Waldschutzgebiet Schwetzinger Hardt

Vom kurfürstlichen Forst zum Waldgebiet für alle Geschichte der „Schwetzinger Hardt“

Sebastian Eick

Seit vielen Jahrhunderten werden die nordbadischen Hardtwälder von [1]. Im 1. Jahrhundert n. Chr. wurden die den Menschen als Weide für das Vieh und zur Gewinnung von Brenn- in kleinen, wandernden Siedlungen le- benden Neckarsueben Teil der römischen und Bauholz genutzt. In Notzeiten wurde der Wald auch landwirtschaft- Zivilisation. Kastelle und neu gegründete lich genutzt. Laub und Moos wurden zum Einstreuen in den Viehstall Städte wie hatten einen gro- gewonnen. Besonders intensiv waren die Nutzungen in den ortsnahen ßen Bedarf an Bau- und Brennholz. Dafür Dünenbereichen der „sieben Hardtgemeinden“, während im herrschaft- wurde auf den fruchtbaren Böden der Wald gerodet. Römische Gutshöfe bewirt- lichen Forst „Hardtordnungen“ die Waldnutzungen regelten. schafteten das gewonnene Ackerland zur Ernährung der wachsenden Bevölkerung. Einige dieser „villae rusticae“ umgaben den Hardtwald, der wegen seiner armen Sandböden von den Römern weitgehend unberührt blieb. Die Heerstraße zwischen den Kastellen bei Heidelberg-Neuenheim und Speyer durchquerte den Hardtwald, der damals noch ein dichter, nach römi- schem Verständnis „schauriger“ Buchen- wald war [2]. Der „Speyerer Weg“ in der Schwetzinger Hardt folgt heute noch auf großen Strecken dieser alten Römerstraße.

Verschiedene Herren – vom Bistum Speyer zu den Pfalzgrafen Nach den Römern und Alemannen be- gannen im 5. Jahrhundert die Herrschaft der Franken und die Ausbreitung des Christentums. Die Bistümer Worms und Abb. 1: Renovationskarte von 1782 von PAUL DEWARAT Speyer prägten die politische Entwick- Quelle: Generallandesarchiv , H Hardt (HD) 3, Veröffentlichungs- und Vervielfältigungsrechte Landesarchiv Baden-Württemberg lung des Oberrheintals. Die ursprünglich unbesiedelten und herrenlosen Hardt- Diese Nutzungen prägten und veränder- zurück. Dadurch wurden aber viele der an wälder wurden erschlossen. Das Gebiet ten den Hardtwald auf den von Natur den lichten Kiefernwald, Kahlschläge und der Schwetzinger Hardt gelangte im 11. aus armen Sandstandorten: vom Buchen- an offene Sandrasen gebundene Arten Jahrhundert durch Schenkungen HEINRICHS Mischwald über den Eichen-Mittelwald verdrängt. Im Regionalen Waldschutzge- III. und HEINRICHS IV. in den Besitz des Bi- zum reinen Kiefernwald. Durch die Aufga- biet „Schwetzinger Hardt“ soll diesen Ar- schofs von Speyer. Im 12. und 13. Jahrhun- be der Streunutzung und eine naturnahe ten durch historische Waldnutzungen wie- dert begann der Aufstieg der Rheinischen Waldbewirtschaftung eroberten Buchen der neuer Lebensraum geschaffen werden. Pfalzgrafschaft, die im 14. Jahrhundert die und andere Laubgehölze in den letzten Kurwürde erhielt. Durch den Verkauf der Jahrzehnten ihren verlorenen Lebensraum Burg Wersau, die bei Reilingen im Süden „Schaurige“ Buchenwälder der Schwetzinger Hardt lag, ging der Be- zur Zeit der Römer sitz dieses Waldgebietes an die Kurpfalz Die nordbadische Rheinebene ist seit Ur- [3]. Mit der Berufung des Kurfürsten KARL- S. Eick ist Leiter HEODOR des Forstbezirks zeiten besiedelt, so auch der Bereich der T auf den bayerischen Thron gehör- Rheintal-Bergstraße Schwetzinger Hardt. Auf einer Düne bei te die Schwetzinger Hardt für kurze Zeit im Kreisforstamt St. Ilgen wurden mittelsteinzeitliche Feu- zum Kurfürstentum Pfalz-Bayern. Durch Rhein-Neckar-Kreis und Leiter des Forstamts ersteinwerkzeuge gefunden. Etwa ab dem den Reichsdeputationshauptschluss 1803 Mannheim 4. Jahrtausend v. Chr. erschienen hier wohl fi el die rechtsrheinische Kurpfalz an das die ersten Ackerbau treibenden Menschen. neue Großherzogtum Baden. Nach dem Zahlreiche Funde von der Bronzezeit bis 1. Weltkrieg ging der Großherzogliche Sebastian Eick [email protected] zur jüngeren vorrömischen Eisenzeit sind Domänenwald Schwetzinger Hardt in den Zeugen für den hohen Stand der Kultur Besitz des Landes Baden über. Seit 1952 www.forstpraxis.de 22/2014 AFZ-DerWald 23 Abb. 2: Streugenutzter Kiefernbestand im Staatswald Schwetzinger Abb. 3: Derselbe Kiefernbestand im Jahr 2013 Foto: U. Riedl Hardt, Abteilung 81, 1952 Foto: R. Jahn ist die Schwetzinger Hardt Staatswald des lungsnamen in der Schwetzinger Hardt der Schwetzinger Hardt. In Landes Baden-Württemberg.  weisen auf die ehemalige Waldweide und gab es bis 1958 einen Ziegenzuchtverein, Schweinemast hin: Saubusch, Saupferg- der die gemeinsame Ziegenweide auf den buckel, Sauschütte, Kuhbrunnenschlag, Oftersheimer Dünen organisierte. Das Of- Saubusch, Schaftrieb Pferchbrunnen, Schaftrieb. Zur Tränkung fenhalten der Sandrasenbiotope auf den und Kuhbrunnenschlag des Viehs wurden im von Natur aus tro- Dünen oder die Erhaltung lichter Kalk- Bereits seit der Jungsteinzeit trieben Hir- ckenen Hardtwald Ziehbrunnen angelegt. sand-Kiefernwälder durch die Beweidung ten Weidetiere in die siedlungsnahen Wäl- Auf der Forstkarte der Schwetzinger Hardt mit Schafen und Ziegen ist heute ein wich- der. Die Zunahme der Bevölkerung und von 1782 sind zehn solcher Brunnen ein- tiger Bestandteil der Pflegemaßnahmen damit auch des Viehs erforderte bereits gezeichnet (s. Abb. 1). in den Naturschutzgebieten der Ofters- im Mittelalter Vorschriften über Umfang, heimer und Sandhäuser Dünen und des Grenzen und Art der Waldweide. In Wei- Das Vieh des armen Mannes Waldnaturschutzes im Regionalen Wald- debüchern wurden Rechte, Missbrauch schutzgebiet Schwetzinger Hardt (Abb. 5). – Ziegenweide auf den und Strafen aufgelistet. Das älteste Wei- Im Stadtwald wird im Bereich des debuch der Schwetzinger Hardt wurde Oftersheimer Dünen Schonwaldes seit 2008 auf einer 4 ha gro- 1469 unter Kurfürst Friedrich I. („Pfälzer Schon in den Forstordnungen des Mittel- ßen Weidefläche ein Kiefernbestand auf Fritz“) für die sieben Hardtgemeinden er- alters ist das Verbot der Ziegenweide im kalkhaltigen Flugsanden licht gehalten. stellt. Unter den sieben Hardtgemeinden Wald niedergeschrieben, da ihr Verbiss , Oftersheim, , jegliche Waldverjüngung verhindert. Das Streunutzung – 100 Jahre Streit St. Ilgen, Walldorf, Reilingen und Hocken- Verbot der Ziegenweide ist auch im badi- zwischen Forstverwaltung und heim war der Wald aufgeteilt als Sommer- schen Forstgesetz von 1833 verankert. Die weide für das Rindvieh. Schweine werden Verbote waren trotz Androhung massiver Gemeinden in den Weidebüchern und Waldordnun- Strafen aber meist vergebens, denn die Der Übergang zur Stallfütterung befrei- gen nicht besonders erwähnt [4]. Obwohl Haltung von Ziegen war wegen ihrer Milch te zwar den Hardtwald von der Last der Pferde, Schafe und Ziegen von der Wald- besonders für die arme Landbevölkerung Waldweide, verstärkte jedoch die Schä- weide ausgeschlossen waren, wurden sie im Realteilungsgebiet von existenzieller den durch die folgende Streunutzung. zusammen mit Rindvieh und Schweinen Bedeutung. 1867 hatte das Großherzog- Auch die Nutzung von Gras wurde den in beträchtlicher Zahl in den Wald getrie- tum Baden einen Bestand von 36 000 Zie- Kleinbauern als Ausgleich für den Ver- ben. Selten wurden dabei die erlaubten gen. Bis 1887 war der Bestand auf 56 000 zicht auf die Waldweide gestattet. Mitte Zahlen eingehalten. Um 1800 waren es Ziegen angewachsen, davon etwa 4 400 des 18. Jahrhunderts begannen die Bau- im Hardtwald annähernd 700 Kühe, 275 Ziegen allein im Amtsbezirk Schwetzingen ern der Hardtgemeinden, Handelsfrüchte Pferde und weit über 2 000 Schweine und [5]. Gehalten wurden die Ziegen auch in wie Hopfen, Tabak und Kartoffeln an- Schafe. Zahlreiche Gewann- und Abtei- großen Gattern in den Gemeindewäldern zubauen. Gleichzeitig betrieb man ver- mehrt Stallfütterung und den Anbau von energiereichem Viehfutter. Durch die- sen Ackerbau fiel nicht genügend Stroh für die Stallhaltung an – Laub und Moos aus dem Hardtwald wurden für die Ein- streu in den Großviehstall und als Dünger in der Landwirtschaft benötigt. Als die Schädlichkeit des Nähstoffentzugs für den Hardtwald erkannt wurde, versuchte die Forstverwaltung, die Streunutzungsrech- te zu beschränken. Über 100 Jahre wurde Abb. 4: zwischen der Forstverwaltung und den Landwirte bei der Streunutzung in der Hardtgemeinden um die Reduktion der Schwetzinger Hardt Streunutzung gestritten. Noch bis Anfang (1950er-Jahre) der 1950er-Jahre wurde im Staatswald die Foto: W. Renkert Streunutzung ausgeübt, in den angren-

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Abb. 5: Waldweide im Stadtwald Walldorf, Schonwald Reilinger Eck Foto: H.-J.Fischer

 Abb. 6: Zwei Postkarten zeigen die Ziegen- weide auf den Of- tersheimer Dünen vor 100 Jahren Quelle: Heimat- und Kulturkreis Oftersheim e. V. zenden Gemeindewäldern sogar noch et­ Waldweidefläche von etwa 550 ha was länger. Als Ersatz für Streu aus dem zugewiesen, was in etwa der heuti­ Staatswald musste das Forstamt in Schwet­ gen Fläche des Staatswaldes auf Ge­ zingen Torf und Stroh liefern, später einen markung Oftersheim entspricht [6]. finanziellen Ausgleich zahlen. Erst 1974 wurden die historischen Streunutzungs­ Kurfürstlicher Forst – rechte der sieben Hardtgemeinden mit einer Entschädigungszahlung zugunsten die Lust am Jagen der Gemeinden abgelöst. Im kurfürstlichen „Bannwald“ war die Ausübung des Jagdrechtes besonders wichtig. Das alte Schwetzinger Schloss Die sieben Hardtgemeinden – diente in erster Linie als Jagdschloss. eine alte Zweckgemeinschaft Die Kurfürsten waren leidenschaftli­ pfalz. Mitte des 18. Jahrhunderts war der Die an das Waldgebiet der Schwetzinger che Jäger, insbesondere Kurfürst Carl Phi- ehemalige Eichenmischwald überaltert Hardt angrenzenden Dörfer Schwetzingen, lipp, der von 1716 bis 1742 regierte. Unter und durch Waldweide, Wildgatter und Oftersheim, Sandhausen, St. Ilgen, Wall­ seiner Herrschaft wurden in Schwetzingen ungeregelte­ Holznutzung weitestgehend dorf, Reilingen und besaßen kostspielige so genannte „eingestellte devastiert. Auf den Kahlflächen wurde die seit alters her Nutzungsrechte im herr­ Jagden“ für die höfische Gesellschaft in­ anspruchslose Kiefer ausgesät. Die erste schaftlichen Forst – als Gegenleistung für szeniert. Die Bauern der Hardtgemeinden umfangreiche kurpfälzische Inventur der Frondienste. Die sieben Hardtgemeinden litten unter der Jagdfron. Sie mussten mit Schwetzinger Hardt wurde 1781 und 1782 verstanden es, ihre Nutzungsrechte vom ihren Pferde- und Ochsenfuhrwerken das von Hofkammerrat und Forstkommissar frühen Mittelalter bis zum Jahr 1974 zu ver­ Jagdzeug – Tücher, Stangen, Netze und Johann Peter Kling durchgeführt [7]. Er fand teidigen. Die in den Weidebüchern festge­ Proviant – an Ort und Stelle bringen und dieses Waldgebiet in einem sehr schlechten legten mittelalterlichen Waldweiderechte nach der Jagd das erlegte Wild in Heidel­ Zustand vor: 30 % des Hardtwaldes bestan­ wurden durch Streunutzungsrechte abge­ berg, Schwetzingen oder Mannheim an­ den aus dürren oder stark geschädigten löst. Diese wurden 1785 in der „Hardtord­ liefern. Die jüngere Dorfbevölkerung wur­ Alteichenbeständen, 10 % waren Ödland. nung“ festgelegt: auf 3 263 Hektar durften de als Treiber eingesetzt. Große Teile der Kiefernbestände und -kulturen hatten be­ 1 246 Berechtigte Streu in der Schwetzin­ Schwetzinger Hardt waren als reine Wild­ reits einen Flächenanteil von 40 %. Die ger Hardt gewinnen. 1860 mussten sich gatter eingezäunt. An der „Sternallee“ im Ergebnisse dieser Inventur sind sehr an­ die Berechtigten mit noch 269 Hektar zu­ Norden der Schwetzinger Hardt ist heute schaulich auf der Forstkarte von Paul De- frieden geben. Von der Hardtordnung des noch der für die Parforcejagden eingerich­ warat dargestellt (Abb. 1). Bei der ersten Jahres 1785 bis zur endgültigen Ablösung tete Jagdstern zu erkennen. Mit dem Ende badischen Forsteinrichtung 1846 waren der Rechte 1974 führten die sieben Hardt­ des Absolutismus und der Auflösung der schon 96 % der Schwetzinger Hardt reine gemeinden zahlreiche Rechtstreitigkeiten Kurpfalz durch Napoleon verlor die herr­ Kiefernbestände. In nur 150 Jahren war der gegen die Beschränkung ihrer Nutzungs­ schaftliche Jagd an Bedeutung. Hardtwald vollständig vom Laub- zum Na­ rechte. Dieser gemeinsame Kampf gegen delwald geworden. Heute hat die Kiefer in Herrschaft oder staatliche Forstverwaltung Vom Eichenmischwald der Schwetzinger Hardt noch einen Anteil führte zu einer engen Verbindung der sie­ von 62 % – mit abnehmender Tendenz. ben Gemeinden untereinander. Das „Kur­ zum Kiefernwald fürstliche Leibgehäg“ der Schwetzinger Im Mittelalter war die Schwetzinger Hardt Hardt war ursprünglich eine eigene staatli­ ein Eichenmischwald, die wichtigste Nut­ Landwirtschaftliche che, so genannte ärarische Gemarkung. Die zung war die Waldweide. Die ersten Zwischennutzung – Waldfläche wurde erst 1931 entsprechend schriftlichen Hinweise auf die Kiefer in der Kahlschlag und Vollumbruch den alten Waldweideflächen, die beim Hardt stammen aus der Zeit von Kurfürst Weidgang 1721 festgelegt wurden, auf die Otto Heinrich (1556 bis 1559). Sie enthalten Wachsende Bevölkerung und Notzeiten sieben Hardtwaldgemeinden aufgeteilt. Aussagen zur Gewinnung und Aussaat von haben wiederholt dazu geführt, dass auch Oftersheim erhielt 1721 zum Beispiel eine Kiefernsamen aus Nürnberg und der Ober­ die armen Böden der Hardt landwirtschaft­ www.forstpraxis.de 22/2014 AFZ-DerWald 25 Abb. 7: schlag, Stockrodung, Vollumbruch, Pflanz- Vollumbruch lochbegiftung (Hortex), maschinelle Rei- auf Kiefern- henpflanzung, Fräsen oder Hacken zwi- kulturfläche schen den Pflanzreihen. Durch diese Art (1952) Foto: Staatl. Forstamt der Kiefernkultur wurde der Maikäfer in Schwetzingen der Schwetzinger Hardt in den 1950er- bis 1970er-Jahren „ausgerottet“. Profiteure dieser großflächigen Kiefernwirtschaft mit offenen Sandböden waren Bodenbrüter­ wie Heidelerche, Wiedehopf und Ziegen- melker. Noch in den 1990er-Jahren brü- teten in der Schwetzinger Hardt auf fast allen Kiefernkahlschlägen Ziegenmelker. Seit 10 Jahren ist der Maikäfer wieder in lich genutzt werden mussten. In der Mitte Kiefernspinner. Die letzte Gradation war der Schwetzinger Hardt angekommen, des 19. Jahrhunderts ging man von einer 1947/48. Danach wurde der Kiefernspin- eingewandert im Flugjahr 2004 des so eher ungeregelten Waldnutzung zur plan- ner erfolgreich durch das Anbringen von genannten badischen Nordstammes. Die mäßigen Forstwirtschaft über. Der Hardt- Leimringen bekämpft; noch heute sind in Schäden durch Wurzelfraß in den Kultu- wald wurde jetzt in großen Kahlhieben Althölzern die Reste der alten Leimringe ren und Naturverjüngungen nehmen zu. verjüngt. Nach der Rodung der Wurzelstö- zu erkennen. Aber auch Massenvermeh- Die Bekämpfung der Maikäfer ist heute cke wurde die gesamte Kahlfläche unter rungen der Forleule (Panolis flammea), des keine Option mehr. Waldbaulich kann das den Pflug genommen (Vollumbruch). An- Kiefernspanners (Bupalus piniarius), der Risiko nur durch den Vorrang stückzahlrei- schließend wurde zwei Jahre lang Feldbau Nonne (Lymantria monacha) und der Kie- cher Naturverjüngung reduziert werden. mit Hackfrüchten betrieben, bevor im drit- fernbuschhornblattwespe (Diprion pini) ten Jahr die Kiefernbestände durch Saat führten zu Licht- bis Kahlfraß auf Flächen Historische Waldnutzungen begründet wurden. Später ging man dazu bis zu 2 000 ha. Bis in die 1960er-Jahre hi­ über, nach Stockrodung und Vollumbruch nein wurden gegen diese Kiefernschädlin- und Waldnaturschutz heute die Kiefern in Reihen zu pflanzen. Zwi- ge großflächig Insektizide wie DDT und Das Waldgebiet der Schwetzinger Hardt schen den Reihen wurden zwei Jahre lang HCH eingesetzt, auch mit Flugzeugen und ist eine Besonderheit in Baden-Württem- Kartoffeln und ein Jahr Korn angebaut. später mit Hubschraubern. Erst das erfolg- berg. Nirgends sonst sind in einem ge- Diese Art der Kulturbegründung führte reiche Einbringen von Laubholz (Unterbau schlossenen Waldgebiet dieser Größe die zum Verlust der Laubbäume; Versuche der von Buche, Hainbuche, Linde, Spätblühen- Auswirkungen der historischen Weide- künstlichen Laubholzbeimischung waren de Traubenkirsche) in die reinen Kiefern- und Streunutzungen und von 300 Jahren von geringem Erfolg. Großflächiger Kahl- bestände seit den 1950er-Jahren bedeute- großflächiger Kiefernwirtschaft noch so schlag und Vollumbruch führten auf den te das Ende dieser Massenvermehrungen. gut zu erkennen. Die an diese Bewirt- lockeren Dünen- und Flugsandstandorten Maßnahmen des biologischen Forstschut- schaftung gebundenen seltenen Tier- und der Schwetzinger Hardt zur Bodenerosion. zes in der Schwetzinger Hardt waren auch Pflanzengesellschaften sind gegenwärtig Durch die Umschichtung der im Zuge der das Ansiedeln von Vögeln und Ameisen durch einen naturnahen, kleinflächigeren Bodenbildung entkalkten Waldböden wur- (Prof. Dr. Dr. Gustav Wellenstein). Die hohe Waldbau gefährdet. Im Regionalen Wald- de der Kalk wieder nach oben verfrachtet. Waldbrandgefährdung der Kiefernreinbe- schutzgebiet Schwetzinger Hardt besteht Im Staatswald wurde die landwirtschaft- stände wurde durch die Laubholzbeimi- jetzt die Möglichkeit, durch historische liche Zwischennutzung bis etwa 1870 bei- schung ebenfalls reduziert. Heute ist die Waldnutzungen diese Arten zu erhalten behalten. Die heutigen Gemeindewälder Kiefer vor allem durch den starken Mistel- und zu fördern, so wie es das Forstamt der Hardtgemeinden blieben hingegen befall und Sommertrockenheit gefährdet. im 2001 ausgewiesenen Schonwald „Rei- viel länger „unter dem Pflug“; teilweise Das Absterben von Kiefern ab dem Alter linger Eck“ im Stadtwald Walldorf schon sind sie erst Ende des 19. Jahrhunderts auf- 60 ist insbesondere auf ärmeren Dünen- praktiziert. Die Schwetzinger Hardt kann geforstet worden. Auf Teilen der Ofters- und Flugsanden zu beobachten (Kiefern- zu einem Schwerpunkt der Umsetzung heimer Dünen wurde seit alters her bis in komplexkrankheit). des Zieles „Lichte, offene Wälder“ der Ge- die 1960er-Jahre Weinbau betrieben; eine samtstrategie Waldnaturschutz in Baden- Besonderheit in der nordbadischen Rhein­ Württemberg werden [9]. Der Maikäfer kommt zurück ebene [4]. Der Waldmaikäfer (Melolontha hippo- Literaturhinweise: castani) gehört seit jeher zu den nordba- Spinner, Spanner, Nonne, Forleule [1] Geiger, H. (1983): Die Entwicklung des Waldeigentums, der dischen Hardtwäldern, seine Verbreitung Waldnutzungen und der Waldbewirtschaftung in der Schwetzinger und Blattwespe hat aber von den Grundwasserabsenkun- Hardt sowie ihre heutige Bedeutung als Naherholungsgebiet – ein Beitrag zur regionalen Forstgeschichte. Diplomarbeit Freiburg i. Br. Die Schwetzinger Hardt wurde durch den gen durch Fluss- und Bachregulierungen [2] Küster, H. (1998): Geschichte des Waldes. München. [3] Flo- großflächigen Umbau in Kiefernreinbe- sowie durch Entnahme der Wasserwerke rian, L. (1968): Die Schwetzinger Hardt – ein Beitrag zur Forst- stände von fast allen bekannten Kiefern- profitiert. Die Vorgehensweise bei der und Rechtsgeschichte der Pfälzer Rheinebene. Dissertation Mainz. [4] Volk, F. (1968): Oftersheim – ein Dorf und seine Geschichte. schädlingen bedroht und heimgesucht. Verjüngung der Kiefernbestände war stets Mannheim. [5] Söhner, K.-H. (2007): Der Wald als Ziegenweide. Über 20 Massenvermehrungen sind seit darauf gerichtet, den Bestand der Enger- Oftersheim. [6] Söhner, K.-H. (2007): Die sieben Waldgemeinden. Oftersheim. [7] Hausrath, H. (1914): Beiträge zur Waldgeschichte Anfang des 19. Jahrhunderts dokumentiert linge zu reduzieren und den schädlichen der badischen Pfalz. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, S. 254- [8]. Hauptschädling war der Kiefernspinner Wurzelfraß zu verhindern. Die „klassi- 263. [8] Staatl. Forstamt Schwetzingen (1956): Das Auftreten von Kiefernschädlingen in der Schwetzinger Hardt. Referendararbeit. (Dendrolimus pini). Von 1859 bis 1862 kam sche“ Kiefernwirtschaft sah deshalb bis in [9] FVA Freiburg (2012): Entwurf Gesamtkonzeption Waldnaturschutz es auf über 1 000 ha zu Kahlfraß durch den die 1970er-Jahre wie folgt aus: Großkahl- ForstBW.

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