Beiträge der Hymenopterologen-Tagung in Stuttgart (4.-6.10.2002)

Herausgeber: Dr. Till OSTEN, Stuttgart Arbeitskreis der DGaaE http://www.dgaae.de  Arbeitskreise

DGaaE-Geschäftsstelle am Deutschen Entomologischen Institut Schicklerstraße 5, 16225 Eberswalde Telefon: 03334/589818, Fax: 03334/212379 E-mail: [email protected]

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Beiträge der Hymenopterologen-Tagung in Stuttgart (4.-6.10.2002) Zitiervorschlag: Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

ISBN 3-00-010088-1

Herausgeber: © Dr. Till OSTEN Staatliches Museum für Naturkunde Rosenstein 1, D-70191 Stuttgart Telefon: 0711/8936219, Fax: 0711/8936100 E-mail: [email protected]

Redaktion: Stephan M. BLANK Deutsches Entomologisches Institut (ZALF) Schicklerstraße 5, D-16225 Eberswalde Telefon: 03334/589818, Fax: 03334/212379 E-mail: [email protected]

Referiert in: Entomology Abstracts, Zoological Record.

Titelseite: Die Orientalische Mauerwespe Sceliphron curvatum (F. SMITH, 1870) stammt aus Zentralasien und dem südlichen Himalaya. Nach Europa wurde sie offenbar eingeschleppt. DOLLFUSS (1991, Staphia 24: 26) weist sie erstmals 1979 in der Steiermark nach. Im Osten Österreichs ist die wärmeliebende Art heute stellenweise nicht selten. Sie ist aus Wien, Oberösterreich, Kärnten, Vorarlberg und dem benachbarten Slowenien belegt (Oberösterr. Kulturber., Monatsschr. Landeskulturref. 49(12), 1995). SCHMID-EGGER (2001) nennt italienische und schweizer Nachweise und geht auf die Lebensweise und Identifikation ein (www.bembix.de). In Deutschland wurde S. curvatum bislang nicht nachgewiesen. Zeichnung: Erwin SCHEUCHL (Original) Beiträge der Hymenopterologen-Tagung in Stuttgart (4.-6.10.2002) Kurzfassungen der Vorträge und Poster

Inhalt

AYASSE, M.; ZIMMA, B.; TENGÖ, J.; VAN DOORN, A.; IBARRA, F. & FRANCKE, W.: Chemische Kommunikation in der Reproduktionsbiologie von Kuckuckshummeln . . . 18 BIHN, J.; VERHAAGH, M. & ENGELS, W.: Diversität der Ameisenfauna in sekundären Waldhabitaten Südbrasiliens: Vergleich eines Mischwaldes mit einer Eukalyptus-Plantage ...... 42 BISCHOFF, I.: Populationsdynamik, Reproduktions- und Parasitierungsrate der solitären Biene Andrena vaga (Apidae) ...... 29 BRÜCKNER, D. & BROCKMANN, A.: Zur Phylogenie der Gattung Apis: Die Drohnen von A. florea, A. andreniformis, A. dorsata, A. cerana und A. mellifera ...... 43 CAPPELLARI, S.-C.; HARTER, B., AUMEIER, P. & ENGELS, W.: Ölblumen als Trachtquelle für Prachtbienen im Araukarienwald Südbrasiliens ...... 43 FELLENDORF, M.; MOHRA, C. & PAXTON, R.J.: Beitrag zur Kenntnis der Populations- biologie von Andrena vaga Panzer, 1799 (Apoidea: Andrenidae) ...... 44 HARTMANN, P.; DÖTTERL, S.; SCHEUERMAN, L. & BITTERLING, M.: Wie gross sind lokale Bienenpopulationen? Fang-Wiederfang-Studien an Osmia adunca und Macropis fulvipes ...... 36 HASSELMANN, M. & BEYE, M.: Evolutionary history deduced from alleles of the sex determining gene csd in Apis mellifera ...... 25 HERRMANN, M.; SANTOMAURO, G. & ENGELS, W.: Eugenik bei sozialen Insekten: Der Fall diploide Drohnen...... 46 JACOBI, B.: Sozial gegen solitär - Vergleichende Beobachtungen an zwei Cerceris-Arten Korsikas (Sphecidae, Philanthinae) ...... 26 KLINGENBERG, C.; FERREIRA BRANDÃO, C. R.; ENGELS, W.: Lebensweise von pilzzüch- tendenden Ameisen (Mycetophylax-Arten) in Sandhabitaten in Brasilien ...... 47 MAUSS, V. & SCHINDLER, M.: Diversität von Hummeln auf Magerrasen (Mesobromion) der Kalkeifel (Apidae, Bombus) ...... 35 MICHEZ, D. & PATINY, S.: West-Palaearctic Dasypoda Latreille, 1802 biogeography (Apoidea, Melittidae)...... 48 MOHRA, C.; FELLENDORF, M. & PAXTON, R.J.: Populationsgenetische Untersuchungen an Aggregationen der Weidensandbiene Andrena vaga Panzer, 1799 ...... 51 MÜNCH, W.: Auswirkungen von Landschaftspflegemaßnahmen auf die Bestandsentwicklung seltener Moorameisen - Analyse mittels GPS und GIS ...... 52 NEUMANN, K. & SEIDELMANN, K.: Erste Befunde zur genetischen Diversität von Osmia rufa cornigera (= O. bicornis cornigera) in Sachsen-Anhalt (Megachilidae) ...... 55 NOTHAFT, D.; HIRSCH, M. & WOLTERS, V.: Diversität aculeater Wespen in einer klein- strukturierten Agrarlandschaft ...... 56 4 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

OHL, M. & LINDE, D.: Viele kleine oder wenige große Eier - Zusammenhänge zwischen Morphologie und Fortpflanzungsstrategien von Grabwespen ...... 27 ORLOW, M. VON: Bundesdeutsche Hymenopterendienste: Funktion, Aufgaben und Organi- sationsformen ...... 40 OSTEN, T.: Beobachtungen an Wespennestern (Polistinae) in Brasilien ...... 11 PAXTON, R. J.: Kaleidoskop sozialer Lebensweisen bei Hymenopteren...... 5 PLANT, J.: Phylogenie der Bienen: Probleme, Hypothesen, Resultate...... 6 PROSI, R.: Digitale Erfassung und Auswertung von Hymenopteren-Daten...... 37 RABELING, C. & VERHAAGH, M.: Erste Erfahrungen mit Palmöl als Köder zum Fang bodenbewohnender Ameisen in Amazonien (Formicidae)...... 58 REUTER, K. & SCHWAMMBERGER, K.-H.: Bombus pascuorum - eine besonders erfolgrei- che Hummel: Untersuchungen zur Volksentwicklung und Kastendetermination...... 32 REUTER, M. & CHAPUISAT, M.: Erkennung von Nestzugehörigkeit bei Formica paralugu- bris (Formicidae: Formicinae) ...... 22 SEIDELMANN, K.: Strategien der mütterlichen Investition bei der Roten Mauerbiene Osmia rufa (syn.: O. bicornis) (Megachilidae) ...... 31 THIELE, R.: Saisonalität und Präferenz des Neststandorts holznistender Bienen eines Tief- landregenwaldes im Nordwesten Costa Ricas...... 59 TIETZ, R. & WITTMANN, D.: Wie teilen sich Heriades truncorum und Colletes daviesanus auf zwei Asteraceen-Arten die Ressource Pollen auf? ...... 61 TSCHUCH, G. & BROTHERS, D.: Stridulation und Stridulationsorgane bei aculeaten Hyme- nopteren ...... 23 VEIT, U. & FOMIN, A.: Abiotische Umweltparameter als Einflussfaktoren auf die chemische Spurkommunikation von Ameisen...... 20 VERHAAGH, M.: Die Großsystematik der Ameisen im Lichte neuer Erkenntnisse und Entdeckungen der letzten Jahre (Formicidae)...... 10 YANG, JENG-TZE; YANG, SUE-YEN & CHEN, MING-YIH: induced Galls in Taiwan . 61 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 5

Kurzfassungen der Vorträge

Kaleidoskop sozialer Lebensweisen bei Hymenopteren

Robert J. PAXTON Zoologisches Institut der Universität Tübingen, Auf der Morgenstelle 28, D-72076 Tübingen, [email protected]

Es gibt viele gute Gründe, die Gruppe der Hymenopteren zu untersuchen, nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl verblüffender Variationen ihrer Organisation. In der Tat wurde unser Verständnis wesentlicher evolutionärer Konzepte zum Teil durch die Betrachtung eusozialer Hymenopteren geformt. Um diese wichtige Rolle der Hymenopteren hervorzuheben, möchte ich einen Überblick über die Variationsbreite ihrer sozialen Systeme geben - von kommunalen zu eusozialen Organi- sationsformen. Gleichzeitig werde ich kritisch auf die Hypothesen zu Ursprung und Erhaltung der Sozialität innerhalb dieser Insektengruppe eingehen. Auf dem Weg dorthin beabsichtige ich, einige meiner eigenen Forschungsarbeiten vorzustellen und ihre Relevanz für das Verständnis sozialer Evolution zu erläutern. Phylogenetische Analysen ergaben mehrere Ursprünge der Sozialität innerhalb der Hymenop- teren, jedoch zeigten sich auch überraschend einige umgekehrte Entwicklungen von sozialen zu solitären Systemen. Welche Faktoren prädisponieren die Hymenopteren zu solch einer sozialen Flexibilität? In welchem Ausmaß können Verwandtschaftsselektion und Haplodiploidie die Evolution der Hymenopterensozialität erklären? Die hoch eusozialen Hymenopteren gehören zu den am höchsten entwickelten Insektengesell- schaften mit zum Teil extrem altruistischen Individuen. Das Bild einer sich selbstlos aufopfernden Arbeiterin wurde wiederholt in Frage gestellt, sowohl aufgrund theoretischer Grundlagen als auch in späteren empirischen Studien. Anscheinend sind Reproduktionskonflikte innerhalb einer Hymenopterenkolonie weit verbreitet. Auch hier hat die Verwandtschaftsselektion bemerkens- werten Einfluß auf das Reproduktionsverhalten von Nestgenossinnen. Die Berücksichtigung dieser Reproduktionskonflikte ermöglicht eine bessere Beurteilung der Ausgewogenheit eigener und kollektiver Fitnessinteressen der Individuen einer Kolonie. Diese faszinierendste aller Insektenordnungen wird wohl noch viele weitere Jahre zentraler Schauplatz der Forschung auf dem Gebiet der sozialen Evolution bleiben.

A social kaleidoscope of the Hymenoptera There are many good reasons for studying the Hymenoptera, not least of which is their bewilde- ring variety of social systems. Indeed, our understanding of fundamental evolutionary concepts has, in part, been shaped by consideration of the eusocial Hymenoptera. In this homage to the Hymenoptera, I shall overview their range of social systems - from communal through to eusocial - and present a critique of the hypotheses that have been used to account for the origin and maintenance of sociality within the group. En route, I shall highlight some of my own studies and their relevance to our understanding of social evolution. Phylogenetic analyses have suggested multiple origins of sociality within the group, but also some unexpected patterns of reversal from social to solitary. What factors predispose the Hymenoptera to this social flexibility? To what extent can kin selection and haplodiploidy account for the frequent evolution of hymenopteran sociality? 6 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

The highly eusocial Hymenoptera present some of the most sophisticated societies known and contain some of the most altruistic of individuals. However, this latter view of the hapless, altruistic worker has been repeatedly challenged, both on theoretical grounds and also following empirical studies. Reproductive conflicts are seemingly widespread within a hymenopteran colony. Maybe somewhat paradoxically, kin selection has at the same time proved to be remarka- bly successful at accounting for the reproductive behaviour of nestmates within hymenopteran eusocial societies. Consideration of reproductive conflicts leads to a greater appreciation of the fine balance that exists within a colony between an individual's personal and collective fitness interests. This most fascinating of insect orders is likely to maintain for many years yet a central stage in the study of social evolution.

Phylogenie der Bienen: Probleme, Hypothesen, Resultate

John PLANT Institut für Zoologie, Universität Wien Althanstrasse 14, A-1090 Wien, Österreich, [email protected]

Anhand einer kladistische Untersuchung, die adulte morphologische Merkmale von Vertretern beinahe aller Hauptgruppen von Bienen, wie Unterfamilien, Familien und Triben heranzieht, werden phylogenetische Fragen und Probleme diskutiert. Ist die zweilappige Glossa der Colleti- dae wirklich plesiomorph? Warum haben dann einige Colletiden Männchen eine zugespitzte Glossa? Ist das Sammeln von Pollen im Kropf bei Hylaeus und Verwandten wirklich eine Plesiomorphie? Sind verzweigte Körperhaare entstanden, um die Pollensammeltätigkeit zu verbessern? Gehören Ctenoplectra und Ancyla zu den kurzrüsseligen oder langrüsseligen Bienen? Dieses sind einige der Fragen, die adressiert wurden, mit dem Ziel, die Bienen-Phylogenie zu entwirren. Es gibt zwei vorhergehende kladistische Studien, die zum Verbessern unseres Verständnis der phylogenetischen Verwandtschaft der Bienen gemacht worden sind. Diese Studien (ROIG-ALSINA & MICHENER 1993; ALEXANDER & MICHENER 1995) lassen jedoch verschiedene Aspekte der Bienen-Phylogenie noch in Dunkeln; zum Beispiel wissen wir noch nicht, welches von den rezenten Taxa der Bienen, das phylogenetisch Älteste ist. Traditionell stellen phylogenetische Stammbäume der Bienen die Colletidae an die Basis als ursprünglichste Gruppe. Der Hauptgrund dafür ist die stumpfe oder zweilappige Gestalt der Glossa bei den Weibchen und den meisten Männchen dieser Familie. Es wird angenommen, dass die Glossa homolog zu der der sphecoiden Wespen und anderen Hymenopteren ist. Die Glossa beinahe aller anderen Bienen ist zugespitzt und entweder kurz oder lang. Eine nähere Untersuchung die Glossa-Morphologie der Colletiden zeigt jedoch, dass sie in vieler Hinsicht von der Glossa der sphecoiden Wespen und anderen Hymenoptera deutlich verschieden ist. Dieser Schluss unterstreicht MCGINLEYS (1980) Studium der Colletiden-Glossa. Basierend auf meinen Daten sollte der plesiomorphe Zustand der Glossa bei den sphecoiden Wespen besser als halbkreisförmig beschrieben werden und nicht als zweilappig. Man spricht von einer zweilap- pigen Glossa bei den sphecoiden Wespen wenn die lateralen Lappen Verlängerungen zeigen. Der genaue Aufbau der Glossa-Lappen bei den Wespen und Colletiden deutet darauf hin, dass die Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 7

Glossae nicht homolog sind. Die klassi- sche Annahme, dass die Colletidae die Schwestergruppe aller anderen Bienen sind, wird daher nicht unterstützt. Der autapomorphe Zustand der Glossa bei den Colletiden wurde vermutlich entwickelt im Zusam- menhang mit ihrer Funktion, Sekrete auf die Brutzellwände aufzupinseln. Die Entdeckung von zugespitzten Glossae bei einigen männlichen Hylaeinae (PER- KINS 1908) führte zu der Hypothese, dass die männliche zugespitzte Glossa plesiomorph ist. Diese Idee hat die Auf- merksamkeit von MCGINLEY (1980), MICHENER (1992) und ALEXANDER & MICHENER (1995) und anderen gefun- den. Sie zweifelt auch an der klassischen Hypothese, dass die zwei- lappige Glossa bei den Bienen einen plesiomorphen Zustand darstellt. Es wird behauptet, dass die zugespitzte Glossa von bestimmten Colletiden Männchen (Hemirhiza, Meroglossa, und Palaeorhiza) aus Australien und Neuguinea vielleicht plesiomorph sei, Abbildung 1. Zusammenfassung der Kladograme von PIWE oder und die zweilappige Glossa abgeleitet PAUP (successive weighting). Größe der beschattete Fläche ent- spricht eine Schätzung der Anzahl rezenter Arten. sei. Diese Idee, bekannt als die PERKINS-MCGINLEY-Hypothese, bein- haltet zwei Postulate. Erstens, der zweilappige Zustand der Glossa wird von einer ursprünglich zugespitzten abgeleitet. Diese Annahme wird von meiner Analyse unterstützt. Zweitens, die zweilappige Glossa wurde zuerst nur bei den Weibchen entwickelt, wo sie eine Funktion bei der Auskleidung der Brutzellwände hat. Anfänglich hätten die Männchen die zugespitzten Glossa beibehalten, wie sie bei manchen Hylaeinae noch vorhanden sind. Erst später hätten die übrige Colletidae den weiblichen Zustand übernommen. Diese Annahme wird in meiner Analyse nicht unterstützt, weil die Hylaeinae keine basale Position innerhalb der Colletiden annehmen. Problematisch ist die Tatsache, dass es eine Vielfalt von Glossa-Formen bei Hylaeinae Männchen gibt, die zwischen zugespitzt und stumpf liegen. Diese Formen finden keine Parallele zu anderen Bienen und helfen nicht bei der Entzifferung der evolutionären Richtung dieses Merkmales.Der sexuelle Dimorphismus der Glossa-Morphologie basiert möglicherweise auf einer Anpassungen im Zusammenhang mit dem Blütenbesucht. Einige Palaeorhiza Männchen aus Neuguinea haben sogar eine extrem lange und lineare Glossa. Die zugespitzten Glossae und die Zwischenformen bei der Hylaeinae bleiben ein Rätsel in Hinsicht auf ihre Funktion und evolutionäre Polarität. Sie sind weiterhin beispielhaft für das allgemeine Problem der Leserichtung der Merkmale von Männchen, wie die Basitibialplatte, Pygidialplatte, Facialfovea, und von anderen Merkmalen, die normalerweise vollständiger bei den Weibchen ausgebildet sind. 8 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Eine weitere vermeintliche Plesiomorphie mancher Colletiden ist das Fehlen von Scopahaaren für das Eintragen von Pollen. Dies ist als Evidenz für eine basale Position der Colletidae betrachtet worden (JANDER 1976). Meine Kladogram-Ergebnisse zeigen keine basale Stellung für beide Unterfamilien der Colletidae mit innerem (Kropf) Transport von Pollen (Hylaeinae und Euryglos- sinae). Der Verlust der Scopa ist daher ein abgeleitetes Merkmal. Eine weitere weitverbreitete Meinung über die Evolution der Bienen betrifft das Vorhandensein der verzweigten Körper-Haare. Alle Bienen haben verzweigte Haare. Sind diese als Strukturen zum Pollensammeln und Pollentransport evolviert? MICHENER (2000) äußert Zweifel an dieser Idee und schlägt vor, dass sie entstanden sind, um Wasserverlust in einem trockenen Klima zu reduzieren. Es ist offensichtlich, dass viele Bienen die Haarverzweigung ausnutzen, um den Pollen-Eintrag zu verbessern. Die Scopae der meisten Bienen wird von verzweigten Haaren gebildet, bei vielen anderen Bienen sind die Scopa-Haare einfach, trotzdem dienen sie dem Pollentransport. Dies zeigt, dass verzweigte Haare für den Polleneintrag nicht notwendig sind. Doch das Vorhandensein einfacher Scopa-Haare kann entweder als eine Adaptation zum Sam- meln von sehr großen Pollenkörner erklärt werden, oder es tritt in Verbindung mit dem abgelei- teten Verhalten den gesammelten Pollens vorher durch das Hinzufügen von Nektar einzufeuch- ten. Wenn wir annehmen, dass die ursprünglichste Form des Pollen-Transports extern (mit Scopa) war, und dass Pollen ursprünglich trocken und nicht vorher mit Nektar eingefeuchet in der Scopa gesammelt worden war, dann bestand der ursprüngliche Apparat zum Polleneintrag wahr- scheinlich aus verzweigten Haaren auf den Hinterbeinen (wenigstens, Femur und Tibia). Nach den Ergebnissen meiner kladistischen Analyse werden die Bienen in zwei große monophyletische Gruppen eingeteilt: Melittidae plus die langrüsseligen Bienen (Megachilidae, Apidae), und die Gruppe, die die übrigen Familien der kurzrüsseligen Bienen enthält, (Halictidae, Andrenidae, Stenotritidae, Colletidae). In der Analyse, die mit den Softwareprogrammen NONA oder PAUP (mit allem Merkmale nicht geordnet) durchgeführt wurde, erscheinen die Melittidae, auf der einer Seite, und die Halictidae, auf der anderen Seite, als die zwei basalsten Gruppen der Bienen. In der Analyse, durchgeführt mit PIWE oder PAUP (successive weighting Option), erscheinen die Oxaeidae, statt der Halictidae, in der Nähe der Wurzel des phylogenetischen Stammbaums der Bienen (Abb. 1). In der ersten Analyse werden die Oxaeiden innerhalb der Andrenidae gestellt. Hinsichtlich die Phylogenie und der Einteilung der langrüsseligen Bienen, teilte ROIG-ALSINA & MICHENER (1993) die langrüsseligen Bienen in nur zwei Familien, Megachilidae und Apidae, wie in Abb. 1. Die vorher bekannte Familie, Anthophoridae, ist paraphyletisch in Bezug auf die corbiculaten Apinae (Bombini, Euglossini, Apini und Meliponini). Die Verwendung dieses Namens auf der Familienebene wird aufgegeben. Die Apidae enthalten alle langrüsseligen Bienen außer der Megachilidae, und werden in drei Unterfamilien eingeteilt: die Xylocopinae, die Nomadinae und die Apinae. Zwei Gattungen der Apinae, nämlich die Ancyla und Ctenoplectra, sind auffällig, weil ihre Mundwerkzeugen ähnlich denen der kurzrüsseligen Bienen sind. Die Labialpalpen sind nicht stark verlängert oder abgeflacht. Obwohl diese Bienen Grundmerkmale der langrüsseligen Bienen zeigen, wie das Vorhandensein eines Stipital-Kamms und das Fehlen eines Galeal-Kam- mes, ist ihre phylogenetische Verwandtschaft unsicher. Ctenoplectra wurde der Status einer Familie zugeschrieben, z.B. von MICHENER & GREENBERG (1980). Auch ALEXANDER & MICHENER (1995) stellen die Gattung Ctenoplectra zwischen die Melittidae und den langrüsseligen Bienen. ROIG-ALSINA & MICHENER (1993) fanden, dass die Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 9

Gattung Ctenoplectra zu den Apinae gehören und nah verwandt mit den Eucerini ist. Sie bezeichneten die Ctenoplectrini deshalb als einen Tribus der Apinae. Meine Ergebnisse der kladistische Analyse mit NONA und PAUP (successive weighting) zeigten, dass Ctenoplectra die Schwestergruppe zu Anthophorini ist, während die Analyse mit PIWE Ctenoplectra als die Schwestergruppe zu den Emphorini stellt. Tarsalia wurde von WARNCKE (1979) als eine Untergattung von Ancyla betrachtet, und als eine monophyletisch Gruppe (Ancylini) von SILVEIRA (1995). BAKER (1998) entfernte Tarsalia von Ancylini und betrachtet sie als basales Mitglied der Eucerini. Danach umfassen die Ancylini nur die die Gattung Ancyla. Meine Ergebnisse bestätigen die enge Verwandtschaft der Tarsalia mit den Eucerini. In die Analysen mit NONA und PIWE, wird Ancyla an die Basis oder innerhalb der Exomalopsini gestellt. Die gekürzten Mundwerkzeuge der Ancyla und Ctenoplectra sind möglicherweise als eine Reduzierung zu sehen, die mit einer Anpassung an Blütenbesuche einherging.

Literatur

ALEXANDER, B. & MICHENER, C. 1995: Phylogenetic Studies of the families of Short-Tongued Bees (Hymenoptera: Apoidea). — Uni. Kansas Sci. Bull. 55: 377-424 BAKER, D. 1998: Taxonomic and phylogenetic problems in Old World eucerine bees, with special reference to the genus Tarsalia MORAWITZ, 1895 (Hymenoptera: Apoidea: Anthophoridae). — J. Nat. Hist. 32: 823-860 JANDER, R. 1976: Grooming and pollen manipulation in bees (Apoidea): The nature and evolution of movements involving the foreleg. — Physio. Ent. 1: 179-194 MCGINLEY, R. 1980: Glossal morphology of the Colletidae and recognition of the Stenotritidae at the family level. — J. Kansas Ent. Soc. 53: 539-552 MICHENER, C. 1992: Sexual Dimorphism in the Glossa of Colletidae (Hymenoptera, Apoidea). — J. Kansas Ent. Society. 65(1): 1-9 MICHENER, C. 2000: The Bees of the World. — John Hopkins Univ. Press: Baltimore and London. 913 pp. MICHENER, C. & L. GREENBERG 1980: Ctenoplectridae and the origin of long-tongued bees. — Zool. J. Linn. Soc. 69: 183-203 PERKINS, R. 1908: Some remarkable Australian Hymenoptera. — Proc. Hawaiian Ent. Soc. 2(1): 27-35 ROIG-ALSINA, A. & MICHENER, C. 1993: Studies of the Phylogeny and Classification of Long-Tongued Bees (Hymenop- tera: Apoidea). — J. Kansas Sci. Bull. 55: 123-173 SILVEIRA, F. 1995: Phylogenetic Relationships and Classification of Exomalopsini with a New Tribe Teratognathini (Hymenoptera: Apoidea). — Univ. Kansas Sci. Bull. 55(12): 425-454 WARNCKE 1976: Beitrag zu Bienenfauna des Iran 10. Die Gattung Ancyla Lep., mit einer Revision der Bienengattung Ancyla Lep. — Boll. Mus. Civico Stor. Nat. Venezia 30: 183-195 10 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Die Großsystematik der Ameisen im Lichte neuer Erkenntnisse und Entdeckungen der letzten Jahre (Formicidae)

Manfred VERHAAGH Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe Erbprinzenstr. 13, D-76133 Karlsruhe, [email protected]

Seit der Veröffentlichung des monumentalen Lehrbuchs „The ants“ von HÖLLDOBLER & WILSON (1990) haben eine Reihe von neuen Funden und phylogenetischen Untersuchungen unsere Sicht auf die Evolution und Großsystematik der Ameisen stark erweitert. Gingen HÖLLDOBLER & WILSON noch von 2 fossilen und 11 rezenten Unterfamilien innerhalb der Formicidae aus, sind heute mindestens 3 fossile und 16 rezente Unterfamilien anerkannt (BARONI URBANI et al. 1992, BOLTON 1994). Im Vortrag wird des weiteren über neue fossile Funde aus kreidezeitlichem Bernstein (Turonian, ca. 92 Mill. Jahre alt) berichtet, die zeigen, dass zu dieser Zeit bereits Arten aus mindestens 3 Unterfamilien existierten, von denen 2 (Ponerinae und Formicinae) noch heute mit großer Artenzahl repräsentiert sind (GRIMALDI et al. 1997, GRIMALDI & AGOSTI 2000). Die gestiegene Zahl an Unterfamilien geht insbesondere auf die Aufspaltung der sehr heterogenen Gruppe der Ponerinae („Stachelameisen“) zurück. Aber auch echte Neufunde unter den rezenten Ameisen haben unsere Kenntnis von der morphologischen Vielfalt der Ameisen erhöht wie z.B. die rätselhafte Adetomyrma aus Madagaskar (WARD 1994). Das neueste Mosaiksteinchen in dieser Hinsicht wurde vom Autor selbst in einer Bodenprobe aus Amazonien (Manaus, Brasilien) gefunden und wird derzeit zusammen mit 2 brasilianischen Kollegen untersucht (BRANDÃO et al. 2002). Die 3 blinden, knapp 2 mm großen Exemplare einer neuen Gattung sind sehr wahr- scheinlich Vertreter einer bislang unbekannten Unterfamilie. Mit anderen Neufunden aus neotro- pischen Erdproben sind sie ein Beweis dafür, dass insbesondere die hypogäische Fauna in den Tropen noch einige systematische Überraschungen bereit hält.

Literatur

BARONI URABANI, C.; BOLTON, B. & WARD, P. S. 1992: The internal phylogeny of ants (Hymenoptera: Formicidae). — Syst. Ent. 17: 301-329 BOLTON, B. 1994: Identification guide to the ant genera of the world. — Cambridge, Mass. BRANDÃO, C. R. F., VERHAAGH, M. & DINIZ, J. L. M. 2002: A new ant subfamiliy from central Amazon soil samples. — 14. Int. Congr. IUSSI, Sapporo, 28.7.-3.8.2002. GRIMALDI, D., AGOSTI, D. & CARPENTER, J. M. 1997: New and rediscovered primitive ants (Hymenoptera: Formicidae) in Cretaceous amber from New Jersey, and their phylogenetic relationships. — Amer. Mus. Novit. 3208, 43 pp.

GRIMALDI, D. & AGOSTI, D. 2000: A formicine in New Jersey Cretaceous amber (Hymenoptera. Formicidae) and early evolution of the ants. — Proc. Natl. Acad. Sci. USA 10(1073), 6 pp. HÖLLDOBLER, B. & WILSON, E. O. (1990): The ants. — Cambridge, Mass. WARD, P. S. (1994): Adetomyrma, an enigmatic new ant genus from Madagascar, and its implications for ant phylogeny. — Syst. Ent. 19: 159-175. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 11

Beobachtungen an Wespennestern (Polistinae) in Brasilien

Till OSTEN Staatliches Museum für Naturkunde Rosenstein 1, D-70191 Stuttgart, [email protected]

Das Sozialleben und damit auch die Staatenbildung ist mehrfach innerhalb der Insekten und unabhängig voneinander entstanden (Termiten, Ameisen, Faltenwespen, Bienen, Grabwespen (Microstigmus), aber auch Blattläuse (Pemphigus)). Diese Gemeinschaften weisen immer Familienverbände auf, die bei den hier zur Debatte stehenden Wespen (Polistinae) überlappende Generationen haben, d.h. man findet in einem Verband zu einem bestimmten Zeitpunkt die unterschiedlichsten Entwicklungsstadien vor. Dieses ist auch das Kriterium für Eusozialität. (Quasisozial = Mitglieder einer Generation benutzen dasselbe Nest und kooperieren bei der Brutpflege; semisozial = quasisozial + Kastenbildung, wobei eine Arbeiterinnenkaste den Geschlechtstieren die Brutpflege abnimmt; eusozial = semi- und quasisozial + Überlappung, siehe oben). Um diesen Zustand besser zu gewährleisten, und nach außen zu sichern, haben sich im Laufe der Evolution die unterschiedlichsten Schutzvorrichtungen, bzw. Nestbauten, entwickelt. Es entstanden hoch komplizierte Konstruktionen aus den verschiedensten Materialien, bevorzugt Pflanzenfasern, selten Lehm (Polybia emaciata). Ganz besonders auffällig in Bezug auf die Mannigfaltigkeit ihres Nestbaus sind die Vespinen (Papierwespen) und hier wiederum die Polistinen oder Feldwespen. In Europa (und der ganzen Paläarktis) existieren im wesentlichen nur zwei Typen von Vespi- nen-Nestern: die einzelne, nur an einem Stielchen sitzende, etwas asymetrische, offene Wabe der Feldwespe (Polistes, Abb. 6), und die umhüllten Waben von Hornisse (Vespa) und Vespula oder Dolichovespula (Abb. 25). Die Einzelwabe ist ungeschützt gegen klimatische oder andere Einflüsse. Eine Vergrößerung des Nestes erfolgt nur durch hinzufügen weiterer Zellen am Rand der Einzelwabe. Der Wabenboden entsteht durch Verschmelzen der einzelnen Zellenböden, der aus vielen kleinen, sechseckigen Feldern zu bestehen scheint. Stelocyttar (= an einem Stielchen) -gymnodom (= ohne Hülle) wird dieser offene Nest-Typus genannt (Abb. 6 - 8) . Demgegenüber können die umhüllten, mehrwabigen Nester etwa von Vespa in ihrem Inneren ein recht kon- stantes Klima aufrechterhalten, was für die Entwicklung der Larven sehr vorteilhaft ist. Durch die Mehrzahl der Waben können Völker (Staaten, Kolonien) mit hoher Individuenzahl entstehen. Bei diesen Nestern muß aber wegen des kontinuierlichen Wachstums (zentrifugale Ausbreitung) der Waben an ihren Rändern und der Vermehrung der Zahl der Waben ständig Baumaterial von der Innenseite der Umhüllung wieder abgebaut und von außen neu angebaut werden. Das ist energetisch gesehen ein sehr aufwendiger Prozess. Wesentlich für diese Art des Nestbaus ist, dass die einzelnen Waben mit Stielchen untereinander verbunden sind und ihre Ränder nicht die Nestumhüllung berühren, also von allen Seiten zugänglich sind. Man spricht von einem stelocyt- tar-kalyptodomen (= mit Hülle) Nest (Abb. 25). Die Nestgründung erfolgt in beiden Fällen immer nur durch ein einzelnes, begattetes Weibchen, die Königin. Das Nest ist zunächst mono- gyn. Im Verlauf des Jahreszyklus können dann noch weitere Königinnen im Nest entstehen. Schwarmbildung ist aber hier die Ausnahme. In Brasilien (und der ganzen Neotropis) ist vieles ganz anders! Dort fehlen die Gattungen Vespa, Vespula und Dolichovespula (Diese Gattungen sind als eine Art outpost in herben Klimaregionen einzustufen). Es dominieren die Polistinae mit einigen Arten der Gattung Polistes (Tribus Polistini) und 25 Gattungen der Tribus Polybiini mit etwa 400 Arten. Abgesehen vom Süden 12 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Brasiliens, wo während des dortigen Winters die Temperatur kurzfristig auch unter den Gefrier- punkt sinken kann, muss bei der Nestbauweise weniger auf Kälteschutz durch Isolierung geach- tet werden, obgleich es auch dafür Beispiele gibt (Polybia scutellaris, siehe unten); dort stellt eher Überhitzung der Brut in ihren Zellen ein Problem dar. Wichtig für die Wahl eines Nestbau- platzes ist zum einen, dass er weitgehend vor den dicken Tropfen tropischer Regengüsse ge- schützt ist bzw. dass das Nestmaterial dieses Bombardement aushält. Wegen des relativ gleich- mäßigen Klimas währen des ganzen Jahres, gibt es im tropischen Brasilien keine ausgeprägten Jahreszeiten und viele Nester sind daher auch mehrjährig (bis über 20 Jahre). Zum anderen soll das Nest den Larven Schutz vor Attacken durch Ameisen (und anderen Wespen) bieten. Ein Gesichtspunkt, der bei der Konstruktion von Wespennestern in unseren Breiten kaum eine Rolle spielt. Es sind Ameisen (und Termiten), die eine dominante Rolle in den Ökosystemen von Savanne und den Wäldern der Tropen spielen. Ihre allgegenwärtige Präsenz, ihr ständiger Räuberdruck zwingt die Wespen entweder zur Konstruktion von Barrieren (chemisch: Duft- oder Klebstoffe), die von Ameisen nicht überwunden werden können, oder zur Verwendung von Baustoffen, die diese mit ihren Mandibeln nur schwer zerlegen können. In diesem Fall hat das Nest dann auch nur ein sehr kleines Flugloch, welches die Wespen von innen verteidigen. Aber auch Koexistenz oder Kooperation mit den Ameisen kann eine Strategie darstellen, wobei durch Duftstoffe die Aggressionen gesenkt werden und eine gegenseitige Schutzgemeinschaft entsteht. Eine weitere Möglichkeit zur Rettung zumindest eines Teils der Kolonie (mit Verlust der Brut) besteht darin, dass mehrere begattete Königinnen gleichzeitig im Nest leben (Polygynie oder Pleometrose) und bei einer Attacke (auch Waldbrände) die Königinnen mit einem Teil des Volkes (Schwarm) das Nest aufgeben und an anderer Stelle ein neues beginnen, sich also eine Nestgründung durch Schwarmbildung ergibt. Die Neugründung bzw. der Neubau eines Nestes im Schwarm geht dann erheblich schneller voran, als wenn eine einzelne Königin das bewerkstel- ligen muß. Neben Ameisen stellen auch Vögel und Reptilien eine Gefahr für Wespen und ihre Nester dar. Hier können optische Täuschungen und Kamouflage etwa in Form von seidigen Gespinsten (z.B. Leipomeles) oder rindenähnliche Schutzhüllen ( z.B. Nactarinella) über der Wabe einen Schutz bieten. Diese Beispiele stellen nur einen kleinen Anteil der unterschiedlichen Strategien der Wespen in Brasilien dar. Der Einsatz eines Stachels ist also nicht die alleinige Methode, um die Brut zu verteidigen. Die Zahl zerstörter Nester ist trotz der raffinierten Schutz- und Sicherungsstrategien bemerkenswert hoch. Im Folgenden werde ich einige Wespennester präsentieren, die ich auf meinen Reisen in Brasilien beobachten konnte. Bei den Arten der Gattung Polistes in Brasilien kommt einem zunächst vieles bekannt vor und doch ist manches ganz anders. Die Nestgründung erfolgt ebenfalls über ein einzelnes Weibchen (Königin). Unter einem überhängenden Dach oder Blatt wird hängend (stalaktitenartig) ein Stielchen aus zerkauten und eingespeichelten Pflanzenfasern angelegt an dem seitlich (Abb. 4) eine im Querschnitt zunächst runde Zelle entsteht an die anschließend seitlich darum herum die nächsten Zellen angegliedert werden. Diese neuen Zellen geben erst durch Druck von außen und Spannung der Zellwände der Anfangszelle, jetzt in der Mitte liegend, ihre bekannte hexagonale Form (Abb. 1 - 3). Bei den folgenden Zellen entsteht die hexagonale Form auch erst durch den Druck der umgebenden Zellen. Das Baumaterial bleibt sehr elastisch. Bei Arten der orientalischen Gattungen Ropalida (Polistini) oder Parapolybia (Polybii- ni), wird die erste Zelle nicht seitlich an das Stielchen gebaut, sondern das Stielchen erweitert sich am Ende wieder und wird somit Boden und Seitenwand der ersten Zelle, sitzt also zentral zur Zelle (Abb. 5). Bei Polistes cavapyta SAUSS. und P. pacificus F. werden die Zellen der Wabe mehr oder weniger konzentrisch, zentrifugal um das Stielchen angelegt (Abb. 7), wo dann der Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 13

Boden der Wabe eine horizontale Fläche bildet. Bei P. simillimus ZIKÁN und P. versicolor (OLIV.) erfolgt die Zellenzunahme mehr in eine Richtung und das Stielchen liegt dann exzen- trisch. Im Verlauf ihrer Nestentwicklung wölbt sich der Wabenrand immer mehr nach innen, sodass eine Halbkugel entsteht auf deren Außenfläche die Zellen angeordnet sind (Abb. 8). Größere Waben können bis zu 500 Individuen beherbergen. Durch das größere Gewicht wird das anfängliche Stielchen von den Arbeiterinnen zu einem Stiel verstärkt. Bemerkenswert ist, dass dieser Stiel und auch die Fläche um dessen Ansatzstelle (nach meinen Beobachtungen) ständig mit einer dunklen Substanz aus den Mandibeldrüsen überzogen wird. Diese Speichelsubstanzen wirken als Repellent und machen den Zugang zur Wabe für Ameisen offenbar unmöglich (gilt auch für P. pacificus). Aber auch aus der Luft droht der Wespenbrut Gefahr: Aus Nestern von P. cavapyta konnte ich die Fliege Sarcophaga (Neobellieria) polistensis HALL züchten (Sarcophagidae). Aus den Nestern von P. versicolor die Schlupfwespe Pachysomoides spec. (Ichneumonidae, Cryptini). Die Parasitierung durch die Schlupfwespe erfolgt, nach langem Ansitzen und Zögern dann plötzlich sehr schnell mit dem Legebohrer durch die Puppenhülle in die Wespenpuppe. Die Sarcophagiden sind ovovivipar und setzen ihre Maden an der Zellenwand ab. Die Fliegenmade stürzt sich dann gleich auf die Wespenlarve. Nach ihrer Entwicklung und dem Verlassen des Nestes sind die Zwischenwände der von Wirt und Parasitoid benutzten Zellen verschwunden. Wie und was da geschieht, konnte ich nicht beobachten. Den Attacken durch Treiberameisen der Unterfamilie Ecitoninae können Wespen nichts ent- gegensetzen. Hier hilft nur die Flucht im Schwarm und anschließend eine neue Nestgründung, während sich die Ameisen über die Wespenbrut hermachen. Eine weitere Möglichkeit, die wahrscheinlich mit Treiberameisen aber keinen Erfolg hätte, ist die Koexistenz. So konnte ich an den Ästen von Mangobäumen nebeneinander die Nester von Polybia occidentalis (OLIV.) und der sehr aggressiven Ameise der Gattung Azteca (Dolichoderinae) beobachten. Die Wespen haben wohl durch die Präsenz dieser Ameisen einen gewissen Schutz vor den Angriffen durch andere Ameisenarten. Auch über das Zusammenleben von Azteca mit Wespen der Gattung Synoeca (siehe unten) wird berichtet. Vom Nesttypus her ebenfalls sehr einfach und ähnlich wie der von Polistes sind die Einzelwaben der Gattung Mischocyttarus (stelocyttar-gymnodom, Abb. 7) die aber zur Gruppe der Polybiini gehört. Ihre Nestgründung erfolgt immer über Schwarmbildung oder Soziotomie. Die Gattung Mischocyttarus hat etwa 200 Arten, die teilweise nur sehr schwer zu bestimmen sind. M. (Mischocyttarus) drewseni SAUSS. baut ihre große, horizontale Wabe im Schutz von Bü- schen. Der Stil wird auch mit einem Repellent eingerieben, das in diesem Fall aber am 5. Gastral- sternum austritt. (Bei Polistes ist es Mandibeldrüsensekret; siehe oben). Der Boden der Wabe bildet eine runde, flache Scheibe (Durchmesser bis 18cm), auf der sich immer zahlreiche Wespen aufhalten. Hier scheint sich auch die Kommunikation zwischen den Nestangehörigen abzuspielen. Ich konnte beobachten, wie eine erfolgreiche Wespe ihre Schwestern auf die Richtung einer Futterquelle aufmerksam macht, indem sie oben auf dem Wabenboden ruckartig in diese Rich- tung läuft, umdreht, und diesen Vorgang mehrmals wiederholt. Diesen Bewegungen folgen einige Nestgenossinnen, die dann offensichtlich auch in die angegebene Richtung starten. Dieser Tanz ähnelt auffällig dem der Honigbiene, nur dass hier auf einer horizontalen Fläche getanzt wird. Genauere Untersuchungen müssen folgen. M. (Hoplometrobius) ignotus ZIKÁN bauen gemäß ihrer geringen Körpergröße aber auch Individuenzahl nur kleine Nester (Durchmesser maximal 7cm). Auch bei ihnen wird das Nest immer von einem Schwarm gegründet. Wie sich die Teilung (Soziotomie) auf dem Mutternest 14 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) abspielt, wissen wir noch nicht, aber sicherlich anders als bei der Honigbiene. Da sich bei allen Polybiinen Arbeiterinnen und Königinnen bzw. legereife Weibchen äußerlich nicht unterscheiden, kann man auch nicht beurteilen, von wem die Initiative ausgeht, genau an der Stelle und nicht an einem anderen Ort das Nest zu gründen. Jedenfalls konnte ich beobachten wie die Tiere mit der Spitze ihres Hinterleibes immer wieder auf die Blattfläche tippten und dabei sicherlich auch ein Sekret mit einem Botenstoff abgaben. Der „Einigungsprozess“ kann 1-2 Tage dauern. Sind das Stielchen und die ersten Zellen der Wabe gebaut, wird gleich mit der Eiablage begonnen. Ob dabei nur ein oder mehrere legereife Weibchen beteiligten sind, konnte ich nicht erkennen. Diese ersten 4-5 Zellen werden dann von etwa 10-12 Wespen versorgt, was zu großen Drängeleien aber auch Aggressionen untereinander führt. Wird die Wabe mit der Zeit größer, so werden weitere Stielchen und Stege zwischen Blatt und Wabe gebaut. Die Kolonien bleiben recht klein (maximal 30 Individuen) und Neugründungen erfolgen in der Nähe des Mutternestes. Meine Untersuchungen an M. ignotus führte ich an einem kleinen Zitrusbaum durch, an dessen Blättern sich rundherum 12 Waben in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befanden. Es ist anzuneh- men, dass diese Nester alle Ableger eines Mutternestes an jenem Baum sind. An anderen Zitrus- bäumen ganz in der Nähe sah ich keine weiteren Nester. Da sich die Zitrusblattflächen in Abhän- gigkeit ihres Reifestadiums mal mehr mal weniger verdrehen, wird auch das an der Unterseite zunächst nach unten hängende Nest später in andere Positionen gedreht, sodass die Wabe auch leicht nach oben ausgerichtet sein kann. Interessant war zu beobachten, wie sich die Wespen über die zuckerhaltigen Ausscheidungen von Zikadenlarven (Aetalion reticulatum (L.) Homoptera, Membracidae) hermachen. Die Bilder erinnern an Ameisen, die ihre Blattläuse melken. Auf Störungen reagieren die Wespen sehr aggressiv. Ebenfalls nur eine einzelne, offene Wabe als Nest baut Apoica pallens (F.), (Polybiini). Apoica ist eine der wenigen nachtaktiven Vespinen. Ihre Ocellen sind dementsprechend stark vergrößert. Tagsüber verlassen sie ihr Nest nicht. Auch bei ihnen erfolgt die Nestgründung immer durch einen Schwarm. Als Baumaterial werden bestimmte dreiästige, blasige Pflanzenhaare verwendet, die mit Speichelsekret zu einer Art dichtem Filz verwoben werden. Die Wabe ist dadurch außerordentlich stabil. Der Nestbau beginnt an der Unterseite eines waagerechten Astes, auf den zunächst direkt, ohne Stil, die ersten Zellen gesetzt werden, ein astelocyttarer (ohne Stielchen)- gymnodomer Nesttyp (Abb. 9). Der Nestboden wird kontinuierlich mit dem Anwachsen der Zellenzahl verstärkt, sodass er bald den Ast umgreift. Dieser sehr dicke, stabile Boden ist dann deutlich gewölbt, nicht flach wie bei Polistes oder Mischocyttarus drewseni. Auch hier wird das Nest durch den Anbau weiterer Zellen am Wabenrand vergößert. Tagsüber sitzen alle Wespen (bis 500) fast bewegungslos, dicht an dicht auf der Wabe und schützen die Brut mit ihren Körpern, eine lebende Hülle. Die am Nestrand sitzenden Tiere berühren sich seitlich mit den Schultern, ihre Köpfe sind nach außen gewandt, ein imponierender und auch bedrohlicher Anblick. Bei Störung jedoch erscheint ein Teil der Wespen ruckartig oben auf dem gewölbten Boden ihres Nestes. Dabei entstehen raschelnde Geräusche. Sie werden mit den Flügeln erzeugt und sollen wohl der Einschüchterung z.B. von Vögeln dienen. Eine Einzelwabe ohne Stielchen, aber mit Schutzhülle, fertigt Synoeca cyanea (F.) an (astelocyt- tar-kalyptodom, Abb. 10 - 15). Zunächst wird von den Mitgliedern eines Schwarmes direkt auf einen vertikalen Untergrund (meistens ein Baumstamm) eine große, ovale Wabe mit hunderten von Zellen gebaut (Abb. 11). Anschließend wird von den Seiten her links und rechts die Wabe synchron mit einer Schutzhülle überdacht (Abb. 12, 13). Die beiden Arbeitskolonnen treffen sich genau in der Mitte über der Wabe. An der Berührungsstelle erkennt man später deutlich eine vertikale Naht. Der Eingang zum Nest ist immer oben. Kurz vor Fertigstellung der Schutzhülle Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 15 wird schon mit der Eiablage begonnen. Muss das Nest vergrößert werden, wird oberhalb direkt an das alte Nest zunächst eine neue Wabe auf den Baumstamm gebaut und diese anschließend wieder von den Seiten umhüllt (Abb. 14). Die alte Wand der Hülle zwischen alter und neuer Wabe wird dann abgetragen, die Waben gehen breit ineinander über und der Nesteingang befindet sich jetzt an der Oberkante des neuen Nestes (Ann. 15). Dieser Vorgang kann mehrfach wiederholt werden. Als Baumaterial dienen Holzfasern, die mit Speichel zu einer harten, karton- artigen Masse verarbeitet werden. Neben der Schutzfunktion dient die Hülle über der Wabe auch als Resonanzboden für Töne. Jedes Landen einer Wespe oder eines anderen Insekts auf der starren Hülle ruft ein lautes Klack hervor und informiert die Nestgenossinnen. Bei Gefahr erzeugen etwa 500 Wespen gemeinsam durch Vibration der Flügel einen Brummton (Vorwar- nung), der durch die Karton-Hülle (Resonanzboden) enorm verstärkt wird. Die Stiche von Synoeca sind sehr gefürchtet. Brachygastra lecheguana (LATR.) baut im Schwarm gleichzeitig mehrere Waben eng an- und übereinander in einem Pflanzengestrüpp. Die erste Wabe mit etwa 70 Zellen wird ohne Stiel direkt an einem Ästchen gebaut. Erst dann werden Eier gelegt, und während die Brutpflege beginnt werden auch schon weitere Waben konstruiert. Diese Wabenansammlungen werden von einer ungleichmäßigen Hülle umgeben. Das Baumaterial ist sehr heterogen und besteht sowohl aus kleinen, verrotteten Pflanzenteilen, als auch aus langen Pflanzenfasern. In die Hülle selbst werden aber auch Teile des umgebenden Gestrüpps mit einbezogen. Beim Nest von B. lechegua- na handelt es sich um einen sogenannten chaotischen Bautyp, in dem bis zu 15.000 Individuen leben. Bemerkenswert ist, dass diese Art Nektar sammelt und ihn in solchen Mengen in den Waben hortet, dass er vom Menschen sogar wirtschaftlich genutzt wird („Vespiculture“). Die Gattung Brachygastra PERTY, 1833 hieß früher daher Nectarina SWAINSON & SHUCKARD, 1840. Die Nester anderer Brachygastra-Arten ähneln denen der folgenden Beispiele. Wesentlich „ordentlicher“ und übersichtlicher geht es bei Vertretern der Gattungen Protopolybia und Polybia zu. Die von mir in der Nähe von Manaus untersuchten Protopolybia minutissima (SPIN.) und Polybia bistriata (F.) sind sich in Bezug auf ihre Nestkonstruktion sehr ähnlich (Abb. 16-20). Beide bauen an der Unterseite von Bananenblättern in Abhängigkeit von ihrer winzigen Körpergröße kleine, zunächst eiförmige Nester. Diese bestehen aus winzigen Pflanzenplättchen, einem nicht besonders festen Baumaterial. Auch hier erfolgt die Nestgründung nach Schwarm- bildung. Zunächst wird gemeinsam eine ovale Wabe gebaut, die an mehreren Stellen mit der Blattunterseite verbunden ist, also nicht nur über ein einzelnes Stielchen (Abb. 16). Eine der- artige Konstruktion würde sicherlich schon von dem bröseligen Baumaterial her keinen längeren Erfolg haben. Entscheidend ist, dass im Gegensatz zu einem stelo- oder astelocyttaren Nest erst der Wabenboden gebaut wird auf den dann die Zellen aufgetragen werden. Anschließend wird vom Rand aus eine Umhüllung über der Wabe errichtet ( Abb. 17, 18). Wabe und Nestwand sind fest miteinander verbunden. Der Zugang zwischen den Waben erfolgt durch ein mehr oder weniger zentrales Loch in jeder Wabe. Man spricht von einem phragmocyttaren Nesttyp. Der Eingang befindet sich immer seitlich. Jetzt erst beginnt die Eiablage. Zur Nesterweiterung werden außen auf die Umhüllung neue Zellen aufgesetzt, die dann wiederum umhüllt werden (Abb. 19, 20). Das kann sich mehrfach wiederholen, sodass das zunächst gleichförmige, ovoide Nest von der Blattunterseite nach unten zu einem knolligen, mehrwabigen Gebilde auswächst. Ein Volk von Protopolybia kann aus bis zu 20.000 Wespen bestehen. Die einzelnen Waben sind durch die ehemaligen Eingänge, jetzt innerhalb des Nestes gelegen, miteinander verbunden. Polybia bistriata oder Protopolybia minutissima bauen ein phragmocyttares Nest mit seitlichem Flugloch. 16 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Bei den ebenfalls sehr kleinen Wespen der Gattung Charterginus befindet sich der Eingang oben in der ersten Wabe (Abb. 21). Ein zentrales Flugloch haben dagegen die Karton-Nester z.B. von Wespen der Gattung Chartergus. Wespen der Gattung Parachartergus bauen ihre Waben direkt an ein Blatt und ummanteln diese dann mit einer Hülle (Abb. 24). Oftmals ist es nicht möglich, ein Nest einem bestimmten Bautypus zuzuordnen, da verschiedene Bauelemente gleichzeitig zur Anwendung kommen oder sich der Typus während der einzelnen Bauphasen ändert. Zu den auffälligsten und imponierendsten Wespenbauten gehören die Karton-Nester von Polybia scutellaris (WHITE). Als Baumaterial dient totes, aber noch sehr hartes Holz, das mit den Mundwerkzeugen zusammen mit Drüsensekret zu einem Brei verarbeitet wird. Die erste, recht große Wabe wird von dem Schwarm in sehr kurzer Zeit direkt an einem waagerechten Ast angelegt und auch gleich mit einer sehr festen Schutzhülle ummantelt. Der Eingang ist schlitzför- mig. Die Oberfläche des Nestes ist zu diesem Zeitpunkt noch glatt. Schon nach kurzer Zeit werden weitere Zellen außen auf der erste Schutzhülle errichtet und umhüllt. So folgt Wabe auf Wabe, ähnlich wie bei P. bistriata. Es handelt sich um einen astelo-phragmocyttaren Bautyp (Abb. 22). Das Nest erreicht gewaltige Ausmaße und beherbergt bis zu 20.000 Individuen. Dementsprechend wird die Verbindung zum Ast verstärkt, bis es so aussieht, als ob der Ast durch das Nest gewachsen wäre. Hat das Nest etwa Fussballgröße erreicht, wird die Außenwand mit charakteristischen, spitzen Noppen versehen. Die Außenwand des Nestes hat neben der Schutzfunktion gegen Wind, Regen oder Feinde auch die Aufgabe der Thermoregulation. P. scutellaris lebt im Süden von Brasilien, wo es im Winter auch Nachtfröste geben kann. Die Innenseite der Außenwand ist daher auch noch mit einer feinkammerigen „Tapete“ isoliert. Die Nester sind mehrjährig (bis 25 Jahre). Diese mehrjährigen, pharagmocyttaren Nester, deren Waben nie verändert und deren Zellen viele Male als Brutkammer genutzt werden, haben ein großes Problem: Nach jedem Schlüpfen aus der Puppe bleiben die Puppenhülle und andere Reste der Häutung am Boden der Zelle: Das Lumen der Zelle wird um diesen Betrag kleiner. Um den Inhalt einer Zelle gleichgroß zu halten, verlängern die Wespen die Zellwände, die Wabe wird insgesamt dicker (Abb. 23). Dieser Prozess setzt sich solange fort, bis der Abstand zwischen dem äußeren Zellenrand der ersten Wabe und dem Boden der nächsten Wabe so eng geworden ist, dass keine Wespe mehr dazwischen paßt und die stark verdickte, alte Wabe aufgegeben wird. Bei einem alten Nest sind also die Anfangswaben nicht mehr in Funktion. Dafür ziehen dort viele Schmarotzer ein, wie verschiedene Käfer und ihre Larven, Milben und Fliegen, für die die verlassenen Zellen mit ihren Häutungsresten ein ideales Biotop bilden. Es gibt Fälle, in denen das Wespennest so stark von Schmarotzern und Parasiten befallen ist und diese auch den noch benutzten Teil des Nestes erobern (z.B. Diptera, Phoridae), dass die eigentlichen Hausbesitzer ausziehen müssen. Die doch so wehrhaften Wespen können sich dagegen offensichtlich nicht wehren. Dieses sind nur einige Beispiele aus der enormen Bautenvielfalt und Lebensweise der Vespinen in Brasilien. Je mehr ich mich auf meinen Reisen in Südamerika mit dem Phänomen „Hymenop- terenbauten“ beschäftige und die entsprechende Literatur konsultiere, um so mehr muss ich verwundert staunen, sehe aber auch, dass wir darüber erst sehr wenig wissen. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 17 18 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Abbildung 1-3. Entwicklung zur hexagonalen Zelle. Abb. 4. Zellen entstehen lateral vom Stielchen (Polistes); Abb. 5. - zentral zum Stielchen (Ropalidia). Nester: Abb. 6. Polistes dominulus. Abb. 7. Polistes cavapyta, Mischocyttarus drewseni. Abb. 8. Polistes versicolor. Abb. 9. Apoica pallens. Abb. 10-15. astelocyttar-kalyptodome Nestentwicklung von Synoeca cyanea an einem Stamm. Abb. 10. einfaches Nest im Längsschnitt. Abb. 11. noch offene Wabe; Abb. 12. Bau der Schutzhülle von den Seiten. Abb. 13. Querschnitt. Abb. 14. Nest mit Schutzhülle und darüber bereits erste Nesterweiterung. Abb. 15. geschlossenes, erweitertes Nest. Abb. 16-20. stelo-phragmocyttare Nestentwicklung von Protopolybia minutissima unter einem Blatt. Abb. 16. Stielchen und Boden der 1. Wabe. Abb. 17. Wabe. Abb. 18. umhüllte Wabe, Flugloch seitlich. Abb. 19. 2. Wabe entsteht auf Hülle. Abb. 20. 2. Umhüllung und Beginn der 3. Wabe. Abb. 21. Polybia bistriata, Flugloch in der Wabe. Abb. 22. astelo-phragmocyttares Nest von Polybia occidentalis. Abb. 23. Verlängerung der Zellwände nach mehrfacher Benutzung der Zelle. Abb. 24. phragmocyttares Nest von Paracharter- gus spec.. Abb. 25. stelocyttar-kalyptodomes Nest von Dolichovespula media.

Den Herren Dr. J. GUSENLEITNER (Linz), Dr. James M. CARPENTER (New York) und Dr. T. PAPE (Stockholm) danke ich für die Determination meines Materials.

Literatur (Auswahl)

EVANS, H.E. & WEST-EBERHARD, M.J. 1973. The Wasps. — David & Charles, 265 S. HERRE, E.A.; WINDSOR, D.M. & FOSTER, R.B. 1986. Nesting associations of wasps and ants on lowland peruvian ant-plants. — Psyche 93: 321 - 330 OSTEN, T. 1982. Staatenbildende Insekten und ihre Bauten. — Stuttg. Beitr. Serie C 16: 1 - 40 RICHARDS, O.W. & RICHARDS, M.J. 1951. Observations on the Social Wasps of South America (Hymenoptera, Vespi- dae). — Trans. R. Soc.London 102: 1-169 RICHARDS, O.W. 1978. The social wasps of the Americas excluding the Vespinae. — London, Brit. Mus. (Nat. Hist.), 580 S. SCHREMMER, F. 1978. Das bisher unbekannte Nest von Charterginus carinatus, einer neotropischen sozialen Falten- wespe (Hymenoptera: Vespidae). — Ent. Gen. 5(1): 17-23 SCHREMMER, F. 1986. Die Bautenvielfalt der sozialen Wespen. — ÖKO.L 8(2-3): 49-59 WENZEL, J.W. 1998. A Generic Key to the Nests of Hornets, Yellowjackets, and Paper Wasps Worldwide (Vespidae: Vespinae, Polistinae). — Amer. Mus. Novitates 3224: 1-39 WILSON, E.O. 1979. The Insect Societies. — Harvard Univ. Press., S. 7-26

Chemische Kommunikation in der Reproduktionsbiologie von Kuckuckshummeln

Manfred AYASSE1123, Bernhard ZIMMA , Jan TENGÖ , Adriaa VAN DOORN , Fernando IBARRA 4 & Wittko FRANCKE4 1Institut für Zoologie, Althanstr. 14, A-1090 Wien; Tel. +43-1-4277-54492, [email protected] 2Ecological Research Station of Uppsala University, S-38693 Färjestaden 3Koppert B.V., NL-2650 AD Berkel en Rodenrijs 4Institut für Organische Chemie, D-20146 Hamburg 13

Schmarotzerhummeln der Gattung Psithyrus sind obligate Sozialparasiten. Da die Weibchen keine morphologischen Strukturen zum Sammeln von Pollen besitzen und auch kein Wachs produzieren, sind sie für die Aufzucht ihrer Nachkommen vollständig auf die Hilfe anderer Hummeln angewiesen. Zumeist zum Zeitpunkt des Schlüpfens der ersten Wirtsarbeiterinnen dringen Psithyrus-Weibchen in ein Wirtsnest ein. Wir haben untersucht, welche Bedeutung die Chemische Kommunikation hat, wenn es darum geht: 1) im Wirtsnest nicht erkannt zu werden, Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 19

2) sich gegen Wirtsarbeiterinnen zur Wehr zu setzen und 3) die Reproduktion von Wirtsarbeite- rinnen zu unterdrücken. Wir haben das cuticuläre Duftprofil der Sozialparasitenart P. norvegicus analysierten und mit dem Duftbouquet der Wirtsart B. hypnorum verglichen. Weiters wurden elektrophysiologische Messungen sowie Verhaltenstests durchgeführt, mit dem Ziel Wehrsubstanzen der Psithyrus- Weibchen zu identifizieren und zu zeigen, ob Psithyrus-Weibchen ebenso wie Bombus-Königin- nen Duftstoffe benützen zur Regulation der Reproduktion von Arbeiterinnen. Wir konnten zeigen, dass die cuticulären Duftkomponenten von nestsuchenden Psithyrus- Weibchen fast identisch sind im Vergleich zum Duftbouquet ihres Wirtes. Nach dem Eindringen in das Wirtsnest erwirbt das Psithyrus-Weibchen den Nestduft durch Reiben am Nistmaterial (Camouflage). Dadurch wird das Duftbouquet des Psithyrus-Weibchens noch „wirtsähnlicher“ (AYASSE, unveröffentlichte Daten). Bei einigen Psithyrus-Arten kommt es zu aggressiven Interaktionen im Wirtsnest, die oft auch zum Tod der Wirtskönigin führen. In diesem Fall muss das Parasitenweibchen die Reproduktion der Arbeiterinnen selbst unterdrücken. Unsere Biotests zeigten, dass sowohl die Königinnen der Wirtsart B. hypnorum als auch Weibchen ihres Parasiten P. norvegicus die Eierstockentwicklung von Arbeiterinnen durch Abgabe von Pheromonen hemmen. Weibchen des Sozialparasiten besitzen stark vergrößerte Dufourdrüsen, in denen mehr als 200 verschiedene chemischen Substanzen produziert werden. Die Hauptkomponente dieser Drüsen- sekrete ist Dodecylacetat. Daneben wurden mittels chemischen Analysen andere Ester sowie Alkohole und Kohlenwasserstoffe nachgewiesen. In den mit Arbeiterinnenantennen durchgeführ- ten elektrophysiologischen Untersuchungen konnten 11 elektrophysiologisch aktive Verbindun- gen identifiziert werden. Sowohl eine Mischung dieser Substanzen als auch deren Hauptkompo- nente Dodecylacetat zeigten in Biotests eine Repellentwirkung auf Wirtsarbeiterinnen. Die Bombus-Arbeiterinnen durchquerten eine mit diesen Verbindungen imprägnierte Fläche erst nach wiederholtem Zurückweichen oder überschritten die „Duftbarriere“ überhaupt nicht. Wir vermuten, dass diese Abwehrsekrete bei Bedarf aktiv gegen angreifende Arbeiterinnen der Wirtsart eingesetzt werden um diese auf Distanz zu halten. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit für ein Psithyrus-Weibchen erfolgreich in ein Wirtsnest einzudringen und sich dort aufzuhalten bedeutend erhöht. Dodecylacetat ist das erste Abwehr-Allomon, das bei Hummeln identifiziert wurde (ZIMMA 2002).

Literatur

ZIMMA, B. 2002: Identification of a repellent allomone in the social parasitic bumblebee Psithyrus norvegicus (Hyme- noptera, Apidae). — Diplomarbeit Zool. Inst. Univ. Wien 20 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Abiotische Umweltparameter als Einflussfaktoren auf die chemische Spurkommunikation von Ameisen

Uwe VEIT12 & Anette FOMIN 1 Universität Hohenheim, Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie (320) D-70593 Stuttgart, [email protected] 2Internationales Hochschulinstitut Zittau, Lehrstuhl Umweltverfahrenstechnik, Fachgruppe Human- und Ökotoxikologie Markt 23, D-02763 Zittau, [email protected]

Bei Insekten haben bereits geringe Konzentrationen chemischer Substanzen, die von einem Organismus in die Umwelt abgegeben werden und in einem anderen Organismus eine spezifische Reaktion auslösen, für die Übertragung von Informationen eine große Bedeutung. Wie vielfältig die Form der chemischen Informationsübertragung sein kann, zeigt sich insbesondere bei den sozialen Hymenopteren (HÖLLDOBLER & WILSON 1990). Während einige der als Pheromone bezeichneten Substanzen (KARLSON & LÜSCHER 1959) überwiegend im direkten Kontakt oder über sehr kurze Distanzen übertragen werden (z. B. Königinnenpheromon bei Bienen oder Brutpflegepheromone), können andere durchaus auch über längere Distanzen oder Zeiten ihre Funktion erfüllen (z. B. Sexualpheromone, Spurpheromone). Aus ökologischer Sicht ist dabei von Interesse, wie lange ein Pheromon unter unterschiedlichen Umweltbedingungen aktiv ist. Als inaktivierende Faktoren sind dabei sowohl physikalische Prozesse wie Diffusion und Konvektion als auch chemische Reaktionen zu berücksichtigen, die auf molekularer Ebene zu einer Modifi- zierung der zu übertragenden Information führen können. Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden die Einflüsse der Standortfaktoren Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit und Ozon-Konzentration auf die Aktivitätsdauer des Spurpheromons der Ameisenart Lasius fuliginosus LATR. detailliert untersucht (VEIT 2001). In chemisch-analyti- schen Begasungsversuchen wurde die Konzentrationsabnahme der Hauptkomponente des Spurpheromons, Mellein (3,4-Dihydro-8-hydroxy-3-Methylisocumarin), unter unterschiedlichen Versuchsbedingungen auf einem Modellsubstrat bestimmt. Anhand eines reaktionskinetischen Modells ließen sich daraus Geschwindigkeitskoeffizienten für den Rückgang der Pheromon- Konzentration in Abhängigkeit der genannten Umweltfaktoren berechnen. In einem zweiten Ansatz wurden künstliche Spuren, die aus dem Rektalblasen-Inhalt der Ameisen hergestellt und mit unterschiedlichen Ozon-Konzentrationen behandelt wurden, verhaltensbiologisch auf ihre Spurfolgeverhalten-auslösende Wirkung untersucht. Unter Berücksichtigung mikrometeorologi- scher Messungen an zwei unterschiedlichen Standorten ließ sich daraus abschätzen, welche Bedeutung den einzelnen Standortparametern für die Aktivitätsstärke und -dauer dieses Spurp- heromons zukommt. Die Begasungsversuche zeigten, dass die Pheromonmenge am Substrat mit zunehmender Versuchsdauer abnimmt. Aus dem Vergleich Ozon-begaster Pheromonproben mit Reinluft- behandelten können zwei Prozesse unterschieden werden, die für diesen Rückgang verant- wortlich sind: ein Desorptionsprozess, bei dem das Pheromon vom Substrat in die Gasphase diffundiert, und eine Oxidationsreaktion, durch die das Pheromon chemisch verändert wird, wobei mit steigendem Ozon-Gehalt der umgebenden Atmosphäre die Hauptkomponente des Spurpheromons vermehrt zu einem bislang noch unbekannten Reaktionsprodukt oxidiert wird. Den beiden Standortfaktoren Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit kommt bei beiden Vorgängen eine modifizierende Rolle zu. Sowohl ansteigende Temperaturen als auch zunehmen Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 21

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Wechselwirkungen der Standortfaktoren Temperatur, relative Luftfeuchtig- keit und Ozon-Konzentration mit dem Spurpheromon von Lasius fuliginosus. de Luftfeuchtigkeiten beschleunigen die Geschwindigkeit der Desorptionsreaktion und verringern gleichzeitig durch die Beeinflussung der Diffusionsgeschwindigkeit von Ozon in das Substrat die Geschwindigkeit der oxidativen Transformation des Pheromons am Substrat (Abb. 1). In den biologischen Verhaltensversuchen wurde der Einfluss der Ozon-Konzentration auf die Spurkommunikation von Lasius fuliginosus ermittelt. Dabei konnte bei Ozon-Konzentrationen bis 100 µg·m-3 eine verringerte Attraktivität der Ozon-begasten Spur im Vergleich zu einer Reinluft-Kontrolle beobachtet werden, wobei der Unterschied bei etwa 50 µg·m-3 am größten war. Bei weiter ansteigenden Ozon-Konzentrationen wählten die Ameisen dagegen vermehrt die Ozon-begaste Spur, woraus sich eine Zunahme der Attraktivität dieser Spur ableiten lässt. Diese verstärkte Attraktivität wird auf ein verhaltenswirksames Oxidationsprodukt einer Spurp- heromon-Komponente zurückgeführt. Unter Freilandbedingungen sind neben dem Einfluss der drei einzeln untersuchten Standortpara- meter auf die Desorptions- und Oxidationsreaktion zusätzlich die Wechselbeziehungen zwischen den drei Umweltfaktoren zu berücksichtigen, die bei den durchgeführten mikrometeorologischen Messungen ermittelt wurden (VEIT & HENNING-MÜLLER 2001). Demnach ist bei geringen Ozon-Konzentrationen aufgrund der in etwa gegenläufigen Tagesgänge von Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit an einem Standort mit einer annähernd konstanten Attraktivität der Pheromonspur von Lasius fuliginosus zu rechnen. Mit zunehmender Ozon-Konzentration, die an sonnigen, heißen Tagen besonders hoch ist und selbst in unmittelbarer Bodennähe 80 µg·m-3 betragen kann, nimmt die Attraktivität einer Pheromonspur durch die verstärkte Bildung eines verhaltenswirksamen Reaktionsprodukts vor allem in der Gasphase zu. Aufgrund der beschleu- nigten oxidativen Transformation ist aber gleichzeitig mit einem Rückgang der Aktivitätsdauer der Spur zu rechnen. Obwohl in den vorgestellten Untersuchungen bislang nur drei ausgewählte Standortfaktoren und das Spurpheromon einer Ameisenart berücksichtigt werden konnten, zeigen die vorliegenden 22 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Ergebnisse, dass insbesondere Pheromone, die aufgrund ihrer Funktion längere Zeit verschiede- nen Umweltfaktoren ausgesetzt sind, mit diesen in vielfältige Wechselwirkungen treten können. Diese Interaktionen können sowohl zu einer Inaktivierung der informationsübertragenden Substanzen als auch zur Bildung neuer, verhaltenswirksamer Verbindungen führen. Berücksich- tigt man die Unterschiedlichkeit von Standorten und die chemische Verschiedenartigkeit von Pheromonen ist mit einem breiten Spektrum von Einflussmöglichkeiten auf die chemische Kommunikation, die durch sie beeinflussten Lebensprozesse und die Ökologie einer Organismen- art zu rechnen. Literatur

KARLSON, P. & LÜSCHER, M. 1959: Pheromone. — Naturwiss. 46: 63-64 HÖLLDOBLER, B. & WILSON, E. O. 1990: The Ants. — Springer Verlag, Berlin, 732 S. VEIT, U. 2001: Bedeutung des Einflusses von Ozon in Wechselwirkung mit weiteren Umweltfaktoren für die chemische Kommunikation von Insekten. — Dissertation Univ. Hohenheim, 243 S. VEIT, U. & HENNING-MÜLLER, I. 2001: Influence of different meteorological parameters on the development of an ozone gradient between the soil surface and a level of 250 cm. — Meteorol. Z., N.F. 10: 277-282

Erkennung von Nestzugehörigkeit bei Formica paralugubris (Formicidae: Formicinae)

Max REUTER & Michel CHAPUISAT Institut d'Ecologie, Université de Lausanne, Bâtiment de Biologie, CH-1015 Lausanne

Der außerordentliche ökologische Erfolg der sozialen Hymenopteren ist ohne Zweifel auf das Vorhandensein einer sterilen Arbeiterkaste zurückzuführen. Gefördert von der Verwandtenselek- tion haben Arbeiterinnen die eigene Fortpflanzung aufgegeben und widmen sich der Aufzucht der mit ihnen verwandten Brut im mütterlichen Nest. Die Entstehung und Aufrechterhaltung eines solchen altruistischen Verhaltens setzt voraus, daß Arbeiterinnen zwischen Nestgenossen und Nicht-Nestgenossen unterscheiden können. Nur dann kommt ihr Altruismus auch wirklich verwandten Individuen zugute. Obwohl wir bei den meisten Arten sozialer Hymenopteren eine klare Diskriminierung von Nicht-Nestgenossen beobachten können, sind auch Ausnahmen bekannt. Im schweizer Jura zum Beispiel wurde eine sogenannte Superkolonie der Ameisenart Formica paralugubris beschrieben, zwischen deren mehr als tausend Nestern keinerlei ag- gressive Interaktionen festgestellt werden konnten. In der hier beschriebenen Studie wurde untersucht, ob die Erkennung von Nestgenossen sich in F. paralugubris vielleicht auf nicht-aggressive Interaktionen beschränkt. In Laborversuchen wurde der Nahrungsaustausch (Trophallaxie) zwischen Nestgenossen und Nicht-Nestgenossen beobachtet. Interessanterweise wurde festgestellt, daß der Nahrungsaustausch signifikant öfter zwischen Nicht-Nestgenossen als zwischen Nestgenossen stattfand. Die Rate des Nahrungsaustauschs wurde hingegen weder von der Entfernung zwischen den Nestern aus denen die Ameisen stammten, noch von der Zu- gehörigkeit zur Superkolonie beeinflußt. Diese Arbeit zeigt, daß die Ameisen der Art F. paralu- gubris sehr wohl zur Unterscheidung zwischen Nestgenossen und Nicht-Nestgenossen fähig sind. Warum vorzugsweise Nicht-Nestgenossen gefüttert werden, ist weniger klar. Es könnte sich hierbei um einen Mechanismus zur Übertragung von Pheromonen handeln, der im natürli- chen Kontext der Vereinheitlichung des Nestgeruchs dient. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 23

Stridulation und Stridulationsorgane bei aculeaten Hymenopteren

Gunther TSCHUCH12 & Denis BROTHERS 1Martin-Luther-Universität, Institut für Zoologie, Lehr- und Forschungsbereich Entwicklungsbiologie, Domplatz 4, 06099 Halle, [email protected] 2University of Natal, School of Botany and Zoology Pietermaritzburg, Private Bag X01, Scottsville, 3209, South Africa, e-mail: [email protected]

Stridulation wird definiert als eine Schallemission oder die Erzeugung von Vibrationen durch Reiben spezieller harter Strukturen gegeneinander. Stridulationsorgane bestehen aus einem Plectrum (zum Beispiel eine Kante), das gegen eine Pars stridens reibt (eine Struktur mit räum- lich periodischer Anordnung, zum Beispiel Borsten, Zähnchen oder ausgedehnte Rippenfelder). Strukturen, die aussehen wie Stridulationsorgane, haben sich bei aculeaten Hymenopteren mehrfach unabhängig voneinander in der Vespoidea und in wenigen Arten der Apoidea entwik- kelt. Sie treten ein- bis sechsfach auf. Die mögliche Pars stridens besteht grundsätzlich aus einem sehr regelmäßigen, breiten Rippenfeld, das sich ausschließlich auf einem Tergit oder Sternit befindet. Das vermutete Plectrum ist meist die Hinterkante des vorhergehenden Abdominalseg- ments. Die Methode der Stridulation wäre folglich fast immer adomino-abdominal. Tatsächlich beobachtet wurde die Schallerzeugung nur bei Vertretern der Familien Mutillidae und Formicidae durch eine Vielzahl von Autoren, sowie bei einem Männchen von Pterygorytes triangularis (F. SMITH, 1873) (Crabronidae) durch COOPER (1993, 1996). Im folgenden Text wird angenommen, dass es sich bei allen Strukturen um Stridulationsorgane handelt. Das Rippenfeld des Stridulationsorgans findet sich bei aculeaten Hymenopteren regelmäßig auf dem dritten, vierten oder fünften metasomalen Tergit (T) oder Sternit (S), oder gleichzeitig auf mehreren davon. Zwei Ausnahmen beschreiben MARCUS & MARCUS (1951): bei der Ameise Pogonomyrmex marcusi KUSNEZOV, 1951 soll es auf dem Postpetiolus (T2 und S2) und bei der Ameise Dorymyrmex emmaericaellus KUSNEZOV, 1951 auf dem Petiolus liegen (T1). Bei anderen Formiciden finden sich die Rippenfelder ausschließlich in der Mitte auf T3, in einigen Fällen zusätzlich mittig auf S3. Das betrifft einige Arten der Unterfamilien Ponerinae und Myrmicinae, sowie alle untersuchten Arten der Unterfamilien Pseudomyrmecinae und Notho- myrmeciinae (TAYLOR 1978, HÖLLDOBLER & WILSON 1990). Vertreter der Unterfamilie Formici- nae scheinen stridulieren zu können, obwohl deren Rippenfelder auf T3 nicht sehr regelmäßig ausgeprägt sind, sich aber deutlich von der umgebenden cuticularen Struktur unterscheiden. In der Familie Rhopalosomatidae wurde bisher bei allen untersuchten Vertreter der Gattung Olixon ein Rippenfeld medial auf T3 gefunden, während Arten der Gattung Rhopalosoma kein Stridulationsorgan besitzen. Vertreter der Mutillidae besitzen ebenfalls nur jeweils ein Rippenfeld medial auf T3. Lediglich Krombeinella nigriceps (S. SAUNDERS, 1850) (Myrmosinae) besitzt offenbar in beiden Geschlechtern kein Stridulationsorgan. Bei einer noch unbeschriebenen Art der Gattung Rhopalomutilla gibt es einen Sexualdimorphismus bezüglich des Stridulations- organs: die Männchen besitzen ein Rippenfeld auf T3, die Weibchen nicht (TSCHUCH & BROT- HERS 2000). Bei allen andern untersuchten Aculeaten gibt es Stridulationsorgane, wenn vorhan- den, grundsätzlich in beiden Geschlechtern. Wesentlich anders aufgebaut sind die Stridulationsorgane der Familie Bradynobaenidae. Die Tiere besitzen zwei dicht nebeneinander liegende (Chyphotes mojave (PATE, 1947), Chyphoti- nae) oder laterale (Typhoctinae) Rippenfelder auf T4. Die untersuchten Typhoctinen der Gattung Eoitilla haben zusätzlich Rippenfelder auf T5 (also insgesamt 4), die bei Typhoctes und Typhoc- 24 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) toides jedoch nicht gefunden werden konnten. Den Vertretern der Unterfamilien Apterogyninae und Bradynobaeninae scheinen Stridulationsorgane völlig zu fehlen. Die größte Diversität an Stridulationsorganen wurde im Tribus Gorytini der Familie Crabronidae gefunden, sonst aber bei keinem anderen Taxon der Apoidea. Einige Vertreter der Gattung Pseudoplisus haben Rippenfelder lateral an T4 und T5, teilweise zusätzlich an T3, andere Vertreter besitzen offenbar keine Stridulationsorgane. Besonders interessant sind die Stridula- tionsorgane von Argogorytes areatus (TASCHENBERG, 1875), die auf S3 und S4 liegen, und deren Rippen longitudinal (parallel zur Körperachse) ausgerichtet sind (TSCHUCH & BROTHERS 2000). Hier kann das Plectrum nicht die Kante von S2 beziehungsweise S3 sein. Eine speziali- sierte Struktur an anderen in Frage kommenden Körperstellen, zum Beispiel an den Beinen, konnte jedoch nicht gefunden werden. Die akustischen Signale der untersuchten Mutilliden bestehen aus einem breitbandigen Frequenz- gemisch, dessen Entstehung und spektrale Zusammensetzung in TSCHUCH & BROTHERS (1999) genauer beschrieben ist. Bei der Untersuchung der zeitlichen Struktur der Laute fällt insbesonde- re auf, dass es bezüglich der Variationsbreite große Unterschiede gibt. Die bisher untersuchten Arten der Unterfamilien Myrmosinae und Sphaeropthalminae können sehr unterschiedlich lange Lautpulse (Silben) erzeugen. Bei großem Stress durch Berührung erzeugen sie zunehmend kürzere Silben, die in immer rascherer Folge wiederholt werden. Die Silbenperiode kann dabei auf bis zu 1/4 des ursprünglichen Wertes verringert werden. Silben von nur noch 20 ms Breite, die etwa 17mal pro Sekunde wiederholt werden (zum Beispiel bei den beiden untersuchten Dasylabris-Arten), ergeben einen für uns Menschen völlig anders klingenden rasselnden Tonein- druck. Im Gegensatz dazu sind die Laute der untersuchten Smicromyrminae relativ einförmig. Ihre Silbenperioden liegen bei 170 ms mit Abweichungen um höchstens 40 ms. Die Lautpulse sind je 30 bis 90 ms breit. Eine Korrelation mit der Körpergröße ist in keinem Falle feststellbar. Die Abbildung zeigt die Variationsbreite der Silbenperiode (schwarze Balken) und der Pulsbreite (weißer Balken) im akustischen Signal der Weibchen folgender Mutilliden-Arten (von oben nach unten, die Zeitachse ist logarithmisch geteilt): Unterfamilie Myrmosinae: atra (PANZER), Unterfamilie Sphaeropthalminae (Tribus Sphaeropthalmini): ?Traumatomutilla spec., (Tribus Dasylabrini): Dasylabris celimene (PÉRINGUEY), Dasylabris maura (L.), Stenomutilla euridice (PÉRINGUEY), Unterfamilie Myrmillinae: Ceratotilla ?transvaalensis (ANDRÉ), Labido- milla tauriceps (KOHL), Myrmilla calva (VILLERS), Unterfamilie Mutillinae (Tribus Mutillini, Subtribus Mutillina): Mutilla marginata BAER, (Tribus Mutillini, Subtribus Smicromyrmina): Glossotilla ?liopyga lampropyga (BISCHOFF), Glossotilla suavis speculatrix (SMITH), Pristomu- tilla sp., Pseudocephalotilla beira (PÉRINGUEY), Pseudocephalotilla praedatrix (SMITH), Seriatospidia junodi (ANDRÉ), Smicromyrme rufipes (FABRICIUS) und Trogaspidia themis (PÉRINGUEY). Die Arbeiten wurden durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Ts 53/1) und durch das University of Natal Research Committee gefördert. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 25

Literatur

COOPER, M. 1993: A stridulating sphecid. — Sphecos 24: 17 COOPER, M. 1996: Addendum to note on a stridulating sphecid. — Sphecos 30: 11 HÖLLDOBLER, B. & WILSON, E. O. 1990: The ants. — Springer: Berlin, Heidelberg MARCUS, H. & MARCUS, E. E. 1951: Los nidos y los organos de estridulacion y de equilibrio de Pogonomyrmex marcusi y de Dorymyrmex emmaericaellus (KUSN.). — Folia univ. (Cochabamba, Bilivia) 5: 117-143 TAYLOR, R. W. 1978: Nothomyrmecia macrops: a living fossil ant rediscovered. — Science 201: 979-985 TSCHUCH, G. & BROTHERS, D. J. 1999: Modeling vibration and sound production in with nonresonant stridulatory organs. — J. Acoustical Soc. Amer. 106: 3706-3710 TSCHUCH, G. & BROTHERS, D. J. 2000: Stridulatory organs in solitary aculeate Hymenoptera (Insecta). — Zool. Anz. 239: 319-327

Evolutionary history deduced from alleles of the sex determining gene csd in Apis mellifera

Martin HASSELMANN & Martin BEYE Institut für Zoologie, Molekulare Ökologie, Martin Luther Universität Halle/Wittenberg, Biozentrum, Weinberg Weg 22, D-06120 Halle, [email protected]

All Hymenopteran species are characterized by an haplodiploid mode of sex determiniation. In Hymenoptera the genetic basis is understood on the genetic level that is a single locus (so called sex locus) with several complementary alleles segregating in population. Females arise from fertilized diploid eggs and are always heterozygote at the sex locus. Unfertilized eggs results in fertile haploid males which are hemizygous and have just one allele. Diploid males arise if the sex locus becomes homozygous. However, they cannot reproduce because the only can produce diploid sperm. Due to the strong selective advantage of heterozygosity, the sex locus is supposed to maintain a large number of alleles within population by balancing selection. We have isolated the primary signal of haplodiploid sex determination the gene complementary sex determiner (csd) using Apis mellifera as model system. Sequences of several alleles of csd (from Germany, USA, Brasil, South Africa) show a major impact of balancing selection on the distribution of sequence polymorphism. The gene csd shows conserved and hypervariable regions within the allelic diversity at the level of polymorphic amino acids. Our results indicate that high number of polymorphic alleles can be maintain at the sex locus. These alleles should have much longer persistence time within populations as expected under neutral model. Sequence data of csd are an appropiate tool to estimate the size of historical populations because number of alleles found in a population depends directly on population size. Including csd allele data of other Apis species, detection of bootleneck events and subsequent rediversifications of historic restricted populations could be possible. This gene will open the door to elucidate historical population processes also in other Hymenopteran species. 26 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Sozial gegen solitär - Vergleichende Beobachtungen an zwei Cerceris-Arten Korsikas (Sphecidae, Philanthinae)

Bernhard JACOBI Dieckerstr. 26, D-46047 Oberhausen

Zwei auf einer festgefahrenen Lehmpiste im nördlichen Teil Korsikas (Frankreich) gemeinsam nistende Grabwespenarten der Gattung Cerceris, C. rubida (JURINE, 1807) und C. specularis A. COSTA, 1869 (Sphecidae, Philanthinae), wurden 17 Tage lang beobachtet. Beide Arten trugen Samenkäfer (Coleoptera: Bruchidae) als Larvenfutter ein. Die Anzahl der auf einer mehrere Quadratmeter großen Probefläche befindlichen aktiven Nester, die Zahl der pro Nest aktiven Weibchen, die Perioden der Jagdaktivität und die Anzahl der pro Nest und Stunde eingetragenen Beutetiere wurde registriert. Es werden ebenfalls vergleichende Beobachtungen zu den Parasitoi- den (Diptera und Hymenoptera) mitgeteilt. Die relative Bedeutung der durch intra- bzw. inter- spezifische Konkurrenz um wiederverwendbare Nestgänge und Beute bzw. die Parasitoide ausgeübten Selektionsdrucke für die Evolution sozialer Organisationsform wird diskutiert.

Social versus solitary - comparative observations on two species of Cerceris in Corsica (Sphecidae, Philanthinae) Two species of digger wasps, nesting together in hard packed loam of a dirt road, Cerceris rubida (JURINE, 1807) and C. specularis A. COSTA, 1869 (Sphecidae, Philanthinae), have been observed for more than two weeks in northern Corsica (France). Both species preyed on seed beetles (Coleoptera: Bruchidae). Number of nests, number of female inhabitants, periods of hunting activity and numbers of prey taken to the nests have been recorded in one plot of several square meters. Besides, comparative observations on dipterous and hymenopterous parasitoids have been conducted. The relative importance of selection pressures exerted by intra- and interspecific competition for reusable nest galleries and prey and impact of parasitoids respective- ly are discussed to further attempts solving the issue of social evolution in Hymenoptera. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 27

Viele kleine oder wenige große Eier - Zusammenhänge zwischen Morphologie und Fortpflanzungsstrategien von Grabwespen

Michael OHL & Daniela LINDE Museum für Naturkunde, Institut für Systematische Zoologie, Invalidenstraße 43, D-10099 Berlin, [email protected]

Einleitung In zahlreichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Zahl der Ovariolen und die Zahl und Größe reifer Oozyten aculeater Hymenopteren taxonomische, phylogenetische und adaptive Signifikanz besitzt (IWATA 1955, 1960, 1964, 1965, 1976; IWATA & SAKAGAMI 1966; ROZEN 1986; ALEXANDER & ROZEN 1987; OHL & LINDE, im Druck). ROZEN (1987), ALEXANDER & ROZEN (1987) und OHL & LINDE (im Druck) konzentrierten sich dabei insbesondere auf klepto- parasitische Bienen- und Grabwespengruppen, also solche, die keine eigenen Nester bauen und keine eigene Beute sammeln, sondern die bereits gebauten und in der Regel bereits verprovian- tierten Nester anderer Bienen bzw. Grabwespen übernehmen. Zahlreiche verhaltensbiologische und morphologische Besonderheiten kleptoparasitischer Apoidea können als Anpassungen an die parasitische Lebensweise interpretiert werden (BOHART & MENKE 1976; ROZEN 1991; OHL 1999; MICHENER 2000). Dazu gehören das kräftig skleroti- sierte Integument und das Fehlen von Strukturen, die mit Nestbau und dem Transport der Larvennahrung assoziiert sind. IWATA (1955, 1960, 1964, 1965, 1976), IWATA & SAKAGAMI (1966), ROZEN (1986) und ALEXANDER & ROZEN (1987) konnten zeigen, dass kleptoparasiti- sche Bienen außerdem eine erhöhte Zahl kleinerer Eier als nicht-parasitische Arten besitzen. Die bislang einzige Information über die Ovarien kleptoparasitischer Grabwespen stammt von IWATA (1960; Nippononysson rufopictus). Im Rahmen dieses Projekts konnten wir etwa 200 Grab- wespen-Weibchen aus fast 70 Arten und 40 Gattungen untersuchen, die vorwiegend aus Arizona (USA) stammen.

Ergebnisse Ovariolenzahl: Nahezu alle untersuchten nicht-kleptoparasitischen Grabwespen besitzen sechs Ovariolen pro Ovar, und zwar unabhängig davon, ob sie nicht-parasitär oder pseudoparasitoid (kein Nestbau, temporäre Paralyse, Beute erholt sich nach Eiablage, z.B. Chlorion) sind. Sechs Ovariolen scheint der plesiomorphe Merkmalszustand innerhalb der Apoidea zu sein. Alle kleptoparasitischen Grabwespen besitzen eine erhöhte Zahl von acht Ovariolen, was der Situation bei kleptoparasitischen Bienen entspricht. Wahrscheinlich wird so die Gesamtzahl an Eiern erhöht, die ein Weibchen insgesamt in seinem Leben ablegen kann. Anzahl reifer Eier: Kleptoparasiten und Pseudoparasitoide besitzen signifikant mehr reife Eier zu einem gegebenen Zeitpunkt als nicht-parasitische Arten. Es ist anzunehmen, dass dies eine Anpassung an die knappe Ressource eines geeigneten Wirtsnest ist. Während nicht-parasitische Weibchen zuerst ein oft multizelluläres Nest bauen, das sie verproviantieren und mit Eiern belegen, muss ein parasitisches Weibchen erst ein Wirtsnest oder eine Wirtsnestaggregation finden, um dann schnell ein oder mehrere Eiere abzulegen. Pseudoparasitoide wie Chlorion und Larra besitzen zwar nur sechs Ovariolen, haben aber die höchste Zahl reifer Eier (bis zu 21). Die geringste Zahl reifer Eier zu einem gegebenen Zeitpunkt, aber auch über die gesamte Lebens- spanne besitzen Arten der Gattung Bembix, die ihre Nester progressiv verproviantieren, also das höchste Maß elterlicher Investitionen unter den untersuchten Arten zeigen. 28 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Eigröße: Die reifen Oozyten parasitischer Grabwespen sind signifikant kleiner als die nicht-parasitischer Arten. Auch dieses Ergebnis entspricht den Beobachtungen bei kleptoparasiti- schen Bienen (IWATA & SAKAGAMI, 1966; ALEXANDER & ROZEN, 1987).

Diskussion Die Zahl von Ovariolen und die Zahl und Größe reifer Oozyten einer weiblichen Wespe kann als Maß elterlicher Investitionen dienen (O'NEILL, 2001). Kleptoparasitische Grabwespen zeigen den geringsten elterlichen Aufwand, während nestbauende Arten mit einer hohen Vielfalt unter- schiedlicher Strategien signifikant höhere durchschnittliche Investitionen aufweisen. Grundsätzlich kann vorhergesagt werden, dass eine erhöhte Investition pro Nachkommen in einer Abnahme der Gesamtnachkommenzahl resultiert (ROFF, 1992). Diese generelle Aussage impliziert ähnliche Aussagen über Ovariolenzahl, Eizahl und -größe bei Grabwespen: Weibchen mit einem niedrigeren Maß elterlicher Investitionen sollten eine größere Zahl allerdings kleiner Eier besitzen als solche mit einem höheren Investitionsaufwand. Die vorliegenden Untersuchun- gen konnten diese Vorhersagen bei Grabwespen bestätigen. Die Arten mit dem geringsten elterlichen Aufwand (Pseudoparasitoide und Kleptoparasiten) besitzen in der Tat die höchste Zahl reifer Eier, welche zudem noch signifikant kleiner sind. Eine Erhöhung der Gesamteizahl wird auf zwei verschiedenen Wegen erreicht: Kleptoparasiten besitzen eine höhere Zahl an Ovariolen, während Pseudoparasitoide bei plesiomorpher Ovariolenzahl zu einem gegebenen Zeitpunkt eine höhere Zahl reifer Eier aufweisen.

Literatur

ALEXANDER, B. A. & J. G. ROZEN JR. 1987: Ovaries, ovarioles, and oocytes in parasitic bees. — Pan-Pacific Ent. 63: 155-164 BOHART, R. M. & A. S. MENKE 1976: Sphecid wasps of the World. A generic revision. — Univ. California Press; Berkeley, Los Angeles, London; ix+695 S. IWATA, K. 1955: The comparative anatomy of the ovary in Hymenoptera. Part I. Aculeata. — Mushi 29: 17-34, Taf. 2-3 IWATA, K. 1960: The comparative anatomy of the ovary in Hymenoptera. Supplement on Aculeata with descriptions of ovarian eggs in certain species. — Acta Hym. 1: 205-211, Taf. 15 IWATA, K. 1964: Egg gigantism in subsocial Hymenoptera, with ethological discussion on tropical bamboo carpenter bees. — Nat. Life Southeast Asia 3: 399-435 IWATA, K. 1965: The comparative anatomy of the ovary in Hymenoptera. (Records on 64 species of Aculeata in Thailand with descriptions of ovarian eggs). — Mushi 38: 101-109, Taf. 9-10 IWATA, K. 1976: Evolution of Instinct. Comparative Ethology of Hymenoptera. — Amerind Publishing Co.; New Delhi, Bombay, Calcutta, New York; ix + 535 S. IWATA, K. & S. F. SAKAGAMI 1966. Gigantism and dwarfism in bee eggs in relation to the modes of life, with notes on the number of ovarioles. — Jap. J. Ecol. 16: 4-16 MICHENER, C. D. 2000: The bees of the World. — John Hopkins University Press; Baltimore, Maryland; xiv + [1] + 913 S. OHL, M. 1999. A revision of Stizoides GUÉRIN-MÉNEVILLE, 1844: taxonomy, phylogenetic relationships, biogeography, and evolution (Hymenoptera: Apoidea: „Sphecidae“). — Mitt. Mus. Nat.kd. Berlin, Zool. R. 75: 63-169 OHL, M. & D. LINDE, im Druck: Ovaries, ovarioles, and oocytes in apoid wasps, with special reference to cleptoparasitic species (Hymenoptera: Apoidea, „Sphecidae“). — J. Kansas Ent. Soc. O'NEILL, K. M. 2001: Solitary wasps: Behavior and Natural History. — Cornell University Press; Ithaca, London; xiii + 406 S. ROFF, D. A. 1992: The Evolution of Life Histories: Theory and Analysis. — Chapman & Hall; New York, London; xii + 535 S. ROZEN, J. G., JR. 1986: Survey of the number of ovarioles in various taxa of bees (Hymenoptera: Apoidea). — Proc. Ent. Soc. Washington 88: 707-710 ROZEN, J. G., JR. 1991. Evolution of cleptoparasitism in anthophorid bees as revealed by their mode of parasitism and first instars (Hymenoptera: Apoidea). — Amer. Mus. Novitates 3029: 36 S. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 29

Populationsdynamik, Reproduktions- und Parasitierungsrate der solitären Biene Andrena vaga (Apidae)

Inge BISCHOFF Zoologisches Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig Adenauerallee 160, D-53113 Bonn, [email protected]

Die Evolution setzt in Form von Selektion auf der Ebene der Individuen an. Die Kenntnis der Populationsbiologie einer Art ist daher eine entscheidende Voraussetzung, um evolutive und ökologische Vorgänge zu verstehen. Auch die Habitatqualität in unserer durch menschliche Eingriffe stark veränderten Umwelt muß an der Zukunftssicherung der Population gemessen werden. Damit sind nicht nur Vorkommen einer Art von Bedeutung, sondern auch Dichte, Nachkommenproduktion und Überleben der einzelnen Individuen (VAN HORNE 1983). Das Aussterben von Arten vollzieht sich über das lokale Erlöschen einzelner Populationen. Die Kenntnis populationsökologischer und populationsgenetischer Zusammenhänge wird damit zu einem zentralen Anliegen des Naturschutzes und der Naturschutzpolitik (MADER 1990). Hierbei ist festzustellen, ob die im untersuchten Habitat lebende Population Verbindung zu einer anderen Population hat und somit Teil einer Metapopulation ist. Das Konzept der Metapopulation betrachtet die räumliche Organisation einer Art in einem Netz lokaler Populationen, die in einem Gleichgewicht von Aussterben und Wiederbesiedlung stehen, und einen geringen Vernetzungs- grad durch migrierende und koloniegründende Individuen aufweisen (LEVINS 1970, HANSKI 1989, OLIVIERI et al. 1990, HANSKI & GILPIN 1991). Für Maßnahmen des Arten- und Biotop- schutzes ist es entscheidend zu wissen, wie groß lokale Populationen einer Art sein müssen, um ihren Erhalt mittel- und langfristig zu sichern. Im Gegensatz zu anderen Insektengruppen wie Käfern, Heuschrecken und Schmetterlingen, liegen nur wenige Untersuchungen zur Populationsdynamik aculeater Hymenopteren vor. Bei vielen Arbeiten über Wildbienen handelt es sich um faunistische Erhebungen, die zwar wichtiges Datenmaterial liefern, jedoch wenig längerfristige Aussagen über die Populationsdynamik gefährdeter Arten zulassen. Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Schätzung der Populationsgröße der solitären Sandbiene Andrena vaga PANZER, 1799 über einen Zeitraum von drei Vegetationsperioden. Die Untersuchung erfolgte in der Wahner Heide, einem Truppenübungsplatz und Naturschutzgebiet bei Köln. Die untersuchte Art bildet auf Binnendünen innerhalb des Untersuchungsgebietes zahlreiche Nistaggregationen. Weiterhin sollten Migrationen und Austausch von Individuen zwischen verschiedenen Aggregationen untersucht werden. Die spezifische Kuckucksbiene Nomada lathburiana (KIRBY, 1802) und der Wollschweber Bombylius major (LINNEAUS, 1758) (Diptera, Bombyliidae) wurden ebenfalls erfasst. Mit Hilfe von Nestausgrabungen sollten Daten zum Geschlechterverhältnis, zur Reproduktions- und Parasitierungsrate gewonnen werden. Für die Berechnungen der täglichen Populationsgröße wurde das Basismodell von JOLLY-SEBER für offene Populationen mit zeitabhängigen Überlebens- und Fangwahrscheinlichkeiten verwen- det (BEGON 1979, JOLLY 1965, SEBER 1965). Die zuverlässigsten Daten für die Populations- größenschätzungen einer Nistaggregation der Weibchen von A. vaga ergaben sich für das Jahr 1997 mit der höchsten Stichprobenzahl (k = 20) und den höchsten mittleren Fangwahrscheinlich- keiten. Die Populationsentwicklung stieg in jenem Jahr zu Beginn der Saison von 25 Individuen auf maximal 319 Individuen Ende März und verringerte sich dann langsam wieder auf 114 30 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Individuen. Die mittlere tägliche Populationsgröße im Jahr 1997 entsprach mit 160 Weibchen ziemlich genau der Anzahl der in der Aggregation markierten Nester. Insgesamt dokumentieren die Ergebnisse den Zusammenbruch einer Teilpopulation von A. vaga im Verlauf von drei Jahren. Einer der möglichen Ursachen für den Populationsrückgang könnte die Zunahme der Wollschweber sein. Das Geschlechterverhältnis von A. vaga war entgegen der nach FISHER (1930) erwarteten höheren Anzahl an Männchen zugunsten der Weibchen verschoben. Dieses könnte durch eine lokale Paarungskonkurrenz der Männchen bei Paarungen innerhalb des Nestes bedingt sein (vgl. HAMILTON 1967, PAXTON & TENGÖ 1996, PAXTON et al. 1999, MOHRA et al. 2001). Weiterhin zeigen die Ergebnisse der Fang-Wiederfang-Studie, dass bis zu 50 % aller markierten Weibchen von A. vaga zu Beginn der Saison abwanderten oder starben. Die ab- wandernden Weibchen kolonisieren wahrscheinlich Flächen in größerer Entfernung (mehr als 500 m) von ihrer Geburtsaggregation. Dieses Verhalten kann als Strategie gegen eine zunehmende Parasitierung interpretiert werden. Weiterhin hat wahrscheinlich der ursprüngliche Lebensraum mit schnell veränderlichen Habitaten einen Einfluß auf die Entwicklung einer solchen Besied- lungsstratgie gehabt. Die Männchen und die in der Aggregation verbleibenden Weibchen verhal- ten sich dagegen sehr ortstreu. Als Gründe für die Ortstreue und die damit verknüpfte Ag- gregationsbildung deuten die Ergebnisse auf eine Zeit -und Energieeinsparung der Weibchen durch den Wegfall einer Nistplatzsuche und die Wiederverwendung alter Nester bzw. Gänge hin (vgl. BISCHOFF 2001). Die Ergebnisse der Nestausgrabungen zeigen eine hohe Parasitierungsrate von 40-100% und ergeben zusammen mit Literaturdaten eine Reproduktionsrate von 2-5 fortpflanzungsfähigen Nachkommen pro Weibchen.

Literatur

BEGON, M. 1979: Investigating abundance: capture-recapture for biologists. — Edward Arnold, London BISCHOFF, I. 2001: Populationsdynamik, Sammelstrategie und Nisthabitatwahl ausgewählter Wildbienen (Hymenoptera, Apidae) in der Wahner Heide (Rheinland). — Shaker Verlag, Aachen FISCHER, R.A. 1930: The genetical theory of natural selection. — Clarendon Press, Oxford HANSKI, I. 1989: Metapopulation dynamics: does it help to have more of the same? — Trends Ecol. Evol. 4: 113-114 HAMILTON, W.D. 1967: Extraordinary sex ratios. — Science 156: 477-488 HANSKI, I. & GILPIN, M. 1991: Metapopulation dynamics: brief history an conceptual domain. — Biol. J. Linnean Soc. 42: 17-38 JOLLY, G.M. 1965: Explicit estimates from capture-recapture data with both death and immigration-stochastic model. — Biometrika 52: 225-247 LEVINS, R. 1970: Extinction. Some mathematical questions in biology. (ed. by M. Gertenhaber). — Procindence, Rhode Island MOHRA, C.; FELLENDORF, M. & PAXTON, R. 2001: Microsatellite analysis of the population genetic structure of Andrena vaga, a solitary bee that nests in aggregations. — Proc. JUSSI, September 2001 OLIVIERI, I.; D. COUVET & P.-H. GOUYON 1990: The genetics of transient populations: research at the metapopulation level. — Trends Ecol. Evol. 5: 207-210 PAXTON, R.J. & TENGÖ, J. 1996: Intranidal mating, emergence and sex ratio in a communal bee Andrena jacobi PERKINS, 1921 (Hymenoptera: Andrenidae). — J. Ins. Behavior 9: 421-440 PAXTON, R.J.; GIOVANETTI, M.; ANDRIETTI, F.; SCAMONI, E. & SCANNI, B. 1999: Mating in a communal bee, Andrena agilissima (Hymenoptera, Andrenidae). — Ethol. Ecol. & Evol. 11: 371-382 SEBER, G.A.F. 1965: A note on the multiple-recapture census. — Biometrika 52: 249-259 VAN HORNE, B. 1983: Density as a misleading indicator of habitat quality. — J. Wildlife Manag. 47: 893-901 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 31

Strategien der mütterlichen Investition bei der Roten Mauerbiene Osmia rufa (syn.: O. bicornis) (Megachilidae)

Karsten SEIDELMANN Martin-Luther-Universität Halle, Institut für Zoologie, Domplatz 4, D-06099 Halle (S.), [email protected]

Die Weibchen von nestbauenden, solitären Hymenopteren wie Grabwespen oder Wildbienen haben die Möglichkeit, die mütterliche Investition hinsichtlich der Größe und des Geschlechts der Nachkommen gezielt zu steuern. Die Größe eines Nachkommens wird durch die Menge des von der Mutter zur Verfügung gestellten Proviants (Beutetiere bzw. Pollen und Nektar) festgelegt, das Geschlecht durch die Befruchtung oder Nichtbefruchtung des abgelegten Eies (Tochter bzw. Sohn). Da die Lebensarbeitsleistung eines Weibchens begrenzt ist und die Fitness eines Nach- kommens geschlechterspezifisch von seiner Körpergröße abhängt, müssen die Mütter sowohl die Anzahl gegen die Größe ihrer Nachkommen als auch das Geschlechterverhältnis ihres gesamten Nachwuchses ausbalancieren. Gleichzeitig haben sie dabei ihre mit dem Alter abnehmende Leistungsfähigkeit und die Gefahr der Parasitierung offener Brutzellen durch Kleptoparasiten und Parasitoide zu berücksichtigen. Bei der Roten Mauerbiene (Osmia rufa) wurde untersucht, welche Strategien die Weibchen bei der Ausrichtung ihrer mütterlichen Investition verfolgen. Die beobachteten Veränderungen in der Körpergröße und im Geschlechterverhältnis der Nachkommen im Verlaufe einer Nistsaison können als Optimierungs-Strategie vor dem Hintergrund einer sinkenden körperlichen Leistungs- fähigkeit und eines zeitabhängigen Risikos der Parasitierung offener, in Verproviantierung befindlicher Brutzellen erklärt werden. Dazu wurde ein mathematisches Modell zur Schätzung des relativen Fitnessgewinns aus den Investitionseinheiten der Weibchen in Abhängigkeit von der Verproviantierungs-Effizienz und dem Parasitierungsrisiko entwickelt. Die vergleichende Betrachtung unterschiedlicher Investitionsstrategien demonstriert, dass die beobachteten Muster der mütterlichen Investition tatsächlich den höchsten relativen Fitnessgewinn erbringen und das Risiko einer Parasitierung der offenen Brutzellen minimieren. 32 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Bombus pascuorum - eine besonders erfolgreiche Hummel: Untersuchungen zur Volksentwicklung und Kastendetermination

Klaus REUTER & Karl-Heinz SCHWAMMBERGER Ruhr Universität Bochum, Fakultät für Biologie, Lehrstuhl für Spezielle Zoologie D-44780 Bochum, [email protected], [email protected]

Untersuchungen zur Volksentwicklung und zur Kastendetermination wurden bisher vorwiegend an pollenstorer Arten durchgeführt. Bombus pascuorum ist eine pocket maker Art, die dadurch auffällt, dass die Volksentwicklung einen extrem langen Zyklus aufweist und über diesen Zeit- raum Geschlechtstiere beobachtet werden konnten. Erste Untersuchungen an freifliegenden Völkern zeigten, dass die Geschlechtstierproduktion in mehreren Phasen verläuft, und von anderen bisher untersuchten Hummelarten vollkommen abweicht (vgl. Abb.1). An sieben Völkern von B. pascuorum wurden erstmalig unter Freilandbedingungen drei Verfah- ren zur Überprüfung der Hypothese getestet, ob die Produktion von Königinnen ausschließlich mit der Quantität der Larvenfütterung korreliert.. Dabei wurden allen Völkern frisch geschlüpfte Geschlechtstiere entnommen, um eine Nahrungskonkurrenz zu den Larven zu vermeiden. Bei zwei Völkern war diese Entnahme die einzige Manipulation. Die Larven zweier weiterer Völker wurden mit frisch aufgetauten Pollenhöschen von Bienen experimentell gefüttert. Ein modifizier- tes Futter - der Pollen wurde hier mit Zuckerlösung angereichert - wurde den Larven von drei zusätzlichen Völkern appliziert. Die Eigenfütterung durch die Sammlerinnen, die experimentelle Zufütterung und die Produktion der unterschiedlichen Kasten konnte bei 122 Brutklumpen überprüft werden. Die Auswertung der Fütterungsfrequenzen aller beobachteten Völker ergab deutlich, dass die Larven von Köni- ginnen durchschnittlich öfter mit Pollen versorgt werden als Arbeiterinnen-Larven. Arbeiterinnen entstanden bei Frequenzen von 0,45 Fütterungen pro Stunde und Tag [Fütt/h/d], Königinnen hingegen im Mittel erst bei 0,84 Fütt/h/d. Somit zeigte sich ein Verhältnis von 1:1,84 zu Gunsten der Königinnen-Larven. Bei der prozentualen Berechnung der Kastenproduktion in Abhängigkeit von der Fütterungs- frequenz wurden bei <0,5 Fütt/h/d zu 75% Arbeiterinnen produziert. 59% Königinnen ent- standen aus Brutklumpen, deren Larven 0,7 -0,8 Fütt/h/d erhielten, und ab einer Frequenz von >1,2 Fütt/h/d entstanden mit einer Ausnahme nur noch Königinnen. Die Larven von 42 Brut- klumpen wurden in unterschiedlichen Intervallen experimentell mit Pollen gefüttert. Bezogen auf den Anteil der Eigenfütterung durch die Sammlerinnen, lag die Menge der Zufütterungen zwischen 28 und 100%. Dabei konnten experimentelle Fütterungsfrequenzen von bis zu 0,88 Fütt/h/d erreicht werden.(vergl. Abb. 2) Die experimentelle Fütterung der Larven zeigte eine klare, von der Quantität der Futtermenge abhängige Produktion von Königinnen. Fütterungs- frequenzen von <0,4 Fütt/h/d führten zu 82% zur Produktion von Arbeiterinnen. Zwischen 0,4 und 0,8 Fütt/h/d entstanden zu 52,6% Arbeiterinnen und zu 47,4% Königinnen. Über 0,8 Fütt/h/d entwickelten sich aus den Larven zu 83,3% Königinnen. Da bei der speziellen Betrachtung der Zufütterungen ab einer Frequenz >0,5 Fütt/h/d mit einer Ausnahme nur noch Königinnen produziert wurden, liegt ein fütterungsabhängiger Schwellen- wert zur Produktion von Königinnen nahe. Durch die Analyse der Volksentwicklungen und der Schlupfdaten der Königinnen aller Völker konnten weitere Befunde zur langanhaltenden Königinnen-Produktion erzielt werden. Es wurden bis zu drei aufeinanderfolgende Phasen ermittelt. In einer Frühsommer-Phase schlüpften 12,5% Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 33 der Königinnen, in der Hauptphase, der eine weitere Arbeiterinnenproduktion voranging, 74,3% der Jungköniginnen und abschließend in einer Spät-Phase nochmals 13,2%. Das Ergebnis führt zu der Annahme, dass bei B. pascuorum im Gegensatz zu den bisher bekannten einheimischen Hummelarten keine terminale, sondern in Phasen verlaufende Königinnen-Produktion vorliegt. Die Auswertung der Sammelaktivität der Völker zeigte bei der Königinnen-Produktion, dass sowohl das Larven-Sammlerinnen-Verhältnis als auch das Verhältnis von Larven zur maximalen Pollenflugzahl pro Stunde [max. Pollenflüge/h] gegenüber der Arbeiterinnen-Produktion dreifach erhöht vorliegen muss. Im Mittel setzte die Königinnen-Produktion ein, wenn einer Larve 1,3 Sammlerinnen gegenüber standen und eine Sammelfrequenz von 1,06 Pollenflügen/h erreicht wurde. Arbeiterinnen entwickelten sich bei einem Verhältnis von Larven zu Sammlerinnen von 1:0,46 und zu max. Pollenflügen/h von 1:0,33. Durch die experimentelle Fütterung der Larven und die unterschiedliche Qualität des verfütterten Pollens zeigten sich sowohl Auswirkungen auf das Verhältnis von Hausarbeiterinnen zu Samm- lerinnen als auch auf das Verhältnis von Pollen- zu Nektarflügen. Bei den nicht experimentell gefütterten Völkern lag die maximale Anzahl der Sammlerinnen bei 84%, wohingegen bei den gefütterten Völkern überwiegend unter 50% der Sammlerinnen ausflogen. Die insgesamt 4006 aufgezeichneten Nahrungsflüge unterteilten sich in 2501 Pollenflüge und 1505 Nektarflüge. Nicht gefütterte und mit Pollenteig gefütterte Völker wiesen dabei einen Anteil von 73 bzw. 71% Pollenflügen auf. Bei den mit Pollenhöschen gefütterten Völkern sank die prozentuale Anzahl der Pollenflüge auf durchschnittlich 38,7 %. Durch die Aussiedlung und Fütterung der frisch ge- schlüpften Geschlechtstiere wurde zudem deutlich, das bei natürlichen Völkern die Nahrungs- konkurrenz zu den Larven einen nicht zu vernachlässigenden Faktor darstellt. Es konnte ein maximaler Pollenverbrauch pro Geschlechtstier und Tag von 0,046 Gramm und ein Mittelwert von 0,024 Gramm Pollenteig pro Tag ermittelt werden.

Literatur

ALFORD, D.V. 1970: The production of adults in incipient colonies of Bombus agrorum (F.) (Bombus: Bombidae). — Proc. R. Ent. Soc. 45: 6-13 ALFORD, D.V. 1975: Bumblbees. — Davies-Poyntner, London: 352 pp BRIAN, A.D. 1951: Brood development in Bombus agrorum (Hym., Bombidae ). — Ent. Mon. Mag. 87: 207-212 DOORN VAN, A. & HERINGA, J. 1986: The ontogeny of a dominance hierachy in colonies of the bumblebee Bombus terrestris (Hym. Apidea ). — Ins. sociaux 33(1): 3-25 DUCHATEAU M.J. 1991: Regulation of colony development in bumblebees. — Acta Hort. 288: 139-143 PEREBOOM, J.J.M. 1995: Ernährung der Larven bei Bombus terrestris in Beziehung zur Kastendetermination. — Apidologie 26(5): 346-347 REUTER, K.; SCHWAMMBERGER, K.-H. & HOFMANN, D.K. 1994: Volksentwicklung und Sammelverhalten von Bombus pascuorum [Scopoli] (Bombus, Apidae). — Z. ang. Zool 80(3): 261-277 RIBEIRO, M.F. 1996: Feeding frequency in bumble bee larvae. — Proc. XX. Int. Congr. Ent., Firenze 13-056, 810 S. RÖSELER, P.F. & RÖSELER, I. 1974: Morphologische und physiologische Differenzierung der Kasten bei den Hummel- arten Bombus hypnorum (L.) und Bombus terrestris (L.). — Zool. Jb. Physiol. 78: 175-198 SHYKOFF, J.A. & MÜLLER, C.B. 1995: Reproduktive decisions in bumble-bee colonies. — Functional Ecol. 3(1) 34 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Abbildung 1. Volk 6/97 Schlupfdaten der unterschiedlichen Kasten.

Abbildung 2. Prozentuale Verteilung der Fütterungen / h / d bei experimentell gefütterten Larven. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 35

Diversität von Hummeln auf Magerrasen (Mesobromion) der Kalkeifel (Apidae, Bombus)

Volker MAUSS12 & Matthias SCHINDLER 1Staatliches Museum für Naturkunde, Abteilung Entomologie Rosenstein 1, D-70191 Stuttgart, [email protected] 2Institut für Landwirtschaftliche Zoologie und Bienenkunde, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Melbweg 42, D-53127 Bonn, [email protected]

Die Kenntnisse über die Verbreitung und Ökologie vieler mitteleuropäischer Hummelarten sind überraschend gering. Angaben zu ihrer Habitatbindung beruhen bislang überwiegend auf un- systematisch erhobenen, faunistischen Aufsammlungen, während systematische Untersuchungen zur Hummelzönose einzelner Biotoptypen weitgehend fehlen. Ziel unserer Untersuchungen war es, die Hummelzönose auf Magerrasen in der Kalkeifel systematisch qualitativ und quantitativ zu erfassen. Die Untersuchungen wurden auf 12 Magerrasen im Bereich der Dollendorfer Kalkmulde in der Eifel (Nordrhein-Westfalen, Kreis Euskirchen) in den Jahren 1998, 1999 und 2001 jeweils synchron in Form von Stichtagsaufsammlungen durchgeführt (MAUSS & SCHINDLER im Druck). Dabei wurden 13 Arten festgestellt. Es dominieren euryök-hylophile und hypereuryök-interme- diäre Arten. Der Anteil der eremophilen Arten an der Gesamtartenzahl macht ca. 40% aus, ihr Anteil an der Gesamtindividuenzahl beträgt 15% (n = 575). Das festgestellte Spektrum der sozialen Hummelarten ähnelt dem von Magerrasen der Ober- rheinebene (STEFFNY et al. 1984) bzw. des Alpenostrandes in Niederösterreich (FARNBERGER & PAULUS 1996). Eine Besonderheit in der Kalkeifel ist das regelmäßige Vorkommen von B. soroeensis. Dieses könnte auf die Höhenlage zurückzuführen sein (vgl. SCHWENNINGER 1996, TREIBER 1998, HÖREGOTT 1998, MAUSS et al. 2000). Auch die geringe Aktivitätsdichte von B. terrestris auf den Magerrasen der Eifel ist vermutlich durch die Höhenlage bedingt. Bombus ruderarius und B. sylvarum wurden auf mehr als zwei Drittel der Flächen festgestellt, ihre Aktivitätsdichte ist aber niedrig. Beide wurden bislang in Nordrhein-Westfalen selten nach- gewiesen (vgl. REINIG 1976). Bombus humilis konnte als einzige Art nur in einem Jahr nach- gewiesen werden. Der Dominanzanteil von Nahbereichsammlern ist auf den Magerrasen der Kalkeifel, ähnlich wie in Taubergießen, mit über 50 % relativ hoch. Diese Hummelarten sind in hohem Maße als indigen einzustufen, da sie Pollen und Nektar in der Nähe ihrer Nester sammeln. Magerrasen bieten häufig ein kleinräumiges Mosaik zahlreicher Blütenpflanzen, das für diese Arten über den gesamten Aktivitätszeitraum eine ausreichende Nahrungsquelle darstellt. Dementsprechend treten sie im Wirtschaftsgrünland oder in ackerbaulich geprägten Offenlandhabitaten deutlich zurück. Die nach WESTRICH et al. (1998) bundesweit gefährdeten, bzw. auf der Vorwarnliste befindlichen Arten sind sämtlich eremophile Nahbereichsammler. Artenzahl, Aktivitätsdichte und Diversität von Hummeln auf den Untersuchungsflächen sind positiv mit der Blütendichte korreliert. Die Dominanz eremophiler Arten steigt mit zunehmender Flächengröße. 36 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Literatur

FARNBERGER, C. & PAULUS, H.F. 1996: Hummelgemeinschaften und Blumengesellschaften am Eichkogel in Nieder- österreich (Hymenoptera, Apoidea). — Linzer biol. Beitr. 28: 1083-1116 HÖREGOTT, H. 1998: Kritische Anmerkungen zur Verbreitung einiger Hummelarten (Bombus distinguendus MORAWITZ, B. muscorum LINNÉ, B. pomorum PANZER, B. ruderatus FABRICIUS, B. soroeensis FABRICIUS, B. subterraneus LINNÉ) in Rheinland-Pfalz. — Bembix 10: 11-14 MAUSS, V. & SCHINDLER, M. im Druck: Hummeln (Hymenoptera, Apidae, BOMBUS) auf Magerrasen (Mesobromion) der Kalkeifel: Diversität, Schutzwürdigkeit und Hinweise zur Biotoppflege. — Natur und Landschaft MAUSS, V.; SCHRÖDER, S. & BOTTA, C. 2000: Untersuchungen zur Höhenverbreitung von Hummeln und sozialen Faltenwespen im Arbergebiet des Bayerischen Waldes mit Anmerkungen zum Vorkommen solitärer Stechim- menarten (Hymenoptera: „Sphecidae“, Apidae, Pompilidae, Vespidae). — Nachrbl. bayer. Entomologen 49: 71-79 REINIG, W.F. 1976: Über Hummeln und Schmarotzerhummeln von Nordrhein-Westfalen (Hymenoptera, Bombidae). — Bonner zool. Beitr. 27: 267-299 SCHWENNINGER, H. R. 1997: Zur Verbreitung und Bestandsentwicklung der Hummelarten Bombus distinguendus, B. soroeensis, B. veteranus und B. wurfleinii (Hymenoptera, Apidae) in Baden-Württemberg. — Mitt. ent. V. Stuttgart 32: 42-53 STEFFNY, H.; KRATOCHWIL, A. & WOLF, A. 1984: Zur Bedeutung verschiedener Rasengesellschaften für Schmetterlinge (Rhopalocera, Hesperiidae, Zygaenidae) und Hummeln (Apidae, Bombus) im Naturschutzgebiet Taubergießen (Oberrheinebene). — Natur und Landschaft 59: 435-443 TREIBER, R. 1998: Verbreitung und Ökologie der Hummeln (Hymenoptera: Apidae) im Landkreis Freudenstadt (Baden-Württemberg). — Mitt. bad. Landersver. Naturkd. Natursch. N.F. 17: 155-180 WESTRICH, P., SCHWENNINGER, H.R., DATHE, H.H., RIEMANN, H., SAURE, C., VOITH, J. & WEBER, K. 1998: Rote Liste der Bienen (Hymenoptera: Apidae). In Bundesamt für Naturschutz (Eds.): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. — Schr.-R. Landschaftspfl. Natursch. 55: 119-129

Wie gross sind lokale Bienenpopulationen? Fang-Wiederfang-Studien an Osmia adunca und Macropis fulvipes

Peter HARTMANN, Stefan DÖTTERL, Luis SCHEUERMAN & Martin BITTERLING Lehrstuhl für Tierökologie I, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth

Fang-Wiederfangstudien (engl. „mark-release-recapture studies“ (MRR)) bieten in der ökologi- schen Freilandforschung oftmals die einzige Möglichkeit, bei mobilen und individuenreichen Insektenarten zu vertrauenswürdigen Schätzungen der Populationsgröße und anderer Popula- tionsparameter zu gelangen. Weiterentwicklungen der dazugehörigen statistischen Berechnungs- verfahren führten vor allem bei Tagfaltern, aber auch bei Heuschrecken, Libellen oder Laufkäfern zu einer steigenden Zahl an Publikationen. Quantitative Angaben zu Populationen aculeater Hymenopteren und speziell von Bienen sind ausgesprochen rar. Dabei werden solche Daten gerade im angewandten Bereich z.B. im Naturschutzes angesichts fortschreitender Landschafts- fragmentierung z.B. bei Gefährdungsgradanalysen von ± stark isolierter Populationen oder bei Abschätzungen von Mindestpopulations-größen dringend benötigt. Unsere Untersuchungen fanden 2000 und 2001 im Ökologisch-Botanischen Garten der Uni- versität Bayreuth statt. Wir wollten wissen, wie gross die Populationen einiger der dort vor- kommenden Bienenarten eigentlich sind. Da die Ergebnisse von MRR-Studien entscheidend von möglichst hohen Rückfangquoten abhängen, wählten wir oligolektische Bienenarten aus (Osmia adunca an Echium spp. und Macropis fulvipes an Lysimachia spp.), da durch deren Bindung an ihre Pollenpflanzen eine hohe Wiederfangrate am ehesten zu erwarten war. Die Einzelindividuen Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 37 wurden während der gesamten Flugzeit der Arten an den verschiedenen Standorten ihrer Blüten- pflanzen gefangen, individuell markiert und protokolliert. Zur Markierung verwendeten wir handelsübliche Markierungssets aus der Imkerei mit nummerierten Aufklebeplättchen in fünf verschiedenen Farben, die wir auf die Grössenverhältnisse der Wildbienen zurechtschnitten. Von Osmia adunca wurden 229 Individuen markiert. Die Tagespopulationswerte stiegen vom 1.-14.6. zum Höchstand auf 120±20 Individuen an, um dann bis Ende Juli/Anfang August stetig abzunehmen. In der Population dominierten die Weibchen (74,2 % Weibchen, 25,8 % Männ- chen). Die Rückfangqoten waren hoch (bei Weibchen 80 %, bei den Männchen 66 %). O. adunca erwies sich in beiden Geschlechtern als ausgesprochen ortstreu, gute Echium-Plätze wurden kaum gegen andere getauscht. Die nach unseren Daten ermittelte mittlere Mindestlebens- dauer beträgt für Männchen 7, für Weibchen 18 Tage (maximale Lebensdauer eines Weibchens 78 Tage, bei Männchen 23 Tage). Von Macropis fulvipes wurden 2001 insgesamt 384 Individuen markiert. Das Geschlechter- verhältnis war 2001 nahezu ausgeglichen: 54,7 % Männchen, 45,3 % Weibchen (im Jahr 2000 nur 32 % Weibchen). Die durchschnittliche Mindestlebensdauer der Männchen von M. fulvipes betrug 7, die der Weibchen 8,3 Tage. Die Wiederfangraten waren niedriger als bei O. adunca: bei den Männchen 57,1 %, bei den Weibchen 39,1 %. Während die Männchen 2001 schon beim Aufblühen von Lysimachia (24.6-6.7.) in höchster Individuendichte (Tagespopulationswerte von ca. 80-120 Individuen) vertreten waren, erreichten die Weibchen mit einigen Tagen Verzögerung ihre höchsten Dichten (1. Julihälfte: ca. 80-160 Individuen). Während die Männchen sich offensichtlich auf einzelne Blütenstände einfliegen und dann recht ortstreu bleiben, vagabundieren die Weibchen stärker zwischen den einzelnen Lysimachia-Beständen hin und her. Unsere Untersuchungen zeigen, daß die Größen und andere Strukturparameter von Wildbienen- populationen über Fang-Wiederfangstudien gut zu erfassen sind. Dies gilt zumindest für oligolek- tische Arten, bei den meisten polylektischen Spezies dürften derartige Untersuchungen wegen der zu erwartenden geringen Rückfangquoten nur mit enormen Aufwand zu statistisch absicher- baren Ergebnissen führen.

Digitale Erfassung und Auswertung von Hymenopteren-Daten

Rainer PROSI Lerchenstraße 81, D-74564 Crailsheim, [email protected]

In diesem Vortrag wird die Erfassung und Auswertung von Hymenopteren - Daten am Beispiel eines vom Autor angefertigten Programmes mit angeschlossener Datenbank dargestellt. Dieses Programm wurde mit dem Ziel entwickelt, alle zur Verwaltung und Auswertung von Insekten- funden notwendigen Daten aufzubereiten. Dem Benutzer wird eine einfache graphische Ober- fläche zur Verfügung gestellt, wie sie die meisten Anwender von anderen Programmen gewohnt sind. Die Formularstruktur erleichtert auch ungeübten Benutzern ein schnelles Auffinden aller benötigten Funktionen des Programms. In Popup-Menüs wird jeweils eine Auswahl der ver- schiedenen Artnamen mit Rote-Liste-Status, Angaben zur Biologie etc. gegeben (Quellen siehe Literaturliste). Das Programm bietet folgende Funktionen: • Erfassung von Daten (Hymenopteren-Funde, Fundorte, Blütenbesuche, Beziehungen Wirt- Kuckuck, Blütenpflanzen, Entomologen-Daten) • Drucken von Etiketten (Fundort, Art) 38 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

• Hinterlegen von Fotos zu Fundorten und Arten • Hinterlegen von Text zu den Arten • Anzeigen von Flugzeitdiagrammen • Anzeigen von Verbreitungskarten der Arten • Anzeigen der Verbreitung der Arten pro Meßtischblatt • Anzeigen der Fundorte in der digitalen Karte 1:50000 des Landesvermessungsamts (separate Software erforderlich) • Reports aller Art (z.B. Fundortberichte, Artberichte, Artlisten, Fundortlisten, Jahresbericht an das Regierungspräsidium) • Export nach Microsoft-Excel (Fundorte, Arten, Funde) Für die Überlassung eines großen Teils des Datenmodells, sowie vielen fachlichen Tips, Anre- gungen und Vorlagen beim Erstellen des Programms, gilt mein besonderer Dank Herrn Dr. Paul Westrich aus Kusterdingen.

Literatur

BRANDSTETTER, C. M. 1997: Vorschlag zum Aufbau einer „Relationalen Datenbank“ für Hymenopteren. — Ber. bay. Akad. Natursch. Landsch-Pfl. (ANL) 21: 99-100 BLÖSCH, M. 2000: Die Grabwespen Deutschlands Lebensweise, Verhalten, Verbreitung. — Keltern (Goecke & Evers) KUNZ, P.X. 1994: Die Goldwespen (Chrysididae) Baden-Württembergs. — Beih. Veröff. Natursch. Landschaftspfl. Bad.-Württ. 77: 1-188 SCHMID-EGGER, C. SCHMIDT, K. & D. DOCZKAL 1996: Rote Liste der Grabwespen Baden-Württembergs. — Nat. Landschaft 71(9): 371-380 SCHMID-EGGER, C. & H. WOLF (1992): Die Wegwespen Baden-Württembergs (Hymenoptera, Pompilidae). — Veröff. Natursch. Landschaftspfl. Bad.-Württ. 67: 267-370 SCHMIDT, K. 1979-1984: Materialien zur Aufstellung einer Roten Liste der Specidae (Grabwespen) Baden-Württembergs I-IV. — Veröff. Natursch. Landschaftspfl. Bad.-Württ. 49/50 [1979]: 271-369, 51/52 [1980]: 309-398, 53/54 [1981]: 155-234, 57/58 [1984]: 219-304 SCHMIDT, K. & SCHMID-EGGER, C. 1991: Faunistik und Ökologie der solitären Faltenwespen (Eumenidae) Ba- den-Württembergs. — Veröff. Natursch. Landschaftspfl. Bad.-Württ. 66: 495-541 WESTRICH, P. 1990: Die Wildbienen Baden-Württembergs. — E. Ulmer, Stuttgart, 1-2: 972 S., 2. Aufl. WESTRICH, P. & DATHE, H.H. 1997: Die Bienenarten Deutschlands (Hymenoptera, Apidae). Ein aktualisiertes Verzeich- nis mit kritischen Anmerkungen. — Mitt. Ent. Ver. Stuttgart 32: 3-34 WESTRICH, P.; SCHWENNINGER, H. R.; HERRMANN, M.; KLATT, M.; KLEMM, M.; PROSI, R. & SCHANOWSKI, A. 2000: Rote Liste der Bienen Baden-Württembergs. (3., neu bearbeitete Fassung, Stand 15. Februar 2000). — Landesanst. Umweltsch. Bad.-Württ., Fachdienst Naturschutz, Naturschutz-Praxis, Artenschutz 4, 48 S. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 39

Abbildung 1. Beispiel des Arten-Formulars

Abbildung 2. Beispiel des Fundort-Formulars. 40 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Bundesdeutsche Hymenopterendienste: Funktion, Aufgaben und Organisationsformen

Melanie VON ORLOW Liesborner Weg 13, D-13507 Berlin, [email protected]

Mit der besonderen Unterschutzstellung der Hornisse (Vespa crabro) und der Apoidea und damit aller Hummelarten (Bombus spec.) und der solitären Bienen gemäß § 42 1/2 BNatSchG vom 3.4.2002 in Verbindung mit § 1 BArtSchV v. 14.10.1999 wurde diese Artengruppe aus dem bisherigen Aufgabenfeld der deutschen Schädlingekämpfungsunternehmen entfernt. Unverändert hoch ist jedoch das Konfliktpotential dieser Arten im Umfeld des Menschen und sorgt damit für einen alljährlich wiederkehrenden hohen Beratungs- und Informationsbedarf. Neben Problemen, die sich aus dem Verhalten der Tiere ergeben (z.B. nächtliches Einfliegen von Hornissen, Nestverteidigung, Verschmutzung durch Nestabfälle) sind es häufig Nistplätze in unmittelbarer Nähe oder an häufig begangenen Orten die die Ratsuchenden beunruhigen. So sind in den grünen Randbezirken von Städten Hornissennester in Vogelnistkasten oder im Roll- ladenkasten keine Seltenheit. Zum Teil begründete Sorgen (z.B. bei Vorliegen einer Insektengiftallergie) als auch teilweise irrationale Ängste und mangelndes Basiswissen (z.B. Einjährigkeit der Völker, Giftwirkung des Hornissenstiches) veranlassen die Betroffenen zur Recherche nach kompetenten Ansprech- partnern. Je nach örtlichen Gegebenheiten und Organisationsgrad der vorhandenen Einrichtungen kann sich diese Suche zu einer äußerst zeitaufwendige und mühselige Angelegenheit entwickeln. In den Fällen, in denen eine Beratung nicht den Erhalt des Niststandortes ermöglicht (z.B. bei Nestern in Behinderteneinrichtungen, wo eine Gefährdung der Anwesenden nicht auszuschließen ist o.ä.), ist vor der Nestvernichtung die Möglichkeit zur Umsiedlung zu prüfen. Diese ist wie die Nestvernichtung nur mit einer ausdrücklichen Ausnahmegenehmigung durch die Obere Natur- schutzbehörde, bzw. des Regierungspräsidiums zulässig. Die Erteilung der Ausnahmegenehmi- gung erfolgt grundsätzlich nach Einzelfallbegutachtung. In der Praxis wird diese Aufgabe jedoch häufig an untere Naturschutzbehörden delegiert die in Ermangelung bundesweit übergreifender Vollzugsregelungen oder Verwaltungsrichtlinien häufig regionale, eigene Standards zu den wichtigsten Kriterien festlegt: • Wer darf/ muß Beratungen durchführen ? • Wie und durch wen erfolgt die Vergütung/ Kostenerstattung und Versicherung der Vor-Ort tätig werdenden Berater ? • Welche Kriterien und formale Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Nest umgesetzt oder vernichtet werden darf ? • Wer begutachtet und beschließt diese Maßnahmen und wer darf diese Maßnahmen anschlie- ßend durchführen ? • Welche Schulungen/ Voraussetzungen sind für diese Mitarbeiter notwendig ? • Wie und durch wen sind diese Mitarbeiter vor Ort abgesichert (Unfallversicherung, Haft- pflicht)? Die so entstandenen, mehr oder weniger gut funktionierenden Vollzugssysteme („Hymenop- terendienste“) sind entsprechend der zahlreichen Lösungsansätze äußerst vielgestaltig. So gibt es sowohl privatwirtschaftlich getragene Systeme (z.B. die Fa. Hymo-Tec, bestimmte Schädlings- bekämpfungsunternehmen in NRW), sowie behördlich getragene Systeme, bei denen die Behör- Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 41 denvertreter selbst begutachten und sogar die notwendigen Maßnahmen durchführen (in Teilen Baden-Württembergs und Sachsens). Zwischen diesen beiden Extremen gibt es diverse Formen ehrenamtlicher Beraternetzwerke, bei denen die Entscheidungskompetenzen ganz oder teilweise auf ehrenamtliche Mitarbeiter über- tragen wurden. In einigen Kreisen werden Landesämter oder vorhandene Naturschutzstiftungen als koordinierende und kontrollierende Instanzen eingesetzt; zum Teil werden Naturschutzbeauf- tragte (z.B. Stadt Osnabrück) oder sogar spezielle Hautflüglerbeauftragte beauftragt. Im Regel- fall sind es jedoch überwiegend staatlich getragene Einrichtungen (Landesbieneninstitute, Universitäten) und öffentlich-gemeinschaftliche Einrichtungen wie staatliche Stiftungen (z.B. Naturschutzstiftungen) und gemeinnützige Vereine die sich dieser Aufgabe annehmen. Ebenso differieren die Finanzierungsmodelle. So sind die Vor-Ort-tätigen Mitarbeiter in Ba- den-Württemberg nicht nur versichert; sie können sogar eine Fahrtkostenerstattung, Material- bereitstellung und Aufwandsentschädigung durch das Regierungspräsidium in Anspruch nehmen während ihr Einsatz für den betreffenden „Nestinhaber“ kostenlos ist. Dahingegen existieren in anderen Bundesländern (z.B. Berlin, Teilen Niedersachsens) nur mehr oder weniger detaillierte Richtlinien, welchen Betrag der Vor-Ort-Berater dem „Nestinhaber“ in Rechnung stellen kann - eine Vergütung durch die Behörden erfolgt grundsätzlich nicht; eine Materialbereitstellung meistens nicht. So wird in der Regel nur durch externe, meist staatliche Zuschüsse und ein starkes ehren- amtliches Engagement der Vor-Ort-Berater eine maßvolle Aufwandsentschädigung zu Lasten der Betroffenen möglich. Ohne diese Unterstützung kostet eine Umsiedlung durch privatwirt- schaftliche Unternehmen aufgrund des hohen Zeitaufwandes zwischen 200 und 400 Euro. Jedes dieser Systeme wird den gestellten Anforderungen unterschiedlich gut gerecht. Insbesondere der grundsätzliche Konflikt zwischen Artenschutz und Bürgerbetreuung wird unterschiedlich interpretiert . Die ausführliche und gründliche Beratung die zur Akzeptanz vorhandener Nester unabdingbar ist, erfordert in der Regel einen hohen Zeitaufwand der letztlich dem Artenschutz dienlicher ist als die (zusätzlich zeitintensive) Umsiedlung des Nestes. Damit ist die Qualität der Beratung von verschiedenen Faktoren in der Organisationsstruktur wie den personellen Ressourcen, persönlichen Engagements und Auslastung der Berater und der Struktur und Kooperationsqualität zwischen Behörden und artenschutzengagierten Netzwerken abhängig. Häufig sind diese Hymenopterendienste mit pauschalen, zeitlich befristeten Ausnahmegenehmi- gungen ausgestattet, die ihnen die Entscheidung über ihre Vorgehensweise (Umsiedlung, Em- pfehlung zur Nestvernichtung) überläßt. Für die meisten Behörden ist es hierfür jedoch Voraus- setzung daß diese Hymenopterendienste nicht privatwirtschaftlich arbeiten. Qualifizierte Schäd- lingsbekämpfungsunternehmen erhalten häufig nur Einzelfallgenehmigungen da hier ein Interes- senkonflikt zwischen wirtschaftlicher Vorgehensweise und dem Artenschutzgedanken gesehen wird. Je nach Bundesland ist die Problemwahrnehmung durch die Behörden unterschiedlich stark und damit das Engagement der Behörden für die Hymenopterendienste. Die Etablierung und Pflege gut funktionierender Hymenopterendienste unterbleibt in einigen Regionen - nicht zuletzt mangels qualifizierter und engagierter Personen innerhalb und außerhalb der Behörde - ganz oder wird nur halbherzig und der Form nach in Angriff genommen. Leider sind nur in wenigen, meist wirtschaftlich gut situierten Bundesländern großzügig ausgestattete und formal abgesicherte Systeme entstanden. 42 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Kurzfassungen der Poster

Diversität der Ameisenfauna in sekundären Waldhabitaten Südbrasiliens: Vergleich eines Mischwaldes mit einer Eukalyptus-Plantage

Jochen BIHN112, Manfred VERHAAGH & Wolf ENGELS

1Staatliches Museum für Naturkunde, Abteilung Zoologie Erbprinzenstraße 13, D-76133 Karlsruhe, [email protected], [email protected] 2 Zoologisches Institut, Lehrstuhl Entwicklungsphysiologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen Auf der Morgenstelle 28, D-72076 Tübingen, [email protected]

Die fortschreitende Zerstörung der artenreichen tropischen Wälder und ihr Ersatz durch Land- nutzungssysteme gilt als eine Hauptursache für den weltweiten Diversitätsverlust. Daher ist eine Bewertung von Agroforstsystemen im Hinblick auf ihre Rolle als Lebensraumrefugien für Wald- arten von aktueller Bedeutung. In Brasilien kommen Eukalyptus-Plantagen als weit verbreitete Agroforstsysteme eine hohe Bedeutung zu. Sie nehmen zur Zeit etwa ein Fläche von 4 Millionen Hektar ein. Am Beispiel der boden- und streulebenden Ameisen wurde die Diversität einer Eukalyptus- Plantage und eines sekundären Mischwald verglichen. Die Freilanduntersuchungen fanden im Vorgebirge des Planalto Meridional im südlichsten Bundesstaat Brasiliens, Rio Grande do Sul, statt. Zu Erfassung der lokalen Ameisenfauna wurde mit Winkler-Extraktion, Barberfallen und Köderfängen gearbeitet, ergänzend wurden Ameisen von Hand gefangen. Insbesondere mit der Winkler-Methode konnte eine Vielzahl von Arten (74) erfasst werden. Die Fangeffizienzen der übrigen Methoden waren weitaus geringer, jedoch konnten mit ihnen zusätzlich 28 Arten nachgewiesen werden. Insgesamt konnten mehr als 102 Ameisenarten ermittelt werden, die 38 Gattungen und 7 Subfamilien angehören. Extrapolationen der Artensät- tigungskurven und Abschätzungen über nicht-parametrische Methoden (Chao 2, ICE) indizieren ein hohes Maß an Vollständigkeit der so erreichten Arteninventur. Die erfassten Ameisen der beiden Habitate unterscheiden sich in ihrem Artenspektrum und ihrer taxonomischen Struktur nur unwesentlich. In beiden Wäldern dominieren Ameisen der Unter- familie Myrmicinae. Hinsichtlich der Artenvielfalt konnte im Mischwald ein höhere a-Diversität (89) als in der Eukalyptus-Plantage (75) ermittelt werden. Im Mischwald fand sich darüber hinaus eine gleichmäßigere Verteilung der Abundanzen der einzelnen Arten als in der Eukalyptus-Plantage. Somit ist auch die Diversität in bezug auf die Heterogenität der Myrmeco- fauna im Mischwald höher. Dieser Befund wird ebenfalls durch die durchschnittliche Arten- und Individiuendichte pro 1 m2 Streuprobe gestützt. Für das Untersuchungsgebiet liegen noch keine Daten über die Ameisenfauna in Primärwäldern vor. Im Vergleich zu anderen Untersuchungen in Südbrasilien weist jedoch die Ameisenfauna in den untersuchten, stark gestörten Wäldern eine erstaunlich hohe Diversität auf. Unsere Ergeb- nisse zeigen, dass relativ viele Arten selbst eine Eukalyptus-Monokultur als Ersatzlebensraum akzeptieren können und die funktionelle Bedeutung von sekundären Habitaten im Rahmen eines regionalen Biodiversitäts-Managements geprüft werden sollte. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 43

Zur Phylogenie der Gattung Apis: Die Drohnen von A. florea, A. andreniformis, A. dorsata, A. cerana und A. mellifera

Dorothea BRÜCKNER1 & Axel BROCKMANN2 1Forschungsstelle für Bienenkunde, Universität Bremen,FB 2 28334 Bremen 2Universität Würzburg, Biozentrum 97074 Würzburg

Die Drohnen der 5 Apis-Arten, A. florea, A. andreniformis, A. dorsata, A. cerana und A. mellifera, unterscheiden sich in ihrer Grösse relativ wenig voneinander. Dies steht in auffälligem Gegensatz zu den Grössenunterschieden der Arbeiterinnen derselben Arten. Die Drohnen der Zwerghonigbienen (A. florea und A. andreniformis) unterscheiden sich morphologisch von den Drohnen der anderen Arten durch den umgeformten Basitarsus ihrer Hinterbeine. Die Aus- stülpung des Basitarsus ist bei A. florea wesentlich länger als bei A. andreniformis. Die Borsten- felder und Fiederhaarfelder des Basitarsus sind bei den beiden Arten in unterschiedlicher Grösse vorhanden. Nach Engel (1999) werden die Verwandtschaftsbeziehung der Apis-Arten auf der Basis von Morphologie und Verhalten diskutiert. Für einen Stammbaum der Drohnen wurden Merkmale des olfaktorischen Systems der Drohnen (der Antennenmorphologie und Antennallobenanato- mie), der Tarsen sowie die Gesamtgrösse der Drohnen zur Grundlage genommen.

Literatur

ENGEL, M.S. 1999: The taxonomy of recent and fossil honey bees (Hymenoptera: Apidae; Apis). — J. Hym. Res. 8: 165-196

Ölblumen als Trachtquelle für Prachtbienen im Araukarienwald Südbrasiliens

Simone-Caroline CAPPELLARI, Birgit HARTER, Pia AUMEIER & Wolf ENGELS Zoologisches Institut der Universität Tübingen, LS Entwicklungsphysiologie Auf der Morgenstelle 28, D-72076 Tübingen, [email protected] LPB, PUCRS, Porto Alegre, Brasilien

Prachtbienen des Tribus Euglossini (Hymenoptera: Apidae) sind exklusiv neotropisch verbreitete Bienen und werden auf Grund ihrer Rolle als Orchideenbestäuber auch als „orchid bees“ bezeich- net. Die Männchen sammeln Duftstoffe von Orchideen-Blüten in taschenartigen Strukturen der Hinterbeine. Die Bedeutung dieser Duftstoffe für die Bienen ist bisher unbekannt, eine mögliche Rolle als Rohstoff für die Synthese eigener Sekrete wird seit langem diskutiert. Bisher ergaben gaschromatographische Untersuchungen mehrerer Autoren, dass es sich bei den an Orchideen- blüten gesammelten Substanzen zum größten Teil um leichtflüchtige Öle handelt. Bei Untersuchungen über Blütenbesuch von Euglossinen im brasilianischen Araukarienwald wurde entdeckt, dass Männchen der Art Euglossa mandibularis auch an Mecardonia tenella sammeln, einer relativ kleinblütigen Scrophulariacee. Diese Blüten produzieren fette Öle (Car- bonsäure-Verbindungen), welche sie in Trichomen an den Blütenblättern speichern. Als deren 44 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) häufige Besucher und Bestäuber identifizierten wir in früherern Untersuchungen bereits 19 Bienenarten von 5 verschiedenen Familien, die allerdings nur Pollen an diesen Blüten sammeln. Die angebotene Ölressource wird von Euglossini benutzt, welche angeblich / vermutlich keine effektiven Bestäuber dieser Blüten sind, jedoch eine Strategie entwickelt haben, um diese Ressource zu benutzen. Wir führten nun Untersuchungen zur Anthese, zum Inhalt der Trichome, zur Ölzusammensetzung, Morphologie der Blüte und zum Beflug durch die Prachtbienen-Männchen durch. Es stellt sich die Frage zu welchem Zweck bieten diese Blüten Öle an und was machen Euglossini-Männchen damit? Derzeit läuft im Labor eine chemischen Charakterisierung der öligen Substanzen, die wir sowohl von den Scrophulariaceen-Blüten als auch den Bienen gewonnen haben. Die Extrakte werden gaschromatographisch analysiert, erste Ergebnisse werden vorgestellt.

Beitrag zur Kenntnis der Populationsbiologie von Andrena vaga PANZER, 1799 (Apoidea: Andrenidae)

Martin FELLENDORF, Claudia MOHRA und Robert J. PAXTON Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Zoologisches Institut Auf der Morgenstelle 28, D-72076 Tübingen, [email protected]

Andrena vaga ist eine univoltine Solitärbiene, die von März bis Mai flugaktiv und streng oligo- lektisch auf Weide (Salix) als Quelle des Pollenproviants für die Nachkommen spezialisiert ist. Der Blütenbesuch sowie die unterirdische Nistweise in sandigem Boden lassen sie als eine charakteristische Art der Flußauen erkennen. Sie nistet oft in Aggregationen, die mitunter ausgesprochen groß sind und aus mehreren Tausend Nestern bestehen können. Aufgrund des philopatrischen Verhaltens der Bienenweibchen können solche Nestaggregationen über Jahrzehn- te hinweg existieren. Innerhalb ihrer Lebensgeschichte legt ein A. vaga- nur ein einziges Nest an. In einer dreijährigen Untersuchung wurden an sieben ausgewählten Standorten in Südwest- deutschland (sechs im Oberrheingraben, einer im Enztal) die Populationsdynamik von A. vaga dokumentiert und beeinflussende Parameter, wie Nestversorgungsaktivität, Reproduktivität, Parasitierung und Witterung, erfaßt und analysiert. Als Erfassungsmethoden dienten direktes Auszählen (von Quadratproben), Rückfangmethode und der Einsatz von Bodeneklektoren. In einer Saison wurde die Lebensgeschichte individueller Bienenweibchen einer Population über die gesamte Zeit der Nestversorgungsphase hinweg durch Dauerbeobachtungen am Nistplatz aufgezeichnet. Innerhalb des relativ kurzen Untersuchungszeitraums konnten z.T. beträchtliche Veränderungen der Populationsgrößen festgestellt werden (s. Abb. 1-2). Als entscheidende Faktoren erwiesen sich dabei abiotische Faktoren (Hochwasserkatastrophe, Wetter). Dichteabhängige Einflüsse konnten nicht nachgewiesen werden. Die Populationsgrößen des artspezifischen Kleptoparasiten Nomada lathburiana (Anthophoridae) veränderten sich weitgehend parallel und ohne zeitliche Verzögerung zu denen des Wirtes (s. Abb.); sie waren denselben regulierenden Umweltfaktoren unterworfen. Ein A. vaga- (Pop. PP, im überdurchschnittlich trockenwarmen Frühjahr 2000) erstellte im Verlaufe seines Lebens im Mittel 4,7 Brutzellen (Z = 5, V = 0-8), dazu waren 30,55 Pollen- Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 45 sammelflüge (Z = 35, V = 0-48) nötig ( 6,5 Pollensammelflüge pro Brutzelle, ausgewerteter

Stichprobenumfang 40 ). Die Nettoreproduktionsrate R0 lag bei 2. Die erfaßten demographischen Daten sollen eine vergleichende Betrachtung populationsgene- tischer Analysen ermöglichen, eine wissenschaftliche Grundlage für Populationsgefährdungs- analysen liefern und damit beitragen, effektive Schutzmaßnahmen für gefährdete Bienenpopula- tionen ergreifen zu können.

Abbildung 1. Andrena vaga, nistende Weibchen, Populationsentwicklung 1999-2001

Abbildung 2. Nomada lathburiana Weibchen, Populationsentwicklung 1999-2001. 46 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Eugenik bei sozialen Insekten: Der Fall diploide Drohnen

Matthias HERRMANN, Giulia SANTOMAURO & Wolf ENGELS Zoologisches Institut, Universität Tübingen, Lehrstuhl Entwicklungsphysiologie Auf der Morgenstelle 28, 72076 Tübingen

Im haplo-diploiden System der Geschlechtsbestimmung bei Hymenopteren fällt die Meiose in der männlichen Gametogenese aus. Die bei homozygoter Konstellation des Sexallels entstehenden diploiden Drohnen erzeugen daher diploide Spermien, was bei der Zygotenbildung zu Triploidie führen würde und aneuploide lethale Embryonen ergäbe. Es haben sich daher Mechanismen der Reduzierung der Fitness diploider Drohnen auf den Wert Null entwickelt. Diese Ausschaltung der 2n-Männchen von der Reproduktion wird bei Honigbienen durch eugenisches Verhalten der brutpflegenden Arbeiterinnen erzielt. Diploide Drohnen werden als Larven innerhalb weniger Stunden nach dem Schlupf aus dem Ei kannibalisiert, was in den 60er Jahren ausführlich von WOYKE beschrieben wurde. Wir haben die Signale analysiert, die es den Arbeiterinnen erlauben, auf Brutwaben mit Zellen normaler Größe die diploiden Drohnenlarven von den benachbart liegenden diploiden Arbeite- rinnenlarven zu unterscheiden. Entgegen früheren Hypothesen, nach denen diploide Drohnenlar- ven eine nur von ihnen produzierte „Kannibalismus-Substanz“ abgeben und damit das Eliminie- rungs-Verhalten der Arbeiterinnen auslösen sollten, konnten wir kein derartiges exklusives Signal finden. Erstlarven diploider Drohnen produzieren vielmehr die gleichen kutikulären Substanzen wie haploide Drohnen und diploide Arbeiterinnen. Eine qualitative Unterscheidungsmöglichkeit ist somit nicht gegeben. Es gibt keine spezifische „Kannibalismus-Substanz“. Dagegen lassen sich quantitative Musterunterschiede feststellen. Ob diese das Kannibalis- mus-Signal darstellen, haben wir in Bioassays geprüft. Außerdem präsentieren wir Gedanken zur Evolution dieses bemerkenswerten eugenischen Verhaltens.

In dankenswerter Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie Jena, Arbeitsgruppe Prof. Dr. W. Boland. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 47

Lebensweise von pilzzüchtendenden Ameisen (Mycetophylax-Arten) in Sandhabitaten in Brasilien

Christiana KLINGENBERG1,2, Carlos Roberto FERREIRA BRANDÃO1, Wolf ENGELS2 1Museu de Zoologia da Universidade de São Paulo Avenida Nazaré, 481, 04263-000 São Paulo, SP, Brasilien, [email protected] 2Zoologisches Institut, Lehrstuhl Entwicklungsphysiologie Auf der Morgenstelle 28, 72076 Tübingen

Die exklusiv neotropischen Attini sind sämtlich Pilzzüchter. Sie werden Blattschneider-Ameisen genannt, dies trifft im strengen Sinne jedoch nur auf die Arten der Gattungen Atta und Acro- myrmex zu. Darüber hinaus gibt es 11 weitere Genera, bei denen ausschließlich totes Material als Substrat für ihre Pilzkulturen eingetragen wird. Über diese als ursprünglich angesehenen Arten, die sämtlich durch eine monomorphe Arbeiterinnenkaste ausgezeichnet sind, ist vergleichsweise wenig bekannt. Wir untersuchen die Gattung Mycetophylax, deren 6 Spezies bis jetzt auch taxonomisch unzureichend charakterisiert sind. Außer der Klärung solcher Fragen werden insbesondere folgende Aspekte der Lebensweise untersucht: Die Habitate dieser Ameisen sollen charakterisiert werden. Im Gegensatz zu den echten Blatt- schneidern kommen sie in ariden, vorwiegend sandigen Arealen vor. Ebenso von großem Interesse sind Informationen über die als Substrat für ihre Pilzkultur eingetragenen Materialien. Die Pilzarten ihrer Kulturen sollen bestimmt werden (in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Franz Oberwinkler, Botanisches Institut der Universität Tübingen), möglichst auch deren Herkunft und sonstiges Vorkommen. Neststandorte und vor allem Neststrukturen sowie die Koloniegröße und die Verwandtschaftsstrukturen innerhalb eines Volkes sind weitere Punkte. Allgemein kann bereits festgestellt werden, dass die Nester meist nur einige Hundert Arbeiterinnen enthalten, gegenüber Hunderttausenden bis Millionen in Atta-Kolonien, und dass sie meist nicht tiefer als etwa einen halben Meter in den Boden führen. Nichts ist über die Aufzucht von Geschlecht- stieren und das Hochzeitsflug-Schwärmen bekannt. Dies trifft auch für die Nestgründung und die Entwicklung neuer Kolonien zu. In Sandhabitaten im subtropischen und tropischen Brasilien, von Amazonien bis Rio Grande do Sul, führen wir derzeit eine erste derartige Bestandsaufnahme durch, und zwar sowohl in Strandbiotopen als auch auf Uferbänken großer Flüsse und in Trocke- narealen im Landesinneren. 48 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Figure 1. Dasypoda distribution in West-Palaearctic

West-Palaearctic Dasypoda LATREILLE, 1802 biogeography (Apoidea, Melittidae)

Denis MICHEZ & Sébastien PATINY Unité de Zoologie générale et appliquée, Faculté universitaire des Sciences agronomiques de Gembloux passage des Déportés 2, B-5030 Gembloux, Belgique

Dasypoda LATREILLE, 1802 is one of the most diversified amongst the 14 known Melittidae genera. Dasypoda is endemic in Palaearctic region where it extends from Wales to Japan and from Canaries Isles to Finland. A recent study counts 20 species in the West-Palaearctic area (MICHEZ, 2002). Most of them are concentrated around the Mediterranean basin. In present work, in view to understand the West-Palaearctic Dasypoda origin and expansion modes, authors synthesise the biogeographic information available through literature and museums collections (Fig. 1). Each species dispersal was studied on maps and four biogeographic species groups were defined on basis on their dispersal characteristics. The first of these four groups includes three species, D. albipila SPINOLA, 1838, D. brevicornis PEREZ, 1895 and D. maura PEREZ, 1895, distributed Southern the Mediterranean Basin. D. albipila is oriental, distributed in Egypt and Arabia. The two others are strictly North African. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 49

The second group includes the typical Iberian species. D. iberica WARNCKE, 1973 and D. morotei are endemic in the Iberian Peninsula. On the contrary, D. albimana PEREZ, 1895, D. cingulata ERICHSON, 1835, D. crassicornis FRIESE, 1896 and D. dusmeti QUILIS, 1928 are quite more abundant in Spain and Portugal but were also observed in close areas of France and Morocco. The third group is constituted by species of which dispersal is restricted to the Mediterranean Basin Eastern part. Three distributions kinds can be identified among this third group. D. frieseana SCHLETTERER 1890, D. patinyi MICHEZ, 2002, D. pyriformis RADOSZKOWSKI, 1887 and D. suripes (CHRIST, 1791) are characterised by a distribution centred on Greece, Balkans, West-Turkey and North-West Syria. On the opposite, D. braccata EVERSMANN, 1852 and D. spinigera KOHL, 1905 display a pontic range. While, D. longigena SCHLETTERER, 1890 is endemic in Eastern Turkey. The other Dasypoda species are present in more than one of the previously described areas. D. argentata PANZER, 1809 displays an European range, Eastern extended to Caucasus and Iran. WARNCKE (1973) described a D. argentata subspecies endemic in Spain: D. argentata hispani- ca. It appears, after morphological analysis, that several other subspecies have to be described in D. argentata. For instance, the Turkish populations constitute a subspecies already described by RADOSZKOWSKI (1890). The second species, D. hirtipes FABRICIUS 1793, is widely distributed in the whole West-Palaearctic. Six subspecies were described in this latter species (WARNCKE 1973). D. hirtipes hirtipes is present in the whole Europe. Three subspecies coexist in North-Africa: D. hirtipes canariensis WARNCKE, 1973, D. hirtipes oraniensis PEREZ, 1895 and D. hirtipes panzeri SPINOLA, 1838. The two others D. hirtipes taxa are distributed in Caucasus, D. hirtipes minor MORAWITZ, 1874, and Balkans, D. hirtipes graeca LEPELETIER, 1825. An other species, D. pyrotrichia FORSTER, 1855 presents a notable range disjunction. Three D. pyrotrichia subspecies were described. Each is distributed in particular small area close to one of the Quaternary European glaciation refuge. D. pyrotrichia eatoni SAUNDERS, 1881 is Spanish, D. pyrotrichia nigra WARNCKE, 1973 is Greek and the nominal subspecies is Turkish. Finaly, the fourth species of this last group, D. visnaga (ROSSI, 1790), displays a typical Mediterranean distribution without any obvious polarity. Through comparison of the previous distributions, it appears that among Dasypoda, as by numerous other Apoidea groups, two main diversity centres exist Eastern and Western Mediter- ranean Basin. These centres correspond apparently to the studied taxa's glaciation refuge. This global scheme can be detailled and 5 Dasypoda richness areas can be identified in West-Palaearctic: Balkans (including Greece), Caucasus, Spain, North-Africa and Turkey. These areas were mapped, indicating for each European country the Dasypoda species amount in its fauna (Fig. 2). The obtained map displays that the latter areas are grooped into two main diversity centres. The first one is Spanish and the second Balkanic. Contrary to what was observed by Melittinae, Dasypoda doesn't display any Asiatic diversity area (MICHEZ 2001). Spain constitutes thus one of the two main Dasypoda richness areas. The endemism and diversity rates decrease strongly in the neighbouring regions: Portugal and France. Ten species are known in Spain and only one is endemic: D. iberica. On the other hand, 8 species are distributed in France (none is endemic) and only D. hirtipes exists in Belgium. Eight species are distributed in North-Africa. Two are endemic in this area. The North African endemism rate is thus higher than the Spanish. Like it was observed in Europe, this rate decrease strongly in the neighbouring areas. 50 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

On the other hand, the Turkish fauna is rich but displays only one endemic species: D. longigena. Most of the Turkish Dasypoda seems to origin from Greece and Balkans. Considering the detailed particularities of the Dasypoda distributions, it is obvious that these bees are more thermophilous than other Melittidae like Melittinae. For instance, Dasypoda and Melitta display the same richness areas in Europe, Spain and Balkans, both characterized by their own typical fauna. Nevertheless, inside these Mediterrean Peninsulas, the observed diversity gradients are stronger by Melitta and Macropis.

References

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Figure 2. Dasypoda diversity in West-Palaearctic. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 51

Populationsgenetische Untersuchungen an Aggregationen der Weidensandbiene Andrena vaga Panzer, 1799 (Apoidea, Andrenidae)

Claudia MOHRA, Martin FELLENDORF & Robert J. PAXTON Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Zoologisches Institut Auf der Morgenstelle 28, D-72076 Tübingen, [email protected]

Im Gegensatz zur oft untersuchten Honigbiene Apis mellifera gibt es bisher kaum Forschung zur populationsgenetischen Struktur von Wildbienen. Aus diesem Grund untersuchten wir die Populationsstruktur der solitären Sandbienen-Art Andrena vaga. Die Wildbienen nisten in Baden-Württemberg schwerpunktmäßig im Rheintal, in mehr oder weniger großen Aggregatio- nen von bis zu 15.000 Nestern in der Nähe von Silberweiden-Beständen. Die Abstände zwischen den sieben untersuchten Aggregationen variierten von wenigen hundert Metern bis zu 75 Kilometern. Wir entwickelten über 20 Mikrosatelliten-Loci speziell für A. vaga, von denen 14 für die Daten- auswertung herangezogen wurden, da sie sehr verlässliche Daten lieferten und hochvariabel waren. Sie wiesen zwischen 7 und 18 Allele auf, und die beobachtete Heterozygosität lag zwischen 0,16 und 0,86.

Der Inzuchtkoeffizient Fis war signifikant positiv über alle Loci und Aggregationen (zwischen +0,18 und +2,7) was wahrscheinlich auf Paarungen zwischen nah verwandten Tieren zurück- zuführen ist. Ein Test auf genotypische Differenzierung zwischen den einzelnen Aggregationen ergab statistisch signifikante Unterschiede bei fast allen Populations-Paaren. Eine im Enztal gelegene Aggregation unterschied sich hochsignifikant von den übrigen, im Rheintal gelegenen

Untersuchungsgebieten. Trotz statistisch signifikanter Unterschiede waren Fst - und R st -Werte zwischen den einzelnen Populationen durchweg sehr klein (< 0,1), d.h. die genetischen Distanzen zwischen ihnen sehr gering. Die Daten lassen auf einen hohen Genfluss v.a. zwischen den in der Rheinebene gelegenen Aggregationen schließen. Zur Untersuchung der Feinstrukturierung innerhalb einer Nestaggregation wurde die Entfernung der einzelnen Nester zueinander in die Auswertung der genetischen Daten mit einbezogen. 52 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Auswirkungen von Landschaftspflegemaßnahmen auf die Bestandsentwicklung seltener Moorameisen - Analyse mittels GPS und GIS

Wolfgang MÜNCH BioGis - Angewandte Ökologie, Planung und Geoinformatik Postfach 2044, D-72010 Tübingen, [email protected]

Einleitung In Baden-Württemberg wurden Moorameisenpopulationen bislang sehr selten untersucht und es fehlen meist Angaben über Nestdichten der einzelnen Arten. Das Vorkommen der einzelnen Arten bezogen auf unterschiedliche Verlandungszonen wurde nur in wenigen Mooren erforscht (KLIMETZEK 1977, MÜNCH & ENGELS 1994, MÜNCH 1995). Unter allen baden-württembergischen Mooren wurde die Ameisenfauna des Federseegebietes am intensivsten untersucht (MÜNCH 1980, 1991, 1998, 2001). Untersuchungen im Rahmen mehrerer Projekte zwischen 1979 und 1999 ergaben, daß das Federseeried ein Refugium für gefährdete und z.T. äußerst seltene Moorameisen darstellt. Allein im Bereich des Mittleren Riedes in unmittelbarer Seeumgebung konnten 6 gefährdete Arten nachgewiesen werden, darunter die in der „Roten Liste“ (RL) Deutschlands (SEIFERT 1998) aufgeführten Myrmica vandeli (RL 1), Formica uralensis (RL 2), F. transkaucasica (RL 2), M. gallienii (RL 3), Harpagoxenus sublaevis (RL 3) und Symbiomyrma karavajevi (RL R). Die meisten Arten sind nur von fünf und weniger Fundstellen aus Baden-Württemberg bekannt, M. vandeli ist lediglich noch in zwei weiteren Mooren aus dem Schwarzwald gefunden worden, F. uralensis und M. gallienii sind bislang sogar nur aus dem Federseegebiet nachgewiesen. Um der stark zunehmenden Verbuschung Einhalt zu gewähren, wurden seit Anfang der neunzi- ger Jahre zahlreiche Hoch- und Übergangsmoorflächen maschinell gemäht, außerdem wurde das Moor durch das Schließen vieler Entwässerungsgräben stärker vernäßt. Im Rahmen eines Bio- monitoringprojekts der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Tübingen erfolgte im Jahre 2001 eine Nachuntersuchung der Ameisenfauna im Bereich des Mittleren Riedes.

Untersuchungsmethoden und Auswertungsverfahren Die Erfassung der Moorameisenpopulation erfolgte hauptsächlich durch Nachsuche nach Ameisennestern, wobei die derzeitigen Nestdichten der Moorameisen an 88 Probestellen auf 2.140 m2 Fläche ermittelt wurden (Flächengröße pro Probestelle 10-60 m2 ). Weitere 48 Flächen (6.064 m2 ) wurden weniger intensiv und 52 Stellen nur sporadisch abgesucht (MÜNCH 1991). An 20 Untersuchungsstellen kamen im Juli und August außerdem 100 Barberfallen zum Einsatz, die hauptsächlich dem Nachweis der beiden parasitischen Arten S. karavajevi und H. sublaevis dienen sollten (MÜNCH 1991). Der Schwerpunkt der flächenbezogenen Untersuchung lag entsprechend den Hauptvorkommen der 6 gefährdeten Ameisenarten auf den Hochmmoor- (12 Untersuchungsflächen) und Über- gangsmoorflächen (62 UF) sowie in den Großseggenrieden (32 UF) und Feuchtwiesen (16 UF). Weitere untersuchte Biotoptypen waren Wald- und Gebüschgesellschaften (7 UF), je ein Kalk- flachmoor und ein frisches Grünland sowie 5 Staudenfluren. Auf 19 sehr großen Untersuchungs- flächen (356.262 m2 ) wurden sämtliche F.-uralensis-Nester im Ried (Ostrand Staudacher Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 53

Bannwald, Oggelshausener Wäldchen) erfaßt (MÜNCH 1991) und deren Nestform sowie Nest- größe registriert. Um spätere Kontrollen zu erleichtern, wurden die Gauß-Krüger-Koordinaten sämtlicher Urala- meisennester sowie aller Untersuchungsflächen mittels GPS („Globales Positionierungssystem“) ermittelt (12-Kanal-GPS, Genauigkeiten von 6-12 m). Pro Untersuchungsfläche wurde die Vegetationsdichte (VD) für die Kraut- und Moosschicht (Deckungsgrad [%] x Vegetationshöhe [cm]) ermittelt und bei gehölzbestandenen Flächen der Kronenschluß [%] geschätzt (MÜNCH 1991). Alle GPS-Daten und deren Attribute wurden über dBase-Dateien in das Geographische Informationssystem (GIS) ArcView eingelesen und dort weiter analysiert (MÜNCH 2001).

Ergebnisse Bei der flächenbezogenen Nestsuche wurden 1.179 Ameisennester aus 13 Arten gefunden (14,4 Nester / 100 m2 ). Die Auswertung der Bodenfallenfänge (869 Individuen) erbrachte keine zusätzlichen Arten. Die Kartierung der F.-uralensis-Nester ergab 428 Nester (0,1 Nester / 100 m2 ), wovon 425 im Umkreis der beiden Oggelshausener Wäldchen vorkommen. Hinsichtlich Verteilungsmuster und Biotopbindung der einzelnen Ameisengesellschaften hat sich im Vergleich zu den Verhältnissen vor 20 Jahren nichts Wesentliches verändert. Arten der seenahen Bereiche (u.a. Großseggenriede) sind Myrmica gallienii, M. scabrinodis und (an Stellen mit hoher Vegetation) Lasius platythorax. In den Übergangs- und Hochmoorbereichen sind an offenen Stellen vor allem F. transkaucasica, M. scabrinodis und stellenweise M. vandeli zu finden. In der Nähe von Gehölzen kommen vermehrt L. platythorax, Myrmica ruginodis und örtlich F. uralensis vor - letztere v.a. auf verbrachten nährstoffreicheren Brachwiesen. In geschlossenen Bruchwäldern kommt nur noch M. ruginodis vor. Die nährstoffreichen, oft landwirtschaftlich genutzten Randzonen des Moores werden überwiegend von M. rubra besie- delt. Die Nestdichten der Ameisenpopulationen sind in seefernen Bereichen im allgemeinen höher als in unmittelbarer Seenähe, d.h. sie nehmen von den Großseggenrieden (33,8 Nester / 100 m2 ) bis zu den Übergangs- (59,7 N / 100 m22 ) und Hochmooren (85,6 N / 100 m ) zu. Die nährstoff- reichen Feucht- und Naßwiesen (5,3 N / 100 m22 ) sowie Staudenfluren (1,4 N / 100 m ) bieten wiederum nur wenigen Ameisenkolonien Nistmöglichkeiten. Offene, bultenreiche Flächen (Moos, Seggen) weisen erheblich höhere Nestdichten (59,7 N / 100 m2 ) auf als schattige Wald- standorte (27,5 N / 100 m2 ) oder einförmige Hochstaudenriede (< 1,4 N / 100 m2 ). Auf regel- mäßig gemähten Flächen nehmen die Zahl der Ameisennester, der Arten sowie die Koloniegröße der jeweiligen Arten erheblich ab. Führt die Sukzession hingegen zu einer sehr hohen Gras- schicht, zu starkem Schilfaufwuchs oder starker Beschattung durch Gehölze, dann verringert sich Nestdichte und Artenzahl ebenfalls. Betrachtet man hingegen einzelne Flächen (v.a. Übergangs- und Hochmoore), die vor 20 Jahren zahlreiche seltene und gefährdete Ameisenarten beherbergten und inzwischen durch Pflegemaß- nahmen - insbesondere Entfernung sämtlicher Moos- und Grasbulten durch maschinelle Mahd - erheblich verändert wurden, so zeigt sich 2001 ein völlig anderes Bild: S. karavajevi sowie H. sublaevis und deren Hilfsameisenart Leptothorax muscorum konnten im Mittleren Ried nicht mehr nachgewiesen werden. M. vandeli ist von allen ursprünglichen Nachweisstellen (5) bis auf eine einzige, nie gemähte verschwunden. Bei F. uralensis sind im Bereich der Mahdflächen (Ostrand Staudacher Bannwald) von ursprünglich 37 Nestern nur 2 übriggeblieben. Auf den seit über 50 Jahren nicht mehr gemähten Bracheflächen (Umfeld der Oggelshausener Wäldchen) nahm dagegen die Zahl der Nester von ursprünglich 200 auf 425 zu, die langsam fortschreitende Verbuschung bewirkte allerdings eine stärkere Ausbreitung in die Wiesen hinein. Die übrigen 54 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Arten scheinen auf Mahd weniger empfindlich zu reagieren und haben sich in ihren Beständen nur unwesentlich verändert. Wie vor 20 Jahren sind M. scabrinodis, F. transkaucasica, M. ruginodis und L. platythorax die häufigsten und am weitesten verbreiteten Ameisenarten im Moor.

Prognose zur weiteren Entwicklung der Moorameisenbestände Die Untersuchung hat gezeigt, daß nach überwiegend botanischen und ornithologischen Ge- sichtspunkten durchgeführte Pflegemaßnahmen unerwartet starke Auswirkungen auf das Vor- kommen bestimmter Ameisenarten haben. Infolge ihrer Nestgebundenheit (MÜNCH 1999) reagieren Ameisen viel empfindlicher auf mechanische Einflüsse als andere, solitär lebende Insekten. Eine Zerstörung von Bulten-Schlenken-Strukturen durch maschinelle Mahd bewirkt eine teilweise Vernichtung der darin vorkommenden Ameisennester. Daneben spielen die fortschreitende Verbuschung, Verschilfung, Düngung (v.a. aus der Luft) und der zu erwartende Anstieg des Grundwasserspiegels im Moor durch die Wiedervernässungsmaßnahmen ebenfalls eine wichtige Rolle. Ein zukünftiges Pflegekonzept sollte deshalb folgende Ameisenarten stärker berücksichtigen: 1. Formica uralensis benötigt ungemähte Wiesen an Gehölzrändern. Bleiben einschneidende Veränderungen in diesen Bereichen aus, dann ist eine weitere Vermehrung des Bestandes zu erwarten. Nach Aufgabe der Mahd sind auch auf ehemaligen Mähflächen wieder neue Zweigne- ster zu erwarten. 2. Formica transkaucasica besitzt stabile Populationen am Federsee trotz örtlichen Bestands- rückgangs auf gemähten Flächen. Spart man diese Hoch- und Übergangsmoorflächen zukünftig von einer regelmäßigen Mahd aus - die wegen der fortschreitenden Vernässung auch immer entberlicher wird - und führt diese nur noch mit leichten Balkenmähern durch, kann sich die Population sogar wieder vergrößern. 3. Myrmica gallienii besitzt ebenfalls stabile Populationen, da sich der größte Teil ihres Vor- kommens auf Flächen (meist Großseggenriede) beschränkt, die von jeglicher Pflege ausgenom- men sind. 4. Myrmica vandeli ist die am stärksten gefährdete Ameisenart am Federsee. Sollten die 2001 noch nachgewiesenen Nester die einzig verbliebenen im Federseeried sein, ist die Wahrscheinlich- keit groß, daß diese vom Aussterben bedrohte Art am Federsee unwiederbringlich verschwindet. Eine weitere Mahd muß im Areal dieser Art unbedingt unterbleiben. 5. Symbiomyrma karavajevi und Harpagoxenus sublaevis scheinen im Federseeried nicht mehr vorzukommen. Es bleibt zu prüfen, ob diese seltenen Arten noch in den benachbarten Mooren (Blinder See, Wildes Ried) zu finden sind, wo sie vor 20 Jahren noch nachgewiesen wurden (MÜNCH 1991). Wegen des geringen Kenntnisstandes über Moorameisenpopulationen sind im Sinne des Arten- und Naturschutzes, auch im Hinblick auf ein optimales Pflegekonzept, myrmekologische Unter- suchungen weiterer oberschwäbischer Moore dringend erforderlich.

Literatur

KLIMETZEK, D. 1977: Die Ameisenfauna des Naturschutzgebietes „Mindelsee“ (Hymenoptera: Formicidae). — Beitr. naturk. Forsch. Südw. Dtl. 36: 159-171 MÜNCH, W. 1980: Das Vorkommen von Formica uralensis im Federseegebiet. — Veröff. Natursch. Landschaftspfl. Bad.-Württ. 51/52(2): 681-690 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 55

MÜNCH, W. 1991: Die Ameisen des Federsee-Gebietes, eine Faunistisch-ökologische Bestandsaufnahme. — Diss. Univ. Tübingen 411 S. u. 404 S. Ergänzungsband MÜNCH, W. 1995: Vorkommen und Verbreitung der Ameisen im Gebiet des „Schmiechener Sees“. In HÖLZINGER, J. & G. SCHMID (Hrsg.): Der Schmiechener See - Naturkunde eines Naturschutzgebietes auf der Schwäbischen Alb, Teil 1: Geschichtlich-naturkundliche Beiträge. — Beih. Veröff. Natursch. Landschaftspfl. Bad.-Württ. 78: 435-475 MÜNCH, W. 1998: Die Ameisengesellschaften des Federseegebietes (Hymenoptera, Formicidae). — Beitr. Hyme- nopt.-Tagung Stuttgart [1998]: 26-28 MÜNCH, W. 1999: Ausgewählte Hautflügler: Ameisen. In Vereinigung umweltwissenschaftlicher Berufsverbände Deutschlands e.V. (Hrsg.): Handbuch landschaftsökologischer Leistungen - Empfehlungen zur aufwands- bezogenen Honorarermittlung. — Veröff. VUBD, Nürnberg 1: 216-230 MÜNCH, W. 2001: Untersuchung der Auswirkung von Landschaftspflegemaßnahmen auf die Moorameisenpopulation im NSG Federsee (Mittleres Ried). — Untersuchung 2001 i.A. Bezirksstelle Natursch. Landschaftspfl. Tübingen, 141 S. (unveröff.). MÜNCH, W. & W. ENGELS 1994: Vorkommen der Moor-Knotenameise Myrmica gallienii im Riedgürtel des Federsees (Hymenoptera: Formicidae). — Entomol. Gener. 19(1/2): 15-20 SEIFERT, B., unter Mitarbeit von: A. BUSCHINGER, W. DOROW, G. HELLER, W. MÜNCH &W. ROHE 1998: Rote Liste der Ameisen (Hymenoptera: Formicidae). In BINOT, M.; BLESS, R.; BOYE P.; GRUTTKE, H. & P. PRETSCHER: Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. — Schriftenr. Landschaftspfl. Natursch. 55: 130-133

Erste Befunde zur genetischen Diversität von Osmia rufa cornigera (= O. bicornis cornigera) in Sachsen-Anhalt (Megachilidae)

Karsten NEUMANN und Karsten SEIDELMANN Martin-Luther-Universität Halle, Institut für Zoologie, Domplatz 4, D-06099 Halle (S.), [email protected], [email protected]

Wildbienen sind wichtige Glieder terrestrischer Ökosysteme und die wichtigsten Bestäuber entomogamer Blütenpflanzen. In den letzten Jahren kam es zu einem merklichen Rückgang des Bestandes solitärer Wildbienen in unserer Kulturlandschaft, aber auch in naturnahen Ökosyste- men. Für die Abschätzung von Gefährdungen und Extinktionsrisiken als auch zur Bewertung des Einflusses der wirtschaftlichen Nutzung und weiträumigen Verfrachtung von Bienen auf autoch- thone Populationen wird dringend Grundlagenwissen über die genetische Variabilität und Dynamik von Wildbienen-Populationen benötigt. Die genetische Variabilität der Rote Mauerbiene, Osmia rufa cornigera (= O. bicornis corni- gera), eine in Europa weit verbreitete, polylektische und xylophile Megachilide, sollte daher beispielhaft analysiert werden. Als Methode für die genetische Untersuchung wurden Mikro- satelliten als kodominante Marker gewählt, da sie beide Allele eines Locus nachweisen und daher auch für Populationsanalysen sehr gut geeignet sind. Es wurden 7 Mikrosatelliten mit einem modifizierten Enrichment-Protokoll unter Verwendung von Biotin-markierten Mikrosatelliten- sonden der Motive (CA)22 ; (TC) 22 ; (GAA) 15 sowie (TAA) 11 entwickelt. Die Charakterisierung der Marker zeigte eine relativ niedrige Allelzahl. Die beobachteten Heterozygotiegrade der einzelnen Loci sind vergleichbar mit Befunden bei anderen Hymenopteren. Die genetische Variabilität von O.-rufa-Populationen in Sachsen-Anhalt wurde anhand von 5 Standorten mit Referenzproben aus Baden-Würtemberg, den Niederlanden und Zypern bewertet. Signifikante Variabilitäts-Unterschiede innerhalb der sachsen-anhaltinischen Populationen oder zwischen diesen und den übrigen europäischen O.-rufa-Proben konnten nicht nachgewiesen werden. Obwohl sich die Populationen deutliche bezüglich der vorhandenen Genotypen unterscheiden, 56 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) existieren nur relativ geringe Distanzen zwischen den sachsen-anhaltinischen und den übrigen europäischen Festlandspopulationen, was auf einen gewissen Genaustausch hinweist. Nicht unerwartet ist die etwas isoliertere Stellung der zypriotischen Population. Die Studie belegt auch für solitäre Wildbienen eine nur geringe genetische Variabilität über große geographische Regionen wie Europa. Die geringe genetische Varianz sowie die auffällige Kürze (kleine Repeat- zahl) der Mikrosatelliten deuten auf eine langsame Mutationsrate von Solitärbienen hin.

Diversität aculeater Wespen in einer kleinstrukturierten Agrarlandschaft

Doris NOTHAFT, Michaela HIRSCH & Volkmar WOLTERS Justus Liebig Universität, Gießen Institut für Tierökologie, Heinrich-Buff-Ring 26-32, IFZ, [email protected]

Einleitung Kleinstrukturierte Agrarlandschaften bieten durch ihr Mosaik an Mikro- und Makrohabitaten einen idealen Lebensraum für viele Insektengruppen. Davon profitieren besonders aculeate Wespen wie hypergäisch und endogäisch nistende, solitär lebende Faltenwespen, Grabwespen und die Familie der Wegwespen mit ihren jeweiligen Kuckuckswespen, denn sie benötigen ein kleinräumiges nebeneinander von geeigneten Nistmöglichkeiten, Vorkommen an Larvennahrung (Spinnen oder Insekten) und an Nahrung für adulte Tiere (vor allem Nektar). Da die Mosaik- struktur einer Landschaft sowohl durch natürliche Gegebenheiten als auch durch die Nutzung beeinflusst wird (WALDHARDT et al. 2000), wurde in der vorliegenden Studie der Einfluss der Exposition und der Nutzung auf den Artenreichtum und die Abundanz ausgewählter aculeater Wespenfamilien untersucht.

Material und Methoden Die Studie wurde in der Gemarkung Erda im Lahn-Dill-Bergland (Mittelhessen, Deutschland; 270 bis 385 m ü. NN) durchgeführt. Die mittlere Jahrestemperatur war 8°C, der mittlere Jahres- niederschlag betrug 700 bis 800 mm. Der Bodentyp variierte zwischen sandigem Lehm und lehmigem Sand. Es wurden jeweils 4 Flächen mit den Nutzungstypen Grünland, Acker und Ginsterbrache ausgewählt, davon waren je zwei Flächen nord- und zwei südexponiert. Von Mai bis August der Jahre 1997 und 1998 waren auf allen zwölf Flächen Dreierkombinations-Farb- schalen (weiß, gelb, blau) in Vegetationshöhe installiert. Diese Fallen wurden nach einer 7-tägi- gen Standzeit in zweiwöchigem Abstand geleert. Die statistische Auswertung erfolgte mittels zweifaktorieller ANOVA, mit Nutzungstyp sowie Exposition als unabhängige Variable und Artenzahl aller Wespen, bzw. Aktivitätsabundanz ausgewählter Gilden sowie aller Wespen als abhängige Variablen. Die Homogenität der Daten wurde mit dem Sen und Puri-Test überprüft. Für signifikante Ergebnisse wurde mit dem Post-hoc-Tukey-Test ein Mittelwertvergleich durchgeführt. Die Bildung der Gilden erfolgte zum einen nach der Larvennahrung und zum anderen nach der Nistweise. Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 57

Ergebnisse Insgesamt wurden 268 Individuen aus 64 Arten erfasst. Davon waren 139 Individuen und 48 Arten hypergäisch und 129 Individuen und 16 Arten endogäisch. Mit Hilfe der ANOVA ließ sich ein signifikanter Haupteffekt der Nutzung auf die Gesamtartenzahl und -abundanz der Wespen nachweisen (Tab. 1). Die Betrachtung der Nist-Gilden macht deutlich, dass sich dies vor allem durch die Förderung hypergäisch nistender Wespen auf Ginsterbrachen erklären lässt. Von den sechs Larvennahrungs-Gilden kamen parasitoide Arten sowie Arten die Spinnen bzw. Käfer als Larvennahrung benötigen auf Ginsterbrachen häufiger vor als auf Grünland und Acker. Ein schwach signifikanter Haupteffekt der Exposition ergab sich nur für die Arten- und Individu- enzahlen aller Wespen (Tab. 1). Der Mittelwertvergleich erbrachte auf südexponierten Flächen mehr Arten und Individuen als auf nordexponierten Flächen. Mit einer Ausnahme gab es keine signifikanten Interaktionen zwischen Nutzungstyp und Exposition. Einzig bei den Käferlarven- spezialisten war die positive Wirkung der Ginsterbrachen auf südexponierte Flächen beschränkt.

Tabelle1. Ergebnisse der zweifaktoriellen ANOVA zum Einfluss der Landnutzung und Exposition auf Artenreichtum, Abundanz und unterschiedliche Gilden der aculeaten Wespen. Datentransformation: x' = ln (x + 1), n = 264 Ind., n = 64 Arten. Farbschalenfänge Erda / Hessen, 1997/98. Nutzung Exposition Nutzung x Exposition Aculeate Wespen Arten insgesamt9,06 *** 3,10 * 0,60 Individuen insgesamt9,45 *** 3,25 * 1,36 Gilden Nistweisen (Ind.) hypergäisch11,57 *** 2,52 1,30 endogäisch 0,75 0,78 0,21 Gilden Larvennahrung (Ind.) Spinnen9,59 *** 1,07 0,44 Parasitoide5,19 ** 0,01 1,39 Käferlarven2,89 * 2,89 6,60 ** Fliegen 0,30 0,15 1,68 Blattläuse 1,85 0,17 0,74 gemischte LN 0,24 1,15 0,80 LN = Larvennahrung; *p (= 0,08 (schwach signifikanter Effekt); **p (= 0,01 (signifikanter Effekt); ***p (= 0,001 (deutlich signifikanter Effekt)

Diskussion Es wurden doppelt so viele hypergäische wie endogäische Arten nachgewiesen. Dies bestätigt, dass in Gebieten mit gemäßigtem Klima hypergäisch nistende Wespen dominieren (SCHMID- EGGER 1995). Dadurch lässt sich auch teilweise der positive Effekt der Ginsterbrachen auf aculeate Wespen erklären. Ginsterbrachen bieten mit ihrem reichen Angebot an Totholz und hohlen Pflanzenstengeln vor allem den hypergäischen Arten sehr gute Nistmöglichkeiten. Außerdem gibt es dort besonders viele Tiere, die als Larvennahrung benötigt werden (KNECHT et. al. 2000, LUDY et. al. 2000). Dies schafft ideale Bedingungen für Spinnen- und Käferlarven- spezialisten. Wegen der fehlenden anthropogenen Eingriffe ist das Blütenangebot (Nahrungs- ressource für adulte Tiere) auf Ginsterbrachen ebenfalls hoch und während der gesamten Brut- saison vorhanden. Entsprechend ihrer Wirte kamen auch parasitoide aculeate Wespen - be- sonders die Gegenspieler der Familien Eumenidae und Sphecidae - auf den Ginsterbrachen am 58 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) häufigsten vor. Als Beispiel sei die Art Chrysis cyanea als Parasitoid der Gattung Trypoxylon genannt. All dies weist auf den besonderen Stellenwert der Ginsterbrachen in der untersuchten Kulturland- schaft hin. Trotzdem sind auch die Nutzungstypen Grünland und Acker unentbehrlich. Allein 22 Arten kamen auf zwei oder allen drei Nutzungsflächen vor. Vermutlich dienen Grünland und Acker als Ausweichflächen, oder stellen einen Teillebensraum dar. Dies gilt insbesondere für größere, flugaktivere Arten, die Grünland und Acker als zusätzliches Nahrungshabitat nutzen. Obwohl aculeate Wespen wärmeliebende Tiere sind, hatte die Exposition der Flächen nur einen geringen Einfluss. Dies verdeutlicht, dass der starke Einfluss der Nutzung auf die Nistmöglich- keiten und die Larvennahrung durch die Exposition nur wenig verändert wird.

Literatur

KNECHT, C.; HIRSCH, M. & WOLTERS, V. 2000: Blütenbesuchende Käfer in einem Landnutzungsmosaik. — Agrarspec- trum 31: 180-188 (B 3.2) LUDY, C.; DAUBER, J. & WOLTERS, V. 2000: Diversität der Spinnenfauna in einem Landnutzungsmosaik. — Verh. Ges. Ökol. 30: 152 (B 3.2) SCHMID-EGGER, C. 1995: Die Eignung von Stechimmen (Hymenoptera, Aculeata) zur naturschutzfachlichen Bewertung am Beispiel der Weinberglandschaft im Enztal und im Stromberg (nordwestliches Baden-Württemberg). — Cuvillier Vlg., Göttingen WALDHARDT, R., FUHR-BOßDORF, K., SIMMERING, D & OTTE, A. 2000: Floristisch-phytologische Diversität einer peripheren Kulturlandschaft in Abhängigkeit von Landnutzung, Raum und Zeit. — Agrarspectrum 31: 121-147

Erste Erfahrungen mit Palmöl als Köder zum Fang bodenbewohnender Ameisen in Amazonien (Formicidae)

Christian RABELING1,2 & Manfred VERHAAGH 1 1Staatliches Museum für Naturkunde Erbprinzenstr. 13, D-76133 Karlsruhe, [email protected] 2Zoologisches Institut der Universität Tübingen, Lehrstuhl Entwicklungsphysiologie Auf der Morgenstelle 28, D-72076 Tübingen, [email protected]

Die Diversität bodenlebender Formicidae in neotropischen Ökosystemen ist noch wenig unter- sucht. Im Rahmen des SHIFT-Projektes ENV 52-2 werden bei Manaus, Brasilien, die Aus- wirkungen pflanzlicher Bestandesabfälle und der Einfluss der Bodenmakrofauna auf den Streu- abbau und die Nährstoffzyklen in zentralamazonischen Agrarökosystemen untersucht. Ameisen spielen, neben Termiten, Regenwürmern und Diplopoden, eine Schlüsselrolle im Boden, z.B. als Prädatoren, als Nährstoffeinträger und Belüfter des Bodens und z.T. auch als Streuverwerter. Um die abundante Bodenameisenfauna umfassend zu dokumentieren, kamen Berlese-Trichter (für Streu und Oberboden) und Winkler-Moczarski Gesiebeautomaten (für Streu), Barber-Fallen und Handfänge zur Anwendung. Zusätzlich wurden die von WEISSFLOG et al. (2000) in West Malaysia zum Fang von hypogäisch lebenden Treiberameisen (Dorylinae) eingesetzten Palm- ölköderfallen zum ersten Mal in einem neotropischen Ökosystem erprobt. Die Ölköder wurden in acht verschiedenen Habitaten auf dem Gelände der EMBRAPA-Amazônia Ocidental bei Manaus eingesetzt, darunter zwei in unterschiedlichen Primärwaldstandorten, in Sekundärwald (ca. 6 und 20 Jahre alt), in Polykulturen unter Kokospalmen (Cocos nucifera) und der Legumi- nose Pueraria phaselioides sowie in Monokulturen der Pfirsichpalme (Bactris gasipaes) und des Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 59

Gummibaums (Hevea brasiliensis). An den einzelnen Probenpunkten wurde die bestehende Vegetation und Laubstreu entfernt, danach 80 ml des Palmenöles oberflächlich auf das Substrat gegossen und mit einem Aluminiumdach gegen direkte Regeneinwirkung geschützt. Insgesamt wurden 80 Probennahmepunkte angelegt, die aus jeweils drei Einzelproben bestanden, zwei mit Palmöl, die dritte als Kontrolle ohne. Die erste Probe von jedem Probenpunkt wurde einen Tag nach dem Ausbringen des Öles genommen, die zweite jeweils sieben Tage danach, die Kontroll- proben wurden nach unterschiedlichen Zeiträumen entnommen. Insgesamt wurden so 240 Erdscheiben von 15 cm Dicke mit Hilfe eines Stechzylinders von 21 cm Durchmesser ausgesto- chen und die Makrofauna anschließend auf einer Berlese-Anlage ausgetrieben. In den Primär- und Sekundärwaldhabitaten konnten Ameisen von über 50 verschiedenen Gattun- gen nachgewiesen werden. Die Artenanzahl an den Ködern stieg im Vergleich zu den Kontroll- proben von durchschnittlich fünf auf acht an. Nur an den Ködern wurden bei den Gattungen Crematogaster, Labidus, Neivamyrmex, Pachycondyla, Pheidole und Solenopsis Individuenzah- len von mehreren Hundert Tieren gezählt. In 17% der Ölfallen (0% der Kontrollen) waren hypogäische Wanderameisen (Ecitoninae) der Gattungen Labidus und Neivamyrmex zu finden.

Literatur

WEISSFLOG, A., 2000, How to study army ants: a novel method for locating and monitoring field populations of the South Asian army ant Dorylus (Dichthadia) laevigatus SMITH, 1857 (Formicidae, Dorylinae) with observations on their ecology. — Insectes soc. 47: 317-324

Saisonalität und Präferenz des Neststandorts holznistender Bienen eines Tieflandregenwaldes im Nordwesten Costa Ricas

Rainer THIELE Universität Tübingen, Zoologisches Institut, Lehrstuhl Entwicklungsphysiologie Auf der Morgenstelle 28, 72076 Tübingen, [email protected]

Bienen der Gattung Centris (Apidae: Apinae: Centridini) sind wichtige Bestäuber vieler Blüten- pflanzen in tropischen Wald- und Savannenhabitaten. Um die Saisonalität sowie die Neststand- orts-Präferenzen der holznistenden Centris-Arten zu untersuchen, wurden 24 Nistbretter (mit je 80 Bohrungen; 4 verschiedene Durchmesser) in 12 Bäumen eingesetzt. In sechs toten und sechs lebenden Bäumen wurde jeweils ein Nistbrett in Bodennähe (1.5 m Höhe) sowie eines in der Kronenregion (21 - 37 m Höhe) installiert. Die Nistbretter wurden monatlich auf ihre Belegung mit Männchen, Weibchen und Nestern hin untersucht und gegen leere ausgetauscht. Die Unter- suchungen zur Neststandort-Präferenz wurden ein Jahr lang durchgeführt, während die Saisonali- täts-Studie mit lediglich sechs Nistbrettern in der Kronenregion von sechs toten Bäumen weitere 12 Monate fortgeführt wurde. Im Laufe der Studie wurden insgesamt 13 Bienenarten in den Nistbrettern nachgewiesen. Ausser sechs Centris-Arten (C. analis, C. bicornuta, C. dichrootricha, C. difformis, C. labrosa, C. vittata) fanden sich auch Apidae der Gattung Tetrapedia KLUG und Xylocopa LATREILLE sowie vier Megachiliden Arten in den Nistbrettern. Die häufigsten Nicht-Centridinen waren: Tetrapedia maura (Apidae: Tetrapedini), Xylocopa sp. (Apidae: Xylocopini) und Duckeanthidium thielei (Megachilidae: Anthidiini). Bei der gemeinsamen Analyse von Männchen, Weibchen und Nestern zeigten alle Arten eine deutliche Präferenz für die obere Kronenregion ($2 = 60.80, p < 0.0001). 60 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002)

Die grösste Akzeptanz von bodennahen Nistbrettern (17.2 %) zeigte Centris labrosa, eine Art, die bisher nur in Regenwäldern nachgewiesen wurde. Wurden ausschliesslich Nester analysiert, betrug der Anteil bodennaher Nester bei C. labrosa 48% im Gegensatz zu durchschnittlich 4.1 % bei den übrigen Arten. Die in dieser Studie gefundene Präferenz für die oberen, sonnen- exponierten Nistbretter kann auf das für Bienen besser geeignete Mikroklima in der oberen Baumregion zurückgeführt werden. Dies scheint im Wiederspruch zu den Ergebnissen zweier Studien im Trockenwald Costa Ricas zu stehen (FRANKIE et al., 1988; FRANKIE et al., 1993). Dort wurde gezeigt, dass der bevorzugte Nisthabitat-Typ die schattigeren und feuchteren Eichenwälder entlang der Flussläufe sind. Bei allen Arten mit Ausnahme von Duckeanthidium thielei wurden Nistbretter in toten Bäumen gegenüber denen in lebenden deutlich bevorzugt. Wahrscheinlich handelt es sich hier jedoch nicht um eine Präferenz, da in den toten Bäumen mit guter Belegung der Nistbretter schon vor der Installation eine hohe Anzahl an Bienen am Stamm beobachtet werden konnte. Vermutlich besteht hier eine höhere Besiedlungs-Wahrscheinlichkeit bedingt durch die räumliche Nähe zu bereits vorhandenen Nestern. Die Ergebnisse der Saisonali- täts-Studie ergaben für die Mehrzahl der auswertbaren Arten, C. analis, C. vittata, Tetrapedia maura und Xylocopa sp., eine ausgeprägte Saisonalität mit Abundanz-Maxima in der Regenzeit und einem deutlichen Minimum in der trockeneren Jahreszeit. Dieses Ergebnis widerlegt die ursprüngliche Annahme, dass Regenwald-Bienen im niederschlagsreichen karibischen Tiefland (durchschnittlich 3.962 mm pro Jahr in La Selva) in der Regenzeit die geringste Abundanz zeigen. Zu ähnlichen Ergebnissen führten auch die Untersuchungen von MORATO et al. (1999) in Amazonien bei Manaus. Das ausgeprägte Abundanz-Maximum in den Monaten Mai-August fällt in die Hauptblütezeit der Mehrzahl der Wirtspflanzen im Untersuchungsgebiet. Es ist anzunehmen, dass die Saisonalität der holznistenden Bienen keine direkte Adaptation an Regen- und Trockenzeit, sondern an die saisonale Verfügbarkeit der Nahrungsressourcen darstellt.

Literatur

FRANKIE, G.; L. NEWSTROM; S. B. VINSON & J. F. BARTHELL 1993: Nesting habitat preferences of selected Centris bee species in Costa Rican dry forest. — Biotropica 25: 322-333 FRANKIE, G. W.; S. B. VINSON; L. NEWSTROM & J. F. BARTHELL 1988: Nest site and habitat preferences of Centris bees in the Costa Rican dry forest. — Biotropica 20: 301-310 MORATO, E. F.; M. V. B. GARCIA & L. A. DE O. CAMPOS 1999: Biologia de Centris FABRICIUS (Hymenoptera, Anthopho- ridae, Centridini) em matas contínuas e fragmentos na Amazônia Central. — Revista Bras. Zool. 16: 1213-1222 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) 61

Wie teilen sich Heriades truncorum und Colletes daviesanus auf zwei Asteraceen-Arten die Ressource Pollen auf?

Renate TIETZ & Dieter WITTMANN Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Institut für Landwirtschaftliche Zoologie und Bienenkunde Melbweg 42, D-53127 Bonn, [email protected] Heriades truncorum (Apidae: Megachilinae) und Colletes daviesanus (Apidae: Colletinae) sind oligolektische, auf Asteraceae spezialisierte Arten. Im Untersuchungsgebiet NSG „Kiesgrube Dünstekoven“ bei Bonn bevorzugen sie als Pollenquellen Tanacetum vulgare (Rainfarn) und Senecio spec. (Kreuzkraut). Die 6-8 mm große H. truncorum sammelt und transportiert Pollen mittels einer Bauchbürste, C. daviesanus (7-9 mm) mit Hilfe der Beine. Die Flugzeit der Arten beginnt Mitte Juni und endet Mitte August (Colletes) bzw. Mitte September (Heriades). Wie teilen H. truncorum und C. daviesanus die Ressource Pollen untereinander auf? Von Juni bis August 2000 und 2001 wurde das Verhalten der beiden Arten beim Blütenbesuch unter anderem anhand von Video-Filmaufzeichnungen untersucht. Es stellte sich heraus, dass H. truncorum sowohl auf Tanacetum als auch auf Senecio Pollen sammelt, aber Senecio bevorzugt (76,12 %). C. daviesanus sammelt fast ausschließlich auf Tanacetum Pollen (98 %). Beide Bienenarten landen in der Blütenmitte und berühren die Narben dabei mit den Tarsen und der Körperunterseite. Bienen beider Arten sind daher Bestäuber für Tanacetum und Senecio. Zur Fremdbestäubung kommt es allerdings lediglich bei der Landung auf einer Infloreszenz, jedoch nicht während der Pollensammel-Läufe auf dem Blütenteller. Diese Fremdbestäubungen werden durch den Blütenaufbau gefördert: Die Pollenpräsentation erfolgt kreisförmig von außen nach innen, die anschließende Narbenpräsentation folgt demselben Schema. Es kommen also reife Antheren neben empfangsbereiten Narben auf einer Blüte vor. Da die beobachteten Bienenarten mindestens halb so groß wie die von ihnen besuchten Blüten sind, berühren sie mit ihrem Körper zwangsläufig immer empfangsbereite Narben oder reife Staubbeutel. In Bestäubungsexperimen- ten wurde festgestellt, dass bei Tanacetum eine Selbstbestäubung nicht zu einem Samenansatz führt. Für Senecio muß dies noch überprüft werden. Derzeit wird in Flugkäfigen geprüft, ob es bei der Aufteilung des Pollens unter den beiden Bienenarten zur Konkurrenz kommt.

Insect induced Galls in Taiwan

Jeng-Tze YANG12, Sue-Yen YANG & Ming-Yih CHEN 1 1Deptartment of Entomology, National Chung-Hsing University, Taichung, Taiwan 402 2Deptartment of Botany, National Chung-Hsing University, Taichung, Taiwan 402 Taiwan is located in South China Seas, and on the arc of western Pacific Ocean. To the bio- geography, it is on the intermediate zone of Oriental and Palaearctic regions. This small (36,000 km2 ) and mountainous island covered by forest in about 60 percent of the island of Taiwan and thus constitute the predominant forest ecosystem. There are 255 kinds of insect-induced galls induced on 150 plant species have been found in Taiwan during 1994-2000. As the result, 97% insect galls were found in angiosperm, in which the top two families are Lauraceae and Faga- ceae. The gall makers of 130 types among the 200 forms of insect galls collected in Taiwan were identified in family level. They belong to 5 orders and 10 families of Insecta. The interaction between the plant genus Ficus and the fig wasps shows the evolutionary congruence in between 62 Beitr. Hymenopt.-Tagung Stuttgart (2002) plants and insects. Diptera, Homoptera and Hymenoptera are major groups to make of the gall maker insects. Two families of hyme- nopteran gall makers that are fig wasps, Agaonidae on Ficus spp. and the gallwasps, Cynipidae on Fagaceae. Cynipidae is much higher in percentage of the gall types than that of Agaonidae. There are 24 species of Fagaceae were found as galling plants in Tai- wan. Table 1. The gall making insects and the numbers of gall types in Taiwan. Order (Super-)Family Gall types % Diptera Cecidomyiidae 84 65 unknown 4 3.0 Hymenoptera Agaonidae 1 0.7 Cynipidae 16 12 Homoptera Pemphigidae 2 1.5 Psyllidae 10 7.6 Aphidoidea 3 2.3 Coccoidea 2 1.5 Coccidae 3 2.3 Hormaphidae 1 0.7 Lepidoptera Lyonetiidae 2 1.5 unknown 1 0.7 Figure 1. Localities for insect gall collections of Taiwan Coleoptera Curculionidae 1 0.7 which were collected during 1994-2000.

Figure 2. Some plant galls induced by wasps on some tree species in Taiwan. (A) bud gall of Pasania glabra; (B) leaf gall of Quercus variabilis; (C) leaf gall of Q. variabilis; (D) stem gall of Q. variabilis.

ISBN 3-00-010088-1