1/2017 • Deutschland 7 € • Österreich 7,90 € • Schweiz sFr 12,60 4197171 207003 01

Spezial 1 2017 classic

Waldarbeit Sitka Spruce – das Edelholz des Nordens Wissen Farben & Lacke richtig verarbeiten

Werkstatt Schäden am Holzboot selbst ausbessern Schwerpunkt Weltliteratur Jack Londons Reise Best of Britain mit der „Snark“ Menschen, Yachten, Abenteuer: Was die Klassikerszene auf den Inseln so besonders macht • Dänemark DKK 70,00 € • Spanien 9,20 € • Italien 9,20 € Sitka Spruce Robin Knox-Johnston Charles Nicholson Wayfarer-Jolle Porträt „Senta“ O-Jolle Wissen: Farben & Lacke Porträt „Senta“ O-Jolle Wissen: Farben & Lacke Sitka Spruce Robin Knox-Johnston Charles Nicholson Wayfarer-Jolle BeNeLux 8,30 4 INHALT classic

Großbritannien und Irland sind Teil der Britischen Inseln. Wir widmen der dortigen Klassikerszene unseren Schwerpunkt 1–2017 Ab Seite 38

SCHWERPUNKT BRITISCHE INSELN

38 Robin Knox-Johnston sinniert über seine Empfindungen für „Suhaili“ und warum es lohnt, Klassiker zu retten

44 Peter Gregson – der Spezialist erklärt die Eigenheiten der britischen Klassi­ ker szene und warum es immer Kunden für seine alten Holzboote geben wird

48 Charles E. Nicholson im Porträt. Die zwei Seiten des Yachtdesigners: Ästhet und „Naughty Boy“

56 Ann Davison und ihr Boot: die Wiedergeburt der „Felicity Ann“

64 Nic Compton nähert sich der wohl ältesten Einheitsklasse überhaupt – 6 18 90 den irischen Dublin Bay Water Wags 98 110 Fotoessay John Lammerts van Bueren Jack Londons Reise mit der „Snark“ Familienangelegenheit 80 Jahre O-Jolle 72 Frank Dye befuhr den Nordatlantik in Die klassischen 22er-Schären- In der Klassikerszene hat sich Als maritime Literatur wird es bis heute kaum wahrge- Generationswechsel gehören Ihr Name verrät es – die Jolle einer Jolle. Seine irrwitzige Geschichte kreuzer trugen auf der Flens- der quirlige Holländer einen nommen – obwohl das Epos „Die Reise mit der Snark“ an Bord der „Senta“ quasi zur mit dem olympischen Ring im burger Förde vor Glücksburg Namen als Berater für extra- den authentischen Bericht über eine fast zwei Jahre wäh- Routine. Schon seit Beginn Segel wurde für Großes ge­ ihren World Cup aus. 16 Crews vagante Restaurierungspro- rende Reise auf dem Pazifik liefert. Geschrieben wurde der dreißiger Jahre ist die schaffen. Und noch heute aus fünf Nationen kämpften jekte gemacht. Achter-Segler es vom prominentesten Autor jener Tage, nach den Auf- 32 Meldungen Spreizgaffelketsch ein iden­ wird sie mit dem Licht der in­ bei optimalen Bedingungen auf kennen ihn als langjährigen zeichnungen, die er seit der Abfahrt aus Kalifornien 1907 Nachrichten und Projekte titätsstiftender Teil der Familie ternationalen Sportbewegung hohem Niveau um Silber – Prä sidenten der internationalen regelmäßig an Bord verfasste. Über ein Unternehmen, Schmidt. Mit Isabelle (o.) in ansonsten düsterer Zeit in die Veranstaltung war Teil des Klassenverei nigung. Dass er das so haarsträubend anmutet, als wäre die gesamte 108 FKY übernimmt jetzt das zweite Verbindung gebracht. Seither Robbe&Berking Sterling Cup. als weltweit gefragter Spezia- Erzählung frei erfunden. Doch die Ansammlung von Restaurierungspreis 2016, Symposium Mitglied der vierten Genera­ hat sie nichts an Popularität Niko Krauss war mit der Ka- list für das kostbare Holz der Pleiten, Pech und Pannen, die bereits mit dem Bau der und „Segeln – Lieben – Bewahren“ tion das Ruder. Doch das ist eingebüßt; 80 Jahre nach mera ganz nah am Geschehen Sitka-Fichte eine Parallelwelt in „Snark“ begannen, sind Jack London und seinen Mit- nicht die einzige Besonder­ ihrem Debüt bei den Spielen und hat den Zauber der ra- Kanada aufgebaut hat, ist hin- seglern so widerfahren, wie der Abenteurer sie schildert. 118 Rat und Tat heit des prominenten Klassi­ vor Kiel wird die Olympia­ santen „Torpedos aus Holz“ gegen weniger bekannt. Unser Von Wassereinbrüchen und Überfällen bis hin zu diver- Wo Eigner Hilfe finden kers. Ein Bordbesuch gibt Jolle in einer starken Klassen­ eingefangen Autor Dieter Loibner hat ihn sen Seuchen und Krankheiten, die London und seine Einblicke in die bewegte und vereinigung von Jung und Alt vor Ort in seinem Sägewerk mitsegelnde Frau Charmian schließlich zur Aufgabe des 122 Werkstatt bewegende Geschichte der gesegelt und gefeiert. Über besucht und das Porträt eines Plans zwingen, mit der „Snark“ um die Welt zu segeln Wie kleinere Blessuren in Eigenregie extravaganten Yacht das Phänomen einer Kon­ Mannes gezeichnet, dessen ausgebessert werden können struktion, der solch ein lang­ Persönlichkeit die Weite der anhaltender Erfolg anfangs

Wahlheimat widerspiegelt Surkow; Zeichnung: H. Bodendieck: Karte: YACHT Krauss, YACHT-Archiv/F. Light, YACHT/N. N. Krauss, YACHT/K. l. n. r.): Fotos (v. 130 Leserbriefe/Impressum gar nicht zugetraut wurde

Titelfoto Niko Krauss war schon oft in Sachen Klassiker auf den Britischen Inseln unterwegs. Anlässlich der Fife-Regatta 2013 lichtete er die „Mignon“ von William Fife III auf dem Loch Riddon an der schottischen Westküste ab 6

Fotos: Fotografennamen (o. r.), Name (u. l.)

Fotos: Fotografennamen (o. r.), Name (u. l.) Vor Glücksburgtrugendie22er-Schärenkreuzer SCHLANK &SCHÖN World Cupaus.Tage vollerPoesiederBewegung 22ER-WORLD-CUP ihren Ein Foto-Essayvon Nico Krauss FOTOESSAY 7 48 CHARLES NICHOLSON PORTRÄT 49

Ob am Zeichentisch oder auf dem Wasser, ohne Krawatte ist Nicholson nicht anzutreffen

Erfolg auf allen Linien

Die Karriereleiter im väterlichen Werftbetrieb war für ihn nicht vorgesehen. Charles E. Nicholson bestieg sie trotzdem – und brillierte Reproduktion aus: „Camper & Nicholsons – Two Centuries of Yacht Building“ Ian Dear & Jeremy Lines (l.), Camper&Nicholsons Archives/“The Yachtsman“, 1891 (r.) Building“ Ian Dear & Jeremy Lines (l.), Camper&Nicholsons Archives/“The Yachtsman“, Centuries of Yacht Reproduktion aus: „Camper & Nicholsons – Two 72 RÜCKBLICK FRANK DYE 73

as Objekt, an dem sich die Geister rieben, hängt frei- schwebend in der großen Halle des Museums. Selbst wer oben auf der Galerie steht und seinen Arm lang macht, kommt nicht heran, kann es nicht berühren. An dün- nen DrahtseilenD schwebt die „Wanderer“ in fünf, sechs Meter Höhe, neben vielen anderen kleinen Segelbooten, die Ge- schichte geschrieben haben. Ihnen widmet das National Ma- ritime Museum of Cornwall in Falmouth gleich eine ganze Ausstellung – einen Saal, der so groß ist wie eine Werft. In der Sammlung all der hübschen Jollen sticht eine heraus. Nicht wegen ihres hellblauen Freibords, nicht wegen des noch immer hellgrün gepönten Unterwasserschiffs, nicht wegen des spitzen Schwerts, das wie eine umgekehrte Orca- Flosse nach unten zeigt. Die Jolle namens „Wanderer“, die da mit und den beiden alten Segeln voll aufgeriggt im Mu- seum von der Decke baumelt, fällt heraus, weil sie ein Unikum ist. Weil sie für eine britische Heldengeschichte steht, für ein verschrobenes Stück Wahnsinn, für den wiederholten Ritt zwischen Leben und Tod – und somit auch für Fragen, über die bis heute viele diskutieren. Was darf der Mensch? Was ist sein Leben wert? Wo endet das Abenteuer – und wo beginnt das Spiel mit dem Tod? Dieses legendäre Segel-Dinghy entfachte einst hitzige Diskussionen, die über das Segeln hinausgingen. Dabei ist die Jolle der Wayfarer-Klasse eine Winzigkeit: gerade mal 4,83 Me- ter lang, 1,85 Meter breit, mit einer Masthöhe von 6,88 Metern und 13 Quadratmeter Segelfläche, bei lächerlichen 170 Kilo- Was darf gramm Eigengewicht. Ein Knickspanter, 1957 von entworfen als Schul- und Wanderjolle, um auf Seen zu segeln, in Küstennähe bei leichten Winden. der

och Maße sind weniger entscheidend als das, was D man mit ihnen anstellt. Und spätestens hier kommt Mensch? Frank Dye ins Spiel, ein schlanker, drahtiger Mann mit über- dimensionierter Brille auf der Nase. Ein 1928 in Norfolk ge- borener Brite, der nunmehr seit sechs Jahren tot ist; ein Auto- Hart im Nehmen: Vorschoter Bill Brockband händler, der in die Segelgeschichte einging, der gefeiert und Mit Nordatlantikreisen in seiner bei Sturm auf dem Nordatlantik. Das Rigg verdammt wurde; ein britischer Haudegen und Wahnsinns- Wayfarer-Jolle stieß Frank Dye in haben die Jollensegler gelegt, um die Kenter- segler im Wortsinn; ein Lebenskünstler vielleicht, ein mit vie- den sechziger Jahren eine öffent­ gefahr in den riesigen Seen zu reduzieren len Wassern gewaschener Abenteurer auf jeden Fall. Berühmt und berüchtigt wurde er, weil er mit seiner besagten Jolle na- liche Diskussion an. Bis heute steht mens „Wanderer“ Dinge unternahm, bei deren Vorstellung das Museumsstück „Wanderer“ für allein die meisten seekrank werden. Weil er mit seinem kleinen das ganz Große im winzig Kleinen Segelboot Sachen machte, für die er lebte und die er liebte. Mit seiner Nussschale brach Dye vor über 50 Jahren zu Fahr- ten auf, für die ihn einige bis heute verehren, während andere ihn schlichtweg für verrückt erklären. Dye begann mit dem Segeln, als er Anfang 30 war. 1958

Foto: National Maritime Museum Cornwall kaufte er sich eine erste von mehreren Wayfarer-Jollen. Er JACK LONDON LITERATUR 91

Der Fluch des Pazifiks

Jack London starb vor 100 Jahren. Er wurde nur 40 Jahre alt, doch seine Geschichten sind unsterblich. Wie die zweijährige „Reise mit der Snark“, in der London seinen unheilvollen Törn nach Australien beschreibt

ls ob er nicht schon genug Abenteu­ er erlebt hätte. Jack London, der Sohn einer Arbeiterfamilie, der Goldschürfer. Jack London, der Austernpirat, der Vagabund und fa­ natische Buchstabenkämpfer. Mit acht Jahren begann er zu trinken, mit zehn landete er das erste Mal in der Gosse. Er prügelte sich mit Hafenarbeitern und besorgte Asich in der San Francisco Bay bald sein eigenes Boot. Mit 15 raubte er die Austernbänke vor der Küste aus, machte gutes Geld, versoff es wieder. Auch das war er: ein Reiter der Rasier­ klinge, ständig auf der Kippe zwischen Triumph und Tragödie. Auf einem Robbenfänger heuerte London auch irgend­ wann an, segelte damit in die Beringsee und holte sich so die Inspiration für den Roman „Der Seewolf“. Kaum 20 Jahre alt, verschlug es ihn während des großen Goldrauschs 1897 nach Alaska, doch reich wurden andere. Glück­ und goldlos kehrte er zurück nach Kalifornien. Seine Taschen mögen leer gewesen sein, doch sein Kopf war voller Geschichten. Über Alaska no­ tierte er im Rückblick: „Da oben redet keiner. Jeder denkt. Du kriegst deine Perspektive. Ich bekam meine.“ Bald darauf brachte er sich das Schreiben bei, womög­ Illustriert von lich sein unerbittlichster Kampf. Er las und las, schrieb und Hinnerk Bodendieck schrieb; sein Leben lang. Als Reporter zog er in den russisch­ japanischen Krieg, lebte mit Obdachlosen im Londoner East End, trieb sich als Hobo auf den Eisenbahngleisen Amerikas herum. Den Durchbruch aber schaffte dieser feingeistige Rauf­ Schreiber, Haudrauf und bold, der sich vom Knastbruder zum bestbezahlten Schriftstel­ Abenteurer: der amerikani- ler seiner Zeit emporschrieb, mit Büchern und Kurzgeschich­ sche Autor Jack London ten aus Alaska. Er war ein unersättlicher Abenteurer, schwamm wie ein Verrückter, besaß Pferde, baute sich eine Ranch und hing an der Flasche, ohne Maß und ohne Ende. Ein Dasein am Li­ mit, so aufregend wie aufreibend. Doch nur so konnte es sein. „Ich will lieber, dass mein Funke in einer hellen Flamme ausbrennt, als dass er in Fäulnis erstickt“, bekannte er. „Ich 122 WERKSTATT AUSBESSERUNG 123

WERKSTATT

In Würde altern Serie: Refit – so geht’s!

Im Laufe der Jahre beginnen hölzerne Boote ihre Geschichte zu erzählen. Der kann mit ein wenig Kosmetik die Dramatik genommen werden

s ist reine Geschmackssache. Der eine Eigner liebt die irgendwann an einen Punkt, wo er die Erzählungen der Ge­ makellose Oberfläche und ist dafür bereit, zu Hobel fährtin ein wenig abmildern möchte. Dass es dazu nur weni­ Eoder Furnierholz zu greifen. Der andere erinnert sich ger Handgriffe bedarf, zeigen wir in dieser und der kommen­ gern beim Anblick einer Delle im Aufbau an den schönen den Werkstatt. Törn, als auf wildem Ritt durchs schäumende Kattegat der Egal ob kleiner Kratzer, veritable Schramme oder altes Spinnakerbaum brach (wie der neue gebaut wird, lasen Sie in Bohrloch, die meisten Macken lassen sich mit wenig Aufwand YACHT classic 2/2016). wirksam kaschieren – ohne allerdings gänzlich von der Ober­ Mit der Zeit kommen viele solcher Erinnerungen zu­ fläche zu verschwinden. So kann das Boot in Würde altern und sammen, zumal wenn die Yacht intensiv zu ihrem ureigenen weiterhin aus seinem Leben erzählen, ohne dass sich einem Lebenszweck genutzt wird. Und meist gelangt auch der Purist dabei die Nackenhaare aufstellen.

Macke mit Epoxid ausgießen

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Fast weg. Nur wer sie kennt, wird die Stelle 1 Eine typische Schadstelle, wie 2 Mit grobkörnigem Schleifpapier wiederfinden, an der einst eine Macke saß sie wohl auf jedem Boot früher oder spä­ wird zunächst in Richtung der Maserung ter zu finden ist. Im Rahmen der Neu­ gearbeitet, bis wieder eine ebene Ober­

lackierung kann sie wieder verschwinden fläche entstanden ist Hucho Fotos: YACHT/S.