18. Wahlperiode

Plenar- und Ausschussdienst

Wortprotokoll Öffentliche Sitzung

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung

32. Sitzung 25. Februar 2019

Beginn: 12.07 Uhr Schluss: 13.53 Uhr Vorsitz: Martin Trefzer (AfD)

Punkt 1 der Tagesordnung

Aktuelle Viertelstunde

Siehe Inhaltsprotokoll.

Punkt 2 der Tagesordnung

Bericht des Senats

Siehe Inhaltsprotokoll.

Vorsitzender Martin Trefzer: Wir kommen zu

Redaktion: Regina Broll, Tel. 2325-1462 bzw. quer 99407-1462

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Punkt 3 der Tagesordnung

Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs 0060 Chancen nutzen, Ein-Campus-Idee verwirklichen – WissForsch Oberschöneweide als alleinigen Standort der HTW etablieren (auf Antrag der Fraktion der FDP)

Hierzu: Anhörung

Hierzu führen wir eine Anhörung durch. Als Anzuhörende begrüße ich Herrn Prof. Dr. Klaus Semlinger, den aktuellen Präsidenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, so- wie Herrn Prof. Dr. Carsten Busch, der ab 1. April als Nachfolger Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin werden wird. Außerdem begrüße ich Herrn Thomas Nie- meyer; er war von 2012 bis 2018 Regionalmanager in Schöneweide. Darüber hinaus begrüße ich Frau Dr. Elisabeth Ziemer vom Verein Denk mal an Berlin e. V. – Herzlich willkommen! – Für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen begrüße ich Herrn Künzel. – Auch Ihnen herzlich willkommen! Ich gehe davon aus, dass die Anfertigung eines Wortpro- tokolls gewünscht wird. – Das ist der Fall; dann verfahren wir so. – Ich darf Herrn Förster zunächst um die Begründung des Besprechungsbedarfs bitten.

Stefan Förster (FDP): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Wer Oberschöneweide kennt, weiß, dass der Ortsteil in den letzten drei Jahrzehnten erhebliche Umbrüche zu verkraften hatte. Nachdem die Industrie der DDR aufgrund der Wiedervereinigung und der damit verän- derten Rahmenbedingungen praktisch vollständig zusammengebrochen war und lange Nach- nutzungen gesucht wurden, ist die HTW mittlerweile seit gut zehn Jahren am Standort Ober- schöneweide präsent. Das hat dem Ortsteil sichtbar gutgetan – der HTW auch. Auch der Zu- sammenzug von fünf auf zwei Standorte – nur Karlshorst und Oberschöneweide; wir hatten früher noch Standorte am Ostkreuz, an der Warschauer Straße und in – war für die HTW ein Quantensprung und hat der Hochschule wesentliche Möglichkeiten für eine bes- sere Vernetzung und Zusammenarbeit gegeben. Die jetzige Überlegung, alles am Standort Schöneweide zusammenzufassen, wäre quasi die Vollendung der Konzentration. Die Ein- Campus-Idee, die kurzen Wege, alles zu Fuß und auch in enger Abstimmung machen zu kön- nen, ist für die Hochschule sicherlich etwas sehr Positives, würde aber auch dem Standort Oberschöneweide in Vollendung des Begonnenen sehr weiterhelfen. Deshalb freue ich mich heute über die Anhörung, und wir sollten gemeinsam überlegen, wie wir das Ziel dann ver- wirklichen können. – Danke!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank Herr Förster! – Damit kommen wir zu den Stel- lungnahmen der Anzuhörenden. – Ich würde vorschlagen, dass Sie den Aufschlag machen, Herr Prof. Dr. Semlinger!

Prof. Dr. Klaus Semlinger (Hochschule für Technik und Wirtschaft; Präsident): Vielen Dank! – Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank für die Einladung, dass wir unsere Hochschule und unsere Vorstellungen, was die Standortentwicklung angeht, präsentieren können.

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Die Hochschule ist, wie Sie wissen, 1991 eingerichtet worden und seit 1994 selbstständige Hochschule. Es gab 1991 ein erstes Gutachten des Wissenschaftsrates, der damals, als es da- rum ging zu überlegen, ob man in dem Ostteil der Stadt eine neue Fachhochschule einrichtet, massiv dafür geworben bzw. die dringende Empfehlung gegeben hat, keine Ein-Fach- Hochschule zu gründen, sondern eine Hochschule mit mehreren Disziplinen. Auch damals ist schon darüber geredet worden, dass man dann auch einen Zentralcampus haben sollte – Sie wissen, es gab verschiedene Vorläufereinrichtungen. Die erste Idee war, die Hochschule in Blankenburg anzusiedeln. Das war damals.

Die Hochschule heute ist eine mehrdisziplinäre Hochschule. Wir sind eine Ingenieurhoch- schule. Wir sind eine IT-Hochschule – nach der Technischen Universität mit Abstand die zweitgrößte akademische Ausbildungsstätte in diesem Bereich. Wir sind eine Wirtschafts- hochschule, und wir sind eine Designhochschule – das kommt in unserem Namen nicht vor, deswegen ist es vielleicht nicht allen präsent, aber wir haben eine der größten Designfakultä- ten in Deutschland. Wirtschaftsjuristen haben wir auch noch, vielleicht nicht so zahlreich ver-

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treten wie die anderen Disziplinen. Als anwendungsnahe Hochschule: Im Grunde genommen braucht man diese vier oder fünf Disziplinen – Ingenieure, Informatik, Betriebswirtschaft, Design und Recht – für mehr oder minder alle anwendungsnahen Themen.

Wir haben aktuell rund 14 000 Studierende, ungefähr 300 Professorinnen und Professoren, 30 Lehrkräfte für besondere Aufgaben, hauptsächlich im Fremdsprachenunterricht, 460 andere Mitarbeiter – da sind auch unsere Drittmittelbeschäftigten dabei; das ist ein biss- chen eine atmende Zahl, je nach Auftrags- und Drittmitteleinwerbungsvolumen. Wir haben aktuell 350 Kooperationspartner mit mehreren Kooperationsbeziehungen, 230 davon in der Region Berlin-Brandenburg, überwiegend natürlich in Berlin, und 160 forschungsbezogene Kooperationsbeziehungen mit Unternehmen.

Wir sind inzwischen standortmäßig konzentriert – Herr Förster hatte es gesagt. Wir waren ursprünglich über den ganzen Ostteil der Stadt von Norden nach Süden verteilt, haben dann in den Zweitausenderjahren Oberschöneweide zahlenmäßig als Hauptcampus auf- und aus- bauen können. Wir sind an diesem Standort seit 2006 mit dem Fachbereich 5, mit den Desig- nern, und seit 2009 mit den Ingenieuren und Informatikern vertreten. Wir sind damals bei der Planung schon zusammengerückt. Ursprünglich war die Überlegung, dass wir von fünf auf drei Standorte gehen, und dann hat man gesagt, dafür nehmen wir jetzt nicht so viel Geld in die Hand. Wir haben versucht, den Flächenbedarf zu minimieren, und wir haben in namhafter Größenordnung Flächen im Peter-Behrens-Haus angemietet.

Der Wissenschaftsrat hat zu den Bauvorhaben verschiedentlich Stellung genommen – 1995, 2000, 2005 –, und er hat in allen seinen Gutachten das Land immer dazu aufgefordert, einen Zentralcampus für die Hochschule einzurichten, wo alle Disziplinen in räumlicher Nähe zuei- nander vereinigt sind, damit das Potenzial dieser multidisziplinären Hochschule wirklich zum Tragen kommen. Auch das Land selber hatte in Planungen – 1994, 1998 – immer von einem Zentralcampus geredet. Das musste dann teilweise aus Haushaltsgründen aufgegeben werden. Das war auch eine Zeit, als die Berliner Hochschulen Studienplätze abgebaut haben bzw. die Ausbauplanungen reduziert worden sind. Aber wir wissen alle, dass dies letztendlich alles Geschichte ist. Übrigens war damals dann noch Karlshorst als zentraler Standort im Gespräch.

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Dass es dann Oberschöneweide geworden ist, hat sicher noch mal andere Gründe. Was ich interessant fand: Der Wissenschaftsrat hat damals bei 7 800 Studienplätzen einen Flächenbe- darf von 95 000 Quadratmetern ohne dezidierte Forschungsflächen genannt. Noch mal zur Erinnerung: Wir haben 14 000 Studierende – um eine Vergleichszahl zu nennen. Es geht jetzt um Studienplätze: Wir haben aktuell, inklusive Weiterbildungsstudiengänge, 12 300 Studien- plätze und eine aktuelle Fläche von 83 000 Quadratmetern. Da wird schon deutlich, dass das Flächendefizit, das wir in diesem Kontext auch angeführt haben, nicht einfach eine gegriffene Zahl ist.

Der Wissenschaftsrat hat immer argumentiert, hochschulpolitisch sei es wichtig, dass die ver- schiedenen Disziplinen auf einem Campus zusammenkommen, damit sie interdisziplinär zu- sammenarbeiten können. Und er hat auch schon wirtschaftspolitisch argumentiert, dass er gesagt hat, dass wir damit natürlich auch im Transfergeschehen für die Stadt wirksamer wer- den können. Dass wir jetzt in Oberschöneweide zahlenmäßig mit unserem Hauptcampus an- gesiedelt sind – wir haben dort ungefähr 10 000 Studierende –, hat damit etwas zu tun, dass das Land ein massives stadtentwicklungspolitisches Interesse hatte – Herr Förster hat es gera- de eben erwähnt. Dieser Stadtteil bedurfte dringend eines Impulses der Wiederbelebung.

Wir haben dann von HIS-HE, eine Einrichtung, die für viele Hochschulen und in allen Bun- desländern Flächenbedarfs- und Ausstattungsanalysen macht, eine Flächenbedarfsanalyse Hauptnutzflächennetz vornehmen lassen. Sie sehen die Größenordnungen, um die es geht: Wenn wir den Campus in Karlshorst aufgeben wollen, dann geht es um 20 000 Quadratmeter, für die wir sozusagen neue Flächen bräuchten. Wir haben ein Flächendefizit, was uns HIS nachgerechnet hat, von 7 000 Quadratmetern. Das ist das Nettodefizit. Das Bruttodefizit, was sie ermittelt haben, liegt bei über 18 000 Quadratmetern. Hintergrund ist, dass man in der Hochschule an einigen Stellen Überausstattungen, an anderen Stellen Unterausstattungen hat. Ein Teil dieses Defizits könnte man durch internes Revirement eigentlich ausgleichen, aller- dings zu überwiegenden Teilen nur, wenn es wirklich zu einer Standortzusammenlegung kommt. Es macht keinen Sinn, Laborflächen für die Ingenieure, die in Oberschöneweide sit- zen, in Karlshorst, wo noch Flächen zur Verfügung wären, umzuwidmen, weil das durch die erforderlichen Mobilitätszeiten im Rahmen eines Fachhochschulcurriculums nicht zu bewerk-

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stelligen wäre. 7 000 Quadratmeter, die da also übrig geblieben sind, und wenn Sie noch in Erinnerung haben, was ich damals für bedarfsbezogene Flächenansätze nach Normwerten genannt hatte, ist das sicherlich keine Mondzahl, keine übertriebene Zahl.

Wir haben dann, weil das Gutachten aus 2016 kam, noch mal 4 700 Quadratmeter zusätzliche Bedarfe angemeldet, die wir bräuchten. Das hat etwas damit zu tun, dass sich das Land im Rahmen der neuen Hochschulverträge dankenswerterweise bereit erklärt hat, auch den Fach- hochschulen einen haushaltsfinanzierten wissenschaftlichen Mittelbau zuzuweisen. Das wären bei uns ungefähr 60 Stellen. Man hofft ja darauf – und da sind wir sehr optimistisch –, dass das eine gewisse Hebelwirkung hat, was Drittmittelaufkommen, Auftragsforschung angeht. Dann haben wir konservativ noch mal 20 weitere wissenschaftliche Mitarbeiter dazu gesetzt. Ich denke, es macht Sinn, auch wenn das Technologie- und Gründerzentrum auf der anderen Straßenseite der Ostendstraße angesiedelt ist, dass wir unseren Studierenden oder Projektmit- arbeitern im Vorfeld von Gründungen – wie heißt das neudeutsch? – in der Pre-Seed-Phase noch mal günstigere Räumlichkeiten anbieten – wir haben ja ein eigenes Existenzgründer- zentrum, was aber in Karlshorst angesiedelt ist –, also, dass wir das dazu bräuchten und dann natürlich noch die dazugehörigen Ergänzungsflächen. Wir kommen auf einen Flächenbedarf von 38 200 Quadratmetern, rund gerechnet. Und nach allem, was wir wissen, ist das, sowohl was unsere Architekten damals als auch die Architekten des jetzigen Eigentümers gesagt ha- ben, im Peter-Behrens-Haus unterzubringen.

Wir haben damals, wie gesagt, eine eigene Machbarkeitsstudie gemacht, und da gab es drei Varianten, einmal die Unterbringung im Peter-Behrens-Haus. Die zweite Variante wäre, die Freiflächen, die in dem Gelände noch verfügbar sind, damit zuzubauen. Und die dritte Varian- te war, Verfügungsflächen der Hochschule zu nutzen und in die Kabelfabrik der Wilhelms- werke hineinzugehen. Abgesehen davon, dass man mit dem Eigentümer dieser Industrieflä- che, wo noch Produktion läuft, nicht wirklich ins Gespräch kommt, ist die dritte Variante si- cherlich die problematischste. Die Freiflächennutzung wäre eine Möglichkeit; auf der anderen Seite hatten wir schon Gespräche mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, und dann hieß es: Ja, aber die ganzen Freiflächen, die eigentlich auch für gewerbliche Ansiedlung vor- gesehen sind, zuzubauen, ist jetzt nicht der Weisheit letzter Schluss. – Und dem treten wir

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auch bei. Denn wir wollen ja in Oberschöneweide tätig sein, weil wir da ein urbanes Umfeld haben, aber auch eine Nachbarschaft von produzierenden Unternehmen, mit denen wir zu- sammenarbeiten wollen.

WISTA – – hat einen Investitionsantrag gestellt, dort ein Innovations- und Techno- logiezentrum Industrie 4.0 – ITZ4.0 – zu bauen, wo die Idee ist, dass dieses Zentrum dann gemeinsam mit der HTW betrieben wird, um hier noch einmal einen zusätzlichen Impuls in die Entwicklung dieses Zukunftsortes Oberschöneweide geben zu können. Wir sind deklarier- ter Zukunftsort und Teil des Transformationsraumes Schöneweide-Adlershof-BER. Wir hat- ten gerade vor 14 Tagen ein neues Gespräch mit WISTA – Adlershof – und darüber hinaus, um darüber nachzudenken, wie wir diese Kooperation noch intensivieren können.

Dieses Vorhaben insgesamt, den Standort der HTW auf einen Zentralcampus in Oberschöne- weide zu konzentrieren, ist mit verschiedenen Senatsverwaltungen diskutiert worden – mit Schule, mit Wirtschaft, mit Wissenschaft, mit Stadtentwicklung –, und von allen Senatsver- waltungen liegt, auf der Leitungsebene abgestimmt, ein positives Votum vor. So gesehen könnte man sagen, alle finden das ein sehr überzeugendes Projekt. Aber wie immer: Es geht ums Geld. Der jetzige Eigentümer des Geländes, die Comer Group, hat schon mal ein Archi- tektenbüro herangesetzt, um eine Einpassungsplanung und eine erste Baukostenkalkulation vorzunehmen. Ich glaube, soviel kann man sagen, dass sie diese große Fläche – 38 000 Quadratmeter Nutzfläche – relativ günstig und schnell würden umbauen können. Aber, wie gesagt, das müsste überhaupt erst mal geklärt werden. Comer hat ein Interesse, dass die Hochschule da reingeht, weil sie sich davon versprechen, dass das ganze Areal dann für andere Ansiedlungen attraktiver wird. Comer ist, soweit ich informiert bin, inzwischen von seinen ursprünglichen Planungen abgewichen, nach denen das Restgebiet des ehemaligen Samsung-Geländes alles mit Wohnungen zugebaut werden sollte. Er will jetzt auch einen großen Teil gewerblich entwickeln. So gesehen passen die Überlegungen des jetzigen Eigen- tümers zur Entwicklung dieser Fläche mit den Überlegungen des Bezirkes und des Landes und auch mit unseren durchaus zusammen.

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Es geht um eine denkmalgerechte – dazu hören wir aber noch einiges – Revitalisierung einer wirklichen Ikone der Berliner Industriegeschichte als Anker, wenn man so will, eines neuen urbanen Gebietes: Lernen, forschen, leben, arbeiten, produzieren. Ich war vor ein paar Wo- chen auf einer Veranstaltung, wo Herr Büchner von Siemens gesagt hat: Industriestadt Berlin 2.0 und die Zusammenarbeit mit dem Land, das war eine Blaupause für andere. – Dem kann ich eigentlich nur beitreten, denn das könnte hier etwas Ähnliches im Südostraum werden.

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Wir wollen in der Tat ein interdisziplinärer offener Campus werden, der anwendungsnahe Lehre und Forschung macht und mit den Unternehmen im Stadtteil – auch mit den neuen Un- ternehmen, auch mit Gründungen an der Ecke –, aber auch darüber hinaus den Kreativraum Schöneweide belebt. Sie wissen, dass da inzwischen auch ein namhaftes Kunstquartier ent- standen ist. Ich hatte von gesagt: Wir haben eine der größten Designfakultäten. – Da steckt unseres Erachtens sehr viel Musik drin. Und auch jetzt merken wir, wenn wir Publikumsver- anstaltungen haben – der Standort ist zurzeit verkehrstechnisch ein bisschen schwer zu errei- chen –, dass die Leute, die zu uns gefunden haben, alle total begeistert sind, und wir kriegen auch Anfragen, dass sie bei uns Veranstaltungen durchführen wollen.

Abschließend: Hochschulpolitisch wichtig, wirtschaftspolitisch wichtig, stadtentwicklungspo- litisch wichtig – das haben wir schon alles gesagt. Nun ist die Frage: Was passiert mit dem Campus in Karlshorst? – Wir haben den Vorschlag gemacht, dass man diesen Campus als integrierten Schulcampus nutzen kann. Ganztagsunterricht, ein Gymnasium ist in unmittelba- rer Nachbarschaft, eine Integrierte Gesamtschule, eine Gemeinschaftsschule, auch eine

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Grundschule – es ist alles da: eine Mensa, eine Dreifelder-Turnhalle, ein Audimax, eine Bib- liothek. Und deswegen ist Schule auch dafür – zumal in -Süd, und das ist Karls- horst, ein extremer Mangel an Schulplätzen besteht –, dass man hier Schulplätze einrichtet.

Und zum Schluss vielleicht noch: Wir reden immer von Sektorkopplung und von Smart City. Wir planen so etwas auf der grünen Wiese – EUREF-Campus, , Clean Tech Business Park. Hier könnte man in einem alten, gewachsenen Stadtquartier, wo Transformationsbedarf ist, so etwas auch entwickeln. Ich verrate kein Geheimnis: Unsere Hochschule hat als einen Forschungsschwerpunkt Regenerative Energie und Energieeffizienz, nicht zuletzt in Gebäu- den. Von daher würden wir wunderbar mithelfen können, Oberschöneweide auch diesbezüg- lich zu entwickeln. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe auf Ihre Unterstützung!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank Herr Prof. Semlinger! – Jetzt darf ich an Herrn Prof. Busch übergeben – Bitte schön!

Prof. Dr. Carsten Busch (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin; designierter neuer Präsident): Letztlich hat der Kollege Semlinger für die amtierende Hochschulleitung alles Wesentliche gesagt. Ich denke, ich kann für die neue, ab dem 1. April ins Amt tretende Hoch- schulleitung der HTW sagen, dass wir diese Pläne mit voller Kraft unterstützen. Der Kollege Semlinger hat das schon betont, aber ich will das von meiner persönlichen Seite noch einmal sehr stark in den Vordergrund heben: Ich glaube, wir müssen uns hier als Hochschule für die Stadt und für die Entwicklung des Quartiers in der Verantwortung sehen. Es ist sofort ein- leuchtend, dass wir dies für die Stadt, wenn wir komplett an einem Standort sind, mit stärke- rer Kraft machen können, als wenn wir geteilt sind und ein Teil unserer Energie dahin geht, zwischen zwei Standorten hin- und herzureisen und die Zusammenarbeit zu organisieren. Die Hochschule wird sicherlich bereit sein, sich dieser Verantwortung für den Stadtteil und für Arbeitsplätze und Ansiedlungen in dem Areal im Rahmen eines solchen Umsiedlungs- und Umbauprozesses bis hin zu neuen Studiengängen und Studienplätzen, über die wir derzeit nachdenken, dann auch aktiv zu stellen. Ich hoffe, dass wir das hinkriegen und dass wir inso- fern unseren Beitrag dazu leisten können. Das Ganze nur zu machen, damit es einige Profes- soren – Entschuldigung, wenn ich das so salopp sage – ein bisschen bequemer haben, wäre sicherlich nicht im Interesse der Stadt, auch nicht der Hochschule. Aber um einen Stadtteil, ein Areal zu entwickeln, dafür ist es den Aufwand wert!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Herr Prof. Busch! – Dann darf ich jetzt an Herrn Niemeyer übergeben. – Bitte schön!

Thomas Niemeyer (ehemalige Regionalmanager Schöneweide; 2012 bis 2018): Vielen Dank erst einmal für die Einladung! – Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich hatte Ihnen etwas kurzfristig am Freitag eine Stellungnahme zugesandt. Wie ich hörte, ist sie noch verteilt worden, was mich sehr freut. Ich würde gerne an der einen oder anderen Stel- le noch ergänzen, auch das von Prof. Semlinger Gesagte. Ich würde gerne auf das Stichwort Interdisziplinarität aufsetzen. Davon wird gerne geredet, die Frage ist: Was bedeutet das ei- gentlich? Was kann das eigentlich für den Stadtteil Schöneweide bedeuten, und was bedeutet das vor allen Dingen für Berlin? – Tatsächlich geht es bei der Veränderung der Arbeitswelt – wir alle haben darüber schon sehr viel gehört – genau darum, um Interdisziplinarität. Und wenn Sie sich vorhin angehört haben, welche Fachbereiche, welche Studiengänge die HTW

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anbietet, sind das genau die Disziplinen, die benötigt werden, um den Wandel in der Arbeits- welt vom sozialen bis hin zum Produktionsthema abzudecken.

Ich möchte auch das Beispiel Adlershof bemühen – ich hatte das in meinem Schreiben auch schon gemacht. Ich denke, Adlershof ist unzweifelhaft eine Erfolgsgeschichte in Berlin in den jetzt mittlerweile über 20 Jahren. Am Anfang mit einer sehr hohen Subventionsquote ausge- stattet gab es natürlich auch sehr viele Unkenrufe, inzwischen hat sich dieses Verhältnis um- gekehrt. Die allermeisten Adlershofer Unternehmen – inzwischen arbeiten dort um die 20 000 Menschen – sind jedes Jahr Steuerzahler geworden. Ausschlaggebend für diese Ent- wicklung war ein Dreiklang an wichtigen Voraussetzungen, die dort geschaffen worden sind. Zum einen ist dort eine Universität – die Humboldt-Universität, Sie wissen das – angesiedelt worden, sicherlich auch nicht ganz ohne Widerstand seinerzeit. Es gab Raum für Unterneh- menswachstum, große freie Flächen, und es gibt viele Gründer- und Technologiezentren, in denen die Unternehmen, die aus einer Hochschule herauswachsen, erst einmal vergünstigten Raum finden, aber auch interessante Nachbarschaften, wie die Adlershofer gerne sagen. Es arbeiten hier also nicht nur Unternehmen und Hochschule zusammen, sondern auch die Un- ternehmen untereinander. Hierzu gehören hochspezialisierte Flächen wie Laborflächen, aber es gehören auch immer mehr Services dazu: Wie bringe ich Unternehmen dazu, miteinander zu kooperieren, um im globalen Wettbewerb zu bestehen?

Last but not least sind die Flächen zu nennen, die dort im Übermaß vorhanden waren – und jetzt schlage ich den Bogen zu Oberschöneweide. Ich möchte betonen, dass wir hier nicht bei null sind, sondern viele dieser Voraussetzungen sind zum Teil vorhanden bzw. im Ansatz vorhanden. Die HTW hat dort mittlerweile eine über zehnjährige Erfolgsgeschichte am Standort. Wir haben allein bei den Bestandsflächen etwa 550 000 Quadratmeter Geschossflä- che Gewerbebauten – ja, alle im Denkmal. Das ist nicht nur Chance, sondern auch Herausfor- derung. Das weiß ich auch. Aber in den vergangenen Jahren ist zum Teil angefangen worden, diese Denkmäler auch nachhaltig zu nutzen, also nicht mehr nur temporäre Zwischenlösun- gen, sondern es sind größere Investitionen im zweistelligen Millionenbereich dort hineinein- geflossen. Und siehe da: Sobald vernünftige Flächen zur Verfügung standen, sind auch die Unternehmen bekommen. Und es gibt nicht eines in Schöneweide, das nicht mit der HTW kooperiert. Wie ich geschrieben habe, sind vielleicht 20 Prozent der Flächen entwickelt und saniert worden. Das heißt im Umkehrschluss: Da gibt es noch ein riesiges Potenzial, und wir wissen alle, dass nicht nur im Wohnungsbereich eine erhebliche Nachfrage nach Fächern be- steht, sondern auch im Gewerbebereich zunehmend eine Flächennot entstanden ist. Da ist natürlich die Frage: Was möchte man zukunftsfähigen Unternehmen für Flächen anbieten? – Das sollte sicherlich auch Flächen sein, die sich im Hochschulumfeld befinden, nicht nur um Fachkräfte zu gewinnen, sondern auch, um Produkte zu entwickeln, die am Weltmarkt Be- stand haben.

Vielleicht noch zu den Technologie- und Gründerzentren: Es gibt schon eines in Schönewei- de, seit etwa 20 Jahren. Das ist leider schon aus der Bindung herausgefallen, wird vielleicht nicht ganz so modern unter den Maßgaben eines Technologie-und Gründerzentrums gema- nagt, wie das vielleicht in Adlershof oder auch an anderen Standorten geschieht, aber es ist schon mal da. Der Bezirk steht auch dazu. Wenn wir uns andere Standorte vor Augen führen, dann kann es davon durchaus auch mehrere geben. Herr Prof. Semlinger hat es angesprochen: Die WISTA plant – damals auch auf Anstoß des Regionalmanagements – ein Technologie- zentrum für Industrie 4.0 und Zukunft der Produktion, also etwas, was thematisch dazu passt,

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und wäre auch das einzige Technologie- und Gründerzentrum, das tatsächlich auf eine Bran- che bzw. auf eine Technologierichtung fokussiert ist. Ich bin momentan nicht ganz darüber informiert, wie der Entscheidungstand ist, aber ich denke, dass das ein Projekt ist, was dem Zentralcampus in Schöneweide und Schöneweide als Ganzes zugutekommt.

Was hat Berlin als ganze Stadt davon? – Wir wissen, Berlin war mal eine Industriestadt, wür- de es auch gerne wieder werden. Drei Zäsuren – der Erste und der Zweite Weltkrieg und der Mauerfall – haben dazu beigetragen, dass Berlin im Moment im Vergleich zu anderen Indust- riestätten erst einmal relativ schwach dasteht. Aber Berlin ist auch die Hauptstadt der Start- ups und braucht keinen Vergleich mit New York oder London zu scheuen. Nun gibt es aber nicht nur die Start-ups, wo junge Programmierer im „St. Oberholz“ sitzen und Apps an ihren Laptops schreiben, sondern es gibt auch die Hardware-Start-ups. Man könnte es auf Deutsch auch übersetzen: Das sind die Mittelständler von morgen. Und die Zahl der Hardware-Start- ups verdoppelt sich etwa jährlich. Das heißt, wenn wir noch vor wenigen Jahren einen Pro- zentanteil von knapp 2 Prozent aller Start-ups hatten, die sich mit anfassbaren Produkten be- fassten, sind es mittlerweile gut 8 Prozent, mit weiter steigender Tendenz. Das sind Unter- nehmen, die ganz andere Anforderungen als ein paar Coworking Spaces im Stadtzentrum ha- ben. Die brauchen auch Werkstätten. Die haben manchmal auch ein Emissionsthema, – bei meiner neuen Profession beschäftige ich mich gerade mit dem Thema Ernährung – ganz ande- re Anforderungen auch an Hygiene etc. Genau so etwas haben wir im Bereich 3D-Druck, im Bereich Robotik – all das sind Zukunftsthemen, die sich rund um die HTW nicht nur ansie- deln können, sondern dies teilweise auch schon tun. Damit dieser Prozess aber weitergehen kann, braucht Schöneweide Voraussetzungen. Das ist einmal das Zusammenziehen der Fach- bereiche am Standort, denn dann haben Sie alle Disziplinen zusammen, die Sie brauchen, um diese Thematik führend zu bearbeiten – das also an einem Standort vereinigen –, und damit haben Sie ein noch besseres Argument für Unternehmen, diese dort auch ansiedeln zu kön- nen.

Vielleicht noch zum aktuellen Stand: Nachdem ich dort 2012 angefangen hatte, hat es einige Zeit gedauert, bis sich der eine oder andere Eigentümer der größeren Liegenschaften – diese 550 000 Quadratmeter, von denen ich sprach, sind in der Hand weniger Großeigentümer – entschlossen hatte, dass dann doch an den Immobilienmarkt zu geben, sodass dann Projekt- entwickler das erwerben und entwickeln konnten. Da haben wir den ersten großen Schritt vor vier Jahren mit der S IMMO gemacht, einer österreichischen Sparkassentochter, die die ehe- malige Leuchtenfabrik gekauft und dort etwa 16 000 Quadratmeter entwickelt hat. Und ich glaube, es hat keine drei Monate nach dem Baubeginn gedauert, bis wir dort gemeinsam das erste Unternehmen ansiedeln konnten, das sich mit Industriedesign befasst. Dreimal dürfen Sie raten, warum das nach Oberschöneweide gekommen ist, nämlich wegen der Industriede- signer, die sich an der HTW befinden. Diese Geschichte kann man inzwischen endlos fort- schreiben. Aber tatsächlich muss es weitergehen.

Ich denke, damit es weitergehen kann, brauchen wir auch ein Stück weit Ihre Unterstützung. Genauso würde eine Entwicklung des Peter-Behrens-Baus auf dem Areal von Herrn Comer auch einen wichtigen Entwicklungsanstoß geben. Vielleicht mal über den Daumen gepeilt: Da befindet sich das größte Neubaupotenzial außerhalb des Peter-Behrens-Baus mit etwa 150 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche für neue Unternehmen. Genauso gibt es weitere Potenziale auf den noch unbebauten Flächen am Spreeknie. Wir haben seinerzeit sehr stark dafür geworben, dass sich die Infrastruktur am Standort verbessert. Es geht auch um die Er-

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richtung eines weiteren Brückenbaus – das war übrigens für viele Projektentwickler seinerzeit Grund, sich vielleicht in Schöneweide noch nicht zu engagieren, weil die Anbindung noch zu wünschen übrig lässt. Insofern sollte man das Ganze, also die Verbesserung der Infrastruktur und die Konzentration der HTW, ein Stück weit gemeinsam betrachten.

Insofern, vielleicht zum Schluss kommend, wäre es sicherlich für Schöneweide ein weiterer Impuls, vielleicht noch einmal an andere Zukunftsorte zu denken – um dieses Wort auch ein- mal zu bemühen. Ich bin in meiner Dienstzeit ein großer Verfechter dieses Themas gewesen, habe das auch in den entsprechenden Arbeitskreisen stark vorangetrieben. Das ist keine Mar- ketingblase. Das ist kein Vermarktungsthema, um Unternehmen nach Berlin zu locken, son- dern das ist ein Versprechen an innovative Unternehmen. Dazu gehört ein gewisses Maß an Infrastruktur, bestimmte Voraussetzungen, und davon ist in Schöneweide schon eine ganze Menge vorhanden, was an anderen Standorten erst noch sehr mühselig geschaffen wird. Das heißt, um dort Unternehmen anzusiedeln – und allein über die Flächen gerechnet, da kennen die Stadtentwickler bestimmte Faktoren, können in Schöneweide wieder bis zu 10 000 Arbeitsplätze entstehen; 3 000 haben wir etwa im Moment –, kann mit vergleichswei- se überschaubaren Maßnahmen ein Maximum an Effekt erzielt werden. Das bitte ich, bei Ih- rem Bemühen und Ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Ansonsten stehe ich auch gerne für Fragen zur Verfügung. – Vielen Dank!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Herr Niemeyer! Jetzt Frau Dr. Ziemer bitte!

Dr. Elisabeth Ziemer (Denk mal an Berlin e.V., stellv. Vorsitzende): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Auch ich danke Ihnen sehr für die Einladung! Es ist nicht so selbstverständlich, dass man im Abgeordnetenhaus zum Denkmalschutz reden darf. Ich habe Ihnen drei Blätter mitgebracht. Das eine ist ein Faltblatt unseres Vereins, damit Sie mich ein bisschen verorten können. Das Zweite ist ein Auszug aus der Denkmaltopographie von Ober- und Niederschöneweide mit dem Behrens-Turm drauf. Und das Dritte ist ein Lageplan mit vielen rot markierten Flächen und Gebäuden; das sind alles Denkmäler. Sie sind deswegen so zahlreich auf diesem Plan vertreten, weil sich Ende des 19. Jahrhunderts der Hauptstandort der AEG und nachfolgender Industrien hier entwickelt hat, und zwar mit Neubauten sehr ho- her Qualität.

Diese Verlagerung an die Ränder Berlins war eine Folge der sozusagen zweiten industriellen Entwicklung, die es in Berlin gegeben hat. Denn wir hatten die ersten Start-ups natürlich schon im 19. Jahrhundert. Das waren hier – ganz wichtig für Berlin – Werner von Siemens, Johann Georg Halske und Emil Rathenau, und die haben auch erst einmal in Hinterhöfen an- gefangen, Halske & Siemens in im Hinterhof; die haben da nämlich ihren Telegra- fen entwickelt oder weiter entwickelt – den gab es schon vorher, im 18. Jahrhundert; dort sind schon Anläufe gemacht worden, um den Telegrafen zu installieren. Dann hat sich das preußi- sche Militär dieser Erfindung angenommen und 1849 tatsächlich die Möglichkeit gegeben, diesen Telegrafen auch zivil zu nutzen, was nicht so selbstverständlich war. Siemens & Hals- ke haben das weiter entwickelt, und Emil Rathenau, der schon 1876 auf die Weltausstellung in Chicago und dann 1881 nach Paris gefahren war, hatte dort die Glühlampe von Edison in Betrieb gesehen und sich die Patente mit den entsprechenden Hintergrundtechniken gekauft. Und diese beiden Firmen, die da entstanden, haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Berlin die Elektrotechnik entwickelt hat.

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Diese Geschichte der Elektrotechnik ist ein derartiges Wunder, auch der beteiligten Personen, man fragt sich, wie atemlos sie eigentlich Erfindungen gemacht haben, haben machen lassen und sie sich entwickelt haben. Das ist wirklich bewunderungswürdig! Ich will Ihnen dazu nur ein paar Daten nennen, einen kleinen Ausblick in dieses 19. Jahrhundert geben: Erst einmal Hinterhof Kreuzberg, 1847, die Telegraphen-Bauanstalt. 1866 entwickelten Siemens & Hals- ke den elektrodynamischen Motor, um überhaupt ihre Erfindungen weitertreiben zu können. Rathenau hat 1880 schon eine Probeanlage für Telefon eingerichtet, und schon gab es kurz darauf ein kleines öffentliches Netz in Berlin. Siemens & Halske waren nicht nur sozusagen die Konkurrenten von Rathenau, sondern sie haben auch zusammengearbeitet, wo sie es für vernünftig hielten. Die haben nämlich dann die Telefonapparate gebaut. Und 1889 hatte Ber- lin bereits – man glaubt es nicht – 10 000 Telefonanschlüsse und 200 000 Gespräche am Tag, die verzeichnet wurden. Damit besaß Berlin das größte Telefonnetz der Welt.

Und das ging so weiter; die haben pausenlos weiter erfunden. Rathenau hat dann mit diesen Patenten von Edison die erste Glühlampenfabrik 1884 in gegründet. Beide Firmen ex- pandierten, sowohl im privaten, gewerblichen und öffentlichen Bereich. Siemens ist nach England gegangen, hat dort eine Niederlassung gegründet. Sie haben den Telegrafenausbau in Russland gemacht. Und Rathenau hat mit seiner Gründung der AEG für seine Glühlampen Kraftstationen und Stromnetze entwickelt. Die erste Verteilerstation war wieder in einem Hin- terhof, in der Nähe des Gendarmenmarktes. Da ist nämlich zuerst das Schauspielhaus elektrisch erleuchtet worden. Aber da man mit dem damals benutzten Gleichstrom nur kleine Entfernungen überbrücken konnte, mussten überall kleine Verteilerstationen entwickelt wer- den. Deswegen forschte man natürlich weiter und hat dann tatsächlich den Drehstrom entwi- ckelt, der über längere Strecken ohne Verluste Strom transportieren konnte. Wegen dieser vergrößerten Produktion musste man an den Rand Berlins ziehen, nach Oberschöneweide, und hier entstand 1897 das erste Drehstromkraftwerk Deutschlands, was gleich die erste Maßnahme war, die die östliche Hälfte Berlins mit Strom versorgen konnte. Die westliche wurde ab 1900 vom Moabiter Werk versorgt. Aber auch die AEG hielt sich nicht mit Berlin und Deutschland auf, sondern verkaufte sofort ihre Technik und ihr Know-how ins Ausland, gründete überall eigene Firmen und stieg genauso wie Siemens & Halske sozusagen zur Weltmacht in der Elektrotechnik auf.

Wer Strom transportieren wollte, musste natürlich auch Kabel herstellen. So entstanden in Oberschöneweide 1897 das Kabelwerk Oberspree, ein Metallwalzwerk, eine Drahtzieherei, ein Gummiwerk. Und da man die Kabel mit Gummi ummanteln musste, hat man auch gleich daran gedacht, Autoreifen herzustellen. Die AEG kaufte eine Autofabrik und produzierte ab 1901 in Oberschöneweide Autos. Sie werden nicht darüber erstaunt sein, dass das erste Auto ein Elektroauto war. 1899 stieg Rathenau auch in die Rundfunktechnik ein, gründete zusam- men mit Siemens 1903 die Gesellschaft für drahtlose Telegraphie – Telefunken. 1923 gab es den Rundfunk, 1935 das Fernsehen. Die erste elektrische Straßenbahn fuhr 1881. Die erste Untergrundbahn bei der AEG wurde 1895 versucht, und ab 1926 waren alle Straßenbahnen elektrisch betrieben. Berlin hatte sich mit diesen beiden Firmen bereits vor dem Ersten Welt- krieg an die Spitze der Global Player im Markt der Elektrotechnik katapultiert. 1913 besaß Deutschland einen Anteil von 35 Prozent an der elektrotechnischen Weltproduktion. Die USA lagen dahinter mit 29 Prozent. In dieser Geschichte liegt übrigens auch ein Grundstein für den Exportweltmeister Deutschland, wenn man da genauer hingucken will.

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Dieser Aufstieg Berlins zur führenden Industriemetropole Deutschlands führte natürlich auch zu einer industriellen Kulturlandschaft, wie wir sie auf dem Plan von Oberschöneweide se- hen; und die ist auch heute noch von internationalem Rang, denn diese unterschiedlichen Bau- ten und ihre Vielzahl sind wohl auch weltweit einmalig. Deswegen hatte das LDA auch schon vor einigen Jahren versucht, die Aufnahme dieser „Elektropolis Berlin“ in das Weltkulturerbe zu starten. Es gibt dazu ein wunderbares , das ich Ihnen sehr empfehlen kann: Elektropo- lis Berlin. Es ist vergriffen, und ich finde, es wäre gut, eine Neuauflage und auch eine engli- sche Übersetzung zu machen, denn diese weltweite Bedeutung Berlins für die Elektrotechnik sollte man nicht vergessen und weiter veröffentlichen. Diese industrielle Kulturlandschaft betraf aber nicht nur Industriebauten, denn die AEG und Siemens & Halske handelten auch mit sozialem Anspruch und sorgten für ihre Fachkräfte und Arbeiter, indem sie Wohnsiedlun- gen, Schulen, Sozialeinrichtungen, Veranstaltungsräume, Erholungsgebiete bauen ließen, und davon ist auch im Bereich Oberschöneweide noch sehr viel vorhanden. 1925 arbeiten bereits 178 000 Menschen allein in der Berliner Elektroindustrie.

Diese weltweite Führungsrolle zog auch den Anspruch nach sich, hervorragende Architektur zu bauen und sich darin darzustellen. Für ihre Bauten, egal, ob es diese Industriebauten oder Wohnungsbauten waren, hat besonders die AEG hervorragende Architekten herangezogen, wie Franz Schwechten, was übrigens auch einen Hintersinn hatte, denn Franz Schwechten hatte offensichtlich beim Kaiser einen Stein im Brett, und man hat sich davon versprochen, wenn man Schwechten nimmt, dass man dann auch schneller seine Bauprojekte durchgewinkt bekommt. Aber Franz Schwechten war eben auch ein hervorragender Architekt. Neben ihm arbeiteten , Paul Tropp, Ernst Ziesel und Jean Krämer, der übrigens die erste Ampelanlage am Potsdamer Platz, die ja so berühmt ist, gebaut hat, und noch viele andere gehören dazu. Peter Behrens, der eben auch durch das Gebäude, das wir betrachten, wichtig ist, war seit 1907 künstlerischer Beirat der AEG und setzte in dieser Funktion die erste von Schwechten begonnene Corporate Identity der AEG weiter fort – von der Schreibtischlampe bis zum Industriebau hat er alles entworfen. Sie kennen sicherlich auch und wissen es, dass die Turbinenhalle in eine Ikone der Architekturgeschichte ist, genauso wie der heute behandelte Behrens-Bau.

Dieser Neubau von Behrens, 1915 bis 1917 als Produktionsbau und Verwaltungsstandort für die Nationale Automobil-Gesellschaft errichtet, ist eines seiner Hauptwerke. Dieser imposan- te Bau mit 58 Meter hohem Turm sieht eher wie ein Rathaus aus und verhält sich auch so. Sie sehen auf dem Plan, dass er an der Ecke Wilhelminenhofstraße/Ostendstraße steht und sich damit dieses imposante Gebäude genau in der Achse – wenn Sie die Wilhelminenhofstraße hochkommen – entfaltet und sozusagen den Markt beherrscht. Das sollte natürlich auch ge- nauso sein. Man sieht ihm nicht an, dass es ein Produktionsstandort ist. Der Turm ist im obe- ren Teil ein Wasserturm. Es gibt im Hofgebäude riesige Fahrstühle für die Autoproduktion, die dort auch stattfand, aber nicht so lange hielt, denn 1934 wurde diese Produktion wegen der Automobilkonkurrenz an anderen Orten eingestellt. Und die Telefunken, die mit Siemens zusammen gegründet worden war, zog hier ein. Damit entstand hier ein Standort für Tele- kommunikation, der bis 1990 betrieben wurde. Sie wissen, dass das Werk für Fernsehelektro- nik auch in diesem Gebäude saß – übrigens mein Cousin und seine Frau haben da gearbeitet; insofern habe ich dazu eine kleine familiäre Beziehung. Der erste Fernseher der DDR lief hier vom Band.

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Die weitere Geschichte ist bekannt, ist auch schon angeklungen. 1990 gab es dort noch 25 000 Beschäftigte. 1998 leider nur noch 3 500, und das hat natürlich eine massive Arbeits- losigkeit und auch Bitterkeit hervorgerufen. Die rechtsradikalen Tendenzen in diesem Ortsteil waren nicht zu übersehen. Gott sei Dank hat diese Kneipe auf der Brückenstraße „Zum Hen- ker“ zugemacht, aber das heißt ja nicht, dass sich die Köpfe auch gewandelt haben.

Vorsitzender Martin Trefzer: Frau Dr. Ziemer! Ich darf Sie bitten, vielleicht noch mal zum Thema zurückzukommen!

Dr. Elisabeth Ziemer (Denk mal an Berlin e.V.; stellv. Vorsitzende): Ich komme zum Schluss. Deshalb war es ein sehr kluger Entschluss, die HTW hier anzusiedeln. Herr Niemey- er hat schon berichtet, dass die Beschäftigtenzahlen wieder zugenommen haben. Herr Sem- linger hat darauf hingewiesen, dass die Studenten – 10 000 an der Zahl – wie auch die HTW selbst wesentlich dazu beitragen, dass hier Beschäftigung entsteht. So, wie es für Siemens- stadt im Westen geplant ist, wo der Senat dankenswerterweise Siemens wieder zum aktiven Engagement in die Stadt geholt hat, wäre es für Oberschöneweide im Osten auch gut, wenn die positive Entwicklung in eine neue Runde gehen würde. Vielleicht kann man mit Siemens zusammen – weil die beiden, AEG und Siemens, so wichtig für die Stadt waren – an dieser Stelle einen neuen Anlauf machen, um das Weltkulturerbe Elektropolis wieder aufzulegen. – Vielen Dank!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Frau Dr. Ziemer, für diese historische Tour de Raison! – Wir kommen jetzt zur Aussprache und zu den Fragen an die Anzuhörenden. – Zu- nächst Herr Schulze – bitte!

Tobias Schulze (LINKE): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Mich verbindet mit der HTW eine längere Geschichte. Ich war dort mal AStA-Vorsitzender und auch Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten und habe damals die Entscheidung zum Umzug nach Schöneweide mit begleitet. Das war übrigens keine ganz leichte Entscheidung, denn die Hochschule wollte ei- gentlich in Karlshorst einen Zentralstandort bauen. Das ist am Geld gescheitert, wie Prof. Semlinger schon richtig sagte. Und keiner wollte eigentlich nach Schöneweide. Schö- neweide war damals so ein bisschen – Oberschweineöde sagt man ja auch – das Schmuddel- kind der Berliner Stadtteile. Wenn man jetzt sieht, wie sich das entwickelt hat und wie sich der ganze Standort dort entwickelt, kann man, glaube ich, sagen, dass es dort, wo ein Hoch- schulstandort hinzieht, einen unglaublichen Fahrstuhleffekt nach oben für alle möglichen wei- teren stadtgesellschaftlichen Bereiche gibt – allein durch den Zuzug von Studierenden. Aber auch durch die Arbeit vor Ort und durch das ganze Klima verändert sich so ein Stadtteil.

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Ich glaube, wenn man jetzt über Schöneweide als Zentralstandort für die HTW redet, dann ist es ganz wichtig, über den wissenschaftspolitischen Kontext hinaus diesen stadtentwicklungs- politischen mit zu betrachten. So sollten wir dieses Projekt auch in seiner Größe und Dimen- sion betrachten. Es geht hier nicht nur um ein Gebäude, das möglicherweise für die wissen- schaftliche Nutzung ans Land Berlin übertragen werden soll, sondern es geht um eine Ent- wicklungsperspektive für ein lange Zeit strukturschwaches Gebiet, in dem die Nachwende- prozesse massive soziale Verwerfungen nach sich gezogen haben. Und – wenn ich mir das erlauben darf, Herr Vorsitzender – die Bemerkung von Frau Dr. Ziemer, dass es dort in der Nachfolge der hohen Arbeitslosigkeit auch ein massives Problem mit Rechtsradikalismus gab, war jetzt nicht unberechtigt, sondern genau an der richtigen Stelle angebracht. Oberschöne- weide sieht heute anders aus. Das ist sehr erfreulich; das wurde schon gesagt.

Was ich noch fragen möchte und wichtig finde, wären die Punkte: Wir haben an allen Fach- hochschulen massive Flächendefizite, und das Land Berlin will, dass die Fachhochschulen weiter wachsen. Vielleicht können Sie noch mal darstellen, Herr Prof. Busch, Herr Prof. Semlinger, ob auch bei Ihnen weiteres Wachstum angedacht ist, und wenn ja, in wel- chen Bereichen und wie das mit dem Flächenbedarf dafür aussieht. Ich glaube, diese Frage nach dem Wachstum muss man noch einbeziehen. Das ist auch ein bisschen anders als bei den Universitäten. Eine zweite Frage – vielleicht auch an Herrn Niemeyer – geht in Richtung Wohnungen. Wenn man jetzt über den möglichen Umzug nach Schöneweide spricht, dann reden wir auch immer darüber, dass dort viele Beschäftigte und Studierende mit umziehen und diese auch alle Wohnraum brauchen. Wenn wir die dringend benötigten Gewerbeflächen schaffen, ist das total richtig, auch gerade in so einem Umfeld, das sich dort entwickelt, trotz- dem glaube ich, wenn man sieht, wie schnell Aufwertung geschieht, und wie tot Kieze sein können, wenn dort nur teurer oder gar kein Wohnraum vorhanden ist, sollten wir bei der Kiezentwicklung Wohnraum immer mitdenken, gerade Wohnraum für Studierende. Vielleicht könnten Sie dazu noch etwas sagen.

Ich weiß nicht, ob jemand von Ihnen den Artikel im „Cicero“ gelesen hat: Ein deutsches Stan- ford für Berlin. – Da hat ein Autor vorgeschlagen, wir sollten das Tempelhofer Feld mit ei- nem großen Stanford bebauen, mit einem Finanzvolumen von mehreren Milliarden Euro. Ich hatte mit dem Kollegen hinterher auch einen kleinen Kontakt bei Twitter – der kannte WISTA nicht, und der kannte auch die HTW in Schöneweide nicht. Ich glaube, es ist sehr sinnvoll, dieses Projekt eines großen Wissenschaftsstandortes im Südosten der Stadt, eines Wissen- schafts- und Technologie- und Innovationsstandortes, auch noch mal als Zukunftsort – den Begriff haben Sie vollkommen richtig genannt – besser zu vermarkten. Was da entstehen kann, ist tatsächlich ein Nukleus, der für die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin mindestens so wichtig ist wie die alten Industriestandorte im Nordwesten der Stadt. Das ist vielen noch nicht so bewusst. Wenn wir über den hohen Geldbetrag reden, der hier möglicherweise rein- fließen soll – denn ganz billig wird es nicht, wenn wir das machen wollen; das muss man auch sagen –, dann muss man Antworten auf die Frage: Wie legitimieren wir das? Und wie be- gründen wir das? – geben und damit argumentieren, dass man heute die Weichen für eine Zukunftsentwicklung stellt, die die nächsten 30, 40 Jahre dauern und viele weitere Effekte nach sich ziehen kann. Wir müssen sagen, dass das – wie Sie es richtig auf der Folie gezeigt haben – ein Projekt für die gesamte Stadt ist, das der gesamten Stadt und insbesondere dem gebeutelten Südosten der Stadt einen Nutzen bringen kann. Das sollten wir in unsere Kom- munikation und in die Debatte noch einbeziehen – also die Stadtrendite, die solch ein Projekt bringen kann.

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Da komme ich schon zur Schattenseite, nämlich der Frage: Was passiert dann eigentlich in Karlshorst? Wenn wir das machen wollen, dann brauchen wir eine Gesamtrechnung. Da müs- sen wir uns zusammen überlegen – auch mit dem Bezirk Lichtenberg zusammen –, wie das Gelände in Karlshorst so genutzt werden kann, dass der Bezirk oder das Land – das muss man dann sehen – tatsächlich eine Gegenbuchung machen kann. Wie gesagt, das wird mit dem Behrens-Bau in Schöneweide nicht billig, und wir brauchen ein Projekt, wo wir sagen kön- nen: In Karlshorts entsteht auch so etwas Gutes, dass sich die Investition in Schöneweide auch dafür lohnt. – Da sind mehrere Sachen denkbar, zum Beispiel, ein Oberstufenzentrum umziehen zu lassen oder auch den Schulcampus zu machen. Oder wir haben auch große Flä- chenbedarfe etwa bei der HWR in , wo man auch überlegen könnte, ob die möglicherweise nach Karlshorts kommen. Da müssen wir uns dann zusammen hinsetzen und Gedanken machen. Wir brauchen da auf jeden Fall die Gegenbuchung, um zu sagen: Das alles lohnt sich. – So viel von meiner Seite.

Ich unterstütze das Projekt sehr, wünsche ihm viel Erfolg und hoffe, dass wir die Debatte zu- sammen anschieben können. Ich glaube, wir müssen davon ein paar Leute überzeugen. Des- wegen finde ich es auch sehr gut, dass wir das Thema heute im Ausschuss haben. Wir haben im gesamten Hochschulbereich Sanierungsbedarfe, auch Neubaubedarfe und Ähnliches. Wie Sie vorhin richtig gesagt hatten: Es ist eigentlich nicht zu vermitteln, wenn Professoren ein paar Wege weniger haben. Wir haben auch andere Hochschulen in Berlin, die zwei oder mehr Standorte haben. Das alleine reicht nicht als Argument, sondern wir brauchen schon die um- fassende Darstellung des unglaublichen Nutzens, den ein solcher Umzug insgesamt stiften könnte, um die Menschen davon zu überzeugen. Dann habe ich ganz guten Mut und eine gute Perspektive, dass wir das zusammen hinkriegen, danke Ihnen, dass Sie sich so lange dafür eingesetzt haben, und hoffe, dass das in der nächsten Zeit klappt. Unsere Unterstützung haben Sie. – Danke schön!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Herr Schulze! – Frau Pieroth, bitte!

Catherina Pieroth-Manelli (GRÜNE): Dem großen Dank schließe ich mich als Allererstes meinem Kollegen in Gänze an. Ich denke, das ist auch eine besondere Gunst der Stunde: Herr Prof. Semlinger! Sie sind mit Ihrer Erfahrung noch da, und Herr Prof. Busch wird da sein. Wo hat man so gebündelt die Chance, Erfahrungen einzubringen und nach vorne zu schauen? Ich denke, Herr Schulze hat das schon sehr klar und deutlich umrissen, welche stadtweite Bedeu- tung das Elektropolis- oder Zentralcampusprojekt haben kann. Auf den Strukturwandel möch- te ich jetzt nicht noch einmal eingehen, allerdings kann ich das auch nur unterstützen. Wir müssen als Politiker aber auch feststellen: Wissenschaft kann nur der Motor sein. Wir müssen wirklich ressortübergreifend denken, und es ist auch klar: Wissenschaft, Forschung, Wirt- schaft – letztendlich arbeitsmarktpolitisch, schulpolitisch und auch energie- und klimapoli- tisch sollte das ein gemeinsamer Akt für den Südostteil der Stadt sein. Das ist völlig klar! Damit ganz konkret die Frage, auch nach dem Zeitrahmen, wie wir Standortvorteile herausar- beiten können.

Infrastrukturelle Voraussetzungen: Inwieweit wird in Oberschöneweide in diese Richtung gedacht – vielleicht ein bisschen im Vergleich zum Projekt Beuth Hochschule? Die Tram- anbindung – eine U-Bahnanbindung ist vielleicht zunächst nicht angedacht –, aber auch da so ein bisschen die Parallele zu dem, was in der Treskowallee aufgegeben wird. Also, einfach

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mitdenken, dass die Studierenden die Möglichkeit haben, entsprechend hinzukommen. – Eine weitere Frage ist, welche Konflikte zwischen den möglichen Nutzerinnen und Nutzern in Oberschöneweide und den tatsächlich erschließbaren Flächen bestehen. Da würde ich mich freuen, wenn Sie darauf noch mal ein bisschen stärker eingehen. – Und insbesondere an Frau Ziemer – da war ich jetzt auch sehr glücklich zu erfahren, was schon alles stattgefunden hat: Ich würde erst mal gerne wissen, wie lange Sie mit „Denk mal“ schon die Entwicklung be- gleiten. Welche positiven, aber auch negativen Entwicklungen hat es in der Zeit gegeben? Wie beurteilen Sie den momentanen Stand, und welche Schritte können wir zur weiteren Qua- lifizierung gemeinsam angehen? – Danke schön!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Frau Pieroth! – Frau Brychcy, bitte!

Franziska Brychcy (LINKE): Ich wollte konkret Herrn Prof. Dr. Semlinger fragen, ob es schon Gespräche mit dem Bezirk Lichtenberg bezüglich des Umzuges gegeben hat. Wir hat- ten ja gesagt, mit der neuen Schulbauoffensive ist auf dem Gelände ohnehin schon eine ISS angedacht. Wie sieht der Bezirk die Idee mit dem Schulcampus? Gibt es den bezirklichen Bedarf? Und überhaupt die Frage des Verlustes der Potenziale in Lichtenberg, also Arbeits- plätze, Gründerzentrum usw., wie man schaffen kann, doch noch Unternehmen in Lichten- berg zu halten und da eine gute Kooperation fortzusetzen, damit nicht alles nach Oberschö- neweide geht. – Dann die Frage an den Senat: Über welchen Kostenrahmen in welchem Zeit- raum sprechen wir? Gibt es da schon eine vorsichtige Kostenschätzung? In welchem Zeitraum könnte der Umzug geschehen? – Die letzte Frage an Frau Dr. Ziemer: Sie hatten uns einen Artikel vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass im Peter-Behrens-Bau im Ersten Weltkrieg kriegswichtige Automobilindustrie angesiedelt war. Da wollte ich zum Zweiten Weltkrieg fragen – da wir viel mit Kriegsgefangenenlagern und Zwangsarbeit beschäftigt sind –, ob das so im Peter-Behrens-Bau auch stattgefunden hat, ob Sie dazu Hinweise gefunden haben. Denn dann wäre da eine Gedenkarbeit auch ziemlich wichtig. – Danke!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Frau Brychcy! – Frau Dr. Czyborra, bitte!

Dr. Ina Maria Czyborra (SPD): Natürlich auch von meiner Seite Dank an die Anzuhören- den, besonders dafür, dass hier ein sehr umfassender Rundumschlag gemacht wurde, der eben nicht nur die hochschul- und wissenschaftspolitische Bedeutung einer solchen Entscheidung herausstellt, sondern die stadtentwicklungspolitische, die denkmalschutzpolitische und die wirtschaftspolitische Dimension dieses Standortes und dessen, was wir hier debattieren. Es wurde jetzt schon von allen Anzuhörenden gesagt: Nur die zwei Standorte zusammenlegen, würde sicherlich die Investitionen etwas schwieriger machen. – Ich bin quasi selber ein Kind der Elektropolis. Ich bin mit AEG-Geld großgezogen worden. Mein Vater wuchs in der Sie- mensstadt auf. Insofern bin ich architektonisch und was meinen Geschmack angeht, durchaus von Behrens, von Häring, von Scharoun sozialisiert worden. Auch von daher stehe ich diesem Projekt enorm positiv gegenüber. Das ist klar.

Was ich noch mal ganz besonders betonen möchte, auch wenn es schon mehrfach geschehen ist: Wir haben jetzt auf der einen Seite mit dem Siemens-Campus das Wiederbeleben eines dieser alten Industriestandorte eher im Nordwesten dieser Stadt, und im Südosten wäre es für das Gleichgewicht der Entwicklung ganz besonders schön, wenn wir da auch – ich nenne das Elektropolis 4.0 – diese neue Phase einer ganz neuen Industrieentwicklung dieser Stadt hin- kriegen würden. Insofern von mir extreme Sympathie für das ganze Projekt. Ich halte das

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stadtentwicklungspolitisch und wirtschaftspolitisch für ganz wichtig. Allerdings, und das ist auch die Frage, die schon anklang – wir sind als Mitglieder des Abgeordnetenhauses nicht diejenigen, die mit Eigentümern, Investoren usw. verhandeln: Wie kriegen wir dieses Projekt besser auf das Gleis? In welche Richtung denken wir jetzt weiter, um das so zu entwickeln, dass die Investitionen sich am Ende auch rechtfertigen lassen, weil wir natürlich auch immer diese Haushaltskonkurrenzen haben? Da wünsche ich, dass wir alle zu guten Entscheidungen kommen bzw. zu guten Wegen, auf denen wir dieses Projekt zum Erfolg tragen können. – Vielen Dank!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Dr. Czyborra! – Herr Förster, bitte!

Stefan Förster (FDP): Vielen Dank auch von mir! – Es war ein beeindruckender Streifzug durch die Industriegeschichte, aber auch durch die Möglichkeiten am Standort Oberschöne- weide. – Herr Prof. Dr. Semlinger! Sie sind seit vielen Jahren dort sehr engagiert. Auch noch mal meinen herzlichen Dank dafür, dass Sie das bis zum Schluss mit Volldampf vorangetrie- ben haben und nun den Staffelstab an Ihren Nachfolger weitergeben, der auch das gleiche Engagement in dieser Frage versprochen hat. Ich glaube, dass die Konzentration am Standort Oberschöneweide sinnvoll ist. Da sind wir uns auch alle einig; es hat auch keiner dagegen gesprochen, dass das als Projekt eine hervorragende Möglichkeit für die HTW ist, an einem Standort zusammenzukommen. Ich hatte vorhin kurz mit Herrn Künzel gesprochen: Es ist aus Sicht von SenStadtWohn aus dem Flächennutzungsplan heraus entwickelbar. Das ist auch wichtig. Wir müssen also nicht erst große stadtplanerische Dinge auf den Kopf stellen, son- dern es ist mit den bestehenden Möglichkeiten des Stadtplanungsrechts entsprechend umzu- setzen.

Die Frage, was dann mit Lichtenberg passiert bzw. wie Lichtenberg dann eingebunden wird: Ja, aber da muss sich der Bezirk Lichtenberg ein Stück weit auch eigene Gedanken machen, welche Prioritäten er hier setzt. Lichtenberg wird in jedem Fall Hochschulstandort bleiben. Die HWR ist da. Die katholische Hochschule ist da. Lichtenberg bleibt also weiter Hoch- schulstandort. Die Bedenken sind nicht mehr wirklich vorhanden. Die Frage eines Schulcam- pus, ob das nicht die erste Priorität wäre, weil dort auch massiv Schulplätze fehlen: Wenn Lichtenberg der Meinung ist, dass sie das anders kompensieren können – das sehe ich im Moment nicht, aber das muss der Bezirk entscheiden – – Aber die Frage als Verwaltungsge- bäude oder als Campusstandort für die HWR, auch das Land Berlin hat im Moment massiv Probleme, was öffentliche Verwaltung betrifft, Mitarbeiter unterzubringen – wir mieten in Größenordnungen Flächen an. Ich glaube, dass man da auf jeden Fall sinnvolle öffentliche Nutzungen für Karlshorts finden kann, zumal das auch herausragend gute Gebäude sind, die gerade auf eine Nachnutzung warten. Und am Standort Oberschöneweide ist auch die jetzige Verkehrsanbindung und ÖPNV-Anbindung, auch wenn wir in absehbarer Zeit keinen U-Bahnanschluss haben werden, ganz gut gegeben, durch verschiedene Straßenbahnlinien, durch den S-Bahnhof Schöneweide. Fußläufig über den Kaisersteg ist man auch sehr schnell, eigentlich in 10 Minuten, auf dem Hochschulgelände. Auch das sind gute Voraussetzungen, um den Standort insgesamt zusammenzulegen.

Was mich noch interessieren würde – und darauf kann Herrn Semlinger vielleicht am ehesten antworten: Soweit ich das mitbekommen habe, sind die Pläne, die die HTW im Behrens-Bau hat und die Comer umsetzen würde, so weit abgestimmt, dass man sagen kann: Es würde vom Flächenbedarf her funktionieren – so hatten Sie es auch dargestellt –, und es gibt eigentlich

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schon ziemlich detaillierte, zumindest über ganz grobe Planungen hinausgehende Planungen, wie man das umsetzen könnte. Vielleicht können Sie noch was zur Schnelligkeit der Umset- zung der Baumaßnahmen sagen. In dem Fall ist ja wohl vereinbart, dass Comer auch bauen würde und dort den fertigen Behrens-Bau dem Land Berlin überträgt. Wir haben immer die Diskussion in diesem Ausschuss, dass das Hochschulen-Bauen sehr lange dauert, vom Beginn bis zur Fertigstellung 10, 15 Jahre; diese Erfahrung haben wir zum Teil mit Gebäuden. Das würde hier, wenn nicht das Vergaberecht der öffentlichen Hand gilt, möglicherweise deutlich beschleunigt werden. Über welchen Zeithorizont haben Sie bisher geredet, vorausgesetzt die öffentliche Hand würde das Geld bereitstellen? Welche Pläne sind in der Diskussion, um da entsprechend voranzukommen? Und wie lange fühlt sich Comer an das Angebot gebunden? Wir müssen auch irgendwann zu einer Entscheidung kommen und können nicht sagen, wir treffen die erst in 10 Jahren. So lange wird man vermutlich nicht warten. Der Vorteil wäre auch, dass die Stadt in den Besitz eines bedeutenden Gebäudes käme, eines herausragenden Baudenkmals, und dann auch Eigentümer dieses Gebäudes wäre und ein fertig umgebautes Gebäude übertragen bekommt. Ich glaube, das ist auch ein Mehrwert, den man auch entspre- chend verkaufen kann.

Letzter Punkt, die Finanzierung: Da mache ich mir ehrlicherweise ein bisschen weniger Ge- danken dahingehend, dass wir im Augenblick sehr viel Geld an sehr vielen Stellen und Töp- fen haben, das auch gar nicht abgerufen werden kann. Selbst bei SIWANA – eine Sonderin- vestition in die wachsende Stadt – wissen wir ja, dass dort sehr viel Geld gar nicht abfließt, weil an anderer Stelle die Bauunterlagen nicht fertig werden und die Kapazitäten nicht vor- handen sind. Wenn man hier ein Projekt mit einer in Rede stehenden Summen von maximal 200 Millionen Euro hat – über diese Größenordnung reden wir; wahrscheinlich eher etwas weniger – und das in vier Jahresscheiben à 50 Millionen Euro aufteilt, ist das ein Betrag, der durchaus überschaubar ist, verglichen damit, dass im Bezirk Treptow-Köpenick gerade für 250 Millionen Euro 1 000 Wohnungen angekauft worden sind. Im Vergleich dazu ist das ein Betrag, den man auch durchaus über den Haushalt stemmen könnte, ohne dass die anderen Fachhochschulen dadurch in Bedrängnis geraten. Wie ich das auch im Gespräch mit den an- deren Hochschulleitungen wahrnehme, sind diese durchaus dafür und haben kein Konkur- renzdenken, sondern würden sich freuen, wenn das bei der HTW klappt. Es hilft ja auch nichts, dem anderen etwas zu neiden. Jeder hat natürlich seine eigenen Projekte, aber, ich glaube, die Fachhochschulen sind auch in einer ganz guten Abstimmung und tauschen sich da aus. Auch die ASH hat an ihrem Standort Erweiterungsmöglichkeiten. Es gibt auch an ande- rer Stelle viel Geld und geht voran. Ich denke, unsere gemeinsame Aufgabe muss es sein zu schauen, wie wir das Geld in einer überschaubaren Zeitschiene zur Verfügung stellen. Und Sie müssten uns freundlicherweise sagen, wie die Planungen sind, auch von der Zeitschiene her. – Danke!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Herr Förster! – Herr Schlüsselburg, bitte!

Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Wir sollten eine Sa- che nicht tun, in Bezug auf den Südwesten, aber auch insgesamt in der Stadt, zum Beispiel die von Ihnen, Herr Förster, genannten übrigens 1 800 rekommunalisierten Wohnungen gegen Investitionen in Wissenschaft und Forschung auszuspielen. Wir brauchen – und das haben wir auch in der Folie gesehen – einen gesamtstädtischen Blick auf die Entwicklungspotenziale unserer Stadt. Das sei an der Stelle die erste Vorbemerkung. Die zweite Vorbemerkung ist: Hinsichtlich der Investitionen, über die wir dann gegebenenfalls zu entscheiden haben, wissen

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wir, dass es Investitionen sind, die äußerst nachhaltig sind. Kollege Schulze hat das schon angerissen: Wir wissen möglicherweise auch aus Europa, aber gesichert weiß ich es aus den Vereinigten Staaten von Amerika, dass es dort volkswirtschaftliche Untersuchungen gab, mit denen nachgewiesen wurde, dass es in einem Zeitraum von 10 Jahren – die Auswirkungen kommen dann später, in diesem Zeitraum ungefähr – einen signifikanten positiven Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt bedeutet, wenn man Investitionen in Forschung, insbesondere auch Grundlagenforschung tätigt. Wir sind in Berlin gerade im Moment noch in einer Situation, die haushalterisch sehr gut ist, wo wir Investitionen tätigen können. Und in einer solchen Phase solche Investitionen zu unterlassen, wäre eine Versündigung an der Zukunft dieser Stadt und nicht nur unmittelbar an den Potenzialen von Forschung und Entwicklung, sondern auch, wenn man so will, an wirtschaftlichen Effekten und dem, was da dranhängt. Da muss man dann aber auch die entsprechende Geduld mitbringen und vor allen Digen jetzt – da hat der Kollege Schulze völlig recht – die entsprechende Werbetrommel in der gesamten Stadt dafür rühren.

Ich möchte als Ergänzung zu den Fragen, die meine Kollegin Brychcy schon gestellt hat, als Lichtenberger Abgeordneter die Frage danach stellen, inwiefern es auch bilateral zwischen Ihnen und der HWR Gespräche über den geplanten, von Ihnen jedenfalls beabsichtigten Um- zug, Wegzug gab. Ich weiß auch aus meiner rechtspolitischen Sicht hier im Hause, dass die HWR von uns jetzt schon an die Kapazitäts- und Belastungsgrenze hochgefahren wurde, ei- gentlich schon darüber hinaus fährt – gerade auch im Bereich der erforderlichen Ausbil- dungstätigkeiten, die sie für den Polizeidienst erbringt –, dass da auf jeden Fall Flächenbedarf ist, aber wir müssen es mit einem Blick auf die bezirklichen Potenziale zusammenbringen, versuchen, da eine Gesamtlösung zu finden. Insofern würde mich interessieren, ob Sie jen- seits der letzten Gespräche, die Sie mit dem Bezirksamt geführt haben, vielleicht auch schon bilateral Gespräche geführt haben und gegebenenfalls welche Lösungsansätze existieren.

Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Auf der einen Seite freue ich mich als Mitglied dieses Ausschusses und auch als jemand, der mit der HTW verbunden ist – ich war auch schon öfter bei Ihnen, auch an beiden Standorten –, über die Pläne und halte sie auch für sinnvoll. Ich glaube, gerade die Campuskonzentration macht unglaublich Sinn. Als Lichten- berger sehe ich aber auf der anderen Seite, dass wir bei unserem Hochschulstandortportfolio einen ganz wichtigen Player verlieren. Gerade einerseits das Portfolio der HWR und anderer- seits Ihre angewandten, sehr technischen und praxisbezogenen Aspekten ist eine sehr interes- sante Mischung gewesen. Insofern: Lachen und Weinen, beides ist da. Ich hoffe, wir kommen zu einer guten Lösung für beide Standorte. – Vielen Dank!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Herr Schlüsselburg! – Damit kommen wir zu den Antworten der Anzuhörenden. Ich würde vorschlagen, wir wählen wieder die gleiche Reihenfolge, wenn Sie einverstanden sind. Also zunächst Herr Prof. Semlinger – bitte!

Prof. Dr. Klaus Semlinger (Hochschule für Technik und Wirtschaft; Präsident): Ich versu- che, auf alles einzugehen, und dies möglichst kurz. Herr Schulze hat gesagt, die Hochschule wollte ursprünglich Karlshorst erweitern. Das stimmt. Ich kann Ihnen versichern, dass inzwi- schen alle, die in Karlshorst sitzen, endlich nach Oberschöneweide wollen, damit sie wirklich eng zusammenarbeiten können. – Wachstumspläne: Wir haben in den Hochschulverträgen verabredet, dass HTW und Beuth jetzt nicht weitere Kapazitäten ausbauen, allerdings kriegen wir ein paar zusätzliche Möglichkeiten durch diese Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter;

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die wollen wir einsetzen, um den einen oder anderen Masterstudiengang aufzulegen, insbe- sondere da, wo es, obwohl es eine Nachfrage gibt, keine Anschlussperspektive an den Ba- chelor gibt. Und wir wollen auch im Weiterbildungsbereich, im weiterbildenden Masterbe- reich noch das eine oder andere machen. Das sind jetzt nicht die Größenordnungen, was die Masse angeht, aber es ist doch merklich an der Stelle. Und worum es natürlich auch geht, sind Forschungsflächen. Wir wollen das nicht unbedingt als dezidierte Forschungsflächen, weil wir als Hochschule der angewandten Wissenschaften Forschung mit Lehre verzahnen wollen – und das passiert ja auch –, also, dass wir das im Bereich Lehre und in Forschung auch nut- zen können.

Stanford auf dem Flughafen : Bei uns haben die in Karlshorst auch mal gesagt: Wir sind das Harvard des Ostens – weil es so schön grün ist oder so. – Noch mal: Wir bekennen uns zum Auftrag einer Hochschule für angewandte Wissenschaften, also zu einer Fachhoch- schule. Ich glaube, das ist auch unsere Stärke. Wir haben uns – ich habe es vorhin erwähnt – auch mit Adlershof zusammengesetzt, mit dem Beirat WISTA. Da sitzt die Humboldt- Universität mit ihren naturwissenschaftlichen Disziplinen drin. Da machen wir sozusagen den Missing Link zwischen der Grundlagenforschung und der Innovation in der Praxis. An der Ecke geht vieles verloren, und da wollen wir auch tätig werden.

Dass das alles viele Geld kostet, stimmt. Ich habe aber mal in einem dieser Wissenschafts- ratsgutachten gesehen: Bei der Planung, die da in den Neunzigerjahren war – lang, lang ist es her –, ging man von 710 Millionen DM aus. Na gut, damals hat es nicht geklappt. Ich hoffe, dieses Mal sind wir besser.

Karlshorst – Verluste und Gespräche: Wir haben verschiedene Gespräche gehabt. Ich habe mit dem Bezirksbürgermeister geredet, auch mit seiner Vorgängerin – wir sind schon länger an diesem Projekt dran –, auch mit Herrn Nünthel, der jetzt Schulstadtrat ist. Ich weiß, dass es Bedenken in Lichtenberg gibt, erstens einen Hochschulstandort in Karlshorst zu verlieren, zweitens, dass man darüber nachdenkt, ob das wirklich ein geeigneter Schulstandort ist. Ich war auf zwei Bürgerversammlungen, wo Herr Nünthel auch noch mal die Prognosezahlen im Grundschul- und im Sekundarbereich präsentiert hat, und ich konnte auch die Stimmung der Lehrerschaft und der Elternschaft mitkriegen: Da brennt die Luft! –, um es mal so zu sagen. Ob das der ideale Standort ist, weiß ich nicht, kann ich nicht beurteilen. Auf der anderen Sei- te, wissen wir, dass das Coppi-Gymnasium, das unmittelbar unser Nachbar in Karlshorst ist, jetzt saniert werden soll, für einen Zeitraum von vier bis sechs Jahren. Herr Nünthel war bei mir und hat gefragt, ob er 20 Seminarräume als Ausweichquartier haben könnte. Da habe ich gesagt: No way, wir haben ein Flächendefizit! –, aber was ich mir vorstellen könnte, ist, dass man auf dem einen Teil der Freifläche am Campus ein Ausweichquartier für das Coppi- Gymnasium baut. Und ich habe gesagt, wenn man sich jetzt dazu durchringt, den Umzug zu machen, kann man natürlich auch schon ein bisschen nachhaltiger bauen und nicht etwas, das man nach fünf Jahren wieder abreißen muss.

Noch mal in der Zusammenschau: Wir reden im Hochschulbereich von Durchlässigkeit, aus der beruflichen Bildung in die hochschulische Bildung und gegebenenfalls auch wieder zu- rück. Im schulischen Bereich haben wir eigentlich die gleiche Herausforderung, dass die Leu- te möglichst durch die verschiedenen Geschichten durchgeschleust werden sollen oder ihnen die Öffnung ermöglicht werden soll. Von daher denke ich, dass ein integrierter Schulcampus, nicht aus der Not heraus wie in Neukölln, sondern weil man da einen neuen Ansatz machen

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will, für Lichtenberg ein Alleinstellungsmerkmal sein könnte. Lichtenberg macht Werbung damit, der familienfreundliche Bezirk zu sein. Und was gehört dazu? – Schulen! Hochschulen nicht so unbedingt.

Und dann bin ich auch bei dem Thema, was der Bezirk verliert. Gut, er verliert eine Hoch- schuladresse. Auf der anderen Seite, ehrlich gesagt: Wir sind umringt von Großsiedlung und Mehr- und Einfamilienhäusern. Wir haben kein gewerbliches Umfeld. Im unmittelbaren Um- feld findet nichts statt, weil auch kein Platz dafür ist. Und wenn wir über Kooperation mit Clean Tech Park zusammensitzen, dann merken wir, dass die räumliche Nähe in der Koopera- tion der Hochschule wichtig ist für die Disziplin, aber nicht mit Blick auf die Unternehmen, auf die Sozialpartner oder Sozialeinrichtungen, mit denen man zusammenarbeiten will. Ich will auch noch mal erinnern, dass wir uns gerade im letzten, vorletzten Jahr mit den anderen Berliner Fachhochschulen, staatlichen und konfessionell getragenen, zu einem Transferver- bund zusammengetan haben, um gemeinsam die Transferinteressen der Stadt zu bespielen.

Zeitrahmen: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie lange der Eigentümer die Füße stillhält. Er überlegt sich das auch ab und zu, ob er verkaufen will. Dann hatte er die Idee, es selber zu entwickeln, mit Wohnungen. Und dann wollte er wieder verkaufen. Jetzt hatte er die Planung: Hochschule, gewerblich und wohnen, also wirklich diese urbane Mischung. Aber Sie wissen auch, dass Toruro, eine andere große irische Investorgruppe, der das Gelände um die Rathenau-Hallen gehört, so war es jedenfalls zu lesen, gerade seine Fläche wieder auf den Markt gibt, nach dem Motto: Wir kommen nicht weiter; jetzt geben wir es ab. Die Rendite stimmt – durchs Liegenlassen. – Ich weiß nicht, wie Comer da agiert. Die Gespräche, die wir geführt haben, sind eigentlich so, dass er Geld in die Hand genommen hat, um diese Standort- entwicklung von seiner Seite aus zu planen, diese Einpassungsplanung zu machen. Die ist jetzt noch nicht abgeschlossen. Das kann gar nicht sein. Aber es gibt relativ konkrete Vorstel- lungen und Kostenschätzungen. In einem Gespräch bei der BIM hatte Comer mal erzählt, wenn die Sache vertraglich in trockenen Tüchern ist, dann könnte es mit einem Jahr Pla- nungsvorlauf noch zwei Jahre dauern, und dann wäre das realisiert. Vorsicht! –, aber ich den- ke, schneller und billiger könnte es werden. Nur man müsste sich in der Tat jetzt relativ schnell zu einer Entscheidung durchringen. Soweit ich weiß, hat die BIM jetzt den Auftrag, die Konditionen genauer zu klären, sodass man dann wirklich über eine Entscheidung reden kann. Und, was Herr Förster gesagt hat: Man muss auch Finanzierungsfragen in dem Zusam- menhang stellen, ob man alles in einem Hieb bezahlen muss oder – in Anführungszeichen – in Tranchen.

Und da sind wir bei dem anderen Thema: Es gibt erstens diesen Bedarf an Schulplätzen in Lichtenberg-Süd und zweitens ist aus der Schulsenatsverwaltung auch schriftlich kommuni- ziert worden, dass man durchaus auch namhafte Einsparungen machen würde, wenn man hier eine Nachnutzung als Schulstandort hätte. Natürlich: Wenn wir umziehen, fangen wir auch an zu renovieren und ein bisschen umzubauen, obwohl unsere Gebäude wirklich gut gepflegt sind; deswegen haben wir in dem Sanierungsgutachten auch nur eine nachrangige Bedeutung. Wir haben das in den letzten Jahren immer selber gemacht, anders als so manche Universität – man erlaube mir diesen Hinweis.

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Das heißt, eine Nachnutzung als Schule ist nicht zwingend – man kann sich über anderes Ge- danken machen –, aber es wäre auch durchaus Teil eines Finanzierungskonzeptes. Ich bin überzeugt davon: Ein integrierter Schulcampus – mit welchen Schulen auch immer – an die- sem Standort wäre ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem sich Lichtenberg besser profilieren könnte als mit einer Hochschule in einem Wohngebiet.

Gedenkarbeit – ein kurzes Stichwort dazu: Wir haben eine Halle auf dem Campus Wilhel- minenhof mit einer langen Flächen, und wir haben schon vorbereitet, dass wir da eine Fassa- dengestaltung zur Geschichte der AEG über die Jahrzehnte hinweg machen, mit all ihren Brü- chen dabei. Das ist eine Sache, der wir uns auch stellen würden.

Herr Schlüsselburg! Sie sagten, man müsse auch Geduld haben. – Das stimmt. Wir hätten uns auch vorgestellt, dass – wir sitzen jetzt 15 Jahre dort, zehn Jahre seit dem Hauptumzug – da schon noch mehr passiert wäre. Aber man weiß: Dinge sind langsam, und vor allem sind Din- ge langsam, wenn man nicht endlich mal wieder einen neuen Schritt macht, wo dann auch ein Knoten platzen kann. Ich habe vor Jahren mal eine industriepolitische Studie für Berlin ge- macht – das war ungefähr 2004 –, wie sich die Berliner Industrie entwickelt hat. Damals sah das so aus, als wenn es langsam wieder bergauf geht. Das hat sich leider, wenn man sich die Beschäftigtenzahlen anguckt, noch nicht so wirklich realisiert. Ich habe damals den Begriff der aktiven Geduld geprägt; also abwarten, dass etwas passiert, funktioniert nicht. Man muss auch etwas machen.

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Herr Prof. Semlinger! – Herr Prof. Busch, bitte!

Prof. Dr. Carsten Busch (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin; designierter neuer Präsident): Ich möchte nicht die Aspekte des Kollegen wiederholen, aber vielleicht noch ein, zwei mit Blick auf die neue Hochschulleitung und die Entwicklung der Hochschule akzentu- ieren. Erstens: Ich gehe davon aus, dass die Hochschule auf jeden Fall wachsen wird. Auf- grund der Situation in der Treskowallee, in Karlshorst-Lichtenberg, wird das Wachstum dort eher nicht sein, sondern an dem anderen Standort an der Spree. Und Wachstum beinhaltet Studienplätze, Forschung, Mitarbeiterpositionen, Ausgründung und hoffentlich auch einen gewissen Beitrag zu Ansiedlung in dem Areal. Das ist der eine Punkt: Wachstum findet auf jeden Fall statt.

Zweitens möchte ich betonen, dass die Hochschule sich ihrer Verantwortung an beiden Standorten immer bewusst war und auch bewusst sein wird. Das heißt auch: Wenn wir gehen dürfen, weil unsere Entwicklungschancen und vielleicht auch die der Stadt als Ganzes am anderen Standort etwas besser sind als bei dieser Zweiteilung, dann werden wir uns der Dis- kussion und, wenn es sein muss, auch der Frage von Maßnahmen und Entwicklung von Fan- tasie – das ist etwas, was Hochschulen normalerweise gut können – nicht verschließen. Ob es die Unterstützung bei der Entwicklung eines Schulstandortes oder einer Kooperation oder die Ansiedlung von Teilen der HWR sein wird, da werden wir ganz bestimmt unseren aktiven Beitrag dazu leisten. Ich weiß, dass der Kollege Semlinger mit dem Kollegen Zaby von der HWR, dem dortigen Präsidenten, natürlich im Gespräch ist, und ich werde diese Gespräche selbstverständlich fortsetzen. Die Hochschulen untereinander – ich glaube, Sie hatten es er- wähnt – sind an der Stelle ausnahmsweise nicht aufeinander neidisch, sondern wir ziehen an einem Strang. Wir wollen, dass der Hochschulstandort entwickelt wird – aber im Interesse der Stadt und nicht auf Kosten anderer.

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Und den Zeitfaktor möchte ich noch mal erwähnen: Ich glaube, es wird für uns wichtig, aber fast noch wichtiger für die Stadt, dass die Entscheidung darüber, dass der Umzug sein soll, zeitnah erfolgt. Herr Semlinger hat es erwähnt, dass einige Investoren in der Gegend schon unruhig werden. Wir haben alle vor Augen, dass einerseits aus der Stadt heraus, was Gewer- beflächen, Mieten und Ähnliches in die Bereiche etwas weiter draußen angeht, schon Druck aufgebaut ist. Wir merken das bei uns in der Gegend, in Oberschöneweide, schon, dass die Mieten steigen und dass sich Dinge dort bewegen. Und dann kann es ja auch sein, dass ir- gendwann der Flughafen kommt. Dann kommt von Süden her noch mal mehr Druck drauf. Dann wird sich die Stadt diese Sache nicht mehr leisten können. Entweder wir entscheiden das zeitnah, oder wir lassen es. Dann werden wir uns als Hochschule darauf einrichten. Aber unser Beitrag für die Stadt kann ein besserer sein, wenn Sie uns helfen, in absehbarer Zeit, wo das Zeitfenster vorhanden ist, das machen zu können. Die neue Hochschulleitung wird dazu jeden Beitrag leisten und jedes Gespräch führen, das sinnvoll ist.

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Herr Prof. Busch! – Herr Niemeyer, bitte!

Thomas Niemeyer (ehemalige Regionalmanager Schöneweide; 2012 bis 2018): Ich muss sagen, ich kann das tatsächlich auch nur unterstützen. Es gibt ein Zeitfenster, und das ist jetzt und in den wenigen nächsten Jahren. Denn eines ist auch klar, und das war auch schon in meiner Dienstzeit der Fall: Schöneweide war und ist kein besonders günstiger Standort, weder hinsichtlich des Wohnraums noch der Gewerbemietflächen. Wer das glaubt, der war schon lange nicht mehr da. Insofern würde ich auch direkt auf die Frage von Herrn Schulze antwor- ten: Was macht eigentlich, die Anwesenheit der HTW, mit dem Stadtteil Oberschöneweide? – Jetzt muss man dazu wissen, dass Oberschöneweide quasi eine Art Insellage ist, ein Stück weit zwischen der Wuhlheide und der Spree auf der anderen Seite eingeklemmt, wie gesagt, nur mäßig angebunden. Das erzeugt natürlich immer auch einen gewissen Druck auf den Wohnungsmarkt.

Anfang des Jahres 2013, um mal ein Beispiel zu nennen, war ein Grundstück in Oberschöne- weide seitens der BIM, damals noch des Liegenschaftsfonds, in einem Verkaufsverfahren, in einem freien Bieterverfahren. Ich habe ganz schnell gesagt: Leute! Wir haben 10 000 – oder damals waren es, glaube ich, 9 000 – Studierende in Oberschöneweide und kein einziges Stu- dentenwohnheim. Daraus muss doch das Studentenwerk etwas machen. – Seinerzeit hatte ich dafür leider keine Mitstreiter gewinnen können, weder auf Bezirks- noch auf Senatsebene, dieses Verfahren anzuhalten, mit entsprechender Auflage vielleicht fortzusetzen. Wir haben uns dann bemüht, private Investoren zu finden, die in solche Wohnungsklassen hineingehen, heute würde man sagen, Smart Apartements oder Student Housing etc. machen. Die haben dann am Ende auch den Zuschlag bekommen, haben sich gegenseitig alle überboten, und hin- terher haben die gleichen Personen, die dort das Studentenwerk nicht haben wollten, sich über die hohen Mieten seitens der Privatwirtschaft geärgert. Das hat allerdings einen Trend in Gang gesetzt: Mittlerweile gibt es dort in Oberschöneweide um die zehn privat finanzierte Studentenwohnheime, aber leider nicht ein einziges vom Studentenwerk. Insofern meine An- regung, wenn es hier zu einem Bebauungsplanverfahren kommt – und Prof. Semlinger hat es eben angedeutet: Auf diesem Areal von Comer ist angedacht – und da würde die Stadtent- wicklung auch mitgehen –, auf ca. 30 Prozent der Fläche auch Wohnungsbau zuzulassen. In diesem Zuge könnte man dafür Sorge tragen, dass dort auch studentisches Wohnen zu bezahl- baren Preisen stattfindet. Das wäre der Hebel, wo man ganz konkret ansetzen könnte.

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Darüber hinaus muss man sagen, dass Treptow-Köpenick natürlich ein sehr schöner Bezirk ist. Da ist der Druck noch nicht ganz so groß wie bei den inneren Stadtbezirken. Es gibt zahl- reiche Bauvorhaben, und es gibt auch noch Bauland in den nächsten Jahren. Wahrscheinlich wird es auch dort wenig Neubauwohnungen für 6 Euro pro Quadratmeter geben, außerdem die, die über das Berliner Modell entstehen. Aber tatsächlich gibt es da noch Raum, und viel- leicht ist es ja auch für Studierende und Professoren zumutbar, den einen oder anderen Kilo- meter mit dem Fahrrad zurückzulegen, vielleicht auch mit einem Spree-Shuttle, das seit vielen Jahren in der Diskussion ist und das erleichtern würde.

Da würde ich dann den Bogen zu der Frage schlagen – man muss es mal als Ganzes betrach- ten: Was gehört denn vielleicht noch an Infrastrukturmaßnahmen dazu? – Die seit Langem geplante Spreebrücke, die sogenannte Wilhelminenhofbrücke, in unmittelbarer Nähe des Pe- ter-Behrens-Baus würde auch den S-Bahnhof Oberspree erschließen, der in einer Reichweite von etwa 10 Minuten Fußweg oder 5 Minuten mit dem Fahrrad liegt, und damit Oberschöne- weide und der HTW sowie den Menschen, die dort arbeiten werden, eine zusätzliche öffentli- che Verkehrsmittelanbindung geben. Man muss allerdings auch sagen – ich glaube, Frau Dr. Czyborra hat es gesagt –, dass man das ganzheitlich betrachten muss. Ich denke, auf der anderen Seite ist wahrscheinlich das Vorhaben Zentralcampus einfacher umzusetzen, als ak- tuell in Berlin eine neue Brücke zu planen und zu bauen. Es wäre ja schön, wenn es ginge, aber ich weiß, dass diese Brücke in der Prioritätenliste ganz weit unten ist – ganz weit unten. Deswegen würde ich dringend raten – auch wenn es sicher sinnvoll wäre, das Ganze als Gan- zes zu denken, auch mit weiteren Infrastrukturmaßnahmen, die dazugehören –, Schritt für Schritt zu gehen und erst einmal das Machbare zu machen. Das ist sicher ganz auf der Hand liegend, hier erst einmal den Zentralcampus zu realisieren.

Wenn es darum geht, Schöneweide als Ganzes zu denken – das ist mir an der Stelle wichtig zu sagen: Die Konzepte dafür, sogar mit Zahlen unterlegt, sind fertig; die gibt es, die liegen beim jetzigen Regionalmanagement Südost in der Schublade. Deshalb freue ich mich umso mehr, heute hier zu hören, dass Sie sich alle sehr einig sind, dass das ein Vorhaben von ge- samtstädtischer Bedeutung ist. Schöneweide oder dieses Gesamtprojekt Schöneweide als Zu- kunftsort hatte, das muss man sagen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, von denen sich auch zwei hier im Raum befinden, wenig politische Lobby. Wir hatten in der letzten Legisla- turperiode sowohl mit Herrn Geisel als auch mit Frau Yzer – mit Stadtentwicklung und Wirt- schaft – über Gesamtkonzepte gesprochen und sind auf wenig Gehör gestoßen. Auch noch im vorletzten Jahr haben wir das Gespräch mit Frau Lompscher und Frau Pop gesucht, da natür- lich Stadtentwicklung und Wirtschaft in der Kombination hier in erster Linie mit in der Pflicht sind, und mussten auch da feststellen, dass diese gesamtstädtische Bedeutung an der Stelle und die Notwendigkeit, einen entsprechenden Anschub dafür zu leisten, nicht wirklich gese- hen wurde. Insofern finde ich es großartig, dass es heute so viel Bekenntnis zu diesem Projekt gegeben hat. Meine Hoffnung und Bitte an dieser Stelle wäre: Bleiben Sie dran! Auch wenn Sie das Projekt Zentralcampus zum Erfolg geführt haben, gibt es noch weitere Themen, die in diesem Kontext gelöst werden können und müssen. Wie gesagt: Natürlich wäre es schön, ei- nen Gesamtplan zu realisieren, aber er muss sicherlich stufenweise abgearbeitet werden. – Danke!

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Herr Niemeyer! – Frau Dr. Ziemer, bitte!

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Dr. Elisabeth Ziemer (Denk mal an Berlin e.V., stellv. Vorsitzende): Eine Frage war, wie lange ich diese Entwicklung in Oberschöneweide schon begleite. Das ist ein ganz klares Da- tum: 2005 hat es mit einem Ruf aus der HTW angefangen, dass einer der denkmalgeschützten Bauten abgerissen werden soll – die Kabelfabrik von Ernst Ziesel. Wir haben uns damals als Verein eingeschaltet. Es sind eigentlich alle denkmalinteressierten Verbände bis hin zu ICOMOS – also weltweit – dafür eingetreten, diese Fabrik zu erhalten. Damals hatte es auch eine studentische Initiative gegeben, die noch Gutachter aus dem Rheinland geholt hatte, um nachzuweisen, dass die vermutete Belastung dieses Baus sehr einfach zu beseitigen sei. Und es hätte der HTW auch wegen der technischen Restaurierung ihres Fachbereiches gut ange- standen, wenn man das Gebäude restauriert und nicht abgerissen hätte. Aber die Weichen waren offensichtlich schon gestellt.

Wir haben danach eine Arbeitsgruppe gegründet, die über die ganzen Jahre mit verschiedenen Stellen und Menschen geredet hat, um nicht noch mehr Abrisse in diesem wunderbaren In- dustriegürtel zu provozieren und zu versuchen, diese oft leer stehenden Hallen, für die keine Nutzung da war, wo sich aber abzeichnete, dass sie nur zu Spekulationen dienten, zu erhalten. Man sieht es immer wieder, bis heute: Grundstücke mit wunderbarer Bausubstanz aus dem Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts, die leer steht, werden einfach nur verkauft und es werden immer mehr Millionen dafür einkassiert, dass man sie liegenlässt. Das kann weder im Sinne des Denkmalschutzes noch der dortigen Entwicklung sein. Deswegen haben wir u. a. mit Frau Lüscher geredet, wo aber andere Prioritäten – genau das, was Herr Niemey- er sagte – gesetzt wurden als Oberschöneweide. Wir haben mit dem Bezirk geredet. Der Be- zirk ist wie alle anderen Bezirke auch in dieser Personalabschwungfalle gelandet. Es gibt we- nig Leute, die vorwärtsschauen und solch ein Gebiet bearbeiten können, die dann auch mal von außen „bearbeitet“ werden. Ich erinnere nur an einen ehemaligen Bausenator, der eine Firma vertritt, die gerne Wohnungen an dieser wunderbaren Spreelage bauen möchte, und dann tatsächlich so einen Bebauungsplanbeschluss des Bezirkes aufgestellt wurde, mit einer Reaktion aus der Bevölkerung und aus den Gewerbebetrieben, die ihresgleichen gesucht hat, da sie natürlich dagegen waren, dass man ihren Industriegürtel jetzt mit Wohnungen bestückt, denn dann können Sie Industrie- und auch Hochschulentwicklung dort vergessen. Die Leute, die mit lukrativen Wohnungen am Wasser operieren und dann dort einziehen, wollen natür- lich kein Gewerbe neben sich haben, auch wenn es Start-ups der IT sind, sondern etwas ganz anderes; die wollen Cafés, die wollen Veranstaltungsräume etc. Wenn wir nicht aufpassen und dieses berühmte Zeitfenster jetzt wirklich ergreifen, dann wird sich hier etwas anderes entwickeln. Es gibt genug Leute, die spekulieren wollen und die hier was anderes entwickeln wollen als einen Hochschulstandort.

Lichtenberg, das kann ich nur noch mal sagen, hat eine wunderbare Möglichkeit, etwas Neues zu entwickeln. Und wer auf die Universität geht, muss erst einmal zur Schule gehen. Insofern wäre so ein dringend notwendiger Schulstandort – und ich habe auch in den Zeitungen gele- sen, dass die Eltern dort auf den Barrikaden stehen, weil es zu wenig Schulplätze gibt – das gefundene Fressen. Man könnte hier wirklich zwei Fliegen mit einer Klappe erwischen: Schulstandort oder auch für die andere Hochschule einen Ort auf diesen Campus finden und für die HTW Erweiterungsmöglichkeiten suchen.

Sie haben alle gefragt: Was sollen wir jetzt tun? – Ich rate Ihnen dringend: Machen Sie einen überfraktionellen Antrag, dass der Senat aufgefordert wird, in absehbarer Zeit – da müssen Sie am besten noch einen Termin setzen, da es sonst auf Wiedervorlage gelegt wird – die

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HTW in Oberschöneweide zu konzentrieren. Ich glaube, wenn man es allein dem Bezirk über- lässt, da irgendetwas zu tun, oder wenn weiter nur in der Senatsverwaltung darüber gebrütet wird, ob man vielleicht irgendwo Geld herbekommt, dann wird das nichts. Sie müssen wirk- lich den Stein ins Wasser werfen. Ich habe hier gespürt, dass es eigentlich alle vernünftig fin- den, die HTW hier zusammenzuführen. Dann machen Sie doch so einen Antrag, darum würde ich Sie sehr bitten.

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Frau Dr. Ziemer! – Dann darf ich jetzt noch Herrn Krach das Wort erteilen.

Staatssekretär Steffen Krach (SKzl): Herzlichen Dank! – Vielleicht auch noch zwei, drei Sätze vorweg: Für den Erfolg einer Hochschule ist es nicht allein ausschlaggebend, ob man an einem Standort ist. Das muss man ganz klar sagen. Die Strategie des Landes Berlin in den vergangenen 10, 15, 20 Jahren war auch so, dass wir gesagt haben, wir wollen die Wissen- schaft über die gesamte Stadt verteilen. Das ist uns auch gelungen, und ich glaube, das war auch zum Vorteil für Berlin und die Wissenschaftsinstitutionen. Es ist nicht nur die HTW, die an zwei Standorten ist, es sind die HWR, die Charité – sogar an vier Standorten –, die Hum- boldt-Universität mit Mitte und Adlershof. Und ich möchte daran erinnern, dass wir aktuell planen, einen zweiten Standort für die Beuth Hochschule in Tegel zu errichten. Dennoch kann man natürlich in Ausnahmefällen sagen, dass es inhaltlich richtig ist, nicht nur wissenschafts- oder hochschulpolitisch, sondern insbesondere stadtentwicklungspolitisch – und das ist, glau- be ich, das hat die Diskussion in den letzten anderthalb Stunden auch gezeigt, hier der Fall. Es ist aus meiner Sicht das Gesamtkonzept, das überzeugend ist: Die Nutzung der Treskowallee für Bildungszwecke, ob das jetzt ein Oberstufenzentrum ist oder verschiedene Schulen sind, ist das eine, dann in Schöneweide ein Hochschulzentrum zu machen, aber kombiniert auch mit studentischem Wohnen und mit der Möglichkeit, dort zusätzlich Start-ups anzusiedeln. Ich glaube, das ist es, was viele überzeugt und was das Überzeugende insgesamt an dem Kon- zept ist.

Ich wurde gefragt, wie hoch die Kosten sind. – Je nachdem, wie man das berechnet, kommt man auf 200 bis 250 Millionen Euro. Damit müssen wir alle gemeinsam rechnen, wenn wir das so umsetzen wollen. Das sind die ersten realistischen Größenordnungen, die aus der Hochschule kommen und die auch die Finanzverwaltung und wir als Senatskanzlei – Wissen- schaft und Forschung – errechnet haben und die uns die Expertinnen und Experten genannt haben. Da muss ich ganz klar sagen: Diese Summe muss, wenn das ein gesamtstädtisches Projekt wird, zusätzlich zu dem, was wir im Wissenschaftsbereich für die Sanierung im Hochschulbereich bereitstellen, zur Verfügung gestellt werden. Wir haben einen erheblichen Sanierungsbedarf an allen Berliner Wissenschaftseinrichtungen. Wir haben vor Kurzem im Ausschuss das Gutachten für den Sanierungsbedarf thematisiert und diskutiert. Wir sind auch gerade in den Haushaltsberatungen, und diese Sanierungen haben für uns Priorität. Dennoch sollte man solche zukunftsträchtigen Projekte nicht hinten runterfallen lassen. Deswegen muss es dann, wenn man das will, ein Gesamtkonzept, einen Gesamtaufschlag des Senates geben. Da sind mindestens fünf Senatsverwaltungen beteiligt – Wirtschaft, Stadtentwicklung, Wohnen, Finanzen, Bildung und natürlich wir, die Senatskanzlei – Wissenschaft und For- schung –, und dann sollte man das als Gesamtprojekt deklarieren und gucken, ob man das umsetzen kann. Wie gesagt: Aus unserer Sicht überzeugt das Gesamtkonzept. Wir würden das befürworten. Und die Finanzierung – das wurde ganz am Anfang vom Präsidenten auch ge-

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Abgeordnetenhaus von Berlin Seite 30 Wortprotokoll WissForsch 18/32 18. Wahlperiode 25. Februar 2019

sagt – ist am Ende die entscheidende Frage; und die kann der Senat nur gemeinsam beantwor- ten.

Vorsitzender Martin Trefzer: Vielen Dank, Herr Krach! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann stelle ich die protokollarische Frage: Soll der Tagesordnungspunkt bis zur Vorlage des Wortprotokolls vertagt werden, oder kann er abgeschlossen werden? – Herr Förs- ter!

Stefan Förster (FDP): Wir können ihn abschließen, weil die Fragen hier alle beantwortet worden sind. Wir müssen uns aber trotzdem gemeinsam in die Verantwortung nehmen, wie es weitergeht. Aber das ist, glaube ich, unabhängig vom Wortprotokoll.

Vorsitzender Martin Trefzer: Das sehen die anderen auch so? – Gut! Dann schließen wir den Besprechungspunkt ab. – Ich danke den Anzuhörenden ganz herzlich, dass Sie uns heute zur Verfügung gestanden haben! – [Allgemeiner Beifall] –

Punkt 4 der Tagesordnung

Verschiedenes

Siehe Beschlussprotokoll.

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