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Vizepräsident (A) gen: keine. Dann ist dieser Überweisungsvorschlag gegen Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-(C) die Stimmen der AfD-Fraktion mit den Stimmen der ner dem Kollegen , CDU/CSU-Frak- übrigen Fraktionen des Hauses abgelehnt. tion, das Wort. Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvor- (Beifall bei der CDU/CSU) schlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Feder- führung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Wer Patrick Schnieder (CDU/CSU): stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wir dagegen? – Gleiches Stimmenverhältnis. Gegen die beschließen heute in zweiter und dritter Lesung das Lob- Stimmen der AfD-Fraktion ist dieser Vorschlag mit den byregistergesetz. übrigen Stimmen des Hauses angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf: ( [AfD]: Das wissen Sie doch jetzt noch gar nicht!) a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- Ich bin sehr froh, dass wir das heute zum Abschluss brachten Entwurfs eines Gesetzes zur bringen können. Es hat dem einen oder anderen – mir auch Einführung eines Lobbyregisters beim – zu lange gedauert. Die einen sagen: Es hat schon vor der Deutschen Bundestag und zur Änderung Wahlperiode viel zu lange gedauert. Ich sage: Auch in des Gesetzes über Ordnungswid- dieser Wahlperiode hat es sich zum Schluss noch etwas rigkeiten (Lobbyregistergesetz) verzögert. Wir hatten es nicht im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbart. Gleichwohl hat die Union 2019 die Drucksache 19/22179 Initiative ergriffen, ein Lobbyregister einzuführen, und – Zweite und dritte Beratung des von den wir hätten es auch in 2020 abschließen können, wenn wir Abgeordneten , , uns nicht dreimal hätten einigen müssen. Aber Ende gut, , weiteren Abgeordneten alles gut. Das Ergebnis zählt. und der Fraktion der AfD eingebrachten Worum geht es? Wir wollen Lobbyismus, Interessen- Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung vertretung regeln. Ich will vorab sagen: Interessenvertre- eines Registers für Lobbyisten, Nichtre- tung ist nicht per se etwas Schlechtes. Lobbyismus hat gierungsorganisationen und Lobby- einen negativen Beigeschmack, eine negative Konnota- dienstleister (Lobbyregistergesetz – tion. Aber im Grunde ist es etwas Wichtiges und Gutes für LobRegG) die Demokratie. Es geht darum, dass Interessen vertreten Drucksache 19/22183 und kenntlich gemacht werden, dass wir als Abgeordnete die Interessen kennen, über die wir dann am Ende (B) – Zweite und dritte Beratung des von den (D) abstimmen, dass wir Kontakt haben zur Wirtschaft, zur Abgeordneten , Doris Zivilgesellschaft, zu NGOs, zu all den Gruppierungen, die Achelwilm, , weiteren Interessen vertreten und die bestimmte Interessen in einem Abgeordneten und der Fraktion DIE LIN- Gesetzesvorhaben geltend machen. Uns geht es darum, KE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes das zu regeln und diese Interessenvertretung transparent zur Einführung des verpflichtenden zu machen. Lobbyregisters (Lobbyregistergesetz) Was wird geregelt? Wir führen ein elektronisches Lob- Drucksache 19/15 byregister beim Deutschen Bundestag ein. Es wird eine Beschlussempfehlung und Bericht des Eintragungspflicht für Interessenvertreter bestehen, bevor Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität sie mit uns, den Abgeordneten, den Mitarbeitern oder der und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) Fraktion, Kontakt aufnehmen. Die Registrie-rungspflicht Drucksache 19/27922 gilt auch bei Kontaktaufnahme mit der Bundesregierung. Das haben wir schon im Rahmen der ersten Lesung des b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Gesetzentwurfes angekündigt und jetzt auch in diesen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Gesetzentwurf aufgenommen. Immunität und Geschäftsordnung (1. Aus- schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Die anzugebenden Informationen sind sehr weit gefasst. Britta Haßelmann, Dr. , Das will ich im Einzelnen nicht ausführen. Daran kann , weiterer Abgeordneter und man sehen, in wessen Auftrag Interessen vertreten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden und mit welchem finanziellen Aufwand dort vor- gegangen wird. Transparenz schaffen – Verbindliches Register für Lobbyistinnen und Lobbyis- Wir haben im Gesetzentwurf Sanktionen vorgesehen. ten einführen Wer gegen die Registrierungspflicht verstößt oder falsche Angaben macht, kann mit einem Ordnungsgeld von bis Drucksachen 19/836, 19/27922 zu 50 000 Euro belegt werden. Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU Und es wird ein Verhaltenskodex vorgeschrieben, auf und SPD liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die den man sich verpflichtet. Wir hatten ursprünglich vor- Linke vor. gesehen, dass die Interessenvertreter sich selbst einen Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Kodex geben müssen, selbst ein Leitbild entwickeln sol- beschlossen. len. Jetzt wird der Verhaltenskodex zwischen Bundestag, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2021 27595

Patrick Schnieder ( A) Bundesregierung und den Interessenvertretern verbind- Thomas Seitz (AfD): (C) lich festgelegt. Ich glaube, damit kann man sehr gut Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und leben. Herren! Liebe Kollegen von CDU und CSU! Um den Sumpf aus Selbstbereicherung bis hin zum Korruptions- Nun gibt es natürlich auch Kritik an dem Lobbyregis-ter. verdacht von Mandatsträgern der CSU trockenzulegen, hat Den einen geht es zu weit, den anderen geht es nicht weit ein gewisser Herr Söder aus Bayern nach einem scharfen genug. Ich will mich nur auf einige Schwerpunkte Schwert verlangt. Das finden wir gut, und offensichtlich beziehen. Zum einen ist die Rede davon, wir hätten zu viele ist es bei Ihnen auch notwendig. Als Erstes muss deshalb Ausnahmen geschaffen. Dazu will ich zunächst einmal Lobbytätigkeit reguliert werden. sagen: Allein die Anzahl der Ausnahmen sagt noch nichts darüber aus, wer wirklich am Ende ausgenommen worden Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zum Lobbyregis- ist. Es gibt aber eine Reihe von verfassungsrechtlichen ter sollte den Kollegen von der Union gefallen, denn er ist, Rahmenbedingungen, denen wir gerecht werden müssen. anders als der Entwurf der GroKo, geeignet und dazu Das ist Artikel 4 Grundgesetz, soweit es um Kirchen und bestimmt, Transparenz wirklich herzustellen. Religionsgemeinschaften geht, das ist Artikel 9 Absatz 3 (Beifall bei der AfD) Grundgesetz – Koalitionsfreiheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das ist das Petitionsrecht, und es sind andere Uns als AfD ist dabei wichtig, dass das Gesetz nicht auf Dinge, auf die ich im Einzelnen nicht eingehen will. In den wirtschaftlichen Lobbyismus eingeengt wird und Bezug auf Artikel 4 und Artikel 9 will ich zumindest sogenannte NGOs in gleicher Weise Transparenz herstel- ausführen, dass es vorbehaltlos garantierte Grundrechte len. Denn auch viele NGOs, die nicht demokratisch legi- sind und dass deshalb zum Beispiel das Grundrecht auf timiert sind und in Wahrheit meist einer anderen Agenda Religionsausübung sehr, sehr weit reicht. Das folgen als öffentlich verlautbart wird, haben Millionen von Bundesverfassungsgericht sagt, dass auch die Tätigkeiten, Euro aus dubiosen Quellen zur Verfügung und beein- die Kirchen zum Beispiel als Arbeitgeber ausüben – sei es flussen Debatten im Sinne ihrer eigenen Ziele. die Caritas, die Diakonie oder andere –, davon erfasst sind. (Beifall bei der AfD) Das kann man kritisieren, das muss man auch nicht für richtig halten, aber das sind die verfassungsrechtlichen Ja, jeder sollte das Recht haben, angehört zu werden Rahmenbedingungen, unter denen wir uns bewegen. und für sich zu werben: auch ein Unternehmen, auch eine NGO. Ein freier Staat darf das nicht verbieten. Aber Dann wird zum Teil Kontakttransparenz gefordert. Gehör zu finden, ist etwas anderes, als sich Einfluss zu Dazu sage ich ganz klar: Gegenüber Abgeordneten erkaufen. Deshalb müsste eine wirksame Transparenzre- (B) kann es das nicht geben. Auch da gibt es verfassungs- gelung vom Minister bis hinunter zur Referentenebene rechtliche Grenzen. Das freie Mandat verbietet so etwas greifen und nicht Letztere ausnehmen, wie es die GroKo in meinen Augen. Wir wollen aber auch keine Hürden (D) heute beschließen will und vermutlich auch wird. aufbauen für einen Kontakt zwischen Abgeordneten und Denn dies ist nichts anderes als eine bewusste und Zivilgesellschaft, Bürgerinnen und Bürgern, Unter- planvolle Einladung zur Umgehung der Bestimmungen, nehmen. Deshalb kann es dort nie – das halte ich auch die jetzt verabschiedet werden; denn niemand verbietet rechtlich nicht für zulässig – zu einer Offenbarungspflicht einem Staatssekretär oder Abteilungsleiter, das Gespräch hinsichtlich Termin, Gegenstand und Gesprächspartner zwischen einem Lobbyisten und einem Referenten durch kommen. eine geöffnete Zwischentür zu verfolgen. Und die effek- Dann geht es noch um den exekutiven Fußabdruck, den tivste Beeinflussung setzt doch bei dem an, der den ersten wir im Gesetz nicht vorgesehen haben. Dazu kann ich nur Entwurf formuliert, also beim Referenten. Diese Ebene sagen: Es gibt einen Kernbereich exekutiver nehmen Sie bewusst aus. Eigenverantwortung. Die Bundesregierung hat eine Der nächste Mangel Ihrer Änderungsfassung ist der Geschäftsordnungsautonomie. Sie kann alles, was im umfassende Katalog an Ausnahmen, die jetzt sogar noch Rahmen eines exekutiven Fußabdrucks gefordert ist, zahlreicher sind als im ersten Entwurf und auch inhaltlich machen, aber sie muss es selbst machen, und zwar in der zu einer geringeren Anwendungsbreite des Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Lobbyregisters führen werden. In diesem Gesetz ist dafür kein Platz. Warum diese Ausnahmen falsch sind, zeigt das Beispiel Deshalb sage ich hier als Fazit: Es ist ein gutes Lobby- der Kirchen. Diese bieten nicht nur Gottesdienste an, registergesetz, das wir hier machen. Ich bin froh, dass wir sondern machen als Teil der Sozialindustrie über Caritas das heute verabschieden können. Es ist ein Fortschritt im und Diakonie Milliardenumsätze, Umsätze, die nicht von Bereich der Transparenz. Deshalb danke ich allen, die einem freien Markt abhängen, sondern von der daran mitgewirkt haben. Sozialgesetzgebung. Insoweit unterscheiden sich Ein- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. richtungen der Kirche nicht von den Interessenverbänden Dr. [SPD]) irgendwelcher Branchen wie Automobil oder Versiche- rung. (Beifall bei der AfD) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Uns als AfD ist wichtig: Transparenz erfordert auch Vielen Dank, Herr Kollege Schnieder. – Nächster Red- zwingend den legislativen Fußabdruck, also die Kenntnis, ner ist der Kollege Thomas Seitz, AfD-Fraktion. welche Interessenvertreter im Laufe des Verfahrens (Beifall bei der AfD) Einfluss auf ein Gesetz genommen haben. Warum fehlt er 27596 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2021

Thomas Seitz (A) dann in Ihrem Entwurf? Ist ein Kollege Amthor vielleicht (Beifall bei der SPD) (E) doch nicht so geläutert, wie der Öffentlichkeit vorgespielt wird? Erstmalig müssen sich Lobbyisten in ein Register beim Deutschen Bundestag eintragen. Sie müssen darin Aus- Meine Damen und Herren, insbesondere wieder von kunft geben über ihre Tätigkeit, ihre Vorhaben, ihre Auf- der Union, gestern haben wir erlebt, wie eine – sagen wir traggeber und ihre finanziellen Aufwendungen. Sie müs- einmal – handwerklich suboptimale Idee zum Oster- sen einen verbindlichen Verhaltenskodex annehmen, der Lockdown eingestampft wurde, was die Mehrheit Grundsätze integrer Interessenvertretung vorsieht. Ver- unseres Volkes sehr gut findet und auch unsere Fraktion stöße gegen die Registrierungspflicht werden mit einem begrüßt. Auch Ihr Entwurf zum Lobbyregister ist, mit Bußgeld geahndet. Verstöße gegen den Verhaltenskodex den Worten von König Söderle von Bayern, kein werden im Register veröffentlicht. Im Register wird scharfes Schwert, sondern allenfalls ein Fischmesser mit ebenfalls veröffentlicht, wer sich weigert, Finanzangaben stumpfer Klinge. zu machen. Dadurch schaffen wir eine öffentlich eins- (Beifall bei der AfD) ehbare schwarze Liste, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, trifft die Lobbyisten hart. Als zusätzliche Sank- Wenn Sie von der Union wirklich wollten, dass Selbst- tion bekommen dann Lobbyisten keinen Hausausweis, bereicherung und Vorteilsnahme zumindest erschwert und sie werden nicht zu öffentlichen Anhörungen einge- werden, dann müssten Sie heute gegen Ihren eigenen laden. Das, Herr Buschmann, ist eine zusätzliche Sanktion Antrag stimmen. und keineswegs die härteste. Und wenn Sie gleich reden, Ich komme zum Schluss. Warten Sie nicht, bis viel- erzählen Sie nicht wieder was Falsches, so wie letztes leicht demnächst ein aufgeflogener Raffke von der Kripo Mal. Ich sage Ihnen: lieber gar nicht reden als schlecht aus dem Plenarsaal gezogen wird. Da hilft dann auch reden. keine Ehrenerklärung mehr. (Beifall bei der SPD – [FDP]: Dann kommen Sie jetzt besser zum Schluss, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Kollege!) Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt einige Aus- nahmen für Organisationen und Personen, die sich nicht Thomas Seitz (AfD): registrieren lassen müssen. Das hängt mit dem Regel- Zeigen Sie Größe und stimmen Sie für den Antrag der Ausnahme-Prinzip des Gesetzes zusammen; der Kollege AfD, wenn es Ihnen wirklich um echte Transparenz und Schnieder hat es eben erläutert. Es hat nämlich einen sehr nicht nur um ein Feigenblatt geht. breiten Anwendungsbereich. Interessenvertretung ist nach (F) ( ) (Beifall bei der AfD) § 1 des Gesetzes – ich zitiere – jede Kontaktaufnahme Vielleicht ist das Ihre letzte Chance bei den Wählern. „zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Ein- flussnahme“ auf Bundestag oder Bundesregierung. Das ist eine sehr, sehr weite Definition. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Kollege, bitte kommen Sie jetzt zum Schluss. Aber natürlich soll und kann nicht jede Einflussnahme eine registrierungspflichtige Lobbytätigkeit sein, und deswegen sind die Ausnahmen nötig. Denn natürlich ist es Thomas Seitz (AfD): nicht registrierungspflichtig, wenn Bürgerinnen und Danke. – Denken Sie an das Schicksal – – Bürger gegenüber Abgeordneten nur persönliche Interes- (Das Mikrofon wird abgeschaltet) sen formulieren oder wenn sie eine Petition einreichen oder sie ein öffentliches Mandat wahrnehmen oder, oder, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: oder. Wir haben alle Ausnahmen im Gesetz zusam- mengefasst. Und das sind natürlich einige; das liegt ein- Sie haben es zwar nicht gemerkt, aber ich habe Ihnen fach in der Natur der Sache. gerade das Wort entzogen. Also, die letzten Worte waren nicht zu verstehen. Ich habe das angekündigt und noch 20 Eine Ausnahmeregelung will ich hier erläutern, weil ich Sekunden dazugepackt. glaube, dass sie erläuterungsbedürftig ist. Sie betrifft Nächster Redner ist der Kollege Dr. Matthias Bartke, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Liebe Kolle- SPD-Fraktion. ginnen und Kollegen, diese Ausnahme muss sein; das hat auch die Sachverständigenanhörung ergeben. Denn Artikel (Beifall bei der SPD) 9 unseres Grundgesetzes gewährt die Koalitionsfreiheit, und zwar schrankenlos. Die Privilegierung für Dr. Matthias Bartke (SPD): Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gilt allerdings Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nur, soweit sie zur Verbesserung der Arbeits- und Wirt- eine späte Stunde, aber es ist eine große Stunde für die schaftsbedingungen beitragen; denn nur das wird vom deutsche Sozialdemokratie. Grundgesetz privilegiert. Für das Lobbyregister heißt das, dass auch nur das eine Ausnahme rechtfertigt. Wenn (Lachen bei Abgeordneten der AfD) Gewerkschaften sich beispielsweise für die Sterbehilfe Seit mehr als zehn Jahren fordern wir ein effektives und einsetzen oder Arbeitgeber für die Organspende, dann hat verbindliches Lobbyregister, und heute ist der Tag, an das nichts mit der Verbesserung der Arbeits-und dem wir sagen können: Wir haben es erreicht. Wirtschaftsbedingungen zu tun, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2021 27597

Dr. Matthias Bartke ( A ) (Dr. [FDP]: Müssen sie sich (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) dann registrieren, Herr Bartke? Erklären Sie der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE uns das mal!) GRÜNEN) und dann begründet das keine Ausnahme mehr. Und dann Dahinter steckt, dass beispielsweise Kirchen, Arbeit- müssen sie sich genauso registrieren lassen wie alle ande- geber- und Arbeitnehmerverbände herausgenommen ren Lobbyisten auch. werden. Und jetzt hören wir hier ja, das erfordere angeb- lich unser Grundgesetz. (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wie soll das denn gehen? DGB 1 und 2? – Britta Haßelmann ( [DIE LINKE]: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht nicht Quatsch!) im Gesetz!) Bei dieser Pauschalausnahme sind Ihnen ja sogar die Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hier vorliegende eigenen Sachverständigen in der Anhörung von der Fahne Lobbyregistergesetz ist ein wirklich gelungenes Gesetz. gegangen, Herr Bartke. Erinnern Sie sich doch mal: Die Dennoch gibt es einen erheblichen Wermutstropfen: Das ist Sachverständigen haben erläutert: Natürlich gibt es der fehlende exekutive Fußabdruck. Unter „exekutivem verfassungsrechtlich empfindliche Bereiche, natürlich Fußabdruck“ versteht man die Veröffentlichung aller kann man nicht verlangen, dass man Streikkassen offen- Lobbyistenkontakte und aller Lobbyistenstellungnah-men; legt, natürlich kann man nicht verlangen, dass man Mit- das muss jedem Gesetz beigefügt werden. Die SPD wollte gliederlisten offenlegt; aber das bedeutet doch nicht, dass das, und ich sage Ihnen hier ganz offen: Wir haben es nicht man die Gewerkschaften pauschal aus der Registrie- durchbekommen. rungspflicht herausnehmen muss. Das ist doch – wie man bei Ihnen im Norden sagt – dumm Tüüg, Herr Dr. Bartke, (Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜND- und das wissen Sie auch selber. NIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der FDP – Dr. Matthias Bartke Mit der Union war das auf Teufel komm raus nicht zu [SPD]: Das haben wir doch gar nicht pauschal machen. Offen gestanden: Ich hatte gehofft, dass die Vor- gemacht! Das habe ich doch gerade erläutert! kommnisse der letzten Wochen dazu beitragen, dass die Haben Sie nicht zugehört? Unfassbar! So ein Union ihre Verweigerungshaltung überdenkt, dass sie Unsinn!) sich doch zu mehr Transparenz bekennt. Das war leider eine vergebliche Hoffnung. – Herr Bartke, ich gehe gerne darauf ein. – Herr Dr. Bartke erzählt uns jetzt die Geschichte, dass der DGB-Gewerk- Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden schaftssekretär, der seine Anliegen vortragen will, hereinkommt und sagt: Ich möchte jetzt über die Wirt- (B) nicht lockerlassen. Ich sage Ihnen: Die erste Amtshand- (D) schafts- und Sozialbedingungen reden, dann beende ich das lung des neuen Bundeskanzlers Gespräch, verlasse den Raum, und dann kommt der (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Gewerkschaftssekretär von DGB 2, der mit mir nichts zu AfD und der LINKEN) tun hat, und trägt etwas völlig anderes vor. – Dieses wird die Einführung des exekutiven Fußabdrucks sein. Märchen können Sie auf dem Parteitag erzählen, aber nicht im Deutschen Bundestag. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD – (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) [CDU/CSU]: Na, dann kann er ja noch warten!) Das ist nirgendwo im Gesetz hinterlegt. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Was erzählen Sie Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bartke. Aber auch ein denn für Geschichten hier, Herr Buschmann? potenzieller Bundeskanzler Scholz kann das nicht einfüh- Das ist nicht zu fassen! – Zuruf des Abg. ren, sondern das ist immer noch Aufgabe der Regierung [CDU/CSU]) insgesamt oder des Deutschen Bundestages. – Herr Dr. Bartke, lesen Sie Ihren eigenen Gesetzentwurf. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau! Ich möchte Ihnen mal eins sagen: Wir haben hier in den Aber eine schöne Rede!) letzten Tagen und Wochen viel von Verantwortung ge- Nächster Redner ist der Kollege Dr. Marco hört, wir haben viel von „Respekt vor den Institutionen Buschmann, FDP-Fraktion. zurückgewinnen“ gehört, wir haben viel davon gehört, dass Sie jetzt aber wirklich entschlossen sind. Aber wenn (Beifall bei der FDP) wir diesen Gesetzentwurf lesen, dann kommen wir zu dem Schluss, dass er doch nicht mehr ist als der kleinste Dr. Marco Buschmann (FDP): gemeinsame Nenner. Und wenn Sie das hier abfeiern Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen wollen, Herr Dr. Bartke, dann ist das nichts anderes als und Kollegen! Der Hauptmangel eines Lobbyregis- ein parteipolitisches Manöver. Dieser Entwurf ist tergesetzes ist es sicherlich, wenn man einige der größten vielleicht besser als nichts; aber er ist doch nicht mehr als Lobbyverbände von vornherein außen vor lässt. Dieser ein kleinster gemeinsamer Nenner. Das wird nicht Gesetzentwurf enthält scheunentorgroße Ausnahmen, er ist reichen, um Vertrauen zurückzugewinnen, und es reicht löchrig wie ein Schweizer Käse, er war es von Anfang an, auf keinen Fall für eine Zustimmung der Freien und er ist es immer noch – das sind die Fakten. Demokraten. 27598 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2021

Dr. Marco Buschmann (A) (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Britta wert, weshalb wir Ihnen die Möglichkeit zur Korrektur (E) Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) geben wollen und einen entsprechenden Entschließungs- antrag vorgelegt haben. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Vielen Dank, Herr Kollege Buschmann. Als ebenfalls neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Norddeutscher kann ich Ihnen sagen: Es heißt nicht „dumm Tüüg“, sondern „dumm Tüüch“. Das muss man Sie haben sich nun doch dazu durchringen können, vielleicht einem Nordrhein-Westfalen sagen. dass die Regierung in die Regelungen des Lobbyregisters mit aufgenommen wird. Es freut mich, dass Sie verstan- ( [FDP]: Westfale, nicht Nordrhein- den haben, dass ein Lobbyregister, das nur für rund 10 Westfale!) Prozent der Gesetzentwürfe angewendet werden müsste, – Gut, ein Westfale. Ich weiß nicht: Ist das eine Abstufung eine absolute Frechheit gewesen wäre. gegenüber „Nordrhein-Westfale“? (Beifall bei der LINKEN) (Zuruf von der FDP) In Ihrem jetzigen Entwurf ziehen Sie die Grenze für die Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Straetmanns, Dokumentation von Gesprächen auf der Unterabteilungs- Fraktion Die Linke. leiterebene. Und wo entstehen in den Ministerien die ganzen Gesetze? – Der Titel verrät es: Die meisten davon (Beifall bei der LINKEN) kommen zunächst als Referentenentwurf in Umlauf. Sie entstehen also auf Referatsebene, genau eine Ebene Friedrich Straetmanns (DIE LINKE): unterhalb der Transparenzpflicht. Gut für die Wirtschaft, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und schlecht für die Allgemeinheit. Kollegen! Zunächst ist es erfreulich, dass wir heute (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Britta zusammenkommen und endlich ein Lobbyregister be- Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) schlossen werden soll. Doch wenn man von der Schlagzeile „Die Koalition einigt sich beim Lobbyregis- Sie schaffen zudem zahlreiche Ausnahmen von der ter“ aus weiter ins Detail geht, dann sieht alles schon Transparenzpflicht; es ist angesprochen worden. Ich wieder nicht mehr so wunderbar und zufriedenstellend will einen Punkt herauspicken: Die Sanktionen sind viel aus. Es geht mir gar nicht nur um den Inhalt des vorge- zu milde, der Entzug des Hausausweises ändert über- legten Gesetzes, sondern auch um das Zustandekommen. haupt nichts. Dann lässt man sich eben an der Pforte (B) internationale Nichtregierungsorganisationen, ein Lob- anmelden. Und letztlich sind 50 000 Euro Strafe für Seit Jahren fordern wir, genauso wie nationale und Unternehmen bei absichtlichen Falschangaben viel zu (F) byregister für Deutschland. Die von uns und anderen wenig. Fraktionen vorgelegten Gesetzentwürfe haben Sie von der (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Die Schwarze Union und der SPD mit Ihrer Ausschussmehrheit aus- Liste!) gebremst, wo Sie nur konnten. Und immer wenn es in der Öffentlichkeit eng für die Union wurde, weil einer oder Für eine solche Summe greift man in der Unionsfraktion gleich zahlreiche Ihrer Abgeordneten unter massiven ja noch nicht einmal zum Hörer, um Herrn Spahn über- Beschuss gerieten, weil sie Gemeinwohl und schamlosen teuerte Masken anzudrehen oder zu vermitteln. Eigennutz durcheinandergebracht haben, dann kamen Sie Vielen Dank. mit dem Lobbyregister um die Ecke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Das Lobbyregister ist längst überfällig. neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Selbst NIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. unter Ihrem Niveau!) Jürgen Martens [FDP]) Aber dass Sie es immer wieder hervorkramen, wenn Sie Vizepräsident Wolfgang Kubicki: wegen möglicher Korruptionsfälle angezählt werden, zeigt Herzlichen Dank, Herr Kollege Straetmanns. – Nächs- vor allem zwei Dinge: dass Sie – erstens – den Menschen te Rednerin ist die Kollegin Haßelmann, Bündnis 90/Die da draußen nicht zutrauen, Ihren billigen Grünen. Taschenspielertrick zu durchschauen, bei dem Sie mit längst überfälligen Regelungen punkten wollen, die an den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aktuellen Fällen rein gar nichts geändert hätten, und dass es – zweitens – vor allem Ihnen von der Union gar nicht ernst Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ist mit der besseren Kontrolle von Lobbyismus. Denn um Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- etwas anderes geht es auch mir und meiner Fraktion ja gar ren! Am 12. Juni 2020 berichtete die Presse über die nicht: Wir wollen Lobbyismus nicht verbieten; wir wollen Amthor-Affäre und fragte: „Ist käuf- aber, dass jede Bürgerin, jeder Bürger in diesem Land die lich?“ – Ein paar Tage später, am 3. Juli 2020, die große Möglichkeit bekommt, zu erfahren, wer Einfluss auf Eilmeldung: Die Koalition einigt sich auf ein Lobbyre- Gesetze genommen hat. Dieser sogenannte legislative gister. – 2020! Wir mussten lange warten, meine Damen Fußabdruck fehlt nach wie vor. Aber ohne diesen ist ein und Herren. Heute nun liegt ein Gesetzentwurf vor, der Lobbyregister nicht einmal die Hälfte beschlossen werden soll. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2021 27599-27646

Britta Haßelmann (A) Am 25. Februar 2021: Maskenaffäre Nüßlein. Am pflicht besteht. Warum eigentlich, liebe Kolleginnen und (G) 2. März 2021 – im selben Medium – die Meldung: Eini- Kollegen der SPD, verzichten Sie in einer solchen öffent- gung beim Lobbyregister. Und schon feierte sich diese lichen Lage darauf? Der legislative Fußabdruck kommt Koalition aus CDU/CSU und SPD und überschlug sich nicht. Warum bedauern Sie das hier mit Krokodilstränen, öffentlich schulterklopfend, dass man nun endlich den anstatt weiter zu verhandeln? Durchbruch erreicht hat. Meine Damen und Herren von CDU/CSU und SPD, können Sie mir die Frage beant- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und worten, warum Sie nur handlungsfähig sind, wenn Druck bei der LINKEN – Dr. Matthias Bartke [SPD]: im Kessel ist? Weil es dann das Lobbyregister nicht gegeben hätte!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN) Die CDU/CSU ist in einer ziemlich schlechten Lage, und Sie hätten die öffentliche Lage nutzen können, um mit Nur weil der öffentliche Druck so groß war, gab es mini- FDP, mit Linken und mit Grünen mehr Druck zu machen, male Bewegungen. damit dieses Lobbyregister wirklich gut ist und Lobbytä- Es liegt uns ein Gesetzentwurf zur Einführung eines tigkeit durch einen legislativen Fußabdruck dargelegt gesetzlichen Lobbyregisters vor, das allenfalls ein erster wird. Darauf haben Sie verzichtet. Schritt ist. Gleichzeitig ist es eine verpasste Chance. Wir haben die letzten zehn Jahre dafür gestritten, dass es im Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Deutschen Bundestag zur Einführung eines gesetzlichen Frau Kollegin. Lobbyregisters kommt. Dass es so lange gedauert hat, lag in erster Linie an der Blockade der CDU/CSU; aber auch die SPD hat sich nicht besonders forsch daran beteiligt. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Das ist eine Das finde ich bedauerlich. Deshalb ist es allenfalls ein Unwahrheit!) erster Schritt und nicht mehr. Ich bin froh, dass es diesen ersten Schritt gibt, auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wenn klar ist, dass es eine verpasste Chance ist. bei der FDP und der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will Ihnen sagen, warum. Sehr viele zivilgesellschaft- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: liche Organisationen und Wirtschaftsverbände haben jah- Vielen Dank, Frau Kollegin Haßelmann. – Nunmehr (C) Nachvollziehbarkeit und Offenlegung von politischer erhält das Wort der Kollege Michael Frieser, CDU/CSU- relang dafür gestritten. Wir wollten, dass Transparenz, Fraktion. (H) Interessenvertretung demnächst für Bundesregierung und (Beifall bei der CDU/CSU) Bundestag insgesamt gelten. Sie haben der Bundesregierung gegenüber Zugeständ- Der gesamte und damit endgültige Stenografische nisse gemacht, indem Sie darauf verzichten, dass ab der Bericht der 218. Sitzung wird am 30. März 2021 Ebene der Referentinnen und Referenten eine Nachweis veröffentlicht.