Berichte aus den Arbeitskreisen

von alleine durch Verschleppung und Ver - nachdem zuvor lediglich ein Fundort im süd - driftung von Frankreich aus in den Kartoffel - westlichen Saarland aus dem Jahr 1985 feldern Englands eingetroffen, worauf bei bekannt war. jedem Fund vermutet wurde, es handle sich Der Schlammschwimmer gehört zu der um den Einsatz der „deutschen Käferbom - artenarmen Familie der Hygrobiidae , die be“, und in aller Heimlichkeit wurden Schul - weltweit nur noch aus China und Australien klassen eingesetzt, um die Käfer einzusam - bekannt sind. In Europa erstreckt sich sein meln. Anscheinend waren außerdem Hauptverbreitungsgebiet von Westeuropa gezüchtete Käfer aus den USA zur weiteren über Südwesteuropa bis ins nördliche Afrika Untersuchung nach England gebracht wor - hinein. Für die BRD war nach 1900 ein bestän - den, was zu obigen Fehlinformationen der diger Rückgang zu verzeichnen ( KLAUSNITZER Spione führte. Ob die Art tatsächlich in der 1996), seit einigen Jahrzehnten wird er Lage ist, von alleine über den Ärmelkanal zu Abb. 1: Vorderer Rücken und Kopf des jedoch wieder öfter gefunden. In Deutsch - fliegen, wurde auch später noch heftig dis - Schlammschwimmers. land besiedelt die Art vornehmlich das Nord - kutiert ( HURST 1970). westdeutsche Tiefland und die westlichen Nach dem Krieg führten die Gerüchte weiter standen annähernd 50 unterschiedlich Mittelgebirge. Schwerpunkte bilden dabei ein fröhliches Eigenleben. Noch 1950 gestaltete Tümpel und Teiche. Bereits im das nördliche Rheinland und in jüngerer Zeit beschuldigte der Landwirtschaftsminister Jahr 2002 untersuchte WERTH (2002) die auch das westliche Niedersachsen mit Bre - der DDR die Amerikaner, sie hätten Kartof - Tümpel südlich von Steinfeld und Kapswey - men. Zuletzt kamen auch Nachweise in Ham - felkäfer aus getarnten Flugzeugen über Ost - er. Im Jahr 2012 erfolgte eine erneute Unter - burg und Schleswig-Holstein hinzu. deutschland abgeworfen. Auch hier fällt suchung der Stillgewässer im Rahmen meh - Hy grobia hermanni wird etwa 1 cm groß. In das Ganze zeitlich mit dem natürlichen Aus - rerer Bachelorarbeiten durch Studenten des Seitenansicht ähnelt er aufgrund seines dick- breitungs- und Verschleppungsprozess der KIT (Karlsruher Institut für Technologie, u.a. linsenförmigen Umrisses überdimensionier - Käfer zusammen. ZITTEL , 2012). Bei diesen Arbeiten wurde der ten Halipliden, das sind kleine Käfer aus der (Manuskriptauszug aus dem geplanten Schlamms chwimmer Gruppe der „Wassertreter“. Im Gegensatz zu Buch „Die Blattkäfer Baden-Württem - (FABRICIUS , 1775) in drei benachbarten Tüm - seinen direkten Verwandten, den bergs“) peln südlich Steinfeld nachgewiesen „Schwimmkäfern“ wie beispielsweise dem (21.5.2012, 1 adultes Exemplar leg. et det. Gelbrand, bewegt er die Hinterbeine abwech - Literatur KITT ; 28.5.2012, 1 adultes Exemplar und 2 selnd wie die „Wassertreter“, wodurch eine GARRETT , B. C. (1996): The Colorado Goes Larven, leg. et det. ZITTEL ). rudernde Vorwärtsbewegung entsteht. to War. Historical Note No. 2. – Chemical Der Wasserkäfer war den Verfassern für die Die Art bewohnt bevorzugt stehende, Weapons Convention Bulletin 33 (Fall): 2 – 3. Pfalz bisher unbekannt. Nachforschungen schlammige Gewässer geringer Tiefe auf HURST , G. W. (1970): Can the Colorado Potato ergaben, dass bereits F. KÖHLER im Jahr 2006 Sandboden ( FREUDE et al. 1971, KLAUSNITZER Beetle fly from France to England? – Entomol. am 25. Mai zwei Exemplare in einem Tümpel 1996) oder auch Lehm ( KOCH 1989) und wird monthly Mag. 105: 269 – 272. des Naturschutzverbandes Südpfalz bei der als thermophil mit Bindung an meso- bis KRAUSS , F. VON (1879): Beiträge zur Fauna Würt - Haardtmühle/Kandel fand. Im Jahr 2010 eutrophe, pflanzen- und detritusreiche tembergs. 7. Verdächtige Coloradokäfer. – Jh. gelangen J. KÖHLER am 14. November Funde Gewässer eingestuft ( HESS et al. 1999). Nach Ver. vaterl. Naturk. Württ. 35: 351 – 353. von ca. 10 Tieren in einem Tümpelkomplex im mehreren Autoren (zitiert in KLAUSNITZER Bereich der Waldäcker bei Schaidt (schriftl. 1996) sollen neu angelegte und pflanzenar - Dr. Michael Hassler, Bruchsal Mitt. F. KÖHLER ). Im benachbarten Saarland me Teiche schnell besiedelt werden. Die Art - wurde die Art an der Grenze zur Pfalz im Jahr vorkommen sind offenbar stark von Wärme - 2007 nachgewiesen ( LILLIG & POTEL 2008), perioden abhängig. Der Schlammschwimmer Hygrobia hermanni (FABRICIUS , 1775) neu in der Pfalz

In der südpfälzischen Bruchbach-Otter - bach-Niederung zwischen Weissenburg und Kandel – auch als Oberer Viehstrich bekannt – wurden in den letzten 20 Jahren zahlreiche neue Stillgewässer angelegt, nachdem im Laufe des 20. Jahrhunderts nahezu alle Feuchtbiotope vernichtet wor - den waren. In Zusammenarbeit örtlicher Naturschutzvereine („Verein zum Schutz des Weißstorchs Viehstrich e.V.“; „Natur - schutzverband Südpfalz“) mit der Biotop - betreuung des Landes Rheinland-Pfalz ent - Abb.2: Seitenansicht.

POLLICHIA-K urier 29 (2) – 2013 - 15 - Berichte aus den Arbeitskreisen

Wegen des geringen Schwimmvermögens Bestände an Laichkraut ( Potamogeton bewegt sich Hygrobia hermanni meist unter natans ) und teils dichte Schlammauflagen Wasser an Substraten entlang laufend fort. geprägt. Zusätzlich finden sich im westlichen Die Eier werden an Wasserpflanzen in einer Gewässer Bestände des Teichfadens ( Zanni - Gallerthülle abgelegt. Die Larve – leicht chellia palustris ), stellenweise auch Wasser - erkennbar an den drei langen Schwanzan - schlauch ( Utricularia vulgaris ) und Tannen - hängen sowie Tracheenkiemen an der Unter - wedel ( Hippuris vulgaris ), im mittleren und seite von Brust und Hinterleib – verpuppt sich östlichen Gewässer dichte Herden von Arm - an Land in kleinen Bodenhöhlen, wo auch die leuchteralgen ( Chara sp .). Überwinterung des fertigen Käfers stattfin - Die Vorkommen des Schlammschwimmers in det. Beide Formen ernähren sich räuberisch der Bundesrepublik Deutschland haben sich vor allem von Zuckmückenlarven und in den vergangenen zwei Jahrzehnten offen - Schlammröhrenwürmern. sichtlich vergrößert. Von seinem Besied - Eine Besonderheit stellt das gut ausgebildete lungszentrum, dem Rheinland, aus hat er sich Stridulationsorgan dar, eine geriffelte Fläche in Richtung Norden nach Niedersachsen, auf der Unterseite der Flügeldecken, gegen Hamburg und Schleswig-Holstein sowie Abb. 3: Larve. die eine Kante des Hinterleibs bewegt wird, nach Süden Richtung Pfalz und Saarland aus - wodurch ein lautes Geräusch entsteht. gebreitet. Die Angaben von KLAUSNITZER fer s.I.), Bearbeitungsstand 1997. – In: BINOT , WESENBERG -L UND (1943) schreibt: „ Sein (1996) lassen den Schluss zu, dass die wärme - M., B LESS , R., B OYE , P., G RUTTKE , H. & P. P RETSCHER „Gesang“ ist so laut und so wohl bekannt, liebende Art bis Anfang des 20. Jahrhunderts [Hrsg.]: Rote Liste gefährdeter Tiere Deutsch - dass in England die Tiere unter der Bezeich - in Deutschland noch verbreiteter war. Die lands. – In: Bundesamt für Naturschutz [Hrsg.]: nung „squeakers“ auf dem Markt von Covent Rückgänge im Laufe des letzten Jahrhunderts Schriftenreihe für Landschaftspflege und Garden verkauft werden “. Ein Artikel im fallen einerseits mit einem enorm starken Naturschutz, Heft 55: 175-178; Bonn – Bad HAMBURGER ABENDBLATT vom 24.8.2010 bestä - Rückgang der Lebensräume durch Meliorati - Godesberg. tigt diese Aussage. Während einer Kinderex - on und Entwässerung zusammen, anderer - HESS , M., SPITZENBERG , D., BELLSTEDT , R., HECKES , kursion des NABU wurde Hygrobia hermanni seits war vor allem die Mitte des 20. Jahrhun - U., HENDRICH , L. & W. SONDERMANN (1999): bei Stormarn nördlich von Hamburg in großer derts durch deutlich ungünstigere Klimaver - Artenbestand und Gefährdungssituation der Zahl entdeckt. Der Käfer wurde von den Kin - hältnisse geprägt, die somit einen flächen - Wasserkäfer Deutschlands, Coleoptera : dern „Quietschkäfer“ getauft, da er bei haft wirksamen Faktor darstellten. Seit Hydradephaga , part., Dryopi - Berührung so ulkige Geräusche machte. Beginn der 90er Jahre mehren sich die über - dea part., Microsporidae , , Scirti - Der Schlammschwimmer gilt bundesweit als durchschnittlich warmen Jahre. Diese Wir - dae . – Naturschutz und Landschaftsplanung gefährdete Art ( GEISER 1998). In den östlichen kung macht sich in ohnehin schon klimatisch 31: 197-211; Stuttgart. Teilen der BRD (Brandenburg, Berlin, Sach - begünstigten Regionen wie der Oberrhein - KLAUSNITZER , B. (1996): Käfer im und am Wasser, sen, Sachsen-Anhalt) sowie in Bayern gilt sie ebene besonders bemerkbar. Gleichzeitig 2. überarbeitete Auflage. – Die Neue Brehm als ausgestorben, in Mecklenburg-Vorpom - wurden aber auch die entsprechenden Bücherei, 200 S.; Magdeburg, Heidelberg. mern als vom Aussterben bedroht. Gefährdet Lebensräume wieder hergestellt. Es lässt sich KOCH , K. (1989): Die Käfer Mitteleuropas. Öko - ist die Art in Schleswig-Holstein, in Nieder - nicht sagen, welchen Anteil an der Ausbrei - logie 1.- Krefeld, 440 + 145 S. sachsen gilt sie als ungefährdet (Internetre - tung dieser Käferart (und auch anderer selte - LILLIG , M. & S. POTEL (2008): Hygrobia hermanni cherche). Für Nordrhein-Westfalen, Hessen, ner, wärmeliebender Arten) der jeweilige (FABRICIUS, 1775) im Saarland ( Coleoptera , Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Faktor hat. Sicher aber ist, dass ohne das Vor - Hygrobiidae ). - Mitt. Arb.gem. Rhein. Koleop - existieren keine Roten Listen der Wasserkäfer. handensein geeigneter Gewässer auch güns - terologen, Ausgabe 18 (1-4), S.81-86. Bonn. LILLIG & POTEL (2008) führen alle Funde des tigste Klimaverhältnisse nicht viel zur Arealer - WERTH , C. (2002): Faunistische und wasserche - Rheinlandes auf, unter denen sich auch drei weiterung des Schlammschwimmers hätten mische Erstuntersuchungen an sekundären ältere Nachweise aus Rheinland-Pfalz (Trier, beitragen können. Stillgewässern der Südpfalz. - Diplomarbeit Koblenz, Kastellaun) befinden. Für die Pfalz Das Beispiel von Hygrobia hermanni zeigt die Universität Karlsruhe. war der Fund von F. KÖHLER aus dem Jahr 2006 Wichtigkeit und die Notwendigkeit auf, wei - WESENBERG -LUND , C. (1943): Biologie der Süss - der erste Nachweis. terhin an der Entwicklung und Neuschaffung wasserinsekten. – (Kopenhagen, Berlin, Wien) Bei den Fundgewässern südlich von Steinfeld verschiedenster, strukturreicher Lebensräu - Reprint 1989; 682 S.; Königstein. handelt es sich um drei benachbarte Tümpel me zu arbeiten, sowohl seitens des behördli - ZITTEL , M. (2012): Untersuchung anthropoge - mit Abmessungen von ca. 15 x 20 m, die Ende chen als auch seitens des ehrenamtlichen ner Stillgewässer der Südpfalz hinsichtlich der der 1990er Jahre angelegt wurden. Die Was - Naturschutzes. Besiedlung durch Coleoptera , Heteroptera sertiefe beträgt bis zu 1,5 m. Das Wasser ist und Crustacea . – Bachelorarbeit am Karlsruher klar, der Untergrund sandig. Die Ufer sind Institut für Technologie. weitgehend mit Schilf und Seggen bewach - Literatur sen, stellenweise finden sich Weidengebü - FREUDE , H., HARDE , K.W. & G.A. LOHSE (1971): Matthias Kitt, Minfeld sche. An einem der Tümpel wächst auf dem Die Käfer Mitteleuropas. 3. Band.- Goecke und Maike Zittel, Karlsruhe sandigen Flachufer ein größerer Bestand der Evers, Krefeld. (Fotos: M. Kitt) bestandsbedrohten Salzbunge ( Samolus GEISER , R. (1998): Rote Liste der Käfer ( Coleop - valerandi ). Alle drei Tümpel sind durch große tera ); Hydradephaga & Palpicornia (Wasserkä -

POLLICHIA-K urier 29 (2) – 2013 - 16 -