkang 1482 Kumkang kyeng sam-ka hay Nam 1482 [Yeng-taysa cungto-ka] Nammyeng-ehen [sensa] kyeysong enhay Kwan 1485 Kwan.um kyeng [= Pulceng-sim talani-kyeng] enhay Ötay 1485 Ötay-ein.en Kup-kan 1489 Kwukup kan.i-pang Sok-Sam 1514 Sok Samkang hayngsil-to Sa 1517 Saseng thonghay PS 1517 Pen-yek Sohak Pak ?1517- Pak thongsa enhay [cho-kan] = Pen.yek Pak thongsa PL ?1517­ lNokeltay [cho-kan] = Pen.yek lNokeltay C 1527 Hwunmong Cahoy Uncwung 1553 Uncwung kyeng enhay Chil 1569 Chiltay-manpep lYuhap 1576 Sincung lYuhap Sekpong 1583 Sekpong Chenca Sohak 1586 Sohak enhay Cwung 1588 Cwungyong enhay Mayng 1588 Mayngca enhay lNon 1588 lNon.e enhay Twu-eip 1608 [Enhay] Twuchang cip.yo Thay 1608 [Enhay] Thaysan cip.yo ? Twu-hem ·1608+ Twuchang kyenghem pang 214 Samuel E. Martin

Sin-Sok 1617 Tongkwuk Sin-Sok Samkang hayngsil-to T-ewung 1632 Twusi enhay: cwung-kan Kalyey 1632 Kalyey enhay Pyek 1653 Pyek-on sinpang Kyengmin 1656 Kyengmin-phyen enhay Nay-ewung 1656 Nayhwun:cwung-kan Kyeychwuk ?1660- Kyeychwuk ilki Kwuhwang-po 1660 Kwuhwang pO.yu-pang Sin-Kwuhwang 1660 Sin-kan Kwuhwang chwal.yo [1st ed. 1554] lNap.yak ?1670- lNap.yak cungchi pang lNo-ewung 1670 lNokeltay enhay: cwung-kan Sin.e 1676 Chep.hay sin Pak-ewung 1677 Pak thongsa cwung-kan Yek 1690 Yek.e lyuhay Way 1720­ Waye1yuhay Thaypyeng ?1729+ Thaypeng kwangki enhay Cheng 1728 Chengkwu yengen Sam-yek 1703 Sam-yek chonghay Songkang 1747 Songkang kasa Tongmun 1748 Tongmun lyuhay Mong 1768 Monge lyuhay Yek-po 1775 Yek.e lyuhay po Han--Gheng ?1775 Han--Gheng munkam Samhak 1789 Samhak yek Monge-po 1790 Monge lyuhay pophyen Hancwung ?1800 Hancwung-[man] lok Kakok 1876 Kakok wen.lyu 1897 Li Pongwun: Kwuk.mun ceng.li

References

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Underwood, B.G. 1890. A concise dictionary of the Korean language. Yokohama: Ke1ly and Walsh. lYi: see LBS, LKM, LPK, LSN lYU: see LeT Südkoreanische Demokratisierungsbewegung von 1987 im Spiegel der japanischen Presse

Manfred Pohl (Hamburg)

In kaum einem anderen Land sind die Vorgänge von Juni und Juli 1987 in Süd• korea so ausführlich, detailliert und mit kritischer· Anteilnahme dokumentiert worden wie in Japan: Die japanischen Massenmedien, insbesondere natürlich die Presse, verfolgten die politische Kehrtwendung der militärischen Machthaber und den atemberaubend schnellen "Aufbruch zur Demokratie", den Südkoreas Führung, allem voran der damalige Chef der Regierungspartei, Roh Tae-Woo, unternahm, mit gespannter Aufmerksamkeit. Dieser Spannungsbogen verlief zwischen engagierter Unterstützung aus der Ferne für die demonstrierenden Studenten und andere Gegner des damaligen Regimes Chun Doo-hwan, bis hin zur kaum ver­ deckten Genugtuung über die (vorübergehend) angeschlagene Wettbewerbsfähig• keit der zunehmend international fühlbaren, agressiven südkoreanischen Konkur­ renz nach den Streikwellen vom Juli 1987. Im folgenden soll der Versuch gemacht werpen, anband ausgewählter japa­ nischer Tageszeitungen sowie Wochen- und Monatszeitschriften die Berichter­ stattung in Japan über Südkoreas erste zögernde Schritte auf dem Weg zur Demokratie nachzuzeichnen. Dabei ist es unvermeidlich, ja aus Sicht des Autors erwünscht, daß auch Wertungen von Vorgängen und handelnden Personen ein­ fließen. Die Darstellung beschränkt sich auf den Zeitraum Juni/Juli 1987, vorangegangene Ereignisse, die anschließende neue Verfassungsdebatte, der Wahlkampffür die Präsidentenwahlen vom Dezember 1987 und die anschließenden Ereignisse sind nur dort berücksichtigt, wo sie rückblickend Vorgänge aus dem behandelten Zeitraum beleuchten. 218 Manfred Pohl

1. Die Ausgangslage

Am 10. Juni 1987 nominierte die südkoreanische Regierungspartei Democratic Justice Party (DJP) ihren Vorsitzenden Roh Tae-W00 zum Präsidentenschaftskandi• daten und Nachfolger des regierenden Präsidenten Chun Doo-Hwan.1 Die Nominierung löste die heftigsten Demonstrationen und Unruhen in der jüngsten Geschichte Koreas aus. Sie dauerten etwa drei Wochen an. Verglichen mit früheren Demonstrationen wiesen die Ereignisse vom Juni 1987 jedoch einige Besonderhei­ ten auf: - Unter den Augen der Weltöffentlichkeit erlaßte die offene Widerstandsbewegung mehr Universitäten als je zuvor; weit mehr Studenten als früher beteiligten sich an den Demonstrationen. - Die Unruhen breiteten sich von Seoul, Pusan und Kwangju auch auf andere Provinzstädte aus. - Vor allem aber: Überall nahmen neben den Studenten Arbeiter und Angestellte offen Partei gegen die Sicherheitskräfte - der Mittelstand begann, sich mit seinen Söhnen und Töchtern in den Universitäten gegen das Regime zu solidarisieren. - Mit Blick auf die Olympischen Spiele und in Sorge um eine weitere Verschlechte­ rung ihres internationalen Ansehens konnte und wollte die Regierung nicht die volle Wucht ihrer Sicherheitsapparate einsetzen; ohne Verhängung des Kriegs­ rechts mußte die Bereitschaftspolizei die Konfrontation auffangen.2

2. Rohs Überraschungscoup: Alle Forderungen der Opposition werden erfUllt

Während noch in den Straßen der südkoreanischen Städte Tränengasschwaden hingen und die Polizei den Demonstranten Straßenschlachten lieferte, bereitete DJP-Chef Roh Tae-Woo seinen Überraschungsangriff auf die Opposition vor: Am 29. Juni stimmte ervorbehaltlos allen Forderungen der Opposition zu. Wenig später bekräftigte Präsident Chun diese Zusagen Rohs in einer Grundsatzrede. Die Konzession Rohs:

1. Verfassungsänderung mit dem Ziel einer Direktwahl des Präsidenten, um für 1988 einen friedlichen Präsidentenwechsel sicherzustellen; Roh bekräftigte jedoch, daß er ein Kabinettsystem (Vorschlag der DJP von 1986) in Korea einem Präsidialsystem vorziehe. Südkoreas Demokratisierungsbewegung von 1987 219

2. Novellierung der Gesetze für die Wahl des Präsidenten, um ungehinderte Kandidaturen und einen freien Wahlkampf zu gewährleisten. 3. Amnestie für den Oppositionspolitiker Kim Dae-Jung und Wiederherstellung seiner Bürgerrechte, "ohne Rücksicht darauf, was er früher getan hat". Freilassung aller politischen Häftlinge, mit Ausnahme derjenigen, die wegen Verrat und Gewalttaten einsitzen. 4. Garantie der Grundrechte, vor allem Schutz gegen willkürliche Verhaftungen und Inhaftierung ohne Verfahren. 5. Garantierte Pressefreiheit durch radikale Neufassung des Presserechts: Zeitungen sollen in Zukunft Korrespondenten in der Provinz stationieren dürfen, die Seitenzahl wird nicht mehr beschränkt, und die lizensierung von Journali­ sten durch "Pressekarten" wird aufgehoben. 6. Garantie lokaler Autonomie, Wahl und Einsetzung von Gemeinde- und Stadträten, Selbstverwaltung für die Universitäten. 7. Gründungsfreiheit und ungehinderte Betätigung für alle politischen Parteien, soweit sie sich an die Gesetze halten. 8. Weitreichende soziale Reformen mit dem Ziel, Kriminalität und tiefsitzende Korruption auszumerzen.3 Dieses völlig unerwartete Einlenken Roh Tae-Woos und seine Rückendeckung durch den Präsidenten schuf über Nacht eine völlig neue Situation, in der die meisten Akteure der politischen Szene Südkoreas mühsam ihre Position neu bestimmen mußten.

3. Die Akteure 3.1. Roh Tae-Woo und DJP

Auch für die Regierungspartei kam der Schritt Rohs völlig überraschend; noch kurz zuvor war laut darüber nachgedacht worden, den eigenen Präsidentschaftskandida• ten fallenzulassen. Roh selbst hatte sein Einlenken gegenüber der Opposition mit der Drohung an die Adresse seiner Partei - und an den Präsidenten selbst! ­ verbunden, von sich aus Kandidatur und Parteiämter abzugeben, wenn sie sich nicht hinter seinen Schachzug stellten. Wie auch die Opposition mußte die DJP jetzt in aller Eile an Verfassungs- und Gesetzesreformen arbeiten, hattejedoch eine bessere Ausgangsposition, da sie bereits über entsprechende Fachausschüsse verfügte.4 Die 220 Manfred Pohl jetzt in Aussicht gestellte Demokratisierung konnte die Einflußmöglichkeiten der Partei auf ihre Spitzenpolitiker stärken. Insbesondere die Rolle von DJP-Abgeord­ neten aus städtischen Wahlkreisen wurde gegenüber der traditionell ländlichen Basis der DJP in den letzten Wochen gestärkt; in Gesprächen mit ihnen war Roh signalisiert worden, wie fest inzwischen der Widerstand gegen das autoritäre Regime Chuns in den Städten Fuß gefaßt hatte, eine Information, die auch Rohs Schritt beeinflußte. Roh Tae-Woo hatte sich mit seinem Vorstoß eine gute Ausgangsposition für die Präsidentschaftswahlen geschaffen, aber seine Wahl war keinesfalls gesichert, die DJP mußte ihre zweifellos ausgezeichnete Parteimaschinerie in den ländlichen Gebieten optimal einsetzen; eine von der oppositionellen RDPgeforderten Senkung des Wahlalters auf 18 Jahre (bisher 20) mußte aber auch in diesen Regionen zahlreiche Studenten zu Wählern machen - und damit Rohs Aussichten schmälern. Andererseits hatte er inzwischen durch sein Einlenken unter dem prosperierenden Mittelstand der Städte größere Sympathien gewonnen. Roh suchte im Gegensatz zu Chun den Kontakt zu allen Gruppen der Bevölkerung. Er hatte in zahlreichen Gesprächen einen guten Einblick in die politische Stimmung des Landes gewonnen und es wäre falsch gewesen, ihn als bloßen "Abklatsch" seines Klassenkameraden Chun zu betrachten. Das größte Problem aber blieb auch für ihn das "bittere Erbe von Kwangju".5

Mitte Juli 1987 legte Präsident Chun die Präsidentschaft der DJP nieder und trat aus der Partei aus, um seine "Überparteilichkeit" zu unterstreichen. Der Forderung der Opposition, ein wirklich "neutrales, überparteiliches und pan­ nationales Kabinett" zu ernennen, kam er aber nicht nach - noch schienen die Karten zugunsten der Regierungspartei "gezinkt".6

3.2. Das Militär 1987: Auf dem Rückweg in die Kasernen?

Südkoreas Armee ist seit 1960 nie "unpolitisch" gewesen, sondern von den Machthabern durch Berufung von Generälen in hohe Staatsämter immer direkt an der politischen Macht beteiligt worden - schließlich war das Militär durchweg die Machtbasis der Regimes Park (1961-1979) und Chun (seit 1980). Roh hat in den Wochen vor seinem Überraschungscoup mit der Hilfe Präsident Chuns systematisch die Positionen, die zur Kontrolle des Militärs von zentraler Bedeutung sind, mit Südkoreas DeIIl.okratisierungsbewegung von 1987 221

Männern seiner Wahl besetzt; als "Klassenkamerad" vom Militärakademie-Jahrgang 1955 und enger Vertrauter des damaligen Präsidenten konnte er sich der Hilfe Chuns sicher sein. Daraus ließ sich folgern, daß die Armeeführung stillhalten würde, wenn es zu freien Präsidentenwahlen kommen würde - zweimal zuvor (1960/61 und 1980) hatte die Armee in den Wirren einer Übergangsphase geputscht. Das schien 1987 wenig wahrscheinlich. Jedoch konnte die Armeeführung intervenieren, wenn einer der Präsidentschaftskandidaten Kim Dae-Jung hieße. Er wäre auch 1987 als Präsident für die Armee nicht akzeptabel gewesen; ihr Wunschkandidat war natürlich Roh Tae-Woo, aber auch er hatte unter den Falken der Armeeführung noch immer Gegner, die er jedoch im Juni 1987 erfolgreich "neutralisiert" hatte. Die Armeeführung konnte keinen Politiker stützen, der die Verantwortlichen des Massakers von Kwangju vor Gericht stellen wollte - wie Kim Dae-Jung es forderte; für die hohen Offiziere, die die Rückeroberung der Stadt befahlen, und die Truppenführer, die sie durchführten, konnte es aus Sicht der Armee nur ein Generalpardon geben. In seiner großen Mehrheit möchte das südkoreanische Offizierskorps heute Verwicklungen in die Politik vermeiden. Aber es gibt einen harten Kern hoher Offiziere, die nach ihrem Abschied traditionsgemäß Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft erwarten. In einer offenen Demokratie müßten sie diese Ansprüche wohl aufgeben; hier war 1987 durchaus mit massiven Widerständen zu rechnen.?

3.3. Die Oppositionspartei(en)

In der parlamentarischen Opposition zählte 1987 nur die "Party for Reunification and Democracy" (RDP) mit ihrem Präsidenten Kim Young-Sam, die im Mai aus einer Spaltung der früheren NKDP hervorgegangen war. Ihr Einfluß mußte sich aber auf den außerparlamentarischen Widerstand gründen, denn die RDP boykottierte seit Monaten die Nationalversammlung. Die NKDP (Chef: Lee Min­ Woo) und einige Parteien zählten in der politischen Landschaft nicht. Die RDP stand vor einer doppelten Zerreißprobe: Sie mußte eine Verfassungsreform entwickeln und vertreten (das ist geschehen) und sie mußte möglicherweise zwischen Kim Young-Sam und Kim Dae-Jung als RDP-Kandidaten für die Präsi• dentschaft wählen.8 Entscheidender Nachteil der RDP: In Wirtschaftskreisen und für viele Bürger war sie eine "Organisation der beiden Kims", aber nicht als 222 Manfred Pohl

Regierungspartei geeignet. Ein überzeugendes Wirtschafts- und Sozialprogramm hatte sie nicht. Als Organisation war auch die RDP mit dem Erbübel aller poli­ tischen Gruppen in Südkorea behaftet: Durch die Partei liefen die Hruchlinien von Fraktionen, von denen die beiden größten die persönlichen Gefolgschaften von Kim YS und Kim DJ waren. Heide Kims haben immer wieder beteuert, es werdenur einen Präsidentschafts• kandidaten geben, aber für welchen Kim sich die RDP entscheiden würde, war noch offen. Das geänderte Wahlrecht konnte hier eine Lösung bieten: Denkbar wäre ein amerikanisches "running-mate"-System gewesen, bei dem Präsident und Vizepräsi• dent gemeinsam schon als Kandidaten antreten; nach Ablauf einer Amtsperiode könnte der eine Kim dann dem anderen Platz machen. Eine andere Variante vertrat Kim DJ: Er selbst würde Präsdident, Kim YS Parteichef - ein späterer Wechsel der Positionen wäre möglich.9

3.4. Kim Young-Sam: Symbolfigur mit kleinen Fehlern

Als Präsident der RDP hatte Kim Young-Sam formell die besten Aussichten, vor Kim Dae-Jung als Kandidat der RDP für die Präsidentschaftswahlen aufgestellt zu werden. Heide Kims hatten gelobt, einander keine Konkurrenz zu machen (wie 1979/80 und vorher 1971), aber die Kandidatur schienKim YS keineswegs sicher. Kim YS stammt aus einer wohlhabenden Familie, er galt als eher besonnener Pragmatiker - anders ausgedrückt: Neben Kim Dae-Jung fehlte ihm die mitreißende Kraft, die nötig war, um die Oppositon in der Demokratisierungsphase hinter sich zu vereinen.

3.5. Kim Dae-Jung: Ein Märtyrer als Präsident?

Im Gegensatz zu seiner feierlichen Erklärung von 1986, er wolle auf eine Präsidentschaftskandidatur verzichten, wenn es eine Direktwahl des Präsidenten gebe, gab sich Kim Dae-Jung im Juli 1987 "unentschlossen"; seine Landsleute in der Region Cholla (Hauptstadt: Kwangju) hätten ihn sofort als Kandidaten nominiert, aber nach bester populistischer Gepflogenheit wollte Kim DJ sich von "dem Volk" insgesamt berufen lassen. Wie kein anderer Oppositionspolitiker hat Kim DJ in der Südkoreas Demokratisierungsbewegung von 1987 223

Vergangenheit die Repression des Systems erdulden müssen. Noch 1980 zum Tode verurteilt, "begnadigt" und seither ohne Bürgerrechte war er immer die eigentliche Symbolfigur des Widerstandes. 1971 unterlag er in einer manipulierten Wahl nur knapp dem damaligen Diktator Park (der daraufhin die Direktwahl des Präsidenten abschaffte...), und auch 1987 konnte er Roh Tae-Woo recht gut schlagen. Allerdings hielten ihn viele für ungeeignet, die nötige innere Aussöhnung herbeizuführen: Er galt vielfach als autoritär, wo er konziliant sein sollte, und die Armee hätte seine Wahl wohl nicht widerstandslos hingenornmen.lO

3.6. Kirche und Dissidenten

In der Entwicklung der letzten Wochen im Juni/Juli '87 spielte die katholische Kirche eine zentrale Rolle; die Myongdong-Kathedrale von Seoul war tagelang eine belagerte Festung des Widerstandes gegen Chuns Regime. Katholische Geistliche hatten von der Kanzel die Vertuschungsversuche hoher Polizeioffiziere im Foltermord vom Januar 1987 enthüllt und damit die weitreichenden Umsetzungen in Kabinett und Sicherheitsdiensten durch Präsident Chun ausgelöst. Kardinal Stephen Kim gehörte zu den schärfsten Kritikern des autoritären Regimes. Die Kirche hat zwar den demonstrierenden Studenten Schutz gegen die Polizei gewährt, im Verlauf der Auseinandersetzungen aber gab es auch wachsende Zeichen der Ungeduld von Pfarrern mit den Studenten, die die Kathedrale praktisch besetzt hielten und einen geregelten Gottesdienst verhinderten. Die Entwicklungen in der studentischen Dissidentenbewegung gaben den Kirchen einigen Anlaß zu Besorgnis: An den Rändern dieser Bewegung zeigte sich eine zunehmende Radikalisiervng. Ein neuer harter Kern verwendete offen marxistisch­ leninistisches Vokabular und lehnte jeden Komprorniß zwischen Opposition ("bürgerliche Opportunisten") und Regierung ("Militärfaschisten") ab; "alle Macht den Massen!" hieß die Parole. Zunehmender Einfluß dieser Radikalen konnte die studentische Dissidentenbewegung, die ihre Tradition auf den Widerstand gegen Syngman Rhee 1960 zurückführt, gegenüber dem Mittelstand isolieren und zugleich ein Eingreifen des Militärs provozieren. Der aggressiveste Anti-Amerikanismus, der ebenfalls in diesen radikalen Studentengruppen erkennbar wurde, hätte angesichts der Sicherheitsbesessenheit des südkoreanischen Militärs ein weiterer Grund für eine Intervention der Armeeführung werden können. 224 Manfred Pohl

Schließlich forderten die Studenten, daß die militärisch Verantwortlichen für die Niederwerfung des Aufstandes von Kwangju vor Gericht gestellt würden; in diesem Punkt stießen sie auf den geschlossenen Widerstand aller Gruppen im Militär - eine solche Bedingung als Bestandteil der Demokratisierung mußte äußerstenfalls das Eingreifen der Armee provozieren - und damit das Ende der Demokratieentwicklung bedeuten.ll

4. "Drei Wochen im Juni": Hintergründe eines politischen Coups 4.1. Machtkampf in der politisch-militärischen Führung: Roh schaltet die "Hardliner" aus

Nachdem katholische Geistliche die Verwicklung dreier hoher Polizeioffiziere in eine Vertuschungskampagne beim Foltertod eines Studenten (Jan. 87) enthüllt hatten, reagierte Präsident Chun schnell: Im Mai entließ er den Ministerpräsiden• ten Lho Shin-Yong, den Innenminister sowie den Chef der mächtigen Sicherheitsbe­ hörde NSP, General (Res.) Chang Se-Dong. Die Entlassung Changs als Chef der "National Agency for Security Planning" (NSP, früher der KCIA) löste Überra• schung aus: Der NSP-Chefwar ein enger Vertrauter Chuns noch aus den Tagen des gemeinsamen Fronteinsatzes in Vietnam. Der ermordete Student war zum Zeitpunkt seines Todes nicht in den Händen der NSP, sondern in Gewahrsam der Antikommunismus-Abteilung der Polizei gewesen, so daß der NSP nicht direkt für die Vertuschung verantwortlich war. Alles deutete vielmehr darauf hin, daß der designierte Nachfolgekandidat der DJP, Parteichef Roh Tae-Woo, ein gespanntes Verhältnis zum ehemaligen NSP-Chefunterhielt. Die Ablösung des Sicherheitschefs sollte wohl eher Roh den Weg ebnen. Chun schien erste Schritte zu unternehmen, um seinen persönlichen Loyalitätskreis in den Sicherheitsbehörden und in der Armee aus dem Vordergrund zurückzuziehen und Roh einen eigenen Vertrauten­ kreis aufbauen zu lassen. Zugleich war die Ablösung des NSP-Chefs, aus der Rückschau gewertet, der Höhepunkt eines Machtkampfes in der politischen und militärischen Führung Südkoreas, der seinen Abschluß in dem Überraschungscoup Rohs fand. Der DJP­ Chef hatte sich frühzeitig für einen flexiblen Kurs in der Auseinandersetzung mit der Opposition entschieden, weil er über seine Kontakte das ganze Ausmaß der Unzufriedenheit erkannt hatte; im Kreis der Präsidentenberater aber dominierten Südkoreas Demokratisierungsbewegung von 1987 225

"Betonköpfe" wie der NSP-Chef und der Wiedervereinigungsminister Huh Moon­ Doh. Zudem hatte Chang eigene Machtambitionen, und in den Tagen nach seiner Entlassung war sogar von Putschplänen die Rede. Die Erbitterung über den Foltertod des Studenten gab Roh die Handhabe, bei dem Präsidenten die Entlassung seiner Gegner zu fordern. Im Juni 1987 hatte Roh die Rückendeckung der Männer auf den wichtigsten Posten des militärischen Apparates und der Sicherheitsbehörden: Der Heeresstabschef, der Chef des militärischen Sicherheitsdienstes, der Garnisionskommandeur von Seoul und der Chef der NSP waren entweder Chun oder Roh selbst verbunden.12

4.2. Die Persönlichkeit Chun Doo-Hwans

Chuns Regierungsstil seit 1980 war geprägt von militärischem Denken: Befehl und Gehorsam statt offener Konsultation, Unterdrückung von freier Kritik und schließlich die Berufung immer neuer hoher Militärs in politische Spitzenpositionen bei innenpolitischen Krisen - äußerliches Signal, daß die Armee hinter Chun stand. Daneben pflegte Chun "imperiale Umgangsformen", die demonstrative geistige Abgerücktheit eines konfuzianischen Zuchtmeisters seiner Nation. Nie aber waren Zweifel daran erlaubt, daß er die politische Situation fest unter Kontrolle hatte ­ nicht einmal die Armee ließ er aus dem Griff. Unter seiner Führung entwickelte sich die koreanische Wirtschaft zu immer neuen Erfolgen, aber die Schere zwischen dem ökonomischen Entwicklungsniveau und einer entsprechenden Partizipation der Bevölkerung am politischen Willensbildungsprozeß klaffte immer weiter auf. Der Autoritarismus des Präsidenten und grobe Fehleinschätzungen seiner Berater ließen Chun jene "schwerwiegende Entscheidung" vom April 1987 treffen, mit der er die Debatte um eine Verfassungsreform abbrach und so die schweren. Unruhen auslöste, die dann im Juni/Juli so unerwartete Konsequenzen hatten. Da Chun immer wieder feierlich betonte, im Februar 1988 friedlich einem Nachfolger den Platz räumen zu wollen, war es ihm abzunehmen, daß er als Präsident in die Geschichte eingehen wollte, der dem Land den Weg zur Demokratie öffnete. Die offenkundige Wiederentdeckung konfuzianischer Werte mußte es ihm bewußt werden lassen, daß seiner Regierung stets die Legitimation fehlte; die "RechtÜchkeit des Herrschers" aber ist ein zentraler konfuzianischer Wert. In den vergangenen Jahren haben zwar alle südkoreanischen Präsidenten das konfuzianische Wertsystem 226 Manfred Pohl als Rechtfertigungslehre ihres eigenen autoritären Regimes mißbraucht und damit entwertet. Gleichwohl mußte jeder koreanische Spitzenpolitiker die nach wie vor bestehende Tiefenwirkung des Konfuzianismus auch als Grenze seiner Macht in Rechnung stellen.13

4.3. Wer ist Roh Tae-Woo?

Designierter Nachfolger Chuns war also 1987 nach Vorstellungen des Präsidenten und seiner Regierungspartei der DJP-Chef Roh Tae-Woo; unter dem damals geltenden Wahlverfahren wäre an seiner Wahl nicht zu zweüeln gewesen. Es gab Stimmen in Korea, die einen solchen "Stabwechsel" von Chun zu Roh als Teil eines weitreichenden Konzepts seit dem Amtsantritt Chuns 1980 werteten; dann allerdings war es schwer zu erklären, daß Chun seinen Nachfolger mit dem Problem einer abgewürgten Verfassungsdebatte belastete. Aber auch hier gab es eine Erklärung: Chun wollte angesichts der festgefahrenen Gespräche mit der Opposition Roh nicht mit dem Scheitern belasten - war er doch von Chun öffentlich mit der Lösung des Problems betraut worden. Roh Tae-Woo war ein enger Vertrauter des Präsidenten: Wann immer eine Krise eintrat, stimmte Chun sich mit Roh ab oder betraute ihn mit der Lösung; so war Roh der erste Politiker, den Chun nach dem Massaker von Rangoon (1983) bei seiner Rückkehr traf. Damals war Roh "nur" Vorsitzender des Olympia­ Organisationskomitees von Seoul. Chun und Roh verbindet ihre gemeinsame Herkunft aus der Stadt Taegu (Provinz Süd-Kyongsang); beide sind Absolventen des 11. Jahrgangs der südkoreanischen Militärakademie, der erste Jahrgang, der vier Jahre lang ausgebildet wurde und 1955 Examen machte. Wie Chun war auch Roh Truppenkommandeur (Bataillonschet) im Vietnamkrieg. Später übernahm er das Kommando einer Brigade der "Special Forces"; Zwei-Sterne-General wurde er 1978 als Kommandeur der 9. Inf.-Div. "Weißes Pferd", die als Kampfverband an der Demarkationslinie nordwestlich von Seoul stationiert und amerikanischem (d.h. UNO-) Oberbefehl unterstellt war. Als kommandierender General der 9. Inf.-Div. stellte er im Dezember 1979 ohne Wissen des US-Oberkommandos ein Regiment nach Seoul ab, um den Putsch seines "Klassenkameraden" abzusichern; ohne Rohs unmittelbare Hilfe hätte Chun wahrscheinlich nie die Präsidentschaft erlangen können. Südkoreas Demokratisierungsbewegung von 1987 227

1980 wurde Roh Chuns Nachfolger als Chef des mächtigen Sicherheitsdienstes der Armee (Defense Security Command), der die Überwachung des gesamten Militärs betreibt. Es folgten für Roh, nachdem er 1981 aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war, eine Reihe von anderen hohen zivilen Positionen: Staatsminister für nationale Sicherheit und Außenpolitik, Sportminister und Innenminister. 1985 übernahm er von seinem (und Chuns) Klassenkameraden Kwon Ik-Hyon den Vorsitz der Regierungspartei DJP, wo er einen flexibleren Führungsstil einführte, um die verbliebenen Funktionäre, die noch aus der stark regionenbezogenen Politik Park Chung-Hees stammten, einzubinden. Roh Tae-Woo ist ein Politiker, der als Militär und Geheimdienstler die Tradition der Regierung Chun fortzusetzen schien; aber im Gegensatz zu Chun suchte er den politischen Dialog. Er schien bereit, ein ''weiches Image" aufzubauen. Aber eine Gemeinsamkeit mit Chun konnte 1987 Rohs Griff nach der Präsident• schaft gefährden: Die Verantwortung für die "Toten von Kwangju" lastete auch auf Roh. Zur Zeit des Aufstandes von Kwangju war Roh Kommandeur der Garnison von Seoul; die Leitung des militärischen Sicherheitsdienstes hatte er kurz zuvor abgegeben; Chun war amtierender Chef des KCIA.14

4.4. Rohs Nominierung und die Unruhen im Juni

Im Juni 1987 wählten rund 8.000 DJP-Delegierte wie erwartet mit überwältigender Mehrheit Roh Tae-Woo zum Präsidentschaftskandidaten der Regierungspartei. Die Nominierung Rohs löste neue heftige Demonstrationen in Seoul aus, die sich auch auf andere Städte ausweiteten; auch waren es nicht mehr ausscWießlich radikale Studenten, die sich mit der Polizei ScWachten lieferten, sondern zunehmend kam es zu spontanen Solidarisierungen von Arbeitern und Angestellten mit Studenten. Die katholische Kirche, immer ein Zentrum des Widerstands gegen Chuns Regime, gewährte in der Myöngdong-Kathedrale 200 Demonstranten Zuflucht, und die Kirche wurde tagelang zum Symbol des Widerstands. Die koreanische Regierung war in einem Dilemma: Besorgt um eine weitere Verschlechterung ihres internationalen Ansehens konnte sie nicht die volle Wucht der Sicherheitsapparate einsetzen. Die Verhängung des Kriegsrechts über Seoul oder andere Städte, eine typische Reaktion der Park-Ära, wurde nicht erwogen; so hatte die Polizei die Hauptlast der Konfrontation zu tragen: In den Straßen Seouls, 228 Manfred Pohl in den Universitäten, ja sogar in großen internationalen Hotels; auch die Demonstranten gingen mit großer Härte gegen Bereitschaftspolizisten vor, wenn sich die Gelegenheit bot: Das erste Todesopfer der Unruhen war ein Polizist. Die Unruhen hatten der Regierung deutlich gemacht, daß der "Mittelstand" in seiner politischen Haltung eine deutliche Wende vollzogen hatte: Nicht mehr der Wunsch nach innerer Ruhe um jeden Preis, sondern die Ungeduld über die schleppende Demokratisierung überwog. Die prosperierende Mittelschicht begann sich mit ihren Söhnen und Töchtern zu solidarisieren, die bis zum Juni 1987 die radikalen Studenten und damit den Kern des Widerstandes gestellt hatten. Damit wurde auch deutlich, daß "die schweigende Mehrheit" die studentische Radikalität nicht mehr ablehnte wie nach den Ausschreitungen von Inchon 1986, als die Dissidenten vorübergehend isoliert waren. Die Auseinandersetzungen zeigten auch, daß Vertreter der parlamentarischen Opposition, d.h. der Reunification Democratic Party (RDP), sich vorübergehend offem mit radikalen Demonstranten zusammenfanden, ein Schritt, der noch 1986 bei den Unruhen in Inchon vermieden worden war; damals hatten Radikale die Sprecher der Opposition niedergeschrien. Wieder hat sich eine breite Widerstands­ front gebildet: Die "National Coalition for a Democratic Constitution" (NCDC) umfaßte Kirchenführer,Oppositionspolitikerund VertreterderDissidentengruppen; die NCDC hatte zu den Demonstrationen vom Juni 1987 aufgerufen.15

4.5. Zwischen Armee und Polizei: die Bereitschaftspolizei

Chun hatte während seiner Amtszeit versucht, zwischen Armee und Polizei eine "dritte Kraft" zu schieben - die kasernierte Bereitschaftspolizei mit 80.000 Mann. Ausgerüstet mit Schlagstöcken und Tränengas, nicht aber mit Schußwaffen, hatten diese Sicherheitskräfte im Juni '87 das Bild der Auseinandersetzungen zwischen Staat und Studenten geprägt: Die unbewegliche Phalanx der Bereitschaftspolizei mit Helmen und Schilden, gesichtslos hinter den Gasmasken, schnelle Vorstöße und plötzliche heftige Handgemenge, wilde Angriffe von Demonstranten mit Brandsät• zen und Steinen, solche Bilder gingen um die Welt. Die Angehörigen der Bereitschaftspolizei sind Wehrpflichtige, die entwedervon der Armee abkommandiert wurden, oder aber sich bei der Musterung für diesen Südkoreas Demokratisierungsbewegung von 1987 229

Dienst entschieden hatten. Die Disziplin der Bereitschaftspolizei galt bis zum Juni 1987 als unerschütterlich, dann aber tauchten Meldungen von Desertationen und Befehlsverweigerung auf; wohl ein Warnsignal für die politisch Mächtigen Südkoreas. Allerdings blieb die Bereitschaftspolizei als Ganzes ein zuverlässiges Instrument, nicht zuletzt, weil in die Konfrontation zwischen Polizei und Studenten ein gehöriges Maß an Erbitterung über "die privilegierten Studenten" hineinspielte. Für die bevorstehenden Wahlen und die Olympischen Spiele 1988 kam der Bereitschaftspolizei besondere Bedeutung zu. Noch im Sommer 1987 sollten deshalb die Verbände um 60.000 Mann aufgestockt werden.16

5. Was wollte die Opposition?

Im Juni 1987 fand Chun sich bereit, zum erstenmal seit April endlich wieder mit dem RDP-Präsidenten und Oppositonsführer Kim Young-Sam zu sprechen; die Unterredung brachte kein konkretes Ergebnis, die Positionen waren zu entgegenge­ setzt: Chun und die Regierungspartei DJP wollten das Kabinettsystem einführen und die Allgewalt des Präsidenten beenden - Kim und der Opposition ging es allein um die Direktwahl des Präsidenten durch das Volk (und nicht durch ein manipulier­ bares Wahlmännergremium). Die beiden Kims und die Opposition strebten ein Referendum allein über den Wahlmodus des Präsidenten an, die DJP wollte auch die Alternative eines Kabinettsystems zur Entscheidung stellen. Die Demokratisie­ rungsdebatte hatte sich 1986/87 tatsächlich auf die Frage reduziert, in welcher Form das Präsidentenamt besetzt werden sollte. Die Opposition weigerte sich, eine Änderung der Regierungsform auch nur zu diskutieren. Es drängte sich deshalb der Verdacht auf, daß sich hinter dieser Weigerung weniger der aufrichtige Wunsch nach Demokratie verbarg als der Wille zur Macht eines einzelnen Politikers: Kim Young-Sam. Für ein Kabinettsystem mit einem starken Ministerpräsidenten und einem entmachteten Präsidentenspricht in Südkoreaviel: Einpolitisch verantwortli­ cher Ministerpräsident würde durch eine Nationalversammlung gewählt, in der unterschiedliche Gruppen vertreten wären, auch und vor allem die regionalen Interessen; die Machtballung bei einer einzigen politischen Instanz - bei einer einzigen Person! - wäre aufgewogen. Eine solche Aufwertung des Parlaments gegen die oberste Instanz der Exekutive würde mit der Aufwertung der politischen 230 Manfred Pohl

Parteien den notwendigen Rahmen für den bevorstehenden demokratischen Lernprozeß geben.

6. Ein neuer Faktor: Die Streikbewegung vom Juli

Die ausgedehnte Streikwelle, die dann im Anschluß an den Demokratisierungsschub seit Ende Juli das Land überrollte, stellte in der Phase des Demokratisierungspro­ zesses zweifellos eine neue, beträchtliche Gefahr dar, und diese in doppelter Hinsicht: Zum einen wurde der Exportfluß unterbrochen, was zu einem "Knick" in der Aufwärtstendenz koreanischer Ausfuhren führte; zum anderen hatte in früheren Jahren in ähnlicher Situation fast stets die Armee eingegriffen. Die letztere Gefahr war 1987 wohl (noch) nicht akut. Dagegen wurden die negativen wirtschaftlichen Folgen des Streiks schnell erkennbar: Produktionseinbrüche in Höhe von 130 Mio. US $ und Exportrückgänge von 54 Mio. US $ wurden vom Arbeitsministerium gemeldet; vor allem aber bedrohten die Forderungen der Arbeiter Südkoreas traditionellen komparativen Vorteil im Wettbewerb der "NIes": Niedrige Lohnkosten bei hohem Ausbildungsstand der Arbeitskräfte. Der Hinweis auf die negativen Folgen der Streikbewegung durfte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Streiks nur zu berechtigt waren: Sogar Präsident• schaftskandidat Roh Tae-W00 gab offen zu, daß die südkoreanischen Arbeiter/ innen in den vergangenen Jahren selbst am wenigsten von dem "Wirtschaftswunder" profitiert hatten; ein gewaltiger Nachholbedarf war bei den zahllosen Niedriglohn­ empfängern zu verzeichnen; die offiziellen Angaben über Pro-Kopf-Löhne sagen nämlich nichts über die extremen Diskrepanzen zwischen "Spitzenverdienern" unter den Arbeitern (z.B. Stammarbeiter in renommierten Großbetrieben) und den "Leichtlohnkräften" in den zahllosen Hinterhof-Klitschen aus, die als Zulieferbetrie­ be die günstige Arbeitskostenrechnung südkoreanischer Exporteure erst ermöglich• ten. Schließlich war eine Demokratisierung des Landes ohne freie Gewerkschaften kaum vorstellbar, aber Südkoreas Unternehmer widersetzten sich entschieden der Bildung von Gewerkschaften nach westlichem Vorbild. Bisher gab es - wenn überhaupt - nur Betriebsgewerkschaften mit eingeschränkten Rechten; bei Arbeitskämpfen hat darüber hinaus auch stets die Regierung auf Arbeitgeberseite eingegriffen und bei Zwangsschlichtungen immer die Kapitalseite bevorzugt. Aber die Bildung freier Gewerkschaften nach Industriesektoren war prinzipiell schwierig: Südkoreas Demokratisierungsbewegung von 1987 231

Junge Arbeiterinnen in der Textil- und Elektronikindustrie waren kaum zu organisieren, da sie nach koreanischer Tradition nur bis zur Heirat arbeiten und mehrheitlich an langfristigen Lösungen von Arbeitsproblemen wenig interessiert schienen; daneben waren auch Arbeitnehmerführer selbst über die nachteiligen Folgen verschärfter Arbeitskämpfe für die exportinduzierte Wirtschaftsentwicklung Südkoreas besorgt.

7. Ausblick: Kernprobleme der Demokratisierung

Nachdem die allgemeine Euphorie über das Nachgeben der Regierung ein wenig abgeklungen war und die Führer der Opposition sich von dem Überraschungscoup Roh Tae-Woos erholt hatten, begann sich wieder das alte gegenseitige Mißtrauen zu zeigen; die mißtrauische Unsicherheit in den Reihen der Opposition über die wahren Absichten der jetzigen Regierung gründeten sich auf folgende Zweifel: - Würden die gegenwärtigen Machthaber nach einer Niederlage in demokratisch fairen WaWen wirklich die politische Führung abgeben? Würden sie überhaupt wirklich demokratische Wahlen abhalten, oder würde man nicht vielmehr versuchen, die Wahlen zu manipulieren? - Würde die Armeeführung einen solchen Machtwechsel akzeptieren und einen "Oppositionspräsidenten" stützen? - Würde die jetzige Regierung die angekündigten Demokratisierungsmaßnahmen in vollem Umfang verwirklichen? Die Opposition wollte so schnell wie möglich Antwort auf diese Fragen, deswegen drängte sie auf Eile: Demokratisierung war für sie die möglichst schnelle Abschaffung der Regierung durch DirektwaW des Präsidenten. Sie befürchtete mit Recht, daß bei Verzögerung die Regierungspartei ihren Apparat zum Nachteil der Opposition ausbauen könnte. Andererseits aber brauchte die Demokratisierung als Lemprozeß auch Zeit: - Südkoreas Bürger sind kaum an demokratische Prozesse gewöhnt, nachdem sie vierzig Jahre lang unter autoritären Regimes gelebt haben; insbesondere auf der kommunalen Ebene gibt es noch keine "demokratisierbaren" Institutionen wie Präfekturtage, Gemeinderäte usw. - die Gewährleistung regionaler und kommuna­ ler Autonomie aber wäre ein langfristiger Prozeß. 232 Manfred PoW

- Südkoreas politische Parteien sind nach innen keineswegs demokratisch strukturiert. Selbst die größte Oppositionspartei leidet traditionell unter Fraktionalismus und dem übergroßen Einfluß "politischer Bosse". Die Parteien gleichen eher lockeren Koalitionen von Gefolgschaften einzelner Politiker. Alle Parteien müssen sich erst zu pluralistischen, flexiblen und offenen Organisatio­ nen entwickeln, die über regionale und persönliche Egoismen hinausreichen. - Patemalistische Beziehungen und konfuzianischer Rigorismus, gepaart mit Intransigenz auf allen Seiten, haben die politische Kultur Südkoreas geprägt; Unbeugsamkeit und mangelnde Kompromißbereitschaft in Regierung und Opposition bilden in der Übergangsphase eine hohes Risiko. - Die rasante wirtschaftliche Entwicklung Südkoreas hat durch Verstädterung gesellschaftliche und ökonomische Rahmenbedingungen geschaffen, denen die noch weitgehend agrarisch geprägten Wertvorstellungen nicht mehr entsprechen. Diese Widersprüche werden noch eine lange Zeit schmerzlicher Anpassungspro­ bleme notwendig machen. - Ein Test für die Demokratisierungspläne der gegenwärtigen Regierung ist nach Ansicht der Opposition die vorbehaltlose Freilassung aller politischen Häftlinge; bereits im Juli 1987 waren 534 Häftlinge freigelassen worden, 2.335 Dissidenten erhielten ihre Bürgerrechte zurück, aber kirchliche Kreise bezifferten die Zahl der nach wie vor Inhaftierten auf über 2.000. Ob es hier zu einer Übereinkunft kommen würde, war völlig offen. Schließlich schien die Opposition entschlossen zu sein, die Regierung mit Maximalforderungen zu konfrontieren, die angesichts des knappen Zeitraums bis zu den erwarteten Wahlen nicht erfüllt werden konnten. Ziel der Opposition war es dabei, das gestiegene Prestige Roh Tae-Woos und der DJP vor der Öffentlich• keit wieder zu zerstören, indem sie der Regierung und Roh anlasteten, durch Abrücken von den Demokratisierungszusagen Verhandlungen über eine Verfassungsreform blockieren zu wollen. Völlig unannehmbar war z.B. die Forderung Kim Young-Sams nach einer "demütigenden Entschuldigung ... für die mörderische Politik der Unterdrückung und atemberaubenden Korruption" der gegenwärtigen Regierung, d.h. Chuns. Das neue Kabinett, seit Mitte Juli im Amt, entsprach in der Tat nicht den Vorstellungen einer "neutralen" Regierung: Die Kabinettsmitglieder gehörten zwar nicht der Regierungspartei an, aber der Ministerpräsident war ein ehemaliger Luftwaffengeneral, der Verteidigungsminister ebenfalls, noch dazu ein enger Südkoreas Demokratisierungsbewegung von 1987 233

Vertrauter Chuns und Rohs. Die Forderung nach Entlassung dieses neuen Kabinetts, das kaum geeignet schien, faire Wahlen zu garantieren, war wohl gerechtfertigt. Es zeigte sich aber jetzt auch, daß die parlamentarische Opposition und die beiden Kilns die Dissidenten nicht mehr einbinden konnten. Die beiden Kilns gerieten unter Handlungszwang seitens radikaler Studenten. Verhängnisvoll mußte es sein, wenn durch eine erneute Eskalation der Straßendemonstrationen sowohl die RDP mit den beiden Kims als auch die Regierung in Extrempositionen manövriert würden, in denen Verhandlungen nicht mehr möglich schienen - dann hätte es wieder die "klassische" Situation gegeben, in der das Militär als "Ordnungs­ faktor" eingreifen konnte wie es beim Putsch General Park Chung-Hees 1960 geschah, als Studenten mit heftigen Demonstrationen die "Bestrafung" Syngman Rhees forderten.

Anmerkungen

1 Die heftigen Aktionen sind ursprünglich zu sehen im Zusammenhang mit dem Foltertod eines Studenten im Januar 1987, Asahi shimbun, 19.01.87; Mainichi shimbun, 21.01.87; dieser Fall war erstmals in allen Details an die Öffentlichkeit gelangt und hatte zu Strafmaßnahmen gegen die Verantwortlichen geführt, Asahi shimbun, 31.05.87; verschärft wurde die Gesamtsituation durch die Entscheidung des Präsidenten Chun, die Diskussion über eine Verfassungsreform einseitig für beendet zu erklären. Tokyo shimbun, 10.05.87; Yomiuri shimbun, 13.05.87; Mainichi shimbun, 08.06.87, 10.06.87. 2 Asahi shimbun, 17.06.87; Nihon keizai shimbun (fortan: Nikkei), 19.06.87; 22.06.87. 3 Die Auflistung der Konzessionen in Asahi shimbun, 29.06.87, Nikkei, 29.06.87, dort auch erste positive Stellungnahmen Kim Young-Sams und Kim Dae-Jungs. 4 Asahi shimbun, 05.07.87 enthält erste Entwürfe der DJP, der endgültige Verfassungsvorschlag wurde auf einer Sitzung der Führungsgremien der DJP am 29.07. verabschiedet; Mainichi shimbun, 30.07.87. 5 Shigemitsu Toshimitsu, "Kankoku no 'heiwa kakumei' wa teisoku ka" (Ist die 'friedliche Revolution' in Korea zeitweilig ausgesetzt?), in: Chuo koron, 8/1987, S. 62-65 sowie Kuroda Katsuhiro, "Kankoku - 'soru no aki' ga hajimaru" (In Korea beginnt der "Herbst von Seoul"), in: Ekonomisuto, 21.07.87, S. 46-51. 6 Nikkei, 10.07.87; am 25.07. sollte Roh Tae-Woo offiziell Nachfolger Chuns als Parteichefwerden, und die DJP wollte formell seine Kandidatur zur Präsidentschaft bekanntgeben, Nikkei, 21.07.87. 7 Vgl. u. Anm. 12. 234 Manfred PoW

8 Tokyo shimbun, 20.07.87; Nikkei, 21.07.87; Kim Dae-Jung hatte bereits am 09.07. seine Absicht verkündet, für die Präsidentschaft zu kandidieren. Nikkei, 09.07.87; Mainichi shimbun, 10.07.87. 9 Nikkei, 21.07.87; ausführlich im Rückblick vor den Wahlen vom Dezember: "Hitotsu-Roh, sannin Kim' no tesutomatchi" (Testspiel 'Roh gegen die 3 Kims'), in: Asahi janaru, 13.11.87, S. 14 ff. 10 Für diese Charakterisierung wurden japanische Presseveröffentlichungen im Vorfeld der PräsidentenwaWen vom Dezember 1987 herangezogen: Mainichi shimbun, 16.11.87,30.11.87; Asahi shimbun, 28.11.87. 11 In der japanischen Tagespresse wurde der Rolle der christlichen Kirchen beim Widerstand gegen das Chun-Regime kein so breiter Raum in der Darstellung eingeräumt wie es in der europäischen/amerikanischen Presse der Fall war, meist tauchen die kirchlichen Widerstandsorganisationen in untergeordneter Position im "Diagramm der Widerstandskräfte" auf, z.B. Tokyo shimbun, 26.06,87. Auch in dem Sonderheft der "Sekai" ("Tokushu - Kankoku minshu kaumei; genkyo to shorai" /Sonderbericht - Volksrevolution in Korea - Gegenwart und Zukunft/; 8/1987) über die Vorgänge in Südkorea tauchen in den dort gesammelten Stellungnahmen prominenter Dissidenten christliche Aktivisten nur vereinzelt auf. 12 "Kankoku seikyoku no kagi wa onzon sareta kyoko-ha rikushi jun-nana-ki da" (Der Schlüssel zur politischen Lage liegt noch immer bei dem mächtigen 17. Jahrgang), in: Asahi janaru, 10.07.87, S. 11 ff. 13 Vgl. etwa Goto Takao, "Kankoku daitoryo-sen; saishu tobari wo yomu" (Präsidentenwahlen in Korea; Deutung des letzten Akts), in: Chuo koron, 12 (1987), S. 182-193. 14 Ebd., bes. S. 190 f. 15 Nikkei, 19.06.87, 25.06.87; Tokyo shimbun, 26.06.87. 16 Der erste Tote der Unruhen vom Juni war ein Bereitschaftspolizist, vgl. Mainichi shimbun, 20.06.87. Für eine Darstellung der Organisation und Funktion der Be­ reitschaftspolizei vgl. Iwasaki Susumu, "Doko e yuku'demo wo shita no wa keisatsu­ kan dake' no shakai" (Wohin treibt ein Gesellschaft, in der "allein die Polizeikräfte• /Sicherheit/ demonstrierten"?), in: Asahi janaru, 07.10.87, S. 6 ff. Zur Metrik der Koryo-Kayo

Reta Rentner (Berlin)

In der Erforschung und Erschließung der literatur des koreanischen Volkes steht die Wissenschaft noch am Anfang. Das trifft sowohl auf die Epik als auch auf die Lyrik zu, ganz besonders aber auf die Erforschung der Gattungs- und Gemeproble­ matik der koreanischen literatur. Die Abfolge der einzelnen Gattungen in der Entwicklung der Dichtung ist bei den Völkern verschieden. Bei den Koreanern verzeichnen wir eine frühzeitige Entwicklung der Lyrik, der erst viel später die Epik folgt. Warum in Korea eine nennenswerte Entwicklung der Dramatik bis in die Neuzeit hinein ausblieb, bleibt noch zu klären. Hier soll ein spezifisches Gattungsproblem der Lyrik aufgegriffen werden, das Prinzip des koreanischen Versbaus. Vf. wurde mit diesem Problem schon vor vielen Jahren konfrontiert, als auf die Frage nach dem Prinzip des koreanischen Versbaus noch keine befriedigende Antwort gefunden war, weil das Grundprinzip der Rhythmusbildung im koreanischen Gedicht umstritten ist. Das Prinzip der Silbenzählung, wie es allgemein in koreanischen Lehrbüchern und Monographien n vertreten wird, läßt sich nur in altkoreanischen (z.B. "Yöngsinga ) und späterhin in solchen Gedichten nachweisen, die umnittelbar unter chinesischem Einfluß entstanden sind. Prof. Heimich F.J. Junker (1889-1970) verneinte die Existenz einer nur silbenzählenden Metrik wie auch das Vorherrschen des silbenzählenden Prinzips der Rhythmusbildung in der koreanischen Versdichtung. Die Ansicht Junkers vom Vorherrschen eines semantisch-dynamischen Rhythmus im koreani­ schen Gedicht eröffnete ganz neue Interpretationsmöglichkeiten. Die Absicht, das Wesen des koreanischen Versbaus in einer versgeschichtlichen Untersuchung darzustellen, mußte fallengelassen werden, weil das Material hierfür viel zu umfangreich und damit unübersichtlich ist. Im Ergebnis dieser Bemühungen 236 Reta Rentner konnte jedoch in einem Aufsatz zur Genetik der koreanischen Gedichtformen die Konzeption zu einer koreanischen Versgeschichte skizziert werden.1 Um das Prinzip des koreanischen Versbaus zu erfassen, erwies sich scWießlich das Material über die Volkspoesie der Koryö-Zeit als besser geeignet.2 Da die koreanische Literatur sich seit ihren Anfängen zweisprachig entwickelt hat, ­ chinesisch war die offizielle höfische Dichtung und koreanisch die Volksdichtung, garantierte der Umstand, daß hier koreanischsprachiges Material zugrundeliegt, das umfangmäßig begrenzt und überschaubar ist, eher Aussagen über das spezifisch Koreanische zu erhalten. Zudem ist die Anzalll der im Text überlieferten Koryö• Kayo relativ gering, dabei jedoch groß genug, um auf ihrer Grundlage begründete Resultate zu erlangen. Ihre Entstehungszeit erstreckt sich über einen langen Zeitraum mit Schwerpunkt im 13. Jh. Die Koryö-Kayo schließen zeitlich an die Silla-Hyangga an, die von P.H. Lee untersucht worden sind.3 Damit wird die kontinuierliche Fortsetzung einer noch zu schreibenden Versgeschichte erreicht und zugleich eine Lücke in der Forschung gescWossen, denn über die lyrischen Genres der folgenden Zeit liegen Arbeiten von M.1. Nikitina4 sowie Untersuchungen koreanischer AutorenS vor.

Allgemeine Vorbemerkungen zur Problemstellung

6 Diese Untersuchung , die auf der Materialgrundlage der 1954 in Korea erschiene­ nen SanImlung "Koryö-Kayo" basiert?, zielt darauf ab, das Formproblem in der koreanischen Versdichtung zu erhellen. In dieser SanImlung sind alle die Lieder im vollständigen Text enthalten, die ursprünglich im "Soakpu" von Yi Chehyön, ferner im "Akhakkweböm", "Akchang Kasa", "Tongguk T'onggam", "Munhön Pigo", "Koryösa" und "Tonggak Chapki" aufgezeichnet worden sind. Ein Teil der Lieder, ursprünglich mit der Hyangch'al-Methode notiert, ist altkoreanisch, der andere Teil, ursprünglich von Yi Chehyön in chinesischer Fassung niedergeschrieben, liegt im modemen Koreanisch vor. Für die koreanischen Lieder, die chinesisch aufgezeich­ net und nun wieder rückübersetzt wurden, kann keine gültige Formanalyse gegeben werden. Bemerkenswert ist aber, daß die Koryö-Kayo, deren Quellen oben genannt wurden, jeweils in die musikalische Sektion der betreffenden Werke Eingang gefunden haben. Außerdem tragen sie fast alle im Titel die Silben 'ka' - Lied, 'kok' - Musik, Melodie oder 'yo'- Gesang, Lied. Diese Umstände weisen darauf hin, Zur Metrik der Koryö-Kayo 237 daß die Koryö-Kayo ursprünglich mit Musik verbunden waren und daß demzufolge die Musik an der Rhythmusbildung beteiligt war. Überliefert sind nur die Texte, die Melodien sind nicht mehr rekonstruierbar. Für unsere Untersuchung hat eine Abhandlung von Hyön Chongh08 nützliche Anregungen gegeben. Von ihm übernehmen wir auch die Klassifizierung der lyrischen koreanischen Poesie in drei Versbausysteme, nämlich Versbausystem der - Inmin kujön Kayo - mündlich überlieferte Volkslieder, - Chönghyöngsi - Typengedichte und - Chayusi - freie Gedichte. Nach Auffassung koreanischer Literaturwissenschaftler9 ist die Silbengruppe die Grundeinheit des Rhythmus und die Wiederholung einer bestimmten Silbenzahl das Grundprinzip der Rhythmusbildung in der koreanischen Dichtung. Unter Silbengruppe verstehen sie offensichtlich das "flektierte" bzw. syntaktisch modifizierte Wort, das mindestens aus zwei Silben besteht, das aber auch mehr Silben umfassen kann.

Beispiel: sae.ya/ sae.ya// p'a.rang/ sae.ya// Vöglein! Vöglein! Grünes Vöglein!

Das Zahlenschema hierfür lautet 2/ 2/ 2/ 2/. Danach entsteht der Rhythmus im koreanischen Vers aus einer bestimmten Art der Wiederholung (regelmäßige Wiederholung beim Standard- oder Typenrhythmus, unregelmäßige beim freien Rhythmus) einer bestimmten Anzahl von Silben (Silbengruppen zu je 2, 3 oder 4 Silben). Pak Chongsik erklärt, daß so der Rhythmus im Koreanischen aus der Wiederholung bestimmter zeitlicher Längen von Silbengruppen entsteht. Er nennt das koreanische Versbausystem ein charakteristisches Silbenversbausystem.10 Als Grundlage der Rhythmusbildung für die Mehrzahl der Inmin kujön Kayo gibt Pak Chongsik die fortgesetzte Wiederholung von Silbengruppen mit je vier Silben, als Grundlage der Rhythmusbildung der Koryö-Lieder die fortgesetzte Wiederholung von Silbengruppen zu je drei Silben. Diese Verallgemeinerung erscheint uns als zu sehr vereinfacht. Hyön Chongho unterstreicht, daß der Versbau im koreanischen Gedicht eng mit musikalischen Elementen verbunden ist. Er erklärt, die Mehrzahl der koreanischen Gedichte sei in Verbindung mit Deklamation entstanden und habe 238 Reta Rentner sich als Gesangsgedicht entwickelt.ll Weiter stellt er fest, daß die koreanische Sprache zwar die Lauterscheinungen Höhe, Länge und Betonung kenne, daß diesen Erscheinungen im Koreanischen aber das Moment des Unbestimmten anhafte und daß sie im Vergleich zu anderen Sprachen wenig ausgeprägt seien, denn die koreanische Sprache unterscheide Höhen, Längen und Betonungen nach dem Vor­ handensein von 'To' (Endungen). Als Grundlage der Rhythmusbildung bezeichnet Hyön Chongho die Verschmelzung von Atemrhythmus und Silbengruppe.12 Er nennt den koreanischen Versbau ümjölsu changdansik chaksiböp'. Da der Begriff 'Changdansik chaksiböp' von ihm auch für die griechische und lateinische Lyrik benutzt wird, glauben wir richtig zu gehen, wenn wir ihn mit 'Silbenzahl-Längen• Versbau' übersetzen.

Danach wäre die Bestimmung des Rhythmus im Koreanischen von der regelmäßigen oderunregelmäßigen Wiederholung einerbestimmten Menge von Silben abhängig.

Unsere Untersuchung am Beispiel der Koryö-Kayo knüpft chronologisch an die von P.H. Lee an, der die frühesten schriftlich aufgezeichneten Werke Koreas, die 'Saenaennorae' analysiert hat. Seine Dissertation ist zugleich die einzige uns bekannte deutschsprachige Abhandlung über Probleme des koreanisches Verses.13 Lee weist in dieser Arbeit überzeugend nach, daß die Termini 'Saenaennorae' und 'Hyangga' identisch sind und beide die lieder der Silla-Zeit bezeichnen. Seinen Ausführungen zufolge ist 'Saenaennorae' der Gattungsname für die poetischen Werke der Silla-Zeit und 'Hyangga' die sinokoreanische Benennung für die gleiche Erscheinung. Eine Einschätzung der Silla-lieder als literarische Kunstwerke wird durch die Art ihrer ursprünglichen Aufzeichnung mit Hilfe der Idu-Schrift erschwert. In der Idu-Schrift wurden chinesische Schriftzeichen zur Aufzeichnung koreanischer Texte teils ideographisch teils phonetisch benutzt. Da aber der Code für die Umsetzung der koreanischen Sprache in ein derartiges Schriftbild nicht überliefert ist, ist es heute sehr schwer, den wahren koreanischen Laut herauszufinden, der sich hinter dem Schleier der Idu-Zeichen verbirgt. Dieser Umstand erschwert ein ästhetisches Werturteil über die lieder, wenn man in Betracht zieht, daß die Struktur einer Versdichtung selbst schon ein Element des Inhalts darstellt, und man den Inhalt, den Sinngehalt der Mitteilung, nicht von der Form, dem Code, trennen und man demzufolge auch die Form, den Code, nicht beliebig wechseln kann. Zur Metrik der Koryö-Kayo 239

Lyrische Dichtungen sind "Gehörgrößen", sie wollen und müssen über das Ohr in unser Bewußtsein dringen, um ästhetisch wirken zu können. Bei Lee finden wir eine kritische Bemerkung zum Versuch einer Analyse der Saenaennorae durch Ogura Shimpe. Lee wirft ihm vor, bei der Rekonstruktion der Texte nicht oder doch zu wenig von der Klangwirkung der Worte ausgegangen zu sein. Er sagt, daß Ogura Shimpe weniger Fehler unterlaufen wären, wenn er sich, ausgehend von der Klangwirkung, an das Prinzip der Silbenzählung gehalten hätte. Wir schließen daraus, daß Lee das metrische Prinzip der Silbenzählung in Zusammenwirkung mit dem ästhetischen Wohlklang als Kriterium für die richtige Deutung der Silla-Lieder ansieht. Was hier über die Deutung und Wertung der Silla-Lieder gesagt wurde, trifft im gewissen Sinne auch noch auf die Lieder der Koryö-Zeit zu, wenn auch nicht in so starkem Maße wie bei jenen. Die Unzulänglichkeit bei der Untersuchung der Koryö-Lieder besteht darin, daß wir auch hier nicht in der Lage sind, genau zu sagen, wie sie in der damaligen Zeit wirklich gesungen wurden und geklungen haben. Das unvollkommene Schriftsystem der alten Zeit verhüllt möglicherweise Eigentümlichkeiten der Aussprache, die für die Untersuchung von Bedeutung sein könnten. Für die von uns untersuchten Lieder, die ursprünglich mit Hilfe chinesischer Zeichen und zwar unter Verwendung ihrer Lautwerte (Hyangch'al P'yogiböp) aufgezeichnet worden sind, ist in einzelnen Fällen noch keine eindeutige Sinnanalyse vorhanden. In der uns vorliegenden überlieferten, zumeist altkoreani­ sehen Fassung gibt es noch immer unklare, scheinbar sinnwidrige Stellen. Die vom Vf. angefertigten Übersetzungen sind auch nicht das Resultat einer gründlichen textkritischen Analyse. Wir stellten uns lediglich die Aufgabe, den Sinn der Gedichte - wie wir ihn verstehen - wiederzugeben und eine Vorstellung von der Schönheit dieser Verse zu vermitteln.

Die Sprache im lyrischen Kunstwerk

Die Literatur als besondere Form des gesellschaftlichen Bewußtseins, als Mittel zur ästhetischen Erkenntnis der Wirklichkeit und zur künstlerisch-praktischen An­ eignung der Welt hat die Darstellung des Menschen in der ganzen Fülle seiner Tätigkeiten, seines geistigen Lebens und seines Gefühlslebens, seiner Umwelt und 240 Reta Rentner

allen seinen Umweltbeziehungen zum Gegenstand. Sie bedient sich dazu des Mittels der Sprache und des Denkens. In der Lyrik verkörpert sich die höchste Form des Daseins einer Sprache. Die Sprache im Gedicht dient nicht nur zur Vermittlung des Sinngehaltes. Der materielle, sinnlich wahrnehmbare Träger der Wortbedeutung; der Wort k I a n g , der normalerweise hinter die Bedeutung zurücktritt und kaum bewußt wahrgenom­ men wird, wird in der Lyrik wieder wesentlich. Der Wortklang fällt hier ebenso ins Gewicht wie der Wortinhalt, die Wortbedeutung. So ist das Wort in der Lyrik sowohl Material im Sinne von künstlerischem Medium als auch inhaltliche Form. Dasjenige Wort im Vers, das durch die Intonation hervorgehoben wird, das Wort, welches sich auf ein ähnlich klingendes reimt, hat besondere Bedeutung; ihm kommt außer dem Sinngehalt noch zusätzlicher Informationswert zu. So ist der Reim z.B. kein äußeres Ornament, kein "Klingklang" am Ende der Zeile; der Gleichklang bringt einander vom Sinn her femstehende Worte näher, setzt sie in Beziehung zueinander, erhöht ihre Ausdruckskraft und unterstreicht ihren Sinn. Ähnliches gilt für harmonische Klangverbindungen, für die Häufung bestimmter Laute, für Alliteration und andere Kunstmittel, vor allem aber für die Betonungs­ verhältnisse im Vers. Die rhythmische Betonung an einer bestimmten Stelle im Vers ist nicht zufällig. Versbetonung auf einem bestimmten Wort kommt immer auch Bedeutung zu. Und gerade weil den "musikalischen" Ausdrucksmitteln der Sprache im Vers Informationscharakter zukommt, ist es so schwer, Lyrik adäquat zu übersetzen. Die lyrische Poesie spiegelt die Welt anders wider als die epische Prosa. Im lyrischen Kunstwerk erfolgt bei ganz geringem Werkumfang eine viel größere Verallgemeinerung. Eine wesentliche Eigenschaft der lyrischen Poesie als Wortkunst liegt in ihrer äußersten Konzentration der Gedanken, GefüWe und folglich auch der Sprache. Die Lyrik zeichnet sich durch besonders gebaute, rhythmisch organisierte Wortverbindungen und durch eine gewäWte, gehobene Sprache aus. Die Sprache im lyrischen Kunstwerk findet ihr Analogon stets in einer der folgenden Zeilen, während die Sprache im Prosawerk kontinuierlich frei verläuft, ohne metrische Einschränkung. Aber bereits bei solchen äußerlichen Merkmalen muß man für die koreanische Lyrik eine Einschränkung machen, denn das äußerlich sichtbare Merkmal der Zeilenschreibung trifft für die MehrzaW alter koreanischer Gedichte nicht zu. Diese wurden ohne sichtbare Zäsur, gleichmäßig Zur Metrik der Koryö-Kayo 241 von oben nach unten jedes Silbenquadrat ausfüllend, aufgeschrieben. Erst in modernen Neudrucken gibt man diesen Gedichten auch äußerlich die Form der üblichen Zeilenschreibung, woraus erhellt, daß Zeilenschreibung nicht mit dem Vers gleichzusetzen ist. Entscheidendes Merkmal ist die r h y t h m i ­ s c h e Gestaltung des sprachlichen Materials. Und da sind es die Besonderheiten des phonetischen Systems einer Sprache, die maßgeblich die Eigenart des rhythmi­ schen Baus lyrischer Kunstwerke mitbestimmen. Der morphologische Strukturtyp der koreanischen Sprache ist umstritten. Als agglutinierende Sprache mit Tendenz zur Flexion hat sie eine ganz andere Formenbeschaffenheit als etwa europäische Sprachen.14 Sie kennt weder Artikel noch grammatische Person. Die flektierten Verben sind nach Person und Zahl indifferent. Die Adjektive werden ähnlich den Verben behandelt und sind in morphologischer Hinsicht mit diesen fast identisch. Charakteristisch ist die prädikative Endstellung des komplexen Verbausdrucks, der zusammen mit aggluti­ nativen Morphemen, die alle weiteren grammatischen Kategorien wie Tempora, Aspekt, Modus, Modalität, Genus verbi, Verneinung usw. ausdrücken, komplizierte Sprachgebilde mit vielen Silben ergibt. Ein besonderes Charakteristikum der koreanischen Sprache sind die sogen. Hervorhebungspartikel, die 'To', die zur Heraushebung und Unterstreichung eines Wortes dienen. Als "Themaformantien" bezeichnen sie insbesondere das logische Subjekt. Häufig sind die koreanischen Sätze jedoch unvollständig. Wenn aus dem Kontext hervorgeht, wovon die Rede ist, wird das Subjekt oftmals ausgelassen. Solche Auslassung des Subjekts wird in lyrischen Werken sehr oft als Stilmittel verwandt. Das Fehlen eines klar ausgespro­ chenen Subjekts schafft durch die bloße Übermittlung von Impressionen schweben­ de Bilder von großer Zartheit und setzt dem Nacherleben durch den Rezipienten so gut wie keine Grenze. Höhe, Länge und Betonung manifestieren sich im Koreanischen nicht so sehr im lexikalischen Wort an sich, sondern treten je nach Vorhandensein von 'To' erst in der Verbindung relativ großer Silbengruppen in Erscheinung. So ist z.B. in der Gegenüberstellungvon 'sön.hwa.kong.ju.nim'und 'sön.hwa.kong.ju.nim.un' das 'nim' des Wortes, an das ein 'To' angehängt ist, in der Aussprache stärker, höher und auch kürzer als das 'nim' ohne 'To'. Bei 'choh.ta' - 'choh.un' wird das '0' im zweiten Fall länger gesprochen als im ersten. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. 242 Reta Rentner

Wenn die Betonungsverhältnisse in der koreanischen Alltagssprache noch wenig erforscht sind, so gilt das umso mehr für die in der Gedichtsprache. Koncevic bemerkt in seiner Arbeit "Die Natur der phonematischen Länge der Vokal­ Monophtonge der koreanischen Sprache,,15, daß die Wortbetonung im Koreanischen dem Charakter nach eine musikalisch-dynamische sei, d.h. daß sie Tonhöhe und Lautstärke miteinander vereine. Koncevic stellt weiter fest, daß die Betonung im Koreanischen beweglich sei. Als sinnunterscheidendes Kriterium wird sie nicht wirksam. Erwähnenswert ist die Rolle der Vokale. Das Koreanische kennt nicht die enge Konsonantenhäufung, wie sie in europäischen Sprachen häufig vorkommt. Wir treffen fünf Silbentypen anund in allen Typen treten nur die Vokale als sonantische Silbenträger auf: - KVK, z.B. 'kil', - V, z.B. 'u', '0' - VK, z.B. 'ap", 'an', - KV, z.B. 'so', 'su', - KVKK, z.B. 'talk'. Wortkeme sind im Koreanischen in jedem Fall Vokale. Solche Worte wie 'Brunst' (KKVKKK) im Deutschen, 'piliSc' (KKVKK) im Russischen oder gar 'plst' (KKKK) im Tschechischen sind in der koreanischen Sprache vom phonetischen Bau her ausgeschlossen.16 Es ist also auch die Lautbeschaffenheit der koreanischen Sprache wesentlich anders als in europäischen Sprachen. Sie zeichnet sich aus durch ein reiches Lautsystem, durch besondere Stellung des Vokals als alleinigem Silbenträger (keine sonantischen Nasale oder Liquiden), durch charakteristische Lautmalerei, Konsonantenassimilation, Vokalharmonie und stellt durch außeror• dentlich großen Formenreichtum für den Dichter ein dankbares Material dar und bietet ein unermeßliches Wirkungsfeld für seine schöpferische Gestaltungskraft. Abhängig von solchen Besonderheiten der Sprache und ihren rhythmus­ bildenden Elementen sind die rhythmischen Einheiten entsprechend der Laut- und Formenbeschaffenheit der jeweiligen Sprache unterschiedlich. Wenden wir uns der Metrik zu. Metrik und Rhythmik, bzw. Metrum und Rhythmus als Teildisziplinen der Verslehre sind weder identisch, noch sind die klar voneinander zu trennen; sie ergänzen sich. Wir betrachten den Begriff Rhythmik Zur Metrik der Koryö-Kayo 243 als einen den Begriff Metrik umfassenden Oberbegriff, und Metrum als das Maß zur Erfassung des Versrhythmus. Der metrische Rahmen, die metrische Gliederung ist das Schema des Verses bzw. des Gedichts, sein rhythmisches Gerippe. Rhythmus besitzt eine Symmetrieeigenschaft mit zwei Komponenten: Wiederholung und Kontinuität. Auf der Empfindung von Wiederholung und Kontinuität beruht unsere Rhythmuswahrnehmung, die durch den Kontrast von Laut und Pause entsteht. In unserer Untersuchung soll es ausschließlich auf den Versrhythmus ankommen. Wir sehen ihn als eine durch ein empfindendes Subjekt ästhetisch wahrgenommene, in regelmäßigen zeitlichen Abständen auftretende Wiederholung äquivalenter Lautkomplexe an, der bei der Wiederholung von Verseinheiten entsteht. So liegt dem metrisch-rhythmischen Prinzip der a n t i k e n Sprachen (Griechisch, Latein) ein bestimmter Wechsel von Silben mit langen und kurzen Vokalphonemen zugrunde. Dieses Prinzip hat für die Antiksprachen ein metrisches System von etwa dreißig verschiedenen Arten von Versfüßen17 hervorgebracht. Nach Westphal hat die antike Lyrik daher eine quantitierende Metrik.18 Dem metrisch-rhythmischen Prinzip der d e u t s c h enVersdichtung liegt entsprechend der Lautbeschaffenheit der deutschen Sprache ein Wechsel von Silben mit Hebungen und Silben mit Senkungen bzw. ein Wechsel von laut und leise zugrunde. Damit haben wir es im Deutschen mit akzentuierendem oder auch wägendem Versbau zu tun. Bei der Behandlung der Metrik und Rhythmik der poetischen Formen herrscht bisher wenig Einheitlichkeit in der Anwendung der Termini auf die Versdichtung verschiedener Völker. Meistens versucht man, die aus der antiken Verslehre übernommenen Termini, unabhängig von der andersgearteten Beschaffenheit der jeweiligen Sprache, dem entsprechenden Untersuchungsobjekt anzupassen. Es ist fraglich, ob sich das Koreanische in dieses Schema hineinpressen läßt. Wir versuchen, ausgehend von einer möglichst genauen Strukturbeschreibung des koreanischen Verses zu einer typologischen Ein- und Zuordnung zu gelangen. Es muß aber am Ende nicht unbedingt die Feststellung stehen, daß wir es beim koreanischen Vers mit akzentuierender, quantitierender oder silbenzählender Metrik zu tun haben. 244 Reta Rentner

Zu den Koryö-Kayo

'Koryö-Kayo' ist ein vieldeutiger Begriff. Er korrespondiert mit den Termini 'Koryö• Siga' und 'Koryö-Kasa'. Ihr Begriffsinhalt ist nicht immer genau abgegrenzt. Gemeinsam ist ihnen die Beziehung auf Koryö, eine historisch durch die Herrschaft der Koryö-Dynastie (918-1392) begrenzte Zeit. Die Bezeichnung 'Koryö-Siga' ist vorwiegend für 'Hansi', d.h. für chinesische Gedichte aus jener Zeit in Gebrauch, während der Terminus 'Koryö-Kayo' Lieder und Gedichte in koreanischer Sprache, d.h. 'Kugö-Siga' meint. Er urnfaßt 'Minyo', 'Ch'amyo', 'Tongyo' und auch 'Koryö• Kasa'. 'Kasa' sind Lieder, die nur in musikalischer Begleitung vorgetragen wurden und vornehmlich der herrschenden Oberschicht zuzuschreiben sind. So sind Koryö• Kayo also Lieder volkstümlichen Charakters aus dem 10. bis 14. Jh. Von ihrer Volkstümlichkeit zeugen sowoW die Thematik als auch ihre poetische Form, ­ zumeist ein Zyklus von Strophen, die durch ein einheitliches Thema zusammenge­ halten werden und jeweils mit sich wiederholendem Refrain schließen, sowie eine bildhafte, ausdrucksstarke und gefühlsgeladene Volkssprache. Aber auch für diese Lieder hat sich die Bezeichnung 'Kasa' eingeschlichen. Das rührt wohl daher, daß in einem der Quellenwerke, in der Sammlung "Akchang Kasa" von Kim T'aejun, der Terminus 'Koryö-Kasa' für die Volkslieder der Koryö-Zeit benutzt wurde. Im "Chosön Munhak T'ongsa" gibt es eine Aufstellung, in welcher die 'Koryö• Kayo' in vier Gruppen untergliedert werden.19 Zur ersten Gruppe werden die lyrischen Werke gezählt, die von Einzelpersonen in der Muttersprache verlaßt worden sind, darunter die 'Hyangga' von Kyun YÖ, weiter das "Toichangga", "Chönggwachönggok", "Hallimbyölgok" und andere 'Kyönggihayöch'e,.20 An der gleichen Stelle heißt es aber auch, daß die unter 1) genannten lyrischen Werke keine 'Kayo', sondern "individuelle" lyrische Gedichte sind. Das zeigt, daß auch hier mit 'Kayo' Volkspoesie im Unterschied zur Kunstpoesie gemeint ist. Fraglich bleibt jedoch die Zuordnung der 'Hyangga' von Kyun YÖ, da sie ihrem Ursprung nach in die Silla-Zeit gehören und so von P.H. Lee auch behandelt wurden. In der zweiten Gruppe nennt das "Munhak T'ongsa" 'Minyo', welche die Form von 'Hansi' oder 'Akpu' haben und in der Sammlung "Soakpu" von Yi Chehyön enthalten sind. Dazu zählen das "Sarihwa", "Suchöngsa" und andere. Zur dritten Gruppe rechnet das "Munhak T'ongsa" die im "Akhakkwebom" und "Akchang Kasa" aufgezeichneten lyrischen Werke: "Ssanghwajöm", "Tongdong", Zur Metrik der Koryö-Kayo 245

"Sögyöngbyölgok", "Chöngsanbyölgok", "Chöngsökka", "Yisanggok", "Samogok", "Manjönch'un", "Kasiri" und "Ch'öyongga". Einer vierten Gruppe schließlich ordnet es die im "Tonggukt'onggam", "Munhön Pigo", "Koryösa" und im "Tonggak Chapki" enthaltenen 'Ch'amyo' als besondere Form der 'Minyo' zu, welche in chinesische Sprache übertragen, an verschiedenen Stellen dort eingestreut sind. Dazu gehören das "Pohyönch'al", "Homok", "Muk­ ch'aek", "Ayaga", "Udaehu", "Sögyöngsöng" u.a. Klammem wir aus dieser Aufstellung die Gedichte von Kyun YÖ aus, so bleiben 1) individuelle lyrische Werke und 2) Volkslieder übrig. Die Volkslieder gliedern sich in solche, die a) in koreanischer Sprache überliefert und in solche, die b) ins Chinesische übersetzt aufgezeichnet worden sind. Die gemeinsamen äußeren Besonderheiten der 'Koryö-Kayo', deren Träger das Volk ist, bestehen zunächst darin, daß ihr Autor unbekannt ist; es sind kollektive, anonyme Lieder. Unbekannt ist auch ihre Entstehungszeit, was die Einordnung erschwert. Aus den Anmerkungen und Kommentaren in den Chroniken, in welchen sie aufgezeichnet sind, sowie aus der Analyse inhaltlicher und formaler Aspekte läßt sich die Entstehungszeit ungefähr für das 13. Jh. festlegen. Dabei muß man bedenken, daß wahrscheinlich die Masse der Lieder nicht überliefert worden ist und die hier genannten nur stellvertretend für viele andere stehen. Was uns heute noch vorliegt, ist vermutlich nur ein Bruchteil dessen, was den Volksliedschatzjener Zeit ausgemacht haben mag. Die Zahl der mit Titel benennbaren 'Koryö-Kayo' wird mit sechzig angegeben. Die Zahl der im Text überlieferten Werke beträgt 38; davon sind etwa die Hälfte in 'Hanmun' überliefert. Die Zahl der Lieder schließlich, von denen mehr als nur ein Gerippe geblieben ist und die als einigermaßen zuverlässig angesehen werden können, beträgt 20.21 Die vom Verfasser vorgenommene Untersuchung beschränkte sich auf die siebzehn im "Koryö-Kayo,,22 im vollständigen Text enthaltenen Werke. Stellvertretend für die untersuchten Werke wird im folgenden die Analyse am Beispiel des "Chöngiipsa" demonstriert. 246 Reta Rentner

Analysebeispiel

"Chöngiipsa" (chöng.iip.sa) I. 1 tar.ha no.p'i.kom to.ta.sya 2 ö.ki.ya mö.ri.kom pi.ch'wi.o.si.ra a ö.ki.ya ö.kang.tyo.ri b a.ii ta.rong.ti.ri

II. 3 chön.chyö.chae nyö.rö.sin.ko 4 ö.ki.ya chiin.tae.riil tii.tae yöl.sye.ra a ö.ki.ya ö.kang.tyo.ri b a.ii ta.rang.ti.ri

III. 5 ö.nii.i.ta. nO.k'o.si.ra 6 ö.ki.ya nae.ka.non.tae chyöm.kii.ral.sye.ra a ö.ki.ya ö.kang.tyo.ri b a.ii ta.rong.ti.ri. ("Akhakkweböm" sochae)

"ChOngiipsa" (Die Worte von Chöng Üp) o du Mond, hoch hinauf erhebe dich! ö.ki.ya - und weithin leuchte, du Verehrter! ö.ki.ya ö.kang.tyo.ri a.ii ta.rong.ti.ri Auf den Markt nach Chönju ist er gegangen, ö.ki.ya - mach', du Verehrter, daß er unbeschadet zurückkehrt! ö.ki.ya ökang.tyo.ri a.ii ta.rang.ti.ri Wo er (sein Bündel) auch absetzt, verweile, du Verehrter! ö.ki.ya - und ich bitt' dich, erleuchte den Weg, den ich gehe! ö.ki.ya ö.kang.tyo. ri a.ii ta.rong.ti.ri Silben Betonung

I. 1 6.6/ •.•.•./ e.o.o.// 8 3+ 1 20.•.0.//6.•.•./ •.•.•.•.0.// 11 3+1 a u .•.o./ 6.0.•.•/ /Refrain 7 b6.•./6.•.•.•// 6 II. 3 0.0.0./ 6.0.•.•.•// 8 2+2 40.•.0//e.o.•./;'.0.•.0.0// 11 3+1 III. 5 0 .•.•.0/•.•.•.6// 8 2+ 1 6 0.•.0.// 6.0.•.6/ 6.•.0.6.0// 12 3+2

Zur Metrik der Koryö-Kayo 247

Das "Chönglipsa" ist ein altes Beschwörungslied. Eine in Chönglip lebende Frau ist über das lange Ausbleiben ihres Mannes, der als Händler auf den Wochenmarkt nach Chönju gegangen ist, beunruhigt. Sie erfleht Wohlwollen und Hilfe des Mondes und bittet ihn darum, ihren Mann auf den rechten Weg zu führen und unbeschadet heimzugeleiten. Diese Deutung geht aus einer Anmerkung über das "Chönglipsa" in der Chronik "Koryösa" hervor. Folgt man ihr, so lassen sich aus dem Hinweis auf Händler und Wochenmarkt Rückschlüsse über den sozialen Status der Sängerin ziehen. Wochenmärkte werden in den Chroniken erstmalig seit der Zeit des 35. Silla-Königes Kyöng Tök Wang (742 - 764) erwähnt. Das ist die Zeit des Vereinig­ ten Silla, als sich unter der nichtadligen Bevölkerung eine differenzierte Klassen­ schichtung in konfuzianische Gelehrte, Bauern, Handwerker und Händler ('Sanonggongsang') herauskristallisierte. Als Frau eines Händlers gehörte sie demnach einer der verachtetsten Gesellschaftsschichten an. Hieraus wird auch die Volkstümlichkeit des Liedes verständlich, dessen Aussage sich noch heute nachempfinden läßt: Die Liebe dieser Frau zu ihrem Mann dokumentiert sich in der Sorge um den so lange Ausbleibenden, die so groß ist, daß sie noch spät in dunkler Nacht hinauseilt und den Mond anfleht, sich ihr zuliebe hoch hinauf zu erheben und ihren Mann sicher nach Hause zu geleiten. Der Aussagefunktion nach haben wir es in diesem Lied mit "lyrischem Ansprechen" zu tun. Das lyrische Subjekt ist die besorgte Frau. Das Anrufen des Mondes deutet auf eine ursprüngliche Metapher hin: Im naiven Glauben der alten Koreaner erschien der Mond als überirdische Macht, die Verfügungsgewalt über menschliches Geschick hat. Es bleibt dahingestellt, ob der Titel einen Personen- oder Ortsnamen meint; er läßt beide Deutungen zu. Im Bewußtsein der Koreaner ist das Lied als Klage, Rede bzw. Wort der Frau aus Chönglip, kurz als "Chönglip-Wort" überliefert.

Zur Form des Liedes

Das "Chönglisa" besteht aus drei zweizeiligen Strophen mit Refrain von je zwei Zeilen bzw. vier Silbengruppen. Lexikalisch ist dieser Refrain bedeutungslos. Er hat Charakter und Funktion einer Interjektion und verstärkt durch stete Wiederholung 248 Reta Rentner

den Rhythmus des Liedes. Das wird besonders in der Floskel 'ök:iya' deutlich, mit der durchgängig jede zweite Strophenzeile sowie der Refrain eingeleitet wird. Übrigens endet auch jede zweite Zeile auf einen Imperativ (...sLra, ...sye.ra). In diesem Lied finden sich auch Reime. Der Reim ist der koreanischen Lyrik nicht ganz fremd, obwohl die Beschaffenheit der koreanischen Sprache dem Reim widerstrebt. Im Koreanischen steht am Ende des Satzes immer ein Verb, am Ende des Nebensatzes ein Konverb. Daraus folgt, daß auch die Verszeile in der Regel von einem Verb abgeschlossen wird. Da es eine agglutinierende Sprache ist, häufen sich am Ende des Verbs solche Silben, die lediglich grammatische Funktion und Beziehung ausdrücken, darüber hinaus aber bedeutungslos sind. Gleichklang auf lexikalisch bedeutungslose Silben mit grammatischer Funktion am Versende kann man häufig finden, Reim auf Silben, die semantisch und lexikalisch bedeutungsvoll sind, müßte bis zum Verbstamm zurückreichen. Solcher Reim in Endstellung ist im Koreanischen äußerst selten. Im "CMnglipsa" findet sich Endreim auch nur aufsolchen, von der Wortbedeu­ tung her unwichtigen, Silben: 1. Strophe: sya - ra; 1. - 3. Strophe: tyo.ri - ti. ri; 3. Strophe: sLra - sye.ra. Dagegen hat die erste Strophe Bin n e n reim, und zwar auf je zwei Adverbien fallend. Hier werden zwei von der Bedeutung her einander fernstehende Worte zueinander in Verbindung gesetzt: no.p'Lkom - mö.rLkom (hoch - weit). All i ­ t e rat ion findet sich in Zeile 3: chön.chyö.chae, verbunden mit Assonanz, wenn man die Zeile bis zum Ende verfolgt: nyö.rö.sin.ko.yo. Obwohl das der Aussprache nach verschiedene '0' sind, ist ihre Häufung doch zweifellos als Stilmittel zu werten.

Versschema

Als Zeichen für die einzelnen Silben wurden, von der üblichen Darstellungsweise absehend, nicht Striche, Bogenstriche oder Kreuze, sondern Kreise gewählt. Das ermöglicht es, die Klanggestalt der Verse durch Farben sichtbar zu machen, wenn man dem jeweiligen Vokal als Silbenträger eine bestimmte Farbe zuordnet. Zur Metrik der Koryö-Kayo 249

Das Schema zeigt, daß die Verse untereinander ziemlich regellos sind. Worte mit 2, 3, 4 und 5 Silben wechseln scheinbar willkürlich. Auffällig ist die Häufigkeit von dreisilbigen Worten, was jedoch der Beschaffenheit der koreanischen Sprache entspricht. Dreisilbige Wörter sind normal. Lediglich in Verben treten durch eine Vielzahl anzuhängender Affixe wesentlich mehr Silben auf. Auffällig an dem Schema ist jedoch die Wiederholung der Gesamtsilbenzahl je Zeile: in den Strophen alterniert 8 mit 11 bzw. 12, im Refrain 7 mit 6. Schwieriger ist die Frage nach den Betonungsverhältnissen in diesen Versen, die einer weit zurückliegenden Zeit angehören. Nach unserer Meinung trägt jedes Wort so viele Betonungen, wie es bedeutungsschwere Silben hat. Dabei ist zwischen Haupt- und Nebenbetonung zu unterscheiden. Die Hauptbetonung fällt auf die Silbe, die semantisch-lexikalische Bedeutung hat, Nebenbetonungen fallen auf Silben, die Beziehungsbedeutung haben. Unter der Vielzahl von Beziehungsbedeu­ tungen, die in einem Verb vorkommen können, gibt es in der Regel nicht mehr als eine, die durch die Betonung hervorgehoben wird. Die Worte sind gut voneinander abgegrenzt und durch kleine Atempausen voneinander geschieden, was im Schema mit einem Schrägstrich / gekennzeichnet wurde. Wo eine größere Pause eintritt, wurden zwei Schrägstriche // (= Zäsur) gesetzt. Die Silben werden im Schema wie in der Transliteration durch Punkte voneinander getrennt. Für das Betonungsschema gilt das Zeichen ' als Hauptbeto­ nung, das Zeichen ' als Nebenbetonung. Nach diesem Schema läßt sich schlußfolgern, daß das "Chöngiipsa" ein Lied mit einer gleichmäßigen Strophik ist. Die Strophen ähneln einander in der Beschaffenheit der einzelnen Verse, die damit die Einheit der Vergleichbarkeit bilden. Für die zunächst unregelmäßig und willkürlich erscheinende Betonung ergibt sich, daß die Summe der Haupt- und Nebenbetonungen in allen Strophen gleichmäßig 8 ist. Die mittlere Zahl der Betonungen im Vers ist 4. Das Betonungs­ schema zeigt, daß die Zahl der betonten, durch einen Iktus hervorgehobenen Silben nahezu konstant, die Zahl der unbetonten Silben jedoch frei ist. Wir sehen den Rhythmus dieser Verse deshalb als semantisch-dynamischen Rhythmus an, der aus der Stärkebetonung semantisch bedeutsamer Silben hervorgeht. 250 Reta Rentner

In einem Experiment wurde versucht, die Vokale dieser Verse nach ihrer Farbtonalität zu untersuchen, ohne sich jedoch dabei anvorhandenen Färblingssche• mata von A W. Schlegel oder Rimbaud, wie Mittenzwei23 und Becher24 sie beschreiben, zu orientieren. Für Strukturuntersuchungen lyrischer Werke kann es von Nutzen sein, den Stimmungsgehalt der dichterischen Sprache mittels solcher Methoden optisch sichtbar zu machen. So läßt sich an diesem Farbschema leicht feststellen, welche Vokale in den Liedern am häufigsten vorkommen. Für unsere Zwecke wandelten wir das Vokaldreieck von Cholodovic25 in ein lineares System um und ergänzten es durch 'oe' und 'wi'. Durch Zuordnung der so ermittelten Lautfolge zum Farbspektrum gelangten wir zu folgendem Färbungsindex: i: rot 0: grün e: orange oe: grünblau ae: goldgelb u: blau a: gelb Wl: violett 0: grüngelb u: blauschwarz

In dieser Tabelle erscheinen die jotierten Vokale ya, yo, yö, ye, yu usw. in der gleichen Farbe wie die nichtjotierten, weil eine größere Farbdifferenzierung die Unterscheidung nur unnötig erschweren würde.

Im "Chönglipsa" zeigt sich durch dieses Farbdiagramm die große Häufigkeit der a-, i- und o-Laute. Außerdem bestätigt es unsere Feststellungen über Reim und Assonanz. In ähnlicher Verfahrensweise wie das "Chöngupsa" sind weitere 16 Lieder26 vom Vf. untersucht worden.27

Zusammenfassung

Das Ergebnis der Untersuchung läßt sich wie folgt zusammenfassen:

1. In der zweisprachigen koreanischen Literatur, die ausgeprägten Klassen­ charakter trägt, hat die Gattung der Lyrik gegenüber der Epik und Dramatik, teilweise durch die Situation des Schriftsystems bedingt, eine vorrangige Entwicklung genommen. Die herrschende Klasse hielt auch nach Schaffung des koreanischen nationalen Lautschriftalphabets an der chinesischen Schrift fest. Zur Metrik der Koryö-Kayo 251

Die in koreanischer Sprache (Onmun) verfaßte Literatur kann man im wesent­ lichen als Volksliteratur bezeichnen. Die in chinesischer Sprache (Hanmun) verfaßte Literatur ist hauptsächlich als Literatur der herrschenden Klasse zu charakterisieren. Diese ist sehr stark durch Nachahmung des chinesischen Vorbildes gekennzeichnet. Für die Zeit des alten und mittelalterlichen Korea ist die Lyrik die traditionelle Gattung, die die größte Verbreitung gefunden hat. Ehe die epische Gattung als mögliche Kunstform in der koreanischen Literatur anerkannt wurde, hatte sich bereits eine in alle Bereiche des Lebens greifende, hochentwickelte Lyrik entfaltet. Aus der Vielfalt ihrer Thematik erklärt sich der ihr in der Gegenwart zukommende große gnoseologische Wert. Die koreanische Lyrik vermittelt wie keine andere Gattung Einblick in Leben und Fühlen, in Geisteswelt und Mentalität der koreanischen Menschen. 2. Der Ausdruck 'Koryö-Kayo' umfaßt als Sammelname die in koreanischer Sprache verfaßten lyrischen Werke (Kugö-Siga) verschiedener Genres einer bestimmten historischen Zeit, umrissen durch die Dauer der Koryö-Dynastie (918 - 1392). Vom volkstümlichen Charakter der 'Koryö-Kayo' zeugen ihre Thematik (Neben den von Frauen verfaßten elegischen Liebesliedern überwiegt die zeitbezogene Thematik und die satirische Entlarvung der herrschenden Klasse), eine dem Leben des Volkes verbundene bildhafte und ausdrucksstarke Sprache und ihre poetische Form - ein durch ein einheitliches Thema zusammengehaltener Zyklus von Strophen mit Kehrreim. Der größte Teil der Koryö-Kayo kann als kollektive, anonyme Volkspoesie angesehen werden. Sie gliedern sich in solche, die in koreanischer Sprache überliefert wurden und in solche, die durch Yi Chehyön ins Chinesische übersetzt aufgezeichnet worden sind. Ihre Entste­ hungszeit ist im allgemeinen im 13. Jh. zu suchen. 3. Die sprachliche Leistung im Gedicht wird von der inhaltlichen Aussage bestimmt. Die Aussageweisen der Lyrik - lyrisches Sichaussprechen, lyrisches Ansprechen und lyrisches Nennen - lassen sich den (kommunikativen dialogi­ schen) Funktionen der Sprache (Kundgabe, Appell und Darstellung bzw. Symptom-, Signal- und Symbolfunktion) zuordnen. Dabei ist zu beachten, daß auch Gedichte komplexe Gebilde sind, bei denen die eine oder andere Funktion überwiegt, während die beiden anderen Komponenten mitvertreten 252 Reta Rentner

sind. Ihrem speziellen Charakter und ihrem Aussagewert nach ist die Sprache in der Lyrik in erster Linie Kundgabe, d.h. esüberwiegt die Symptomfunktion. In den Koryö-Kayo sind die Aussageweisen lyrisches Sichaussprechen und lyrisches Ansprechen (oftmals gemischt) stärker ausgeprägt. Lyrisches Nennen als dominierende Komponente findet sich nur in einig~n nichtstrophischen satirischen Zeitgedichten, in den kurzen 'Minyo' und 'Ch'amyo'. 4. Die Laute einer Sprache bilden das Material für das Lautgefüge im poetischen Sprachkunstwerk. Die Formen- und Lautbeschaffenheit einer Sprache haben bestimmenden Einfluß auf Versbau, Metrik und Rhythmik. Das Koreanische hat syllabischen Versbau mit komplexem, durch semantisch­ dynamische Betonung unterstütztem (vokalisierendem) Rhythmus. In der koreanischen Sprache kommt dem Vokal als alleinigem Silbenträger besondere Bedeutung zu. Die Silben heben sich auch im Schriftbild durch die Anordnung der Buchstaben zu Silbeneinheiten mit dem Vokal im Zentrum deutlich ab. Die Häufigkeit der Vokale in den Koryö-Kayo ist so abgestuft, das 'o'/,ö', 'a' und 'i' eindeutig an erster Stelle stehen. Danach folgen 'ae' und 'U'. 'e', 'oe', 'wi' und 'u' kommen im Vergleich zu den vorgenannten Vokalen wenig vor, 'e' fast nur in Silben mit Beziehungsbedeutung, 'wi' öfters als Interjektion; 'u' kommt selten vor, es häuft sich in sinokoreanischen Worten. Die koreanische Sprache entbehrt in starkem Maße der Reimfähigkeit. Sie stellt ihrer morphologischen Struktur nach einen Übergang zwischen einer (vorwiegend) agglutinierenden und einer flektierenden Sprache dar. Der ko­ reanische Vers kann keine oder fast keine Endreime bilden, da die letzten Sil­ ben des Verses, zu Konverb oder prädikativem Verb in Satzschlußstellung gehörend, keine Sachbedeutung, sondernlediglich Beziehungsbedeutungtragen. Die koreanische Sprache hat eine freie, semantisch-dynamische Betonung und zeichnet sich durch weitgehende Indifferenz gegenüber Höhen und Längen aus. Die Betonungsverhältnisse im koreanischen Vers (Koryö-Kayo) sind durch Gleichheit zwischen der Anzahl der Sememe und der Betonungen gekennzeich­ net. Die Betonungen sind nach unterschiedlicher Intensität abgestuft (Haupt­ und Nebenbetonung). Hauptbetonungen fallen auf Silben mit Sachbedeutung (Wortstämme); Nebenbetonungen fallen auf Silben mit Beziehungsbedeutung (Affixe). Die Intervalle zwischen den Hebungen schwanken zwischen 0 und 2 Silben. Auf eine Betonung entfallen durchschnittlich 3 Silben. Unter der Zur Metrik der Koryö-Kayo 253

Vielzahl von Beziehungsbedeutungen, die in einem Verb vorkommen können, gibt es in der Regel nicht mehr als eine, die durch den Akzent hervorgehoben wird. Der Stärkeakzent der Nebenbetonung liegt dann auf der Silbe mit der dominierenden Bedeutung. Im koreanischen Vers fallen rhythmische Einheitenmitsemantischen Einheiten (syntaktisch modifiziertes Wort) zusammen. In den Koryö-Kayo werden diese Grundeinheiten von Silbengruppen mit einer Länge von 2, 3 und 4 Silben gebildet. Die Koryö-Kayo haben komplexen Rhythmus, der aus dem Zusammenwirken mehrere Elemente (Klang, Semantik, Dynamik, Melodik) entsteht, wobei die mit wenigen Ausnahmen konstante Anzahl der Hebungen bedeutungsvoll ist (Volksliedvers). Als dominierendes Element hebt sich der Klang heraus.

5. Obwohl zu den Koryö-Kayo keine Melodien überliefert sind, läßt sichschlußfol• gern, daß das musikalische Element an der Rhythmusbildung beteiligt war. Auf den liedhaften Charakter der Koryö-Kayo verweist schon der Ausdruck 'Kayo'. Für eine ursprünglich musikalische Ausführung sprechenweiterhin Strophentei­ lung, Kehrreim, die Silben 'ka', 'kok', 'yo' und andere mit der Musik verbunde­ ne Hinweise im jeweiligen Titel. Die Quellenwerke nahmen die Koryö-Kayo jeweils in der musikalischen Sektion der betreffenden Sammlung auf. 6. Die Koryö-Kayo weisen eine reiche Skala von Kunstmitteln auf. So werden in den Liedern zahlreiche Tropen verwandt: Vergleich, Metapher, Personifi­ zierung, Hyperbel, Allegorie und Doppeldeutigkeit. Auffallend häufig ist die Wiederholung von Worten und Wendungen. Das Wort, welches die Hauptbe­ deutung trägt, wird bis zu dreimal wiederholt. Der Kehrreim der Lieder mit strophischem Aufbau besteht zumeist aus einer Aneinanderreihung von lexikalisch bedeutungslosen, lautmalendenSilben mit Interjektionsfunktion; die stete Wiederholung unterstreicht Rhythmus und Grundstimmung des Liedes.

Weitere Kunstmittel sind Alliteration, Assonanz und die häufige Verwendung von Interjektionen, daneben Anapher, Epipher, Inversion, Enjambement, thematischer und syntaktischer Parallelismus, Vorliebe für die Verwendung dreisilbiger rhythmischer Einheiten, häufig fehlendes Subjekt, zeitindifferente Verbform und unvollständige, abgebrochene Sätze. 254 Reta Rentner

7. Das "Hallimby6Igok" nimmt unter den Kory6-Kayo eine Sonderstellung ein. Hier erfolgt erstmals in einem 'Kug6-Siga' die Versifikation nach einem streng kanonisierten Schema. Am "Hallimby6Igok" wird der Einfluß der chinesischen Lyrik auf die koreanische Poesie deutlich. Es werden vorwiegend sinokoreani­ sche Worte verwandt, deutlich ablesbar auch am Lautbestand (auffallend viele 'u'). Das Fehlen eines klar ausgesprochenen Subjekts, unvollständige Sätze sowie zeitindifferente Verbform schaffen durch die Andeutung von Bildern Impressionen, die kraft ihrer Suggestion beeindrucken, die Phantasie aktivieren und so dem Nacherleben weiten Raum lassen. Die 'Py61gok'-Form hatte Einfluß auf die später entstandenen 'Sijo' und 'Kasa'. Sie gehört wie diese zum Versbausystem der 'Chönghy6ngsi' (Typengedichte). 8. Das "Ch'6yongga" fällt gänzlich aus dem Rahmen der Kory6-Kayo heraus. In Strophen unterschiedlicher Länge und verschiedenen Aufbaus stellt es eine Art dramatischen Wechselgesang dar. Seiner Funktion nach ist es ein Beschwö• rungslied. Es hat einige Besonderheiten, - unvollständige, abgebrochene Sätze, Inversion, grammatische Auslassungen, verkürzte Worte, Reim auf grammati­ sche Endungen, die es deutlich von anderen Liedern abheben. 9. Die kurzen, meist vierzeiligen 'Ch'amyo' zeichnen sich durch Doppeldeutigkeit aus. Ohne Anmerkung ist ihr aktueller Bezug heute nicht mehr zu verstehen. Die Übersetzung hat diese Spott- und Scherzlieder ihrer ursprünglichen Form beraubt. Zahlreiche Interjektionen und Imperative lassen vermuten, daß sie, an eine konkrete gesellschaftliche Situationgebunden, eine bedeutende "Wirkfunk­ tion" hatten.

Anmerkungen

1 Rentner, R.: Zur Genetik der Formen und Genres in der koreanischen Lyrik (Konzeption zu einer koreanischen Versgeschichte). In: Wiss. Zs. der Humboldt­ Universität zu Berlin, Ges.-Sprachw. R. XVI (1967) 3. 2 Yi Ungsu (Hrsg.): Kory6 Kayo. P'y6ngyang 1954. Zur Metrik der Koryö-Kayo 255

3 Lee, P.H.: Studien zum Saenaennorae. Altkoreanische Dichtung. Ein Beitrag zur Wertung der japanischen Studien über altkoreanische Dichtung. Phil. Diss. München 1958. Ders.: Studies in the Saenaennorae. Old Korean Poetry. Roma 1959. 4 Nikitina, M.l.: Drevnjaja korejskaja poezija v svjazi s ritualom i mifom. Moskva 1982. Weitere Arbeiten zur koreanischen Poesie von M.1. Nikitina sind im Literaturver­ zeichnis des erwähnten Werkes genannt, darunter z.B. das Vorwort zur Sammlung koreanischer Lyrik des VIII. - XIX. Jh. "Bambuk v snegu" (Bambus im Schnee), Moskva 1978. 5 Z.B. Pak Chongsik: Munhak Kaeron. P'yöngyang 1960. Ders.: Uri nara chaksi ch'egyeui umryulchök kich'o. In: Chosön Munhak 12/1958. Hyön Chongho: Chosön sigaiii chongryu wa chaksiböpe taehan sachök koch'al. P'yöngyang 1963. 6 Rentner, R: Studien zur mittelalterlichen koreanischen Verskunst: "ko.rjo.ka.jo". Diss. A Humboldt-Universität zu Berlin 1966. 7 Yi Ungsu (Hrsg.): Koryö Kayo. P'yöngyang 1954. 8 Hyön Chongho: Historische Untersuchung über die Arten des koreanischen Gedichts und die Poetik. Vg!. Note 5. 9 Pak Chongsik, Hyön Chongho u.a. 10 Pak Chongsik: Munhak Kaeron. S. 207 ff. 11 Hyön Chongho: a.a.O., S. 173. 12 Ebd. S. 178 f.

13 Lee, P.H.: Studien zum Saenaennorae. Altkoreanische Dichtung. Ein Beitrag zur Wertung der japanischen Studien über altkoreanische Dichtung. Phi!. Diss. München 1958. Ders.: Studies in the Saenaennorae. Old Korean Poetry. Roma 1959. 14 Eine umfassende Beschreibung des Formemeichtums der koreanischen Sprache findet man in der "Morphologie des koreanischen Verbs" von Bruno Lewin, die für jeden Koreanisten das Nachschlagewerk schlechthin ist. Lewin, B.: Morphologie des koreanischen Verbs. Wiesbaden 1970. 15 Koncevic, L.R: In: Korejskij jazyk. Sbornik stat'ej. Moskva 1961, S. 40 ff. 16 Junker, H.F.J.: Über Phoneme im Koreanischen. Wiss. Zs. der HUB, NI. 1/1953/54. Ders.: Koreanische Studien. Berliner Akademie der Wissenschaften 1953/5, hrsg. 1955. 17 Choräus oder Trochäus, Jambus, Daktylus, Spondäus, Anapäst usw. 18 Westphal, R: Allgemeine Metrik der indogermanischen und semitischen Völker auf Grundlage der vergleichenden Sprachwissenschaft. Berlin 1893. 19 Chosön Munhak T'ongsa (sang). P'yöngyang 1959, S. 168. 20 Eine Form von Typengedichten, die in der Koryö-Zeit entstand und bis ins 16. Jh. benutzt worden ist. 256 Reta Rentner

21 Vgl. Yi Ungsu im Vorwort zu "Koryö Kayo", a.a.O., S. 2. 22 Rentner, R.: Studien zur mittelalterlichen koreanischen Verskunst: ''ko.rjo.ka.jo''. Diss. A Humboldt-Universität zu Berlin 1966. 23 Mittenzwei, J.: Das Musikalische in der Literatur. Halle 1962, S. 118 ff. 24 Becher, J.R.: Das poetische Prinzip. Berlin 1957, S. 95 f. 25 Cholodovic, AA: Ocerk grammatiki korejskogo jazyka. Moskva 1954, S. 8. 26 "Tongdong", ca. 13. Jh. "Sögyöngbyölgok", ca. 13./14. Jh. "Kasiri", 7. Jh. (?) "Samogok", Entstehungszeit unbekannt "Chöngsanbyölgok", ca. 13. Jh. "Chönggwachöng", 12. Jh. "Chöngsökka", ca. 13./14. Jh. "Hallimbyölgok", 13. Jh. "Ch'öyongga", ca. 9. Jh. "Kösaryön", 13. Jh. "Sarihwa", 13. Jh. "Changam", 13. Jh. "Pohyönch'al", 12. Jh. "Mukch'aegyo", 14. Jh. "Ayaga", 14. Jh. "Udaehu", 14. Jh. 27 Rentner, R.: Studien zur mittelalterlichen koreanischen Verskunst: "ko.rjo.ka.jo". Diss. A Humboldt-Universität zu Berlin 1966. Die Beschreibung Koreas durch Luis Fr6is (ca. 1594)

Arcadio Schwade (Rhede)

Im dritten und letzten Teil der "Historia de Japam" (Geschichte Japans, 1589-1593) von Luis Fr6is1 finden wir im Kapitel 71 eine kurze Beschreibung Koreas. Diese dürfte die älteste von einem Europäer verfaßte Darstellung des genannten Reiches sein. Der Autor Lufs Fr6is (1532-1597), der 1532 in Lissabon das Licht der Welt erblickt hatte, lebte nur 16 Jahre lang in seinem Heimatland. Wälrrend der weiteren 49 Lebensjahre finden wir ihn in Asien, 14 davon in Indien, und die anderen 35 in Japan, mit Ausnahme von zwei bis drei Jahren, die er von Oktober 1592 bis Juli 1595 in Makao verbrachte. Dort erhielt er 1593 von seinem Ordensgeneral Claudio Aquaviva den Auftrag, die Geschichte Japans, deren Abfassung er 1589 unterbro­ chen hatte, weiterzuschreiben. DerAufforderung seines Ordensobern entsprechend, verfaßte er zwischen Ende 1593 und seiner Rückkehr nach Japan im Juli 1595, die 80 Kapitel des letzten Teils seiner "Historia de Japam", die Josef Wicki im V. Band der Gesamtausgabe derselben Geschichte zum ersten Mal im Originaltext 1984 veröffentlicht hat.2 Die in diesem Band für die Jahre 1588 bis Oktober 1592 geschilderten Ereignisse hat der Autor selbst in Japan miterlebt. Die der Folgezeit, nämlich von Oktober 1592 bis Anfang 1594, hat Fr6is durch die Berichte seiner in Japan lebenden Mitbrüder erfahren und für seine Geschichte verwendet.3 In den letzten 12 Kapiteln schildert Fr6is zuerst Toyotomi Hideyoshis Pläne und Vorbereitungen für die Eroberung Koreas und Chinas, dann bringt er die kurze Beschreibung Koreas, die auf den folgenden Seiten dieser Studie in der deutschen Übersetzung wiedergegeben wird. In den Kapiteln 72 bis 80 beschreibt er den Verlaufvon Hideyoshis erstem Feldzug gegen Korea und die Aufnahme der darauf folgenden Friedensverhandlungen mit China.4 Auf welchem Weg Fr6is und andere in Japan tätige Jesuiten ihre Kenntnisse über Korea erhalten haben, wird von Fr6is im Kapitel 70 des dritten Teils seiner 258 Arcadio Schwade

Geschichte Japans kurz angedeutet.5 Sie wurden vorwiegend vom Daimyä der Insel Tsushima vermittelt. Vor 1589 war es vor allem Sä Yoshishige, der den Han­ dels- und diplomatischen Verkehr zwischen Japan und Korea aufrecht hielt, und an Hideyoshi alle gewünschten Informationen über das Nachbarland gab. Nach Yoshishiges Tod, Anfang 1589, setzte dessen Adoptivsohn und Nachfol­ ger, Sä Yoshitomo, die Vermittlerrolle zwischen Japan und Korea fort. Sä Yoshitomo war mit einer Tochter des Konishi Yukinaga vermählt, der damals Oberbefehlshaber derjapanischen Flotte und einer der führenden Christen in Japan war. Letzterer unterhielt stets enge Beziehungen zu den Jesuiten in Japan. Als Schwiegervater und Helfer des seit 1589 auf der Insel Tsushima regierenden Daimyä Sä Yoshitomo, erhielt er von diesem viele Informationen über Korea, qie er sowohl an Hideyoshi als auch an die Jesuiten weitergab.6 Hinzu kam, daß ab Ende 1593 der in Japan tätige spanische Jesuit, Greg6rio de Cespedes, zusammen mit einem japanischen Mitbruder sich mehrere Monate lang zur geistigen Betreuung der japanischen Christen in Korea aufhielt. Die vom Provinzial der Jesuiten in Japan im Jahresbericht vom 8. Februar 1594 aus Nagasaki gemeldeten Nachrichten aus Korea, bringt Fr6is auch in seiner Geschichte Japans, darunter auch Auszüge aus einigen Briefen des Greg6rio de Cespedes von Korea.? Bei dem von Wicki veröffentlichten Manuskript der "Historia de Japam" handelt es sich um eine Kopie, die im 18. Jh. in Makao vom portugiesischen Jesuiten Jose Montanha vom Original-Manuskript von Fr6is gemacht wurde. Von dem oben genannten dritten Teil gibt es zwei handschriftliche Kopien in Portugal, die eine in der "Biblioteca da Ajuda" und die andere in der Nationalbibliothek von Lissabon.8 Eine japanische Übersetzung der gesamten Geschichte Japans von Fr6is hat der Chüä Käron Verlag zwischen 1977 und 1980 unter dem Titel "Furoisu Nihon-shi" in 12 Bänden veröffentlicht. Die Übersetzung vom Portugiesischen ins Japanische wurde von zwei japanischen Professoren der Kyäto Gaidai Universität, Matsuda Kiichi und Kawasaki Momota durchgeführt und von Matsuda mit Arunerkungen versehen. Zu bemerken ist, daß die japanische Ausgabe von Fr6is' "Historia de Japam" nicht in der chronologischen Reihenfolge des Originals gemacht wurde, sondern der Inhalt des Gesamtwerks, in vier Teile aufgeteilt, mit den zu jedem Teil gehörenden Kapiteln herausgegeben wurde. So werden in den ersten zwei Bänden alle Kapitel veröffentlicht, die über Hideyoshi handeln. Die Bände 3-5 behandeln Beschreibung Koreas durch Lufs Fr6is 259 die Ereignisse im Gokinai-Gebiet (Provinzen von Zentraljapan); die Bände 6-8 die Ereignisse im Gebiet von Bungo (Ost-Kyüshü); und die Bände 9-12 die im Gebiet von West-Kyüshü. Der Bericht über Toyotomi Hideyoshis Korea-Feldzug erscheint in der japanischen Übersetzung in Band 2, S. 159-215.9 Ein Teil der von Matsuda K. dem japanischen Text beigefügten Anmerkungen wurde auch für die der vorliegenden deutschen Übersetzung verwertet.

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71. Kapitel

Die Beschreibung des Königreichs KörailO und wie Agostinho mit seiner Kriegsflot­ te dorthin zog.11 Um die durch die Eroberung Körais ausgelösten Folgen besser zu verstehen,12 ist es erforderlich, zuerst die Beschaffenheit desselben und die Eigenschaften seiner Bevölkerung kennenzulernen. Als Grundlage dazu dienen die Informationen, die der Kambaku von dort erhielt13 und auch die gedruckten Karten von der Beschreibung und Lage desselben Landes, die man ihm von dort mitbrachte. Dieses Land Körai ist in acht verschiedene Reiche aufgeteilt.14 Sie werden nach Farben benannt, als wenn man sagen würde: das rote Reich, das weiße Reich, das grüne Reich, das violette Reich usw. Die hier vom Autor angeführten Namen von Reichen oder Provinzen haben die Japaner nicht nach ihren wirklichen Namen, sondern nach den Farben genannt, in denen sie auf der Landkarte der Einwohner vorgefunden wurden.15 Es [Korea] liegt 80 Meilen nördlich von Hirado. Ihr nächstes [südlichstes?] Küstengebiet liegt in der Höhe des 35. Breitengrads. Der japanischen Meilenbe­ rechnung zufolge hat es von Norden nach Süden eine Länge von 250 Meilen, die nach unserer Berechnung 166 entsprechen.16 Von Westen nach Osten ist es ca. 90 oder mehr breit. Es hat Grenzen mit drei oder vier Nationen. Die erste ist die der Chinesen im Westen, mit der es in Lehensbeziehung steht. Im Norden und Nord­ osten grenzt es an das Gebiet der Tartaren und der OrankaiP Das der letzteren ist eine Landzunge, die im Norden Japans eine große Bucht bildet, und in ihrem 260 Arcadio Schwade nördlichen Teil sich oberhalb der Insel der Yezo18 ausdehnt. Die Einwohner von Orankai unterhalten Handelsbeziehungen mit denen von Yezo. Die Körais stoßen oft mit den Tartaren und Orankais zusammen und leisten ihnen heftigen Widerstand. Vor einigen Jahren verbündeten sich die Orankais mit den Tartaren und einem anderen Volk, das die Koreaner Yximoku nennen, d.h. Leute, die weder Sonnen- noch Monds.chein haben und die nördlichen Einwohner zu sein scheinen.19 Trotz des Bündnisses dieser drei Völker gelang es ihnen nicht, in einer Feldschlacht die Koreaner zu besiegen, durch die sie in große Bedrängnis gebracht wurden. Dieses Königreich Körai hat im südlichen Teil eine Insel, die dem Bericht zufolge, etwa 50 Meilen Meer einwärts liegen soll, wenn auch die Entfernung nicht so groß zu sein scheint. Sie hat Gebirge, die bis in die Wolken reichen und durch ihre außergewöhnliche Höhe berühmt sind. Diese Insel heißt Köraisan.20 Das Land ist fruchtbar. Es hat viel Reis, Getreide und Obst, wie z.B. Birnen, Nüsse, Feigen, Kastanien, Äpfel, Pinienkerne und eine unendliche Menge Honig, etwas Seide, viel Baumwolle und Leinen. Es wird berichtet, daß das Land arm an Gold- und Silberminen sei. Es besitzt eine große Zahl an Pferden und Kühen, gute Kleinpferde, Esel und überall im Lande viele Tiger und andere verschiedene Tiere. In den handwerklichen Arbeiten, die sie verrichten, zeigen sie viel Geschick, indem sie sie wohlgestaltet und gut ausgeführt machen. Die Leute sind weiß und gut aufgelegt. Sie essen viel, sind kräftig und sehr gewandt im Gebrauch von Pfeil und Bogen, die so klein sind wie die der Türken. Den Berichten zufolge benutzen sie Schlangengift tragende Pfeile. Sie besitzen kräftige und große Boote, die oben ein [Schutz]dach tragen. Sie gebrauchen Pulverbehälter und Feuerwerke. Sie besitzen eine Art Bombarde, verwenden aber keine Kugeln, sondern einen Pfeil aus Holz, der so dick ist wie der Schenkel eines Menschen, und an der Spitze ein hakenförmiges Eisen hat, das einem Fischschwanz ähnelt und durch den furchtbaren Druck alles zerreißt, was es trifft. Ihre anderen Waffen sind schwach, vor allem die Schwerter, die kurz und unbedeutend sind. Sie benutzen einige Gewehre ohne Kolben. Sie werden von den Chinesen gefürchtet, obwohl sie ihnen Steuern zahlen. Sie haben einen eigenen König, der mit seinem Hof und vielen Leuten in riesigen Beschreibung Koreas durch Luis Fr6is 261

Palästen der größten und vornehmsten Stadt des Reiches residiert.21 Viele Häuser sind mit Ziegeln, andere mit Stroh bedeckt und nicht besonders sauber. Aber die Adligen und Reichen belegen ihre Häuser mit sehr guten und glänzenden Binsenmatten, die von den Japanern und Portugiesen, die hierher kommen, geschätzt werden, weil sie aus feinem Stroh hergestellt und durch gute Handarbeit verziert sind. Das Land ist sehr kalt. Um sich gegen die Kälte zu schützen, benutzen sie Kohlebecken. Die Flüsse frieren ein und die Eisdecke wird sehr dick. Der gesamte Ertrag des Landes wird vom König eingenommen, der dann an die Bauern die Nahrungsmittel verteilt, die sie für ihren Unterhalt benötigen. Im Inneren des Landes besitzen sie einige Festungen, die nicht besonders ausgestattet sind. Sie haben sich sehr bemüht, die Japan gegenüberliegenden Festungen gut zu versorgen, in die sie die ganze Fülle ihrer Munitionen gesteckt haben. Die Körais befolgen den Grundsatz, auf keinen Fall irgendeiner fremden Nation Handelsbeziehungen mit ihrem Reich zu erlauben, außer den 300 Japanern, die alljährlich zum Handelsverkehr dorthin fuhren. Wenn es vorkam, daß eines unserer Schiffe22 auf der Fahrt nach Japan, durch Wind oder Meeresströmungen von seinem Kurs abgetrieben einen ihrer Häfen anfuhr, dann kamen sie sofort mit zahlreichen bewaffneten Booten entgegen, um mit ihnen [den Portugiesen] zu kämpfen und sie aus ihren Häfen und von ihrem Lande ganz zu vertreiben, ohne irgendeine Rechtfertigung oder Entschuldigung anzunehmen.23 Das Volk ist sehr stolz auf seine Schrift mit denselben Zeichen wie sie in China benutzt werden und auch auf seine Religion und seine menschlichen Umgangsfor­ men. In ihrer Sprache haben sie die erste, zweite und dritte Person und eine Art von Bindewörtern. Ihre Sprache ist leichter auszusprechen als die der Chinesen. Außer der gewöhnlichen Umgangssprache des allgemeinen Volkes, gebrauchen die Gebildeten und Hofadligen eine andere, höflichere und schönere Sprache. Der Religionskult ist derselbe wie der in Japan: Sie verehren Shaka und Amida. Sie haben sehr reißende Flüsse. Einer von ihnen ist an der Mündung zehn Meilen breit. Es wird berichtet, daß das Reich der Körais, an dem an China grenzenden Teil, eine große und schwer passierbare Sandwüste hat. 262 Arcadio Schwade

Unter den häufigsten Waren, die von Körai über die Insel Tsushima nach Japan gebracht werden, befinden sich schöne und große Felle von Tigern, die sie mit Speeren, Pfeilen und Bogen zu Pferd jagen. Die von ihnen getragenen Kleider sind denen der Chinesen ähnlich, lang und mit sehr breiten Ärmeln, rundherum lang und mit vielen Falten. An einigen Kleidern, die hierher geliefert wurden, haben wir in Nagasaki die feinste und vollendetste Näharbeit gesehen, die man überhaupt leisten kann, und zwar so, daß man gut und genau schauen muß, um in einigen Teilen feststellen zu können, ob sie zusammengeklebt oder mit Nadel und Faden zusammengenäht sind. Das ist zusammengefaßt, was man an Kambakus Hof24 durch die Personen erfahren hat, die öfters dorthin [nach Korea] gereist sind."

Anmerkungen

1 Als Grundlage für den vorliegenden Beitrag wurde die neueste und bisher einzige Gesamtausgabe in 5 Bänden von L. Fr6is "Historia de Japam", herausgegeben und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von Josef Wicki genommen. Die einzelnen Bändeerschienen wie folgt: Bd. I Primeira parte (1549-1564), Lisboa 1976; Bd.II Primeira parte (1565-1578), Lisboa 1981; Bd. m Segunda parte (1578-1582), Lisboa 1982; Bd. IV Segunda parte (1583-1587), Lisboa 1983; Bd. V Terceira parte (1588-1593), Lisboa 1984. 2 Weitere biographische Angaben über Fr6is, s. Wicki, J.: Lufs Fr6is, Historia de Japam I, S. 3*-10*. 3 s. Wicki, ebd., S. 23*. 4 s. Wicki: Fr6is, Historia de Japam, Bd. V, S. 530-608. 5 s. Wicki, ebd., S. 540. 6 s. Schwade, A.: Der China Eroberungsplan des Toyotomi Hideyoshi. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Supplement m,2 (Wiesbaden 1977), S. 1333-1339. 7 s. Wicki, ebd., V, S. 572-578 und S. 600; s. auch Schwade, A.: CMsen no eki ni okeru Nichi-Min wahei kösM ni tsuite ("Die Friedensverhandlungen zwischen Japan und Ming-China während des Korea-Krieges"), In: Kirishitan Kenkyü, Bd. 11 (Tökyö 1966) S. 311-316. 8 Die 1720 in Lissabon gegründete "Königliche Akademie der Geschichte Portugals" (Academia Real da Hist6ria de Portugal) hatte die Herstellung einer Geschichte Beschreibung Koreas durch Lufs Fr6is 263

über die Tätigkeit der Portugiesen in Asien geplant und versuchte, die dafür benötigten Materialien zu sammeln. Jose Montanha (1708-1764) begann bald nach seiner Ankunft in Makao (November 1742) von den stark beschädigten Original­ schriften des dortigen Jesuitenarchivs eine handschriftliche Kopie für die Königliche Akademie der Geschichte Portugals herzustellen. Einige Jahre später setzte der Jesuit Joäo Alvares diese Arbeit fort, der vor allem eine zweite Kopie für die Zentrale der Jesuiten in Portugal herstellte. Die beiden handschriftlichen Kopien wurden später nach Europa gesandt. Vom letzten Teil der "Historia de Japam" (1589-1593) von Fr6is wird eine der damals angefertigten Kopien in der Sammlung "Jesuftas na Asia" der Ajuda-Bibliothek von Lissabon unter der Katalog-NI. 49­ IV-57 aufbewahrt. Eine zweite handschriftliche Kopie desselben Teiles befindet sich in der National-Bibliothek von Lissabon unter der Katalog-NI. 177361 (s. Wicki: Fr6is, Historia de Japam I, S. 20*-24*; Schütte, Fr.J.: EI "Archivo deI Jap6n". Madrid 1964, S. 38-45). 9 s. Matsuda, K. und Kawasaki, M.: Fr6is, Nihon-shi, 2, Tökyö 1977. 10 Körai: So wurde Korea damals von den Japanern genannt. 11 Der letzte kürzere Teil dieses Kapitels wird hier nicht übersetzt, weil er nicht mehr die Beschreibung Koreas, sondern den Beginn des Krieges mit Korea schildert. "Agostinho" ist der christliche Name des Oberbefehlshabers der japanischen Flotte, Konishi Yukinaga (+ 1600), der die ersten Invasionstruppen nach Korea anführte. 12 Die jap. Invasionstruppen eroberten den größten Teil Koreas zwischen April 1592 und Januar 1593, wurden dann aber, durch den Koreanern zu Hilfe gekommenen Chinesen gezwungen, sich in den südlichen Teil der koreanischen Halbinsel zurückzuziehen. 13 s. oben Anmerkung 6. 14 "Reiche" bezieht sich auf die folgenden acht Provinzen, in die Korea damals aufgeteilt war: P'yöngan Gap. Heian-dö), Hamgyöng (Kankyö-dö), Hwanghae (Kökai-dö), Kangwön (Kögen-dö), Kyönggi (Keiki-dö), Ch'ungch'öng (Chüsei-dö), Chölla (Zenra-dö) und Kyöngsang (Keishö-dö) (s. Hatada, Takashi: A History of Korea. Eng!. Übers. von Warren W. Smith und Benjamin H. Hazard, Santa Barbara, Calif., 1969, S. 77; Hayashiya, T.: Tenka ittö [Die Einigung des Reiches]. In: Nihon no rekishi, 12, Chüö köron-sha, 1966, S. 464-465). 15 Diese Benennung nach den Farben, in denen die koreanischen Provinzen auf Landkarten Koreas dargestellt wurden, wird von Matsuda, K.: Furoisu, Nihon-shi, 2, S. 217-218, Anmerkung 4, auch aus ebd. angeführten jap. Quellen bestätigt. 16 Gemeint ist hier die portuguiesische Berechnung. Drei jap. Meilen (ri) entsprachen damals etwa zwei portugiesischen. 17 "Orankai": unter den japanischen Historikern gibt es Meinungsverschiedenheiten über den hier genannten Volksstamm, nämlich darüber, ob die hier genannten Orankai mit den Ainu (Ezo) verwandt, oder Mitglieder eines von denselben ganz verschiedenen Volksstarnnles in der Mandschurei seien (s. Matsuda, ebd., 2, S. 218, Anm. 5). Wicki gibt in Fr6is, Historia de Japam, V, S. 544, Anm. 4, die Orankai als einen Volksstarnnl in der Mandschurei an. Über die "Orankai" s. auch Cieslik, H.: 264 Arcadio Schwade

Hoppö tankenki [Erkundungsbericht über die nördlichen Gebiete], Tökyö 1962, S. 101-104, Anm. 9. 18 Zu vermerken ist, daß Fr6is hier von der "Insel der Yezo" spricht, während der italienische Jesuit, Jeronimo de Angelis, in seinem Brief vom 1. Oktober 1618 berichtet, "das Land der Yezo [Hokkaidö] sei keine Insel, sondern verbunden tnit dem Festland, in dessen östlicher Richtung die Tartarei und China lägen" (s. Ciestik, ebd., S. (8». Aber diese Meinung änderte de Angelis während seines folgenden Besuches von Hokkaidö im Jahre 1620. In seinem Schreiben von 1621 berichtet er, wie er nach weiteren Erforschungen zur Überzeugung gelangt sei, daß das Land der Yezo eine Insel sei (s. Ciestik, ebd., S. (29-33». 19 Matsuda gibt sie als unidentifizierbar an (s. Matsuda, ebd., S. 218, Anm. 6). 20 Die Japaner nannten diese Insel damals "Karaisan". Heute wird sie (wstl.) Quelpart.von den Koreanern Cheju genannt, Anmerkung v. Verf. 21 Seoul Gap. Keijö). 22 Gemeint sind hier die der Portugiesen. 23 Überliefert wird der Fall einer portugiesischen Dschunke, die 1577 infolge eines Sturmes bis zur koreanischen Küste abgetrieben wurde. Dort fielen einige Portugiesen in die Hände der Koreaner, die sie umgebracht haben. Nur tnit großer Mühe gelang es der Portugiesendschunke, sich nach Japan zu retten (s. Wicki: Fr6is, Historia de Japam, 11, S. 512; Boxer, Ch.R.: The Great Ship from Amacon. Lisboa 1968, S. 38). 24 Kambaku oder Kampaku: Regent oder Großkanzler. Es war früher eines der höchsten jap. Regierungsämter. Hideyoshi hatte es ab 1585 inne (s. Goch, U.: Kampaku. In: Hamtnitzsch, H. (Hrsg.), Japan Handbuch. Wiesbaden 1981, S. 427­ 428). Politische Gegensätze innerhalb der japanischen Militärverwaltungen im südostasiatischen Raum 1942-1945 Die Fälle Burmas und Indonesiens

Lliszl6 Sluimers (Naarden, Holland)

In seiner ersten Studie zur japanischen Besatzungspolitik in Indonesien1 zeigte der amerikanische Historiker Dr. Harry J. Benda sich sehr beeindruckt von der Wirksamkeit der japanischen Gleichschaltungsmaßnahmen während des ersten Jahres der japanischen Herrschaft über das politische Zentrum des Landes, die Insel Java. Wahrscheinlich mit Recht. Daraus jedoch die Schlußfolgerung zu ziehen, die japanischen Militärverwaltun• gen im besetzten Gebiet seien vom Geiste des Wa, der Harmonie gekennzeichnet, erscheint etwas übertrieben. Möglicherweise ist hier der entscheidende Mangel zu sehen in Bendas Hauptwerk, The Crescent and the &sing Sun2, da er die Streitigkei­ ten zwischen den verschiedenen japanischen Instanzen fast nirgendwo erörtert. Jedenfalls erklingt aus dem Buch Jawa Shüsen Shoriki3 von Oberstlt. a.D. Miyamoto Shizuo, als Sakusen Sanbö, Stabsoffizier für Operationen, 1944-1945 wahrscheinlich der operative Kopf der aufJava stationiertenjapanischen 16. Armee, ein ganz anderer Ton. So schreibt Miyamoto zur PETA4 und ihrem Spiritus Rector, Hauptmann Yanagawa Motoshige5:

"Sollte man aus ihr einen Faktor für die Zeit der Entscheidungsschlacht machen, so sollte unter meiner persönlichen Verantwortung Hauptmann Yanagawa des Landes verwiesen und die PETA umgekrempelt werden." Eine zweite Vorbemerkung. In einer früheren Arbeit6 hat der Verfasser dieses Beitrages die Ähnlichkeiten in der Entwicklung in Burma bzw. Indonesien ausgeführt. Obwohl derartige Ähnlichkeiten auch nach dem Kriege zu beobachten waren, z.B. in der Karriere der beiden heutigen starken Männer in Indonesien und Burma, General Suharto und General Bo Ne Win7, gab es auch Unterschiede mit 266 Laszl6 Sluimers ganz weitreichenden Folgen. Auch diese seien hier zu erörtern. Natürlich beansprucht dieser Beitrag nicht, eine allumfassende Analyse der japanischen Ära in Südostasien zu sein. Dies schon deshalb nicht, weil im Gegensatz zu Vietnam, die Vietminh, oder zu den Philippinen, die Hukbalahap, die Entwicklung in den beiden Ländern keine deutlich auf eine Sozialumwälzung gerichteten Tendenzen aufweist. Sowohl in Indonesien als auch in Burma hat es während und auch kurz nach dem Kriege, also etwa bis 1950, grundlegende Änderungen gegeben. Aber diese waren zuerst politischer und erst in zweiter Lage sozialer Natur. Der Unterschied dürfte darin liegen, dies ist lediglich eine nicht auszuarbeiten­ de Vermutung, daß es weder in Indonesien noch in Burma während des Interbel­ lums eine "Eiserne Kohorte" in der Form einer gut organisierten mehr oder weniger als kommunistisch zu bezeichnende Bewegung gegeben hat, die sich im Zusammen­ hang mit der agrarischen Not entwickeln konnte. In Burma war z.B. die Sayasan­ Revolte 1931 eher konservativ oder sogar reaktionär, in Indonesien war von einem politisch relevanten kommunistischen oder pseudo-kommunistischen Einfluß nach der Niederschlagung der Rebellion von 1926 nicht mehr die Rede. Also beschränkt der Verfasser sich im Wesentlichen auf jene ehemaligen Kolonien, in denen die japanische Ära nicht zu sozial-revolutionären Umwälzungen geführt hat. Zuerst die Unterschiede zwischen Indonesien und Burma, die nicht sofort aus dem japanischen Vorgehen während des Krieges entsprangen. Geographisch nahm Indonesien in Südostasien etwa dieselbe Stellung ein wie England im Westen Europas. Es handelt sich hier um ein Inselreich. Burma dagegen wurde zu Anfang der englischen Kolonialära als Teil Indiens betrachtet. Der Kontakt zwischen Burma und seinen Nachbarn war auch deshalb schon immer viel enger als der zwischen dem größeren Inselreich und dessen Anrainerstaaten. Auch unterschieden die Ziele, die die Engländer mit der Eroberung des Landes bezweckten, sich von denen der Holländer. Der ursprüngliche Grund für die Eroberung Burmas war, Frankreich daran zu hindern in Südchina, hier Yunnan, fußzufassen. Burma wurde also betrachtet als gehörend zum Vorfeld Chinas.8 Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 267

Die Holländer oder besser die Verenigde Oostindische Compagnie, eine Handelsgesellschaft, die sich allmählich zum Staate im Staat entwickelte, wollten lediglich das Monopol über die GeWÜfzproduktion, da die Gewürze damals in Europa eine Kostbarkeit waren. Auch der Zeitpunkt, in dem die holländische bzw. die englische Hegemonie über ihre Kolonien gefestigt wurde, führte zu weitgehenden Folgen. Der Merkanti­ lismus des 17. Jahrhunderts, "Das Goldene Jahrhundert" der Holländer, unterschied sich nun einmal. grundlegend vom liberalismus des 19. Jahrhunderts. Wir kommen hier aufeinen Unterschied, der auch die japanische Politik in den beiden Ländern des Dai Täa Kyäeiken, der Großostasiatischen Wohlfahrtssphäre, tiefgehend beeinflußte. Auch wenn vielleicht wirtschaftliche Erwägungen der Engländer bei der Eroberung Burmas zweitrangig im Vergleich zu jenen politisch-geographischer Natur waren, waren sie nicht ganz abwesend. Wirtschaftlich sahen die Briten in Burma hauptsächlich ein Absatzgebiet für ihre industriellen Erzeugnisse, also die Textilien aus Lancashire. Das bedeutete, daß die burmesischen Gesellschaftsstrukturen etwa nach englischem Vorbild umorganisiert werden sollten, damit die Handelspraktiken für die englischen lieferanten verständlich seien. Die führende Schicht in Burma, der Kriegeradel der Ahmudan, verlor ihre Machtstellung ganz und gar. Es ist deshalb verständlich, daß eben diese Schicht in den ersten Jahren nach 1886, der endgülti• gen Einverleibung des Landes in das englische Weltreich, der Träger des anti­ britischen Widerstandes wurde. Zum liberalismus englischer Prägung aus dem 19. Jahrhundert gehörte nun einmal eine Wirtschaftspolitik des "laissez faire". Also war Verkaufvon Grundstük. ken durch Burmesen an Nicht-Burmesen erlaubt und gang und gäbe. Hier spielte die indische Minderheit der Chettyars eine große Rolle. Durch Geldanleihen mit Boden als dinglicher Sicherheit erwarben die Chettyars insbesondere im Mündungs• gebiet der Irrawaddy große Grundstücke, wodurch sie den allmählich kommerziali­ sierten Ackerbau, insbesondere den Anbau von Reis, beherrschten. Als sich im 20. Jahrhundert ein von den Mittelschichten getragener burmesi­ scher Nationalismus entwickelte, wurden die Chettyars also zum Sündenbock des agrarischen Elends erklärt. 268 Laszl6 Sluimers

Eben dieses laissez faire feWte in Indonesien erstens, weil der Merkantilismus des 17. Jahrhunderts, als die Holländer mit Indonesien in Berührung kamen, eo ipso Etatismus enthielt und zweitens, da Indonesien bis etwa in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts hauptsäcWich Rohstofflieferant für Holland war? ZurSicherung der Rohstoffversorgung aus den landwirtschaftlichen Gebieten beließen die Holländer insbesondere auf Java den Amtsadel, die priyaji, in ihrer Stellung, wobei jedoch diese in den holländischen Verwaltungsapparat eingeschaltet wurden als Inheems Bestuur, Eingeborenenverwaltung. Auch in Indonesien entstand eine Nationalismus, der von den einheimischen Mittelschichten, also den javanischen aus den jüngeren Priayi-Sprößlingen hervorgekommenen Intellektuellen und den sumatranischen Händlern, getragen wurde. Allerdings, die Holländer haben schon früh versucht, der landwirtschaftli­ chen Not Einhalt zu gebieten, indem das im April 1870 verkündigte Agrargesetz den Verkauf von angebautem Boden durch Einheimische an Nicht-Eingeborene verbot. Daß diese Politik erfolglos blieb, war nicht sosehr dem Agrargesetz als der stürmisch anwachsenden Bevölkerungszahl zu verdanken. Was war nun die japanische Position im Gegensatz: Rohstofflieferant oder Absatzgebiet ? Dies führt uns zu den Motiven, die Japan 1941 dazu gebracht haben, den USA und England den Krieg zu erklären. Der Verfasser neigt hier zur vielleicht etwas zynischen, aber wahrscheinlich nicht weniger realistischen Auffassung Winston Churchills, der in seinen Kriegsme­ moiren10 ganz verhüllt andeutet, der damalige amerikanische Staatspräsident, Franklin D. Roosevelt, sei in erster Linie nicht sosehr an einem Krieg mit Japan als dem mit Hitler interessiert. Ein Krieg jedoch mit DeutscWand sei in der damals sehr anti-sowjetisch eingestellten amerikanischen öffentlichen Meinung ganz unpopulär. Was jedoch akzeptabel sei, sei ein Krieg mit Deutschlands Verbünde• tem, Japan, im Zusammenhang mit der insbesondere in den amerikanischen West­ staatenvorherrschenden anti-japanischen Stimmung (die Immigranten ...). Falls also Roosevelt Japan zu einem Krieg provoziere, sei einer mit DeutscWand unvermeid­ lich. Hier aber kommt Japans chronischer Rohstoffmangel ins Spiel. Japan war u.a. für seine Öllieferungen ganz und gar von den USA und Niederländisch-Indien Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 269 abhängig. Nachdem aber erst die Handelsbesprechungen zwischen Japan und Niederlän• disch-Indien wegen der hinhaltenden holländischen Verhandlungstaktikll feW­ gescWagen waren, gab die militärische Besatzung Südindochinas durch Japan den Amerikanern einen Anlaß, zusammen mit England und Niederländisch-Indien alle Handelsbeziehungen abzubrechen und auch die japanischen Konten im Lande einzufrieren. Japan und insbesondere der japanischen Marine feWte jetzt das Erdöl, weshalb feststand, daß es irgendwo losscWagen mußte. Aber auch ein Krieg mit DeutscWand war deshalb unvermeidlich geworden,u Die Lage bedeutete auch, daß Japan die Nanyö, die südlichen Gebiete, und insbesondere Indonesien13, als Rohstofflieferant betrachtete. Es stand also fest, daß die japanische Politik in diesen Gebieten sich grundsätzlich nicht von der der ehemaligen Kolonialherren unterscheiden würde. Nur die japanischen Methoden, nicht die japanischen Ziele, waren etwas weniger zimperlich.14

Im Grunde wollten die Japaner alles beim alten lassen.15 Militäroperationen und die Rohstoffversorgung Japans hatten den Vorrang. Wenn wir zum eigentlichen Thema dieser Abhandlung, den inneren Gegen­ sätzen innerhalb der japanischen Mitlitärverwaltungen, übergehen, wollen wir Burma zuerst behandeln, da hier diese Gegensätze am meisten ausgeprägt waren. Wie groß das Chaos in Burma zu Anfang des japanischen Einmarsches Ende 1941 war, zeigt sich schon aus der Tatsache, daß es bis zur japanischen Einnahme Rangoons, 8. März 1942, einfach gar keine Militärverwaltung gab. WoW war eine gunseihan, also eine Gruppe für Militärverwaltung, gebildet worden, aber diese befaßte sich mit der Anwerbung des Verwaltungspersonals, nicht mit der Verwaltung selber.

Die letztere wurde improvisiert durch die Minami Kikan, den Minami­ Nachrichtendienst, der im Hinterland des japanischen Aufmarschgebietes alte in Japan vertraute Organisationsformen einsetzte, die chian ijikai, etwa: Ordnungs­ organisationen. Es war also eine Zeit der Kikan Gunsei, Militärverwaltung durch einen Nachrichtendienst. Nun vertrat der japanische Historiker, Öta Tsunezö16 in seinem Hauptwerk die These, es habe damals einen grundlegenden Gegensatz gegeben zwischen dem 270 Laszl6 Sluimers

Obersten Suzuki, dem Leiter der Minami Kikan17, und der Spitze der in Burma operierenden japanischen 15. Armee. Erstere hatte schon vor dem Kriege etwa 30 Burmesen, meistens Angehörige der Dobama Asiayone oder Thakin-Partei18, eine Gruppe von Halbintellektuellen geführt vom späteren Staatsgründer U Aung San, die als populistisch zu deuten war und sich in militanter Weise gegen die englische Kolonialherrschaft aufstellte, angeworben und auf Hainan militärisch ausbilden lassen. Diese sogenannten dreißig Helden, darunter U Aung San, kehrten kurz vor oder sofort nach Kriegsbeginn im Dezember 1941 nach Burma zurück. Während des japanischen Aufmarsches wuchs ihr Anhang bis auf etwa 10.000 Mann bei der Einnahme Rangoons. Suzuki bildete jetzt die Burmese Independence Army, die burmesische Unabhängigkeitsarmee (B.I.A.). Aber eben diese Entwicklung war das, was die Führung der japanischen 15. Armee unter Führung des Befehlshabers Generalleutnant Iida Shöjirö nicht wollte, da sie viel mehr in den Begriffen der Renraku Kaigi vom 20.11.1941 dachte. Dort war in Art. 8, Abs. 4 formuliert, daß eine voreilige Ermutigung der Unabhängigkeitsbestrebungen der Eingeborenen (genjü domin) in der Nanyö vermieden werden sollte. Allmählich entstand ein Konflikt zwischen Suzuki und der Armeeführung, wo Oberst Nasu Yoshio, zu Beginn des Krieges der Held von Kotabaru aufMalava, mit der Leitung der neugegründeten Abteilung für Militärverwaltung (Gunseibu) beauftragt wurde. Als Suzuki beim Einmarsch der Japaner in Rangoon die burmesische Baho­ Regierung unter Thakin Tun Oke einsetzte und sich also für eine sofortige Unabhängigkeit Burmas aussprach, schob Nasu neben Suzukis Minami Kikan ein neues Organ, die Hiraoka Kikan nach vorn, die mit deren Einverständnis - die Formulierung Ötas - die Aufgaben der Minami Kikan in Rangoon übernahm. Nasu, der verstand, daß eine gewisse burmesische Unterstützung für die verhältnismäßig schwachen japanischen Streitkräfte unumgänglich war, setzte hier allerdings nicht auf die radikalen Thakin, sondern auf mehr gemäßigte Elemente, die ebenfalls als populistisch zu deuten waren. Sein Mann war der Führer der Sinyetha-Partei, der in Toulouse als Jurist ausgebildete Dr. U Ba Maw, 1931 der Verteidiger Saya Sans im von den Engländern gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren und in der Zeit der dyarchy ab 1937 der erste burmesische Premierminister. In dieser Zeit hob er sich als entschiedener Gegner der Separation hervor, der Trennung Burmas von Indien, Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 271 wo die Unabhängigkeit (sei es auf längeren Termin) in Aussicht gestellt war. Zu Anfang des Krieges mit Japan saß U Ba Maw wegen pro-japanischer Umtriebe in Mogok im Norden Burmas fest, wurde jedoch auf Betreiben der Hiraoka-Kikan von einern Leutnant der Kenpeitai, der japanischen Militär• gendarmerie, befreit und nach Rangoon gebracht. Die Gunseibu suchte nur nach einern Anlaß, sich Suzukis und der B.IA. zu entledigen oder zumindest ihren Machtbereich so weit wie möglich einzudämmen. Dieser wurde nach dem sogenannten Myaungmya-Zwischenfall Ende Mai 1942 gefunden. Zu dieser Zeit entdeckten Mitglieder der B.IA., daß Mitglieder der Karen­ Minderheit19 einen Überfall auf die Stadt Myaungmya im Gebiet der Flußmündung des Irawaddys planten. Da die B.IA., also die Thakin ohnehin schon anti-Karen gesonnen waren, vereitelten sie den Putsch und zwar in ganz drakonischer Weise mit Hilfe ihrer Schutzherren, der Minami-Kikan. Viele Opfer waren die Folge. Vielleicht so weit so gut, aber nichts konnte die sehr nationalistischen Thakin daran hindern, gegebenenfalls in ähnlicher Weise gegen die indische Minderheit der Chettyar vorzugehen. Das aber würde der japanischen Regierung in Tökyö ihr ganzes Nanyö-Konzept verderben. Die Abteilung für Fernauskundung des Nachrichtendienstes des japanischen Generalstabes, das sogenannte 8. Büro, insbesondere der Major (später Oberstleut­ 20 nant) Fujiwara Iwaichi , weitaus der fähigste der in der Nanyö tätigen Kikanchö Nachrichtendienstführer, befürwortete schon vor Kriegsbeginn eine auf Indien gerichtete Politik. Er hatte damals u.a. in Bangkok mit der Indian Independence League, einer Gruppe indischer Nationalisten, Kontakt aufgenommen und während des Malaya-Feldzuges war es ihm sogar gelungen, die Wehrkraft der indischen Kontingente der englischen Armee durch Propagandareden zu zersetzen. In Indien selber war die Lage schon seit Mai sehr gespannt. Sie verschärfte sich einige Monate später noch, als im August 1942 die Crippsmission, die nach einern Komprorniß mit den Führern der indischen Kongreßpartei suchte, einen Fehlschlag erlitt. Die wichtigsten Führer der Kongreßpartei, darunter Ghandi und Nehru, wurden von den Briten festgenommen. Hier verbanden sich also die Interessen der örtlichen Führung der japanischen 15. Armee, die der Thakin und der B.IA. und also auch der Minami Kikan 272 Laszl6 Sluimers

überdrüssig war, und der Tokioter Regierung, die nicht das Risiko laufen wollte, daß durch irgendeine harte Aktion der Thakin ihr Indien-Konzeptverdorben würde. Also löste die Gunseibu in Rangoon zuerst die Baho-Regierung auf. Darauf wurde die Minami Kikan aufgelöst und Suzuki unter Beförderung zum Generalmajor nach Japan Zllrückbeordert. Zuletzt verschwand die Burmese Independence Army. Diese jedoch erlebte ihre Wiedergeburt als Burmese Defence Army. Sie wurde also zu einem japanischen Hilfscorps, das kontrolliert wurde von einer Heibi Kyoku, ein Büro für Armeeange­ legenheiten, eine ähnliche Konstruktion, wie später in Indonesien bei der PETA, entstand als Shidöbu. Allerdings erhielten eine Anzahl von führenden Figuren wie Aung San und Ne Win ihren militärischen Einfluß innerhalb der Burmese Defence Army. Die Gunseibu erhielt eine Statuserhöhung, indem sie umgetauft wurde in Gunseikanbu, Militärverwaltung, unter Leitung des Stabchefs der japanischen 15. Armee, Generalleutnant Isayama Haruki. Worauf die ganze Situation hinauslief war, daß, da die Japaner sich der Thakin nicht ganz entledigen konnten, allmählich zwei Machtzentren entstanden, d.h. U Ba Maw und die Sinyetha, unterstützt von der Spitze der japanischen Militärverwaltung und die Thakin, die diese Militärverwaltung nicht los werden konnten. Wie paradox die Lage im Grunde genommen wurde, zeigte sich, als die japanische Regierung, wahrscheinlich in der Erwägung, daß man letzten Endes Burma nicht verweigern konnte, was Indien zugesagt wurde, beschloß, Burma als unabhängigen Staat anzuerkennen, allerdings mit Japan durch einen Verteidigungs­ vertrag verbunden. Zuerst wurde eine Konstituante gebildet. Der Streit konzentrier­ te sich auf zwei Punkte. U Ba Maw und die Sinyetha wollten im Grunde einen Führerstaat, allerdings mit hinduistischen Symbolen und Titeln versehen. Die Thakin jedoch, selbstver­ ständlich aus Furcht vor einer überragenden Stellung Ba Maws, versuchten, dies zu verhindern. Letzten Endes wurden zwei der Thakin, Thakin Tun Oke und Thakin Ba Sein21, die sich in der Konstituante gegen Ba Maws Bestrebungen am heftigsten widersetzt hatten, auf Drängen des Letzteren durch die japanische Armee nach Shönanto, der neuen Bezeichnung für Singapore, evakuiert. Zu Ende des Krieges hielten die beiden sich in Bandung auf Java auf. Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 273

Allerdings bedeutete diese Entfernung keinen endgültigen Sieg Ba Maws, der übrigens Ende 1942 noch stärker aufgewertet wurde, indem er, selbstverständlich auf Drängen der Japaner, die Führung der vereinigten Dobama-Sinyetha Partei, wo 22 sich der Anhang Ba Maws und Aung Sans zusammenfanden , übernahm. Um die Lage im Zusammenhang mit der Konstituante zu verstehen, ist auch noch Kenntnis eines anderen strittigen Punktes erforderlich. Hier handelt es sich um die Verteidigungsorgane. Aung San und Ne Wirr, die beiden führenden Köpfe der B.IA., befürworteten eine Organisation nach japanischem Muster, also keine Einmischung in Verteidungsangelegenheiten durch irgendwelche zivile Organe, also hier keinen Einfluß Ba Maws. Aus verständlichen Gründen war bei ihnen eine solche Einmischung verpönt. Aber eben dieses Taktieren Aung Sans brachte die japanische Armeeführung in eine vertrackte Zwangslage. Wie sich schon aus der Entfernung Ba Seins und Tun Okes zeigte, wollte sie die radikalen Thaldn ganz gerne loswerden. Jedoch aus Gründen der militärischen Effizienz war sie hier gezwungen, Aung San zu unterstützen. Also blieb alles beim alten. Ba Maw kontrollierte die Verwaltung, Aung San und Ne Win die Armee. Die Japaner nahmen die unbequeme Position eines Schiedsrichters zwischen zwei verfeindeten Lagern ein. Wo lag nun der Schwerpunkt in bezug auf diese verfeindeten Lager? Falls man hier zu einer apodiktischen Formulierung kommen möchte, dürfte gelten: "Suzuki war weg, nicht jedoch das Gespenst, das er hinaufbeschworen hatte, seine Jünger, die Thakin." Ob es nun die B.lA. oder die B.DA. sei, sie verfügten über Waffen und hier waren schon 1942 die Weichen gestellt.23 Im Grunde genommen kam, was kommen mußte. Sogar nach Pearl Harbour war die Ausgangslage für die Japaner nicht ganz rosig, was auch die führenden Köpfe in der japanischen kombinierten Flotte (Rengö Kantai), die die Pearl Harbour-Operation ausgedacht hatten, wußten. Kyüsen, ein verlängerter Krieg, war ihnen ein Schreckensbild. Die Schiffstonnage Japans betrug zu Anfang des Krieges nicht mehr als etwa 6 Mio. Tonnen. Infolge von Aktionen der alliierten U-Boote nahm sie im Laufe des Krieges noch ab.24 Etwa Mitte 1943, zu gleicher Zeit, als die japanische Flotte bei Midway eine katastrophale Niederlage erlitt, war der Schiffstransport zwischen Japan und der 274 Uszl6 Sluimers

Nanyö fast völlig zum Erliegen gekommen, was seinen Einfluß auf die Wirt­ schaftslage sQwoW in Japan als auch der Nanyö hatte. Der Abtransport wichtiger Rohstoffe aus der Nanyö nach Japan stockte und die Armeekommandos in der Nanyö wurden auf sich selber gestellt. Meistens entschlossen sie sich für den Fall eines alliierten Angriffs zu Guerrilla-Methoden, in denen der Begriff Kessen, EntscheidungsscWacht, eine wichtige Rolle spielte. Teilweise infolge Requisitionen durch die Japaner, teilweise auch, weil die Nanyö von seinen traditionellen Exportgebieten abgeschnitten wurde, kam die Ausfuhr von Produkten wie Kautschuk oder Zucker zum erliegen. Das hatte zur Folge, daß die Japaner in die Anpflanzpolitik eingriffen. Letzten Endes entstand ein völliges Wirtschaftschaos mit Hungersnot und rasanter lnflation.25 Im Grunde genommen galt eine derartige Lage für die ganze Nanyö. In Burma wurde das Entstehen des Chaos noch beschleunigt, da das Land Frontgebiet war und unter den alliierten Luftaktionen zu leiden hatte. Allmählich verloren die Japaner die Kontrolle, und die Grenze zwischen Gesetz und Untergrund wurde etwas verschwommen. Schon am 01.08.1944, anläßlich des ersten Jahrestages der burmesischen Unabhängigkeit, hielt Aung San in der Jubilee Hall in Rangoon eine Rede, in der er betonte, die Profiteure der Unabhängigkeit seien nur die Regierungsbürokraten und die Schwarzhändler. Das war selbstver­ ständlich gegen Ba Maw gerichtet, aber indirekt auch gegen diejenigen, denen die japanische Armeeführung in den Sattel geholfen und die sie geschützt hatte. Im Untergrund nahm Aung San den Kontakt auf mit einigen nach Indien geflohenen kommunistischen Thakin und über diese mit der Force 136, jenem Teil des englischen Nachrichtendienstes, der sich mit der Ausbildung und Aufsicht über die Guerrilla-Organisationen in der Nanyö befaßte.26 Die Thakin bildeten die Anti Fascist Peoples Freedom League aus allen mehr oder weniger radikalen Elementen der burmesischen Gesellschaft einschließlich der Bauern- und Arbeiterorganisationen. Der Eklat kam, als Anfang 1945 General Sir William Slims 14. Armee nach dem völligen Zusammenbruch des japanischen Angriffs auf Imphal in Ost-Indien, in Burma eindrang. Im März 1945 zog die burmesische Armee aus Rangoon gegen den Feind. Allerdings nicht gegen den, den die japanische Armee vorgesehen hatte, da sie sich gegen die Japaner kehrte. Der Burma-Feldzug war im Grunde beendet Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 275 mit dem Fall Rangoons am 01.05.1945. Die Japaner, und mit ihnen die Ba Maw­ Regierung, flüchteten in das Gebiet hinter dem Sitang-Fluß, wo sie ihre letzte Verteidigungslinie errichteten. Sie befanden sich dort auch, als Japan am 15.08.1945 kapitulierte.27 Wenn wir jetzt den Fall Indonesiens, und das bedeutet den Fall Java, wo seit eh und je das politische Zentrum des Landes zu finden war, erörtern, dürfte der Ausgangspunkt der Fall der sogenannten einheimischen Miliz - Inheemse Militie - sein. 1941 wollten die holländischen Behörden eine einheimische Miliz als Teil der niederländisch-indischen Armee errichten, die sich also auch am Kampf gegen die japanische Armee beteiligenmußte. Einheimische indonesische Einheiten hatte es zwar zuvor schon gegeben, aber niemals in mehr als Kompaniestärke und meistens zu einem bestimmten Bevölkerungsstamm gehörend. Diese Einheiten waren meistens eingeklammert zwischen europäischen Einheiten oder Einheiten anderer indonesischer Bevölkerungsstämme. Wie die Lage jetzt mit der japanischen Drohung vor der Tür war, war Erfolg oder Mißerfolg abhängig von der Unterstützung der indonesischen nationalistischen Führer. Aber eben diese wurde den Holländern verweigert. Der angegebene Grund war, daß die indonesischen Führer nur zur Mitwirkung bereit waren, falls die Holländer ihnen Konzessionen in bezug auf die Stellung Indonesiens im holländi• schen Königreich machen wollten. Sogar wenn dies der wirkliche Grund war, könnte auch noch eine andere Erwägung im Spiel gewesen sein. Die indonesischen nationalistischen Führer, insbesondere jener Teil, der mit den Pangreh Pradja, den einheimischen meist aus dem Priayi-Stand stammenden Mitgliedern der Zivilverwaltung, liiert waren, gehörten nur ausnahmsweise zu den radikalen, geschweige denn revolutionären Schichten. Meistens hatten sie eine Ausbildung nach holländischem Muster, manchmal auch eine akademische. Daß sie es gern gesehen hätten, daß durch Bewaffnung indonesischer Einheiten eine Thakin­ artige Schicht entstand, dürfte unwahrscheinlich sein. Es gibt einige ex post Anweisungen in diese Richtung. Die Holländer hatten sich durch ihre Haltung in bezug auf die nationalistischen Bestrebungen, im Grunde eine Nicht-Anerkennung jeglicher nationalistischer Bewegung, von den Nationalisten entfremdet. Dies bedeutete allerdings nicht, daß mit dem Einmarsch der Japaner die Anerkennung der indonesischen Unabhängig- 276 Laszl6 Sluimers keitsansprüche durch die neuen Herren gekommen war.28 29 Die Entwicklungen in Batavia, der Hauptstadt Indonesiens , geben hier Aufschluß.3D Zwischen dem 9. März 1942, tags nach der Kapitulation der niederländisch-indischen Armee, und dem 20.03., als durch Verordnung alle politischen Aktivitäten verboten wurden, tagten indonesische Nationalistenführer in verschiedenen Gruppenund wurden dementsprechend Kabinettslistenaufgestellt. Teils dürfte hier auch bewußte Irreführung dieser Führer durch die japanische Armeespitze eine Rolle gespielt haben. Die eine Gruppe, die zusammentraf, wurde geführt von der mehr oder weniger konservativen Parindra (partai Indonesia Raja, Groß-lndonesien Partei), wo die jüngeren Söhne aus den Priayi-Geschlechtern zusammen mit aus den sumatranischen Handelsschichten stammenden Politikern ihre politische Heimat hatten. Die Partei gehörte zu den sogenannten Kooperato­ ren, also zu jenen Elementen, die eine Mitarbeit an von den Holländern ins Leben gerufenen Organisationenwie die Volksraad, dem Ersatzparlament, nicht ablehnten. Die zweite Gruppe bestand aus Anhängern der Partai Sarekat Islam Indonesia, Nachfolgerin der großen islamischen populistischen Partei aus dem Ersten Weltkrieg Sarekat Islam, der linksgerichteten kooperatorischen Gerindo-(Gerakan Rakjat Indonesia, Indonesische VOlksbewegung)-Partei und einigen kleineren Gruppen radikaler Prägung. Hier ist zu erwähnen, daß die Gerindo nur deshalb "kooperierte", da sie in den Holländern ein kleineres Übel sah als in Japan. Als jedoch die Japaner einmarschierten, hatte eine derartige Haltung keinen Sinn. Innerhalb des indonesischen Parteiensystems bildete sich also irgendwo eine Polarisierung zwischen "Links" und "Rechts". Allerdings verschwanden die Kabinettslisten, als noch im März alle politischen Aktivitäten verboten wurden. Mitte 1942 wurden darauf alle indonesischen Parteien unter japanischem Druck aufgelöst. Unterdessen wurde unter Führung eines japanischen Beamten des Propagandabüros der 16. Armee (Sendenbu), Shirnizu Hitoshi, eine irgendwie auf der Taisei Yokusankai basierende indonesische Massenbewegung, die Gerakan 3 A, 3 A Bewegung, gegründet. Vor dem Kriege war Shirnizu mit der hyperkonservativen und hyperjapanistischen Dai Töa Renmei (Großostasien Liga) Ökawa Shümei's liiert. Die Losungen der Gerakan 3 A waren "Tjahaja Asia Nippon, Pelindung Asia Nippon, Pemimpin Asia Nippon", Japan das Licht Asiens, Japan der Verteidiger Asiens, Japan der Führer Asiens". Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 277

Shimizu zog einige Führer der konservativen indonesischenParindra-Partei als Führer seiner Schöpfung hinzu. Der Einfluß dieser Indonesier wurde jedoch teilweise wieder eingeschränkt, da auch Mitglieder der Minderheiten auf Java, also der Chinesen und Araber (die meisten Holländer wurden als feindliche Staatsange­ hörige interniert oder waren Kriegsgefangene) sich an der Bewegung beteiligen konnten. Sogar in dieser Form glaubten die japanischen Spitzenfunktionäre auf Nummer Sicher gehen zu müssen, indem die Kenpeitai, die Gendarmerie, die Bildung von Abteilungen der Bewegung in Kleinstädten und auf dem Lande mit rohen Methoden verhinderte. Einen Grund dafür gab es. Infolge des Wegfalls des Exportes indonesischer Rohstoffe mußtenmehrere Unternehmen schließen.31 Die entlassenen Plantagenar­ beiter strömten in die Großstädte, wo sie meistens von ihren sich dort aufhaltenden Familienangehörigenversorgt wurden. Teilweise bildetensich infolge der entstande­ nen Arbeitslosigkeit auch Banden.32 Die ab 1943 eingeführte Requisition von Reis und der Mangel an industriellen Erzeugnissen führten weiter zu einer rasanten Inflation. Im Juni 1942 traf der anerkannte Führer der indonesischen Nationalisten, Soekamo, aus seinem Exil in Sumatra auf Java ein mit Zustimmung des Oberbe­ fehlshabers der 16. japanischen Armee, Generalleutnant Imamura Hitoshi, der zum indonesischen Führer ein fast freundschaftliches Verhältnis entwickelte. Allmählich verlor die Gerakan 3 A wegen ihres Hyperjapanismus an Einfluß. Die japanische Heeresleitung, d.h. Imamura ,und sein Stabchef, Generalmajor Okazaki Seizaburö, der als Gunseikan, Leiter der Militärverwaltung, fungierte, setzte allmählich nicht auf die konservative Parindra, sondern auf Soekarno und seine Gefolgschaft, die sie mit der Pangreh Pradja-Schicht zu versöhnen suchte. Letztere wurde, auch wegen ihrer Stellung auf dem Lande und der in der Verwal­ tung, zur Tragsäule des japanischen Einflusses auf Java. Unterdessen zerstritten sich in der japanischen Heimat Armee und Außenmini• sterium um die Nanyö-Politik. Das Militär wollte, daß die Außenpolitik in bezug auf die ehemaligen Kolonialgebiete in der Nanyö von.ihr bestimmt wurde. Der japanische Außenminister, Tögö Shigenori, erklärte sich nicht einverstanden, da er meinte, eine solche Zweiteilung zwischen Armee und Außenministerium bedeute, daß die Nanyö-Länder anders als die unabhängigen Staaten behandelt würden. Dies führte dazu, daß Tögö im September 1942 seinen Hut nahm.33 Soekarno liierte sich 278 Laszl6 Sluimers unterdessen mit drei anderen nationalistischen Führern, Hatta, seinem aus Sumatra stammenden ewigen Zweiten, dem als Exponent der liberalen Priayi anzusehenden Unterrichtsfachmann Ki Hadjar Dewantoro und dem konservativen Islamführer Kiayi Mohamad Mas Mansur zum Empat Serangkai, Vierer Kleeblatt. Dieses Vierer Kleeblatt nahm die Organisation einer neuen Massenorgani­ sation, der Putera (Abkürzung für Pusat Tenaga Rakjat, Zentrum der Volkskräfte, unabgekürzt das indonesische Wort für Sohn) zur Hand. Es gibt Anzeichen, daß das Vierer Kleeblatt glaubte, die März-September 1942 auf Java entstandene Lage für eigene Zwecke ausnützen zu können. Japanische Generäle wie Imamura und sogar Okazaki34 dürften auch bereit gewesen sein, Soekarno hier einigen Spielraum zu lassen. Aber nachdem Tögö seinen Hut genommen hatte, schlug die Absicht, einen Kompromißfrieden zu schließen, völlig fehl, und die hartgesottenen Elemente in der Armee, wie der stellvertretende Kriegsminister Tominaga Kyöji und der Leiter des Militärbüros (Gunmukyokuchä) im Kriegsministerium Mutö Akira, bekamen die Oberhand, und das bedeutete, daß die Zeit einer liberalen Politik in bezug auf Nationalisten zu Ende ging. Letzten Endes wurden Imamura (November 1942) und Okazaki (Juni 1943) abgelöst. Imamuras Nachfolger war Harada Kumakichi, ein ehemaliger Berater der Wang Ching-wei-Regierung in Nanking. Die Schlüsselfigur wurde jedoch der neu ernannte Gunseikanbu Sämubuchä (Leiter der Allgemeinab­ teilung der Gunseikanbu), Oberst (später Generalmajor) Yamamoto Moichirö, der den indonesischen Unabhängigkeitsbestrebungen unfreundlich gegenüberstand. Ende 1942 kamen die unvermeidlichen QuerelIen zwischen jenenJapanern, die in die Schöpfung der alten überlebten Gerakan 3 A verwickelt waren (Shimizu usw.) und jenen, die die neue Putera unterstützten und natürlich auch zwischen der indonesischen Gefolgschaft beider Fraktionen. Der Kompromiß war selbstverständ• lich, daß, als die Putera März 1943 endlich vom Stapel lief, ihr Programm völlig verwässert und japanisiertwar. Yamamoto, nach dem Kriege von den holländischen Nachrichtendiensten befragt über seine Rolle in der Putera, sagte kurz und knapp: "I ordered the Indonesian leaders to lead this movement more spiritually.,,35 Soerkano wurde also in den japanischen Propaganda- und teilweise auch in den Verwaltungsapparat eingekapselt und eben deshalb mitverantwortlich gemacht für deren vorauszusehende36 Mißerfolge auf wirtschaftlichem Gebiet.37 Vor dem Hintergrund von Inflation durch Mangel an u.a. Textilien, die weder aus dem Westen noch aus Japan - wegen Unterbindung der Seefahrtsverbindungen Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 279 ab 1943 - importiert werden konnten und auch durch Reismangel im Zusammen­ hang mit den Requisitionen durch die Japaner, entwickelte sich allmählich eine explosive Lage. Dies auch im Zusammenhang mit der Anwerbung von Ri5musha, Arbeitsaktivisten (lies: Zwangsarbeiter), die bis in die entlegensten Winkel des japanischen Machtbereiches wie Rabaul auf New Britain oder Burma transportiert und an die Arbeit gesetzt wurden. Eine ähnliche Lage wie in Burma zeichnete sich ab, um so mehr als die japanische Heeresleitung sich 1943 entschloß, nachdem die Kriegslage für Japan sich allmählich verschlechterte, ein indonesisches Hilfskorps aus Freiwilligen ins Leben zu rufen. In indonesischen Kreisen wurde diese Absicht nicht überall mit Freude begrüßt. Politiker, die den Pangreh Pradja-Kreisen nahestanden, wie Soetardjo Kartohadikoesoemo, befürworteten eine Armee aus indonesischen Wehrpflichtigen, wahrscheinlich weil diese besser von der indonesischen Führungs• schicht zu kontrollieren waren. Dies führte allerdings 1943 zur Gründung der PETA.38 In diesem Korps unterschieden sich drei Dienstgrade von Offizieren. Die Daidanchi5, etwa Bataillonführer, wurden meistens unter der örtlichen Führungs• schicht, also oft islamischen Wema, oder sonstigen angesehenen Personen rekrutiert. Ganz anders war die Gruppe von Kompanie- und Zugführern, Chüdanchi5 und ShlJdanchi539 zusammengesetzt. Hier handelte es sich meistens um etwas marginale Elemente, die während der holländischen Ära nur eine mangelhafte Ausbildung erhielten40 und im ersten Jahre der japanischen Herrschaft meistens arbeitslos in Java herumliefen. Beispiel ist der spätere indonesische Staatspräsident General Suharto, ein ehemaliger Feldwebel der niederländisch-indischen Armee und später chüdanchi5 in der PETA. Auch weil die PETA bewaffnet war und 1944 mit ihren 66 daidan zahlreicher war als die japanische 16. Armee, die insgesamt zwei Brigaden oder neun Bataillone zählte, bildete sie den Kern einer neuen, sich von den bisherigen Gruppen unterscheidenden Elite, die Pemuda Jünger, die nach der japanischen Kapitulation (August 1945) die Spitze des indonesischen Unabhängigkeitskampfes darstellte. Im September 1944 gab der japanische Ministerpräsident, General Koiso Kuniaki, im Abgeordnetenhaus bekannt, daß Japan Indonesien in absehbarer Zeit die Unabhängigkeit gewähren werde. Diese Aussage dürfte als unbestimmt be- 280 Laszl6 Sluimers trachtet werden und bedeutete allerdings noch nicht, daß auch das Kommando der 16. Armee diese Politik von ganzem Herzen unterstützte. Unterdessen gab es schon seit 1943 Zündstoff genug für Reibereien zwischen PETA und der japanischen Armee. Eben da die erstere im Gegensatz zur Gerakan 3 A und Putera Abteilungen auf dem Lande hatte und die japanische Politik dort großes Elend verursachte, fühlten die PETA-Offiziere sich als eine Elite, deren Aufgabe es war, die indonesische Bauernmasse zu emanzipieren. Unter den damaligen Umständen mußte sich schon bald ein gewisses anti-japanisches Sentiment entwickeln, auch wenn Offiziere wie Yanagawa durch ihre militärischen Fähigkeiten und ein Verständnis für indonesische Aspirationen Respekt ernteten. Die rohen japanischen Ausbildungsmethoden41 und die herablassende Haltung der japanischen Unteroffiziere, die sich einfach weigerten, wen nominellen Vorgesetz­ ten, den als genjümin, Einheinrischen, betrachteten indonesischen Offizieren, die militärischen Ehren zu erweisen,42 sorgten für den Rest. In diesem Klima fand Anfang 1944 ohne Mitwissen der 16. Armee, d.h. der örtlichen shidöbu, eine Zusammenkunft der daidanchö aus Banten, Priangan und Bogor statt. Erörtert wurden hier die Folgen der türkischen Kriegserklärung an die Achsenmächte für die islamischen Gemeinschaft Javas.43 Obwohl die daidanchö zur Folgerung kamen, diese Kriegserklärung würde keine Folgen haben, waren die japanischen Behörden aufgescheucht. Imamuras Nachfolger als OberbefeWshaber derjapanischen 16. Armee, GeneralleutnantHaradaKumakichi, ehemaligerBerater Wang Ching-weis in Nanking und im Gegensatz zu Imamura ein Vertreter der harten Linie, erwog, die PETA aufzulösen, wurde jedoch von seinen BEPPAN­ Beratern davon abgehalten. Möglicherweise war das der Kompromiß zwischen der von Harada44 vertre­ tenen Linie und dem Standpunkt einiger seiner Berater, daß die Putera aufgelöst wurde. An ihrer Stelle kam die Jawa Hökökai, Verein zum Dienst an Java, allerdings nicht geführt vom Vierer Kleeblatt, sondern vom Gunseikan, Generalma­ jor Kokubu Shinshichirö. Der Orator Soekarno wurde chuö honbuchö, Leiter des Zentralbüros, also in die Funktion eines Bürokraten gedrängt. Der Hökökai zugefügt wurde als paramilitärische Abteilung die suishintai, (Barisan Pelopor)45, etwa: Stoßgruppe. Im Gegensatz zur Putera war es der Hökökai gestattet, Abteilungen auf dem Lande zu gründen, die allerdings von den indonesischen Verwaltungsbehörden Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 281 kontrolliert wurden. Also wurde die Häkökai und die ihr unterstellte Suishinta, beabsichtigt oder nicht, zum Gegengewicht gegen die PETA. Allerdings verurteilte die auch aufJava sich schnell ändernde Lage die Haradasche Politik zum Scheitern.

In der Nacht vom 15. auf den 16.01.1945 meuterten PETA-Unteroffiziere in Blitar, der Heimat Soekarnos, gegen die Japaner und brachten einige Japaner um. Die Japaner schlugen den Aufstand nieder und stellten die Führer vor das Kriegsgericht. Aber hier fielen die Urteile relativ mild aus, da nicht alle zum Tode verurteilt wurden. Der wichtigste unter ihnen, Suprijadi bundanchtJlf', jedoch verschwand und wurde wahrscheinlich an einem geheimen Ort von den Japanern hingerichtet. Harada aber wurde abgelöst und von Generalleutnant Nagano Juichirö ersetzt. Yamamoto wurde Gunseikan und als Sämubuchä abgelöst von Generalma­ jor Nishimura Ototsugu. Beabsichtigt wurde auch, die Djawa Hökökai in eine neue Massenorganisation, die Gerakan RakjatBaru, Neue Volksbewegung, umzuwandeln. Deren Gründerver• sammlung wurde jedoch von indonesischen Jüngern, u.a. dem späteren Vizepräsi• denten Adam Malik, auseinandergejagt, da diese Pemuda meinten, sie seien nicht entsprechend ihres Einflusses in der Organisation vertreten. Übrigens hatten mehrere japanische Instanzen, u.a. die Sendenbu, das Propagandabüro und die Kaigun Bukanfu, die von Konteradmiral Maeda Tadashi geleitete Marinevertretung beim Hauptquartier der 16. Armee in Djakarta, diese Jünger in Internaten zusammengebracht und im Sinne ihrer eigenen Ideologie beeinflußt. Teilweise hatten diese Instanzen vielleicht eine bessere Kontrolle über diese Jünger, allerdings konnte eben eine derartige Konzentration der Pemuda zu deren besseren Organisation und deshalb zu einer potentiellen Gefahr für die Japaner führen. Als im April 1945 das japanische Koiso-Kabinett von einer neuen Regierung unter dem Greis Admiral Suzuki Kantarö, 1936 im Putsch vom 26. Februar schwer verwundet einem MordanscWag entkommen, abgelöst wurde, war das Schicksal Japans schon besiegelt, nachdem amerikanische Truppen auf Okinawa im Ryükyü• Archipel gelandetwaren. Teilweise unterDruck des japanischenAußenministeriums in Tökyö, das auch Nachkriegserwägungen in Betracht zog, änderte die japanische Armeespitze allmäWich ihre Haltung gegenüber indonesischen Unabhängigkeitsbe• strebungen. 282 Laszl6 Sluimers

Am 01.03.1945 gab der japanische Gunseikan, Generalmajor Yamamoto Moichirö, die Gründung eines Gremiums zur Studie der indonesischen Unabhängig• keit (Badan Penjelidik Kemerdekaan Indonesia) bekannt, das allerdings erst ab dem 29.04., dem Geburtstag des japanischen Kaisers, realisiert wurde. Zu derselben Zeit entstand auch das Kenkoku Gakuin, Institut zur Staatsgründung, wo indonesische Verwaltungsbeamten, oft aus dem priayi-Stand, für ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet wurden. Also wurden wieder die priayi und die mehr bürgerlichen Nationalisten vom Schlage Soekarnos bewußt oder unbewußt gegeneinander ausgespielt. Im Juni 1945 wurde in einer Konferenz der 7. Armeegruppe (der die 16. Armee unterstand) in Shönanm, Singapore, beschlossen, eine Kommission zur Vorbereitung der indonesischen Unabhängigkeit (Panitiya Persiapan Kemerdekaan Indonesia) ins Leben zu rufen. Aber allmählich entglitt den Japanern die Kontrolle über die Lage. Anfang August erhielt Generalfeldmarschall GrafTerauchi Hisaichi, Oberbefehlshaber der japanischen Armee in der Nanyö und Gegner jedweder Unabhängigkeitsbestre• bungen der dortigen Nationalisten, aus Tökyö den BefeW, in Indonesien bekanntzu­ geben, Japan gestatte jetzt die Unabhängigkeit Indonesiens. Die Kommission zur Vorbereitung der indonesischen Unabhängigkeit wurde jetzt in Djakartarealisiert.47

Jetzt überstürzten sich jedoch die Ereignisse. Am 06.08.1945 fiel die erste Atombombe über Hiroshima, am 08.08. erklärte die Sowjetunion, bisher im Pazifik­ Krieg neutral, Japan den Krieg und am 09.08. wurde eine zweite Atombombe über Nagasaki abgeworfen. Unterdessen wurden Soekarno, Hatta und ein dritter indonesischer Nationalist, der Arzt Radjiman Wediodiningrat, zum Hauptquartier Terauchis in Dalat (Indochina) geflogen. Während ihres dortigen Aufenthaltes bescWoß in Tökyö der japanische Kaiser zu kapitulieren. Diese Kapitulation wurde am 15.08. in der japanischen Hauptstadt bekanntgegeben unter dem Vorbehalt, daß die entsprechenden Befehle die japanischen Kommandeure außerhalb Japans erst später erreichen würden. Soekarno und Hatta kehrten am 14.08.1945 nach Djakarta zurück mit der japanischen Zusage, daß die Unabhängigkeit am 24.08. vollzogen werden sollte, allerdings unter dem Vorbehalt, daß Indonesien die japanische Führung akzeptiere.

Die indonesischen PETA- und Jugendgruppen beschlossen jetzt jedoch, als die japanische Kapitulation auf Java noch nicht offiziell bekanntgegeben wurde (dies geschah erst am 22.08.), die Unabhängigkeitsfrage auf eigene Weise zu lösen gegen Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 283 den Willen Soekarnos und Hattas, die japanische Repressalien fürchteten. Die beiden indonesischen Führer wurden daraufvon einigen PETA- und Jugendführern aus Djakarta entführt und in eine PETA-Kaserne außerhalb der indonesischen Hauptstadt gebracht. Mitglieder des Stabes des Konteradmirals Maedas, die mit den indonesischen Unabhängigkeitsbestrebungen sympathisierten, jedoch dies nicht öffentlich bekennen durften, da die japanischen Kommandeure angewiesen wurden, den politischen status quo ante Indonesiens nicht zu ändern, vermittelten jetzt, was dazu führte, daß Soekarno und Hatta am 16.08. wieder nach Djakarta zurückgebracht wurden. Dort begannen am späten Abend im Hause Maedas Verhandlungen zwi­ schen den beiden indonesischen Führern und den Jugendgruppen. Das Resultat war, daß Soekarno am frühen Morgen des 17.08.1945 die indonesische Unabhängig• keitsproklamation in einer von den Japanern stillschweigend gebilligten Form verlas. Von den Holländern wurde diese Unabhängigkeit jedoch erst vier Jahre später nach einem Kriege anerkannt.

Schlußfolgerungen

Betrachtet man die am Anfang dieses Aufsatzes erwähnten Äußerungen des Oberstlt. a.D. Miyamoto und die Haltung Yanagawas genau, dann dürfte die Schlußfolgerung berechtigt sein, ein wichtiger Teil des Gegensatzes zwischen diesen beiden Offizieren beziehe sich auf deren Haltung gegenüber den indonesischen Unabhängigkeitsansprüchen. Miyamoto war jedenfalls damals48 Gegner irgendwelcher indonesischer Eigenständigkeit, geschweige einerselbständigen indonesischen bewaffneten Macht; Yanagawa hingegen befürwortete diese. In dieser Hinsicht waren beide Offiziere keine Einzelfälle. Miyamoto vertrat im Grunde die Linie fast aller höheren japanischen militärischen Stellen unter anderem im Generalstab und in den Militärverwaltungen; Yanagawa die Linie jener japanischen Nachrichtendienste, die für ihre Arbeit auch auf einheimische Nationalisten in der Nanyo angewiesen waren.49 284 Laszl6 Sluimers

Es gibt jedoch Hinweise, daß derartige Gegensätze, die oft den Charakter eines typisch japanischen Fraktionskampfes annahmen,50 nicht nur von den augenblicklichen und örtlichen Bedürfnissen abhingen, sondern von früheren Gegensätzen aus dem Anfang der 30er Jahre dieses Jahrhunderts. Sehr einleuchtend für den Verfasser war ein Gespräch am 19.11.1971 in Tökyö mit dem damaligen Oberstleutnant, nach dem Kriege Generalleutnant, Fujiwara Iwaichi, dem führenden Kopf hinter derAzad Hind (Frei Indien)-Bewegung Subhas Chandra Boses. In diesem Gespräch zeigte Fujiwara sich als ein passionierter Befürworter der Nationalisten in der Nanyö.51 Seine Sprache erweckte beim Verfasser den Verdacht, Fujiwara gehörte 1936 zu den Seinen Shökö, den Jungen Offizieren, die für den Putsch des 26.02. jenes Jahres verantwortlich waren. Auf eine dementsprechende Frage antwortete Fujiwara: "Tatsächlich stand ich damals auf der Seite der Jungen Offiziere.,,52 Dies dürfte ein Hinweis darauf sein, daß die Fraktionskämpfe innerhalb des japanischen Militärs in der Nanyö eine Fortsetzung der alten Querelen aus den 30er Jahren und davor waren.

Auch Storry's Mitgliederliste der Sakurakai53 könnte diese These unterstützen, da viele Offiziere, die im Dienstgrad eines Oberstleutnants oder darunter damals aktiv waren, als Generäle in die Nanyö zurückkehrten, z.B. Okazaki, Iida, Isayama, Mutö, Tominaga und auf den Philippinen Wachi Takaji. Eine zweite Schlußfolgerung bezieht sich auf den Unterschied zwischen Burma und Indonesien. Im ersten Lande hatten die Japaner, oder besser eine der japanischen Machtgruppen, schon vor dem Kriege Burmesen bewaffnet und militärisch ausgebildet als mehr oder weniger selbständiges Corps. In Indonesien waren selbständige Einheiten während der Kolonialära nicht vorhanden. Dort entschlossen sich die Japaner erst 1943, als der Krieg sich zu ihren Ungunsten gewandelt hatte, die Indonesier in einem derartigen Corps, der PETA, auszubilden. Allerdings wurde auch ein Gegenstück unter stärkerer japanischer Kontrolle, die Suishintai, gegründet. Schon während des Krieges arbeiteten burmesische Nationalisten im Untergrund mit den Engländern ZUSanlIDen. Als die letzteren das Land zurückero• berten, konnte sie die Thakin-Armee nicht entwaffnen und mußten den nationalisti­ schen Forderungen nachgeben, auch da danlals schon feststand, daß Indien die Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 285

Unabhängigkeit erlangen würde und in Burma eine harte Linie unmöglich war. In Indonesien dagegen waren 1945 bei der japanischen Kapitulation zwei indonesische Einheiten vorhanden. Beide wurden sofort nach der Kapitulation von den Japanern entwaffnet und konnten nUr durch die sofort danach entstandene chaotische Lage auf Java mit Zustimmung einiger örtlicher japanischer Kommandeure ihre Waffen zurückerhalten. Diese Lage und die völlige Unkenntnis der Lage innerhalb der in Australien weilenden niededändisch-indischen Regierung - den Japanern gelang es während des Krieges Indonesien völlig von der Außenwelt zu isolieren - verführte die Ende 1945 nach Java zurückgekehrte niederländisch-indische Regierung dazu, 1945-1949 zu versuchen, die indonesischen Unabhängigkeitsbewegungen durch kriegerische Aktionen zu unterdrücken oder mindestens zu bändigen. Im Dezember 1949 endete dies mit ihrem Abzug. Nach 1949 setzten die alten aus der japanischen Zeit stammenden Querelen innerhalb der indonesischen Armee zwischen einerseits der aus der suishintai stammenden west-javanischen Siliwangi-Division und andererseits den aus der PETA-stammenden mittel- und ostjavanischen Divisionen sich in etwas gewandelter Form fort bis 1965, als der aus Mitteljava stammende General Suharto die Macht überna.hm. allerdings unter Annahme konservativer Züge, wobei letzten Endes die Siliwangi-Division ihre hervorragende Stellung in der indonesischen Armee verlor.

Namensverzeichnis

Chang Tso Lin ~fF~ Fujiwara Iwaichi BWg$ GotöKenichi ~B~­ Harada Kumakichi W8H~E Ichiki Tatsu054 $*~7C Iida Shöjirö ~ 8HF=e:G Imamura Hitoshi 4-ft~ 286 Läsz16 Sluimers

Isayama Haruki ~tlf~W Iwakuro Hideo :fillflOlUl Koiso Kuniaki /J'~OO BB Kokubu Shinshichirö m7t~-t&~ Maeda Tadashi ffrJEE:f1 Minami Masujo55 1l§~i!t Miyamoto Shizuo 'ß;;f;:fI>iIl Mutö Akira ~1I. Nagano Yüichirö *lftE-&~ Nasu Yoshio ~~i'U~iIl Nishimura Ototsugu ~ttG~ Ökawa Shümei *fI[mJrJJ3 Okazaki Seizaburö ~~m=:.&~ Öta Tsunezö *EEf~~ Shimizu Hitoshi m71cf'r Suzuki Kantarö ~*lt*&~ Sugano Kengo 1f1f\lt~ Terauchi Hisaichi ~pg~- Tögö Shigenori *JJlß m: f.ß( Töjö Hideki :W:~~~ Torninaga Kyöji 'M 71d~(jz

Wachi Takaji :ffi~lIII= Wang Ching Wei t1. :f1~ Yamamoto Moichirö tlf;;f;:~- &~ Yanagawa Motoshige WIlfl[*W: Yoshizawa Kenkichi ~~\ltE Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 287

Anmerkungen

1 Harry J. Benda, The Beginnings o[the Japanese Occupation o[Java in Far Eastem Quarterly, 1956, S. 541-560. 2 Harry J. Benda, The Crescent and the Rising Sun: Indonesian Islam under the Japanese Occupation 1942-1945, The Hague 1958. 3 Miyamoto Shizuo, Jawa Shiisen Shoriki, Tokio 1973. 4 PETA, Indonesisch Pembela Tanah Air (Heimatverteidigung), japanisch Kiyodo Böei Giyügun (Heimatverteidigende Freiwilligen Armee), war also ein aus Indonesiern zusammengesetztes Freiwilligenkorps unter eigenen Offizieren, allerdings kontrolliert von einer Shidöbu (Führungsstab), in dem Japaner am Schalthebel saßen. 5 Miyamoto, op.cit. S.21. Yanagawa Motoshige war Mitglied der BEPPAN (Sonderabteilung), etwa das japanische Gegenstück des holländischen Politieke Inlichtingendienst oder PID. Es handelte sich hier um einen Nachrichtendienst für Abwehr und Meinungsforschung unter Indonesiern. Nach dem Kriege nahm Yanagawa die indonesische Staatsbürgerschaft an, da er meinte, Japan habe während des Krieges seine eigenen Ideale verraten. 6 Sein Beitrag zur Konferenz der European Association of Japanese Studies 1979 in Florenz. Der Artikel ist aufgenommen als Japanese Policies in Burma and Indonesia as aDependent Variable o[ Gunbatsu 1942-1945. In: P.c. O'Neil (Ed.) Tradition and Modem Japan, Tetterden, Norbury 1981, S. 151-161. 7 Bo Ne Win ist im ähnlichen Sinne ein Tarnname wie Lenin für Uljanow. Bo bedeutet Oberst. Der eigentliche Name Ne Win's war Shu Maung. Während seiner militärischen Ausbildung auf Hainan hieß er Takasugi. 8 Siehe u.a. J.F. Cady, A History o[Modem Burma, Ithaca, N.Y. 1958. 9 Siehe hier J.S. Furnival, Colonial Policy and Practice: A Comparative Analysis o[ Burma and Netherlands India, Cambridge 1948. Siehe auch den Senior der holländischen Kolonialsoziologen D.M.G. Koch, Verantwoording: Een halve Eeuw in Indonesie, 's Gravenhage 1956 und Batig Slot: Figuren uit het Oude Indie, Amsterdam 1960. 10 W.L.S. Churchill, The Second World War, London 1950, Chap. XXXI. 11 In einem Gespräch kurz vor dem Abbruch der Verhandlungen erklärte der japanische Delegierte, Yoshizawa Kenkichi, dem Vater des Verfassers, nach monatelangen Verhandlungen sei das einzige, was er erreicht habe, die Zulassung eines einzigen japanischen Zahnarztes in Surabaja. 12 Der Verfasser erinnert sich ganz klar an eine Ansprache des amerikanischen Marineministers, Oberst Knox, in der er einige Tage nach Pearl Harbour erklärte, nicht Japan, sondern Hitler sei Amerikas Hauptfeind. Dies stimmt überein mit dem amerikanischen Kriegsplan, der vom Leiter des Planungsstabes des Heeres, Brigadegeneral Dwight D. Eisenhower, aufgestellt wurde. 13 Wie zentral Indonesien in der japanischen Kriegsplanung stand, zeigt sich schon aus der Tatsache, daß ursprünglich erwogen wurde, unter vorläufiger Übergehung 288 Laszl6 Sluimers

Malayas zuerst Indonesien anzugreifen. Siehe Taiheiyö Sensö e no Michi: Kaisen Gaiköshi:6 Nanpö Shinshutsu, Tökyö 1963, S. 177-179.. 14 Für die Einzelheiten der auf der Koordinationskonferenz, Renraku Kaigi, vom 20.11.1941 zwischen dem kaiserlichen Hauptquartier und der Regierung vereinbar­ ten Nanyö-Politik siehe Waseda Daigaku Okuma Kinen Shakai Kagaku Kenkyüjo, Indoneshia ni okeru Nihon Gunsei no Kenkyü, Tökyö 1959. Allerdings gab es von den Vereinbarungen zwei Texte, eine Militär- und eine Zivilfassung. 15 Siehe den Aufsatz B.R.O.G. Andersons, Japan 'The Light of Asia". In: J. Silverstein (Ed.), Southeast Asia in World War //: Four Essays, Yale 1966. Dieser Autor vergleicht sogar den Richtungskampf in der holländischen Kolonialpolitik mit den Querelen in der japanischen Militärverwaltung. 16 Öta Tsunezö, Biruma ni Okeru Nihon Gunseishi no Kenkyü, Tökyö 1967. Etwa 1965 war der Verfasser zu ähnlichen Schlußfolgerungen gekommen. Siehe sein Samurai, Pemuda und Sakdalista: Die Japaner und der Radikalismus in Indonesien undden Philippinen, Amsterdam 1973 und auchA Method in the Madness: Aanzetten tot een Vergelijkende Studie van de Japanse Periode in Zuidoost-Azie 1942-1945, Amsterdam 1978. 17 Nach Minami Masujo der Tarnname Suzukis als Korrespondent der Yomiuri Hoshi in Rangoon. Sein wirklicher Auftrag war die Auskundung der Burma Road zwischen Lashio in Burma und Kung Ming in China, die wichtigste Nachschubstraße Chiang Kai-sheks. Der Werdegang und die Querelen der Minaml Kikan lesen sich wie ein Schelmemoman, den wir wegen Platzmangels hier leider nicht erörtern können. 18 Thakin bedeutet Herr und hat etwa denselben Gefühlswert wie Sahib auf Hindi oder Tuan auf Indonesisch. Die Thakin wollten andeuten, daß sie sich den englischen Kolonialherren ganz ebenbürtig fühlten. 19 Die Karen galten als pro-englisch. Sie nahmen eine ähnliche Stellung ein wie die Ghurka in Indien oder die Ambonesen in Niederländisch-Indien und dienten oft in der Kolonialarmee. 20 Siehe Fujiwara Iwaichi, Fujiwara (F) Kikan, Indo Dokuritsu no Haha, 8. Dr., Tökyö 1971. 21 Ba Sein war schon in der Vorkriegszeit der Führer der als gemäßigt betrachteten Ba Sein-Fraktion innerhalb der Thaldn-Gruppe. Auch Ne Win wurde zu dieser Fraktion gerechnet. Aung San dagegen galt als Mitglied der radikalen Kodaw Hmain-Fraktion. Tatsächlich waren jedoch die personellen Verhältnisse etwas verschwommen, da Ne Win in den Querelen immer eine Art Zwischenposition einnahm. 22 Natürlich nach dem leuchtenden Beispiel der Taisei Yokusankai, die Imperial Rule Assistance Organisation, die 1940 in Japan die politischen Parteien ablöste. 23 Etwa 1946 teilte der Vater des Verfassers ihm mit, daß er, als die indonesischen, nationalistischen Führer die Bildung einer einheimischen Miliz (Inheemse Militie) 1941 ablehnten, da die Holländer sich nicht zu politischen Konzessionen bereit zeigten, sie aufdie politische Unvernunft dieses Schrittes hingewiesen habe. Waffen, nicht politische Konzessionen seien der entscheidende Faktor. Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 289

24 Mitteilung des holländischen Marinehistorikers Kapitänleutnant zur See Dr. Ph.M. Bosscher vom 01.11.1986, bei dem der Verfasser sich hiermit bedankt. 25 Für einige Zusammenhänge in bezug auf die Wirtschaftslage in der Nanyö siehe den Beitrag des Verfassers The Rice Situation in Java and Madura During the Japanese Era, 1942-1945. In: B. Martin und AS. Milward (Eds.), Agriculture and Food Supply in the Second World War, Landwirtschaft und Versorgung im Zweiten Weltkrieg, S. 283-296, Ostfildem, Scripta Mercaturae Verlag, 1985. 26 Von den Kontakten mit den Thakin in Indien unterrichtete Aung San Kokka Taihyö Ba Maw, der jedoch die Japaner nicht informierte. 27 Die These Ba Maws, Break Through in Burma: Memoirs oi a Revolution 1939­ 1946, Yale etc. 1968, die burmesische Revolution sei nicht nur von den Thakin getragen, dürfte als reine Apologie bezeichnet werden. 28 Die Beschlüsse der oben erwähnten Verbindungskonferenz zwischen dem Kaiserlichen Hauptquartier und der japanischen Regierung sind hier deutlich. 29 Erst am 20.08.1942 wurde Batavia in Djakarta umbenannt. 30 Siehe Laszl6 Sluimers, "Nieuwe Orde" op Java: De Japanse Bezettingspolitiek en de Indonesische Elites 1942-1943. In: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde, 1968, S. 336-365. 31 Siehe Sluimers, Rice Situation in Java and Madura, passim. 32 Siehe Osamu Shüdan Shireibu, Zen Jawa Kaikyö Chösajo, Djakarta 1943, S. 356­ 358. 33 Möglicherweise in der Absicht, die Auflösung des Töyo-Kabinetts zu bewirken, um dadurch einen Kompromißfrieden mit den Alliierten zu ermöglichen. Nach der japanischen Niederlage bei Midway (05. - 06.06.1942) waren die japanischen Kriegsaussichten zweifelhaft geworden. 34 Okazaki war laut R. Storry, The Double Patriots: A Study in Japanese Nationalism, London 1957, S. 55-56 Mitglied der extrem konservativen Sakurakai (Kirschblüten• gesellschaft), der vor dem Kriege auch Tominaga und Mutö angehörten. Allerdings sagte L.F. de Groot, 1949 Vorsitzender des Einstweiligen Kriegsgerichtes (Temporaire Krijgsraad), das u.a. Imamura und Okazaki 1949 den Prozeß wegen Kriegsverbrechen machte, dem Verfasser, er habe Okazaki immer als einen typisch japanischen Intellektuellen angesehen. Laut eines Briefes Okazakis an de Groot nach dem Kriege, den der Verfasser zu Gesicht bekam, hatte Okazaki gute englische Sprachkenntnisse. 35 Rijksinstituut voor Oorlogsdocumentatie Indische Collectie (RVO Ie) No. 030697. 36 Auf Grund der Erfahrungen im Ersten Weltkrieg muß man zu der Schlußfolge• rung kommen, daß alles schon da gewesen war. Siehe Sluimers, Rice Situation on Java and Madura, passim. 37 Vielleicht das Beispiel für Soekarnos Politik in bezug auf die indonesischen Kommunisten insbesondere ab Oktober 1952 ? 38 Siehe Gatot Mangkupradja, op.eit. 290 Läszl6 Sluimers

39 Beachtet werden muß, daß die japanischen Begriffe für Bataillon, Kompanie und Zug Daitai, bzw. Chutai und Shmai sind. Die Verwendung der Postposition dan statt tai weist auf ein gewisses Maß an Diskriminierung zwischen indonesischen und japanischen Einheiten bei den japanischen Behörden hin. 40 Siehe O.G. Roeder, The Smiling General, Djakarta 1969. 41 Etwas von diesen Methoden konnte der Verfasser Anfang 1945 beobachten, als er zwecks einer unbedeutenden Arbeit aus dem Internierungslager herausgeführt wurde. Schon damals überlegte er sich, ob diese Methoden letzten Endes den Japanern keine Schwierigkeiten bereiten würden. 42 Siehe Goto Kenichi, Hi no Umi no Bohyö, die Biographie des im Kampf gegen die Holländer 1949 gefallenen Auslandsjapaners und BEPPAN-Angehörigen Ichiki Tatsuo, S. 166 ff. 43 Siehe Gotö, op. cit., S. 168. Die Türkei Atatürks und Inönüs war laizistisch. 44 Und natürlich auch Miyamoto. 45 Das Wort Pelopor, vom holländischen Voorloper (Vorläufer) hatte 1945-1949 in den holländischen Nachrichtensendungen einen berüchtigten Klang als Symbol eines blutdurstigen Nationalismus. Den gab es zwar aber eben nicht bei der suishintai. Zu ihr gehörte u.a. der spätere Generalstabchef und Verteidigungsminister General Nasution, ehemaliger Schüler an der niederländisch-indischen Kriegsakademie in Bandung und durch Heirat an dem während der japanischen Ära aus dem ehema­ ligen Beamten aufgekommenen indonesischen Handelsstand Bandungs gebunden. Nasution war der führende Kopf der westjavanischen Siliwangi Division, die als Vertreterin eines gemäßigten Nationalismus zu betrachten war. 46 Bundanchö entsprach etwa dem Dienstgrad eines Fähnrichs. Zwar wurde Suprijadi nach der japanischen Kapitulation zum Oberbefehlshaber der neu gegründeten indonesischen Armee ernannt, er blieb jedoch verschollen. 47 Für die Entwicklungen in Indonesien zwischen April und August 1945 siehe B.R.O'G Anderson, Some Aspects 0/ Indonesian Politics under the Japanese Occupation: 1944-1945, Ithaca, Cornell University 1961. Interim Report Series Modern Indonesia Project. 48 Daß er nach dem Kriege tief verwickelt war in Kraftfahrzeug-Transaktionen mit Indonesien dürfte nichts an der Sache ändern. 49 Manche der japanischen BEPPAN-Angehörigen, u.a. der Leiter der höjin (Auslandsjapaner)-Gemeinschaft in Bandung, Machida, hatten sogar nicht eine als populistisch anzudeutende, sondern sogar eine linke Vergangenheit. 50 Siehe z.B. Ökuma Kinen Shakai Kagaku Kenkyüjo, op. cit. für die Querelen zwischen Konteradmiral Maedas Kaigun Bukanfu und dem Sendenbu der Militärverwaltung in Djakarta. 51 Daß er sich in bezug auf Burma als ein Gegner Suzukis zeigte, hatte nur damit zu tun, daß er dem indischen Nationalismus über den burmesischen den Vorrang gab. Im Gespräch ließ er sich schätzend über Suzuki aus: "That was the Lawrence of Burma." Politische Gegensätze der jap. Militärverwaltungen 291

52 Damals war der Verfasser ziemlich ahnungslos, da er die erst 1977 erschienen oben erwähnte Arbeit Gotös nicht kannte. Vermittler des Gespräches war namentlich Fujiwaras Freund, Sugano, zweifelsohne identisch mit dem von Gotö, Gotö, op. cit., S. 112, erwähnten Sugano Kengo. Dieser, ein ehemaliger Junger Offizier, war 1940 mit Mitwissen des Obersten Iwakuro Hideo, einer zentralen Figur im Kriegsministerium, als Archäologe nach Java gekommen. Sugano wurde nachgesagt, er habe etwas zu tun gehabt mit dem Explosions-Tod-Zwischenfall des chinesischen Kriegsherrn Chiang Tso Lin im Jahre 1928. 53 Richard Storry, The Double Patriots: A Study in Japanese Nationalism, Landon 1957. 54 Adoptivname für Morninoki m*~ j;( 55 Tarnname für Suzuki Keiji ~ * 1!& RJ

Pelagische Purgatoria? Chinesische Gedichte für sillanische Mönche

Erling von Mende (Berlin)

Mein Wunsch dabei zu sein, wenn es gilt, den Jubilar mit einem wenn auch in mancher Hinsicht unvollkommenen Beitrag zu ehren, läßt sich nur sehr schwer unmittelbar begründen. Ich habe den Jubilar nur von "draußen vor der Tür" er­ lebt, aber durch meine Lehrer wurde er so sehr ein Bestandteil meiner wissen­ schaftlichen Erziehung, daß diese ohne seinen Einfluß gewiß ganz anders verlaufen wäre. Deshalb möge er meinen Beitrag als Dank für über Jahre ohne sein Wissen geleistete Hilfestellung akzeptieren.

Silla war der ostasiatische Staat, der - mehr noch als Japan - während der T'ang-Zeit die stärkste Beeinflussung durch China erfuhr. Zum Teil jedoch trug auch Silla zu einzelnen Aspekten der T'ang-Kultur bei: Es beeinflußte die Eßkultur, künstlerische und religiöse Entwicklungen, und es hatte eine entscheiden­ de Rolle im Überseehandel und im Handel überhaupt. Erstaunlich ist dies nicht, wenn man davon ausgehen kann, daß 1-2% der T'ang-Bevölkerung Koreaner bzw. koreanischer Abstammung waren, wenn auch de~ größte Teil von ihnen aus dem untergegangenen Koguryö stammte und durch Gefangenschaft oder Zwangsumsied­ lung nach China gelangt war. Bedeutsamer für den kulturellen Bereich waren jedoch die mehr als zweitausend sillanischen Geiseln, Studenten und Mönche, die sich von etwa 640 bis zum Ende der T'ang-Zeit nach China begaben und zum Teil lange, manchmal Jahrzehnte, dort blieben. Unter mehreren Belegen sei nur auf die eklatantesten hingewiesen. So hielten sich 837 zweihundertundsechzehn Sillaner am Hofe in Ch'ang-an auf.! 836 betonte ein Sillaner, daß er bereits seit 26 Jahren in China lebe,2 und in einem Ge­ dicht von Chang Ch'iao ~ -j; , der sich während des HiIang Ch'ao-Aufstandes am Ende des 9.Jhs. in den Chiu-hua-ßhan zurückzog und das dieser einem Pak Ch'ung anläßlich von dessen Rückkehr nach Silla widmete, heißt es: 3

Vom Himmelsrand warst Du 24 Jahre entfernt, Drei Kaiser hast Du erlebt. Der weite Ozean ist zwar unendlich, Aber heimkehrende Schiffe kennen Entfernung nicht. 294 Erling von Mende

Angesichts der schrecklichen Wellen vermißt man von Zeit zu Zeit den Gefähr• ten, Doch man gibt durch Feuerzeichen nachts einander zu erkennen. Auf Hin- und Rückfahrt richtet man sich nach alten Merkzeichen. Da gibt es zum Beispiel die zerstörte Brücke [Ch'in Shih-huang-tis bei der Ausfahrt aus dem Che-Fluß] . Von den sillanischen Mönchen in China sind nicht nur weit über hundert nament­ lich bekannt,4 vielmehr berichtet Po Chü-i über einige der zaWreichen Namenlosen in seinem Vorwort zur "Reise zum Ta-lin-Kloster im Lu-shan",5 daß nämlich die Mönchsgemeinde dieses Klosters ausscWießlich aus Hai-tung mJ %. (?Silla) stamme. Das ZaWenverhältnis zwischen den sillanischen und den offensichtlich bekannteren japanischen Mönchen mag annähernd durch den Bericht Ennins6 deut­ lich werden, nach dem sich unter den einundzwanzig nichtchinesischen Mönchen, die sich während der Buddhistenverfolgung in Ch'ang-an unter den Schutz des Armeeinspekteurs der linken Armee begaben, zehn Sillaner und drei J apaner befan­ den. Eine Auflistung der zahlreichen Belege über koreanische Siedlungen in China, nicht nur bei Ennin, erübrigt sich. Hier sei daher nur auf ein Gedicht von Ma Tai ,~fit verwiesen, das dieser "Dem Sekretär Lü zum Geleit, als er zum Präfekten von Tung-hai chün [heute Lien-yün-kang] ernannt worden ist" widmete.? Danach war ein besonderes Merkmal dieser Präfektur die große ZaW der I-Barbaren, die sich dort niedergelassen hatten. Diese wenn auch nur punktuellen und oft nur beiläufig gemachten Angaben lassen erkennen, daß zwischen China, Silla und Japan unter traditionellen sozialen und verkehrstechnischen Bedingungen ein reges Kommen und Gehen geherrscht haben muß. Während der gesamten T'ang-Zeit gelangten diese Reisenden mit wenigen Ausnahmen durch die Häfen an den Küsten der heutigen Provinzen Shan­ tung, Kiangsu und Chekiang nach China oder verließen es auf diesem Wege. Nur zwei Fälle aus diesem Zeitraum sind mir bekannt, in denen China über den Landweg erreicht wurde, einmal der japanische Mönch Eichil, der im Jahre 796 von P'o-hai aus China erreichte,B zum anderen ein namenloser, wahrscheinlich sillani­ scher Mönch (oder sollte es sich um Eichil handeln?), der vermutlich etwas später die lange Reise hinter sich brachte und für den Chang Chi ~. 9 das Gedicht "Für einen Mönch aus dem Osten jenseits des Meeres" verfaßte: Du hast Dein Heim verlassen und zehntausend Meilen durchquert. Nach eigener Aussage hast Du dabei Fuyü10 passiert. Du beherrschst die chinesische Sprache Und hast daher die Fähigkeit zum Studium fremder Bücher. Pelagische Purgatoria 295

Als Medizin hast Du Algen gesammelt, Unter dem Schutz des Gebets Dir den Drachenfischll gefangen. Nun frage ich Dich noch, ob Du mit Gefährten gekommen bist Und wie lange Du im T'ien-tai-Gebirge bleiben wirst. In allen anderen Fällen haben die sillanischen und japanischen Mönche, denen von Chinesen Gedichte gewidmet wurden, in den Gedichten - aber gewiß auch tatsäch• lich - den Seeweg gewäWt, eine Route, die seit Jahrhunderten woWbekannt war und außer den realen Gefahren einer jeden Schiffsreise nichts Unbekanntes mehr barg. Folgt man nicht den Gedichten, sondern historischen und geographischen Texten, so wird deutlich, daß man spätestens seit der Han-Zeit sehr genaue Vor­ stellungen über die Lage der koreanischen Halbinsel hatte,12 zunächst aufgrund militärischer und politischer Herrschaft, teilweise eingebunden in das administrati­ ve System der Han, als Verbannungsort, dann scheinbar dahindämmernd als Vor­ posten der Zivilisation in einem tobenden Meer zur Staatlichkeit findender Stäm• me, die ebenso Nordchina überschwemmten. Die sich hieraus entwickelnden Staa­ ten nahmen Anleihen auf in dem viel differenzierter strukturierten China, so daß ­ wenn auch mit manchen Unterbrechungen - vom 4. bis zum 7.Jh. regelmäßig Ge­ sandtschaften zu den verschiedenen Dynastien in China kamen, die zumindest auf ihrem Weg zu den Süddynastien seit dem frühen 5.Jh. über See reisen mußten, sei es bis Shantung oder sogar bis in das Mündungsgebiet des Yangtse. Die Phase der kriegerischen Verstrickung Chinas auf der koreanischen Halbinsel während des größten Teils des 7.Jhs. erforderte die Benutzung der Seerouten von Teng--ehou und Ch'eng-shan an der Nordküste Shantungs und die Einbeziehung der Küsten• routen von Südostchina nordwärts, um die dort gebauten Kriegsflotten nach Norden zu verlegen. 13 Abgeschwächt gilt gleiches von der Kenntnis über den See­ weg nach Japan. Selbstverständlich waren diese Seereisen beschwerlich. Verzweifelt, jedoch nüchtern wird in der Biographie des Gesandten Kuei Ch'ung--ehing ~~Hiiz aus dem Jahre 767 die stürmische Überfahrt beschrieben,14 weniger nüchtern in einem t'ang-zeitlichen Pi-chi die versuchte Überfahrt eines anderen Gesandten: 15 Yüan I-fang wurde als Gesandter nach Silla geschickt. Als er nach Chi-lin in See gestochen war, stießen er und seine Leute auf einer Insel im Meer auf eine Quelle. Aus ihr schöpfte die Mannschaft mit den Händen Wasser, bis plötzlich eine kleine Schlange aus der Quelle hervorgekrochen kam und der Kapitän rief: "Der Drache zürnt!" Daraufhin stach man wieder in See, aber nach nur wenigen Meilen überfielen Sturm und Regen mit Donner und Blitz sie, und drei Tage und Nächte härte das Wetter nicht auf. Als endlich der Regen nachließ, sahen sie in der Ferne eine Stadt am Ufer, und als sie nachfragten, da war das Lai--ehou [in Shantung] . 296 Erling von Mende

Angesichts der Gefahren, mit denen die Reise über See verbunden ist, verzichtet auch kaum eines der Sillanern oder Japanern gewidmeten Gedichte darauf, diese mehr oder weniger dramatisch darzustellen - sie werden im Gegenteil immer er­ schreckender, und Sprache und Metaphorik sind schon bald festgelegt. Dennoch ist die Bandbreite der Darstellungsmöglichkeit der Seereise sehr groß. Gründe hierfür sind bei den Autoren und in ihrem geistigen Umfeld zu finden, in geringerem Maße aber auch bei den Adressaten und ihrer Funktion. Die unter­ schiedliche Annäherungsweise mögen zwei Gedichte für chinesische Gesandte ver­ deutlichen. In beiden steht die besondere Stellung der Gesandten im Vordergrund, in beiden erscheint auch ausführlich die Seereise, doch ist sie im ersten Beispiel eingeklammert und dient als Überbrückung der Entfernung zwischen Gesandt­ schaftsauftrag und dessen Erfüllung, während im zweiten Beispiel die Gesandt­ schaft eher zurücktritt und nur den Anlaß für die Seereise selbst liefert.

Ch'üan Te-yü ;jIrf;. in einem Gedicht für die nicht zustande gekommene Gesandtschaft des Jahres 800: 16 Die reine Zivilisation, sie läßt man überall spürbar werden. Die fernsten Gegenden, um sie sorgt man sich gleichmäßig gnadenvoll. Wenn man ihnen schreibt, dann kommen die Dolmetscher zusammen, Wenn man ihnen einen kaiserlichen Befehl zukommen lassen [will], begibt sich [ein Abgesandter, der das Recht hat,] die Doppelfahne [zu führen] dorthin. Die Sterne ziehen sich zurück, und der Polarstern ist fern. Über das Wasser treibt man, und das Ostmeer ist weit. An der Deichsel des Großen Wagen orientiert man sich bei der Nachtfahrt, und das Tageslicht ist am Morgen die Belohnung. Vereinzelt leuchten Inseln auf und bleiben dann zurück. Grünschimmernd steigen die Nebel auf. Mit zeremoniellem Aufwand wird der kommende Gast überreich empfangen. Festlich erscheint er in der Audienz vor dem Herrscher [von Silla] .17 Du unternimmst eine lange Reise und unterziehst Dich der Mühe, alles in Er­ fahrung zu bringen. Doch in den kummervollen Abschied mischen sich Tränen und Gedanken. Ich recke den Hals und schaue ein volles Jahr nach Dir aus. Eine neue Gnade wird auf Deiner Rückkehr ruhen. Liu Yü-hsi ~tl ~ ~ ,ein jüngerer Zeitgenosse Ch'üan Te-yüs für den Gesandten des Jahres 805, Yüan Chi i'j;a :18 Diesen fähigen Sproß aus dem Stamme des Ministers [Yüan Ch'ien-yao] kann man als Schmuckstück preisen. Zur Reise nach dem Osten bevollmächtigt, führt er die kaiserliche Gnade mit sich. Er verkörpert jetzt die Majestät des Kaisers und nimmt Abschied vom Palast, Um die kaiserlichen Worte nach Chi-lin zu tragen. Die steigenden Nebel öffnen sich über dem Rücken der Riesenschildkröte über dem tausend Klafter tiefen Grün. Pelagische Purgatoria 297

Die Sonne badet in den Wellen wie ein Wal auf einer goldenen Fläche von zehn­ tausend ch'ing. Man wünscht, zur Erfüllung FU-ilang zu schauen, Gleichzeitig neigt man sich nach Westen, wohin der Sinn sich sehnt. Abgesehen von buddhistischen Inhalten unterscheidet sich ein Teil der Gedichte, die Mönchen gewidmet wurden, nicht von der säkularen Gesandtschaftsdichtung. So gab Ende des 8.Jhs. Fa--ehao 7* lffi dem Ch'an-Mönch Wu--ehu ~ ~ (koreanisch Mujö) das Geleit, der nach Silla zurückkehrte: 19 Über zehntausend Meilen verläuft der Weg nach Hause, Und deshalb läßt sich die Reise nicht berechnen. Man folgt dem Verlauf des Gebirges, davon wird die Kutte zerfetzt. Man überquert das Meer in einer Schale, sie ist zu leicht. Zur nächtlichen Ruhe vertraut man sich den Wolken an, Beim Morgenmahlläßt man sich vom Geräusch des Wassers begleiten. Wann werden wir gemeinsam die [buddhistischen] Schriften meistern? Mögest Du doch nach einem Kalpa wieder in die chinesische Hauptstadt kommen! Chang Ch'iao *~ gab gegen Ende des 9.Jhs. mit zwei Gedichten sillanischen Mönchen das Geleit, unter ihnen dem Mönch Ya--ehüeh *E il :20 Berge und Ströme finden ihren Ursprung im Inneren der Erde. Sie sind eine Idee und doch tausendfältig in ihrer Erscheinung. Altgeworden nimmst Du Abschied von den Klöstern Ch'ang-ans. Meditierend kehrst Du zurück zu den Höhenrücken jenseits des Meeres. Nur der Flug der Vögel zeigt Dir den Weg, Denn der Schatten des Segels verschwindet und hinterläßt keine Spur. Nach wievielen Nächten werden die Wellen schwächer werden Und wirst Du zum ersten Mal [wieder] die Gongs der Heimat hören? Dagegen ist Anfang des IO.Jhs. in einem Gedicht des Mönches Ch'i chi ~ a die Reise zur bloßen Andeutung verkümmert: 21 Ich gebe einem Mönch, der nach Jih-tung zurückkehrt, das Geleit. (Hier könnte auch Japan gemeint sein, wahrscheinlicher ist jedoch Silla. )22 Von der Sonne im Osten bist Du hierher gekommen, bis zur Sonne im Westen bist Du gereist. Mit einer Almosenscha.le nur hast Du die Welt durchstreift. Doch Du erinnerst Dich an Chi-lin, an Dein eigenes Kloster, Und wünschst zurückzukehren über das Meer, durch Wind und Herbst. Der größte Teil der sillanischen oder japanischen Mönchen gewidmeten Dichtung ist reine Abschiedsdichtung anläßlich ihrer Rückkehr nach Hause. Sie unterscheidet sich nur durch die Herkunft der betroffenen Personen aus einem fremden Land von den zahllosen Pflichtübungen und tatsächlichen Freundschaftsbeweisen für chinesi­ sche Landsleute. Zentrale Themen sind neben dem Abschiedsschmerz entweder die Reise selbst oder der Versuch, das Ziel mit gesuchten und nie gekannten Lokalitä- 298 Erling von Mende ten zu identifizieren. Die Gefahren der Reise werden oft überhöht, um damit - so könnte man meinen, "des Betrachters Auge am besten in Erstaunen versetzen zu können", ohne den Rahmen menschlicher Vorstellungskraft zu sprengen.23 Doch es scheint in einer Reihe von Gedichten mehr zu sein. Die Reisebeschreibungen sind dort nicht nur ein bloßer Bildungsbeweis oder das Ergebnis der Lust am Fabulieren - nicht diese Gründe allein machen die Überfahrt nach Silla so aufregend und hindernisreich, vielmehr führte die Reise bei einer Reihe von Dichtern, vor allem im 9.Jh., durch ein pelagisches Purgatorium, durch das man hindurch muß, um ein transzendentes Ziel oder auch "nur" seine Heimat zu erreichen und durch das die Wirkkraft schützender Numina bewiesen wird. Zwar steht dieser Gedanke in der Dichtung des 8.Jhs. noch nicht so stark im Vordergrund, doch durch sie wird die Metaphorik der nachfolgenden geprägt. Statt dessen wird in säkularen Gedichten die Entfernung, in buddhistischen Gedichten die tröstliche Zugehörigkeit zur Oikumene betont. So zählt Ch'ien Ch'i ~ iQ in seinem Abschiedsgedicht für den chinesischen Gesandten Lu T'ing24 Silla zu den Außenländern (shu-fang ~.1J ), die sich nach Pan Ku25 dreißigtausend Meilen jenseits des Ozeans erstrecken. Bei Wu-k'o, der für eine Reihe von Sillanern und Japanern Gedichte verfaßt hat, erscheinen Silla oder Japan noch außerhalb der für Chinesen vorstellbaren Welt (huang-wai m9'f.. ),26 außerhalb auch noch der äußer• sten Weltzone. In einem Gedichtzyklus, der wahrscheinlich kurz vor 750 entstanden ist und aus Abschiedsgedichten für den Japaner Abe no Nakamaro (chin. Ch'ao Heng §&ftJ) besteht, weisen Bilder und Metaphern in den Gedichten von Wang Wei 3:*-1:& ,27 Pao Chi 1';r. {a 28 und Li P029 bereits auf die spätere Entwicklung im 9.Jh. hin. Bei Wang Wei sind die sich auftürmenden Wasser (chi-shui fM7J\ ) so endlos, daß es unmöglich erscheint, das Ostufer des eisengrauen Meeres (ts'ang-hai rn ~ ) auch nur zu erahnen. So weit entfernt ist das Ziel, daß man sich über zehntausend Meilen dem Nichts (k'ung @) anvertrauen muß, sich selbst nur nach der Sonne orientieren kann, das Segel dem Wind überlassen muß. Unterwegs "läßt [die Spiegelung] des Leibes der Riesenschildkröte (ao I/!;) den Himmel schwarz er­ scheinen,3o und die Augen der Fische flecken die Wellen mit roten Reflexen."31 Das baumbestandene Ziel ist weiter entfernt als der Ort, an dem der Fu-sang-Baum wächst. Dort wird der Reisende und Freund in grandioser Einsamkeit leben. Bei Pao Chi eröffnet die fata morganatische Illusion dem Auge den Blick auf die Pelagische Purgatoria 299

Muschelhallen (shen-ko 1i ~ ), die Sonne erscheint als metallisch glänzendes rotes Rad (chu-lun *= ~ ). Das Gedicht Li POS32 macht aus dem Abschied von Ch'ao Heng eine Toten­ klage (k'u ~ ):33 Der japanische Minister Ch'ao hat die Kaiserstadt verlassen, Sich einem kleinen Seßel anvertraut, um P'eng-hu34 zu umschiffen Auch der Vollmond lkann] nicht umkehren, sondern versinkt im grau-grÜllen Meer (pi-hai ~$).35 [Und darum] werden die dichten Wolken schwer von Kummer und füllen das Ts'ang-wu-Massiv ( iim).36 Ähnlich wie bei Wang Wei liegt für den späteren Wei Chuang • M 37 Fu-sang bereits in Nebelbänken verborgen, doch die Heimat des Reisenden liegt noch weit östlich davon. Die Topoi für die Entfernung und das Ziel werden auch von Sillanern und Japa­ nern in ihren chinesischen Gedichten übernommen. So ist von Hui-eh'ao (korean. Hyech'o) ein Gedicht erhalten, das er verfaßte, als er sich in Südindien aufhielt ­ zugegebenermaßen fürwahr weit von der Heimat entfernt: 38 In einer Mondnacht blicke ich sehnsuchtsvoll auf den Weg in die Heimat. Und die treibenden Wolken kehren heim im Sog des Windes. Ich schließe meinen Brief, damit er bei Gelegenheit fortkommt. Aber der Wind hat es eilig und hört mich davonwirbelnd nicht. Mein Land ist nördlich, jenseits des Himmelshorizontes. Andere Länder liegen ähnlich exponiert im Westen. Hier, südlich der Sonne, gibt es keine Wildgänse. Wen gibt es aber dann, der nach [Chi-]lin fliegt. Bei Abe no Nakamaro erscheint der P'eng-lai-Topos, jedoch in einer im Chine­ sischen nicht gekannten bukolischen Verfremdung. 39 Im 8.Jh. werden die Gefahren der Reise durch die Zugehörigkeit zu einer Ge­ meinde aufgefangen. Kaiser Hsüan-tsung formulierte dies im Rahmen chinesischer. Herrschaftsvorstellungen, als er in einem Gedicht für den japanischen Gesandten sagte, daß "es auf der Welt nicht verschiedene Länder und Sitten geben solle, es der Himmel vielmehr für gut halte, wenn alle [kleinen] Herrscher sich am Kaiser­ hofe versammelten."40

Fang Kan 11 T aus der 2. Hälfte des 9.Jhs. stellt eine kosmische Einheit zwi­ schen dem Westen und Osten her,41 während der Zeitgenosse Kaiser Hsüan-tsungs, Sun T'i ~ ~ in seinem Gedicht "Ich gebe dem Mönch aus Silla das Geleit, der nach Hause zurückkehrt" die buddhistische Oikumene zu erkennen glaubt:42 300 Erling von Mende

Von all den merkwürdigen Ländern liegt heute keines mehr außerhalb [der Oikumene] , . Denn die Mönchsgemeinde ist überall. Der Sinn ist nur darauf gerichtet, ins Nirvana einzutreten. Die Meditation dient zur Erlangung höchster Klarheit. Vor langer Zeit bist Du mit der Almosenschale gekommen, Die Wahrheit weiterzutragen, kehrst Du am heutigen Tag zurück. Die höchsten Würdenträger haben Dich mit den schönsten Abschiedsgeschen­ ken überschüttet, Der Kaiser selbst hat Dir ein Priestergewand überreichen lassen. Das Meer ist weit, und in einer Schale begibst Du Dich auf die Rückreise. Die Wolken treiben in die Ferne, und Du ziehst mit ihnen. Auf dieser Reise findet sich kein Ort zum Verweilen. Wie soll man da Muße finden zum demütigen Gebet? Wu-k'o sagt es in den Schlußversen eines Gedichtes für einen ungenannten Sillaner noch prononcierter:43 Chi-lin wird von allen Seiten umspült. Eine Reise dorthin dauert ein Jahr. Da die Sonne dort näher ist, wird dieses Land früher beschienen [als China], Doch der Wind pfeift, so daß das Meer nie ruhig ist. das Auge sehnt sich nach den Menschen und Wäldern der Heimat, Doch das Haupt wird weiß auf dieser endlosen Reise. [Weil sich in Silla] angekommen die Konstellation der Sterne verändert hat, Behaupten wir Leute der T'ang, daß das Leben dort deshalb ein anderes sei.

Und auch Hsü Ning ~ ~ zählt in einem Gedicht, das er für ein Mitglied der japa­ nischen Gesandtschaft 804 verfaßte44 und in dem die pelagische Metaphorik voll ausgebildet ist,45 Japan - zwar in einem unzugänglichen Winkel der Erde liegend­ dennoch zur Oikumene. Für ihn liegt Japan diesseits von Fu-sang. In dem erwähnten Gedicht von Wang Wei sind aber auch schon Hinweise auf die Verwandlung der Heimreise in eine Suche nach der taoistischen Transzendenz zu finden. Dies gilt für die Wassermassen, mehr aber noch klingt in der Spiegelung der Riesenschildkröte am Himmel der erste Abschnitt des ersten Chuang-tzu-Ka­ pitels46 nach: Im stygischen Nordmeer gibt es einen Fisch, den man kun nennt. Von der Größe dieses Fisches weiß man nicht, wieviel tausend Meilen sie beträgt. Er verwandelt sich in einen Vogel und heißt dann p'eng. In Gedichten des 9.Jhs. werden die Gefahren der Reise, die Ferne des Ziels weiter­ gesponnen, die Hinweise auf das erste Kapitel des Chuang-tzu47 werden häufiger, das Traumhafte des Geschehens, jedoch auch die Chance, durch das Medium des Traumes miteinander zu kommunizieren,48 tritt stärker in den Vordergrund, und das Erlebnis des Purgatoriums wird trotz einer Konventionalisierung der Meta­ phern individueller. Pelagische Purgatoria 301

Wenn in diesen Gedichten nicht nur die Seereise selbst voller Gefahren, sondern auch gleichzeitig unendlich weit ist und zu Zielen führt, die sich scheinbar einer Ankunft immer wieder entziehen wollen, so ergibt sich dies daraus, daß die Reise nach Silla oder Japan in die gleiche Richtung führt, die auch die verzauberten Rei­ sen der Mao-shan-Adepten nach P'eng-lai und Fu-sang nehmen und die Edward Schafer in seinem Buch über die taoistische Dichtung Ts'ao T'angs schauerlich schön nachvollzogen hat.49 Die Identität der Reisen ergibt sich aus der Zugehörigkeit der Autoren einer Reihe von Abschiedsgedichten zum Mao-shan-Kreis oder zumindest dessen Um­ feld. Bei aller Konventionalität und der häufigen Übernahme der im 8.Jh. heraus­ gebildeten Metaphorik müssen wir bei diesen Gedichten annehmen, daß zwischen ihren chinesischen Autoren und den in ihnen genannten Sillanern und Japanern ­ und dies gilt nicht nur für die buddhistischen Mönche - eine Gemeinsamkeit und Gemeinschaft bestand. Bei den betroffenen Chinesen lassen sich über einen Zeitraum von etwas mehr als hundert Jahren, von der zweiten Hälfte des 8.Jhs. bis etwa 900, weitgehend übereinstimmende buddhistische und taoistische Tendenzen feststellen, darüber hinaus aber auch zahlreiche persönliche Beziehungen verwandtschaftlicher und freundschaftlicher Art. Dies gilt für Ku K'uang und Ku Fei-hsiung .~PN~, Vater und Sohn, für freundschaftliche Beziehungen zwischen Ma Tai, Chang Chi, Yao Ho i!:J1i -€f und dem Mönch Wu-k'o ~ 1'iJ , der wiederum mit Chia Tao verwandt war, oder zwischen Lu Kuei-meng ~.~ und P'i Jih-hsiu w. 8ft und dem Mönch Kuan-hsiu ltft .50 Für viele von ihnen spielte eine gemeinsame, auf Li Po zurückgeführte literarische Tradition eine Rolle. Durch die buddhisti­ schen Einflüsse, aber auch verbunden durch taoistisch transzendente Ziele fand sich hier eine "internationalistische" Gemeinde zusammen, die gleichermaßen Chinesen und Nichtchinesen - so scheint es - gleichberechtigt vereinte. Ein Sillaner konnte· Lehrer sein, weil er ein Mitglied dieser Gemeinde war. Dies wird mehrfach durch Ennin belegt, nicht nur im Zusammenhang mit dem tragikomischen Schicksal eines chinesischen Mönchleins, der als Koreaner während der Buddhistenverfolgung de­ portiert wurde. 51 Auch in der Dichtung finden wir dieses Lehrer-Schiller-Verhältnis, und Yao Ho und Ku Fei-hsiung haben einem sillanischen Mönch Gedichte mit diesem Tenor gewidmet: 302 Erling von Mende

Ich verweile beim Adepten "Namenlos" im Purpurpavillon. (Dieser ist aus Silla gekommen. )52 Über steile Pfade hast Du Bhütatathatä, das Absolute erreicht. Wer könnte in diesem Zustand Weisheit von Torheit trennen? Ohne die Augen zu schließen, erkennst Du die traumhafte Illusion. Da es keine Hölle mehr gibt, entgehst Du der leidvollen Angst der Menschen. In den Bergen, auf See, überall ist Dhyäna möglich. In China, bei Barbaren, ist Buddha dort etwa jeweils ein anderer? Warum nehme ich die Worte dieses Ch'an-Mönches auf? Weil die vollkommene Klarheit jetzt in ihm ist. Ich verweile beim Adepten "Namenlos" aus Silla im Purpurpavillon. 53 Das Lager aus Palmenfasern hast Du selbst Dir bereitet. Wer im Freien lebt, was sollte er mehr tun? Mit wem Du auch gemeinsam das weite Meer überquert haben magst, In den menschenleeren Bergen begleitet Dich nur der Tiger. Mit Herz und Sinn hast Du die Welt ganz erkundet. [Noch] mit schwarzem Haar54 ist Dir die höchste Form der Erkenntnis55 ge­ kommen. Zum Purpurpavillon kommen die Menschen, Dich zu ehren. "Namenlos", das ist fürwahr Dein angemessener Name. Am deutlichsten wird der purgatorische Charakter der Reise in den Gedichten Kuan-hsius,56 von denen zahlreiche für Ausländer verfaßt wurden. Abschiedsge­ dichte im engeren Sinne für sillanische Mönche sind die beiden folgenden: Ich gebe einem Mönch aus Silla das Geleit, der in seine Heimat zurückkehrt. 57 Selbstvergessen hast Du nach der höchsten Lehre gesucht. Nun, nach erfolgreicher Suche kehrst Du in den Osten zurück. Vom Ufer aus begibst Du Dich auf die davorliegende Weite [des Meeres], um Dich zu entfernen. Aber nichts gibt es darauf für lange Zeit, nach dem man sich orientieren könn• te. In der Spur des Mondes bilden sich Biolumineszenzen, Beim Nahen der Segel fliegt der Rockvogel auf. Doch wegen Deines Wunsches, in die Heimat zu gelangen, Besänftigst Du [diese drohenden ErscheinungenJ, indem Du das [vom Kaiser verliehene] purpurne Gewand58 anlegst. und: Ich gebe dem Herrn, der nach Silla zurückkehrt, das Geleit. 59 Gestern abend hat sich ein Westwind erhoben, Und ich gebe Dir das Geleit, da Du in Deine Heimat zurückkehren willst. Sehr bekümmert es mich, daß Du Dich in den entferntesten Winkel der Welt zurückziehst, Wo man sehen kann, wie die Sonne im Fu-sang-Baum emporsteigt. Die Pneumata der Muscheln bilden Fata Morganen, wenn es aufklart, Die herannahende Flut schafft sogleich eine wilde Wüstenei. Wenn auch mit der Zeit die Häupter weiß sein werden, So werden wir doch im Traum gelegentlich nach einander Ausschau halten. Pelagische Purgatoria 303

In einem Gedicht Yao Kus ~E M60 um die Mitte des 9.Jhs. "erschüttert es den Himmel, wenn sich die Riesenschildkröte aufbäumt, verdunkelt es die Sonne, wenn der Vogel Rock auffliegt", und Naturkräfte behindern die Reise. Für Chang Ch'iao bedeutet die Überfahrt nach Silla eines heimkehrenden sillanisehen Gesandten, daß dieser danach in das Register der numinosen Wesen (hsien-chi fW.) aufgenom­ men wird. 61 Von mythologischen Vorstellungen weniger geprägt, aber dennoch gewaltig, ist auch die Seereise bei Lin K'uan, der weiß, daß die Wellen sich langsam aufbauen und nachts mit peitschendem Knall zerplatzen, daß die Wale mit ihrem "Gebrüll" den Morgen mit dröhnendem Ton erfüllen. 62 Neben Kuan-hsius Gedichten enthalten die P'i Jih-hsius die größte Vielzahl drohender Schrecken. Im Morgenlicht stellt der Wal seine "Rückenflosse" aufrecht, so daß sie wie ein Berggipfel glüht, nachts verlöschen die leuchtenden Pupillen der Riesenschildkröte wie in den Schatten zurücktretende Inseln,63 Drachen hüten auf dem Meeresgrund die Schatzkammern, über dem Wasser aber kann man durch die Rezitation von Dharanis die Muscheltürme der Fata Morgana zersprengen. 64 In den Gedichten, die Lu Kuei-meng und Ku Hsüan anläßlich der Heimkehr Ensais nach Japan verfaßten, verhindert die den religiösen Übungen innewohnende Kraft, daß die Schrecken sich überhaupt manifestieren können, sie können in gewis­ ser Weise sogar genutzt werden. So meint Lu Kuei-meng, daß Ensai in der Nacht im Lichte der Biolumineszenzen, die sein Flickengewand (t'ien-i EH?i.) aufleuch­ ten lassen, meditieren werde,65 und Ku Hsüan nennt das Rezept, mit dem man die Schrecken fernhalten könne: "Mit Ruhe kann man sich vor den Fata Morganen (hier buddhistisch: vor den Illusionen eines dürstenden Hirsches) schützen, mit Lärmen die Riesenwale erschrecken. "66 Zwei abschließende Bemerkungen: Nicht nur die Reisen nach Osten erscheinen in phantastischen Metaphern, gleiches gilt auch für Reisen in die anderen Himmelsrichtungen, die nicht nur ähnlich weit führen und die Reisenden den extremen Erscheinungen der Natur aussetzen, die vielmehr auch ihre eigenen phantastischen Welten kennen. 67 Einen ähnlichen ­ vielleicht noch ausgeprägteren - reinigenden und erlösenden Charakter können Rei­ sen nach dem Westen haben. Obwohl die Gedichte für Mönche, Studenten, Geiseln und Gesandte aus Silla und Japan für die gesamte T'ang-Zeit aufgrund ihrer Funktion als Abschiedsge­ dichte untereinander Ähnlichkeiten aufweisen, lassen sich nicht nur hier nicht wei- 304 Erling von Mende ter aufgeführte Unterschiede aufgrund unterschiedlicher Adressaten feststellen, sondern es können auch Veränderungen beobachtet werden, die zwar durch eine weitgehend identische ältere taoistische und für China jüngere indische Metaphorik verwischt werden, aber dennoch an geisteshistorischen Erscheinungen festgemacht werden können. Der Begriff der pelagischen Dichtung, wie er von Schafer in seinen Mirages on the Sea of Time verstanden und eingegrenzt wurde und wie er von mir auf die Abschiedsdichtung angewandt worden ist, scheint ohne Einschränkung nur für den von Schafer näher bestimmten buddho-taoistischen Kreis des 9.Jhs., dessen Kristallisationspunkt der Mao-shan war, zu gelten. Hier jedoch erfüllt sie eine purgatorische Aufgabe, die über die Intentionen der Abschiedsdichtung hinausgeht.

Anmerkungen

Die Anregung zu meinen Notizen verdanke ich folgenden Arbeiten: Lo Hsian.,g-lin • ~ # : T'ang7"ß.hih Y:Y Chung-Jih wen-hua chiao-liu chih kuan-hsi miff ~ q:; B 3c ft 5<: VlL Z ~ t* (T'ang-Dichtung und die chinesisch-japanischen Kulturbeziehungen), in T'ang-tai wen-hua shi m R 3c ft R:. . Taipei 1968, S.194-220 [ursprünglich 1955]; Yen Ke~-wang ~ fit ~: Hsin-lo liu T'ang hsüeh-sheng yü seng-t'u ~ mi fi m if\ .tE W: ~ ~ (Studenten und Mönche aus Silla in T'aIlg-ehina) in Tung Tso-pin IU/I' ~ (Hrsg.) Chung-Han wen-hua lun-chi q:; ~ 3c ft ~ ~ . Taipei 1966 S.67_-98· P'eng Kuo-tung ~ m~ : Chung-Han shih-chieh shih-hua i:f=r. ~ rm ~ ~ (Über Gedichte anläßlich chinesischer und koreanischer Gesandtschaften), in Tung Tso-pin 1966, S.319-333; Edward H. Schafer: Mirages on the Sea of Time. The Taoist Poetry of Ts'ao T'ang. Berkeley 1985. Die zuletzt genannte Arbeit trägt auch die Hauptbeweislast für den purgatorischen Charakter der Seereisen. Allen Genannten bin ich in unterschiedli­ cher Weise und trotz der leidigen Ei~enverantwortung zutiefst verpflichtet und für angenehme Lesestunden dankbar. - (Das Ch'üan T'ang-shi wird im folgenden ab­ gekürzt CTS).

1 Yen Keng-wang 1966, S.69. 2 Ts'e-fu yüan-kuei fflHf-f 5ta (Nachdruck Hong-Kong 1960), 976, 13a. 3 CTS 638, S.7320. 4 Yen Keng-wang 1966, S.73-98. 5 Yen Keng-wang 1966, S.97 (das von ihm benutzte Ch'üan T'ang-wen stand mir, obwohl an sich leicht zugänglich, leider nicht zur Verfügung); s. auch Chiang-hsi t'ung-chih U Im im ~ 1881 (Nachdruck Taipei 1967), 125, 5a-b. 6 Ennin's Diary. The record of a pilgrimage to China in search of the Law. (Übers. von) Edwin O. Reischauer. New York 1955, S.325. Edwin Ö. Reischauer: Ennin's Travels in T'ang-China. New York 1955, S.279. Pelagische Purgatoria 305

7 S. die Kurznotiz bei Schafer 1985, S.9, wo er zu den taoistischen Dichtern des 9.Jhs. gezählt wird. CTS 555, 8.6432. Zu Koreanern in T'ang-ehina s. diese be­ treffenden Abschnitte in Hsieh Hai-p.'iJ!g ~ 7fj ZjS: T'ap.g~tai liu Hua wai-kuo-jen sheng-huo k'ao-shu Ji!f tt w .9'1- mA §:: ffi ~ Jl!!; (Unter­ suchungen über das Leben von Ausländern im China der T'ang-Zeit). Taipei 1978. 8 Wada Sei: The Northeast Asian Tribes in the T'ang Period, in: Memoirs of the Research Department ofthe Toyo Bunko 17. 1958, S.19.

9 CTS 384, S.4319. 10 Diese historisierende geographische Angabe, offensichtlich keine Fehlschrei­ bung, scheint darauf hinzudeuten, daß der Mönch zumindest Teile der Manjurei durchquert hat. Denkbar ist eine solche Route zu jener Zeit, da das Verhältnis zwischen Silla und P'o-hai relativ ungestört war ls. Erling von Mende: China und die Staaten auf der koreanischen Halbinsel bis zum 12.Jh. Wiesbaden 1982, S.194). Eine Karte der wichtigsten Verkehrswege durch die südliche Manjurei findet sich im Kartenband zu Shiratori Kurakichi: Beiträge zur historischen Geogra­ phie der Mandschurei. Bd.1.2. Tokyo 1912.1914 oder bei Yi Chongmyöng * ~ J:jij : Koryäe nae ökhan Parhaein ko l'i'U • °'-1 * 1)t ~ i1JJ 7'ffl: A ~ , in Paeksan hakpo 4. 1968, S.225. 11 Drachenfisch (lung-yü a ~) erscheint bereits bei Chang Heng: Ssu-hsüan fu ,f& $:~ (ed. Ssu-pu tS'ung-k'an. Liu-ch'en chu Wen-hsüan 15, lOa; deutsche Übersetzun~ bei Erwin von Zach: Die chinesische Anthologie. Carnbridge/Mass. 1958, S.221). Ein Zusammenhang mit der Stelle bei Chang Chi will mir jedoch nicht einleuchten. Wahrscheinlicher erscheint die Bedeutung, die dem Drachen­ fisch im Kua-ti t'u M:Im(iJ 4a (ed. Han-T'ang ti-li shu~h'ao. Peking 1961, S.52) gegeben wird. Dort bedienen sich seiner die Geister und Unsterblichen, wenn sie die Welt durchqueren wollen. 12 S. z.B. Kua-ti chih M:Im ~ hsia, 36a (ed. Han-T'ang ti-li shu~h'ao, S.262). 13 v. Mende 1982, S. 70, 121. 14 v. Mende 1982, S.166-167. 15 T'ang-kuo shih pu m~ F::: 00 . Shanghai 1957, S.66. 16 CTS 320, S.3603; das Vorwort zu diesem Gedicht: Ch'üan-T'ang wen 491, 9a-b. 17 Die beiden letzten Verse lassen zumindest als Andeutung mitschwingen, daß der Gesandte sich zu einer wenn auch zivilisierten Barbarei begeben hat. Dies gilt für die Ausdrücke chiao-huan ~ it , s. YÜ Hsin, "Ich komme als Ge­ sandter nach Yeh~hou (von Zach: Die chinesische Anthologie, S.1071) und chün-chang ~:& (Morohashi Tetsuji: Dai Kan Wa ftten 2-3323.267.2). 18 CTS 359, S.4045. 19 CTS 810, S.9135. 20 CTS 638, S.7312. 21 CTS 847, S.9596. Hiermit soll nicht das Ende pelagischer Metaphern postuliert werden. Es handelt sich lediglich um den historischen Endpunkt der T'ang-Silla-Beziehungen. 22 Eine Zuordnung zu Silla oder Japan ist nicht immer eindeutig möglich, da nicht nur, aber vor allem die ungenaue Ortsbestimmung Jih-tung B * in Gedicht­ überschriften auf beide Staaten zutreffen kann. So hält Yen Keng-wang 1966, 306 Erling von Mende

S.72-73 Gedichte von Shen Sung tt~ und Lin K'uan W~ für Abschiedsge­ dichte für Sillaner, Lo Hsiang-lin 1968, S.201, 204 sie für solche für Japaner. Nur selten gibt der Text selbst Hinweise für eine genaue Zuordnung. In einem Gedicht von Yang K'uei ;fJI; ~, der um die Wende vom 9. zum 10.Jh. aktiv war, ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mit Jih-tung Silla gemeint: Ich gebe einem Mönch aus den Gebieten östlich der Sonne das Geleit, als er zum T'ien-t'ai aufbricht (CTS 763, S.8661): Als Mönch hast Du das Land jenseits der Sonne verlassen Und hast Dich zum Rotmauerberg im T'ien-t'ai-Massiv aufgemacht. Unter einer dichten Wolkendecke bist Du gereist, Von östlich der sich türmenden Wassermassen bist Du gekommen. Dich an Ranken festhaltend wirst Du die Bergpfade erklimmen, Den Mönchsstab niederlegend wirst Du unter Kiefern, in denen der Wind rauscht, rasten. Wenn Du den Kopf zurück auf den Weg nach Chi-lin wendest, Wirst Du nur traumhaft ihn erleben können. 23 David Pollack: The Fracture oi Meaning. Japan's synthesis oi China from the eighth through the eigteenth centuries. Princeton 1986, S.61-62 unter Bezug auf Diskussionen im Genji monogatari. 24 CTS 237, S.2639. Allerdings sind in diesem fernen Land Musik und Riten kürz- lich eingeführt worden. 25 Hsi-tu iu j1g ~ ~, in Liu-ch'en chu Wen-hsüan 1, lOb-Ha.

26 CTS 813, S.9150.

27 CTS 127, S.1288-1289. 28 CTS 205, S.2142. 29 Li T'ai-po chi (ed. Kuo-hsüeh chi-pen ts'ung-shu chien pien) 25, S.54. 30 Anders Schafer 1985, S.87. 31 Handelt es sich hierbei um eine Beobachtung der Marea Roja?, s. Frankfurter Allgemeine Zeitung 12.4.1988, S.9.

32 Zu seinem Einfluß auf die spätere pelagische Dichtung, Schafer 1985, S.8.

33 So versteht es denn auch Erwin von Zach in seiner Übersetzung, in: Deutsche Wacht 17.1931, S.29.

34 Schafer 1985, S.61-63. Angesichts der in diesem Vers zu vermeidenden Gefahr würde ich lieber als die "Insel der Seligen" hier ohne Beleg den Mahlstrom asso­ ziieren (aber wohl unnötig). 35 Entspricht ts'ang-hai. S. Edward Schafer: Wu Yün's Stanzas on "Saunters in Sylphdom", in: MS 35. 1981--83, S.320, Anm.39.

36 Hier soll nach dem Kommentar das südliche Ts'ang-wu-Massiv als das (nord-)östliche P'eng-lai verstanden werden, offensichtlich, weil eine südliche Vegetation für ein nördliches Paradies eine zwingende Voraussetzung ist. Zu solchen Transponierungen s. Edward H. Schafer: The Vermilion Bird. T'ang images oi the South. Berkeley 1967, S.140 und vor allem Michel Soymie: Le Lo-ieou chan; etude de geographie religieuse, in BEFEO 48.1954, S.1-139. 37 CTS 695, S.7996. 38 Yang Han-sung, Jan Yün-hua u.a.: The Hye Ch'o Diary: Memoir oi the pilgrimage to the five regions oiIndia. 5eoul o.J., 5.43, 87. Pelagische Purgatoria 307

39 Nach Lo Hsiang-lin 1968, S.209. 40 Nach Lo Hsiang-lin 1968, S.202. Ausführlicher noch wird diese Ansicht in einem weiteren Gedicht Hsüan-tsungs vertreten, das dieser 756 für eine sillani­ sehe Gesandtschaft verlaßt hat (v. Mende 1982, S.177-178). 41 CTS 652, S.7495. 42 CTS 118, S.1196. 43 Wen-yüan ying-hua 5cm*Cil. Nachdruck Taipei 1965-67, 279, 5a. 44 CTS 474, S.5374. 45 Schafer 1985, S.89. 46 Chuang-tzu chi-shih Jlt r ~ ~ (ed. Hsin-pien chu-tzu chi-eh'eng) 1shang, S.2. 47 In seiner Kurzcharakterisierung dieses Kapitels schreibt A.C. Graham: The Beven Inner Chapters and Other Writings from the Book Chuang-tzu. London 1981, S.43: "The pieces which the compilers of Chuang-tzu assembled in 'Going rambling without a destination' are all on the theme of oaring above the re­ stricted viewpoints of the worldly. Escape the fixed routes to wordly success and farne, defy all reproaches that you are useless, selfish, indifferent to the good of the Empire, and a perspective opens from which all ordinary ambitions are seen as negligible, the journey of life becomes an effortless ramble." Eine wichtige Rolle für die Entwicklung einer pelagischen Metaphorik unter EinbJt ziehung des Chuang-tzu-Textes und der Ch'u-tz'u ~ ~ hat Ku K'uang Rm i7l gespielt. S. sein Gedicht für seinen Vetter Ku Yin (CTS 266, S.2957-2958). 48 Zur Kommunikationsfahigkeit der hun-Seele, s. Edward H. Schafer: The Capeline Cantos. Verses on the divine loves of Taoist priestesses, in Asiatische Studien 32.1978:1, S.40. Beispiele für die Traumhaftigkeit sind außer in den hier behandelten Gedichten bei Ch'ien Ch'i (CTS 237, S.2638) und Kuan-hsiu (CTS 831, S.9370) zu finden. 49 Etwas überspitzt gesagt unterstellt Stephen Owen in seiner Rezension dieses Buches (Schafer 1985) in HJAS 46. 1986, S.654-657, daß hierin die magische Welt Edward Schafers geschaffen werde, und er meint (S.654): liAs the notes and bibliography vividly demonstrate, this study overlaps with and grows out of Schafer's earlier scholarship and disdains all contact with Chinese literary scholarship, East Asian and Western, that does not share his particular vision. 11 Ohne allen Spuren und Übersetzungen Schafers im einzelnen nachgegangen zu sein, scheint mir die Bedeutung dieses Buches darin zu liegen, daß Schafer auch mit diesem Buch von der orthodoxen Rezeption verschüttete reale Mystik und Magie in der chinesischen Dichtung zu Tage fördert, die selbst in der Überset• zung noch ihre Schönheit und Faszination mitteilt. Dies geschieht methodisch sauber, indem Schafer das zeitgenössische Umfeld und die in dieser Richtung wirksamen Traditionen sichtet und ordnet. 50 S. Schafer 1985, s. die im CTS enthaltenen Kurzbiographien, vor allem aber die Dichtung selbst, die zahlreiche Verbindungen deutlich werden läßt, die einzeln hier aufzuführen jedoch den Rahmen sprengen würde. 51 Ennin's Diary. 1955, S.368. 52 CTS 497, S.5639.

53 CTS 509, S.5787. Zu einer Freundschaftsbeziehung zu dem sillanisehen Mönch Hung-hui fJt- ~ (Hyonghye), s. P'i Jih-hsiu (CTS 614, S.7086). Eine solche Beziehung bestand auch zwischen dem Mönch Ensai, P'i Jih-hsiu (CTS 614, 308 Erling von Mende

S.7091), Lu Kuei-meng (CTS 626, S.7196) und Ku Hsüan Il~ (CTS 631, S.7240). 54 Aufgrund der Belege sub pin-fa ~ ~ in Morohashi Tetsuji: Dai Kan Wa jiten 45607 ...13. mir nicht verständlich. Der Ausdruck erscheint auch in dem Ge­ dicht Ku K'uangs, das dieser seinem älteren Vetter Ku ~ :widmete (CTS 266, S.2958). Dort wird als alternative Schreibung ehen-fa i( ~ angegeben. Dazu s. Bernhard Karlgren: Glosses on the Kuo Feng Odes, in BMFEA 14. 1942, Nr.132. 55 Zu ting-ehung JE q:r s. Ting Fu-pao TJili*; Fo-ehiao ta tz'u-tien 1265 hsia.

56 Zu ihm s. Edward H. Schafer: Mineral Imagery in the Paradise Poems of Kuan-hsiu, in: Asia Maior N.F.10. 1963, S.73-102, die dort aufgeführte japani­ sche Sekundärliteratur, und praktisch alle Arbeiten Sehafers nach 1963. 57 CTS 832, S.9384-9385. 58 Zur Kraft solcher Gewänder s. Schafer 1963, S.88-89; Mochizuki Shinkö: Bukkyo daijiten, S.1721a.2; 2816a-b. Einen solchen Schutz hat auch der Reisende in dem bereits erwähnten Gedicht Hsü Nings (CTS 478, S.5374) erhalten, ebenso bei Sun T'i (CTS 118, S.1196) und Shen Sung (CTS 202, S.2113).

59 CTS 829, S.9344.

60 CTS 553, S.6405, ein Gedicht, in dem einige Verse sich bisher erfolgreich mei­ nen Übersetzungsversuchen entzogen haben.

61 Wen-yüan ying-hua 297, 8b. 62 CTS 606, S.7001-7002. Die Übersetzung Wal für ehing j§'( ist eine Übernahme aus Schafer 1985. Wegen der Größe dieses Wesens erscheint es vertretbar, und möglicherweise ist mit dem Brüllen der Blas gemeint. 63 CTS 614, S.7086.

64 CTS 614, S.7091.

65 CTS 626, S.7196.

66 CTS 631, S.7240. 67 Lo Hsiang-lin 1968, S.195. The Deity of the Seventh Day - and other narrative muga from Cheju Island -

B.C.A. Walraven (Leiden)

Cheju Island is separated from the southern coast of the Korean peninsula by sixty miles of open, treacherous sea, and yet, in spite of this, it has been part of Korea since ancient times. 118 language is almost impossible to understand for those who come from the mainland, but, on closer inspection, it is found definitely to be a Korean dialect. It has customs which in some cases diverge considerably from those of the peninsula; one could mention the dominance of women, in certain respects, as a well-known example. Nevertheless, most aspects· of the island's culture are recognizable to mainland Koreans as closely related to their own culture. The same holds for the forms of popular religion on the island, and for the songs sung bythe simbang (the Cheju Island appellation for the "shamamstic" religious specialists elsewhere called mudang) during the rituals of popular religion.! This article proposes to point out some of the general characteristics of the songs sung by the simbang and to introduce in translation one narrative song of wide distribution, which relates the origin of the so-called Deity'of the Seventh Day. It may be considered as representative of the less elaborate narrative songs of the island.

Characterlstics of the Narrative Songs of Cheju Island

To the dismay of Confucian officials from the mainland who came to administer Cheju Island during the Chosön period (1392-1910), "illicit shrines", i.e. shrines where the people spontaneously, and without governtnent approval, worshipped their gods, were ubiquitous.2 Severe repression (such as the burning down of the shrines) proved powerless against this "evil": the Chosön dynasty ceased to exist eighty years ago, but even today, in the second half of the twentieth century, researchers may still find scores of these shrines. And for many of the gods 310 B.C.A. Walraven venerated in these, the simbang still sing narrative songs explaining how they came to be there. These songs, called ponp'uri, are typical of Cheju-do. Whilst narrative songs of this type are by no means unknown on the mainland, there they constitute only a small proportion of the total repertoire ofmuga, "shaman songs." Consisting, as it does, in large part ofponp'uri, the muga repertoire of Cheju Island, it has been suggested, is more archaie in kind than that of the mainland, where many of the ponp'uri-type muga seem to have disappeared.3

In support of this thesis, one may point out the presence in Cheju muga of many motifs also found in myths recorded in relatively ancient written sourees. The most important example in this respect is the striking congruence of patterns of motifs in certain ponp'uri and in the myth of the three founding fathers of Cheju Island and their wives. This myth can be found in the Koryo sa ("History of Koryö", compiled between 1441 and 1451). The exact nature ofthe relationship between old myths and modem muga is hard to determine. One should certainly be careful not to jump to the conclusion that theponp'uri have existed, in their present form, since ancient times, although it cannot be gainsaid that they have incorporated, in one way or another, certain elements that have a long history in Korean tale and myth.4 The motifs of Cheju Island muga will be discussed in aseparate section below. Although Cheju Island muga may, in some ways, be called archaie, in other ways they bring to rnind a modern phenomenon, the soap opera. In the ponp'uri, gods have the most complicated "human" relationships; they fall in love, marry, comrnit adultery, divorce, and, sometimes, become reconciled. When all dramatic interest in the lives of the parents has been exhausted, there is another installment in the series, another ponp'uri, describing the equally thrilling adventures of their offspring, who like their father and mother go out into the world to seek their fortune and in the end manage to establish themselves as village deities of the island. These "farnily sagas", which outline the relationship between the gods of shrines in different locations, are typical of Cheju Island. In contrast, gods of the ponp'uri-type muga of the mainland live, so to speak, each in their own universe. Each has his own story, which has nothing to do with the story of other gods. The network of related stories found on Cheju Island is rerniniscent of some of the ancient foundation myths - where there is a sirnilar relationship between the stories 5 of the foundation of Northern Puyö, Eastem Puyö and Koguryö -, but this network is probably the result of the relatively closed society of the island, with its numerous The deity of the seventh day 311

shrines in dose proxirnity to one another.

It is also a characteristic feature of the Cheju Island ponp'uri that they are often specifically linked to one place, one shrine, ar the ancestars of one farnily. Mainland muga, even when they are of theponp'uri-type, are songs for general use; they are, for instance, for Sönang. The same song can be used far other Sönang (Iocal tutelary deities) in other places. On Cheju Island the songs for different gods of the same type may be very sirnilar, but each song describes how the god came to settle in that particular village, in its own shrine. In at least one ponp'uri there is also an explanation of how members of successive generations of one particular family came to be tang-hani, that is the simbang who, in accordance with the custom of Cheju-do, are regularly attached to a village shrine.6 Songs devoted to the (deified) ancestors of one farnily, such as one may encounter on Cheju Island, are not found on the mainland either. A summary of the ponp'uri for the goddess Kusil halmang, who is worshipped by descendants of the Naju Kim family, follows by way of example.7 A certain Skipper Kim has come to the capital to deliver local products from Cheju Island to the government. At twilight he finds himself in a desolate spot outside the West Gate and unexpectedly hears a human voice crying out. Looking for the source of this sound in the pitchblack night, he discovers, at the edge of a rice field, a girl, the daughter of Prime Minister Hö. She has incurred the wrath of her parents, has been put into a sack and abandoned to die. She implores Skipper Kim to save her and take her with him. With same reluctance (it is illegal to take people from the mainland to Cheju-do) he does so. On the island she sees the wearisome toil of farmers and warnen divers. Skipper Kim explains that Cheju is a harsh and rugged place, where it takes arduous work to eke out a living. The daughter of Prime Minister Hö learns to dive for shellfish and soon becomes very good at it. She marries her benefactor and proposes to him that they present to His Majesty the King a "silver pearl" and a "golden pearl" which she has found. Her husband readily agrees. The King is moved by the unselfishness of his subjects and offers Skipper Kim an official title. Kim asks for, and receives, a rather modest one, and his wife, tao, is given an honorary appellation. Their marriage is not blessed with sons, but they have no fewer than nine daughters. Before her death the mother, who is now called Kusil halmang (Pearl Grandmother), instructs them to make offerings to herself and her husband on certain days, in return for which they 312 B.c.A. Walraven will make their descendants prosper. This ending is particulary interesting, because obviously "descendants" in this case are descendants in the female line; the song, moreover, states this with great emphasis. In the strictly patrilineal society of traditional Korea such a concept of descendants is highly unusual. The song clearly reflects the special tradition of Cheju Island, where women enjoy greater power than on the mainland. Even on Cheju, however, the matrilinear coricept of descendance is not the norm. Ponp'uri for ancestors of other families show the more usual, patrilineal, pattern.8

There is considerable variety in the length, complexity and contents of Cheju ponp'uri. Certain songs, such as Segyong ponp'uri (for a female deity who protects agriculture), are several times longer than the ponp'uri for the Deity of the Seventh Day. These more elaborate ponp'uri often contain elements which may have been borrowed from traditional novels (ko-sosol) or fromfolk tales without specific religious content.9 For want of space, these longer ponp'uri cannot be dealt with here. To provide a fuller pieture of the possible scope of the ponp'uri, however, 1 will conclude this section with a summary of two shorter specimens.lO

The first is about a girl of the Mun family who becomes the goddess of a shrine in Kasi Village.ll Lang ago there lived in this village a couple which for many years had remained childless. At last a daughter is born to them. When this child is seven years old, she goes to the hills to pick strawberries. There is a sudden violent storm and she loses her way. For seven years she lives in utter solitude in the mountains, quite literally becoming one with nature: her body becomes like a tree, moss grows on her back. Only her hands, feet and face remain human. Finally, she is spotted by a hunter, who at first believes her to be some sort of animal and aims his gun at her. Just in time, he recognizes that he stands face to face with a human being. He returns the girl to her father, who is overjoyed and offers her food. She does not touch it, however, and explains to her father why: "I am no longer a human being of this world. 1 am Halla paekkwan sansin paekkwan (a mountain god).,,12 After this she begins to practice divination. The description of her activities, interestingly, is like that of a newly initiated shamanP She proves her powers of divination by indicating the place where an official seal, stolen by an underling of the magistrate, has been stowed away. Asked by the magistrate what kind of things she would like to have as reward, she specifies the offerings that have to be presented to her on certain days. Finally, she indicates where she is to be enshrined after her death. The The deity of the seventh day 313 ponp'uri ends with a statement about her powers: if she is not served weIl, she will eause skin and eye diseases and all manner of evil, but if she is served properly, she will bestow all kinds of happiness. The most striking motif in this ponp'uri, that of transition to a divine state through a temporary reversion from eulture to nature, is also seen in a South Kyöngsang Provinee muga about the .Household God Söngju.14 Exiled to an uninhabited island, Söngju beeomes a furry as an animal. This motif is also found in China, where in Shensi folk tales of the "Hairy-girl type" (a girl runs away form home, lives in the woods feeding on pine needles, grows hair all over her body, leams to fly and finally returns to the world) deseribe the tutelary deity of a loeal temple.15

Quite different, and unlike most other ponp'uri, is the story of Song-ssi har­ ubanim.16 In a dream the hero is summoned to leave Kaesöng and proeeed to Cheju Island. There he has an eneounter with the spirit of Kulmukpat halmani, who as the deity of a shrine has for many years proteeted a village, but finally, by eommand of the King of the Underworld, has had to leave the world of the living. Beeause she needs a sueeessor, she has made Song-ssi harilbanim eome to the island. He aeeepts his new post and goes to the village, where he eommands the believers to assemble. The rest of this ponp'uri does not so mueh resemble a tale as the minutes of a business meeting. The newly arrived deity speeifies in great detail what duties his believers will have to perform in return for his proteetion. He inquires what will be the best plaee for him to reside, diseusses his diet with the villagers (he will eat what Kulmukpat halmani ate, but in addition will need some soju, hard liquor), and meets his dosest associate, the simbang who takes eare of the loeal shrine. At this point, the ponp'uri beeomes a little less businesslike: when the simbang introduees himself, Song-ssi harilbanim grabs him by the wrist and, overeome by emotion, both the god and his simbang shed a few tears. After everything has been settled and the deity has given instroetions for building his shrine, he announees that heneeforth he will no longer appear in visible form. Nevertheless the believers must not doubt his existenee, otherwise he will not intervene for them if they ron into trouble with the Ruler of the Underworld or the Dragon King, the god of the sea. The narrative eontent of this ponp'uri is very thin; it may be regarded as a kind of manual for the worship of Song-ssi harilbanim. This song demonstrates, moreover, that the relationship between a deity and his believers is rather like that between the parties in a eommercial transaetion. "A spirit, too, when he eats, pays for his food", people on the island say. The same 314 B.C.A. Walraven thought is expressed in a proverb: "If you hold a big ritual, you will buy a big field, if you hold a small ritual, you will buy a small field.,,17 This ponp'uri is also interesting because the fate of Kulmukpat halmani shows that being a deity is not equivalent to being immortal. In this respect, the borderline between gods and mortals is not sharply defined. This is confirmed elsewhere; another muga relates for example how a goddess dies after being raped by Japanese pirates.18

Important motifs in Cheju Island muga

Several of the most important motifs of Cheju muga can be found in the myth about the ancestors of the Yang, Ko and Pu families mentioned earlier.19 Yang­ ulla, Ko-Ulla and Pu-ulla emerge from caves on the island and become its first inhabitants. They are hunters who eat meat and dress in animal skins. Then a wooden box, sealed with purple seals, comes floating to the shore. When they open this box, it turns out to contain another box, this one made of stone, and in it they find three girls, along with foals, calves and the seeds of the Five Grains. They are accompanied by an attendant who declares that they have come from Japan and that their king has sent the girls to be wives for Yang-iilla, Ko-iilla and Pu-Ulla. The three men marry the girls and each establishes his territory by shooting arrows. Such is, in brief, the myth as it is told in the Koryo sa. Virtually all motifs in this story can be found in the ponp'uri: the men are from the island itself, the women come from abroad; they reach the island in an unusual way, locked up in boxes which float on the waters, in spite of the fact that the inner box is made of stone; the men are meat-eating hunters, the women introduce agriculture and animal husbandry; territories are decided by shooting arrows. Many Cheju muga make use of the same motifs.20 Some of them are also part of other ancient myths. The wife of the first mler of Kaya, King Suro, likewise comes from overseas in a ship. There are several myths in which people emerge from boxes or chests, the most important in this context being that of King Tarhae of Silla, which will be discussed below. One royal ancestor who sprang from a golden box is Kim Alchi, the founder of the family line of Silla's King Mich'u.21 As for the motif ofthe vessel made ofstone, in the Samguk yusa, Yöno and Seo from Silla travel to Japan on a floating rock.22 Most distinctive for Cheju Island is the juxtaposition of two ways of life: that of the hunter and that The deity of the seventh day 315 of the farmer. Undoubtedly, this is a consequence of the natural environment of the island, where land suitable for agriculture is scarce and hunting has long remained more important than in other parts of Korea.

A frequently encountered motif in ponp'uri which is not present in the mytp of the founders of Cheju Island, is that of the abandoned child. This motif, which is exceedingly common in many parts of the world, is also found in Korean foundation myths. Chumong, the founder of Koguryö, enters this world in an egg which is thrown away on the road. Another king born from an egg is Tarhae, the fourth king of Silla. Tarhae is born in a country which has been ruled by Dragon Kings for 28 generations.23 As in the case of Chumong, birth in the form of an egg is regarded as an unlucky omen; the egg is put into a big ehest, the ehest is loaded on a ship and this is set afloat. The ship, protected by a dragon, comes to the shores of Silla and an old woman discovers Tarhae, who has emerged from the egg and tumed into a handsome boy. After seven days of silence Tarhae tells the woman where he has come from. Subsequently he becomes king of Silla, but the details conceming this need not concern us here. Interesting, however, if one compares this story with the ponp'uri of the Deity of the Seventh Day, is the fact that Tarhae is a giant-like figure, nine feet and seven inches tall. The male protagonist in the ponp'uri eats like a giant and shares with Tarhae the experience of being abandoned by his parents and left to the mercy of the seas. As, moreover, a seven­ day period is emphatically mentioned in the Tarhae story, one may detect echoes of this myth in the ponp'uri. The resemblance of the two tales is, however, rather vague and it remains difficult to prove that they are truly related.

The very ancient motif of the abandoned child may be used in ponp'uri that, in their totality, are considerably less ancient. The song about Skipper Kim and his wife Kusil halmang, which has been summarized above, may serve as an example. The tale also contains another ancient motif, that of the wife who comes from overseas, but it clearly bears the mark of a later, rather bureaucratic age, where people worry about regulations and where civil virtues are duly rewarded. One or two ancient motifs, we may conclude, do not make an ancient tale. 316 B.C.A Walraven

The Deity of the Seventh Day

The Deity of the Seventh Day (Illwe-tto or Illwe halmang, "Grandmother Illwe") is a goddess, or, rather, a type of goddess whose province is child rearing, children's diseases and skin diseases. The Illwe halmang in different places are not identical. This one may infer, for instance from aseries ofponp'uri about a father and three sons, all four of whom marry goddesses of shrines for Illwe halmang. In almost every locality on the island there is a shrine for this deity (Illwe tang); according to Hyön Yongjun there are more than ninety on the island.24 The name of this goddess is derived from the days when she must be worshipped, the seventh, the seventeenth and the twenty-seventh day of the lunar month. Because the lunar month was traditionally divided into three ten-day periods, these days are in each period the seventh day. In the Kim eh'ungarn chip (Coilected Works of Ch'ungarn Kim Chöng; Kim Chöng lived from 1486 to 1520) the people of Cheju !sland are said to be excessively zealous in their worship of deities, making offerings to them on the first, second and third seventh day of the month in a hundred different places. 25 Little seerns to have changed since then.

Hyön Yongjun distinguishes three main types ofponp'uri for the Deity of the Seventh Day. 26 The first is the type of the Tosan Illwe tang, which is translated in fuil below. The second is that of the lllwe tang in Hogun Village in Sögwi-up. In this ponp'uri the daughter of a god shows a lack of respect for her parents, pulling her father's beard and pinching her mother's breasts, and therefore, while still of tender age, she is put in a basket and abandoned in a field. She is found by a man in charge of the Bureau of Punishments of the local magistrate's office, who is looking for a lost horse. The little girl has the gift of clairvoyance and teils him that the horse has died in a certain place. The man recognizes that this is no ordinary mortal, puts her behind him on his horse and in each place they pass on their way to the magistrature, they establish the worship of the Deity of the Seventh Day. When they come to Taejöng, where the local magistrate lives, the girl becomes the Gaol Goddess (Ok halmang). The third type ofponp'uri is represented by that of the shrine in Haye-ri. This is about seven daughters who, again, misbehave towards their parents and for that reason are banished. Finally, they all become Seventh Day Deities, in different viilages.

Occasionally one finds a story about the deity of a fllwe tang which does not fit into one of these categories and seerns, in fact, to be about an entirely different The deity of the seventh day 317 kind of god. There is, for instance, the very brief story of the deity of the fllwe tang of Sinch'on Village.27 A man who goes fishing with a line of a hundred fathoms and a sinker of thousand pounds catches a "Miriik stone", a stone in the form of the rough Maitreya images found on Cheju Island. He throws it back and catches it once again. Then he takes it with him to his village and enshrines it at "the road of the fllwe tree." This deity causes storms and high seas if not properly worshipped, but when offered sacrifices on the first eighth day of the second month will protect the women divers and the fishermen of the village. The Deities of the Seventh Day should not be confused with the Deities of the Eighth Day, worshipped on the eighth day of each ten-day period. These are snake deities who protect the families of their female devotees.

Illwe-tto ponp'uri: Explanation ofthe Origin ofthe Deity ofthe Seventh Day

There are several recorded texts of this ponp 'uno The oldest extant text dates from the 1930's.28 The present version is from the repertoire ofAn Sain, one of the most famous simbang of Cheju Island, who has recently been designated a Human Cultural Asset by the Ministry of Culture.29

Now that we have burned Three Immortals Incense for the Deity of the Seventh Day, we ask where is her place of birth, where is her place of origin. In Upper Songdang Village there is Kiim Pekchu, in Middle Song­ dang Village there is Se Myöngju, in Lower Songdang Village there is Soro Soch'ön'guk.

Another ponp'un relates how Pekchu and Soch'ön'guk marry and, eventually, are divorced. Soch'ön'guk is a native of Cheju Island, bis wife - characteristically ­ comes from elsewhere, in this case from "the Country of the Son of Heaven, from South of the [Yang-tzu] River", i.e. from China. Their union is blessed, according to the song, with eighteen sons and twenty-eight daughters, who in turn present them with three hundred and seventy-eight grandchildren. Nevertheless, their marriage is not entirely successful. One day, Pekchu encourages her husband to take up agriculture in order to ensure their subsistence. Familiarity with the fundamental pattern of Cheju ponp'uri, where the wives who have come from overseas symbolize agriculture, and their Cheju Island husbands symbolize a way 318 B.C.A Walraven

of life based on hunting and the eating of meat, makes one fear the worst when Soch'ön'guk meeldy agrees to do as his wife wishes. At first, everything seems to be fine; Soch'ön'guk starts ploughing and Pekchu comes to bring him his lunch: nine bowls of soup, nine bowls of rice. Soch'ön'guk apparently has a voracious appetite - a common attribute of a certain type of deity - but he does not eat his food at once, because he first wants to finish his work. Then a monk appears and asks for something to eat. His request is granted, but to Soch'ön'guk's dismay he runs off after having devoured all nine bowls of soup and all nine bowls of rice, leaving nothing for the poor farmer. The role of the monk in this episode is typical: in muga, monks appear as mysterious strangers who in one way or another - by eating a man's food or by magically causing a girl's pregnancy - become catalysts that make the protagonists deviate from the ways of the ordinary world and embark on a career as deities. Inthis case, the famished Soch'ön'guk, with his fingernails, slaughters the ox he has used for ploughing, and also, because one ox is not sufficient to satisfy his hunger, kills his neigbour's cow. Pekchu discovers this when she comes to fetch the dirty bowls and decides to divorce her husband because he has become a thief. In fact, a more fundamental reason for the divorce probably is that he has turned, symbolically but none the less in a very serious way, against agriculture.30 The cow in Korea is not, as in the West, a source of milk and meat, but primarily a work animal used for farming, and as such a symbol of agriculture. This is shown, inter alia, by a mainland ritual performance to promote a good harvest called "Cow play ritual" (So nori kut).31 Thus, Pekchu and Soch'ön'guk are divorced and the latter reverts to his true nature, that of a hunter. At the tinle the two separate, Pekchu is with child. The story of this child, and of the wife he will eventually marry, is told in the rest of the ponp'uri, and is basically the same as the story in the muga translated here.

When the Seventh Son [of Kiim Pekchu and Soro Soch'ön'guk] was three times five, fifteen years old, an order issued from his father. An accusation was brought against him of having pulled his father's triangular beard, of having scratched his mother's breasts, and thus he had to die. He was put into a stone chest with cast-iron fittings and when this had been set afloat, to the Empire of the Eastern Sea, it caught in the upper branches of a coral tree in the Country of the Dragon King.

Such innocent behaviour of a little baby is in the ponp'uri a standard reason for abandoning a child. The deity of the seventh day 319

Abandonment, which is but one form of the more general theme of separation from parents, in the muga appears to be a symbolic representation of the transition from the status of an ordinary person to that of a deity,32 Abandonment does not necessarily take place during childhood (e.g., the case of the girl Tangglim-aegi who is sent away because she is pregnant), and the separation may also be unintentional (as in the case of the daughter of the Mun family, mentioned above, who got lost in the mountains). Separation of children from their parents (through war, kidnapping, pirates etc.) is, of course, a standard ingredient of popular literature through the ages, but its treatment in the muga seems to differ from the usual pattern in that reunion with the parents is not the happyend towards which the story inexorably develops. There is either no reunion at all, or only a temporary reunion, as in the tale of the Abandoned Princess who, although she has at last regained the favour of her parents, prefers to leave the royal palace and start practicing as a mudang.33 In the muga, the assumption of religious duties is the climax of the story, literally an apotheosis, which takes the place of the reunion with the family.

In other versions of the ponp'uri of the Deity of the Seventh Day the male protagonist is not the seventh, but, for example, the third son. What seems to be essential, is the fact that he is the youngest son. An example of a miraculous stone vessel in a Silla myth has already been given. This motif is also found in Buddhist tales: in the legend of the Minlk-tang in Kwaksan the future Buddha Maitreya arrives in a ship of stone,34 and in a legend about the Kwanllin temple (recorded in 1729) stone ships with Buddha images arrive from China.35

In his dream the Dragon King received a revelation: "For some reason a blue dragon and a yellow dragon have become entwined and entangled in the upper branches of the coral tree in front of my palace!" Such a revelation he received. The Dragon King abruptly woke fram his sleep and said: "My eldest daughter, go out and look!" ''There is nothing at all." "My second daughter, go out and look!" "There is nothing at all." "My little daughter, go out and look!" "My father, my father, for some reason a stone chest with cast-iron fittings is caught in the upper branches of the coral tree." "My eldest daughter, take it down!" She could not take it down. "My second daughter, take it down!" 320 B.C.A Walraven

She could not take it down. "My little daughter, take it down!" The little daughter took it down. "My eldest daughter, try and open it!" She could not open it. "My second daughter, try and open it!" She could not open it. "My little daughter, try and open itl" The lock with eighteen bolts opened [as] by itself, easily. When they looked in the stone ehest with cast-iron fittings, there, seated, was a boy [handsome as] jade. "Are you a ghost, or are you a living man?" "How would a ghost appear here? I am the seventh son of Soro So­ ch'ön'guk of Lower Songdang. Because disturbances occurred in the Great Country, the Country of the Son of Heaven, I have stopped the Disturban­ ce [-causing] Generalissimo, but now I am on my way home.,,36 WeH, go to the room of my eldest daughterl" He did not even blink an eye. "Go to the room of my second daughter!" He did not even blink an eye. "Go to the room of my little daughter!" He smiled a wide smile, showing bis thirty-eight teeth.

Typically, the last born children are the heroes and heroines of the muga. Perhaps the reason for. this is quite simple: by making the youngest and weakest child the protagonist, the miraculousness of the whole story is strongly emphasized. This is reinforced by the "three-step" build-up, seen in the above fragment and in many other tales. Contrary to what one might infer from the first part of this song, its real protagonist (the Deity of the Seventh Day) is not the youngest son of Soch'ön'guk, but the little daughter of the Dragon King.37 The motif of marriage with the daughter of the Dragon King deserves further study. It certainly has a long history and can be found, for instance, in the legend about the ancestors of Wang Kön, the founder of Koryö, and in several versions of the Japanese tale of Po-wori in the Kojild and the Nihon shold.38

"Open the Eastern Storerooms! Open the Western Storeroomsl Open the Southern Storerooms! Open the Northern Storerooms!" [The son of Soro Soch'ön'guk] eats rice like a general! [i.e. voraciously] He eats rice cake like a generall Then they opened the Eastern Storerooms, the Western Storerooms, the Southern Storerooms and the Northern Storerooms to feed him, but before The deity of the seventh day 321

three months and ten days, a hundred days had passed, the Eastern Storerooms were empty and the Western Storerooms were empty, the Southern Storerooms were empty and the Northern Storerooms were empty.39

Gluttonous giants have a special place in Korean religion. Mythical rulers or gods are often distinguished by a voracious appetite and/or gigantic size. The example of T'arhae, king of Silla, has already been cited. About the god Taeguk it is said in the 15th or 16th-century Siyong hyangak po (Korean Music Scores for Seasonal Rituals) that he loves food and drink and has a waist like a roofbeam.40 In the muga about Pari kongju, the Abandoned Princess, we are told that her husband, the Supreme Immortal, is 33 feet tall and cannot enter the royal palace through the gate until a special passage has been dug out for him.41 Another muga describes a Kunung spirit with an immoderate appetite: ''when he eats rice, he eats a whole sack of it, when he eats meat, he eats a whole animal.,,42 In modern shaman rituals the Taegam spirits, who confer good fortune, display an insatiable appetite. This has been explained as being in conformity with their general nature, which is that of the rapacious officials of old Korea, but is perhaps also arefleetion of an ancient concept of what certain gods are like. In the ponp'uri we have already encountered the figure of Soch'ön'guk, who had two cows for lunch. There is also a folk tale about a divine giant who eats a whole live pig for supper.43

The Dragon King said: "My dear little daughter, because of you we are burdened with tbis worry. Quickly follow your husband, quickly quickly go back with him to bis original residence in Lower Songdang!" "Quickly I'll do so." Then the little daughter said: "My dear husband, my dear bridegroom, let us go quickly. Let us go quickly to your original residence in Lower Songdang." When they came to Lower Songdang, they saw bis dear mother! They saw her winnowing soy-beans in Beans-winnowing Corner. Then her servant Miijindök-chöng [exclaimed]: "Heavens, my dear mistress, my mistress, your child that was to die, how is it possible, today he returns alive!" "Heavens, what did you say!?" His dear father came running, caught the bar of the gate in his eye and died, a bean husk got in his mother's eye. "Oh, my eye, my eye!" From leit to right she twists her hips. (Music, the simbang dances twisting his bips). She wriggles to the leit and to the right. "Oh my dear child, what happened?" The litde daughter of the Dragon King said: "Mother, oh mother, what happened?" 322 B.C.A Walraven

"I was winnowing beans in Beans-winnowing Corner, when a bean husk, it seems, stuck in my eye!" Then the littIe daughter of the Dragon King took a blue fan and from left and right she fanned energeticaIly and the pain in her [husband's] mother's eye went, by itself, gently, like the clouds disappearing over lee Mountain. "Oh, my dear child, exce11ent are your talents. My dear child, my dear child, welcome! You should establish connections with the 48 upper clients ofyonder Grasshopper Ridge, go up to yonder Rabbit Mountain [T'osan]!" "Quickly 1'11 do so."

This passage foreshadows the future wIe of the daughter of the Dragon King, as a deity who may cause or heal eye diseases. In the ponp'uri it is often plainly stated that the very diseases which a god may eure, also are inflicted as punishment on those who fall to show respe.::t to the god. The daughter of the Dragon King goes to T'osan to accept the worship of the 48 "upper clients." This classification of regular clients (tan'gol) in "upper", "rniddle" and "lower" is a peculiar feature of the folk beliefs of Cheju Island.44

Then she went up to Rabbit Mountain and settled there, but there was no one to say to her "Eat this" or "Have that.,,45 Then in Lower Songdang there was the seventh son! He, having taken the youngest daughter of Five Hundred Generals as his favorite concubine, went up and down over there on Mt. Yöngju with his birdgun. However long the little daughter of the Dragon King waited, her dear husband, her dear bridegroom did not come. She was pregnant, her swo11en be11y was like a big jar; what was she to do? One day she decided to look for her husband and she went up to Mt. Ha11a and Mt. Yöngju, to Beans­ winnowering Corner, she went up to Upper ppamaegi and Lower ppamaegi, and she ascended to Tari and to Songdang, when suddenly she became so thirsty that her throat burned. "1'11 suck up some of the water that has gathered in the tracks of a wild boar." When she sucked up the water from the tracks of aboar, it was as if something stung in the hole of her nose. With a reedplume46 she pu11ed a hair from the opening of her nose. It sme11ed as if she had eaten liver, as if she had had liver.

It has been suggested that this passage is a last trace of the worship of the wild boar.47 More evidence would seem to be needed before one can accept this hypothesis.

She could not find her dear husband [in the mountains?] and quickly returned [to his?] home. Then Tohwangguksö [i.e. her husband] said: "For some reasol1, unexpectedly, [this place] is fu11 of uncleanliness, of defilement.48 Go into exile to Mara Island [which is part of] Taejöng!" So he sends her into exile to Mara Island [which is part of] Taejöng. (Music and dancing) The deity of the seventh day 323

Impurity is an important concept in Korean popular religion, and it is not surprising to see it mentioned in a muga. As used in this ponp'uri, however, it poses a problem. The son of Soch'ön'guk is, like his father, a meat-eating hunter; why would he be offended by the smell of aboar? His revulsion is probably caused by the fact that this smell is unclean in relation to what his wife stands far. like the grain-bearing wives of Yang-ulla, Ko-ulla and Pu-ulla she has come to the island from the sea, she is - one may assume - associated with agriculture (or perhaps with fishing and the gathering of shellfish) rather than with hunting. Her husband's disgust, therefore, may be due to the fact that she does not behave in accordance with her role.49 However this may be, in many ponp'uri a faint boar smell is sufficient cause for a husband to send his wife to another place. Usually, as in this ponp'uri, the wife is actually quite innocent of eating boar's meat. There is an exception, however. The wife of Chinogi hanjip, the tutelary god of a certain village, confesses to her husband that, when in the mountains she feit a sudden craving to eat the meat of aboar, she had wrapped her hand in a silken handkerchief and, through its anus, extracted the liver of a boar and eaten it. In consequence of this unseemly behaviour she is sent away, to live in her own shrine, where she receives roast meat from hunters, and eats, as the song says "things that walk on four feet."SO This lady shares certain characteristics with the Deities of the Seventh Day, but cannot really be regarded as one of them. She is not worshipped on every seventh day, only on the seventh days in the sixth and eleventh months of the lunar calendar; the tasks she performs - supervision of births and deaths and, in her village, care of children and protection of hunters - partly overlap with those of the Deities of the Seventh Day, but are not exactly the same. There is, furthermare, no indication (at least in the muga containing the episode related above) that she originally came from the realm of the Dragon King. As a female protectress of hunting she presents something of an anomaly which I am unable to explain. In any case, because of the coarseness of her eating habits and her apparently compulsive lust for food, this lady fits very well in a category which otherwise largely consists of male gods, that of the gluttonous deities mentioned above.

When he had sent her into exile on Mara Island, which is part of Taejöng, the youngest daught€r of Five Hundred Generals came to see him: "My dear husband, my dear spouse, where has your First Wife gone?" "I have sent her into exile on Mara Island which is part of Taejöng." "Oh, what kind of talk is this? If you send the Great Lady of the Great Country into exile for a trifte, what will you do with this little Lady from 324 B.C.A Walraven

the Little Country? While nobody knows [about it yet], I will bring her back." "Go quickly, then, to Mara Island, which is part of Taejöng, and release my First Wife from her exile!" "Quickly I will do as you say." When she had gone to Mara Island, which is part of Taejöng, and looked about, [she saw that the First Wife] had given birth to seven babies, one after another.

Although in real life multiple births were regarded as inauspicious, in muga (both of Cheju Island and of the mainland) they are an infallible sign of the divine nature of mother and children. Such children are often born after a mysterious monk has paid abrief visit to an unmarried girl, during which he manages to make her pregnant without actually having sexual intercourse. In many songs this girl bears the name of Tanggiim-aegi. She usually gives birth to triplets.51 Another girl bears twins after being visited by the Heavenly King.52 In Ch'ilsong ponp'uri a monk makes a girl conceive no fewer than seven (snake-shaped) children.53 The motif of multiple birth indicating divine nature does !lot occur in the Korean state­ foundation myths, although one might have expected this, because the tale of Tanggiim-aegi is regardedby some scholars as related to the myth about Yuhwa, the mother of Chumong, founder of Koguryö.54 Across the sea, in Japan, however, it is found in both the Nihon shoki and the Kojiki. The Nihon shoki presents an example of three sons begotten in a single night.55

The First Wife said: "There is the concubine! How is it, are there seven . maidens to carry the babies, seven diapers and seven wet nurses? If you want to put an end to my punishment, go horne quickly and bring me seven maidens to carry the babies, seven nurses and seven diapers, and then put an end to my exile!" "Quickly I will do as you say." [The daughter of Five Hundred Generals] went back horne and took seven maidens to carry the babies with her. She also took seven nurses and seven diapers with her, and then she went to Mara Island, which is part of Taejöng, but [the First Wife said]: "Dear Uttle Wife from the Little Country! While you quickly take the seven babies and go horne, I will go to the cape. I will first pick up and eat some shellfish, to loosen my stiffened lips." "I will do as you say. Where shall I meet you?" "Meet me at Yömch'ulgi Hill in Taejöng!" "Quickly I will do as you say." The Great Wife from the Great Country went back to the cape, but when the Little Wife from the Little Country took the seven babies and the seven maidens to carry them with her, they failed to notice that a branch of a buckthorn caught one of the babies in the eye and that the baby fell The deity of the seventh day 325

down. When [the Great Lady and the Little Lady] met at Yömch'ulgi Hill, the [First Wife said]: "Count my dear babies!" "One, two, three, four, five, six!" One baby had been left behind! "Heavens, it is this concubine! Quickly find the baby!" "Don't be like that, I, the Little Wife from the Little Country, will go back to look for the poor baby!" (Music; a dance imitating going back to look for the baby) The poor baby, when they went back and looked for it, [they found] it had fallen down because a buckthom branch had caught in its eye! The baby had lain there, rolling about between new miscanthus stubble and old miscanthus stubble and the new stubble and the old stubble had caused wet mange and dry mange on its body.56 One eye of the baby had been gouged by a crow. And so, if one commits an offence against this Deity, on the body she causes wet mange and she causes dry mange, she causes big red spots and in the eyes she causes green purulence and black purulence and nop'ang­ jing.5?

Here the ponp'uri proper ends. A scene follows where the simbang, carrying a doll, sings and dances, imitating how a crying baby is pacified with all kinds of games. The baby is also bathed and nursed (Agi nollim). Mter the spectators have been thus diverted, the simbang announces that the baby quickly wants to go and see its parents and invites the people to make a financial contribution (travel money) to the child. This is again followed by divination to learn if the deity has been satisfied with the recitation of the ponp'uri. Finally the simbang sings achant expressing the gratitude of the goddess for inviting her to the ceremony and explaining her origin. To put the deity in this mood has been the ul~ate purpose of the ritual. For it pleases the gods to hear their history recited; as a phrase often used by the simbang says:

"If you explain the origin of a spirit he will be elated and happy, if you explain the origin of a living person there will be knives and fire."

Notes

1 The word simbang originally seems to have been used on the mainland as well. It is attested in some of the oldest han'gi1l sourees: in stanza 512 of the W6rinch'ongang chi kok as it is preserved in the 1459 Worin s6kpo, kw6n 23:68.b, which text has been reproduced in plate 6 of Min Yönggyu, "Wörin sökpo che-isip­ sam chan'gwön", Tongbang hakchi VI (1963), pp. 1-19 (this reference was kindly 326 B.c.A. Walraven provided by Allard M. Olof) and also in the Taebul chOngsu nungom kyong, 10 kwon, published, with Korean translation, at the command of King Sejong in 1461, modern facsimile ed.: Tongguk Taehakkyo (Seoul, 1959), kwon 8:1l7.b. 2 Sinjung Tongguk yoji sungnam, re-issue with Korean translation, prepared by Minjok munhwa ch'ujinhoe (2nd. ed; Seoul, 1971), Vol. V, Chinese text: p. 30 (= kwon 38:4.b). 3 Hong Kimun, Choson sinhwayon'gu, Sahoe kwahagwön ch'ulp'ansa (Pyongyang, 1964) pp. 222-223. 4 a. B.c.A. Walraven, Muga. The Songs oi Korean Shamanism, private ed. (Dordrecht, 1985), pp. 87-90. 5 a. Frits Vos, Die Religionen Koreas, Kohlhammer (Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz, 1977), pp. 28-30 and especially pp. 32-37, where a translation is given of the Sejong sillok version of these myths, in which several separate stories are welded together to form a fluent narrative. 6 Hyön Yongjun, Cheju musok charyo sajon, Sin'gu munhwasa (Seoul, 1980), p. 736. 7 Hyön, Cheju sajon, pp. 798-804. In names, such as Kusil halmang, the transcrip­ tion follows local pronunciation. 8 E.g., "Yangi moksa pon" (aponp'uri about a governor who sacrifices his life to serve the people of Cheju-do) in Hyön, Cheju sajon, pp. 804-810. 9 a. Walraven, Muga: The Songs oiKorean Shamanism, pp. 86-105. 10 One Cheju-do ponp'uri, Sogwi ponhyangdang ponp'uri, is already available in German translation: Vos, Religionen Koreas, pp. 53-59. 11 Hyön, Cheju sajon, pp. 721-726. 12 Confusingly, single deities sometimes have names such as Paekkwan (Hundred Officials) or Obaek changgun (Five Hundred Generals). 13For the divinatory activities of newly initiated mudang, see Hung-youn Cho, Koreanischer Schamanismus, Hamburgisches Museum für Völkerkunde (Hamburg, 1982), p. 27. 14 Son Chint'ae, CMsen shinka ihen, Kyödo kenkyüsha (Tökyö, 1930), pp. 79-176. The contents of this song are summarized in Walraven, Muga: The Songs oiKorean Shamanism, pp. 132-134. 15 W. Eberhard, Typen chinesischer Volksmärchen, FF Communications 120, Academica Scientiarum Fennica (Helsinki, 1937) pp. 189-190, No. 130: "Das behaarte Mädchen." 16 Hyön, Cheju sajon, p. 627. 17 Han'guk minsok chonghap chosa pogoso: Cheju-do p'yon, comp. by Munhwa kongbo pu munhwajae kwalliguk (Seoul, 1974), p. 108. 18 Hyön, Cheju sajon, p. 555, p. 888. 19 Koryo sa, kwon 57, Kokusho kankö kai ed. (reprint, 3 vols.: Tökyö, 1977), vol. 2, pp. 261-262. The deity of the seventh day 327

20 Most of these motifs are illustrated by the muga mentioned in this artide. An example of territories decided by the shooting of arrows is found in Hyön, Cheju sajon, p. 731. 21 Vos, Religionen Koreas, p. 40. 22 Iryön, Samguk yusa, ed. by Ch'oe Namsön, Minjung sögwan (4th ed.: Seoul, 1971), p. 49. 23 Cf. Vos, Religionen Koreas, pp. 34-35 and p. 39. 24 Hyön, Cheju sajon, p. 892. 25 Cited in Yi Niinghwa, "Chosön musok ko", Kyemyong, vol. 19 (1927), p. 78. 26 Hyön, Cheju sajon, pp. 892-894. 27 Hyön, Cheju sajon, p. 606. 28 Akamatsu Chijö and Akiba Takashi, ChOsen juzoku no kenkyü, 2 vols., Ösaka yagö shoten (Keijö, 1937-1938), pp. 503-507. Another text accompanied by a Japanese translation is that in Chang Chugiin, Kankoku no minkan shinkö, 2 vols. (shiryö-hen, ronkö-hen) Kinkasha (Tökyö, 1973), shiryö-hen, pp. 35-42, 294-297. 29 Hyön, Cheju sajon, pp. 561-568; the same collection offers another text of this ponp'uri sung by another simbang on pp. 706-712. 30 Cf. Li Ogg, "Etude de muga", Annuaire, Ecole Pratique des Hautes Etudes - Ve Seetion: Sciences Religieuses -, Tome LXXXVIII 1979-1980 (Paris, 1980), pp. 155­ 158. 31 Cf. Yi Tuhyön, Han'guk minsokhak yon'gu, Hagyönsa (Seoul, 1984), pp. 46-74. 32 Walraven, Muga: The Songs 0/ Korean Shamanism, 87-88. 33 A study in French about the Abandoned Princess is Park, Byeng-sen, Le redt de la ''Princesse abandonnee" et les mediums Cl travers l'histoire de Coree, Yonsei University Museum (Seoul, 1973). 34 Chang Töksun, Han'guk sorhwa munhak yon'gu, Seoul Taehakkyo ch'ulp'anbu (Seoul, 1978), p. 506. 35 ChOsen jisatsu shiryö, comp. by CMsen sötokufu (reprint Kokusho kankökai: Tökyö, 1971), pp. 244-247. 36 The translation of this passage is tentative. Perhaps it should be understood to mean that the son of Soch'ön'guk has assumed the task of Disturbance-Quelling General. It seems dear, however, that this passage contains a faint echo from ko­ sosol, where heroes frequently acquire merit by their military exploits in the service of the Emperor; cf. Walraven, Muga, pp. 102-104. 37 In the version recorded by Akamatsu and Akiba (Chösen juzoku no kenkyü, I, p. 507; in the Japanese translation Illwe tang is erroneously rendered as First Day Shrine), it is explicitly stated at the end that the daughter of the Dragon King is the mistress of the shrine. In the version translated here, the fact that she is the Deity of the Seventh Day is only indirectly shown. Presumably this was taken as being self-evident to the audience. Cf. Chang Chugiin, Kankoku no minkan shinkä, shiryö hen, p. 42, note 4, and Hyön, Cheju sajon, p. 892. 328 B.C.A Walraven

38 Cf. Walraven, Muga: The Songs 0/Korean Shamanism, p. 89; Ii Ogg, "Etude de muga", p. 158 (where he cites JA Kyburz); Kojild, tr. by Donald L. Philippi, University of Tokyo Press (Tökyö, 1968), p. 150 ff and Nihongi: Chronicles 0/Japan from the Earliest Times to A.D. 697, tr. by W.G. Aston, publ. by Kegan Paul, Trench, Trubner and Co./E.P. Dutton (reissue of the original edition; London/New York, 1924), p. 92 ff. 39 The formal pattern of tbis passage, which is based on the four direcdons, is traditional in muga; Walraven, Muga: The Songs 0/ Korean Shamanism, pp. 75-77. 40 Kim Tonguk, Han'guk kayo-iii yi5n'gu, Üryu munhwasa (Seoul, 1961), pp. 224­ 225. 41 Akamatsu and Akiba, CMsen fuzoku no kenkyü, I, p. 53: Park Byeng-sen, Le recit de la "Princesse abandonnee", p. 9l. 42 Kim Sönp'ung, Han'guk siga-iii minsokhak-cMk yon'gu, Hyöngsöl ch'ulp'ansa (SeouljTaegu, 1977), p. 302. 43 Choi, Inhak, A Type Index 0/ Korean Folktales, Myong Ji University Publishing (Seoul, 1979), pp. 67-68: "A Man Who Took God's Daughter As His Wife." 44 Han'guk minsok chonghap chosa pogoso; Cheju-do p'yon, p. 94. 45 That is, she had no worshippers who brought her sacrifices. 46 Actually, a kind of reed plume used to kindle fire. 47 Han'guk minsok chonghap chosa pogosi5; Cheju-do p'yi5n, p. 103. 48 "Defilement" is the translation ofsojong, wbich is a "rhymed variation" ofpuji5ng (undeanliness). For the use of such rhymed variants in muga, see Walraven, Muga: The Songs 0/ Korean Shamanism, p. 80. 49 a. Ii Ogg, "Etude de muga", p. 157. 50 Hyön, Cheju sajon, pp. 735-738. 51 This type of muga has been exhaustively studied by SÖ Taesök in bis Han'guk muga-iii yon'gu, Munhak sasangsa (Seoul, 1980), pp. 19-198. 52 Akamatsu and Akiba, CMsen fuzoku no kenkyü, I, pp. 462 -463. 53 Hyön, Cheju sajon, pp. 419-430. 54 Walraven, Muga: The Songs 0/ Korean Shamanism, pp. 87-88. 55 Nihongi: Chronicles 0/ Japan from the Earliest Times to A.D. 697, tr. by W.G. Aston, p. 85, also p. 88; Kojild, tr. by Donald L. Philippi, pp. 146-147. 56 The phrases about "old" and "new" miscanthus contain a wordplay wbich cannot be rendered in English, involving the homonyms sae (miscanthus) and sae (new). 57 The name of an eye disease wbich I am unable to identify. The translation of the other diseases is only tentative. Presumbly the Korean text contains amisprint; in similar passages the word nobi5kchisi is used instead of hi5bi5kchisi; Hyön, Cheju sajon, p. 678; ni5bi5kchisi is explained as "big red spots." Abkürzungen

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