DEFGH Nr. 183, Donnerstag, 9. August 2012 FEUILLETON HBG 11

Von wegen Zauber! Überbordende Salzburg: Raimunds „Bauer als Millionär“ als Puppenspiel Spielfreude Der -Trommler Es gehöre, so Sven-Eric Bechtolf, zu den äl- vals eingeladen, reisen viel und sind bei Jack DeJohnette wird siebzig testen Theaterformen. Der Schauspielchef den Salzburger Festspielen auch noch mit der Salzburger Festspiele liebt das Figuren- einem weiteren Stück zu Gast, mit „Kafkas Im Januar 1983 begann die beispiellose Er- theater, will sich darum bemühen, jedes Schloss“. Ihr „Bauer als Millionär“ ent- folgsserie des Trios, als es auf Jahr eine derartige Produktion in Salzburg stand als Auftragswerk für Salzburg. einen Schlag das Material für drei Alben zu zeigen. Denn, so Bechtolf, „der das gan- Nominell scheint Raimunds Stück fürs einspielte. Die Songs stammten größten- ze Theaterspiel konstituierende Vorgang Theatertheater wunderbar geeignet. Rai- teils aus dem Great American Songbook, von Illusion und Desillusion wird kaum ir- mund beschreibt seitenweise ein phantas- waren also Standards des klassischen Jazz- gendwo deutlicher als in der scheinbar so tisches Ambiente nach dem anderen, von repertoires. Wie diese drei Virtuosen die naiven Verabredung zwischen Publikum denen jedes Einzelne den normalen Büh- Broadway-Klassiker aufmischen, ist eines und Spielern“. nenapparat überforderte, nähme man es der unsterblichen Wunder im Jazz. Dem Stimmt. Nach Ferdinand Raimunds wörtlich. Er entwirft Feen- und Geisterwel- Zauber von „Never Let Me Go“ aus „Stan- „Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der ten, aber auch auf der Erde, bei Fortunatus dards Vol. 2“ kommt man hier vielleicht Bauer als Millionär“ in der Adaption der Fi- Wurzel, geht es zauberhaft zu, Häuser wer- am nächsten, wenn man sich das Klavier gurentheatertruppe Thalias Kompagnons den zu Palästen und wieder zu Hütten. Da- als Primaballerina vorstellt, sie tanzt ver- im Landestheater Salzburg ist man völlig zu tauchen eine Fülle von Allegorien auf, liebt mit ihrem Partner, dem Kontrabass. desillusioniert. Hatte man a priori die Illusi- und Wurzel selbst, der durch Zauberkraft Aber auf die Füße gestellt werden sie erst on, gerade das Figurentheater könnte die reich gewordene Bauer, ist zwar eine wahr- durch die Rhythmus-Spur: ein ganzesArse- passende Form der Umsetzung dieses Zau- haftig ausgemalte Figur, aber auch ein Pro- nal aus Becken, Trommeln, Fellen, Stö- bermärchens sein, so bleibt hinterher von totyp aus einer neureichen Schicht, die cken und Besen ist da zu hören. Un- dieser Vorstellung nichts mehr übrig au- sich in Wien nach dem Wiener Kongress nachahmlich gespielt von Jack DeJohnet- ßer vielleicht Rosie, eine kleine putzige breitmachte. Dazu gibt es viel Musik. te. Das wiederkehrende Leitmotiv ist nur Kuh aus Frotteestoff. Insofern hat Bechtolf ein leises Scheppern von zwei halb geöffne- mit den von ihm beschriebenen Zusam- Grimassierende Puppenspieler – ten Hi-Hat-Becken: Never let me go, never menhängen recht. Auch wenn er sich das und die Musik: ein Desaster let me go, never. . . vielleicht anders gedacht hat. Keith Jarrett und Jack DeJohnette kann- Was kann Figurentheater? Man kann da- Die ist in Salzburg das erste Desaster. ten sich damals schon gut, sie waren 1966 mit Dinge, Räume, Vorgänge darstellen, Lärmendes Schlagzeug und impressionisti- der Motor der Charles-Lloyd-Band gewe- die mit Menschen und ganzrealen Utensili- sches oder wahlweise jazzig angehauchtes sen und hatten um 1970 bei Miles Davis ge- en unmöglich zu gestalten sind, weil man Klaviergeklimper gibt es als Dauerbeschal- lernt, wie man hinter dem Beat spielt, aber sich die Gesetze der Physik mit eigenen lung, Musik, der jede Poesie völlig fremd im idealen Moment auch on the beat. „Ruta Mitteln selbst neu erschaffen kann, wie es ist. Dazu sieht man anfangs, und das ist and Daitya“ hieß eine pastellfarben tönen- einem passt. Man kann Prototypen schaf- noch sehr süß, wie die vier Puppenspieler de Duoplatte, 1971 eines der ersten ECM-Al- fen, die Figur zur Figurine erheben, worauf in einer kleinen Werkstatt Bilder herstel- ben, zufällig in Los Angeles entstanden. diese für mehr steht als für sich allein. len, die, von einer Kamera abgefilmt, auf ei- Worauf der Produzent Kurzum, man kann der Realität eine Ge- ner Leinwand zu sehen sind. Drei, vier Pro- dem Drummer Jack DeJohnette den unge- genwelt gegenüberstellen, mit Zauber und spekte, bemalte Glasplatten, legen sie über- wöhnlichen Vorschlag eines Schlagzeug- Poesie, oder auch als Groteske. einander, halten kleine Figürchen in die Ka- Soloalbums machte. Nichts von all dem gelingt der Nürnber- mera, eine mitunter erstaunliche Raumwir- Ob spontan, aus dem Moment heraus ger Truppe um Joachim Torbahn und Tris- kung entsteht so auf der Leinwand. improvisierte Jazzplatten zeitlose Qualität tan Vogt. Thalias Kompagnons sind durch- Doch schnell verlassen die vier ihre haben, das hängt sehr von ihrem Groove aus renommiert, werden häufig zu Festi- Werkstatt, in die sie immer wieder zurück- ab. DeJohnette hatte ihn und so wurde er kehren, spielen frei im Raum stehend, hal- Im grellfarbenen Siebdruck verschmelzen Foto und Malerei: R. H. Quaytmans „Chapter 24“ (2012). FOTO: GALERIE BUCHHOLZ KÖLN/BERLIN der transatlantische Meistertrommler par ten die Figuren hoch, die man sich als excellence – von 1970 an wollte im Grunde Handschuhe mit starren Köpfen darauf jeder mit ihm spielen. Scheuklappen hatte vorstellen muss. Da die Figuren keinen er dabei nie, er konnte in Chicago an der Ausdruck haben, spielen die Puppenspie- South Side den Blues und im Musikerkol- ler selbst. Und können weder gescheit spre- lektiv AACM reinsten Free Jazz spielen. chen noch singen; sie dilettieren in diver- Mehrwert der Erinnerung sen Dialekten – bei Raimund so angelegt –, halten auch mal ihr Gesicht in die Kamera, grimassieren, was das Zeug hält. Alles ist Beuys noch ohne Hut: Die US-Malerin Rebecca Quaytman recherchiert für ihre Schau hektisch, laut, grell, ohne Idee, ohne Zau- „Chapter 24“ im Museum Abteiberg die lokale Geschichte der Avantgarde ber. Es ist ein bisschen so, als wäre man bei einem Nachwuchs-Impro-Theater-Come- dy-Wettbewerb, nur haben die Akteure VON GEORG IMDAHL Auch in ihrem vierundzwanzigsten „Ka- Die beziehen sich beispielsweise auf die Der reiche Bauer Fortunatus Wurzel und hier zufälligerweise noch Puppen in der pitel“ – Quaytman nummeriert ihre Aus- erste Museumsausstellung Joseph Beuys’, seine Saufkumpane. FOTO: SILVIA LELLI Hand. Grauenhaft. EGBERT THOLL er Avantgarde mag vielfach ihr stellungen durch wie die Abschnitte eines der 1967 bei dieser ohne seinen Hut inmit- Scheitern attestiert worden sein, Buches – vertieft sich Quaytman in die An- ten des Publikums zu sehen ist. Ausführ- D doch ihre Utopien beflügeln die Ge- nalen des Museums. Das Haus in Mönchen- lich widmet sich Quaytman der Abstrakti- genwartskunst noch immer zu ausgiebiger gladbach hat sich in den Sechzigerjahren on in der Sammlung des Museums. Im Clo- Rückblende und historischer Recherche, als Schrittmacher der Avantgarden im se-up-Verfahren zoomt sie nahe an die Gibt es einen Vertrag? wie es Rebecca Quaytman nun im Museum Rheinland hervorgetan, vor dreißig Jahren Oberflächen von Gerhard Richters „Acht Abteiberg in Mönchengladbach vorführt. eröffnete am Abteiberg dann 1982 der Neu- grauen Bildern“, an Fontanas Bildschlitze Gemäldegalerie: Grünen-Abgeordnete befragt Regierung Die 1961 in Boston geborene Amerikanerin bau von Hans Hollein, der damit ein ein- und Polkes einst mit dem Goldenen Löwen dringt in die Geschichte des vorigen Säku- flussreiches Exempel postmodernen Muse- prämierte Bilder aus dem deutschen Pavil- Während der geplante Auszug der Alten die Ursache der Konkurrenz um die Nut- lums ein, indem sie das Prinzip ortsgebun- umsbaus statuierte. lon in Venedig. Eine Röntgenaufnahme Meister aus der Gemäldegalerie in Berlin, zung der Gemäldegalerie, die künftig dener Kunst noch einmal neu auslegt. Quaytman interessiert sich für die Ge- des Weißen Quadrats auf Weißem Grund die den Werken der Sammlung Pietzsch Sammlungen der Nachkriegskunst vorbe- Anders als ein Richard Serra, dem Tita- schichte der modernistischen Malerei von Malewitsch aus dem Jahr 1917 (sie Umspielen, andeuten, nuancieren: Jack weichen sollen, international Wellen halten sein soll. nender „Site Specifity“ mit seinen tonnen- ebenso, wie für die Rolle der Institutionen stammt aus dem Museum of Modern Art) DeJohnette 1980. TOM COPI/M. OCHS ARCHIVES/GETTY schlägt, bemüht man sich in der Politik um Doch nicht nur die grundsätzliche Ent- schweren, auf den Ort zugeschnittenen im Ausstellungsbetrieb – was das Abtei- sieht aus wie ein Schweißtuch oder ein ver- Klärung der Verhältnisse: Priska Hinz, Ab- scheidung wird befragt – auch die geplan- Stahlskulpturen, bespiegelt die in New bergmuseum zum idealen Ausstellungsort blichenes Wasserzeichen der Moderne. Hinreißende Duoalben mit dem Briten geordnete der Grünen, wendet sich mit ei- ten Abläufe: Wann der Umzug genau ge- York lebende Quaytman die ideellen Aspek- macht. Was dessen Architektur betrifft, Die disparaten einzelnen Werke fügen John Surman entstanden über die Jahre, ner Berichtsanforderung an die Bundesre- plant sei, welche Altmeister nicht im Maga- te des Ausstellungsraums. Sie interessiert stieß die Künstlerin zwangsläufig auf das sich wie von selbst in ein Mosaik von Moti- und DeJohnette, der Meister im Umspie- gierung, aus der hervorgeht, dass die poli- zin verwahrt werden und welche Bemühun- sich für dessen Geschichte, seine Protago- Quadrat als durchgehende Raumeinheit, ven ein. Utopie und Avantgarde-Gelüste len, unterschwelligen Andeuten und stän- tisch Verantwortlichen nicht davon unter- gen es gebe, eine Ausstellung der Gemälde nisten, seinen Stellenwert im Betrieb, um die geradewegs zu den bahnbrechenden können darin indessen keine Rolle mehr digen Nuancieren des Grundbeats, wurde richtet sind, auf welchen Grundlagen die „vor einem Neubau zu ermöglichen“. „Ist ihn zum Gegenstand einer akribischen Vorstößen in der Malerei des frühen 20. für sich beanspruchen. Im Gegenteil: Mit einer der wohl meistaufgenommenen gewaltigen Veränderungen fußen. es zutreffend, dass mit einem Galerieneu- Feinmalerei zu machen. Alle ihre Bilder ent- Jahrhunderts zurückführt. In der Samm- dieser feinschmeckerischen Malerei nicht Drummer überhaupt. Eine seiner besten Denn zu dem Katalog gehört unter an- bau erst deutlich nach 2018 zu rechnen stehen auf Holzplatten, die nach hinten ab- lung wiederum entdeckte sie ein Bild von in Nostalgie zu verfallen ist eine eigene Her- Platten, „Inflation Blues“ aus dem Jahr derem die Frage, ob es überhaupt einen ist?“, fragt die Abgeordnete – um sich zu- geflacht sind und scharfkantig vor der Nikolai Suetin mit einer quadratischen, su- ausforderung und bereits ein Mehrwert 1983, ist lange vergriffen und passte doch „Leih- und Nutzungsvertrag bzw. Schen- letzt auch zu erkundigen, „welche Haltung Wand zu schweben scheinen. Mittels gesto- prematistischen „Ikone“ und entschied der Erinnerung. gut in die Gegenwart. Nicht nur wegen des kungsvertrag mit den Werken der Samm- der Beauftragte der Bundesregierung für chen scharfem Siebdruck sind Fotografien sich selbst für das Quadrat als einzigem Titels, sondern weil sie mit ihrer überbor- lung Pietzsch“ gibt und welche Bedingun- Kultur und Medien zum offenen Brief des auf einen Kreidegrund aufgetragen, die Format ihrer Arbeiten für Mönchenglad- denden Spielfreude dem Jazz jene Verjün- gen „im Einzelnen vertraglich festgeschrie- Vorstands des Verbandes Deutscher Kunst- Malerei verbündet sich so aufs Engste mit bach. Quaytmans Arbeit an der Erinne- „R. H. Quaytman. Chapter 24“ bis 3. November im gungskur verpasste, die er an diesem ben sind“. Diese angeblichen Verpflichtun- historiker“ hat. Diese hatten die Pläne der Fotografie, die Gattungen werden fast rung kommt einer Archäologie der Institu- Museum Abteiberg, Mönchengladbach. Der Kata- 70. Geburtstag Jack DeJohnettes so drin- gen gegenüber den Mäzenen sind nämlich scharf kritisiert. LORC ununterscheidbar. tion in ungemein delikaten Bildern gleich. log kostet 33 Euro. www.museum-abteiberg.de gend wieder braucht. KARL LIPPEGAUS

Süddeutsche Zeitung Leserreisen Kur, Kultur und Natur auf Ischia

Das milde Klima, die vielgestaltige Vegetation und die berühmten Thermalquellen ma- Eingeschlossene Leistungen chen Ischia nicht nur zu einem traumhaften Inselparadies, sondern auch zu einem der U F lug von München nach Neapel und zurück schönsten Reiseziele im Mittelmeerraum. Schließlich lassen sich auf Ischia Kuranwen- U A lle zurzeit gültigen Flughafensteuern und Gebühren dungen, Badespaß und Wanderungen auf einzigartige Weise miteinander kombinieren. U A lle Transfers Darüber hinaus zählen der Hafenort Ischia Porto und der subtropische La Mortella- U 7 Übernachtungen im 4-Sterne-Hotel Parco Aurora Terme in Porto Garten zu den malerischsten Ausfl ugszielen auf der Insel. Auch das italienische Festland inklusive Halbpension mit der Amalfi küste am Golf von Neapel lohnt einen Besuch. U E mpfangscocktail U B esuch des La Mortella-Gartens (ohne Transfers) Reisehöhepunkte U A usfl ug an die Amalfi küste und nach Sorrent mit dem Bus Ischia Porto: Charakteristisch für den Hafenort sind vor allem die zahlreichen roman- U E intritt in den Castiglione Thermalpark (nur für den Termin im Oktober) tischen Tavernen und die quirlige Altstadt, die durch eine schmale Brücke mit dem U 5 Fangopackungen + 5 Thermalduschen (zuvor ist eine Arztvisite erforderlich, Castello Aragonese verbunden ist. die nicht inklusive ist) La Mortella-Garten: Susana Walton, die Ehefrau des berühmten englischen Dirigenten und Komponisten Sir William Walton, arrangierte in den 50er-Jahren ein Gartenreich, das mit seinen Wasserläufen, Springbrunnen und dem Meditationshaus im Thai-Stil zu Reisetermin: 06. bis 13. Oktober 2012 den schönsten privaten Grünanlagen Italiens zählt. Ravello: Die Villa Rufolo ist nicht nur die bekannteste Sehenswürdigkeit des Küsten- ortes, sie soll auch Richard Wagner zum 2. Akt seiner Oper „Parsifal“ inspiriert haben. Im Doppelzimmer 1.155 € p. P. Amalfi : In der Domstadt informiert ein in einer ehemaligen Schiffswerft untergebrachtes Museum über die lange Geschichte und Tradition der Seefahrt in Süditalien. Im Einzelzimmer 1.229 € p. P. Sorrent: Zu entdecken gibt es in der kampanischen Stadt eine ganze Reihe an Sehens-

Fotolia/JWS würdigkeiten: etwa das Franziskanerkloster oder die Tore der alten Stadtmauer. Veranstalter: TUI Leisure Travel Specials Tours GmbH, Bremen

Beratung und Prospekt: In Kooperation mit Tel.: 01805 - 00 41 13*, Mo. – Fr.: 8 – 20 Uhr, Sa. 8 – 14 Uhr, (*Dt. Inlandspreise: Festnetz 14 ct/Min., Mobilfunk max. 42 ct/Min.) Fax: 0421 - 322 68 89, E-Mail: [email protected], Internet: www.sz.de/leserreisen Persönlicher Kontakt: Hapag-Lloyd Reisebüro, Theatinerstraße 32, 80333 München

DIZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehaltenvorbehalten – - SüddeutscheSüddeutsche ZeitungZeitung GmbH,GmbH, MünchenMünchen svra059 JeglicheJegliche VeröffentlichungVeröffentlichung und und nicht-private nicht-private Nutzung Nutzung exklusiv exklusiv über über www.sz-content.de www.sz-content.de SZ20120809S1610207