Plenarprotokoll 13 / 50 01. 10. 2003

Landtag von Baden-Württemberg 50. Sitzung 13. Wahlperiode

Stuttgart, Mittwoch, 1. Oktober 2003 • Haus des

Beginn: 10:03 Uhr Schluss: 17:52 Uhr

INHALT

Eröffnung – Mitteilungen des Präsidenten ...... 3451 2. Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Finanzministeriums – Zusagen der EdF Live-Übertragung der Plenarsitzungen im Internet . . . . 3451 beim Kauf der Landesanteile an der EnBW – Drucksache 13/2390 ...... 3473 Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Elke Brun- Abg. Drexler SPD ...... 3473, 3485, 3492 nemer ...... 3451 Abg. Kurz CDU ...... 3475 Abg. Pfister FDP/DVP ...... 3477 Begrüßung des Ministers für den ländlichen Raum, Abg. Kretschmann GRÜNE ...... 3480, 3487 Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Minister Stratthaus ...... 3481 des Landes Niedersachsen, Herrn Hans-Heinrich Eh- Ministerpräsident Teufel...... 3488 len ...... 3499 Beschluss ...... 3495

Begrüßung einer Delegation des brasilianischen Bun- 3. a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Frakti- desstaates Rio Grande do Sul ...... 3510 on GRÜNE – Gesetz zur Änderung der Ge- meindeordnung für Baden-Württemberg – Begrüßung des Generalkonsuls der Französischen Re- Drucksache 13/2282 publik für das Land Baden-Württemberg, Herrn b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnah- Dr. Henri Reynaud ...... 3515 me des Innenministeriums – Cross-Border- Leasing – Drucksache 13/1885 1. Aktuelle Debatte – Rückenwind für eine neue c) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnah- Energiepolitik in Baden-Württemberg – bean- me des Innenministeriums – US-Cross-Bor- tragt von der Fraktion GRÜNE ...... 3451 der-Leasing im Lichte der Rechtsprechung Abg. Kretschmann GRÜNE ...... 3452, 3460 des BGH – Drucksache 13/2124 ...... 3495 Abg. Fleischer CDU ...... 3453 Abg. Oelmayer GRÜNE ...... 3495 Abg. Drexler SPD ...... 3454 Abg. Heinz CDU...... 3497 Abg. Hofer FDP/DVP ...... 3456, 3465 Abg. Junginger SPD ...... 3499 Minister Dr. Döring ...... 3457 Abg. Dr. Glück FDP/DVP ...... 3500 Abg. Scheuermann CDU ...... 3462 Minister Dr. Schäuble ...... 3501 Abg. Knapp SPD...... 3464 Minister Müller ...... 3468 Beschluss ...... 3501

I von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003

4. Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesre- 7. Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesre- gierung – Gesetz zur Änderung der Landes- gierung – Gesetz zur Errichtung der Landes- bauordnung für Baden-Württemberg – Druck- akademie für Lehrkräftefortbildung – Druck- sache 13/2283 ...... 3502 sache 13/2430 ...... 3512 Staatssekretär Dr. Mehrländer ...... 3502 Ministerin Dr. Annette Schavan ...... 3513 Abg. Dr. Birk CDU...... 3503 Abg. Röhm CDU ...... 3514 Abg. Gall SPD ...... 3504 Abg. Dr. Caroli SPD ...... 3515 Abg. Hofer FDP/DVP ...... 3505 Abg. Kleinmann FDP/DVP ...... 3516 Abg. Dr. Witzel GRÜNE ...... 3506 Abg. Renate Rastätter GRÜNE ...... 3517 Beschluss ...... 3507 Beschluss ...... 3518 5. Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesre- gierung – Gesetz zur Änderung des Landesseil- bahngesetzes – Drucksache 13/2296 ...... 3507 8. Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Ausbildungsplät- Beschluss ...... 3507 ze in Baden-Württemberg – Drucksache 13/1260 . 3518 6. Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesre- Abg. Ruth Weckenmann SPD ...... 3518, 3527 gierung – Gesetz zur Regelung des Rechts der Abg. Schuhmacher CDU ...... 3519 Sonderzahlungen in Baden-Württemberg – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP ...... 3521 Drucksache 13/2396 ...... 3507 Abg. GRÜNE ...... 3522 Staatssekretär Dr. Mehrländer ...... 3523 Minister Stratthaus ...... 3507 Staatssekretär Rau ...... 3525 Abg. Dr. Scheffold CDU ...... 3508 Abg. Stickelberger SPD ...... 3509 Beschluss ...... 3528 Abg. Dr. Glück FDP/DVP ...... 3511 Abg. Oelmayer GRÜNE ...... 3511 Beschluss ...... 3512 Nächste Sitzung ...... 3528

II Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003

Protokoll

über die 50. Sitzung vom 1. Oktober 2003 Beginn: 10:03 Uhr

Präsident Straub: Meine Damen und Herren! Ich eröffne 2. Mitteilung des Südwestrundfunks vom 2. September 2003 – Drit- die 50. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg ter Erfahrungsbericht über die Anwendung des Staatsvertrages und begrüße Sie. über den Südwestrundfunk – Drucksache 13/2387

Krank gemeldet ist heute Herr Abg. Alfred Haas. Überweisung an den Ständigen Ausschuss 3. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 2. September Dienstlich verhindert ist Herr Minister Köberle. 2003, Az.: 2 BvF 1/03 – Normenkontrollantrag der Länder Ba- den-Württemberg, Bayern, Hamburg, Saarland, Sachsen und Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung Sachsen-Anhalt betreffend Sechstes Gesetz zur Änderung des möchte ich Sie darauf hinweisen, dass der Landtag ab heute Hochschulrahmengesetzes alle seine Sitzungen in voller Länge im Internet live über- tragen wird. Überweisung an den Ständigen Ausschuss (Beifall bei allen Fraktionen) 4. Mitteilung des Finanzministeriums vom 8. September 2003 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staats- Wer also Zugang zum Web hat, kann die Debatten des Ple- ausgaben (Beschlüsse des Landtags vom 15. März 1973, Druck- nums am Computerbildschirm mitverfolgen. Tagesord- sache 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, Drucksache 6/3910 nungspunkte und die Namen der Redner werden jeweils Ziffer II Nr. 6); Haushaltsjahr 2003 (Januar bis Juni) – Drucksa- eingeblendet. Das Angebot ist abrufbar über die Homepage che 13/2394 des Landtags unter www.landtag-bw.de. Kenntnisnahme, keine Ausschussüberweisung Ich freue mich, dass wir damit auch Interessenten, die nicht hier bei uns sein können, Gelegenheit geben, das Plenarge- 5. Mitteilung der Landesregierung vom 9. September 2003 – Bericht schehen mitzuerleben. Sie, werte Kolleginnen und Kolle- über die Europapolitik der Landesregierung im Jahre 2002/2003 – gen, sollten also bedenken: Ab sofort sind sowohl Sie als Drucksache 13/2400 auch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes immer im Überweisung an den Ständigen Ausschuss mit der Ermächtigung, Bild – und das weltweit. hierzu bei Bedarf Stellungnahmen anderer Fachausschüsse einzu- holen (Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE) 6. Mitteilung der Landesregierung vom 16. September 2003 – Infor- Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Elke Brunnemer mation über Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf des Siebten hat heute Geburtstag. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Siebter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) – Drucksache 13/2409 (Beifall im ganzen Haus – Abg. Drexler SPD: Wer?) Überweisung an den Ständigen Ausschuss Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen, Frau * Kollegin, sehr herzlich und wünsche Ihnen alles Gute. Wir treten in die Tagesordnung ein. Eine Zusammenstellung der Eingänge liegt ver- vielfältigt auf Ihren Tischen. – Sie nehmen davon Kenntnis Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. Aktuelle Debatte – Rückenwind für eine neue Energie- politik in Baden-Württemberg – beantragt von der * Fraktion GRÜNE Im Eingang befinden sich: Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die 1. Antrag des Rechnungshofs vom 2. September 2003 – Prüfung der Eingangserklärungen und fünf Minuten für die Sprecher in Rechnung des Rechnungshofs (Einzelplan 11) für das Haushalts- der zweiten Runde. jahr 2001 durch den Landtag – Drucksache 13/2384 Das Wort erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Kretsch- Überweisung an den Finanzausschuss mann.

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Abg. Kretschmann GRÜNE: Herr Präsident, meine Da- (Abg. Scheuermann CDU: Sagen Sie einmal, wie! men und Herren! Was ist eigentlich die Aufgabe eines Mi- – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Zu- nisterpräsidenten in der Energiepolitik? Eine Zukunftsvi- hören!) sion zu entwickeln, klare Zwischenziele anzugeben und da- für zu sorgen, dass die selbst gesteckten Ziele auch umge- Trotz des Debakels, das wir im Sommer hatten, als Groß- setzt werden. kraftwerke, die 70 % ihrer Energie in Flüsse ableiten, nicht mehr klarkamen und der Umweltminister dieses Landes Vollmundig hat Ministerpräsident Teufel in seiner Regie- Umweltstandards ruinierte, indem er die Grenzwerte hoch- rungserklärung gesagt: setzte, wollen Sie weiterhin in die Großkrafttechnologie. Wir schaffen die Voraussetzungen für ein erfolgreiches (Beifall bei den Grünen) Baden-Württemberg 2020. Was ist der Hauptgrund für das völlige Versagen der Regie- Die Energiepolitik ist dabei gewiss nicht ins Visier genom- rung in der Energiepolitik? Der Hauptgrund: Klimaschutz men, und die selbst gesteckten Ziele, den Anteil der regene- wird von dieser Regierung und den sie tragenden Fraktio- rativen Energien bis 2010 zu verdoppeln, werden nicht um- nen nicht ernst genommen, gesetzt. (Beifall bei den Grünen) Was ist gewiss nicht die Aufgabe des Ministerpräsidenten? Die selbst gesteckten Ziele selber noch aktiv zu bekämpfen, obwohl Minister Frankenberg auf einer Pressekonferenz ge- indem er mit an Fanatismus grenzender Inbrunst Windkraft sagt hat: „Klimaschutz ist eine der wichtigsten Herausforde- bekämpft. rungen dieses Jahrhunderts.“ (Beifall bei den Grünen – Oh-Rufe von der CDU) Die Stürme mähen alle zwei Jahre den Schwarzwald nieder. Mal haben wir Hochwasserkatastrophen, mal eine Dürre Damit konterkariert er auch die Ziele seiner eigenen Ver- wie noch nie, so wie in diesem Jahr. Das interessiert diese waltungsreform, die dazu führen soll, dass mehr vor Ort Landesregierung nicht. entschieden wird, dass man wieder mehr Vertrauen in die kommunalen Gebietskörperschaften und in die Regional- (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Überhaupt nicht!) verbände hat. Auch wenn vor Ort klar entschieden wurde, wird bei jeder Windkraftanlage direkt vom Staatsministeri- Sie hat nicht begriffen: Ohne Klimaschutz kein Land- um bis in jede örtliche Entscheidung eingegriffen. Das ist schaftsschutz. das, was Sie unter Bürokratieabbau verstehen. (Beifall bei den Grünen) (Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Birzele SPD: Sehr gut!) Nächster Punkt: Es werden völlig falsche Alternativen ge- gen einen richtigen Energiemix gestellt. Der Energiemix Völlig unglaubwürdig. Wenn einem etwas nicht passt, ent- der Zukunft heißt: ein neuer Kraftwerkspark, Kraft-Wärme- scheidet man von oben herunter. Und Ihre ganze Politik, Kopplung, Gas- und Dampfkraftwerke, gut regelbare klei- dass Sie auf einmal den Landschaftsschutz entdeckt haben nere Kraftwerke. Er heißt zweitens: eine starke Säule bei wollen, ist bei einem täglichen Flächenverbrauch von 12,1 den regenerativen Energien: Biomasse 40 %, Wasserkraft Hektar in Baden-Württemberg noch viel unglaubwürdiger. 28 %, Windkraft 22 %, Photovoltaik 6 % und Geothermie Das ist der größte Flächenverbrauch nach Bayern. 4 %. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen) Ein Gutachten Ihrer eigenen Regierung weist diese Zahlen aus. Was machen Sie? Statt auf allen Gebieten vorwärts zu Die Energiepolitik von Teufel ist völlig orientierungslos. Es schreiten, spielen Sie eine Energie gegen die andere aus. wird nicht nach vorne geschaut und gearbeitet, sondern Das ist völlig daneben. nach rückwärts. (Beifall bei den Grünen) (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jawohl!) Für die Große Wasserkraft haben Sie keinen Finger gerührt. Energiepolitik der Siebzigerjahre ist angesagt. Merkel, Teu- Wir haben uns Tag und Nacht krumm gelegt, damit sie im fel, Schavan, heute auch Oettinger in der Zeitung: Wieder- Erneuerbare-Energien-Gesetz steht. belebung der Atomkraft. Eine abenteuerliche und dilettanti- sche Debatte, wenn man weiß, welche Risiken in der Atom- (Lachen des Abg. Hauk CDU – Abg. Seimetz kraft stecken und dass die Entsorgungsfrage völlig ungelöst CDU: Man sieht es förmlich!) ist. Unser Energiemix heißt: (Beifall bei den Grünen – Abg. Hauk CDU: Das hat aber einen Grund!) (Abg. Hauk CDU: Atomstrom aus Frankreich! Das ist der Energiemix der Grünen! – Gegenruf des Eine abstruse Debatte, wenn man das Interview des EnBW- Abg. Drexler SPD: Die können doch gar nicht Vorstandsvorsitzenden Claassen liest, der überhaupt nichts mehr liefern!) vom Bau neuer Atomkraftwerke wissen will und der weiß, dass es einen Konsens zum Atomausstieg gibt und dass die Wir machen eine Energiepolitik für die Bürgerinnen und Zukunft ganz anders aussieht. Bürger und für den Mittelstand. Wir haben mit dem Erneu-

3452 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Kretschmann) erbare-Energien-Gesetz ein ausgezeichnetes Instrument ge- (Lachen der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Abg. schaffen, das sehr preiswert ist: Gesamtbelastung für jeden Drexler SPD und Abg. Heike Dederer GRÜNE: Haushalt 1 € pro Monat, 12 € im Jahr. Die Strompreiserhö- „Auswüchse“!) hung der EnBW im gleichen Zeitraum betrug für jeden Haushalt 120 € im Jahr. Das sind die Tatsachen. Das ist nicht nur sein Recht, sondern das ist seine Pflicht.

Was Sie, Herr Ministerpräsident Teufel, machen, ist ein Der Anlass für die heutige Aktuelle Debatte ist offensicht- Anschlag auf den Mittelstand. lich das, was sich am Schauinsland mit den Windkraftan- lagen getan hat. Deswegen möchte ich hier kurz darauf ein- (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jawohl!) gehen und werde nachher auch unsere Alternative in Stich- worten aufzeigen. Herr Kollege Scheuermann wird dann zu Allein 180 mittelständische Unternehmen in Baden-Würt- den grundsätzlichen Fragen noch ausführlicher Stellung temberg beliefern den größten Windkrafthersteller in nehmen. Deutschland. Sie, Herr Teufel, zerstören das Investitions- klima in einer Zeit, in der wir gerade nachhaltiges Wachs- Die Fakten am Schauinsland sind bekannt: Die Windräder tum brauchen. Das ist völlig unverantwortlich. an der Holzschlägermatte laufen, eine seit dem Beschluss des Petitionsausschusses in Tag- und Nachtarbeit, auch an (Beifall bei den Grünen und des Abg. Fischer SPD) Sonn- und Feiertagen, fertig gestellte Anlage. Legalität und Arglistigkeit reichen sich hier beim Betreiber die Hand. Fazit: Regierung und CDU können keinen realistischen Weg in die energiepolitische Zukunft beschreiten, der mit (Widerspruch bei der SPD und den Grünen – Zuru- Umweltschutz, Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit ver- fe: Was? – Abg. Marianne Wonnay SPD: Starker einbar ist. Diese Regierung nimmt den Klimaschutz nicht Tobak!) ernst. Sie torpediert ein nachhaltiges Wachstum für den Die Stadt Freiburg hat die Baugenehmigung erteilt, obwohl Mittelstand durch eine dezentrale Energiepolitik. Insgesamt sie es schriftlich hatte, dass das Regierungspräsidium, das ist sie unfähig zu handeln. Sie kann nur fanatisch gegen die zuständige Landratsamt und die benachbarte Gemeinde Windkraft kämpfen. Das Einzige, was Sie zustande bringen, Horben diese Baugenehmigung für rechtswidrig halten und ist eine unsinnige Debatte über neue Atomkraftwerke. Hin- Einspruch dagegen erhoben haben. zu kommt noch, dass Sie das Debakel bei der EnBW mit verschuldet haben. (Abg. Drexler SPD: Stimmt doch gar nicht! – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Stimmt nicht! – Abg. Heike (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jawohl!) Dederer GRÜNE: Belegen!) Das Fazit zu Ihrer Energiepolitik: schlichtweg vernichtend. – Selbstverständlich! Wenn das bestritten werden sollte, könnte ich – mit Einverständnis des Präsidenten – die drei (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der Schreiben anschließend zu Protokoll geben. SPD) Auf Weisung des Wirtschaftsministeriums über das Regie- Präsident Straub: Das Wort erteile ich Herrn Abg. Flei- rungspräsidium nimmt die Stadt Freiburg die Baugenehmi- scher. gung zurück – hoffentlich nicht in der Absicht, demnächst den Prozess als Beklagte bewusst verlieren zu wollen. Abg. Fleischer CDU: Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Rundumschlag des Fraktionsvor- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stellen fest, sitzenden Kretschmann gegen unseren Ministerpräsidenten dass die Erstellung und der Betrieb dieser Windräder eine (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Der war Klasse!) einmalige Verschandelung des Landschaftsbilds am Frei- burger Hausberg darstellt. ist vom Stil her zumindest nicht üblich (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der der SPD: Du meine Güte!) SPD – Abg. Drexler SPD: Der Stil ist ungehörig?) Die Antwort auf die Frage, warum die vornehmlich von den und vom Inhalt her absolut zurückzuweisen. Grünen betriebene heutige Debatte mit geradezu messiani- (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch schem Eifer so geführt wird, wie wir es bei Ihnen gerade bei Abgeordneten der Grünen und der SPD) auch vernommen haben, gibt der Chefredakteur der „Stutt- garter Zeitung“, Herr Christ, in der Ausgabe vom 9. Sep- Der Ministerpräsident unseres Landes hat in einer wichti- tember 2003, wo er schreibt: gen umweltschutzpolitischen Frage Windräder sind zum letzten Symbol für die politische (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Keine Ahnung!) Identität der Grünen geworden, seit sie ihre pazifisti- schen Wurzeln mit der Zustimmung zum Kosovo-Krieg unter guter Abwägung ökologischer Gesichtspunkte das gekappt haben. einzig Richtige getan: Er hat den Auswüchsen im Bereich der Windkraft entsprechend Einhalt geboten. (Lachen der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

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Wenigstens beim Umweltschutz soll sie keine Partei (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Welche? – Abg. übertreffen. Kretschmann GRÜNE: Was habt ihr dafür getan? Nichts!) So der Chefredakteur der „Stuttgarter Zeitung“. Die Große Wasserkraft ist schon genannt worden. Es gibt (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit aber auch noch viele andere regenerative Energieträger wie bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Heike Dede- Holz rer GRÜNE: Einen anderen Beweis haben Sie auch nicht gefunden!) (Zuruf von der CDU: Biomasse!) Zum Umweltschutzbegriff, verehrte Damen und Herren von und Biomasse zum Beispiel, die hier zur Diskussion stehen. den Grünen, gehört aber auch, dass wir die in unserer Hei- Der vorhin von Ihnen zitierte Professor Claassen hat am mat noch vorhandenen typischen Landschaften schützen letzten Wochenende in seinem Interview auch deutlich zum und bewahren. Ausdruck gebracht, dass aus seiner Sicht die Windkraft in Baden-Württemberg als einem Land, das nicht als Wind- (Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- energieland bezeichnet werden kann, bei seinen künftigen roth FDP/DVP – Abg. Dr. Lasotta CDU: Sehr gut! Planungen eine vernachlässigbare Größe ist. Dies sollten – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE) Sie sich merken. Dies gilt insbesondere auch für Landschaftsräume wie den (Zuruf des Abg. Walter GRÜNE) Schauinsland, wo das Landschaftsbild nur eine ganz gerin- ge Vorbelastung aufweist. Deshalb hat die Verwaltungs- Zum Abschluss: Was am Schauinsland geschehen ist, ist ein rechtsprechung unseres Landes in derartigen Fragen in den Beispiel dafür, wie mit einem richtigen Grundgedanken letzten Jahren zu Recht verstärkt auf den Landschaftsschutz durch Übertreibung falsch umgegangen wird. abgehoben. (Abg. Dr. Reinhart CDU: Im Taubertal genauso!) (Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE) Deswegen hat der Ministerpräsident Recht, Die in Freiburg errichteten Windkraftanlagen sprengen in ihrer exponierten Lage die vorhandenen Proportionen und (Abg. Heike Dederer GRÜNE: Der Ministerpräsi- dominieren den Blick. Mit ihrer Größe, ihren Rotorbewe- dent hat immer Recht!) gungen und hörbaren Geräuschentwicklungen erzeugen sie wenn er alles in seiner rechtlichen Kompetenz Stehende tut, eine optische Unruhe und stören das Landschaftsbild und um dies zu verhindern. die in der Nähe wohnenden Menschen in erheblichem Ma- ße. (Beifall bei der CDU) (Zurufe von den Grünen) Präsident Straub: Das Wort erteile ich Herrn Fraktions- Wer – das ist an die Adresse der Grünen gerichtet – vorsitzendem Drexler. schwerwiegende Eingriffe in die Landschaft hinnimmt, nur um einer von ihm favorisierten Form der Gewinnung rege- Abg. Drexler SPD: Herr Präsident, meine sehr verehrten nerativer Energie Platz zu machen, Damen und Herren! Wir wollen noch einmal darauf einge- hen, wie das Verfahren abgelaufen ist, nachdem eben der (Abg. Heike Dederer GRÜNE: Sie haben doch kei- Sprecher der Gemeinde Horben, Herr Abg. Fleischer, ne Ahnung! Billige Polemik!) (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der dem fehlt es an der Fähigkeit, die notwendige Interessenab- Grünen – Abg. Fleischer CDU: Ehrt mich sehr!) wägung vorzunehmen. Dies ist letztlich ein falsches, gera- dezu ideologisch pervertiertes Verständnis von Umwelt- noch einmal über „Auswüchse“ gesprochen hat. Wir kön- schutz. nen uns ja nachher noch einmal darüber unterhalten, was (Abg. Döpper CDU: So ist es! – Abg. Heike Dede- Auswüchse sind. rer GRÜNE: Sie haben doch gar nicht zugehört! – Nachdem der Bau einer größeren Windkraftanlage bean- Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Keine Ahnung!) tragt wurde, hat die zuständige Kommune, nämlich die Stadt Freiburg, diese Windkraftanlage genehmigt, und zwar Ich stelle mit großer Zufriedenheit fest, dass dies eine Reihe im Laufe des Verfahrens nach zuerst 60 Metern Höhe mit von SPD-Abgeordneten bei der entsprechenden Beschluss- 98 Metern Höhe. Da gab es einen Beschluss des Gemeinde- fassung im Petitionsausschuss genauso gesehen haben. rats. Da war nichts undemokratisch; das ist ordnungsgemäß gelaufen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Blenke CDU: Sehr gut! – Abg. Drexler SPD: Dazu sage Das zuständige Regierungspräsidium Freiburg hat diese Ge- ich gleich etwas!) nehmigung akzeptiert und hat nichts dagegen unternommen. Das für die Raumordnung zuständige Wirtschaftsministeri- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf klar sa- um hat sie auch akzeptiert und hat die vier – – gen, dass wir deswegen gut daran tun, uns vornehmlich auf andere regenerative Energien zu konzentrieren. (Abg. Schmiedel SPD: Wo ist er?)

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– Herr Döring sitzt hier. Er sitzt in diesem Fall hinter dem Jetzt komme ich zum Petitionsausschuss, Herr Kollege Flei- Ministerpräsidenten. scher. Dazu will ich schon noch etwas sagen. Im Petitions- ausschuss hat ein Abgeordneter der CDU – den will ich (Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Abg. jetzt nicht nennen, er ist heute auch nicht da – Schmiedel SPD: Er hat sich versteckt! – Abg. Sti- ckelberger SPD: Er versteckt sich!) (Heiterkeit bei der SPD und den Grünen) Er hat Angst, dass der Wind von vorne kommt. Folgendes gesagt. Das muss man sich schon einmal überle- gen, (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grü- nen – Abg. Fleischer CDU: Bei Ihnen auch!) (Abg. Fischer SPD: So ist es!) – Meistens. und deswegen haben CDU-Abgeordnete erklärt, das Ver- fahren müsse noch einmal überprüft werden, denn natürlich Auf jeden Fall war klar: Alles ordnungsgemäß! Sogar die muss auch eine Windkraftanlage ordnungsgemäß genehmigt vierwöchige Frist zur Widerrufung der Genehmigung ver- werden. Das ist ja wohl klar. Der CDU-Abgeordnete hat ge- strich, ohne dass irgendetwas passiert ist. Deswegen sagen sagt, seiner Meinung nach sei die Nabenhöhe mit arglistiger wir: Die Windkraftanlage ist ordnungsgemäß erstellt wor- Täuschung erhöht worden. Das stimmt überhaupt nicht. Der den, bis der Druck vom Ministerpräsidenten kam. Freiburger Gemeinderat hat im Januar die 98 Meter Naben- höhe ordnungsgemäß beschlossen. Was heißt denn da „arg- Meine sehr verehrten Damen und Herren, was hier passiert listige Täuschung“? ist, ist eine riesige Blamage für Baden-Württemberg. (Abg. Ursula Haußmann SPD: Unglaublich!) (Widerspruch bei der CDU) . . . um die entsprechenden Erträge zu erreichen. Jah- – Natürlich! relang habe der ADAC versucht, die Gaststätte am (Beifall bei der SPD) Schauinsland zu verkaufen. Die Stadt habe diese dann nur wegen der Windräder gekauft. Wo wollen Sie denn die Investoren herbekommen, wenn dem Ministerpräsidenten nach Ablauf eines ordnungsgemä- (Abg. Fleischer CDU: Im Dezember war bereits die ßen Verfahrens einfällt, eine rechtskräftige, richtige Ent- Baugenehmigung ausgefertigt!) scheidung nachträglich politisch zu revidieren? Jetzt kön- Hier sei mit Tricks und nicht demokratischen Mitteln nen Sie den Slogan „Wir können alles außer ordnungsge- gearbeitet worden. mäße Genehmigungen erteilen“ in Deutschland verkaufen. (Abg. Fischer SPD: Das war der Grund!) (Beifall bei der SPD und der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Zuruf von der CDU) Er appelliere an den Petitionsausschuss, ein Exempel zu statuieren und dafür zu sorgen, dass die Trickserei- Oder: „Kommen Sie nach Baden-Württemberg, wir machen en in dieser Firma unterbrochen werden. ganz schnelle Genehmigungen; und wenn es dem Minister- präsidenten passt, dann wird das halt rückgängig gemacht.“ Mit diesen Mitteln ist gearbeitet worden. Genau so ist es gelaufen. (Zuruf des Abg. Fleischer CDU) Schlimm ist, dass jetzt ein Prozess geführt wird, der viele – So steht es im Protokoll! Das haben Sie doch unterzeich- Steuergelder kosten wird. Die Privilegierung der Windkraft net. Das ist ein Zitat aus dem Protokoll. Da brauchen Sie im Außenbereich ist im Bundesgesetz schon seit der Regie- doch nicht den Kopf zu schütteln. rung Kohl geregelt. Hier ist also überhaupt nichts Abnor- mes abgelaufen. In der Zwischenzeit hat die Windkraft ei- Deswegen haben unsere Mitglieder gesagt: Dieses Verfah- nen Durchbruch erzielt. ren muss noch einmal überprüft werden. Nachdem das Wirtschaftsministerium angekündigt hatte, es werde Wider- Selbstverständlich, Herr Ministerpräsident, gibt es Gegen- spruch einlegen, war auch klar: Der Vorgang kommt noch den in Baden-Württemberg, in denen auch wir kein Wind- einmal in den Petitionsausschuss. rad haben wollen. Natürlich ist das so. Das haben wir auch in der Debatte gesagt. Aber wer soll denn die Genehmigung (Abg. Fleischer CDU: Das ist ja eine neue Trickse- aussprechen, wenn nicht die Kommune, die zwischen einer rei, was Sie jetzt machen!) zukunftsorientierten Technik der Energiewirtschaft und der Frage des Landschaftsschutzes abwägt? Doch nur die Kom- Aber wie Sie, Herr Kollege Fleischer, den Petitionsaus- mune! Es kann doch nicht sein, dass die Politik, wenn alles schuss jetzt gegen die Windkraft instrumentalisieren, ist normal abgelaufen ist, nun von hinten kommt und sagt: „Da nun schon eigenartig. aber nicht!“ Im Übrigen, Herr Ministerpräsident, werden Sie den Prozess nach allem, was wir wissen, verlieren, und (Abg. Fleischer CDU: Sie tricksen aufs Neue!) das wird viel Geld kosten. – Wir tricksen überhaupt nicht. Wir haben ein ordnungsge- (Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Mit Pauken und Trom- mäßes Genehmigungsverfahren, das Sie einfach nicht zur peten!) Kenntnis nehmen wollen, weil Sie in der Gegend wohnen

3455 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Drexler) und Sie offensichtlich das Geräusch eines Rotors in Ihrer nichts dagegen und halte es sogar für richtig, wenn in dieser Wohngegend stört. Das trifft aber auch alle Leute, die eine Runde auch über das Thema „Nutzung der Kernkraft“ dis- ICE-Trasse oder eine Autobahn vor der Tür haben. Die ha- kutiert wird. ben auch ein störendes Geräusch. Zunächst einmal zu dem Geschehen in Freiburg: Ich bin der (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Flei- Meinung, dass das Geschehen und der Verfahrensablauf scher CDU: Das ist zu billig!) dort eigentlich niemanden zufrieden stellen können. Dass eine Baugenehmigung erst erteilt wird, sie von der oberen Im Übrigen zum Landschaftsschutz: Sie regen sich mit kei- Baubehörde, dem Regierungspräsidium, trotz erheblicher nem Wort über 190 000 Strommasten, über Atommeiler, rechtlicher Bedenken, die dort geäußert wurden, ausdrück- über die Frage der Klimakatastrophe auf. Darüber regen Sie lich nicht beanstandet wird – dass es das getan hat, halte ich sich überhaupt nicht auf, Herr Fleischer. für etwas ungewöhnlich –, sie aber nachher, wenn das Bau- vorhaben vollständig realisiert worden ist, wieder einkas- (Abg. Fleischer CDU: Sie müssen unterscheiden, siert wird, das kommt bei uns in Baden-Württemberg glück- was existenziell notwendig ist und was nicht!) licherweise nicht allzu häufig vor. Ich kann nur sagen: Das Wenn Sie sich über Windräder aufregen, müssten Sie sich lässt sich aus meiner Sicht auch nur durch das politische darüber auch aufregen. Gewicht, welches der Petitionsausschuss diesem Verfahren unterlegt hat, rechtfertigen. (Beifall bei der SPD) Zweitens: Der missionarische und dazu eben oft auch blin- Herr Wirtschaftsminister, zu Ihnen will ich schon noch sa- de Eifer, mit dem der Bau von Windkraftanlagen betrieben gen: Sie sind in diesem Fall eine Enttäuschung von vorne wird, tut der Nutzung der Windenergie, tut der Nutzung der bis hinten. erneuerbaren Energien insgesamt keinen Gefallen. (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- Drittens: Unbefriedigend ist für mich auch, dass die Politik nen) wieder einmal ihre Fortsetzung über die Gerichte erfährt. Kein Investor kann einen Wirtschaftsminister brauchen, den Als ein in Verwaltungsverfahren nicht ganz Unbeleckter schon der kleinste Gegenwind seines Ministerpräsidenten möchte ich noch einige wenige Ausführungen zu diesem an- umweht. Alle kennen schon den „Fliegenden Robert“ aus stehenden Klageverfahren machen. Es wird nicht nur, aber dem „Struwwelpeter“; bald kennen auch alle den „Umge- in erster Linie darum gehen, den Vertrauensschutz in Rela- wehten Walter“. tion zum Landschaftsschutz zu stellen und beide gegenei- nander abzuwägen. Beim Landschaftsschutz sind übrigens (Heiterkeit bei der SPD) alle Beteiligten – Regierungspräsidium wie beteiligte Mi- nisterien – einhellig der Meinung, dass hier eine erhebliche Ja, das muss ich schon sagen. Denn wir haben uns darauf Beeinträchtigung vorliegt, weil das dort nun einmal ein sehr verlassen, dass Sie zu Ihrem Wort im Petitionsausschuss exponierter Landschaftsteil ist, gelegen in einem der stehen, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen ist und das schönsten Teile des Schwarzwalds. Das muss man einfach Wirtschaftsministerium Widerspruch gegen das erheben sehen. wird, was der Petitionsausschuss beschließt. Ich sage Ihnen: Wer auch immer von Investitionsentscheidungen spricht, Herr Kretschmann, Sie haben wiederholt gesagt, Land- wer auch immer sagt, ein Land müsse freundlich mit Inves- schaftsschutz sei ohne Klimaschutz nicht möglich. Das ist toren umgehen, muss einräumen: Wenn ein solcher Fall be- eine sehr griffige Formulierung, aber es ist und bleibt eine kannt wird, schadet das nicht nur den alternativen Energien Worthülse, die nicht zieht. Ebenso könnten Sie auf dem und dem Klimaschutz, sondern hat das auch Auswirkungen Freiburger Münster mit der Begründung einen Propeller an- auf die Investitionsbereitschaft der Menschen, die sich dort bringen, er hätte dort die richtige Nabenhöhe und schließ- engagieren wollen. lich sei ja auch der Denkmalschutz vom Klimaschutz ab- hängig, was die Witterungseinflüsse anbelange. Wir haben eine katastrophale Situation, und das wird unse- re Reputation in der Bundesrepublik Deutschland und in (Unruhe bei der SPD und den Grünen – Heiterkeit Europa nicht verbessern, meine sehr verehrten Damen und und Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Herren. Brigitte Lösch GRÜNE: So ein Quatsch! – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE) (Beifall bei der SPD und den Grünen) Der Vertrauensschutz, meine Damen und Herren, ist meiner Präsident Straub: Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer. Meinung nach hier außerordentlich hoch zu gewichten. Es lag eine Baugenehmigung vor, die ausdrücklich nicht bean- Abg. Hofer FDP/DVP: Herr Präsident, meine sehr geehrten standet worden ist, und daraufhin ist das Vorhaben umge- Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen unter- setzt worden. Es gibt nicht nur eine Planung, nicht nur eine teilen und in der ersten Runde etwas zum Geschehen im Zu- Fertigstellung einer Planung, nicht nur einen Baubeginn, sammenhang mit den Windmühlen auf der Holzschläger- sondern es wurde schon fertig gestellt und in Betrieb ge- matte bei Freiburg sagen und in der zweiten Runde etwas nommen. Mehr ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrau- dazu, wie wir von der Fraktion der FDP/DVP uns einen or- ensschutzes eigentlich nicht möglich. Selbst wenn die Auf- dentlichen Energiemix unter voller Einbeziehung der erneu- hebung der Baugenehmigung nicht beanstandet würde, be- erbaren Energien vorstellen. Aber ich habe auch überhaupt dürfte es für eine Beseitigung einer Beseitigungsverfügung.

3456 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Hofer)

Auch diese stünde unter dem Gesichtspunkt der Verhältnis- es eben nicht zu Abschaltungen kommen musste. Im gesam- mäßigkeit. ten Ablauf ist also nach unserem Kenntnisstand in vollem Umfang verantwortungsbewusst und richtig gehandelt wor- Kurz und gut: Ich sehe die Windmühlen auf der Holzschlä- den, meine Damen und Herren. germatte nicht so schnell verschwinden. Vielleicht gibt es einmal eine Parallele zu der berühmten Windmühle in Sans- (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP) souci, die Friedrich den Großen sehr störte, die aber auf- grund der preußischen Gerichtsbarkeit bis heute noch steht. Auch wenn in einer Landtagsdebatte die Opposition die Re- gierung vor die Flinte nimmt, sollte sie davon ausgehen, (Heiterkeit) dass es von der EnBW rechtzeitig einen Hinweis darauf ge- Ich glaube allerdings nicht, dass die Windmühlen am geben hat, dass es Engpässe geben kann. Wir hatten in die- Schauinsland bei ihrer Verunstaltung der Landschaft auch sem Sommer – das werden auch Sie nicht bestreiten können noch unter Denkmalschutz gestellt werden. – historisch absolut einmalige klimatische Verhältnisse; so etwas gab es davor nicht. An dem Freiburger Beispiel kann man sehr genau sehen, wie richtig es war, dass wir im Landesplanungsgesetz die (Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE) Ausweisung von Vorranggebieten für Windmühlen ange- ordnet haben und das eben nicht der einzelnen Kommune Sie hatten natürlich Auswirkungen auf alle Bereiche, zum überlassen haben. Jetzt muss in einem öffentlichen Verfah- Beispiel was die Kühlung etc. angeht. Darauf ist verantwor- ren unter Beteiligung aller Träger öffentlicher Belange und tungsbewusst eingegangen worden, und es ist vorsorgend auch der betroffenen Bürger abgewogen werden. Nur so ist gehandelt worden. Die Veränderungen sind nicht ausge- Planungssicherheit gewährleistet. nutzt worden, auch nicht zum wirtschaftlichen Vorteil, son- dern zur Sicherstellung der Stromversorgung in Baden- Im Übrigen wird hier munter fortgefahren. In der Region Württemberg. zum Beispiel ist es dazu gekommen, dass auf der Traufseite der Schwäbischen Alb keine Windkraftanlagen Wichtig ist jetzt, dass wir aufgrund der Erfahrungen des mehr zugelassen worden sind. Das ist völlig selbstverständ- Sommers Vorkehrungen für das nächste Jahr und die fol- lich, und deshalb ist dieses Verfahren richtig. genden Jahre treffen. Das wird dadurch gewährleistet, dass EnBW, Wirtschaftsministerium und Umweltministerium in Im zweiten Teil möchte ich – das ist mir mindestens genau- diesem Herbst Gespräche führen und die Vorgänge des so wichtig – noch ausführen, wie wir uns die Einbindung Sommers bilanzieren, um auf diese Weise festzustellen, der Windkraft in den Energiemix allgemein vorstellen. Ich welche Vorkehrungen für die nächsten Jahre getroffen wer- kann nur hoffen, dass sich solche Dinge, wie wir sie jetzt in den können und müssen, damit es nicht zu Verunsicherun- Freiburg sehen, nicht mehr wiederholen. gen, sondern zu der Gewissheit kommt, dass die Stromver- Ich danke Ihnen. sorgung in Baden-Württemberg gesichert ist. (Beifall bei der FDP/DVP) Ein zweiter Punkt – da wundere ich mich vor allem ein we- nig über Herrn Drexler –: Verehrter Herr Drexler, Sie soll- Präsident Straub: Das Wort erteile ich Herrn Wirtschafts- ten sich einmal anhören, was Bundeswirtschaftsminister minister Dr. Döring. Clement, Ministerpräsident Steinbrück von Nordrhein- Westfalen, die Verantwortlichen in Rheinland-Pfalz und an- Wirtschaftsminister Dr. Döring: Herr Präsident, meine dere über die Windkraft gedacht und gesagt haben, bevor sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Sie uns hier in Baden-Württemberg vor Ihre kleine Flinte Kretschmann, Sie haben vorhin davon gesprochen, im Som- nehmen wollen. mer habe es in Baden-Württemberg ein Debakel gegeben. Wo hat es ein Debakel gegeben? Es hat eben keines gege- (Abg. Drexler SPD: Das habe ich gemacht!) ben, (Abg. Kretschmann GRÜNE: Verschiebung der Das können Sie der Reihe nach nehmen. Clement mehrfach: Grenzwerte!) „total übersubventioniert“, „es entstehen Windräder an den falschen Standorten“ – ausdrücklich ausgeführt: „ an den sondern es hat ein sehr verantwortungsbewusstes Handeln falschen Standorten“. Genau dies ist auch die Meinung der der EnBW gegeben, und es hat ein sehr verantwortungsbe- Landesregierung, meine Damen und Herren. wusstes Handeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium gegeben, wofür ich sehr dankbar (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe bin. Vor allem – deswegen weise ich Ihren Angriff auf den von der SPD) Umweltminister an dieser Stelle zurück – hat es ein sehr verantwortungsbewusstes Handeln des Umweltministers Aus diesem Grund wendet sich auch der Kollege aus Bran- Müller gegeben, damit in Baden-Württemberg eben kein denburg, Umweltminister Birthler SPD, gegen Windkraft- Debakel entsteht, meine Damen und Herren. Das sollten Sie anlagen: zur Kenntnis nehmen. Am liebsten würde ich alle Windkraftanlagen wieder Die Veränderungen, von denen Sie gesprochen haben, sind umlegen. bei weitem nicht genutzt worden. Es hat sich um Vorsorge- maßnahmen und Vorkehrungsmaßnahmen gehandelt, damit – So sagte der Minister.

3457 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Dr. Döring)

Sie verschandeln die Landschaft, fressen Milliarden- Windkraftanlagen, die in Vogelzugkorridoren instal- subventionen. Arbeitsplätze entstehen kaum. Der Strom liert werden, bedeuten eine wird teurer. – wörtlich dann – – So der Umweltminister aus Brandenburg von der SPD. „Donnerwetter!“ kann ich da nur sagen. erhebliche Gefährdung, weil sie Vögel regelrecht zer- schreddern können. (Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE) So weit die Vogelkundler. Hier in Baden-Württemberg – um der Legendenbildung et- was vorzugreifen – will niemand alle Windkraftanlagen um- (Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. legen. Dr. Witzel GRÜNE meldet sich zu einer Zwischen- frage.) (Zuruf des Abg. Drexler SPD) Wir haben jetzt die Regionalverbände angewiesen, bestge- Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zu einigen The- eignete Plätze für Windkraftanlagen auszuweisen. Dort, wo men kommen, die Kollege Kretschmann angesprochen hat, bestgeeignete Plätze sind, werden wir Windkraftanlagen ge- (Glocke des Präsidenten) nehmigen, und dort, wo sie die Landschaft verschandeln, werden wir sie nicht genehmigen. Das ist eine klare Aussa- und lassen Sie mich vor allem auch zu der aktuellen Atom- ge, ein klarer Kurs und eine klare Richtung. kraftdiskussion einige Ausführungen machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ Präsident Straub: Herr Wirtschaftsminister, gestatten Sie DVP – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE) eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Witzel? – Ich komme schon darauf. Wirtschaftsminister Dr. Döring: Am Ende gern. Sie werden doch – das wundert mich bei Herrn Kollegen Präsident Straub: Am Ende gern. Kretschmann – all die Bürgerinitiativen und all die Um- weltorganisationen, die sich zu Wort melden, auch ein biss- Wirtschaftsminister Dr. Döring: Der erste Punkt zu der chen ernst nehmen müssen: Bürgerinitiativen für den Erhalt Diskussion über die Atomenergie. unserer oberschwäbischen Natur- und Kulturlandschaft, ge- gen die Verschandelung durch Windkraftwerke – reihen- Wir brauchen – und das auf Jahre hinaus und mit Sicherheit weise. Auch dies sind Bürgerinnen und Bürger, die ernst zu länger, als die Ausstiegsszenarien von Rot-Grün es vorse- nehmen sind – so wie Ihre Anhänger der beiden Windräder hen – die Atomenergie in Baden-Württemberg und in in Freiburg. Wir nehmen sie ernst. Deutschland. In diesen Tagen, Herr Kollege Kretschmann, haben sich 40 (Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE) Vogelkundler geäußert. Ich hätte nicht gedacht, dass ich im Deswegen ist es richtig, wenn wir darüber eine möglichst Landtag von Baden-Württemberg einmal Vogelkundler zi- ideologiefreie, eine möglichst sachkompetente Diskussion tieren würde. 40 Vogelkundler kommen zu dem Ergebnis: führen. Deswegen ist klar, dass wir auch der Bundesregie- Früher sind die Grünen durch die Lande gelaufen, haben je- rung sagen müssen: Sie haben einerseits den Ausstieg aus den Krötenwanderweg gerettet, der Atomenergie beschlossen, Sie haben andererseits die (Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE) Reduzierung des CO2-Ausstoßes beschlossen, und Sie ha- ben – Sie halten uns unsere Gutachten immer vor – Gutach- haben Investitionen verhindert, wenn irgendwo ein Maul- ten in Auftrag gegeben, die belegen, dass diese beiden Ziele wurfshügel war; nicht miteinander vereinbar sind – Gutachten des Bundes- umweltministeriums. (Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE) heute droht die Gefahr, dass sie mit ihren Windrädern die Ja, meine Damen und Herren, das muss man genauso zur Vögel geradezu schreddern. So 40 Vogelkundler dieser Ta- Kenntnis nehmen wie den Umstand, dass Sie Ihre Bereiche ge in Baden-Württemberg. immer nur einseitig darstellen wollen. Wenn es Ziele gibt, die Sie sich gesetzt haben – der Kollege Drexler sagt, die (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe Landesregierung operiere mit Zielen, die sie dann selbst in- von den Grünen) frage stelle –, müssen Sie doch wenigstens einmal die Gut- achten betrachten, die die von Ihnen selbst gestellte Bun- Meine Damen und Herren, ich zitiere mit Genehmigung des desregierung in Auftrag gibt, und fragen, ob diese beiden Präsidenten, weil Sie sich da so amüsieren: Ziele überhaupt gemeinsam erreichbar sind. Die Gutachten des Bundesumweltministeriums kommen zu dem Ergebnis: (Abg. Drexler SPD: Ich amüsiere mich nicht!) Sie sind nicht beide gleichzeitig erreichbar. Das müssen Sie Am Ende einer Tagung auch zur Kenntnis nehmen. – da sind ja extra Leute zusammengekommen – Deswegen ist eine sachgerechte, kompetente und ernsthafte Diskussion über die Nutzung der Kernenergie dringend not- zogen 40 Vogelkundler aus ganz Baden-Württemberg wendig, auch in Baden-Württemberg, auch hier im Landtag, und dem Bundesgebiet ein Besorgnis erregendes Fazit: meine Damen und Herren.

3458 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Dr. Döring)

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf gen: Wir müssen an der Zielvorgabe weitestgehend festhal- der Abg. Heike Dederer GRÜNE) ten; die Punktlandung wird aber aufgrund des hohen Mittel- bedarfs, der da angegeben ist, nicht unbedingt möglich sein. Das heißt, Herr Kollege Drexler – das hat das Landeskabi- Wir geben aber das Ziel, die Verdopplung des Anteils der nett gestern in voller Übereinstimmung festgestellt –: Wir regenerativen Energien bis 2010 zu erreichen, nicht auf. führen keine Standortdebatte über ein neues Kernkraftwerk. Lassen Sie mich zur Wasserkraft auch noch ein paar Takte (Abg. Schmiedel SPD: Frau Schavan!) ausführen, weil Sie das angesprochen haben. Ein Mitarbei- ter aus meinem Ministerium sagte mir gerade eben, wir sei- Die Landesregierung hat gestern in großer Übereinstim- en seit 1992, also als Sie damals in der Regierung waren – mung festgestellt: Wir führen keine Debatte über ein neues mit nicht ausreichendem Einsatz –, hinter dieser Großen Kernkraftwerk in Baden-Württemberg. Wasserkraft in Rheinfelden her. Wir haben uns vonseiten (Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE) des Wirtschaftsministeriums von Baden-Württemberg 1998 wieder sehr rasch darum bemüht, dass die Große Wasser- Wir brauchen keine Standortsuche, wir brauchen auch kein kraft in Rheinfelden berücksichtigt wird. Jetzt haben wir neues Kernkraftwerk. Erstens. das Jahr 2003, und die Große Wasserkraft ist bei Rot-Grün immer noch nicht durch. Zweitens: Dass wir aber aus dem Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung aussteigen wollen, steht für die Landesre- (Abg. Walter GRÜNE: Das war doch der Rexrodt!) gierung und die Regierungsfraktionen fest. Dies festzuhal- ten ist wichtig, weil wir dieses Ausstiegsszenario realisti- Deswegen fordere ich Sie dazu auf, dass Sie freundlicher- scherweise gar nicht einhalten können. Deswegen ist es weise – Herr Kollege Walter, was hilft der Blick zurück? – sinnvoll, zu sagen: Lasst uns offen sein – wahrscheinlich hat Herr Kollege Oettinger das deswegen in einem Inter- (Lachen bei der SPD und den Grünen) view mitgeteilt, weil er heute nicht da sein kann – für eine Diskussion über die Laufzeiten der bestehenden Kernkraft- mit Rot-Grün dafür sorgen, dass wir die Große Wasserkraft werke in Baden-Württemberg, die ständig auf Sicherheit in das EEG hineinbekommen. Dann wären wir für Baden- überprüft werden – – Württemberg einen gewaltigen Schritt weiter – (Abg. Drexler SPD: Ja!) (Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Unruhe bei der SPD und den Grünen) nicht nur für Rheinfelden, sondern auch, was die Moderni- sierung von Anlagen angeht. – Wissen Sie, Frau Dederer, ich halte es für unglaublich, was Sie da machen! (Abg. Drexler SPD: Sie können doch selbst etwas dafür tun!) (Abg. Schmiedel SPD: Die Kultusministerin!) Das ist eine beharrliche Verunsicherung der Bevölkerung. Denn weil bei uns in Baden-Württemberg die Wasserkraft Sie machen mit Angst Politik. Das ist das Erbärmlichste, mit Abstand mehr bringen wird als die Windkraft, setzen was man überhaupt machen kann, meine Damen und Her- wir hier im Land auf die Wasserkraft. Dabei bitten wir Sie ren. um Ihre Unterstützung. Sie können dies in auf den Weg bringen. (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Unruhe) (Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP) Mit Angst machen Sie Politik; das halte ich für das Erbärm- lichste, was man überhaupt machen kann. Die Große Wasserkraft ist das eine. Das andere, worum es meiner Meinung nach auch geht, ist – das werden Sie ein- Wenn Sie diese Diskussion offen annehmen und in aller räumen müssen –: Wir müssen immer im Auge behalten, Klarheit sagen: „Wir werden uns über die Laufzeit unterhal- dass wir in allen Forschungsbereichen – das sind die Insti- ten müssen, weil der Energiemix auf Jahre hinweg bestehen tute, die sich in Baden-Württemberg mit der Solarenergie muss, auch zusammen mit der Kernenergienutzung“, dann befassen – enorm viel tun. Das gilt, wie Sie wissen, gerade werden wir ganz selbstverständlich diese Diskussion mit Ih- für Freiburg. Wir müssen auch im Auge behalten, dass wir nen führen. Und ich sage Ihnen: Wir verabschieden uns im Bereich der Brennstoffzelle enorm viel tun – übrigens doch überhaupt nicht von den Zielen, die wir uns gesetzt auch mithilfe von Mitteln aus der Landesstiftung, die ja im- haben. Nur, Herr Kollege Drexler: Natürlich haben wir mer wieder heftig kritisiert wird –, dass wir in der For- „2010“ hineingeschrieben und haben gesagt: Das machen schung auf Zukunftstechnologien und alternative Energien wir auch. Nun müssen Sie aber sehen: An der Zielvorgabe – setzen. Wenn wir dies über einen Zeitraum von zehn Jahren das hat auch Herr Kollege Müller gestern im Kabinett be- hinweg vergleichen, stellen wir fest, dass Baden-Württem- kräftigt – halten wir fest. Wir müssen aber auch die Realität berg bezüglich der für diesen Forschungsbereich vergebe- bezüglich der Haushaltssituation berücksichtigen. nen Mittel auf einem guten und ungefährdeten dritten Platz liegt. Diese Förderung der Forschung werden wir auch fort- Wenn wir ein oder sogar zwei Gutachten haben, die uns setzen. beide sagen, wir bräuchten pro Jahr etwa 40 Millionen €, um das Ziel punktgenau zu erreichen, dann kann ich nur sa- (Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

3459 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Dr. Döring)

Wir haben in der jetzigen Haushaltsdiskussion genau diese Ihnen vielleicht so gefallen. Es war nicht so. Es ist eine Institute weitestgehend ausgeklammert, weil wir wissen, Konsensabstimmung gewesen, und wir haben dort so ge- dass in den Bereichen Forschung und Entwicklung, alterna- handelt. tive Energien, neue Technologien wie zum Beispiel die Brennstoffzelle für Baden-Württemberg eine Chance liegt. Mir wäre es auch lieber, man hätte die Position von Anfang Diese Chance wollen und werden wir nutzen, meine Damen an – aber nicht im Wirtschaftsministerium, sondern an einer und Herren. anderen Stelle – gleich so eingenommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ (Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP – Abg. Pfister DVP) FDP/DVP: So ist es! Sehr richtig!) Wir müssen an einer Stelle – ich habe das schon beim letz- Das war nicht so. Da gibt es jetzt keine Schuldzuweisung. ten Mal gemacht; bedauerlicherweise müssen wir das erneut Es gibt ein Dazu-Stehen. Die Position, die wir vonseiten einräumen – mit Sicherheit einräumen, dass wir noch nicht der Landesregierung übereinstimmend vortragen, gilt. An all das haben, was hilfreich und wertvoll wäre. Das betrifft der werden wir auch festhalten. die Frage der Umsetzung dessen, was aus den Forschungs- ergebnissen kommt, in marktfähige Produkte. Strich darunter: Dies ist eine Diskussion, die notwendig ist und die wir auch in aller Offenheit führen, weil wir dazu (Abg. Drexler SPD: Fast nichts!) stehen, dass wir einen Energiemix brauchen und – ich sage es noch einmal – auf Jahre hinaus brauchen werden. Wir Das ist der Bereich, bei dem ich das – ich nehme das als brauchen eine verlässliche Energieversorgung in Baden- Kritik vonseiten der Opposition und auch aus den eigenen Württemberg. Wir brauchen sie möglichst umweltschonend, Reihen – als eine berechtigte Kritik annehme. Es geschieht und wir brauchen ihre Wirtschaftlichkeit. Diese drei Ziele zu wenig, um das, was in den Forschungsinstituten erforscht verfolgt die Landesregierung mit ihrer Energie- und Um- wird, in konkrete, marktfähige Produkte umzusetzen. Dort weltpolitik, und diese drei Ziele werden in Baden-Württem- haben wir ein Defizit. Dort gilt es, Nachholbedarf aufzuho- berg erreicht, meine Damen und Herren. len. Dies müssen wir einräumen, und das räumen wir auch ein. Wir werden uns aber nicht auseinander dividieren las- (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. sen. Dr. Witzel GRÜNE meldet sich zu Wort. – Abg. Schmiedel SPD: Er kneift! – Glocke des Präsiden- Damit komme ich zu Freiburg. Dort hat eine Übereinstim- ten) mung bestanden. Es gab dort keine Genehmigung. Mit die- ser Mär, mit dieser Legende muss man einmal aufräumen. Präsident Straub: Der Herr Minister kommt nachher noch (Abg. Fleischer CDU: So ist es!) einmal ans Rednerpult und lässt dann die Fragen zu. Die gab es nicht. Es gab dort keine Genehmigung. (Zuruf des Abg. Schmiedel SPD) Es gibt den Petitionsausschuss. Dabei gehe ich nicht auf das Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann. Regierungspräsidium oder auf Mitarbeiter ein. Vielmehr gehe ich hin und sage: Ich habe da noch nicht gesessen. Sie Abg. Kretschmann GRÜNE: Herr Präsident, meine Da- sagen, ich hätte dort gesessen. Ich saß da nicht – nur als men und Herren! Sie, die Regierung und die Regierungs- Kleinigkeit zur Korrektur. fraktionen, haben in dieser Debatte schlichtweg nichts ge- boten. Es ist aber völlig klar: Was vom Wirtschaftsministerium ge- macht worden ist, hat der Minister zu verantworten. Im Pe- (Abg. Fleischer CDU: Das sagen Sie!) titionsausschuss haben wir zunächst einmal gesagt: Wir Außer einem kleinkarierten Fingerhakeln um zwei Wind- müssen auch die Zumutbarkeit berücksichtigen, wir müssen kraftanlagen auf der Holzschlägermatte haben Sie nichts die Ermessensspielräume berücksichtigen. Das war der geboten. Punkt, den wir im Petitionsausschuss berücksichtigt haben. Deswegen hat sich unser Vertreter im Petitionsausschuss so (Abg. Fleischer CDU: Wir sind doch noch nicht geäußert. Da gibt es überhaupt keinen Abzug. Das ist so ge- fertig!) schehen, auch mit Billigung der Amtsführung. Im Gegenteil, Sie haben vor einer Woche eine Atomkraft- Wir haben uns die gesamte Situation angeschaut. Wir haben debatte angezettelt. Heute wird diese Atomkraftdebatte vom den gesamten Ablauf auf einer Landespressekonferenz vor- Wirtschaftsminister wieder dementiert und gesagt, sie sei gestellt. Aber Sie brauchen das halt ein drittes Mal, weil Sie gar nicht ernst gemeint und es sei hier gar nicht geplant, jetzt eine Landtagsdebatte haben. Deshalb müssen Sie das neue Atomkraftwerke zu bauen. Das alles ist nur diffuses noch einmal aufwärmen. Ich habe dem Ministerpräsidenten Zeug. Sie müssen zugeben, dass Sie Ihre selbst gesetzten im Juli dieses Jahres einen Brief geschrieben. Darin habe Ziele der Verdopplung des Anteils der regenerativen Ener- ich die Situation geschildert und meine Position dargelegt, gien nicht einhalten können. Das sagen Sie hier ausdrück- wonach wir meiner Einschätzung nach von dieser Petitions- lich. Sie haben energiepolitisch einfach nichts geboten. ausschusshaltung abweichen müssen und uns darüber unter- halten sollen. Wir sind im Konsens gemeinsam zu dem Er- (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der gebnis gekommen, das Sie kennen. Da gab es kein Zurück SPD – Abg. Fleischer CDU: Sie haben nicht zuge- und kein Hin- und Herpfeifen. Das ist Unfug. Das würde hört!)

3460 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Kretschmann)

Missionarischen und blinden Eifer gegen die Windkraft, (Abg. Hofer FDP/DVP: Ist auch richtig so! – Abg. Herr Kollege Hofer, produziert hier nur einer: Das ist der Fleischer CDU: Die letzte Bastion, die Windkraft!) Ministerpräsident. Also kann von einer Verspargelung gar keine Rede sein. Zu (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der den wenigen Vorrangflächen, auf denen Windräder errich- SPD) tet werden können, wird vom MP nach unten angeordnet, Herr Minister Döring, wenn im Sommer eine Situation ein- sie auch dort noch zu verhindern, selbst wenn sie schon ge- tritt, in der das Kühlwasser nicht mehr ausreicht, um die baut sind. Grenzwerte nicht zu überschreiten, und der Umweltminister (Abg. Hofer FDP/DVP: Nein, das geht ja gar nicht in einer solchen Situation diese Grenzwerte ändert, dann ist mehr!) das ein Debakel. Das ist Ihre Wirtschaftspolitik: die wenigen Bereiche der (Zuruf des Abg. Fleischer CDU) Volkswirtschaft, die überhaupt noch wachsen, in einer sol- Damit ruiniert man ein wichtiges Umweltinstrument. chen Situation zu ruinieren. Das kann man an den Aktien- kursen nachlesen. (Zuruf des Abg. Hauk CDU) (Zuruf des Abg. Fleischer CDU) Das ist gerade so, als würde man die Brandschutzbedingun- gen dann außer Kraft setzen, wenn Brandgefahr herrscht. Es Es ist doch auffällig, dass Sie bei der Windkraft zum aller- ist logisch, dass dies nicht im Winter passiert, wenn es reg- ersten Mal den Landschaftsschutz entdecken. net. Natürlich sind die Grenzwerte dafür gedacht, dass sie (Abg. Drexler SPD: Ja, das erste Mal! – Zuruf des in solchen Situationen wirksam werden, in denen dies ein- Abg. Fleischer CDU) tritt. Wenn man sie gerade dann außer Kraft setzt, wenn man sie eigentlich bräuchte, ruiniert man ein wichtiges Um- Wo hat man das von Ihnen jemals zuvor gehört? weltinstrument. Das ist ein Debakel. (Unruhe) (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD) Als es hier um die Skihalle Sasbachwalden ging, haben Sie „rumsalbadert“, Herr Kollege Fleischer, wie schwierig das Sie halten an der Zielvorgabe fest und können sie nicht um- doch sei. Da war von Landschaftsschutz überhaupt keine setzen. Sie haben gesagt, Sie hätten kein Geld dafür. Aber Rede. dort, wo man kein Geld braucht, wo die Bürgerinnen und Bürger das Geld zur Verfügung stellen, nämlich zum Bei- (Beifall bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Ge- spiel bei Windkraftanlagen, verhindern Sie dies durch rein nau! Das erste Mal! Bei Vögeln genau das Gleiche! bürokratische Willkür. Das ist die Tatsache. Das erste Mal Vögel, heute!) Die meisten Windräder sind Bürgerräder, Jetzt kommen wir, bitte schön, einmal zum wirtschaftlichen Aspekt der Windkraft. (Abg. Pfister FDP/DVP: Was sind das?) (Abg. Stickelberger SPD: Das erste Mal haben Sie von denen ich nachgewiesen habe, dass der Mittelstand da- sich mit Vögeln beschäftigt! – Abg. Drexler SPD: von profitiert. Das kostet Sie überhaupt keinen Pfennig. Das erste Mal mit Vögeln! – Heiterkeit) (Abg. Fleischer CDU: Das glauben Sie doch selber nicht, was Sie da erzählen! Das ist eine Geldma- Sie können Ihre Ziele der Verdopplung des Anteils der re- schine! – Unruhe) generativen Energien allein mit Großer Wasserkraft nicht erreichen. Das haben wir Ihnen nachgewiesen. Außerdem Das machen die Bürgerinnen und Bürger selbst. haben Sie außer Presseerklärungen nichts für die Große Wasserkraft getan. Das haben wir durchgesetzt. (Unruhe – Zuruf des Abg. Hauk CDU) (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Gar nichts! – Abg. Das Investitionsklima wird durch Sie ruiniert – und das in Fleischer CDU: Kennen Sie nicht den Beschluss einer Phase, in der wir auf eine Arbeitslosenzahl von 5 Mil- des Wirtschaftsausschusses?) lionen zugehen –, in dem einzigen Bereich, in dem wir gute Wachstumsraten hatten wie in keinem anderen Sektor der Aber dies genügt nicht, wir brauchen auch Windkraft. Volkswirtschaft. In einer solchen Situation erlauben Sie sich, mit Ihrer ganzen Heuchelei von Landschaftsschutz die Was ist jetzt eigentlich die Situation? Durch ein außeror- Errichtung von Windkraftanlagen zu torpedieren. dentlich kluges Gesetz, dem Sie, Herr Döring, im Bundesrat nicht zugestimmt haben, (Beifall bei den Grünen – Abg. Fleischer CDU: Damit haben Sie mehr zu tun! Sie verbieten Land- (Zuruf des Abg. Scheuermann CDU) schaftsschutz!) ist dies überhaupt erst möglich geworden, auch mit der Sie haben ein Landesplanungsgesetz erarbeitet, das auf Großen Wasserkraft. Wir haben einen Bereich, in dem 99 % der Fläche in Baden-Württemberg Windräder verhin- 40 000 Arbeitsplätze geschaffen wurden, in dem in zehn dert. Jahren die Kosten für die installierte Leistung Windkraft

3461 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Kretschmann) halbiert worden sind. Das ist in Zukunft der Exportschlager Also können wir uns darauf einigen, dass wir alle hier in Nummer 1. Davon profitiert unser Mittelstand. Das hat diesem Haus für eine Streichung dieser Grenze von fünf neue Technologien angestoßen, wie zum Beispiel Gezeiten- Megawatt bei der Wasserkraft sind. kraftwerke. Das heißt, davon gehen richtige Innovationen aus. Das ist eine Subvention, die ausläuft und degressiv ist, (Abg. Kretschmann GRÜNE: Das steht im Refe- bei der somit keine Mitnahmeeffekte entstehen. rentenentwurf drin! Jetzt tut etwas dafür, dass es drinbleibt!) Das wagen Sie zu torpedieren – in einer Situation hoher Ar- beitslosigkeit und absoluter Wachstumsschwäche. Das geht – Dann ist es doch gut. Darüber sollten wir uns alle gemein- voll gegen den Mittelstand. Renommierte baden-württem- sam freuen. Wenn es dann soweit ist, streite ich mit Ihnen bergische Firmen liefern hier zu. Das ist Ihre Politik, die gar nicht mehr über das Erstgeburtsrecht, wer hier das Ver- Sie in einer solchen Situation betreiben. Statt die Wachs- dienst hat, sondern bin froh, dass wir durchgesetzt haben, tumskräfte nachhaltig zu stärken – in der Ökologie, wo sie dass wir die Große Wasserkraft genauso behandeln, darf sinnvoll sind –, werden sie von Ihnen torpediert. Und das ich sagen, wie die Kleine. Allein die geplanten Investitio- Schlimme: ohne hier Alternativen zu bringen – außer Ihrem nen in Rheinfelden führen zu einer Erhöhung des Stromdar- Geschwafel von Atomkraft. gebots durch dieses Kraftwerk um den Faktor 3. (Zuruf des Abg. Fleischer CDU) Jetzt komme ich zum Klimaschutz. An und für sich sind die Verhältnisse ganz einfach. Wir in Baden-Württemberg ha- Ich finde, dass dies eine Bankrotterklärung der ganzen ben etwa zwei Drittel unseres Stroms durch Kernenergie er- Energiepolitik dieser Landesregierung ist. zeugt. Dann haben wir einen Anteil von 5 oder 6 oder 7 %, der durch regenerative Energien erzeugt wird, und wir ha- (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der ben den Rest durch fossile Energien. Nun sind Sie für den SPD) Atomausstieg, was die friedliche Nutzung der Atomenergie anbetrifft. Dies ist auch in Gesetzesform niedergelegt und Präsident Straub: Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheu- von uns zu respektieren. Aber wenn ich in Baden-Württem- ermann. berg 60 % des Stroms durch Atomenergie erzeuge, dann muss doch die Frage erlaubt sein, was denn anstelle dieser Abg. Scheuermann CDU: Herr Präsident, meine sehr ver- 60 % kommt, wenn in 20 oder 25 Jahren das letzte unserer ehrten Damen und Herren! Ich möchte mich außerhalb der Kernkraftwerke abgestellt ist. Die Antwort darauf scheuen Windenergie mit den allgemeinen energiepolitischen Fra- Sie wie der Satan das Weihwasser. gen beschäftigen, die vor allem vom Fraktionsvorsitzenden der Grünen angesprochen wurden. Lieber Vornamensvetter (Beifall bei der CDU – Abg. Kretschmann GRÜ- , mein Eindruck ist, dass Sie ab und NE: Überhaupt nicht!) zu unter der Last des Fraktionsvorsitzenden leiden. Sie haben nämlich heute nur eine denkbare Alternative, und (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jetzt aber!) das ist die Ausdehnung der fossilen Energie. (Abg. Heike Dederer GRÜNE: Das stimmt doch – Das ist mein Eindruck. Solange Sie als Abgeordneter gar nicht! Hören Sie halt zu!) noch nicht in Amt und Würden des Fraktionsvorsitzenden waren, haben Sie hier vorne viel differenzierter argumen- – Jetzt komme ich doch zu Ihnen. Sie sagen, die regenerati- tiert. ven Energien seien die Alternative. Hier lassen Sie schon einmal ganz einfache physikalische Grundsätze völlig außer (Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ Acht. Stromdargebot bedeutet, dass der Strom Tag und DVP) Nacht in derselben Spannung und in derselben Frequenz Lassen Sie mich mit Ihrer Aussage von den Bürgerrädern zur Verfügung gestellt werden kann. beginnen. Wenn das richtig wäre, müsste jeder Bürger wis- (Beifall bei der CDU) sen, dass und in welcher Höhe er mit seinen Stromgebühren einen Beitrag zu den Windrädern leistet. Ich bin aber ganz Das können Sie vielleicht noch mit Wasser sicherstellen, sicher, dass mehr als die Hälfte von diesem Sachverhalt und das können Sie mit Biomasse machen, aber das können überhaupt nichts weiß. Deswegen ist es eine Schimäre, zu Sie nie und nimmer mit Solarenergie und nie und nimmer sagen, Windräder seien Bürgerräder. mit Windkraft machen. Zweiter Gesichtspunkt: Große Wasserkraft. Herr Kollege (Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Das Kretschmann, Sie haben selber gesagt, dass das Land Ba- wissen wir ja! – Abg. Dr. Witzel GRÜNE meldet den-Württemberg im Bundesrat gegen das Erneuerbare- sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Präsi- Energien-Gesetz gestimmt habe. Ein Grund unserer ableh- denten) nenden Haltung war bei der Wasserkraft der Grenzwert von fünf Megawatt. Das heißt, was unter fünf Megawatt ist, – Gleich. Ich will meinen Gedanken zu Ende führen. Dann wird gefördert, und was darüber ist, wird nicht gefördert. darf Herr Witzel mich fragen. (Abg. Drexler SPD: Was? Das ist ja ganz neu! Das heißt, wer hier immer „Solar- und Windkraft“ ruft, soll- Doch nicht deswegen! Das war nicht Ihr Argument te einmal dazusagen, dass das nur geht, wenn eine Grund- gegen das Gesetz!) last im Hintergrund steht, die heute durch Atomkraft er-

3462 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Scheuermann) zeugt wird. Und Sie sagen uns nicht, was an deren Stelle wussten nicht, was Sie anstelle dessen setzen sollten. Und treten soll. heute hecheln Sie hinter der Lösung dieser Probleme her. (Abg. Drexler SPD: Doch, natürlich!) (Abg. Junginger SPD: Wer hechelt denn hier?) Sie wissen so gut wie ich, dass bei einem heutigen Anteil Ich kann nur sagen: Seien Sie froh, wenn Ihnen bei der von 6 % alternativer Energie nie und nimmer 60 % nur Atomenergie nicht das Gleiche passiert. Die Atomenergie durch alternative Energien ersetzt werden können. Wer das ist eine – jetzt sage ich es einmal so – gefährliche Energie. Wort Klimaschutz im Mund führt, sollte wenigstens auf die Frage, was nach der Kernenergie kommt, eine ehrliche Ant- (Zurufe der Abg. Ursula Haußmann und Alfred wort geben und sich nicht um diese Antwort herummogeln. Winkler SPD) (Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Witzel GRÜNE Aber wir sind auf dem Weg, zu erreichen, dass sie ständig meldet sich erneut zu einer Zwischenfrage.) beherrschbarer wird. (Abg. Drexler SPD: Ja, ja!) – Sofort, Herr Witzel, am Schluss sehr gern. Bloß hat der von Ihnen auf Bundesebene beschlossene Aus- (Zuruf des Abg. Dr. Witzel GRÜNE) stieg dazu geführt, dass die Deutschen, die sich für die Lö- sung des Problems der größeren Beherrschbarkeit der Kern- Jetzt komme ich zur Entsorgungsfrage. Bei der Atomener- energie engagieren, nach Frankreich gehen müssen. Dann gie tragen Sie dieses Argument immer wie eine Monstranz haben Sie wieder ein Feld auf dem Gebiet der Technologie, vor sich her und sagen, die Entsorgungsfrage sei ungelöst. wo wir vielleicht in 10 oder 15 Jahren deutsche Technolo- (Abg. Drexler SPD: Ist sie auch!) gie aus dem Ausland kaufen müssen. – Ist sie auch. (Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Hat der keine Redezeit- begrenzung? – Abg. Drexler SPD: Wie lange redet (Abg. Drexler SPD: In der ganzen Welt! Europa- der noch? – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE) weit!) Das ist Ihre Politik des Ausstiegs aus der Atomenergie. Die Aber jetzt erinnere ich Sie an Folgendes: Zu Zeiten der Re- Welt ist nicht so einfach – das ist jetzt mein Schlusssatz –, gierung Ihres Bundeskanzlers Helmut Schmidt wie Sie sie gerade in der Energiepolitik immer darstellen, (Abg. Capezzuto SPD: Guter Mann!) sondern sie ist viel differenzierter. Darauf sollten Sie ab und zu einmal schauen. – guter Mann, in Ordnung – (Beifall bei der CDU und des Abg. Pfister FDP/ (Abg. Capezzuto SPD: Der beste!) DVP – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wissen wir!) gab es eine Vereinbarung der Bundesregierung mit allen Jetzt bitte, Herr Dr. Witzel. Ländern darüber, wie die Entsorgungsfrage gelöst werden sollte. Diese Einigung in der Entsorgungsfrage haben Sie in Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Herr Scheuermann, Ihrem letz- Ihrem Ideologiewahn „Ausstieg aus der Kernenergie“ ten Satz, die Welt sei komplizierter, als man sie in fünf Mi- nuten darstellen kann, stimme ich zu. (Abg. Drexler SPD: Nein!) Trotzdem komme ich zurück auf Ihre Ausführungen. Sie leichtsinnig aufs Spiel gesetzt. stellten dar, es gebe keine Lösung, Atomausstieg und Kli- (Abg. Drexler SPD: Nein!) maschutz zu vereinen. Die Landesregierung hat mehrere Gutachten erstellen lassen. Diese liegen seit Mitte des letz- Deswegen sollten Sie alles tun, nur nicht hier immer sagen: ten Jahres vor. Darin sind drei Szenarien für die Zeit bis „Wir sind gegen Atomenergie, weil die Entsorgungsfrage zum Jahr 2050 dargestellt. Wenn Sie sie gelesen haben, nicht gelöst ist“, solange Sie zur Lösung dieser Frage über- stellen Sie fest: In dem Szenario der Nachhaltigkeit, das mit haupt nichts beitragen, sondern nur torpedieren. einer Energiepolitik erreicht wird, wie sie der Kollege Kretschmann eben dargestellt hat, kann man sowohl den

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Das Kernenergieausstieg als auch eine Minderung des CO2-Aus- Land trägt ja auch nichts dazu bei! Sie wollen kei- stoßes erreichen. Das heißt: Die Fraktion der Grünen hat nen Ausstieg aus der Atomenergie, auch nicht in sich hier festgelegt. Sie zeigt Wege auf. Baden-Württemberg!) Meine Frage an Sie lautet: Welche Position vertritt die Lan- Zum Schluss zur Atomenergie. Ich kann nur sagen: Seien desregierung zu diesen Szenarien, die in den Gutachten dar- Sie froh, wenn Ihnen im Laufe der Jahre nicht nachgewie- gelegt werden? Und inwieweit treten Sie dafür ein? sen wird, dass Sie hier ebenso voreilig gehandelt haben wie bei der Rücknahme unserer bescheidenen Ansätze bei der Abg. Scheuermann CDU: Lieber Herr Kollege Dr. Witzel, gesetzlichen Krankenversicherung und bei der Rente. Eine Sie haben sich mit dieser Frage ja selbst geschlagen. Ihre Ihrer ersten Taten, nachdem Sie in Berlin an die Macht ge- Gesetze über den Ausstieg aus der Atomenergie bedeuten: kommen sind, war, unsere Ansätze zurückzunehmen. Sie Im Jahr 2028 ist Schluss. Jetzt haben Sie selbst gesagt, im

3463 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Scheuermann)

Jahr 2050 können wir den Ausstieg aus der Kernenergie müssen gerade wir die größten Anstrengungen unterneh- vollziehen. men, in Baden-Württemberg eine andere Politik zu machen, und mehr auf erneuerbare Energien setzen. (Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Habe ich nicht gesagt!) (Abg. Scheuermann CDU: Herr Kollege Knapp, – Das haben Sie gesagt. Sie haben auf ein Gutachten Bezug ein Zwischenruf!) genommen, das Aussagen für das Jahr 2050 macht. Dann reduziere ich meine Antwort auf die Gegenfrage: Was ma- – Machen Sie das nachher, am Schluss; dann können wir chen Sie zwischen den Jahren 2028 und 2050? Darauf ha- das noch beantworten. ben Sie keine Antwort. Kommen wir nun dazu, wie das eigentlich aussehen soll. (Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Sie aber Das Fatalste ist, dass wir in Baden-Württemberg unter Ihrer auch nicht!) Führung, Herr Ministerpräsident, nicht das Geld haben: – Langsam. Darf ich auf den Zwischenruf, wir hätten auch (Heiterkeit des Abg. Hofer FDP/DVP) keine Antwort, noch eingehen? 35 bis 40 Millionen € jährlich, die wir brauchen, um den (Abg. Drexler SPD: Ja!) Anteil der erneuerbaren Energien auszubauen und um Ihr eigenes Verdopplungsziel in den nächsten zehn Jahren zu Ich habe ausdrücklich gesagt: Die Kernenergie ist eine ge- erreichen. Weil wir das Geld nicht haben, können wir doch fährliche Energie, aber sie wird ständig beherrschbarer. nicht auch noch die Investitionen von außen, die nach Ba- den-Württemberg fließen, verhindern wollen. Sie wissen (Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Birzele: Ist sie ge- genauso wie ich, dass von allen Investitionen, die in er- genwärtig nicht beherrschbar?) neuerbare Energien fließen, 40 % aus EEG-Mitteln stam- – Ich habe nicht gesagt, dass sie nicht beherrschbar ist, son- men, etwa 30 % aus weiteren Bundesprogrammen und etwa dern ich habe gesagt, sie wird beherrschbarer. 20 % aus kommunalen Programmen, aber nur 10 % vom Land Baden-Württemberg. Nicht einmal diese 10 % können (Abg. Drexler SPD: Eben!) wir aufbringen, um Ihr eigenes Ziel zu erreichen. Das ist ein Unterschied. Jetzt warne ich Sie nur und sage: (Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Skan- Hoffentlich kommen Sie nicht in die Situation, die Frage dal!) entscheiden zu müssen, was wir danach tun werden – je nachdem, wie die Forschungsergebnisse aussehen. Ich halte es für nicht nachvollziehbar, dass man in dieser Weise gegen Investitionen von außen angeht. Wir können Wir halten uns auf jeden Fall – das mögen Sie „Hintertür- uns das aus wirtschaftlichen Gründen auch gar nicht leisten. chen“ nennen – diese nicht illusionäre Lösung offen. Wir verhindern allein bei der Windkraftenergie in Baden- Württemberg Investitionen in der Größenordnung von (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Drexler 200 bis 300 Millionen € pro Jahr, indem wir in der Wind- SPD: Dann müssen Sie jetzt einen Standort suchen! kraftpolitik so restriktiv sind. Das wollen Sie doch nicht!) (Abg. Teßmer SPD: Nicht wir, sondern die!) Präsident Straub: Das Wort erteile ich Herrn Abg. Knapp. Diese 200 Millionen € pro Jahr bedeuten etwa 1 500 bis Abg. Knapp SPD: Herr Präsident, meine Damen und Her- 2 000 Arbeitsplätze. Wir können es uns also aus wirtschaft- ren! Zunächst einmal möchte ich Ihnen, Herr Kollege Ho- lichen Gründen nicht leisten, und wir sollten es uns eigent- fer, zustimmen. Sie haben gesagt, Sie gingen davon aus, lich auch nicht leisten. dass sich die Windkraftanlagen am Schauinsland noch lan- ge drehen werden. Auch wir gehen davon aus, dass das so Es wurde schon angesprochen, dass viele unserer Zuliefer- sein wird. Ich glaube, nach allem, was wir heute gehört ha- betriebe im Maschinenbau schon heute für Windkraftanla- ben, wäre das auch das Richtige. gen arbeiten und dass das Geld wirtschaftlich schon heute vorhanden ist. Dass wir aber von diesem Geld nichts mehr Wir führen jetzt eine Debatte, die sich nicht nur um die zurückbekommen, dass wir nichts aus dem EEG zurückbe- Windkraftanlagen am Schauinsland dreht, sondern um die kommen, dessen Mittel unsere Bürgerinnen und Bürger gesamte Energiepolitik in Baden-Württemberg. Wir führen durch die Umlagefinanzierung genauso mitzahlen, muss auch eine Atomkraftdebatte. Wenn Sie, Herr Kollege einfach aufhören. Scheuermann, sagen, dass wir einen Kernenergieanteil von 60 % haben, dann wissen wir das alle. Wir wissen aber Das Landesplanungsgesetz ist ein echtes Windkraftverhin- auch, dass es in Baden-Württemberg die größten Anstren- derungsgesetz. Entgegen geltendem Bundesrecht haben Sie gungen geben müsste, um den Kernenergieausstieg auch zu in Baden-Württemberg durchgesetzt, dass es keine dreistu- vollziehen und mit einer möglichst nachhaltigen Energie- fige Ausprägung der Planungen gibt – also Vorranggebiete, politik auszufüllen. Ausschlussgebiete und die Grauzone dazwischen, wo in Einzelfallregelung entschieden werden kann –, sondern Sie Gemessen an allen anderen Bundesländern – im Bund liegt wollen nur noch schwarz-weiß. In vorauseilendem Gehor- der Durchschnitt bei etwa 30 % – haben wir in Baden- sam wird in Baden-Württemberg in den Regionalverbänden Württemberg den höchsten Kernenergieanteil. Deswegen so viel verhindert und werden so wenige Vorrangflächen

3464 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Knapp) ausgeschrieben, dass die Windkraft in Baden-Württemberg bau ernst meint, dann muss man wenigstens einsteigen und annähernd auf null gesetzt oder zumindest deutlich blo- sagen: Dort, wo der Bund zu wenig macht, muss ich we- ckiert wird. nigstens meine 10 % bringen. Als Land muss ich dort ein- steigen und unterstützen, dass das Holz aus dem Wald fi- Wenn wir nun zu den erneuerbaren Energien und den dazu- nanziell interessant wird, sodass man es als Biomasse nut- gehörigen Einzelpunkten kommen, dann müssen wir fair zen kann. miteinander umgehen und uns die Zahlen und Fakten an- schauen. Minister Döring läuft durch die Lande und sagt: (Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU) „Nein, Windkraft wollen wir da nicht.“ Ministerpräsident Zum Schluss verweise ich nur auf ein Zitat von 1996 von Teufel spricht sich noch sehr viel mehr dagegen aus. Das Ministerpräsident Teufel, als ebenfalls über Kernkraft dis- geflügelte Wort von „Don Erwins Kampf gegen die Wind- kutiert worden ist – damals war er noch nicht Ministerpräsi- mühlen“ kennen Sie alle. „Windkraft wollen wir nicht, wir dent – setzen auf Wasserkraft und Biomasse.“ (Abg. Drexler SPD: 1986!) Das müssen wir ganz fair betrachten und uns überlegen, was wir noch an Ausbaumöglichkeiten haben. Jetzt unter- – 1986, wenn ich rechnen kann; da war er noch Fraktions- halten wir uns hauptsächlich über Stromproduktion und vorsitzender –: nicht über Wärmeerzeugung. In Baden-Württemberg haben wir einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromer- Die Zukunft gehört nicht der Kernkraft, weil kein zeugung von 8 bis 8,5 %. Mehr als 5 % haben wir aus der Mensch mit so großen Risiken leben will, wenn es risi- Wasserkraft. In der Kleinen Wasserkraft können wir sehr koärmere, gefahrlosere Arten der Energieerzeugung wenig ausbauen. Im Wirtschaftsausschuss habe ich einmal gibt. gesagt: „Sie sind zwar willig, aber wenn man nur willig ist, nützt das nichts.“ Teilweise wollen Sie den Ausbau der Das war 1986. Wasserkraft; Minister Müller verhindert den Ausbau der (Minister Dr. Christoph Palmer: 17 Jahre!) Kleinen Wasserkraft, wo immer es geht. Das ist aber nach wie vor gültig. (Abg. Schmiedel SPD: Er blockiert!) Zum Schluss frage ich: Was können wir von einer Landes- Die Große Wasserkraft hat für alle bekannten Wasserkraft- regierung erwarten, die ein riesiges Problem hat, wenn eine werke ein Gesamtpotenzial – Rheinfelden ist die größte Windkraftanlage von 60 Metern über 70 Meter auf 90 Me- Maßnahme; über die unterhalten wir uns eigentlich auch – ter Nabenhöhe erhöht wird, die aber gleichzeitig den Aus- von etwa 1 % des baden-württembergischen Stromver- fall eines Notkühlsystems in einer Kernenergieanlage ohne brauchs. Damit ist die Große Wasserkraft dann, wenn sie Schwierigkeiten hinnimmt und das auch noch gutheißt? denn kommt, ausgereizt. Wie wollen Sie also den Anteil von 8,5 % verdoppeln, wenn Sie mit der Wasserkraft 1 % (Beifall bei der SPD und den Grünen) zusätzlich erreichen? Lassen wir es 1,2 % sein; mehr geht nicht, wenn die Kleine Wasserkraft nicht ausgebaut werden Präsident Straub: Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer. kann. Wenn man Ihnen das vorhält, sagen Sie: Wir gehen zur Biomasse. Abg. Hofer FDP/DVP: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kretschmann hatte Recht: Über die Wind- (Abg. Pfister FDP/DVP: Da ist am meisten drin!) kraftanlagen in Freiburg hinaus habe ich zum allgemeinen energiepolitischen Thema noch nichts gesagt, und zwar Jetzt haben wir mit der Biomasse etwa das Potenzial von schlicht und einfach deshalb, weil ich in der Rednerreihe vier Kraftwerken, wobei wir mit Altholz versorgen können, nach Ihnen komme. Ich denke, das ist eine Erklärung. um den Ausbau zu erreichen. Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass die FDP/DVP (Dem Redner wird das Ende der Redezeit ange- ganz eindeutig für eine volle Einbeziehung – um das Mode- zeigt.) wort zu nehmen: „nachhaltige“ Einbeziehung – der Förde- rung der erneuerbaren Energien ist. Bei unserem Parteitag – Ich sehe die Signale. – Aber der Ministerpräsident redet in Freiburg haben wir das sehr deutlich herausgestellt – das in Mannheim von acht großen Kraftwerken, die man war auch nötig. Was die Verdopplung des Anteils an der bräuchte und die man bauen sollte. Dafür gibt es gar nicht Stromerzeugung über erneuerbare Energien anbelangt, genügend Altholz, dafür gibt es gar nicht die Biomasse. freue ich mich, dass der Wirtschaftsminister gesagt hat: Man muss sehr viel differenzierter einsteigen und auch in „Daran halten wir fest.“ Biogas und andere Dinge investieren. (Abg. Kretschmann GRÜNE: Wie?) (Abg. Hauk CDU: Aber es gibt Restholz! Man braucht nicht nur Altholz! – Gegenruf des Abg. – Moment! – Es ist ein Akt der Ehrlichkeit: Wenn man Drexler SPD: Mit dem Restholz bekommen Sie es weiß, dass gegenwärtig 12 Millionen € zur Verfügung ste- auch nicht hin!) hen und nach eigens eingeholtem Gutachten 40 Millionen € gebraucht werden, dann kann man nicht sagen: Das wird Kommen wir zum entscheidenden Punkt: Es gibt auch eine Punktlandung geben. Das ist ein Akt der Selbstver- Waldholz. Vielleicht ist seine Nutzung heute wirtschaftlich ständlichkeit. Vorhin habe ich von Herrn Knapp die Formu- noch nicht machbar. Wenn man es im Land mit dem Aus- lierung gehört, unter der Führung des Ministerpräsidenten

3465 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Hofer) fehlten die Gelder. Das ist eine wunderbare Formulierung. wertszeit des Mülls von 100 000 Jahren auf 300 Jahre zu Ich könnte genauso gut sagen: Unter den derzeitigen Ver- reduzieren; Transmutation ist das Thema. Dadurch bekäme hältnissen in Berlin fehlen Rot-Grün die Gelder überall und man eine völlig andere Entsorgungssituation. Da sollte man natürlich auch bei uns. sich nicht sämtliche Optionen abschneiden.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD) Nun noch einmal zur Nutzung der erneuerbaren Energien: Es muss einen Energiemix geben, und dazu gehören die er- Aber ich wollte an dieser Stelle sagen: Wir nehmen keine neuerbaren Energien und innerhalb des Mixes der erneuer- reine Beschwörungshaltung ein, sondern wir hatten, als wir baren Energien natürlich auch die Windkraft. Wir sind je- mit der Umsetzung des Verdopplungsziels begonnen hatten, doch dafür, hier zu differenzieren, und diese Differenzie- einen Anteil der erneuerbaren Energien von 5,6 % an der rung findet gegenwärtig allerorten statt: „Schwarzwälder Stromerzeugung insgesamt, während dieser Anteil jetzt, im Bote“: „Euphorie für Windkraft flaut ab“, „Stuttgarter Jahr 2003, 8,5 % beträgt. Nachrichten“: „Der Windkraft weht eine steife Brise entge- (Abg. Pfister FDP/DVP: Es ist schon etwas gesche- gen“. Das ist für die Windkraft eigentlich sehr viel besser hen!) als Ihr Rückenwind; denn mit dem Rückenwind fängt die Windkraft gar nichts an. Das Ziel, einen Anteil von 12 % zu erreichen, ist realis- tisch, und deshalb halten wir daran fest. Machen Sie doch (Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – einfach mit, und nehmen Sie uns nicht aufgrund der Haus- Abg. Drexler SPD und Abg. Kretschmann GRÜ- haltssituation jeglichen Mut dazu! NE: Das ist doch logisch!)

(Lachen der Abg. Dr. Caroli und Schmiedel SPD) Die Gründe für die Ernüchterung liegen nicht so sehr nur in den Anliegerinitiativen wegen Beeinträchtigung der Land- Wir sind dafür – und es sind ja alle dafür –, dass wir einen schaft und des Vogelflugs, sondern schlicht und einfach ausgewogenen Energiemix haben, um preiswert, umwelt- auch darin, dass, wie wir das übrigens bei der Abfallwirt- schonend und sicher versorgen zu können. Dazu gehört ne- schaft längst gesehen haben, irgendwann in der Diskussion ben den fossilen Energieträgern natürlich auch die Kern- die Frage auftaucht: Zu welchen Kosten erlauben wir uns energie – ich komme auf die erneuerbaren Energien gleich erneuerbare Energien? noch einmal zu sprechen; sie sind das eigentliche Thema –, von der auch dieser Saal zu immerhin über zwei Dritteln die (Abg. Drexler SPD: Dann schauen Sie doch mal elektrische Energie für sein Licht bezieht und auch dafür, die Atomenergie an!) dass man hier über das Mikrofon sprechen kann. Zu sagen, das brauche man alles nicht, ist schon etwas gespenstisch. Die Zeit des Hätschelns und Tätschelns ist dann immer re- lativ schnell vorbei. Denn diese Kostenfrage wird gestellt, Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle sagen: Es geht da- und zwar gegenwärtig auch bei der Novellierung des EEG rum, sich nicht in einer Art Vogel-Strauß-Politik aller Opti- in Berlin, indem man festlegt, die gegenwärtig bereitgestell- onen zu berauben, indem man einfach den Kopf in den ten 2,7 Milliarden € – 0,46 Cent pro Kilowattstunde – sol- Sand steckt, sondern Sie müssen einfach sehen, dass es len sich, wenn man nichts ändert, auf 3,5 Milliarden € im nicht stimmt, dass das Thema „Nutzung der Kernkraft“, wie Jahr 2005 und auf 5 Milliarden € im Jahr 2010 steigern. mitunter gesagt wird, weltweit out sei. Das stimmt nicht. Es Dass Wirtschaftsminister Clement überlegt, wie man hier sind, nicht nur in China, Hunderte von Kernkraftwerken in Einhalt gebieten kann, ist doch eine ganz klare Sache. Planung, in Finnland wird eines gebaut Ich komme deshalb zur Folgerung – und das möchte ich (Abg. Drexler SPD: Hunderte? Wo?) zum Schluss noch sagen –, dass eine Aussetzung der Förde- rung unwirtschaftlicher, also wenig windstarker Standorte – Hunderte; mit denen in China Hunderte –, absolut notwendig ist. (Abg. Drexler SPD: A wa!) (Abg. Drexler SPD: Das bestreitet doch niemand!) und wir müssen aufpassen, dass dieses Land bei der Ener- – Moment! – Dies ist in der Novellierung Ihres Gesetzes – – gieversorgung einigermaßen autark ist. Stromimporte – Übrigens plädiere ich auch dort für eine Einschränkung, wo schauen Sie sich doch einmal die Gegenden an, aus denen man in einem ganz starken Maße Energie aus Windkraft er- Sie importieren wollen – wären für unseren Wirtschafts- zeugt. Da werden von Ihren Bürgerinnen- und Bürgerrädern standort Deutschland und insbesondere für Baden-Würt- – mir kommen manchmal die Tränen – bei der derzeitigen temberg außerordentlich nachteilig, wenn wir darauf ange- Förderung gegenwärtig Renditen zwischen 20 und 30 % er- wiesen wären. zielt. Selbst in windschwachen Gebieten sind es immer noch 7 %; das ist mehr als bei jeder Kapitalanlage. Da finde (Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Zimmer- ich es sehr richtig, dass unser Ministerpräsident fragt: Wen mann CDU) fördern wir da eigentlich? Fördern wir diejenigen, die Sub- ventionen erhalten, oder fördern wir die Ökologie? Da ste- Im Übrigen noch ein Wort zur Beherrschbarkeit, die Herr he ich voll und ganz hinter seiner Forderung, dass da eine Scheuermann angesprochen hat: Es ist für mich schon wich- Differenzierung eintreten muss. tig, festzustellen, dass gegenwärtig weltweit daran geforscht wird, über eine neue Generation von Kraftwerken die Halb- (Glocke des Präsidenten)

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Präsident Straub: Herr Abg. Hofer, gestatten Sie eine boxen, dass die Große Wasserkraft mit einbezogen wird. Zwischenfrage des Herrn Abg. Drexler? Wir wollen ja nicht nur das große Kraftwerk in Rheinfelden erweitern, sondern es geht auch um die Modernisierung vie- Abg. Hofer FDP/DVP: Gerne. ler anderer großer und kleiner Kraftwerke. Wir wollen sie dabeihaben, Präsident Straub: Bitte schön, Herr Drexler. Abg. Drexler SPD: Herr Kollege Hofer, Sie sprechen im- (Abg. Drexler SPD: Aber es wird schwierig!) mer von der Förderung der Windkraft. Stimmen Sie mir zu, dass die Subventionen für die Atomenergie bisher allein in und hier haben wir eine Möglichkeit dazu. Deutschland 80 Milliarden € betragen haben? Abschließend zurück zum Schwarzwald. Die angekündigte (Zuruf des Abg. Scheuermann CDU) Strategie für einen südbadischen Energiemix – ein „süd- badischer Energiemix“ ist an sich etwas Schönes – bedeutet Stimmen Sie mir weiter darin zu, dass die OECD erst neu- nichts anderes, als dass man auf die Stärken der Gegend lich in einem Bericht festgestellt hat, dass in den letzten 50 differenziert abstellt. Jahren 80 % der Forschungsmittel aller Länder in die Atomenergie geflossen sind, (Zuruf des Abg. Fleischer CDU) (Abg. Hauk CDU: Ist doch gar nicht wahr!) Wir stellen fest, dass im Schwarzwald sehr viel mehr Holz- abfälle produziert werden, als man verwenden kann. Das ist die weltweit gerade einmal 6 % der Energieversorgung aus- eine dauernde Energiequelle, und diese ist in erster Linie macht? einzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Abg. Kretschmann GRÜNE: Macht das doch! Wer Abg. Hofer FDP/DVP: Herr Drexler, zunächst einmal ge- hindert euch denn? – Glocke des Präsidenten) höre ich zu denen, die beim Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht von einer Subvention sprechen. Das ist für mich – da Präsident Straub: Herr Abg. Hofer, gestatten Sie eine sind wir sicher einig – keine Subvention. Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler? (Abg. Drexler SPD: So ist es!) Abg. Hofer FDP/DVP: Ja natürlich, gerne.

Es handelt sich um eine Kostenbelastung des einfachen Präsident Straub: Bitte schön, Herr Winkler. Stromkunden, der seinen Strom zu bezahlen hat. Ich bin da- gegen – das wird Sie vielleicht wundern –, dass man hier Abg. Alfred Winkler SPD: Herr Kollege Hofer, Sie haben Subventionstatbestände für Großverdiener schafft, die eben, wie auch der Herr Wirtschaftsminister, Rheinfelden schließlich auf die Stromkunden umgelegt werden. erwähnt. Ich bin von dort. Teilen Sie die Auffassung des Herrn Wirtschaftsministers, der vorhin – mit einem Finger- (Abg. Drexler SPD: Bei der Atomenergie zahlt es zeig nach Berlin – gesagt hat, Rheinfelden könnte seit 1993 der Steuerzahler!) realisiert sein Dagegen bin ich. Das ist für mich ein Akt der Gerechtig- (Abg. Fleischer CDU: Das hat er nicht gesagt!) keit. Ich sage noch einmal: Verniedlichen Sie das nicht so, als ob – sinngemäß schon –, oder teilen Sie meine Auffassung, es sich hier ausschließlich um Ökologiebewusste handelt. dass Rheinfelden deswegen noch nicht realisierbar ist, weil Solche sind viele dabei, aber es sind auch viele schlichte zum einen die Liberalisierung im europäischen Strommarkt und einfache Anleger darunter, die schauen, wie man das die Preise kaputtmacht und zum anderen die Preise für Geld vermehren kann. Kernenergie so niedrig sind, dass Wasserkraft ohne Förde- rung überhaupt nicht konkurrenzfähig ist, und nur das EEG (Abg. Kretschmann GRÜNE: Ja und? – Zuruf des die Chance schafft, Wasserkraft wieder zu holen? Abg. Schmid SPD) (Abg. Drexler SPD: Weil man die Atomkraft aus Diese Differenzierung möchte ich in diesem Haus noch ein- Steuermitteln fördert!) mal deutlich vornehmen. Noch einmal: Es ist ein Gebot der Vernunft, dort zu differenzieren, wo Wind vorhanden ist. Abg. Hofer FDP/DVP: Zunächst einmal teile ich nur Äuße- Baden-Württemberg ist aber nun einmal kein sehr windhöf- rungen des Wirtschaftsministers, die er auch gemacht hat. figes Gebiet; Äußerungen, die der Wirtschaftsminister nicht gemacht hat, teile ich nicht. Das ist das Erste. (Abg. Kretschmann GRÜNE: Völlig falsch! Im Schwarzwald haben wir die gleichen Windver- (Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP) hältnisse wie am Meer!) Zum Zweiten stimmt es gar nicht, dass die Große Wasser- aber wir haben die Wasserkraft. kraft nicht konkurrenzfähig ist. Das Problem ist vielmehr, dass bei der Großen Wasserkraft zunächst einmal Investiti- Lassen Sie mich noch etwas zur Wasserkraft sagen, weil onen in einem solchen Umfang vorfinanziert werden müs- wir möglicherweise kurz davor sind, gemeinsam durchzu- sen, dass man den Einstieg in einen Wettbewerb anschlie-

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ßend überhaupt nicht realisieren kann. Die Wasserkraft als Jahr 17 Milliarden € kostet und für die Ökologie nichts solche kann mit anderen Energieträgern preislich sehr wohl bringt. mithalten, auf jeden Fall mit der subventionierten – Ent- schuldigung: mit der über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (Abg. Drexler SPD: Natürlich bringt es etwas!) geförderten – Windenergie. Wenn Sie eine CO2-Abgabe eingeführt hätten und das Geld Ich möchte einfach zum Schluss sagen: Windräder, ja. anschließend für den Klimaschutz verwendet hätten, dann Übrigens ist es nicht so, dass da keine Kapazitäten in den würde ich sagen: Es ist immer noch eine Bürgerbelastung, Regionalplänen ausgewiesen würden. Warten Sie auch das aber sie hätte sich gelohnt. ab. Ich mache jede Wette: Dort werden mehr Windmühlen (Abg. Kretschmann GRÜNE: CO -Abgabe hat ausgewiesen werden können, als schließlich tatsächlich ge- 2 Waigel verhindert! – Zuruf des Abg. Drexler SPD) baut werden – aber bitte nicht an Stellen, wo sie ein Groß- teil der Bevölkerung im Grunde in erster Linie als eine Pro- Sie haben dieses Instrument missbraucht, vokation empfindet. (Zurufe von der SPD und den Grünen) Ich denke, diese sachliche Differenzierung sollten wir vor- nehmen. Wir können dann immer noch unterschiedlicher und Sie haben das mittlerweile erkannt, denn Sie beschrei- Meinung sein. Wir sollten aber auf allen Seiten sachlich ten diesen Irrweg nicht mehr weiter. differenzieren und von der Ideologie wegkommen. (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ Ich danke. DVP) (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der Das wollte ich Ihnen nur einmal als eines von drei Beispie- CDU) len für die großen Probleme schildern. Jetzt vergleiche ich das mit den kleinen Lösungen, die Sie anbieten. Präsident Straub: Das Wort erteile ich dem Herrn Minis- ter für Umwelt und Verkehr Ulrich Müller. Die Diskussionen, die wir hier über das eine oder andere Windrad oder über die Rolle der Windenergie insgesamt Minister für Umwelt und Verkehr Müller: Herr Präsi- führen, dent, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zur bisherigen Debatte einiges ergänzen und dabei vor al- (Abg. Drexler SPD: Sie haben die rechtliche Lage lem versuchen, die richtigen Proportionen herzustellen. nicht kapiert!) Wir sollten einmal wissen, was die wirklich großen Bro- betreffen ganz andere Größenordnungen. Die Lösungen, cken in der Energiepolitik sind. Das Thema „Ausstieg aus über die Sie hier sprechen, bewegen sich im Promillebe- der Kernkraft“ gehört bestimmt dazu. Die Kernkraft er- reich. bringt landesweit rund 60 % und bundesweit rund 30 % der (Zuruf des Abg. Drexler SPD) Stromproduktion. Die Frage, was nach der Kernkraft kommt, ist eine Frage, die ganz wesentlich etwas mit der 0,3 % der Stromproduktion in Baden-Württemberg stam- Klimaschutzpolitik zu tun hat. Diese Frage muss von derje- men zurzeit aus der Windenergie. nigen Seite beantwortet werden, die aus der Kernkraft aus- steigt. Eine Antwort darauf gibt es bis zur Stunde nicht. (Zurufe von der SPD und den Grünen – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU: Weil es die Landschaft (Beifall bei Abgeordneten der CDU) kaputtmacht!) Zweitens: Wir reden hier über alles Mögliche. Aber wir ha- – Ja, ja, das hören Sie nicht gern: 0,3 %. ben zum Beispiel noch kein Wort über die Höhe der Kohle- subventionen Jetzt sage ich einmal ganz einfach: Gesetzt den Fall, Sie würden die Zahl der Windräder verdreifachen, wären wir (Minister Dr. Christoph Palmer: Sehr gut!) bei 1 %. Dann müssen Sie logischerweise aber schon die Zahl der Standorte zwar nicht ganz verdreifachen – denn und über die Frage verloren, wer sich für diese Kohlesub- die Windräder werden ja ein bisschen größer, ein bisschen ventionen einsetzt, welche Milliardenbeträge bis zur Stunde leistungsfähiger –, aber jedenfalls erheblich erhöhen. Herr dafür ausgegeben werden und dass die Kohlesubventionen Kretschmann, Sie haben gestern gesagt: „Wir brauchen nach der Auffassung des Bundeswirtschaftsministers, der noch 300 zusätzliche.“ zufällig aus Nordrhein-Westfalen kommt, aufrechterhalten werden sollen. Wer Kohle subventioniert, subventioniert Verstehen Sie doch bitte einmal Folgendes: Es gibt bei der CO2-Ausstoß. Das muss man einmal ganz simpel feststel- Windkraft, bei der Biomasse und bei der Kleinen Wasser- len. kraft immer auch ökologische Einwände. (Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. (Abg. Drexler SPD: Wie bei der Kernenergie Boris Palmer GRÜNE) auch!) Drittens: Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, ha- – Bei jeder Art von Energieerzeugung, ben mit der Ökosteuer eine Chance versäumt. Da wird ein Instrument missbraucht, das den Bürger mittlerweile jedes (Abg. Drexler SPD: Eben!)

3468 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Müller) aber auch bei dieser. Deswegen kann man nicht einfach sa- Minister für Umwelt und Verkehr Müller: Ich sage Ih- gen: Ich wische diese Bedenken beiseite nen einmal Folgendes: Es fördert schon die ineffektiven Technologien, wenn die Photovoltaik mit 1 DM oder (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Hat ja auch nie- 49 Cent gefördert wird und andere Anlagen mit sehr viel mand gemacht!) weniger, und wenn beispielsweise die Große Wasserkraft, die effektiv wäre, bislang überhaupt nicht gefördert wird. und sage: Weil wir ein hehres Ziel verfolgen, spielen all diese Einwände keine Rolle. (Abg. Kretschmann GRÜNE: Da geht es um die Markteinführung! – Glocke des Präsidenten) (Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE) – Ja, Sie mögen es jetzt ja legitimieren. Aber von einer Das ist ein Abwägungsprozess, und den nehmen wir vor. Markteinführung kann man da ja nicht mehr sprechen. Es (Zuruf des Abg. Döpper CDU) ist vielmehr schlicht der Mitnahmeeffekt für die Zahnärzte und für die Kapitalanleger; das sei ihnen ja gegönnt. Was das Geld anbelangt: Herr Kollege Scheuermann und Herr Kollege Hofer haben ja schon etwas dazu gesagt. Je- (Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Lebhafte Un- der Arbeitsplatz bei der Windkraft wird mittlerweile mit ruhe) mehr Geld subventioniert als eine Arbeitskraft bei der Koh- – Ich bitte um Entschuldigung, Herr Dr. Noll. le. (Abg. Fleischer CDU: So ist es!) (Heiterkeit – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Anwesende ausgeschlossen!) Das muss man ganz einfach sehen. – Anwesende sind ausgeschlossen, okay. (Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE) – Bei der Kohle. (Glocke des Präsidenten) (Abg. Kretschmann GRÜNE: Woher haben Sie Präsident Straub: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi- diese Zahlen? Das ist doch abenteuerlich!) schenfrage des Abg. Hofer? – Herr Kretschmann, stellen Sie eine Kleine Anfrage. Dann Minister für Umwelt und Verkehr Müller: Bitte. geben wir eine Antwort darauf, kein Problem. Das kann man belegen. Präsident Straub: Bitte schön. Die Förderung für die regenerativen Energien beträgt zur- (Unruhe) zeit 2,7 Milliarden €. Nicht die Höhe halte ich für proble- Abg. Hofer FDP/DVP: Herr Minister, können Sie bestäti- matisch, sondern die Frage, ob dies effektiv oder ob es un- gen, dass bei schwächeren Anlagen, die weniger Strom pro- sinnig eingesetzt wird, ob es technologieförderlich ist oder duzieren, nach dem derzeitigen EEG die Abminderung, die ob es zu einer Mitnahmementalität führt. nach einigen Jahren stattfinden soll – also geringere Preise (Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!) –, dort um eine Zeit verlängert wird und insofern sehr wohl kleinere und schwächere Anlagen bevorzugt werden? Diese Frage stellt sich Ihnen doch selbst. Denn was tun Sie? Sie sind dabei, eine Novelle für das EEG zu machen und Minister für Umwelt und Verkehr Müller: So ist es. eine Idiotie dieses Gesetzes zu beseitigen, die heißt: Die (Abg. Kretschmann GRÜNE: Das war eine Sugges- Förderung ist desto höher, je ineffektiver etwas ist. Das ist tivfrage!) doch ein Schmarren! Herr Kollege Hofer weiß es, und deshalb stellt er eine wis- (Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es! Genau so! – Bei- sende Frage, die ich nur noch bestätigen kann. fall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten) Meine Damen und Herren, jetzt will ich Ihnen einmal das Kernproblem beschreiben, vor dem Sie hier stehen. Sie ste- Präsident Straub: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi- hen mit Ihrer Energiepolitik – Stichwort „Ausstieg aus der schenfrage des Abg. Dr. Witzel? Kernenergie“ – vor dem Einstieg in das fossile Zeitalter. Das ist Ihr eigentliches Problem. Minister für Umwelt und Verkehr Müller: Ja, bitte schön. (Abg. Kretschmann GRÜNE: Quatsch! – Abg. Knapp SPD: Was ist denn Kernenergie? Ist das Präsident Straub: Herr Dr. Witzel. nicht auch fossil? Und Uran?) Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Herr Minister, können Sie mir – Fossile Energien sind Kohle, Erdgas und Erdöl, logischer- bestätigen, dass das EEG keinerlei Aussagen über den Wir- weise. kungsgrad macht, sondern dass die Vergütung nach dem EEG nur danach erfolgt, wie viele Kilowattstunden in das Ich beziehe mich auf Minister Clement, der sagt, dass wir Netz eingespeist werden? Das bedeutet, dass jemand, der nicht aus zwei großen Energiebausteinen zur gleichen Zeit eine ineffektive Anlage ans Netz bringt, selbst den Schaden aussteigen können, nämlich aus der Kernenergie auf der ei- davon hat, weil er nur wenig Vergütung bekommt. nen und der fossilen Energie auf der anderen Seite. Er ver-

3469 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Müller) weist damit auf einen schlichten Tatbestand, nämlich da- Lassen Sie mich zu zwei oder drei anderen Punkten kurz rauf, dass die regenerativen Energien, ganz grob gesagt, in noch etwas sagen. Ich bin hier vor allem wegen des Was- der Bundesrepublik Deutschland heute 7 % ausmachen. serregimes angesprochen worden, das wir im Sommer prak- Das heißt, 93 % kommen woanders her. Wenn wir jetzt eine tiziert haben. Da wurde gesagt, das sei ein „Debakel“. Herr Verdopplung des Anteils der regenerativen Energien errei- Kollege Kretschmann, der Herr Wirtschaftsminister hat chen, dann liegen wir vielleicht zum Schluss in der Bundes- schon darauf verwiesen: Ein Debakel wäre es gewesen, republik insgesamt – – wenn wir ein Problem mit der Stromversorgung bekommen hätten. (Abg. Kretschmann GRÜNE: Wollen Sie es nun oder nicht?) Was haben wir gemacht? Wir haben uns mit der EnBW zu- sammengesetzt und haben uns angeschaut, was wir wasser- – Natürlich wollen wir es; das ist doch gar keine Frage. rechtlich und was wir atomrechtlich tun müssen. Atom- rechtlich waren wir übrigens, wenn ich das richtig sehe – (Abg. Kretschmann GRÜNE: Was soll dann Ihre ich bin mir nicht ganz sicher –, die Einzigen in der Bundes- Rede?) republik, die im Interesse einer Klärung der Frage, was un- Das ist ein energiepolitischer Konsens aller Parteien seit ter Berücksichtigung einer entsprechenden Aufwärmspanne Mitte der Neunzigerjahre. Darüber brauchen wir überhaupt möglich ist, eine Lastabfahrung vorgenommen haben. nicht zu reden. Bei den wasserrechtlichen Fragen sind wir sehr differen- Wenn wir eine Verdopplung erreichen, dann liegen wir bei ziert vorgegangen, nämlich fast von Tag zu Tag – immer den regenerativen Energien bei etwa 15 %. Das ist schon drei bis vier Tage am Stück –, und haben dann wieder ent- ein hohes Ziel. Dann müssen 85 % woanders herkommen. sprechend verlängert. Wir sind mit den entsprechenden Werten heruntergegangen und mit den Temperaturen sowie (Zurufe von den Grünen) mit den Mengen hinaufgegangen. Wir haben aber zur glei- chen Zeit gesagt: Wir beobachten permanent die Situation, Wenn ich jetzt aus der Kernenergie aussteige, muss der An- ob es einen ökologischen Schaden gibt. teil der fossilen Energieträger im gleichen Umfang steigen. Das ist genau die Politik von Clement. Sie stehen vor der Jetzt stelle ich fest: Wir haben unter Aufrechterhaltung ei- Frage: Wie gehen wir mit diesem Tatbestand um? Sie ver- ner stabilen Stromversorgung in Baden-Württemberg er- suchen zu flüchten, indem Sie Alternativen anbieten, die reicht, dass es keinen ökologischen Schaden gab. Das kann keine Alternativen sind. Da können Sie sagen: Gas. Natür- man mittlerweile nachvollziehen. Wir haben das Ding auch lich, Gas ist eine – – die ganze Zeit beobachtet. Und wir haben in dem Moment, in dem es unter dem Gesichtspunkt einer sicheren und (Abg. Boris Palmer GRÜNE: Kraft-Wärme-Kopp- preiswerten Stromversorgung nicht mehr notwendig war, lung, das ist doch alles möglich!) diese Maßnahmen auch wieder aufgehoben.

– Ja, das ist alles gut; das sind Effektivitätssteigerungen, die In der Tat kann man aus dieser Erfahrung sowohl atom- man so oder so machen kann und machen sollte. Auf jeden rechtlich als auch wasserrechtlich die Konsequenz ziehen, Fall aber ist auch Gas noch immer ein fossiler Energieträ- dass für künftige Sommer offensichtlich ein größerer Spiel- ger. Es ist übrigens teurer als Kohle. Und deswegen spricht raum vorhanden ist. Deswegen wird man das, was wir da man relativ wenig von Gas. Nehmen Sie einmal die Ausein- sozusagen als Schnellschuss gemacht haben, im Interesse andersetzungen um die GuD-Kraftwerke in Nordrhein- der Bürger Baden-Württembergs für die kommenden Jahre Westfalen und schauen Sie, wie Herr Clement dazu steht: – wie soll man sagen? – perpetuieren und auf eine neue, Er plädiert für die Kohle und gegen das Gas. dauerhafte rechtliche Grundlage stellen. (Abg. Boris Palmer GRÜNE: Heißt das, Sie wer- (Abg. Kretschmann GRÜNE: Das weiß man doch, den den Grenzwert erhöhen?) warum er das macht!) Das war ein sehr differenziertes, ein sehr sinnvolles Vorge- Das wissen Sie als Grüne, die Sie sich ja dagegen wenden, hen, das keine ökologischen Schäden zur Folge gehabt hat. sehr wohl. Das ist das eigentliche Problem. Ich sage es Ih- Ihre Darstellung, Herr Kollege Kretschmann, das sei wie nen einmal am Beispiel Baden-Württembergs: Würden wir bei einem Brand, bei dem man die Brandschutzbestimmun- die Kernkraftwerkskapazität Baden-Württembergs durch gen gerade in dem Moment abschaffte, wenn es brenne, Kohlekraftwerke ersetzen, und zwar schon durch effektive trifft nicht zu. Es hat nicht gebrannt. Ich bin froh darüber. Kohlekraftwerke, dann würde sich der CO2-Ausstoß in Ba- Es hat bei uns in Baden-Württemberg keine Versorgungs- den-Württemberg durch alle CO2-Quellen insgesamt, also probleme gegeben und auch keine ökologischen Schäden, einschließlich Verkehr und Haushalte, das heißt, nicht nur weil wir differenziert und verantwortungsvoll vorgegangen aus der Stromerzeugung, um 50 % erhöhen. Das ist das sind. Kernproblem. Das lösen Sie nicht mit ein paar Windrädle, sondern das Kernproblem besteht darin, dass Sie keine Al- (Abg. Kretschmann GRÜNE: Das war das Ver- ternativen zu dem haben, was Sie ins Werk gesetzt haben, dienst der Wetteränderung, nicht Ihres! – Gegenruf nämlich zum Ausstieg aus der Kernkraft. des Ministerpräsidenten Teufel: Da wollten Sie ab- schalten! – Abg. Scheuermann CDU: Völlig an den (Beifall bei der CDU) Realitäten vorbei!)

3470 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Müller)

– Meinetwegen übernehme ich die Verantwortung dafür, weltminister anderer Bundesländer, die CDU-regiert sind, dass ich das Böse wollte, mir dann aber das gute Wetter ge- für die Große Wasserkraft zu gewinnen? Haben Sie einen holfen hat. – Es war ganz anders. Wir haben das Ding sehr einzigen vorzuweisen, den Sie überzeugt haben? genau verfolgt. Wenn wir ökologische Schäden gehabt hät- ten, dann hätten wir auch anders entschieden. Minister für Umwelt und Verkehr Müller: Die Frage könnte ich zurückgeben: Wie ist es mit den rot-grün regier- Nächste Bemerkung: Große Wasserkraft. Da sollten wir ten Bundesländern? Wir wissen es noch nicht. Es war noch wirklich die richtigen Frontlinien ziehen. Da gibt es eine nicht im Bundesrat. Frontlinie Nord–Süd. Sie verläuft gar nicht zwischen Rot- Grün und Schwarz-Gelb, sondern zwischen Nord und Süd. (Abg. Kretschmann GRÜNE: Jedenfalls steht es im Referentenentwurf!) (Abg. Drexler SPD: Warum sagen Sie das nicht?) – Deswegen sage ich es ja. Es wird nicht einfach sein. Und man muss in diesem Fall sagen: Glücklicherweise muss der Bundesrat dem nicht zu- (Abg. Drexler SPD: Das wäre wichtig!) stimmen.

Das Problem hatten Sie bei sich. Das Problem haben wir (Abg. Drexler SPD: So ist es!) bei uns. Es liegt in Ihrer Hand. Ich kann Sie nur darin bestärken. (Abg. Drexler SPD: Wir haben es noch!) Wir ziehen da am selben Strang. Wo ist hier, bitte, das Pro- – Sie haben es noch. Ja, einverstanden. – Deswegen sollten blem? wir uns doch nicht gegenseitig aufputschen, sondern sollten sagen: Ziehen wir miteinander an dem Strang. Einverstan- Präsident Straub: Herr Drexler. den. Abg. Drexler SPD: Der Bundesrat muss zustimmen. Ich (Abg. Drexler SPD: Das ist nicht einfach! – Abg. will jetzt auch gar keine Schuldzuweisungen machen. Kretschmann GRÜNE: Ja, genau! Aber nicht nur mit Presseerklärungen, sondern auch einmal krumm Aber, Herr Minister, das große Problem in Berlin ist natür- legen dafür!) lich, dass Baden-Württemberg für die Förderung der Was- serkraft insgesamt seit 2001 keine müde Mark mehr ausgibt – Jawohl. – Herr Kollege Kretschmann, jetzt sage ich Ihnen – im Übrigen auch nicht für die Solarförderung. Unser Pro- einmal: Wir haben das Thema vor mehreren Jahren ange- blem ist gerade, dass wir vorgeworfen bekommen, es solle fangen. Da war von einer Novelle des EEG und von einer eine Lex Baden-Württemberg gemacht werden, während Bereitschaft von Ihrer Seite, darauf einzusteigen, noch gar das Land selbst nichts für die Wasserkraft tut. keine Rede. Jetzt will ich Ihren Beitrag nicht kleinreden. Wenn Sie das im und in der Bundesregierung (Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. schaffen, dann kann ich nur sagen: Danke schön! Das ist Schmiedel SPD: Nichts!– Zuruf des Abg. Pfister eine gute Leistung, und es ist eine notwendige Korrektur. FDP/DVP) (Abg. Hofer FDP/DVP: Bravo!) Das ist das Problem. Ich wollte das nur sagen. Aber tun Sie nicht so, als hätten wir dazu sowohl europä- Es ist so; darüber brauchen wir nicht zu streiten. isch als auch auf Bundesebene nicht zusammen mit „Natur- energie“ unsere Beiträge geleistet. Ich könnte Ihnen die Deswegen sind wir immer in Schwierigkeiten, wenn das Dankesbriefe und die Anerkennungsschreiben, die wir zu- Land gar nichts tut und wir in Berlin sagen: „Jetzt nehmt sammen – der Wirtschaftsminister und ich – für unsere jah- aber diesen neuen Tatbestand der Förderung auf!“ relangen Bemühungen bekommen haben, gern zur Verfü- gung stellen. Ich würde sagen: In dieser Frage sollten wir (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nicht sagen: „Das war der eine“ oder „Das war der andere“. nen) Versuchen wir es miteinander. Das Ding ist noch nicht in trockenen Tüchern. Minister für Umwelt und Verkehr Müller: Wir haben schlicht eine unterschiedliche Interessenlage in Deutsch- (Beifall bei der CDU – Abg. Alfred Winkler SPD: land. Was der Wind für den Norden, ist das Wasser für den Sie haben doch das EEG torpediert! Jetzt möchten Süden. Ja, einverstanden? Sie es ausweiten! – Glocke des Präsidenten) (Abg. Drexler SPD: Sage ich auch! Aber die tun et- Präsident Straub: Herr Minister, gestatten Sie Zwischen- was für den Wind, wir tun für Wasser nichts!) fragen der Abg. Kretschmann und Drexler? – Ich würde jetzt gerne einmal untersuchen, was das Land Minister für Umwelt und Verkehr Müller: Ja, bitte. Schleswig-Holstein über das EEG hinaus für den Wind tut. Präsident Straub: Bitte schön, Herr Kretschmann. Die machen vielleicht Wind – das mag sein –, aber ich weiß nicht, ob sie dafür wirklich Geld ausgeben. Abg. Kretschmann GRÜNE: Herr Minister, ist es Ihnen gelungen, wenigstens einen Ministerpräsidenten oder Um- Ziehen wir in dieser Frage an einem Strang!

3471 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Müller)

Im Übrigen, meine Damen und Herren, verbreitern wir um – Jawohl, völlig richtig, weil es ein gutes Wasserjahr war. Gottes willen das Instrumentarium der Energiepolitik und Deswegen setzen wir auf die Wasserkraft. der Klimaschutzpolitik um diese Maßnahmen, und reduzie- ren wir dieses Thema nicht auf ein paar Teilaspekte der re- (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei generativen Energien! Der Kollege Knapp hat ja auf die den Grünen) richtigen Größenordnungen verwiesen. Schon bei den rege- Das ist völlig richtig. Ja, so ist es. Herr Witzel, dies zeigt nerativen Energien ist es so: Die Große Wasserkraft kann in den Stellenwert dieser Technologie. Es kann in einem ande- Baden-Württemberg ungefähr 1 % der Stromerzeugung ren Jahr auch wieder weniger sein. Aber die Vorstellung, bringen, Biomasse kann 1,3 % bringen, dass wir in Baden-Württemberg weit jenseits der Realisier- (Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig!) barkeit dieses Zieles wären, stimmt nicht. Wenn wir im Jahr 2001 schon die Hälfte der Wegstrecke – zugegeben, in ei- alles, was danach kommt – beispielsweise Geothermie –, nem besonders günstigen Jahr – bewältigt haben, die wir bis kann langfristig 2 % bringen. Das ist ungefähr das tech- zum Jahr 2010 zurückgelegt haben wollen, dann ist das kein nisch-wirtschaftliche Potenzial, das man mit mehr oder we- irreales Ziel. Aber das zeigt zu gleicher Zeit, wo man anset- niger Geld holen kann – mit mehr Geld schneller, mit weni- zen muss: Das ist bei der Wasserkraft. ger Geld langsamer. Und im Wesentlichen findet die Förde- rung über das EEG statt. Einverstanden? Das sind die Spiel- Jetzt kommt noch die Frage des Kollegen Schmiedel. Bitte räume, die wir tatsächlich haben. schön. Aber daneben gibt es andere Instrumente, ob das die For- Abg. Schmiedel SPD: Herr Minister, ist Ihnen aufgefallen, schung ist, ob das die neuen Technologien – sprich Brenn- dass in Ihren energiewirtschaftlichen Szenarien das Thema stoffzelle – sind, ob das die Kraft-Wärme-Kopplung ist, ob „effizientere Energienutzung“ überhaupt nicht vorkommt? das das Energiesparen ist, ob das die Erhöhung der Effizi- Sehen Sie es nicht als ein wichtiges Feld der Energiepolitik enz bei vorhandenen Kraftwerken ist, an, durch effizientere Energienutzung zur Energieeinspa- rung zu kommen? Und wenn Sie das sehen, wie hoch schät- (Abg. Hofer FDP/DVP: Ja!) zen Sie denn die Potenziale ein, und vor allem, was tun Sie denn dafür? die mehr bewegen als diese 2,5 bis 3,5 %, von denen ich gerade gesprochen habe. Das ist das eigentliche Spektrum. (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Oder nehmen Sie den Zertifikatehandel – ein Thema, bei Minister für Umwelt und Verkehr Müller: Das kann ich dem wir in der politischen Diskussion in der Bundesrepu- Ihnen ganz genau sagen. Ich stimme Ihnen völlig zu: Das ist blik Deutschland bis zum heutigen Tag führend sind. So bin ein wichtiger Punkt, der übrigens nicht nur für den Strom, ich übrigens auch bei der Förderung regenerativer Energien sondern auch für die Wärme und genauso gut für die Bewe- für ein Quotenhandelsmodell. Es geht nicht nur um ein paar gung – also sprich Verkehr – gilt: Wo kann ich effektiver Windräder, es geht nicht nur um ein paar Euro im Landes- etwas machen? haushalt, sondern es geht um die richtige Ordnungspolitik und um eine ideologiefreie, breit angelegte Verbesserung Ich sage Ihnen einfach einmal, was wir in unserem Ministe- der Situation. rium getan haben. Unser Programm „Klimaschutz-Plus“ setzt genau daran an. Das verteidigen wir auch finanziell Lassen Sie mich zum Schluss ganz einfach noch Folgendes gegen alle Sparmaßnahmen. Wir werden das mit großer sagen: Wie schaut denn die Situation hinsichtlich der rege- Wahrscheinlichkeit auch im nächsten Jahr, in dem wir im nerativen Energien in Baden-Württemberg aus? Landeshaushalt 1 Milliarde € einsparen, unverändert bei- behalten. Größenordnung: 9 Millionen €. Was machen wir? (Zurufe: Gut!) Wir sagen: Wir fördern jede eingesparte Tonne CO2, ganz Wir hatten im Jahr 1998 – das ist das Basisjahr für die Ver- egal, wo sie herkommt, und erreichen damit eine um das dopplung – einen Anteil der regenerativen Energien von Mehrfache höhere Effektivität pro Euro im Verhältnis 5,6 %. Demgemäß beträgt unser Ziel für das Jahr 2010 zu eingesparter Tonne CO2, als es beispielsweise beim 11 % – Pi mal Daumen. 100 000-Dächer-Programm der Fall war. Das ist unsere ra- tionale effektive Energiepolitik. (Glocke des Präsidenten) Jetzt können Sie sagen, 9 Millionen € seien zu wenig. Ein- Präsident Straub: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi- verstanden. Ich hätte auch gern mehr. Das ist die einzige schenfrage des Herrn Abg. Schmiedel? Kritik, die ich akzeptieren würde. Die Instrumentarien stim- men. Von diesen Instrumentarien könnte sich Rot-Grün eine Minister für Umwelt und Verkehr Müller: Ich will das Scheibe abschneiden. nur schnell zu Ende führen. Vielen Dank. Unser Ziel sind 11 %. Im Jahr 2001 hatten wir 8,5 %. Also, ganz so katastrophal ist es nicht. (Beifall bei der CDU – Oh-Rufe von der SPD) (Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Weil es ein gutes Was- Präsident Straub: Meine Damen und Herren, weitere serjahr war! – Abg. Knapp SPD: 46 % mehr Was- Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Punkt 1 der Tages- serkraft!) ordnung ist damit erledigt.

3472 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Präsident Straub)

Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung: Zweiter Bereich: die Sicherung bestehender Arbeitsplätze. Das war ein großes Thema. Herr Oettinger hat damals in Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des der Debatte gesagt, für die CDU komme es gar nicht auf Finanzministeriums – Zusagen der EdF beim Kauf der den Kaufpreis an, sondern viel wichtiger sei die Sicherung Landesanteile an der EnBW – Drucksache 13/2390 der bestehenden Arbeitsplätze. Herr Pfister brachte genau Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die das gleiche Argument, indem er gesagt hat: starker EdF- Begründung fünf Minuten, für die Aussprache zehn Minu- Partner. Damit, nicht nur mit dem Kaufpreis, hat man die ten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten. Wünsche der CDU-Fraktion in Bezug auf eine baden-würt- tembergisch/bayerische Lösung und der SPD-Fraktion in Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler. Bezug auf eine Lösung mit RWE und EnBW praktisch aus- Abg. Drexler SPD: Herr Präsident, liebe Kolleginnen und gehebelt und ist dann zur EdF gekommen. Kollegen! In der Sommerpause hat ja in Baden-Württem- Wie sieht die Situation jetzt aus? berg ein bemerkenswertes Stück Landespolitik stattgefun- den. Gerhard Goll, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Ach ja, ich vergesse noch: Es war, glaube ich, die CDU- EnBW, hat der EdF in einem Zeitungsinterview Wortbruch Fraktion, die erreicht hat, dass es einen Aufsichtsratssitz für vorgeworfen. Er beklagte öffentlich, dass die derzeitige un- das Land gab. Das ist ein Novum, muss man sagen: Das ternehmerische Schieflage der Energie Baden-Württem- Land hat keine Anteile mehr, es wurde aber ein Aufsichts- berg AG dadurch zustande gekommen sei, dass die EdF ei- ratssitz für das Land geschaffen, den Herr Stratthaus wahr- ne versprochene und dringend benötigte Kapitalerhöhung genommen hat. Warum? Damit er partnerschaftlich natür- bei der EnBW nicht geleistet habe. Diese Zusage einer Ka- lich auch die Erfüllung des Kaufvertrags begleitet. Das ist pitalhilfe sei Teil der Absprache mit der EdF beim Kauf der die Ausgangslage. Landesanteile an der EnBW gewesen. Im Übrigen will ich auch noch sagen: Die Kaufverträge Die Kritik von Goll ist deswegen bemerkenswert, weil er ja sind uns in einer Sitzung des Finanzausschusses vorgelegt mit dem Herrn Ministerpräsidenten auf Teufel komm raus worden. Es gab keinerlei Möglichkeit, diesen Gesamtkom- gegen starke Widerstände in der CDU- und in der SPD- plex richtig zu prüfen. Deswegen haben wir – die Aus- Fraktion diesen EdF-Deal durchgesetzt hat. Der heutige schussmitglieder der Grünen und der SPD – damals die Fi- Vorstandsvorsitzende Claassen hat dagegen bekundet, dass nanzausschusssitzung verlassen. Unsere nachträgliche Kri- es keine solche Abmachungen, Absprachen und Verhand- tik an diesem Geheimverfahren, Herr Ministerpräsident, lungen gegeben habe. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats zeigt, dass dies richtig war. Unser Misstrauen ist bestätigt. der EnBW, der Landrat des Alb-Donau-Kreises, Schürle, Denn die vollmundigen Versprechungen des Ministerpräsi- hat die Auffassung von Gerhard Goll bestätigt und damit denten sind ja nicht eingehalten worden. die Vorwürfe gegen die EdF bekräftigt. Dagegen hat der Ministerpräsident, der eigentlich als Verkäufer auftrat, Welche Situation haben wir jetzt? Gestern wurde bekannt, schließlich behauptet, die EdF habe alle beim Kauf der dass 3 700 Arbeitsplätze im Kerngeschäft der EnBW, das EnBW-Anteile eingegangenen vertraglichen Verpflichtun- sind 30 %, gefährdet sind und, auch durch betriebsbedingte gen eingehalten. Kündigungen, wohl abgebaut werden. Wo ist da die Siche- rung der Arbeitsplätze gewesen? (Abg. Schmiedel SPD: Was gilt jetzt? Das passt ja nicht!) (Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf von Also irgendetwas stimmt nicht; denn, meine sehr verehrten der SPD: Unglaublich!) Damen und Herren, bei den damaligen Debatten im Land- tag – es gab in dieser Hinsicht zwei große Debatten – hat Weshalb? Jetzt kommts: Weil die EdF kein Kapital zuge- der Ministerpräsident auf Druck des Parlaments und natür- führt hat. lich auch der CDU-Fraktion nicht mehr den Kaufpreis in Jetzt sage ich Ihnen einmal, was Herr Goll in dem Interview den Vordergrund gerückt, sondern gesagt, neben dem Kauf- geäußert hat. Er hat gesagt: preis seien noch andere Dinge wichtig, die er mit der EdF erreichen werde. So sagte er: Im Klartext: Es gab die Zusage der EdF an uns, finan- ziell zu unterstützen, wenn es notwendig ist. Das ist Der neue Partner EdF muss die EnBW bei industriel- auch dokumentiert. len Beteiligungen, bei Forschung und Entwicklung und bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder zur Stär- Ich frage mich: Wo ist das Dokument? Der Herr Finanz- kung des Industriestandorts Baden-Württemberg und minister hat offensichtlich keines. Herr Claassen hat auch zur Schaffung möglicher Arbeitsplätze unterstützen. keines. Dieser Grundsatz wurde vom Landtag auf Antrag der CDU Auf die Nachfrage „Was ist passiert?“ sagt Herr Goll: und der FDP/DVP beschlossen und ging dann auch in die- ser Art und Weise in den Kaufvertrag ein. Nun frage ich Nichts. Obwohl uns der damalige Vizepräsident der mich: Wenn das im Kaufvertrag steht, warum sagt dann der EdF, Herr Capéran, sagte, dass seinem Unternehmen Herr Ministerpräsident, dass die EdF, die beim Kauf von bis 2004 ein zweistelliger Milliardenbetrag für Zukäufe weiteren Geschäftsanteilen der EnBW keinen müden Euro zur Verfügung stehe. Aus diesem Topf könne auch die zusätzlich zugebuttert hat, alles erfüllt habe? Diesen Kauf- EnBW die Gelder bekommen, die sie benötigt. Bis heu- vertragszusatz hat sie offensichtlich nicht erfüllt. te hat die EnBW von der EdF keinen Cent erhalten.

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Interviewer: öffentlichen Aussagen von Herrn Goll. In diesem Zu- sammenhang hat der Herr Finanzminister ausdrück- Es wäre Ihr Job gewesen, die zugesagten Gelder einzu- lich betont, dass dem Land keine derartigen Zusagen fordern. bekannt sind. Goll: (Unruhe bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Jes- Wir haben uns seit 2000 darum bemüht. Wir sind im- ses! Was macht der im Aufsichtsrat?) mer wieder vertröstet worden. . . . Wir haben entspre- chende Finanzmittel in die mittelfristigen Pläne der Wenn Sie in drei Jahren nicht dafür gesorgt haben, dass ein EnBW eingestellt, und in Erwartung einer genehmigten Teil des Kaufvertrags, der eine Bedingung dafür war, dass Kapitalerhöhung haben wir den Kapitalmarkt davon wir an die EdF verkauft haben, um Arbeitsplätze zu sichern überzeugen können, dass wir solide finanziert sind. . . . und weitere Geschäftsfelder zu kaufen, erfüllt wurde, und wenn es Ihre einzige Aufgabe war, zu sagen: „Herr Goll hat Interviewer: nach meiner Meinung Recht“, ohne dass Sie etwas dafür ge- tan haben, dann sind Sie in diesem Aufsichtsrat falsch ge- Wenn Sie sich nicht durchsetzen konnten, wäre es nur wesen, Herr Stratthaus, dann haben Sie Ihre Aufgabe nicht konsequent gewesen, zurückzutreten. wahrgenommen. Goll: (Beifall bei der SPD und den Grünen) Ich werfe mir in der Tat vor, dass ich damals nicht zu- rückgetreten bin. Also, Herr Ministerpräsident, entweder Sie erklären jetzt: „Das war damals alles nicht so gemeint“, dann haben Sie So lautet die Aussage von Herrn Goll. die Mehrheit des Landtags wirklich getäuscht, oder Sie ha- ben etwas in den Vertrag aufgenommen, das Sie nicht Also, Herr Ministerpräsident: Entweder Sie haben damals durchgesetzt haben. dem Parlament etwas erzählt, was nicht stimmt, nämlich dass sich die EdF an weiteren Zukäufen und an der Siche- (Abg. Schmiedel SPD: Dann muss er zurücktre- rung beteilige. Dann haben Sie der Öffentlichkeit die Un- ten!) wahrheit gesagt. Oder Sie haben etwas in den Kaufvertrag hineingeschrieben – wenn es so drinsteht –, das die EdF Dann müssen Sie das auch erklären. jetzt nicht erfüllt. Dann frage ich mich: Im Übrigen: Die kleinen Leute in Baden-Württemberg zah- (Abg. Schmiedel SPD: Was macht Stratthaus?) len jetzt über eine Strompreiserhöhung Ihren verkorksten EdF-Deal. Warum wird das nicht erfüllt? Sie waren doch der Verkäu- fer. Und warum versuchte Herr Stratthaus als Aufsichtsrats- (Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. vorsitzender Caroli SPD: Die zahlen die Zeche! – Widerspruch bei der CDU) (Minister Dr. Christoph Palmer: Ist er doch gar nicht!) – Natürlich. Die Schieflage ist laut Herrn Goll entstanden, weil nicht nachgeschossen wurde. Sie haben im Grunde ge- – was ist er? nommen im Kaufvertrag eine Nachschusspflicht festgelegt. (Minister Dr. Christoph Palmer: Aufsichtsrat!) Deswegen haben Sie auch die Zustimmung des Landtags bekommen. Weil kein Nachschuss von der EdF gekommen Aufsichtsrat; Entschuldigung, ich habe ihn befördert –, als ist, ist die Schieflage entstanden. Deswegen hat Herr Goll Aufsichtsrat nicht, die Erfüllung des Kaufvertrags durchzu- gesagt, dafür sei die EdF verantwortlich. Die kleinen Leute setzen? Herr Stratthaus, warum haben Sie das nicht ge- in Baden-Württemberg zahlen also den verkorksten Deal. macht? Wir fordern Sie auf, jetzt endlich dafür zu sorgen, dass die- ser Kaufvertrag auch erfüllt wird. (Abg. Schmiedel SPD: Wozu sitzt er da drin? – Abg. Dr. Caroli SPD: Der sitzt doch da drin! Wa- Oder aber die Auskunft über den Kaufvertrag ist falsch und rum macht er nichts?) er ist im Grunde genommen mit anderem Inhalt abgeschlos- sen worden. Herr Goll war wohl der Einzige, der versucht hat, den Kaufvertrag in diesem Bereich umzusetzen. Und warum hat (Zuruf des Abg. Oettinger CDU) hier die Regierung nichts gemacht, Herr Ministerpräsident? Jetzt kommts: Auf unsere Frage, aufgrund welcher Sachver- Deswegen fordern wir Sie auf, alle Unterlagen, den Kauf- halte der Finanzminister des Landes davon ausgehe, dass es vertrag – Sie lehnen das ja ab – und alle Nebenabsprachen, mündliche Zusagen der EdF für finanzielle Leistungen an dem Parlament vorzulegen. Es ist eigentlich üblich, wenn die EnBW gegeben habe, hat der Herr Finanzminister ge- man einen solchen verkorksten Deal gemacht hat, das Par- antwortet – das muss man sich auf der Zunge zergehen las- lament zumindest anschließend darüber aufzuklären, was sen –: Sie hier angezettelt haben. Die Äußerung vom Herrn Finanzminister, er gehe da- (Beifall bei der SPD und den Grünen) von aus, es gebe mündliche Zusagen der EdF gegen- über der EnBW, ist eine persönliche Einschätzung der Präsident Straub: Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kurz.

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Abg. Kurz CDU: Herr Präsident, meine verehrten Kolle- Der Einstieg der EdF zu Beginn der Liberalisierung des ginnen und Kollegen! Herr Drexler, jetzt haben Sie aber ei- Strommarkts war durchaus sinnvoll. Mit 4 % Marktanteil nen mächtigen Popanz aufgebaut. wäre dieser veränderte und härtere Wettbewerb im europäi- schen Raum in einem liberalisierten Markt nicht zu beste- (Zuruf des Abg. Teßmer SPD) hen gewesen. Für uns ergibt sich, weil wir die Vertrags- inhalte kennen, dass die Vereinbarungen von allen Seiten Wenn Sie dann auch noch behaupten, dass der kleine pünktlich eingehalten wurden. Strombezieher nun allein aufgrund dieser Fusion einen hö- heren Preis bezahlen müsse, (Abg. Drexler SPD: Wo ist denn die Unterstüt- zung? Was kann dann der Herr Goll behaupten? – (Abg. Drexler SPD: Weil nicht nachgeschossen Abg. Stickelberger SPD: Lügt Herr Goll?) worden ist!) Jetzt möchte ich einfach noch ein paar positive Dinge an- dann ist das weit, weit hergeholt. Gehen Sie einmal an eine führen. Die EnBW als baden-württembergisches Unterneh- Universität, an eine Hochschule, und lassen Sie sich beleh- men blieb eigenständig und konzernunabhängig. Im Gegen- ren, wie sich Preise im Wettbewerb bilden. Der Markt be- satz zu anderen Energieversorgungsunternehmen in stimmt den Preis. Deutschland konnte die EnBW durch diese Fusion ihre ei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei genständige Bedeutung festigen und auch weiter ausbauen. Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Drexler SPD) (Abg. Drexler SPD: Dafür muss die EnBW jetzt 3 700 Leute entlassen! – Zuruf des Abg. Stickel- Nach Ihren Darlegungen muss ich annehmen, dass Sie wirk- berger SPD) lich nach einem Thema zum Füllen des Sommerlochs ge- sucht haben. Die EnBW ist nicht zur Filiale eines Unternehmens, etwa von RWE oder Ruhrgas, verkümmert. Für die Infrastruktur (Abg. Drexler SPD: Haben Sie den Kaufvertrag ge- und die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ist die sehen oder nicht?) EnBW nach wie vor von elementarer Bedeutung. – Wir haben den Kaufvertrag im Finanzausschuss gesehen, und Sie hätten den Kaufvertrag ebenfalls einsehen können. Durch die Einbindung der NWS und der GVS konnten die eigenen Interessen und die Energieinteressen des Landes (Abg. Drexler SPD: Ein so dickes Papier! Neben- gebündelt und als starke Arme im Wettbewerb ausgebaut her!) werden. In Kooperation mit der EdF war es der EnBW möglich, Partnerschaften in osteuropäischen Staaten und in – Dann hätten Sie den Minister in der Sitzung bitten müs- Spanien einzugehen. Der Stromabsatz an international täti- sen, Ihnen den Vertrag noch einmal zur Verfügung zu stel- ge Unternehmen stieg seit der Fusion deutlich an. len. Dies alles sind Pluspunkte, die ohne eine Fusion nicht mög- (Abg. Kretschmann GRÜNE: Das hat er aber nicht lich gewesen wären. Ohne die positiven Wirkungen dieser gemacht! – Abg. Drexler SPD: Was gibt es denn zu Fusion hätte sicherlich auch Herr Kollege Maurer – wenn verbergen? – Zuruf des Abg. Stickelberger SPD) ich ihn zitieren darf – Recht bekommen. Er hat hier als Ant- Lesen Sie ihn, wenn er vorgelegt wird. Hinterher – – wort auf die Regierungserklärung am 25. November 1999 die Vermutung geäußert, dass bei den neuen, offenen Märk- (Abg. Drexler SPD: Was haben Sie denn zu verber- ten die Musik künftig in München spielen würde. Nun, wir gen?) hören gerne Musik aus München, aber wir blasen die erste Fanfare der Energiepolitik auch gerne hier in Baden-Würt- – Sie wollen doch nur weiterführen, was Sie jetzt als Po- temberg. Die praktische Politik der CDU-FDP/DVP-Koali- panz aufgebaut haben, und Verunsicherung – – tion lässt die Energieorchester nach wie vor in Karlsruhe und Stuttgart spielen. (Abg. Drexler SPD: 3 700 Arbeitsplätze sind kein Popanz!) Der Firmensitz mit dem überwiegenden Teil der Wert- schöpfung blieb im Lande. Die Erzeugeranlagen und die – Ich komme in meinen Darstellungen noch darauf zurück. Kraftwerke blieben produktiv. Jetzt eine wichtige Antwort: Jetzt möchte ich einmal ganz klar festhalten: Der Verkauf Kein einziger Arbeitsplatz ging fusionsbedingt verloren. der Anteile des Landes an der Energie Baden-Württem- (Zuruf des Abg. Stickelberger SPD – Abg. Drexler berg AG erfolgte zum richtigen Zeitpunkt, und es wurde für SPD: Dann geht er halt jetzt verloren! Das hat doch das Land Baden-Württemberg der höchstmögliche Nutzen niemand behauptet! 30 %! – Abg. Capezzuto SPD: erzielt. Keine Zeitung gelesen!) (Abg. Drexler SPD: Ja, 3 700 Arbeitsplätze weni- Durch den Konsortialvertrag zwischen OEW und EdF ist ger!) die paritätische Beteiligung der beiden Gruppen sicherge- Zu keinem späteren Zeitpunkt hätte das Land diesen Ertrag stellt. Wenn mit dem Vorstand der EdF irgendeine mündli- bekommen. che Vereinbarung getroffen worden wäre, so beträfe diese allenfalls das Innenverhältnis von EdF und EnBW, aber (Zuruf des Abg. Teßmer SPD) keinesfalls das Land Baden-Württemberg. Auf jeden Fall

3475 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Kurz) kann eine solche Vermutung nicht Anlass für eine solche Sie fragen: „Warum ist es so gekommen?“ Warten Sie doch Debatte hier im Landtag sein, denn EnBW ist ein privates einmal, bis die Landesregierung geantwortet hat. Dann wer- Unternehmen. den Sie sehen, dass all das, was Sie hier aufgebaut haben, wie eine Seifenblase zerplatzen wird. (Abg. Schmiedel SPD: Herr Teufel hat aber nicht vom Innenverhältnis gesprochen!) (Abg. Drexler SPD: Herr Goll hat das ja wohl deut- lich gesagt! Sie kennen doch den Herrn Goll! – Die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme sind in wesentli- Abg. Schmiedel SPD: Staatsrat Goll!) chem Umfang marktbedingt, wobei allerdings nicht zu leug- nen ist, dass das Unternehmen auch durch die Expansion in Die wesentlichen Probleme liegen im schwierigen Markt- fremde Felder, in fremde Gebiete einen horrenden Ab- umfeld begründet. Für die hohen Belastungen durch Steu- schreibungsbedarf erwirtschaftet hat. Dies aber ist Ge- ern und die energiepolitischen Rahmenbedingungen trägt schäftspolitik eines privaten Unternehmens. Der Landtag die Bundesregierung die volle Verantwortung. sollte sich an die Spielregeln halten und sich nicht dort ein- mischen, wo er nicht zuständig ist und nicht die notwendige (Widerspruch bei der SPD) Kompetenz aufweist. – Ja, natürlich. (Abg. Drexler SPD: Wir sind Verkäufer, die den (Abg. Drexler SPD: Herr Schröder hat den Kauf- Vertrag machen! – Abg. Schmiedel SPD: Aber vertrag gemacht? Jetzt hören Sie doch auf! Es wird Herr Stratthaus war doch im Aufsichtsrat!) ja immer peinlicher!) Den künftigen Markterfordernissen – darum geht es jetzt in Vorher haben wir es doch in der Debatte gehört: Es geht um der Debatte hier – wird das Unternehmen mit einer Eigen- die Ökosteuer und um das Gesetz über den Vorrang er- kapitalausstattung von 6 % nur schwer gerecht. neuerbarer Energien. (Abg. Drexler SPD: Ja, richtig!) (Abg. Drexler SPD: Es wird peinlich! Es wird im- Es liegt im landespolitischen Interesse, dass das Unterneh- mer peinlicher!) men den eigenen Börsenwert so rasch wie möglich steigert Hätten Sie vorhin aufgepasst, dann hätten Sie gesehen, dass und auch das Rating verbessert, um über den Kapitalmarkt dort nicht alles so effizient verläuft, wie Sie sich das vor- Liquidität zu schöpfen. stellen. (Abg. Drexler SPD: Es gab doch eine Zusage, Mit- (Beifall bei Abgeordneten der CDU) tel zu geben!) Es geht um das Gesetz über die Kraft-Wärme-Kopplung Die Frage sei aber erlaubt, ob sich die heutige Diskussion und natürlich auch um die Kapazitätsverringerungen durch hier als zielgerichtet erweisen wird. den Konsens, der ja mehr oder weniger bei der Kernenergie (Abg. Drexler SPD: Da kommt ja nichts!) erzwungen wurde. Der Vorstandsvorsitzende Utz Claassen sprach in einer Aus den Positionen, die ich jetzt aufgezählt habe, resultie- Presseerklärung von einem „Ergebnisloch 2003“, das so ren gesetzlich bestimmte Kosten inklusive der Umsatzsteu- schnell wie möglich durch eine deutlich verbesserte operati- er mit nahezu 40 % des Strompreises. ve Leistungsfähigkeit auszufüllen sei. (Abg. Drexler SPD: Das sagt Herr Goll nicht!) (Abg. Drexler SPD: 1,3 Milliarden € bei 5,8 Milli- Die Stromzahler finanzieren also 40 % der Kosten dieser arden € Umsatz!) gesetzlichen Maßnahmen. Da wird man doch die Frage stel- len dürfen: Sind diese Einzelmaßnahmen alle effizient? Das ist sicherlich kein leichtes Unterfangen. (Abg. Drexler SPD: Warum ist das eingetreten? (Abg. Drexler SPD: Gehen Sie doch mal auf Ihren Warum ist es gekommen?) Kaufvertrag ein!)

Er hat die schwierige Phase noch vor sich. Claassen kämpft Das Marktumfeld ist schwierig. Die Liberalisierung des an mehreren Fronten. Das Unternehmen wird diese schwie- Strommarkts wird zudem durch die Durchleitungskosten rige Situation sicherlich meistern. Davon sind wir über- beeinträchtigt. Diese machen immerhin auch 40 % der Ge- zeugt. samtkosten, der Gestehungskosten aus. Das macht es schwierig für neue Stromanbieter wie Yello, aber auch für (Abg. Drexler SPD: Das ist doch kein Schicksal!) die EnBW selbst, wenn sie an Kunden in anderen Bundes- ländern liefern. Wir sollten ihn dabei unterstützen und nicht durch unsach- gemäße Debatten auch noch das Unternehmen ins Gerede Die wesentlichen Ursachen für die Preis- und Marktent- bringen. wicklung liegen also weder bei der EdF – auch nicht in dem Vertrag – noch bei der EnBW. Hier muss die Bundesregie- (Abg. Drexler SPD: Sie haben doch einen Kaufver- rung dafür sorgen, dass die Regelungen über den Transport trag gemacht, in dem das drinsteht!) von Strom und die Regelungen im Wettbewerb stimmen.

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Jetzt komme ich noch zum Problem des Personalabbaus. (Abg. Drexler SPD: Zuerst muss ich wissen, was Das bedrückt uns alle. Die Presse ist ja auch heute voll von drinsteht!) diesem Thema. Aber um die Wettbewerbsfähigkeit in ei- nem schwierigen Marktumfeld zu erhalten und um die Kon- – Also, Herr Drexler, so hilflos sollten Sie sich nicht geben. solidierung des Unternehmens voranzubringen, erwägt nun (Abg. Drexler SPD: Es geht um Rechte!) einmal der Vorstand eine Reduzierung des Personals im Kernbereich. Es handelt sich um 3 700 Stellen, wie ich heu- Hier treten Sie doch wirklich als ein sprachgewandter Dis- te lese. kutant auf, und deshalb hätten Sie sicherlich auch im Fi- nanzausschuss so auftreten und sagen können: „Ich weiß (Abg. Drexler SPD: 30 %!) nichts; helft mir.“ Dann wäre Ihnen geholfen worden. Jeder dritte Arbeitsplatz ist betroffen. Das ist eine sehr (Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. schmerzliche und einschneidende Entwicklung, die wir na- Drexler SPD: Aber Sie wissen auch nichts, und Ih- türlich ebenso bedauern wie Sie. Aber es ist zunächst ein- nen wird auch nicht geholfen!) mal eine betriebsinterne Entscheidung, und kein Unterneh- men kann sich lange gegen die Marktentwicklung stellen; Aber jetzt ist die Zeit verstrichen. Sie wollen doch nur eine absurde Diskussion fortsetzen, die im Interesse des Unter- (Zuruf des Abg. Drexler SPD) nehmens und auch im Interesse unseres Landes so rasch wie wenn es die eigenen Strukturen nicht anpasst, dann geht das möglich beendet werden muss. Unternehmen in die Insolvenz. Deshalb muss diese schwie- (Abg. Pfister FDP/DVP: Absurdes Theater! – Abg. rige Situation, in der sich das Unternehmen befindet, ge- Drexler SPD: Zuerst versaubeutelt ihr es, und dann meistert werden. EnBW muss sich am Markt neu positio- wollt ihr nicht diskutieren!) nieren. – Wir haben gar nichts versaubeutelt. Sie haben nicht auf- Wie in jedem mitbestimmten Unternehmen müssen aber gepasst. solche Maßnahmen zunächst zwischen Betriebsrat und Be- triebsleitung besprochen werden. Eine Entscheidung ist bis- (Heiterkeit) her noch nicht gefallen. Nur daran liegt es. Wenn Sie gewollt hätten, hätten Sie die (Zuruf des Abg. Gall SPD) Informationen bekommen. Wir sehen natürlich auch in anderen Bereichen Beispiele. (Abg. Drexler SPD: Nein! Fragen Sie die Kolle- Überall dort, wo es Fusionen gegeben hat, gab es im Zu- gen! – Weitere Zurufe) sammenhang mit der Fusion umgehend Einbrüche bei den Arbeitsplätzen. Nehmen Sie einmal die Beteiligung von – Der Vorgang gehört nicht in die parlamentarische Bera- Vattenfall am Berliner Energieversorgungsunternehmen Be- tung. wag. (Abg. Drexler SPD: Wir wollten die Verträge, ha- (Zuruf des Abg. Drexler SPD) ben sie aber nicht bekommen!) 4 000 Stellen sind dort abgebaut worden. Beim Zusammen- – Bleiben Sie bei Ihrer Auffassung, und warten Sie, bis die gehen von RWE und VEW und nach der Fusion von Veba Landesregierung antwortet. und Viag zu Eon gab es ähnliche Konsequenzen. (Abg. Drexler SPD: Ja!) Nun zu Ihrem Antrag: Ihr Antrag enthält ja mit Abschnitt II einen Beschlussteil. Sie begehren, Dann werden Sie eines Besseren belehrt sein. den mit der EdF geschlossenen Kaufvertrag für die da- (Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser maligen EnBW-Anteile des Landes einschließlich even- FDP/DVP) tueller Nebenabsprachen und zusätzlicher Vereinba- Präsident Straub: Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfister. rungen dem Landtag vorzulegen. Abg. Pfister FDP/DVP: Herr Präsident, meine sehr verehr- Meine Damen und Herren, wir können diesem Ansinnen ten Damen und Herren! Ich streite gern mit Ihnen über die nicht folgen. Es sprechen vertragliche Vereinbarungen da- Frage, ob es richtig war, vor einigen Jahren den Anteil des gegen. Landes an der EnBW zu verkaufen. Darüber kann man (Lachen des Abg. Drexler SPD) streiten. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass – jedenfalls aus ordnungspolitischer Sicht – im Haus große Überein- Sie hatten im Finanzausschuss die Möglichkeit, sich umfas- stimmung darüber bestanden hat, dass man das kann, send zu informieren. (Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE) (Abg. Drexler SPD: Das stimmt doch nicht! Das war nicht umfassend!) unabhängig von den Konditionen. Man hat dann darüber gestritten, ob unbedingt an die EdF verkauft werden muss Sie hätten auch nachfragen können. Sie hatten ein Frage- oder die Anteile auch an RWE verkauft werden können, recht. man hat dann darüber gestritten, ob der Erlös aus dem Ver-

3477 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Pfister) kauf in eine Landesstiftung einfließen soll. Das alles will Dem gesamten Landtag konnte er aus einem einzigen ich zugeben. Mir geht es nur darum, dass im Grunde bei al- Grund nicht vorgelegt werden, nämlich wegen der Ver- len Fraktionen des Hauses die Meinung bestanden hat, es schwiegenheitspflicht und wegen der Vertraulichkeit, die sei aus ordnungspolitischen Gründen in Ordnung, die An- gewahrt werden muss. teile des Landes Baden-Württemberg zu verkaufen. Das (Abg. Drexler SPD: Dann kann man ihn jetzt vorle- muss man wissen, wenn man der Frage nachgeht, wie die gen!) Geschäftspolitik der EnBW in der Vergangenheit zu bewer- ten ist. Was damals gegolten hat, gilt selbstverständlich auch heute noch. Wir haben uns klar darauf geeinigt, dass der Finanz- Wenn man schon Ja dazu sagt, dass die Anteile des Landes ausschuss die Papiere bekommen muss, weil er einen Zu- verkauft werden, dann muss man natürlich auch die Konse- stimmungsvorbehalt hat. Er hat sie auch bekommen. Aber quenz akzeptieren, die lautet: Wir haben keine Anteile mehr der Landtag kann sie nicht bekommen. Sie können von der an der EnBW, also steht zunächst einmal die Geschäftspoli- Landesregierung auch heute nicht erwarten, dass sie die tik der EnBW und nicht der Einfluss des Landes Baden- Verschwiegenheitspflicht und die Vertraulichkeit des Ver- Württemberg zur Debatte. Auch das muss man zunächst trags verletzt. einmal festhalten. Aber darum geht es in dieser Debatte nicht, und darum geht es auch in dem Antrag nicht. Ich will ein zweites Beispiel nennen. Unter Abschnitt I Zif- fer 5 Ihres Antrags wird die Frage gestellt – Herr Drexler, Herr Kollege Drexler, Sie versuchen, mit Ihrem Berichtsan- Sie haben das angesprochen –, in welcher Form eine Aussa- trag und dem Forderungsteil den Eindruck zu erwecken, als ge des Ministerpräsidenten in der Regierungserklärung zu habe die Landesregierung in der Vergangenheit gegenüber Unterstützungsmaßnahmen Bestandteil des Kaufvertrags dem Parlament etwas verheimlicht, etwas vertuscht oder et- geworden ist. was unterlassen. Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Warum stel- (Abg. Drexler SPD: Den Kaufvertrag nicht erfüllt!) len Sie diese Frage eigentlich? Sie brauchen sie nicht zu stellen. Ein Blick in die Mitteilung der Landesregierung Sie folgern dann: Weil man etwas unterlassen habe oder vom 12. April 2000, Drucksache 12/5128, Ziffer 1 weil man etwas vertuscht habe, sei als Konsequenz bei der Buchst. d, gibt Ihnen eine klare Antwort. Dort steht eindeu- EnBW die schwierige Situation entstanden, tig, dass die Landesregierung, wie Sie gerade gesagt haben, bereit ist, im Bereich der Forschungen, im Bereich der in- (Abg. Drexler SPD: Goll!) dustriellen Beteiligungen und wo auch immer eine entspre- chende Unterstützung zu gewähren. dass Arbeitsplätze wackeln oder dass höhere Strompreise zustande gekommen sind. Das ist natürlich absoluter Un- (Abg. Drexler SPD: Ist das gemacht worden?) sinn, meine Damen und Herren; Einen Punkt aber haben Sie nicht erwähnt, nämlich den ent- (Abg. Drexler SPD: Goll sagt das!) scheidenden Punkt, dass es den finanziellen Vorbehalt ge- geben hat, dass alles nur dann sinnvoll ist, wenn die EnBW das muss man schon einmal sagen. in der Lage ist, das finanziell durchzustehen. Das haben Sie (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. natürlich nicht erwähnt. Aber Sie haben es gewusst oder Drexler SPD: Der Vorstandsvorsitzende Goll!) hätten es wissen können. Wenn Sie einen Blick in die Mit- teilung der Landesregierung geworfen hätten, hätten Sie Das ist absoluter Unsinn. Wenn es einen Grund dafür gibt, sich Ihren ganzen Antrag sparen können. dass die Strompreise im Augenblick trotz Liberalisierung im Steigen begriffen sind, was ich sehr bedauere, dann (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der hängt das damit zusammen, dass wir im Grunde gar keine CDU – Abg. Drexler SPD: Ist jetzt eine Unterstüt- Liberalisierung haben. Wir haben deshalb keine Liberalisie- zung erfolgt oder nicht? – Glocke des Präsidenten) rung, weil es zum Beispiel bis zur Stunde nicht gelungen Präsident Straub: Herr Kollege Pfister, gestatten Sie eine ist, die Durchleitungsrechte zu regeln. Nur wenn die Durch- Zwischenfrage des Herrn Kollegen Kretschmann? leitungsrechte geregelt sind, wird es möglich sein, auf Sicht zu geringeren Strompreisen als heute zu kommen. Das ist Abg. Pfister FDP/DVP: Bitte schön. der entscheidende Punkt, um den es geht. Abg. Kretschmann GRÜNE: Herr Kollege Pfister, SPD (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP) und Grüne sind damals aus der Sitzung des Finanzausschus- ses ausgezogen. Jetzt zum Kaufvertrag. Sie sagen, dass der Kaufvertrag vor- gelegt werden solle. Da kann ich nur noch einmal deutlich (Abg. Seimetz CDU: Selbst schuld!) machen, was im Gesellschaftsvertrag der Stiftung steht. Im Gesellschaftsvertrag der Stiftung steht eindeutig, dass der Halten Sie es wirklich ernsthaft für möglich, einen Vertrag, Kaufvertrag vorgelegt werden muss, weil der Finanzaus- in dem es um 4,5 Milliarden DM geht, beurteilen zu kön- schuss einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt hat. nen, wenn Sie während einer Finanzausschusssitzung mal Deshalb war es logisch, dass der Kaufvertrag dem Finanz- gerade so hineinschnuppern? Halten Sie das ernsthaft für ausschuss vorgelegt worden ist; darauf wurde hingewiesen. möglich? (Abg. Drexler SPD: Legen Sie ihn doch jetzt vor!) (Abg. Drexler SPD: Herr Pfister kann das!)

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Abg. Pfister FDP/DVP: Sie sind ein intelligenter Mensch, Das wünsche ich mir, aber das war bisher nicht möglich. Herr Kretschmann. Sie hätten in der Finanzausschusssit- zung, als Sie den Vertrag auf dem Tisch hatten, jederzeit (Zuruf des Abg. Drexler SPD) die Möglichkeit gehabt, sich vom Vorsitzenden des Finanz- Nur: Mit Geheimniskrämerei hat das nichts zu tun. ausschusses so viel Zeit geben zu lassen, dass Sie in der Lage gewesen wären, den Vertrag zu lesen. Das wäre wohl (Abg. Drexler SPD: Natürlich hat es etwas damit möglich gewesen. zu tun!) (Abg. Drexler SPD: Vorlesen lassen? Hören Sie Es hat auch nichts mit Nebenabsprachen zu tun. Das steht auf!) alles in den Drucksachen. Ich will noch ein drittes Beispiel nennen, weil das der Kol- lege Drexler auch angesprochen hat. (Abg. Schmiedel SPD: Kennen Sie Herrn Goll?) In dem Kaufvertrag, Herr Kollege Drexler, ist auch aus- – Was Herrn Goll angeht: Er hat Interviews gegeben, drücklich von möglichen Kapitalerhöhungen und von einer (Abg. Drexler SPD: Eines!) stärkeren Börsenverankerung der EnBW die Rede. Jetzt können Sie zu Recht kritisieren, dass es nicht zu dieser Bör- und zwar in der Zeit, als er nicht mehr Vorstandsvorsitzen- senverankerung gekommen ist. Das tut mir ja auch Leid, der war – vorher nicht, jedenfalls nicht zu diesem Punkt. und das kann man selbstverständlich kritisieren. (Abg. Kretschmann GRÜNE und Abg. Drexler (Zuruf des Abg. Drexler SPD) SPD: Was wollen Sie damit sagen?) Aber das hat natürlich Gründe. Die Gründe liegen in der – Damit will ich sagen, dass Herr Goll zwar Interviews ge- Entwicklung des Kapitalmarkts geben hat, aber dass die EnBW weder unter dem Vorsitz von Herrn Goll noch unter dem Vorsitz seines Nachfolgers (Abg. Drexler SPD: Jetzt!) gegenüber der Landesregierung behauptet hätte, die EdF habe ihre Verpflichtungen nicht erfüllt. und darin, dass die Börsenfähigkeit eben nicht so stark war, wie man sich das gewünscht hätte. Das kann man alles kriti- (Abg. Drexler SPD: Woher wissen Sie das?) sieren. Das tut mir genauso Leid wie Ihnen. Denn das hat selbstverständlich auch mit Arbeitsplätzen usw. zu tun. Bei – Das weiß ich ganz genau, weil das bekannt ist. Lassen Sie einer Eigenkapitalquote von sich das vom Finanzminister bestätigen. (Abg. Drexler SPD: 6 %!) (Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Schmid: Waren Sie im Aufsichtsrat? – Zuruf des Abg. Kretsch- 6 oder 7 % ist dies außerordentlich schwierig. mann GRÜNE) (Zuruf des Abg. Drexler SPD) Von der EnBW ist gegenüber der Landesregierung niemals der Vorwurf erhoben worden, dass die EdF ihre Verpflich- Das beklage ich ja genauso wie Sie. Nur muss man einmal tungen nicht erfüllt habe. fragen: Was hat das alles mit Geheimniskrämerei zu tun, oder was hat das mit Nebenabsprachen zu tun? (Zuruf des Abg. Schmiedel SPD) (Zuruf des Abg. Drexler SPD) Nein, meine Damen und Herren, es bleibt dabei: All das, was ich Ihnen jetzt sage, ist bekannt. Das braucht man sich – Herr Drexler, das steht doch ausdrücklich in den Verträ- nicht aus den Fingern zu saugen. Das steht alles in den Mit- gen. Sie brauchen doch nur teilungen der Landesregierung. (Abg. Drexler SPD: Dann machen Sie es doch!) Sie versuchen hier, etwas ganz anderes zu machen. Sie ver- suchen hier, die von mir genannte Mitteilung der Landesregierung zu le- sen. Dann wissen Sie, dass wir ausdrücklich von der Bör- (Zuruf des Abg. Schmid SPD) senfähigkeit gesprochen haben. aus den Problemen, die sich jetzt bei der EnBW ergeben, (Abg. Drexler SPD: Dann machen Sie es doch! – und aus einigen Äußerungen von Herrn Goll gewisserma- Zuruf des Abg. Schmiedel SPD) ßen landespolitischen Nektar zu saugen. Ich habe Ihnen die Gründe genannt, weshalb dies in der (Zuruf des Abg. Drexler SPD) Vergangenheit noch nicht möglich war. Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, als gäbe es ir- (Abg. Drexler SPD: Vorstandsvorsitzender Goll gendwelche Versäumnisse des Landes, die für diese Proble- bestreitet dies!) me ursächlich wären. Ich wünsche mir mit Ihnen, dass in Zukunft ein Börsengang (Abg. Drexler SPD: Natürlich!) möglich ist und dass auch eine höhere Eigenkapitalquote, die notwendig ist, möglich ist. Das ist Unsinn, meine Damen und Herren. (Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP) (Abg. Drexler SPD: Was?)

3479 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Pfister)

Sie haben hier eine spekulative Debatte angezettelt, immer Erstens: Europaweite Wettbewerbsfähigkeit der EnBW? nach dem Motto: „Von diesen Vorwürfen Bereits heute hat die EnBW 1 Milliarde € Schulden. Die Ei- genkapitalquote ist von 20 % auf 6 % gesunken. Ein sol- (Abg. Drexler SPD: Ja, ja!) ches Unternehmen steht zunächst einmal ganz am Ende al- ler Energieversorgungsunternehmen und nicht mitten im eu- wird schon irgendetwas hängen bleiben.“ Ihr Antrag ist hei- ropäischen Wettbewerb. ße Luft, meine Damen und Herren. Außerdem ist Ihr Antrag parlamentarisch unanständig – damit das auch klar ist. Zweitens: Von den versprochenen sicheren Arbeitsplätzen kann keine Rede sein. Es ist schon gesagt worden: Man (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der muss damit rechnen, dass zur Sanierung des Unternehmens CDU – Oh-Rufe von der SPD – Lachen bei Abge- in erheblichem Umfang Arbeitsplätze abgebaut werden. Wo ordneten der SPD – Abg. Drexler SPD: Ich lese Ih- bleibt da Ihr Versprechen? Wo wird es eingehalten, Herr nen vor, was Sie damals in der Debatte gesagt ha- Ministerpräsident? ben! – Zuruf des Abg. Göschel SPD) Drittens: Sie haben günstige Strompreise für Wirtschaft und Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erteile ich Herrn Abg. Privathaushalte versprochen. Auch das muss wie Hohn klin- Kretschmann. gen. In zwei Jahren sind die Strompreise dreimal erhöht Abg. Kretschmann GRÜNE: Herr Präsident, meine Da- worden, und zwar insgesamt um 3,5 Cent je Kilowattstun- men und Herren! Herr Ministerpräsident Teufel hat hier vor de. Das bedeutet für einen durchschnittlichen Haushalt eine vier Jahren in den allerwärmsten Farben dargestellt, welche Erhöhung um jährlich 120 € – zehnmal so viel wie die Kos- Vorteile der Verkauf der Landesanteile an der EnBW an ten für die regenerativen Energien. Wo ist da Ihr Verspre- den Energiemonopolisten EdF dem Land bringen wird. Ich chen, Herr Ministerpräsident? darf zitieren: (Beifall bei den Grünen) Wir wollen die Chancen, die der liberalisierte Energie- Viertens: Nutzen für die Sicherung des Energiestandorts markt bietet, offensiv nutzen: zur Stärkung des Stand- Baden-Württemberg? Wie soll dies darstellbar sein bei ei- orts Baden-Württemberg, zur Sicherung von Energie- nem Unternehmen mit einer solch dramatisch schlechten standorten und Arbeitsplätzen, für günstige Stromprei- Kapitaldecke, das hoch verschuldet ist und das nach allen in se für Wirtschaft und Privathaushalte und im Sinne ei- der Branche geltenden Kriterien ganz hinten liegt? Wo wird ner vernünftigen Energiepolitik. hier Ihr Versprechen eingelöst, Herr Ministerpräsident? Ich darf weiter zitieren: Denn Sie haben dieses Versprechen entgegen unseren War- nungen gegeben. Ich habe unsere Zielsetzung genannt: eine europaweit wettbewerbsfähige EnBW, eine europaweit wettbe- Die Ursachen für das ganze Debakel sind offenkundig: ein werbsfähige baden-württembergische Energiewirt- Einkaufs- und Expansionskurs, der in der Branche seines- schaft, ein strategischer und standortpolitischer Nutzen gleichen sucht, unter dem Vorstandsvorsitzenden Goll. Al- für unser Land und seine Arbeitsplätze. les wurde mit Krediten und noch mal mit Krediten finan- ziert. Diese Sätze müssen nach dem, was wir in den letzten Mo- (Abg. Walter GRÜNE: Wie unter Herrn Späth!) naten über die EnBW erfahren haben, wie reiner Hohn klin- gen. Offensichtlich wurde eine mündliche Zusage durch die EdF (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der an Herrn Goll gegeben, die nirgends nachvollziehbar ist. SPD) Das behaupten übrigens nicht wir, sondern der neue Vor- standsvorsitzende der EnBW, Utz Claassen. Es ist noch Wissen Sie – es ist nicht so, dass ich jetzt nach vier Jahren nicht einmal in den Protokollen der Gremiensitzungen ir- beckmesserisch daherkommen wollte –: Das, was ich zu gendwo nachgewiesen, dass es eine solche Zusage gibt. Das kritisieren habe, dass nämlich das, was Sie versprochen ha- heißt, es wurden Milliardeninvestitionen in den Sand ge- ben, nicht funktionieren wird, das hat bereits mein Vorgän- setzt, ohne dass Geld da war. ger Kuhn hier klipp und klar gesagt. Die Versprechen, die Sie im Zusammenhang mit dem Verkauf an den Energiemo- Wer ist nun dafür verantwortlich? Natürlich in erster Linie nopolisten in Frankreich gemacht haben, waren nicht ein- Herr Vorstandsvorsitzender Goll. lösbar. Es waren Versprechen, von denen Sie wussten, dass Sie nachher nicht dafür würden geradestehen können. Dafür (Abg. Drexler SPD: Und der Aufsichtsrat!) sind Sie bisher noch nicht geradegestanden. Über seine Aussagen hören wir völlig widersprüchliche (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der Kommentare. Der Aufsichtsratsvorsitzende erklärt ihn zu SPD) einem Ehrenmann und sagt, er glaube ihm, aber es sei wohl in internationalen Geschäften nicht mehr üblich, auf münd- Sie haben noch mit keinem einzigen Satz zu all diesen Vor- liche Versprechen zu hören. Utz Claassen sagt, das habe es gängen Stellung genommen – wir hoffen, dass Sie dies heu- noch nie gegeben, und der Finanzminister, der im Auf- te noch tun werden –, obwohl Sie diese Versprechungen sichtsrat sitzt, schwadroniert nur herum. entgegen unseren Warnungen gemacht haben. (Abg. Drexler SPD: Schwadroniert! – Lachen der Was ist die bittere Realität? Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

3480 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Kretschmann)

Er positioniert sich überhaupt nicht, er sagt dazu nichts und sprechungen gemacht. Wir haben Sie gewarnt, dass Sie das nimmt nicht Stellung dazu, ob diese Gerüchte stimmen oder nicht einhalten können. Sie haben die Aufsichtspflicht sträf- nicht. Dabei ist das ja wohl die gewichtigste Frage über- lich vernachlässigt. Jetzt stehen wir in der Gefahr, dass die haupt. Wenn Herr Goll ein Ehrenmann ist – was ich über- Oberschwäbischen Elektrizitätswerke – bei der desolaten haupt nicht bezweifle –, dann hat er offensichtlich im Ver- Situation, die wir haben, und bei der Möglichkeit, die sie trauen auf diesen Kapitalzuschuss durch die EdF überhaupt haben, um ihre EnBW-Anteile noch zu denselben Preisen erst diese Geschäfte gemacht – und letztlich auch in den zu verkaufen – ihre Anteile veräußern. Doch wenn das ge- Sand gesetzt. schieht, dann ist die EnBW in ein paar Jahren schlichtweg in der Hand der EdF, Dafür tragen Sie die Verantwortung mit. Sie haben das so eingefädelt. Sie weigern sich, uns die Karten auf den Tisch (Abg. Drexler SPD: So ist es! Nichts anderes!) zu legen. Und Sie haben Ihre Pflichten im Aufsichtsrat nicht wahrgenommen. Das sind doch alles nur Schwarze, und dann ist die EnBW nichts anderes als die „EdF-Ost“, die da hocken. die noch Strom verkauft, aber hier keine eigenständige Energiepolitik betreibt. Wir wollen das nicht. Aber damit (Zuruf von der CDU: Ha, ha, ha!) man das in dieser schwierigen Situation verhindern kann, erwarten wir von Ihnen – und wir erwarten das zu Recht –, Das sind schwarze Landräte, schwarze Regierungsmitglie- dass Sie die Karten heute auf den Tisch legen. der und ein schwarzer EnBW-Vorsitzender, der da auch hi- neingesetzt wurde. (Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Schneider CDU) (Zuruf des Abg. Schneider CDU) Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Finanz- Ihr seid dafür verantwortlich, dass die Sachen auf den Tisch minister Stratthaus. kommen. Ihr müsst die Karten auf den Tisch legen und nicht wir. (Abg. Moser SPD: Schwerer Gang!) (Beifall bei den Grünen und der SPD – Zurufe von der CDU, u. a. des Abg. Schneider) Finanzminister Stratthaus: Kein schwerer Gang. – Meine Damen und Herren! Es ist eine unglaubliche Diskussion. Sie haben das zugelassen. Es wird ja kolportiert, dass der Dass Sie keine Ahnung von den wirtschaftlichen Zusam- Vorstandsvorsitzende dem Aufsichtsratsvorsitzenden die menhängen haben, Herr Kretschmann, Sprechzettel zustecken muss, damit er den Vorstand richtig kontrolliert. Das ist natürlich so, wie sich die Schwarzen (Lachen bei Abgeordneten der Grünen) unter sich kontrollieren. das nimmt man noch hin. Dass Sie hier aber eines der wich- (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD tigsten Unternehmen Baden-Württembergs schlechtreden, – Widerspruch bei der CDU – Abg. Seimetz CDU: das ist eine ungeheure Unverschämtheit. Ein blödes Zeug, ein blödes! Ein dummes Zeug! – (Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Zuruf des Abg. Hauk CDU) Beate Fauser FDP/DVP – Lachen bei der SPD und – Nein, nein. Das ist überhaupt nicht blöd. den Grünen) (Unruhe) Die EnBW liegt in ihrem Kerngeschäft für das Jahr 2003 um 26 Millionen € über dem Plan. Es sind vom Ministerpräsidenten klipp und klar Verspre- chungen gemacht worden. Die Situation ist desolat. Wir las- (Abg. Junginger SPD: Yello-Strom!) sen es nicht zu, dass ihr euch jetzt aus der Verantwortung Sie liegt um 26 Millionen € über dem Plan. stehlt. So einfach ist das. Bevor ich nun zu meinen sachlichen Ausführungen komme, (Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Seimetz müssen einige Unsinnigkeiten und Unverschämtheiten, die CDU) Sie gesagt haben, geklärt werden. Besonders schlimm ist, dass bei der Finanzierung dieser Zunächst einmal zu Ihrer Behauptung, im Aufsichtsrat wür- ganzen Kaufvorgänge massiv in die Rückstellungen für die den lauter Schwarze sitzen. Stilllegung von Atomkraftwerken, die ja zum Teil noch steuerfrei sind, eingegriffen wurde, diese windigen Ge- (Abg. Kübler CDU: Die Hälfte sind Rote!) schäfte also mit Rückstellungen gemacht wurden, die für et- Es ist genau so, dass die Roten die Mehrheit haben. was anderes vorgesehen waren. Da haben Sie nun auf alle Fälle einmal die Pflicht, uns zu sagen, was Sie dazu zu sa- (Abg. Kiefl CDU: Das ist ein Skandal! – Unruhe) gen haben. Sie sitzen im Aufsichtsrat. Wie der Name schon sagt, hat das den Sinn, Aufsicht wahrzunehmen und nicht Da sitzen nämlich zur Hälfte Arbeitnehmervertreter, die nur allem zuzuschauen. übrigens absolute Fans davon waren, dass 25 % der EnBW an die EdF gehen. Ich fasse zusammen: Sie haben damals beim Verkauf der Landesanteile an der EnBW an den Monopolisten EdF Ver- (Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es, ja!)

3481 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Stratthaus)

Auch diejenigen, die die Sozialisten aus Frankreich ge- Stellv. Präsident Birzele: Bitte schön, Herr Drexler. schickt haben, sind keine Schwarzen. Abg. Drexler SPD: Herr Finanzminister, Sie sind ein (Abg. Kübler CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Zitatenfälscher! Ich habe nämlich nicht aus dem Kaufver- Kretschmann GRÜNE) trag zitiert, den ich ja nicht kenne, sondern ich habe aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zitiert. Von Schwarzen kann da also überhaupt nicht die Rede sein. (Abg. Pfister FDP/DVP: Ja, das stimmt!) (Abg. Blenke CDU: Aber gut ist das auch nicht!) Das werden wir nachher im Protokoll nachlesen. – Gut ist das nicht. Nein. Finanzminister Stratthaus: Nein, nein, nein! Ein weiterer Punkt: Ich glaube ja, dass Sie das zum Teil nicht besser wissen. Aber es sind hier zwei Lügen verbreitet Abg. Drexler SPD: Ich habe zitiert, dass der Ministerpräsi- worden. Ich muss das Wort „Lügen“ benutzen. dent in seiner Regierungserklärung genau diesen Satz ge- Zunächst einmal ist behauptet worden, die Vertreter der sagt hat. Grünen und der SPD hätten die Finanzausschusssitzung (Abg. Junginger SPD: Ohne Vorbehalt!) verlassen. Das stimmt nicht. Ich habe hier das Protokoll vorliegen, und hier ist das Abstimmungsverhältnis festge- Ich habe, da ich den Kaufvertrag nicht kenne, überhaupt halten. Die Abstimmung erfolgte mit 12 : 9 Stimmen. Das nicht über den Kaufvertrag gesprochen. Insofern weise ich heißt, alle Mitglieder des Finanzausschusses waren bei der Ihren Vorwurf, ich sei ein Zitatenfälscher, schärfstens zu- Abstimmung anwesend. Die Behauptung, an der Sitzung rück. hätten nicht alle Abgeordneten teilgenommen, entspricht al- so nicht der Wahrheit. (Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Blen- ke CDU: Herr Präsident, war das eine Zwischenfra- (Abg. Kretschmann GRÜNE: Die sind rausgegan- ge?) gen! – Abg. Drexler SPD: Die sind reingekommen bei der Abstimmung! – Unruhe) Finanzminister Stratthaus: Nein, nein, nein, nein, nein! Es liegt eine Drucksache vor. Und das Nächste, lieber Herr Drexler, ist der Höhepunkt; Sie sind nämlich ein Zitatenfälscher. (Lebhafte Unruhe) (Abg. Drexler SPD: Wo?) Lieber Herr Drexler, es liegt eine Landtagsdrucksache vor – – Ja, ich lese es Ihnen gleich vor. Moment! (Abg. Pfister FDP/DVP: Mitteilung der Landesre- gierung!) (Unruhe) – ich kann sie mir gleich bringen lassen –, eine Mitteilung Sie haben zitiert: der Landesregierung, in der das gesamte Zitat enthalten ist. . . . von der EnBW neue Geschäftsfelder zur Stärkung des Landes als Industriestandort erschlossen werden; (Unruhe – Abg. Drexler SPD: Und ich habe die Re- dazu wird die EdF die EnBW . . . unterstützen . . . gierungserklärung zitiert! Ich habe die Regierungs- erklärung zitiert!) Dann machen Sie mit dem Zitat Schluss. Und dies haben Sie unterschlagen. (Abg. Pfister FDP/DVP: Dann kommt der letzte Satz! Finanzierungsvorbehalt!) (Unruhe) Es geht aber weiter: Das ist die Drucksache 12/5128. Daraus haben Sie falsch zitiert. . . . soweit die Kerngebiete . . . betroffen sind und inso- fern dies von den finanziellen Möglichkeiten . . . ge- (Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Nein, deckt ist. ich habe aus der Regierungserklärung zitiert!) (Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP) Meine Damen und Herren, nun zur sachlichen Auseinander- setzung. Sie haben eine entscheidende Stelle dieses Zitats bewusst und zitatverfälschend weggelassen. (Unruhe – Abg. Schmiedel SPD: Wer hat jetzt ge- fälscht? Der Ministerpräsident, oder?) (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten – Abg. Pfister FDP/DVP: Schlicht – Herr Drexler hat unvollständig zitiert. und einfach verfälscht!) (Abg. Drexler SPD: Stimmt nicht! – Abg. Göschel Stellv. Präsident Birzele: Herr Minister, gestatten Sie eine SPD: Wer lügt jetzt eigentlich?) Zwischenfrage des Herrn Abg. Drexler? Herr Drexler hat ganz bewusst eine Drucksache, die er in Finanzminister Stratthaus: Bitte sehr. der Hand hatte,

3482 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Stratthaus)

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist eine Unverschämt- Jetzt geht es weiter: Die EdF hat Zusagen gemacht, die ich heit!) jetzt alle einzeln abhandeln will; denn die EdF hat jede Zu- sage auf Punkt und Komma eingehalten. Damit das ganz unterschlagen. eindeutig ist: Sie hat sich verpflichtet, die Eigenständigkeit der EnBW langfristig zu wahren. Es ist wohl klar, dass die (Abg. Drexler SPD: Nein!) Eigenständigkeit gewahrt geblieben ist. Sie hat sich Und das nenne ich falsch zitiert. verpflichtet, die Standorte in Karlsruhe und Stuttgart zu er- halten und insbesondere darauf hinzuwirken, dass die künf- (Beifall bei der CDU – Abg. Fischer SPD: Jetzt tige Entwicklung der EnBW den Standort Baden-Württem- geht es weiter mit den Lügen!) berg in Bezug auf Arbeitsplätze, Produktionsstätten, Wert- schöpfung und Investitionen in den bestehenden Gewich- Jetzt einmal zur Sache selbst. tungen zwischen den Standorten Karlsruhe, Stuttgart und allen weiteren Standorten beachtet. Das ist auch geschehen. Meine Damen und Herren, warum ist es eigentlich zum Die Erzeugungsanlagen der EnBW einschließlich ihrer Verkauf des 25-prozentigen Anteils durch die Landesstif- Kraftwerksstandorte und die Wertschöpfung bei der Strom- tung an die EdF gekommen? Wir wissen alle, dass dies mit erzeugung sollten im Land bleiben. Es ist doch damals im- der Liberalisierung der Energiewirtschaft zusammenhing. mer behauptet worden, man wolle hier Kraftwerke schlie- Wir alle waren damals der festen Überzeugung, die EnBW ßen, um billigen Atomstrom aus Frankreich einzuführen. müsse wachsen, müsse neue Felder, neue Märkte erschlie- ßen, wenn sie in Zukunft noch als einer der größeren Ener- (Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!) gieversorger in Deutschland mitspielen will. Wir haben uns dann umgeschaut, wer dafür infrage käme. Es gab dabei Das hat alles nicht gestimmt. Die Kraftwerke sind hier ge- auch eine ganze Reihe von Unternehmen aus Deutschland, blieben. Die Standorte sind hier geblieben. die am Kauf der Anteile der EnBW interessiert waren. (Abg. Hauk CDU: Den Rest erledigt Rot-Grün!) (Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!) – Den Rest erledigt Rot-Grün. So ist es. Ja. Wir haben einen Partner gesucht, mit dem wir anschließend in Deutschland nicht in Konkurrenz stünden; also sind eine Jetzt zu diesem berühmten Zitat, das hier schon einige Male ganze Reihe von Interessenten aus Deutschland als Partner kam: ausgeschieden. . . . von der EnBW neue Geschäftsfelder zur Stärkung (Abg. Pfister FDP/DVP: Auch Kartellrechtsgrün- des Landes als Industriestandort erschlossen werden; de!) dazu wird die EdF die EnBW insbesondere bei indus- triellen Beteiligungen und in der Forschung und Ent- Wir haben außerdem einen Partner gesucht, der der EnBW wicklung unterstützen, soweit die Kerngebiete . . . be- helfen kann, sich im Ausland weiter zu entwickeln – in dem troffen sind. Sinne, wie es im Zitat des Ministerpräsidenten vorkommt. Es ist ausdrücklich nicht von finanzieller Unterstützung die (Abg. Kretschmann GRÜNE: Keinen Cent hat Herr Rede gewesen. Goll gesehen!) (Abg. Kretschmann GRÜNE und Abg. Drexler – Ich muss Ihnen nachher leider einen kleinen Vortrag hal- SPD: Eine moralische Unterstützung!) ten, damit Sie das kapieren. – Das will ich Ihnen jetzt gleich erklären. Zum Beispiel wä- (Abg. Kretschmann GRÜNE: Keinen Cent!) re die EnBW nicht in der Lage gewesen, die Beteiligung in Spanien zu erwerben, wenn die EdF die Erweiterung von Ich muss noch einmal sagen: Es war notwendig, einen Part- Leitungskapazitäten nicht zugesagt hätte. Sie wäre nicht in ner zu finden, der uns im Ausland helfen kann. der Lage gewesen, Hidrocantábrico zu erwerben, wenn die EdF nicht hinter ihr gestanden hätte. Die deutschen Partner – das ist überhaupt keine Frage – hätten sehr schnell Arbeitsplätze in Stuttgart und in Karlsru- Weiterhin hat die EnBW in Osteuropa, in Polen Aktivitäten he abgebaut. Beim Verkauf der NWS war ganz deutlich, entfaltet. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn die EdF dass es starke Kräfte gab, die die NWS ins Ruhrgebiet brin- nicht dahinter gestanden hätte. gen wollten. Wenn es so gekommen wäre, wären auch Ar- beitsplätze mitgegangen. Wir haben bei der EnBW eine ganze Reihe von großen Kunden dazugewonnen. Diese großen Kunden verlangen, Aus diesem Grund wollten die Arbeitnehmer der EnBW – wenn sie weltweite Niederlassungen haben, dass sie auch die 50 % der Aufsichtsräte in der EnBW stellen – keinen weltweite Partner haben. Das sind Kunden in Frankreich, in anderen Partner als die EdF. Sie reden hier gegen die Ar- Belgien, sogar in England. Das wäre zum großen Teil nicht beitnehmer, wenn Sie gegen den Aufsichtsrat polemisieren. möglich gewesen, wenn die EdF nicht dahinter gestanden Das muss man auch einmal klar machen. hätte. (Abg. Kretschmann GRÜNE: Wir sind für Sie zu- Weiterhin wurde und wird auf dem Gebiet der Forschung ständig und nicht für die Arbeitnehmer im Auf- zusammengearbeitet. Auch da hat die EdF ihre Versprechen sichtsrat!) eingehalten.

3483 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Stratthaus)

Nun wird gesagt, der Strom sei teurer geworden. Zunächst: der Bewertung ertragsteuerlich nicht wirksam wird. Wir ha- Wir haben hier eine Marktwirtschaft, ben eine ganze Reihe von Unternehmen in Baden-Württem- berg, die große Gewinne ausweisen und keine Steuern zah- (Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!) len. und die Strompreise haben in den letzten Jahren wieder an- Man kann hier eindeutig eines sagen – ich muss den Satz gezogen. Aber dass der Strom teurer geworden ist, hat drei vom Anfang meiner Rede wiederholen –: Sie reden hier die Gründe, und zwar einmal die Ökosteuer, EnBW schlechter, als sie ist. (Minister Dr. Christoph Palmer: Sehr gut!) (Abg. Drexler SPD: Überhaupt nicht!) dann das EEG und dann das KWKG. Ganz klar, die Öko- Die EnBW liegt in ihrem Kerngeschäft in den ersten sieben steuer, die Sie dreimal auf die Strompreise draufgeschlagen Monaten dieses Jahres über ihrem Plan. haben, ist doch der Hauptgrund dafür, dass der Strom teurer geworden ist. (Abg. Junginger SPD: Sie braucht Kapitalzufuhr!)

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ Jetzt kommt laufend diese Geschichte von dem vielen Geld, DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Gewiss nicht das die EdF hätte bringen müssen. Ich frage mich, wie Sie in der Größenordnung! Das ist doch eine Lachnum- sich das eigentlich vorstellen. mer!) (Abg. Kretschmann GRÜNE: Wir stellen uns gar nichts vor! Das hat sich der Herr Goll vorgestellt! – Heute haben Sie mit Begeisterung von den alternativen Abg. Drexler SPD: Wir stellen uns gar nichts vor! Energien und von der Einspeisung gesprochen. Das ist ein Herr Goll hat das gesagt! – Zuruf des Abg. Schmid weiterer Grund dafür, dass der Strom teurer geworden ist. SPD) Das hat also nichts mit dem zu tun, was Sie immer unter- stellen. – Ja. Dazu zwei Anmerkungen: Im Kaufvertrag gibt es kei- nerlei Verpflichtung, dass die EdF oder sonst jemand eine Ich muss noch einmal eindeutig sagen: Die zwei Problem- Kapitalerhöhung vornehmen muss. felder, die sich zurzeit bei der EnBW zeigen, haben mit der EdF überhaupt nichts zu tun. Das erste ist tatsächlich die Jetzt aber noch einmal zum Wort „bringen“. „Bringen“ notwendige Bereinigung in der gesamten Konzernstruktur. kann doch nur bedeuten, dass eine Kapitalerhöhung vorge- Sie haben vorhin gesagt, die EnBW habe 1 Milliarde € nommen wird Schulden. (Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!) (Abg. Drexler SPD: Nein, mehr! Sie hat einen Ver- lust!) und dass die EdF dann entsprechend mehr Kapitalanteile hat. – Schön wäre es, wenn sie das hätte. Sie hat natürlich um Gottes willen viel mehr. Auch das ist, meine Herren, kein (Abg. Drexler SPD: Nein!) Verlust im klassischen Sinn. – Ja, natürlich. (Abg. Kretschmann GRÜNE und Abg. Drexler (Abg. Drexler SPD: Die Oberschwäbischen Elek- SPD: Sondern ein nichtklassischer!) trizitätswerke wollten doch mitziehen!) – Entschuldigung, Sie haben keine Ahnung. – Ja, Moment! Jetzt sind wir schon beim nächsten Punkt. (Unruhe) Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die OEW bei einer Kapitalerhöhung mit – wie Sie vorhin gesagt haben – zwei- Es wird kein einziger Euro an Liquidität abfließen. Man hat stelligen Milliarden-Euro-Summen mitgezogen wären. Da- lediglich Veränderungen bei der Bewertung vorgenommen. zu sind die doch überhaupt nicht in der Lage. Dass das übrigens die Rating-Agenturen genauso sehen, er- gibt sich daraus, dass sie ganz ruhig reagiert haben und (Abg. Drexler SPD: Entschuldigung! Das sagen die nach dieser Bereinigung um 1 Milliarde € überhaupt nichts aber anders! – Abg. Teßmer SPD: Der hat keine unternommen haben. Das kann man jetzt machen. Das hätte Ahnung davon!) man genauso gut in einem Jahr oder in zwei Jahren machen – Das sagen die nicht anders. Ich komme gleich noch ein- können. Ich habe volles Verständnis dafür, dass das ein mal darauf zu sprechen. – Das, was Sie wünschen, hätte zu neuer Mann sofort im ersten Jahr gemacht hat. Das muss einer Kapitalerhöhung geführt, die eine mehrheitliche Be- ich sagen. Ich habe Verständnis dafür, dass Herr Claassen herrschung der EnBW durch die EdF zur Folge gehabt hät- das gemacht hat. Aber mit einem Abfluss von liquiden Mit- te. teln oder mit einem Verlust, der irgendwo Probleme brin- gen würde, hat das nichts zu tun. (Abg. Drexler SPD: Ach! – Abg. Teßmer SPD: Spekulation!) Übrigens: Wenn Sie sich einmal die Bilanz anschauen, se- hen Sie, dass die EnBW in der Halbjahresbilanz immer Das ist genau das, was Sie nicht wollten. noch davon ausgeht, dass sie Ertragsteuern zahlt. Daran er- kennen Sie doch, dass die vorgenommene Veränderung in (Abg. Drexler SPD: Ja, ja!)

3484 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Stratthaus)

Es ist sehr viel über Kapitalerhöhungen gesprochen wor- Es ist in der Tat so, dass diese Aktie im Vergleich zu den den. Auch die OEW sind bereit, sich in Maßen und zum Aktien der anderen Energieversorgungsunternehmen am richtigen Zeitpunkt an einer Kapitalerhöhung zu beteiligen. wenigsten gefallen ist. Diese Kapitalerhöhung war allerdings so gedacht, dass man das Unternehmen breiter an der Börse verankert. (Lachen des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist doch nicht falsch! – Zu- (Abg. Pfister FDP/DVP: Ja!) ruf des Abg. Teßmer SPD) Es ist immer mit aller Deutlichkeit gesagt worden, der Vor- Meine Damen und Herren, man könnte noch vieles anfüh- teil von RWE und der Vorteil von Eon bestehe darin, dass ren. Ich muss einmal schauen, was Sie noch alles gesagt ha- sie Publikumsgesellschaften sind, dass sie nicht bloß zwei ben. große Aktionäre haben, sondern Tausende, Zehntausende Ich muss noch etwas zu der Situation der Arbeitsplätze sa- von Aktionären. Deswegen war von Anfang an daran ge- gen: Bisher gibt es keinen Beschluss des Vorstands, 3 700 dacht, die neuen Aktien an die Börse zu bringen und an ein Arbeitsplätze abzubauen. Ich habe mit Herrn Claassen tele- möglichst breites Publikum zu streuen. Dass sich die Situa- foniert. Er hat mich ausdrücklich gebeten, hier festzustellen, tion an der Börse seit dem Frühjahr des Jahres 2000 bis dass es keinen derartigen Beschluss gibt. Es gibt allerdings heute einen Beschluss, 350 Millionen € einzusparen. Da kann (Abg. Pfister FDP/DVP: Schwieriger geworden man nun entsprechende Hochrechnungen anstellen. Aber es ist!) soll ja auch auf andere Art und Weise an Personalkosten gespart werden als durch den Abbau von Köpfen. Sie wis- ungeheuer verändert hat und es in dieser Zeit praktisch kei- sen ja, dass Sonderzuwendungszahlungen und Ähnliches ne Kapitalerhöhungen gegeben hat, müsste doch auch Ihnen gekündigt worden sind, dass also die Arbeitnehmer einen bekannt sein. Beitrag geleistet haben. (Abg. Drexler SPD: Warum hat man es damals Ich verstehe, dass die Arbeitnehmer über den drohenden nicht gemacht?) Arbeitsplatzabbau erregt sind. Das bezieht sich aber auf Übrigens: Weil ich manchmal den Unsinn höre, wir hätten keinen Beschluss, den der Vorstand gefasst hätte, und auch uns über den Tisch ziehen lassen, muss ich sagen: Wir ha- der Aufsichtsrat hat sich damit noch nicht beschäftigt. ben ja zum Glück den günstigsten Zeitpunkt zum Verkauf Alles in allem, meine Damen und Herren: der Aktien erwischt, den man jemals hätte erwischen kön- nen. Erstens: Reden Sie die EnBW bitte nicht so schlecht. (Beifall bei der CDU – Minister Dr. Christoph Pal- Zweitens: Die Probleme, die die EnBW hat – sowohl hin- mer: So ist es!) sichtlich der Struktur des Konzerns wie auch hinsichtlich Ein weiterer Punkt: Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, der Kostensenkungen, die sie heute vornehmen muss, um nachzuschauen, wie die Aktien der EnBW heute bewertet für die Zukunft fit zu sein –, haben nichts mit der EdF zu werden und wie sie vor drei Jahren bewertet wurden und tun, überhaupt nichts. wo die Aktien von Eon und RWE damals standen und wo sie heute stehen. Ich darf Ihnen sagen: Die EnBW-Aktie ist Ich möchte deswegen noch einmal festhalten: Es war ver- am wenigsten gefallen. Sie hat sich besser entwickelt als die nünftig, dass wir die Landesanteile an die EdF verkauft ha- Aktien der anderen Energieversorgungsunternehmen. ben, und die EdF hat alle Zusagen auf Komma und Punkt eingehalten. (Abg. Teßmer SPD: Die wird doch kaum gehan- Vielen Dank. delt! Wie soll sie sich denn verändern? – Abg. Drexler SPD: Wie hoch ist denn der Handel? – Ge- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ genruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE: 1 %!) DVP) – Es ist eine Tatsache, dass die EnBW-Aktie an der Börse Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. gehandelt wird. Drexler. (Abg. Boris Palmer GRÜNE: In welchem Volu- Abg. Drexler SPD: Herr Stratthaus, es ist schon eigenartig men?) – über die Zitatenfälscherei reden wir nachher, wenn das Protokoll da ist –, wie Sie sich hier darstellen: Bei der – Das spielt doch keine Rolle. EnBW sei alles in Ordnung. Der Verlust von 1 bis 1,2 Mil- (Abg. Boris Palmer GRÜNE: Keine Ahnung! – liarden € in diesem Jahr, den Herr Claassen in einem Aktio- Abg. Teßmer SPD: Er hat keine Ahnung! – Zuruf närsbrief prognostiziert hat – bei einem Umsatz von 5,8 des Abg. Schmiedel SPD) Milliarden € –, sei überhaupt kein Problem. Dass man jetzt wahrscheinlich 3 700 Arbeitsplätze – das sind immerhin Wenn die Nachfrage gering ist, ist auch das Angebot ge- 30 % der Arbeitsplätze im Kerngeschäft – streichen muss – ring. Das Volumen sagt an und für sich relativ wenig aus. einen Beschluss gibt es noch nicht –, sei einfach gottgege- Ich kann Ihnen sagen – Sie müssen das als Faktum nehmen, ben. So ähnlich haben Sie hier gerade gesprochen. auch wenn es in Ihr Weltbild nicht passt –: Jetzt will ich Ihnen noch einmal sagen: Wir erfinden doch (Abg. Kretschmann GRÜNE: 1 %!) überhaupt nichts. Herr Kurz hat gesprochen, als ob er auf

3485 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Drexler) einem fremden Stern wäre. Es ist klar, dass Herr Goll ein denbetrag für Zukäufe bereitstehe. Aus diesem Topf autorisiertes Interview gegeben hat. Herr Goll war bei den könne auch die EnBW Gelder bekommen. Vertragsverhandlungen dabei. Herr Goll sagt aufgrund die- ser Vertragsverhandlungen – im Klartext –: Das ist doch keine Erfindung von Herrn Goll. Jetzt stellen Sie doch Herrn Goll nicht so dar, als hätte er keine Ahnung Es gab die Zusage der EdF, uns finanziell zu stützen, und wäre nicht dabei gewesen oder würde sogar von uns wenn das notwendig ist, und das ist auch dokumentiert. noch finanziert, um solche falschen Behauptungen aufzu- stellen! So haben Sie es hingestellt. Wörtlich! Da stellen Sie sich hier hin und sagen, niemand von der EdF habe eine Zusage zur Finanzierung gemacht. Deswegen sagen wir: Wir wollen wissen, was damals pas- Aber wie kommt dann Herr Goll, an dessen Aussagen zu siert ist. Im Übrigen sagen nicht wir, sondern sagt der da- zweifeln wir keinen Grund haben, dazu? malige Vorstandsvorsitzende deutlich, dass die heutige (Abg. Pfister FDP/DVP: Das frage ich mich auch!) Schieflage daher komme, dass die EdF kein Geld zuge- schossen habe. Die heutige Schieflage besteht darin, dass Er war doch lange Jahre einer der renommiertesten Beam- möglicherweise 3 700 Leute entlassen werden müssen und ten im Staatsministerium. dass wir eine Situation haben, in der auch die Zukunft der EnBW sehr schwierig gesehen wird. Herr Goll sagt, das (Abg. Schmiedel SPD: Staatsrat!) komme daher, weil kein Kapital geflossen sei. Das ist doch nicht unsere Erfindung; das sagt Herr Goll. Sie können – Staatsrat. – Er war es, der das erklärt hat. Das ist doch Herrn Goll doch kein Wissen absprechen. Sie können auch keine Erfindung von uns. Aber Sie stellen sich hier hin und nicht sagen, er hätte keine Ahnung. Es kann nicht sein, Herr sagen, Sie wüssten nichts. Da frage ich mich: Warum wis- Stratthaus, dass Sie von alldem nichts gewusst haben. sen Sie nichts? (Zuruf von der SPD: Der hat doch keine Ahnung!) (Abg. Teßmer SPD: Da hat er geschlafen!) Sie sind doch der Vertreter des Landes im Aufsichtsrat ge- Ich kann mir bei der Nähe des Herrn Goll zu Ihrer Regie- wesen. rung einfach nicht vorstellen – er ist aus dem Staatsministe- rium gekommen –, dass er nicht darüber informiert hat, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dass es Zusagen gibt. Der Aufsichtsratsvorsitzende bestätigt diese auch. Weiter sagt Herr Goll – das müssen Sie als Auf- Das macht stutzig, nachdem Sie lauter Versprechungen ge- sichtsrat doch auch zur Kenntnis genommen haben –: Wir macht haben. haben uns bemüht und entsprechende Finanzmittel, Herr (Beifall bei der SPD und des Abg. Kretschmann Stratthaus, in die mittelfristigen Pläne der EnBW in Erwar- GRÜNE) tung einer genehmigten Kapitalerhöhung eingestellt. Das heißt, jeder im Aufsichtsrat hat zur Kenntnis genommen: Es Das ist wirklich unglaublich. Sie haben in Ihrer Rede am kommen Finanzmittel, die sogar eingestellt sind, und nichts 25. November ebenfalls erzählt, es gehe um Arbeitsplätze. passiert. Der Verkäufer, das Land, könnte natürlich auf die- Der Herr Ministerpräsident hat das Blaue vom Himmel ver- sen Punkt des Kaufvertrags hinweisen: „EdF, mach das sprochen, wenn wir mit der EdF gehen: die Arbeitsplätze mal! Es gibt Zusagen.“ Das haben Sie überhaupt nicht ge- würden gesichert, die Standorte würden gesichert, der macht, obwohl Sie in dem Gremium sind. Strompreis würde geringer. Er hat gesagt, bei neuen Ge- schäftsfeldern werde unterstützt. Das ist dann mit einem Herr Kretschmann hat doch Recht: Alle Versprechungen Zusatz – der im Übrigen nicht arg viel verändert – in den sind nicht eingehalten worden. Wir reden die EnBW nicht Kaufvertrag hineingekommen. schlecht, sondern wir sagen nur: Wenn so etwas passiert, dass uns jemand die Wahrheit sagt, dann ist klar, dass wir Aber wo ist die Unterstützung? Sie sagen jetzt plötzlich: im Parlament eine Aussprache führen und den Ministerprä- „Es war niemals daran gedacht, dass dies eine finanzielle sidenten auffordern, zu seinen Versprechungen Stellung zu Unterstützung ist.“ nehmen. Sie haben all diese Versprechungen nicht ausge- räumt. Herr Goll sagt etwas völlig anderes. Ich habe auch (Abg. Göschel SPD: Hört, hört!) nicht erfahren, ob Sie in der Zwischenzeit mit Herrn Goll gesprochen haben. Das ist uns völlig neu. In der Landtagsdebatte hat kein Mensch gesagt, dass es sich nicht um eine finanzielle Un- (Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD) terstützung handeln würde. Wir gehen davon aus, dass der Großaktionär, wenn er bei neuen Geschäftsfeldern unter- Es wäre eigentlich logisch gewesen, dass das Aufsichtsrats- stützt, dies bei der geringen Kapitaldecke natürlich auch fi- mitglied mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden über nanziell meint. Offensichtlich hat es der damalige Vor- die Fragen redet: Wo sind die Dokumente, die das belegen? standsvorsitzende, Herr Goll, auch so gesehen, sonst hätte Gab es die Zusagen? Was war das für eine Strategie, die ich er doch nicht verhandelt. Ich zitiere noch einmal Herrn als Aufsichtsrat überhaupt nicht zur Kenntnis genommen Goll: habe? Was ist passiert? Nichts, obwohl uns der damalige Vi- Herr Stratthaus, so einfach kommen Sie nicht davon. Wir zepräsident der EdF, Herr Capéran, sagte, dass in sei- wollen jetzt endlich einmal sehen, was in den Kaufverträ- nem Unternehmen bis 2004 ein zweistelliger Milliar- gen wirklich steht.

3486 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Drexler)

(Abg. Schmiedel SPD: Ja, und die geheimen Zusät- Wir lassen uns von Ihnen nicht so abspeisen, wie Sie das ze!) gerade tun. Herr Kurz von der CDU-Fraktion hat überhaupt nicht über die Sache gesprochen. Herr Stratthaus hat wie in Wenn jemand nichts zu verbergen hat, dann kann er doch einer Märchenstunde erzählt, alles sei in Ordnung. Auf der die Kaufverträge herausgeben. Das ist doch überhaupt kein anderen Seite zahlen es die Betriebsangehörigen und die Problem. Stromkunden Baden-Württembergs. (Abg. Schneider CDU: A wa!) Wir wollen einmal sehen, was Herr Goll dem Parlament und dem Ausschuss zu sagen hat, wenn Sie die Unterlagen – Was heißt denn „A wa!“? – Wenn Sie glauben, dass man nicht herausgeben. in einer Finanzausschusssitzung in 10 bis 15 Minuten – mehr waren es nicht – solche Kaufverträge prüfen kann, Herr Ministerpräsident, genau das ist der Erfolg Ihrer Poli- was sind es dann für Verträge? tik. Das wird Sie auch in der Verwaltungsreform einholen. Sie machen irgendetwas, Sie hören nicht auf gute Ratschlä- (Zuruf des Abg. Schneider CDU – Abg. Pfister ge, setzen sich mit Brachialgewalt durch, und das Ergebnis FDP/DVP: Dann müssen Sie jetzt einen Verta- sind Strompreiserhöhungen und 3 700 Entlassungen. In der gungsantrag stellen!) Verwaltungsreform wird Sie genau das Gleiche einholen. Sie haben nicht auf uns gehört. Es werden nur Kompromis- – Ach, hören Sie doch auf! Dann legen Sie sie doch jetzt se geschlossen. Jetzt streitet man schon um das Personal. vor. Das ist doch überhaupt kein Problem. Die Effizienzrendite ist weit weg, und die Frage, dass die Verwaltung in Baden-Württemberg bürgernäher wird, ist (Abg. Pfister FDP/DVP: Sie wissen doch, dass das außerhalb jeglicher Debatte. Genauso wie über die EnBW nicht geht!) werden wir dann in einem Jahr über die Verwaltungsreform zu diskutieren haben. – Es geht. Sie können auch jetzt im Finanzausschuss die Verträge in nichtöffentlicher Sitzung vorlegen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) (Abg. Pfister FDP/DVP: Im Finanzausschuss, ja! Kein Problem!) Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. Kretschmann. Das können Sie durchaus machen. Das können wir nachher beschließen. Dann werden wir ja sehen, ob Sie diese Ver- Abg. Kretschmann GRÜNE: Herr Präsident, meine Da- träge vorlegen. men und Herren! Herr Finanzminister, ich habe mich ver- sprochen und statt „Verluste“ „Schulden“ gesagt. Mir da- Ich sage noch einmal: Herr Goll hat die Linie zwischen raus aber den Vorwurf wirtschaftspolitischer Inkompetenz Nichterhöhung des Kapitals und der Schieflage des heuti- zu machen, das finde ich ein bisschen billig. gen Unternehmens festgestellt. Ihm ist vom Aufsichtsrats- Wissen Sie, wir sind nicht im Aufsichtsrat, wir kennen die vorsitzenden nicht widersprochen worden. Von der politi- Kaufverträge nicht, und wir haben die Pflicht, die Regie- schen Seite wird ihm widersprochen. Die Konsequenz aus rung zu kontrollieren. Dieses Recht nehmen wir hier wahr dieser Schieflage sind möglicherweise 3 700 Entlassungen und sonst gar nichts. und eine mögliche Strompreiserhöhung. Das zahlen die kleinen Leute in Baden-Württemberg. Ich habe lediglich die Versprechung des Ministerpräsiden- ten zitiert. Wir haben damals gesagt, dass Sie dafür nie ein- (Beifall bei der SPD – Abg. Pfister FDP/DVP: Rei- stehen können – das ist nach dem Verkauf gar nicht mög- ne Spekulation!) lich –, und Teufel hat sich bisher geduckt. Ich finde, wenn Herr Schneider, Sie sind dafür verantwortlich. Dass Sie die jemand solche Versprechungen gemacht hat, die Punkt für Verantwortung nicht annehmen wollen, das ist in diesem Punkt nicht eingehalten werden, kann die Öffentlichkeit er- Land immer klar. Sie schmücken sich mit Erfolgen, für das warten, dass er hier dazu etwas sagt. Schlechte sind andere zuständig, meistens die Bundesregie- (Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von rung. Herr Gerhard Schröder hat also den Kaufvertrag aus- der SPD: Ja! Eindeutig!) gehandelt, das ist mir schon klar. So gläubig, wie Sie gu- cken, glauben Sie das auch noch. Wir reden auch die EnBW nicht schlecht, sondern lesen einfach die Bilanzen. Wir lesen die von Herrn Claassen ge- (Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Ja- gebenen Interviews, und das können auch Sie. In diesen Bi- wohl!) lanzen steht, dass sich das Finanzanlagevermögen im Kon- – Das glaube ich. Das haben Sie verinnerlicht. – Noch ein- zern um 280,3 Millionen € verringert hat, die bilanzielle mal: Wir wollen die Verträge sehen. Wir wollen wissen, Eigenkapitalquote im Konzern einschließlich der Fremdan- wie das war. Meine sehr verehrten Damen und Herren, teile im ersten Halbjahr von 9,9 auf 6,1 % zurückgegangen wenn wir das nicht erfahren, gibt es noch eine andere Mög- ist und sich die Verbindlichkeiten gegenüber den Kredit- lichkeit, Herrn Goll zu befragen und alles aufzuarbeiten. instituten auf ca. 4,5 Milliarden € und die Anleiheverbind- lichkeiten auf ca. 3,7 Milliarden € belaufen. Das sind Infor- (Abg. Pfister FDP/DVP: Noch einen Untersu- mationen, die jeder nachlesen kann. Das haben wir auch ge- chungsausschuss!) macht.

3487 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Kretschmann)

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie hier darüber Auskunft ge- an dem das Land früher 25 % der Anteile gehalten hat, die ben. Sie sitzen im Aufsichtsrat und nicht wir. Das haben Sie es aber vor vier Jahren verkauft hat. aber nicht gemacht. (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe Wir haben noch einmal darauf hingewiesen – dem sind Sie von der CDU: So ist es! Unglaublich!) ausgewichen –, dass – auch das steht im Bericht der EnBW – in die Rückstellungen für die Stilllegung von Atomkraft- Sie, Herr Kretschmann, sagen: Wir sitzen nicht im Auf- werken eingegriffen worden ist, um die Mittel für die Ein- sichtsrat. Ich sitze auch nicht im Aufsichtsrat. Ich habe über käufe zu bekommen. Dazu haben Sie sich nicht geäußert. die Geschäftspolitik der EnBW der letzten vier Jahre so we- Ich fordere Sie auf, das zu tun. Das hier zu erläutern, dazu nig Informationen wie Sie. haben Sie eine besondere Pflicht; denn die Mittel werden damit zweckentfremdet. (Zurufe von der SPD) – Ich spreche über die Geschäftspolitik. Darüber bin ich Ich kann zusammenfassen: Sie sind auf unsere Vorhaltun- nicht informiert, und dazu kann ich auch nicht Rede und gen nicht eingegangen. Diese haben sich auf das bezogen, Antwort stehen. Ich beteilige mich auch nicht an einer völ- was jeder nachlesen kann. Sie haben sich auf die Aussagen lig unzulässigen Debatte, die im System einer sozialen von Herrn Goll bezogen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Marktwirtschaft, in dem Unternehmen frei sind und nicht Schürle hat gesagt: Herr Goll ist ein Ehrenmann. staatlicher Kontrolle unterliegen, geradezu grotesk ist. Das muss ich einmal sagen. (Zuruf von der CDU: Schüle?) (Beifall bei der CDU) – Herr Schürle hat das gesagt. – Also gab es offensichtlich Zusagen. Sie bestreiten das. Was stimmt jetzt? Sind die Zu- Drittens: Die EdF hat angeboten, dass ein Mitglied der Lan- sagen gemacht worden oder nicht? Ist Herr Goll ein Ehren- desregierung für eine Übergangszeit noch im Aufsichtsrat mann oder nicht? ist. Sie hat die Bestimmung dieses Mitglieds ausdrücklich nicht uns überlassen, sondern hat den Aufsichtsratssitz aus- (Abg. Drexler SPD: Protokolliert!) drücklich Herrn Finanzminister Stratthaus ad personam an- geboten. Herr Stratthaus hat das Angebot als Person ange- Schließlich haben Sie ihn zum Vorstandsvorsitzenden dort nommen; er hat vorher aus seiner Kenntnis das Notwendige berufen und nicht wir. Das muss hier auf den Tisch, und wir gesagt. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass er nicht als erwarten, dass Sie dazu Stellung nehmen. Wir fordern Sie Vertreter der Landesregierung im Aufsichtsrat saß und sitzt, auf, das jetzt endlich zu machen. Die Öffentlichkeit hat ein dass ich es aber sehr begrüße, dass das Angebot gemacht Anrecht darauf. worden ist, auch wenn wir an der EdF überhaupt nicht mehr beteiligt sind. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD) Worüber ich Auskunft geben kann, ist also nicht die Ge- schäftspolitik der EnBW oder der EdF, sondern das ist al- Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Minister- lein der Kaufvertrag, den wir geschlossen haben. Über ihn präsident Teufel. kann ich allerdings Auskunft geben.

Ministerpräsident Teufel: Herr Präsident, meine Damen Meine Damen und Herren, wir haben einen Kaufvertrag und Herren! Ich finde, Verschiedenes in dieser Debatte ist noch nie mit solcher Sorgfalt vorbereitet wie diesen. Wir geradezu unglaublich. Unglaublich ist, dass der Vorsitzende haben eine erfahrene Investmentbank beauftragt, uns zu be- der SPD-Fraktion mich zitiert, mitten im Zitat aufhört und raten. Sie hat eine Ausschreibung an über 120 internationa- darauf Vorwürfe gründet, als ob es Zusagen von irgendei- le Energieversorgungsunternehmen gemacht. Sie hat die ner Stelle gegeben hätte, Angebote, die gekommen sind, gesichtet und bewertet, und sie hat eine Empfehlung abgegeben. (Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP) Nach Prüfung durch die Landesregierung hat es nach unse- von der EdF, von der EnBW, von der Landesregierung, von rer festen Überzeugung überhaupt keine Alternative zum Vertragspartnern, als ob in Zukunft nie Arbeitsplätze abge- Verkauf des Anteils an die EdF gegeben. baut würden. Das war vorhin der Hauptvorwurf, gegründet auf einem völlig unzutreffenden Zitat. Ich muss das mit al- (Abg. Kübler CDU: So ist es!) ler Entschiedenheit zurückweisen. Ich finde aber auch, dass sich die EdF als absolut seriöser (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ Partner gegenüber dem Land Baden-Württemberg erwiesen DVP) hat.

Zweitens: Ich halte es für unglaublich, dass hier im Landtag Ich möchte zunächst einmal festhalten, dass wir einen Kauf- über die Geschäftspolitik eines Privatunternehmens disku- preis von 4,7 Milliarden DM erzielt haben. Das entsprach tiert wird, einem Kurs von 38,44 € pro Aktie. Der Börsenwert des ver- kauften Aktienpakets liegt heute um 29,76 % niedriger. Wir (Beifall des Ministers Dr. Döring – Minister Dr. Dö- hätten also überhaupt keinen günstigeren Zeitpunkt für den ring: Sehr gut!) Verkauf des Aktienpakets finden können.

3488 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Ministerpräsident Teufel)

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ So etwas könnte man einem doch einmal abnehmen. Mir ist DVP) überhaupt nicht klar, warum die gleichen Fragen immer wieder gestellt werden. Wir haben dem Land Vermögen erhalten und legen es so an, dass es den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes Welche Ziele haben wir mit dem Verkauf verfolgt? Wir ha- nachhaltig für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung steht. ben das Ziel der Sicherung der Eigenständigkeit und der Es handelt sich um eine unglaubliche Summe. Entwicklungsmöglichkeit der EnBW verfolgt. Lesen Sie einmal nach, was vor 14 Tagen in der „Süddeutschen Zei- Nicht das Land war Verkaufspartner. Das Land hat seine tung“ über den Verkauf der bayerischen Anteile an Eon Anteile vor Jahren an eine Holding verkauft und dafür 800 stand. Alles ist nach Düsseldorf gegangen, und in München Millionen DM Schulden aufgenommen; das war damals der ist nichts mehr; die Enttäuschung ist groß. Wert. Die Schulden von 800 Millionen DM sind getilgt worden, und die Differenz zwischen 4,7 Milliarden und 800 Wir wollten, dass die EnBW nicht eine Filiale eines ande- Millionen DM steht dem Land zur Verfügung. Dieses Par- ren Unternehmens wird, sondern dass ihr Sitz hier im Land lament hat das Geld für eine dritte Zukunftsoffensive Junge bleibt, Wertschöpfung stattfindet und Arbeitsplätze erhalten Generation und für die Gründung einer Landesstiftung ein- bleiben. Das war unsere Absicht. gesetzt. (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ Auf einen Punkt bezüglich der Anlage muss ich noch einge- DVP) hen – obwohl das schon 10- oder 15-mal in diesem Haus Wir wollten auch, dass hier weiter Stromerzeugung stattfin- gesagt worden ist –, weil immer wieder das Gegenteil ge- det und die EnBW nicht zu einem Handelsunternehmen sagt wird: Die Gemeinnützigkeit ist nicht durch den Ver- wird. Wir wollten einen standortpolitischen Mehrwert für kauf entstanden, sondern die Gemeinnützigkeit war schon dieses Land erreichen. Das war die Zielsetzung. gegeben, bevor die Anteile verkauft worden sind. Deswe- gen gab es auch gar nichts anderes als eine gemeinnützige Nächster Punkt: Heute wird gesagt – das ist einer Ihrer Anlage. Hauptvorwürfe, die Sie in den Raum stellen; er trifft natür- lich überhaupt nicht uns –, die EdF habe Kapitalerhöhungen Nun, meine Damen und Herren, muss ich Ihnen zwei Dinge versprochen – von ihnen weiß ich nichts – und habe dies zur Einhaltung des Kaufvertrags sagen. nicht eingehalten. Unser Bemühen war – im Auftrag des Nach meiner Erinnerung hat das Finanzministerium auf Landtags – genau gegenteilig ausgerichtet, nämlich dass die meine Bitte hin den Kaufvertrag in den letzten Tagen noch EdF nicht einseitig Kapitalerhöhungen vornimmt und in den einmal Punkt für Punkt nachgeprüft. Nach der ausdrückli- Besitz der Mehrheit der EnBW kommt. chen Auskunft des Finanzministeriums und des Finanzmi- (Beifall bei der CDU) nisters, die er vorhin ja vorgetragen hat, ist jeder einzelne Punkt des Kaufvertrags eingehalten – bis zum heutigen Das war doch eine der Hauptforderungen, die an uns stän- Tag. dig gestellt worden ist. Darum haben wir uns bemüht. Hier gebührt das Hauptverdienst den OEW. Es ist unglaublich, Nun haben Sie auf der Strecke mehrfach nachgefragt, ob es wie Sie vorhin in der Debatte mit den OEW umgegangen Nebenabreden oder irgendwelche Zusatzvereinbarungen sind. Ich habe vor den Eigentümern der OEW die größte zum Vertrag gebe. Die Landesregierung hat gegenüber dem Hochachtung. Parlament schriftlich mehrfach erklärt: Es gibt keine Ne- benabreden. Es gibt weder mündlich noch schriftlich Ne- (Beifall des Abg. Kiefl CDU) benabreden, sondern es gibt nur den Kaufvertrag. Sie haben eben nicht das Geld gemacht, sondern haben in Jetzt frage ich Sie einmal, nachdem wir eine solche Aus- den letzten Monaten auch im Landesinteresse gehandelt. kunft geben: Warum wiederholen Sie und wiederholen Sie Sie halten wirklich gleichgewichtig mit der EdF Anteile und und wiederholen Sie in ständigen Anfragen immer wieder haben nicht zugelassen, dass etwa die EdF – sie hat gesagt, die gleiche Frage? Was können wir denn mehr tun als zu sie strebe das nicht an, und hat das auch nicht angestrebt – sagen: „Es gibt keine Nebenabsprachen“? zu einer Mehrheit an der EnBW kommt.

Wenn Herr Goll, den ich für einen Ehrenmann halte, sagt, Was ist das für eine absurde Situation? Man drängt uns Mo- ihm seien irgendwelche Versprechungen gemacht worden, nate vonseiten der Opposition, aber auch vonseiten des gan- dann wird es wohl so sein. Aber es waren keine Verspre- zen Parlaments, darauf zu achten, dass die EdF nicht einsei- chungen vor Vertragsabschluss oder im Rahmen der Ver- tig Kapitalerhöhungen vornehmen kann. Heute wird genau tragsverhandlungen, wobei übrigens nicht Herr Goll ver- der umgekehrte Vorwurf erhoben, die EdF habe Zusagen handelt hat, sondern wir verhandelt haben – unterstützt von auf Kapitalerhöhungen nicht eingehalten. Es ist eine absur- einer Investmentbank und einem namhaften Rechtsanwalts- de Situation. Sie machen es gerade so, wie es Ihnen passt, büro – und die Verträge Punkt für Punkt erarbeitet haben. und wirklich mit der ausschließlichen Absicht, hier einfach einmal ein paar Vorwürfe in den Raum zu setzen nach dem Wir sind mit allergrößter Sorgfalt vorgegangen. In diesem Motto: Irgendetwas wird immer hängen bleiben. Zusammenhang gibt es erstens keine Absprache von der zi- tierten Art, und zweitens sind alle Absprachen, die getrof- (Beifall bei der CDU – Abg. Schmiedel SPD: fen worden sind, schriftlich fixiert und eingehalten. Staatsrat Goll hat das behauptet!)

3489 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Ministerpräsident Teufel)

Was ist im Einzelnen vereinbart worden, und was hat die überhaupt nichts mit dem Vertragsabschluss von vor vier EdF eingehalten? Es ist vereinbart worden: Jahren zu tun. Der Käufer (Abg. Pfister FDP/DVP: Nichts damit zu tun!) – also die EdF – Schauen Sie sich doch einmal die Entwicklung an, die in- zwischen erfolgt ist: Jedes der großen Energieversorgungs- wird, soweit aktienrechtlich, nach EU- und deutschem unternehmen – ich habe die Zahlen dabei, wenn Sie es ge- Kartellrecht, insbesondere unter Berücksichtigung der nau wissen wollen – hat in den letzten Jahren bis zum heuti- Eigenständigkeit der EnBW, zulässig sowie ohne wirt- gen Tag Arbeitsplätze in der Größenordnung von mehreren schaftlichen Nachteil für die EnBW möglich, im Sinne Tausend abgebaut. Die EnBW hat bislang noch keine Ar- einer dauerhaften Partnerschaft mit der EnBW nach beitsplätze abgebaut. besten Kräften darauf hinwirken, dass (Beifall des Ministers Dr. Christoph Palmer und a) die Eigenständigkeit der EnBW langfristig gewahrt des Abg. Schneider CDU) bleibt und sie insbesondere in keine unternehmensver- Ich bedaure, wenn sie Arbeitsplätze abbauen müssen; aber tragliche Abhängigkeit zur EdF-Gruppe nach §§ 291 ich habe keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik der und 292 des Aktiengesetzes gerät. EnBW. Antwort: Die EnBW ist weiterhin ein eigenständiges Unter- (Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!) nehmen, und es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die EdF die Mehrheit anstrebt. Zielsetzung und Vereinbarung Alle deutschen Lösungen wären hauptsächlich auf Kosten- wurden eingehalten. synergien und damit auf den Abbau von Arbeitsplätzen hi- nausgelaufen. Die Arbeitnehmer der EnBW haben dies er- Es ist suggeriert worden, die EnBW oder die EdF hätte Ar- kannt und sich deshalb ausdrücklich für einen Verkauf an beitsplatzgarantien abgegeben. Ich will Ihnen einmal die die EdF ausgesprochen. Ich sage also: Es gab nicht nur Formulierungen zu Buchstabe b aus dem Vertrag wörtlich größte Sorgfalt bei der Vorbereitung, sondern Zustimmung zitieren: aller zuständigen Stellen, nicht nur der Aufsichtsratsmehr- heit, sondern auch der Betriebsräte, die auf uns zugekom- . . . die Standorte der EnBW in Karlsruhe und Stuttgart men sind und damals gesagt haben, wir sollten die EdF als erhalten bleiben, insbesondere dass die künftige Ent- Partner nehmen. Das Parlament handelte damals genau so. wicklung innerhalb der EnBW den Standort Baden- Württemberg in Bezug auf Arbeitsplätze, Produktions- Meine Damen und Herren, wenn heute von der EnBW Ein- stätten, Wertschöpfung und Investitionen in den beste- sparungen im Personalbereich angekündigt werden, liegt henden Gewichtungen zwischen den Standorten Karls- dies nicht in der Verantwortung der EdF, wie der Vor- ruhe und Stuttgart und allen weiteren Standorten be- standsvorsitzende der EnBW in den letzten Tagen aus- achtet und erhält. drücklich gesagt hat. Vielmehr hängt dies auch mit der mangelnden Umsetzung der Liberalisierung des Strom- Das ist die Vereinbarung zu den Arbeitsplätzen. markts in Deutschland zusammen. Die Bewertung: Die Standorte Karlsruhe und Stuttgart so- Nächstes Zitat aus dem Vertrag, Buchstabe d: wie die Gewichtung zwischen allen Standorten blieben in den letzten vier Jahren unverändert erhalten. Bisher hat kei- . . . von der EnBW neue Geschäftsfelder zur Stärkung ne einzige Kommune bei mir irgendeine Forderung erhoben des Landes als Industriestandort erschlossen werden. und behauptet, dass die EnBW einen Standort nicht verein- Dazu wird der Käufer barungsgemäß berücksichtigt hätte. – also die EdF – Das dritte Ziel ist laut Vereinbarung wörtlich, dass die EnBW insbesondere bei industriellen Beteiligungen und in der Forschung und Entwicklung unterstützen, . . . die Erzeugungsanlagen der EnBW einschließlich soweit die Kerngebiete der wirtschaftlichen Betätigung ihrer Kraftwerksstandorte und die Wertschöpfung bei der EnBW betroffen sind und insofern dies von den fi- der Stromerzeugung im Land im bisherigen Umfang nanziellen Möglichkeiten der EnBW gedeckt ist. erhalten bleiben und die bisherigen Arbeitsplätze in der EnBW und die sozialen Belange der Arbeitnehmer (Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP) gesichert sowie neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist das ganze Zitat. Meine Damen und Herren, die Die Antwort und Bewertung: Bisher wurden weder eine Er- EnBW hat in der Forschung und Entwicklung eine intensive zeugungsanlage der EnBW noch ein Kraftwerksstandort Zusammenarbeit mit der EdF durchgeführt. Der Vertrag aufgegeben. Bis heute ist im Gegensatz zu RWE und Eon – sieht hierzu aber ausdrücklich vor, dass dies im Rahmen der die im Übrigen bei uns keine Angebote abgegeben haben – finanziellen Möglichkeiten der EnBW – nicht der EdF – ge- schieht. Dies ist ausdrücklich schon in Ihrer Pressemittei- (Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!) lung, Herr Drexler, vom 1. September und auch vorher un- terschlagen worden. Sie behaupten das einfach munter wei- im Energiebereich noch kein Arbeitsplatzabbau erfolgt. Es ter. gibt jetzt eine Ankündigung, aber diese Ankündigung – le- sen Sie einmal die Pressemitteilung – hatte schlechterdings (Abg. Drexler SPD: Ich habe das Protokoll hier!)

3490 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Ministerpräsident Teufel)

Sie wissen auch, dass die EdF 10 Millionen € für die Er- den. Dazu gehören günstige Marktpreise für Strom für richtung eines Forschungsinstituts Energie an der Universi- Unternehmen und Haushalte. tät Karlsruhe gegeben hat. Dort ist ein Ausbau auf 50 bis 55 Mitarbeiter vorgesehen. Auch dieses Versprechen ist einge- Meine Damen und Herren, hier ist beispielsweise – das halten worden. muss man sich einmal vorstellen – der Landesregierung ei- ne Strompreiserhöhung vorgeschlagen worden. Ich kann Im Übrigen verweise ich auf den schriftlichen Geschäftsbe- mich nicht erinnern, dass zu dem Zeitpunkt, als wir noch richt der EnBW 2002: Mehrheitseigner des Badenwerks waren oder 25 % Anteil Innerhalb der EdF-Gruppe leistet die EnBW als Part- an der EnBW hatten, eine Landtagsdebatte darüber stattge- ner vor allem mit ihren Demonstrationsprojekten funden hat, wenn es eine Strompreiserhöhung gegeben hat. Aber jetzt, wo wir an einem Unternehmen überhaupt nicht – Brennstoffzelle, Erdwärme, Vergärung von Biomasse und mehr beteiligt sind, wird im Landtag eine Debatte geführt Mikrogasturbinen – und werden Vorwürfe an die Landesregierung gerichtet, einen wichtigen Beitrag. Gleichzeitig kommen der dass es eine Strompreiserhöhung gegeben habe. Man muss EnBW die Ergebnisse umfangreicher Entwicklungen sich eine solche absurde Situation einmal vorstellen! der EdF-Gruppe (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP) – vor allem Blockheizkraftwerke – Morgen führen wir Debatten über die Preisgestaltung von zugute. Porsche, von Audi oder von Daimler nur deshalb, weil die Firmen ihren Sitz in Baden-Württemberg haben! Meine Damen und Herren, auch dieser Punkt ist eingehal- ten worden. Ohne den Einstieg der EdF wäre eine weitge- (Unruhe) hende Bündelung der energiewirtschaftlichen Kräfte im Meine Damen und Herren, dabei wird diese Debatte wirk- Land unter Einbeziehung der Neckarwerke Stuttgart und lich nur mit einer Teilwahrheit geführt, die dann eben zur der GVS weitaus schwieriger gewesen. Sie wissen, dass das Unwahrheit wird. Denn die EnBW hat nicht nur Stromprei- ein ganz schwieriges Unterfangen gewesen ist, an dem wir se erhöht, sondern sie hat in den letzten Jahren auch mehr- nicht beteiligt waren, das wir aber für gut befunden haben, fach Strompreise gesenkt. Sie wissen auch, dass alle Strom- weil Teile der EnBW in Richtung RWE gehen wollten. Es unternehmen in den letzten Monaten die Strompreise wie- kam zu einer Zusammenarbeit mit der EnBW, und die Kräf- der erhöht haben. Der Herr Finanzminister hat vorhin ge- te im Land sind gebündelt worden. Mit Ihrer Zustimmung sagt, woran dies liegt: Es liegt an der Gesetzgebung des haben wir auch unseren 25-%-Anteil an der GVS verkauft, Bundes. Sagen Sie das den Bürgern, und werfen Sie uns das sodass der viertgrößte deutsche Energiekonzern, nämlich nicht vor! die EnBW, im Land wirklich gestärkt worden ist. (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ Buchstabe e beinhaltet die Verpflichtung, dass DVP – Widerspruch bei der SPD – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD) . . . die EnBW in nationale und internationale Partner- schaften eingebunden wird, die ihre Position im deut- – Sie kennen die Gesetze. Schlagen Sie das doch einmal schen und europäischen Energiemarkt stärken und selbst nach: Ökosteuer, EEG, KWKG usw. ausbauen. Dazu gehören eine enge Zusammenarbeit des Käufers (Zuruf des Abg. Drexler SPD) – EdF – Als Nächstes kommt Buchstabe g: mit der EnBW und gegebenenfalls mit deren Partnern . . . die Bezugsrechte der Aktionäre der EnBW bei Ka- in Deutschland sowie gegebenenfalls ein konsortiales pitalerhöhungen gegen Geldeinlagen nicht ausge- Auftreten in Europa, soweit es für beide Seiten von schlossen werden, es sei denn, dies wäre aus strategi- Vorteil ist. schen Gründen im besten Interesse von EnBW und die Interessen der Mitaktionäre werden auch im Übrigen Antwort: EdF und EnBW arbeiten international über ge- gewahrt. meinsame Unternehmen zusammen. Ausfluss dieser Zusam- (Unruhe) menarbeit ist das Engagement der EnBW in Osteuropa und in Spanien. Eine Zusammenarbeit steht vertragsgemäß aber Antwort und Bewertung: Bezugsrechte von Aktionären unter dem Vorbehalt, dass sie beiden Seiten dient. Die Ge- wurden bisher, da eine Kapitalerhöhung nicht erfolgt ist, winnung von international vertretenen Großkunden war nur nicht ausgeschlossen. Sollte im Zusammenhang mit einer im Zusammenwirken mit der EdF möglich. Diese Großkun- ausschließlich von OEW und EdF getragenen Kapitalerhö- den erwarten von den Energieversorgern, dass sie die Ver- hung ein solcher Ausschluss erfolgen, wäre dies durch die hältnisse jeweils vor Ort bestens kennen. Nur mit der EdF, dadurch entstehende Verbesserung der Eigenkapitalquote die in einer Vielzahl von Ländern weltweit vertreten ist, im besten Sinne der EnBW. konnte dies gewährleistet werden. Es kommt Buchstabe h: Buchstabe f: . . . im Interesse der EnBW und aller Aktionäre mittel- . . . das Land als Wirtschaftsstandort gestärkt und sei- fristig eine stärkere Börsenverankerung der EnBW be- ne energiepolitischen Interessen berücksichtigt wer- trieben wird.

3491 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Ministerpräsident Teufel)

Bewertung: Die bisher nicht erfolgte stärkere Börsenveran- Grund verweigert werden kann, von den vorgenannten kerung beruht eindeutig auf der derzeitigen Kapitalmarktsi- Verpflichtungen abzuweichen. tuation und der nicht börsenreifen Situation der EnBW. Von EdF wurde und wird eine stärkere Börsenverankerung Antwort: Die EdF hat bisher keinen Antrag an das Land ge- nicht verhindert. richtet, von den eingegangenen Verpflichtungen abweichen zu können. Es ist dem Land auch nicht bekannt, dass ein Meine Damen und Herren, dann kommt Ziffer 2, die von solcher Antrag gestellt werden soll. Bedeutung ist: Meine Damen und Herren, das waren die Zusagen. Alle Das Land nimmt Kenntnis davon, dass der Käufer EdF sind eingehalten. Ich muss deshalb fairerweise und redli- und ein regionaler Partner vor dem Stichtag cherweise auch sagen, dass die EdF ihre Verpflichtungen 14. 2. 2001 gemäß diesem Vertrag eine Gesellschafter- eingehalten hat und dass alle Vorwürfe, die heute in diesem vereinbarung abschließen werden. Darin wird auf der Parlament gegen ein seriöses Unternehmen unseres Nach- Basis einer Parität dieser beiden Partner die Mehrheit barlandes Frankreich erhoben worden sind, nach meiner an der EnBW erreicht. Der Käufer verpflichtet sich, Kenntnis unberechtigt sind. weder selbst noch durch ein verbundenes Unternehmen weitere Aktien an der EnBW als die nach diesem Ver- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ trag erworbenen Aktien – 25,005 % – zu erwerben, es DVP) sei denn, dies ist nach der zuvor erwähnten Gesell- schaftervereinbarung zulässig. Zur Geschäftspolitik der EnBW nehme ich so wenig Stel- lung, wie ich im Landtag von Baden-Württemberg zur Ge- Antwort: Die Gesellschaftervereinbarung zwischen EdF schäftspolitik eines anderen baden-württembergischen Un- und den OEW als regionalem Partner wurde im Jahr 2000 ternehmens Stellung nehme. Zum Vertrag nehme ich jeder- unterzeichnet. EdF hat, um Parität mit den OEW zu errei- zeit Stellung. Wir haben nie einen besseren Vertrag abge- chen – je 34,5 % – mit Zustimmung der OEW von kommu- schlossen. nalen Aktionären der EnBW weitere Aktien hinzugekauft. (Anhaltender Beifall bei der CDU und Abgeordne- Ziffer 3: ten der FDP/DVP) Der Käufer Stellv. Präsident Birzele: Nach § 82 Abs. 4 der Geschäfts- – EdF – ordnung erhält der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Abg. Drexler, das Wort. verpflichtet sich außerdem, fünf Jahre nach dem Stich- tag nicht über die mit diesem Vertrag von der Verkäu- (Abg. Herrmann CDU: Muss nicht sein!) ferin erworbenen Aktien zu verfügen. Abg. Drexler SPD: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Antwort: EdF hält weiterhin sämtliche von der Landesstif- Ministerpräsident, nachdem Sie dem Landtag den Kaufver- tung erworbenen Aktien. trag nicht vorlegen wollen, haben Sie jetzt den Kaufvertrag im Detail zitiert und ihn uns vorgelesen. Dann können Sie Viertens: uns den Rest auch noch vorlegen. Das wäre doch okay. Das Land hat den Wunsch, dass ein Vertreter des Lan- des für fünf Jahre nach dem Stichtag dem Aufsichtsrat (Abg. Pfister FDP/DVP: Das steht doch in der der EnBW angehört. Er ist in der Ausübung seines Drucksache!) Mandats frei. Das Land wird Herrn Finanzminister Von daher gesehen, Herr Ministerpräsident, wäre es gut, Gerhard Stratthaus vorschlagen. Der Käufer verpflich- Sie könnten uns den gesamten Kaufvertrag vorlegen. tet sich, Herrn Finanzminister Stratthaus ad personam bis zum Ende der Laufzeit seines Aufsichtsratsmandats (Glocke des Präsidenten) zu akzeptieren. Nach Ablauf seines Mandats wird der Käufer die Frage einer Verlängerung für Herrn Fi- Stellv. Präsident Birzele: Herr Kollege Drexler, gestatten nanzminister Stratthaus bis zum Ablauf der fünf Jahre Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Teufel? nach dem Stichtag wohlwollend prüfen. Abg. Drexler SPD: Ja. Auch das hat die EdF eingehalten. Abg. Teufel CDU: Herr Kollege Drexler, ist Ihnen be- Ziffer 5: kannt, dass auf ausdrücklichen Wunsch des Vertragspart- ners EdF eine Bestimmung in den Vertrag aufgenommen Der Käufer wird ein Forschungsinstitut zur Energie- worden ist, dass wir den Vertrag nicht weitergeben können? wirtschaft des 21. Jahrhunderts an der Universität Karlsruhe einrichten und dafür zunächst 20 Millio- (Zurufe und Unruhe) nen DM Startkapital bereitstellen. – Es tut mir Leid. Ich kann nur sagen, was Sache ist. Wenn Bewertung: Auch diese Zusage wurde eingehalten. uns die EdF davon entbindet, habe ich nicht die mindesten Ziffer 6: Probleme, den Vertrag in vertraulicher Weise auch dem Parlament zur Verfügung zu stellen. Ich muss aber noch Der Käufer ist berechtigt, nach vorheriger schriftlicher einmal ausdrücklich darauf hinweisen – das ist Ihnen auch Zustimmung des Landes, die nicht ohne hinreichenden bekannt –, dass der Vertrag in vollem Wortlaut – es gibt

3492 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Teufel) keine Nebenabsprachen, das habe ich gesagt – dem Finanz- ans Rednerpult kommen und sich entschuldigen. Ich habe ausschuss des Landtags vorgelegen hat. heute laut Protokoll gesagt:

(Beifall bei der CDU) . . . es gab in dieser Hinsicht zwei große Debatten – hat der Ministerpräsident auf Druck des Parlaments Abg. Drexler SPD: Ja, Herr Ministerpräsident, das ist gut. und natürlich auch der CDU-Fraktion nicht mehr den Sie dürfen uns den Vertrag zwar nicht vorlegen, aber Sie Kaufpreis in den Vordergrund gerückt, sondern gesagt, dürfen ihn offensichtlich vorlesen. Deshalb hätte ich doch neben dem Kaufpreis seien noch andere Dinge wichtig, die Bitte, dass Sie den gesamten Vertrag so langsam vorle- die er mit der EdF erreichen werde. So sagte er: „Der sen, dass wir auch mitschreiben können. neue Partner muss die EnBW bei industriellen Beteili- gungen, bei Forschung und Entwicklung und bei der (Minister Dr. Christoph Palmer: Sie bekommen Erschließung neuer Geschäftsfelder zur Stärkung des doch das Protokoll! Dann können Sie es lesen!) Industriestandorts Baden-Württemberg und zur Schaf- fung möglicher Arbeitsplätze unterstützen.“ Diesen Unterschied verstehe ich nicht. Vorlesen können Sie den Vertrag, aber vorlegen können Sie ihn nicht. Jetzt las- Das ist aus Ihrer Regierungserklärung entnommen, die Sie sen Sie mich noch einmal – – in der 75. Sitzung der 12. Wahlperiode am 25. November 1999 gehalten haben, abgedruckt auf Seite 5958 des Proto- (Glocke des Präsidenten) kolls. Dort heißt es nämlich:

Stellv. Präsident Birzele: Einen Moment! Herr Kollege, es (Abg. Pfisterer CDU: Absatz usw.!) gibt weitere mündliche Anfragen, und zwar des Kollegen Stratthaus und des Kollegen Pfister. Siebtens: Der neue Partner EdF muss die EnBW bei industriellen Beteiligungen, bei Forschung und Ent- Abg. Drexler SPD: Aber Fragen. Herr Pfister redet nach- wicklung und bei der Erschließung neuer Geschäfts- her sowieso. felder zur Stärkung des Industriestandorts Baden- Württemberg und zur Schaffung möglicher neuer Ar- Stellv. Präsident Birzele: Bitte schön, Herr Kollege Stratt- beitsplätze unterstützen. haus. Punkt, aus, fertig. Sie haben nichts weiter gesagt. Ich habe Abg. Stratthaus CDU: Herr Drexler, ist Ihnen bekannt, Sie korrekt zitiert. dass der Herr Ministerpräsident nicht aus dem Kaufvertrag vorgetragen hat, (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU – Abg. Dr. Caroli SPD: Ungeheuer- (Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es! Das wollte ich lich!) auch fragen!) Ich übergebe Ihnen den Wortlaut der Regierungserklärung, die Sie gegeben haben. Sie steht auch im Protokoll. Die sondern aus der Ihnen vorliegenden Drucksache 12/5128? Drucksachennummer nenne ich Ihnen auch noch. (Lachen und Beifall bei der CDU und Abgeordne- (Der Redner übergibt einen Auszug aus dem Proto- ten der FDP/DVP – Anhaltende Zurufe von der koll über die erwähnte Regierungserklärung an Mi- CDU: Fehler, Fehler!) nisterpräsident Teufel. – Zurufe von der CDU – Abg. Teßmer SPD: Der weiß doch nicht mehr, was Abg. Drexler SPD: Natürlich. Das ist doch klar. Herr er gesagt hat! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Der Stratthaus, die kennen wir auch. Aber die Drucksache bein- zweifelt schon das Protokoll an!) haltet nicht den gesamten Kaufvertrag. (Lachen bei der CDU) Ich trage dies vor, damit man einmal sieht, was die Wahr- heit und was die Unwahrheit ist. Das, was wir kennen, brauchen Sie doch nicht vorzulesen. Das ist doch wohl logisch. Es ist ja wirklich eigenartig, dass Sie sich nicht mehr daran erinnern können. Das zeigt mir, wie weit Ihr Gedächtnis (Zurufe und große Unruhe) reicht.

– Herr Mappus, beißen Sie nicht in das Mikrofon. Halten (Oh-Rufe von der CDU) Sie sich zurück. – Es geht doch hier um Wahrheit. Herr Palmer, Sie sind Es geht darum, dass wir die Teile wissen wollen, die Sie doch vorhin so herumgetobt, haben geklatscht. Jetzt neh- uns bisher nicht gegeben haben. Zur Vorlesestunde, die Sie men Sie doch einmal zur Kenntnis, dass ich nicht die Un- vorhin abgehalten haben, möchte ich sagen: Natürlich ha- wahrheit gesagt habe. ben Sie das irgendwann einmal gemacht. Dieser Grundsatz wurde auch vom Landtag auf Antrag der Jetzt, Herr Teufel, komme ich zu Ihrer Behauptung der fal- Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP be- schen Zitate. Herr Stratthaus wird nachher vielleicht auch schlossen und ging dann auch in dieser Art und Weise in

3493 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Drexler) den Kaufvertrag ein. In der Mitteilung der Landesregierung, (Abg. Teßmer SPD: Jetzt haben sie die Hose voll! Drucksache 12/5128, ist der Beschluss abgedruckt: – Weitere Zurufe von der SPD) . . . die hierfür notwendigen Verhandlungen nach Maß- Darüber hinaus hat man es in die mittelfristige Finanzpla- gabe folgender Zielsetzungen aufzunehmen, zu führen nung eingestellt. Darüber debattieren wir und nicht über die und abzuschließen: Geschäftspolitik. Ich sage Ihnen: Damals wurde der Ein- druck erweckt – – . . . d) Unterstützung der EnBW . . . (Abg. Scheuermann CDU: Das war Geschäftspoli- tik!) Da steht genau das Gleiche, was Sie in Ihrer Regierungser- klärung gesagt haben. – Es war keine Geschäftspolitik. Es geht um eine Zusage im Kaufvertrag – „unterstützend“ –, die jetzt nachträglich als (Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist nicht falsch!) nicht finanzielle Unterstützung deklariert wird. Ich möchte einmal wissen, wer hier Geschichtsfälscher oder (Zuruf des Abg. Scheuermann CDU) Zitatenfälscher ist. Ich bin es auf jeden Fall nicht. Sie haben mich falsch zitiert, Herr Finanzminister und Herr Minister- Herr Goll hat das als finanzielle Unterstützung angesehen. präsident. Es würde Ihnen gut anstehen, nach vorne zu Deswegen hat er ja mit der EdF verhandelt. Es war doch kommen und sich für diesen Vorwurf zu entschuldigen. keine Erfindung von Herrn Goll. Jetzt reden Sie doch Ihren ersten Beamten nicht nieder, bloß weil es Ihnen nachträg- (Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU – lich nicht ins Konzept passt. Oh-Rufe von der CDU – Lachen des Ministers Stratthaus) (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen) – Dass Sie da lachen, zeigt mir, wie Sie mit Wahrheit und Klarheit umgehen. Herr Ministerpräsident, Sie haben von Anfang an die ande- ren Varianten nicht verfolgt, die RWE-Geschichte, vor al- (Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU – lem aber auch die bayerisch/baden-württembergische Vari- Oh-Rufe von der CDU) ante. Sie müssten auch von der Regierung, der ein ganz anderer (Minister Dr. Christoph Palmer: Die war doch weg, Apparat zur Verfügung steht, verlangen, dass sie hier ent- Herr Drexler!) weder nicht zitiert oder anschließend den Mut hat zu sagen: „Das war falsch, was ich gesagt habe.“ Bloß damit das klar Erzählen Sie nicht, dass bei jeder Fusion Arbeitsplätze ver- ist. loren gegangen wären. – Stimmt doch gar nicht. Die baye- risch/baden-württembergische Variante war doch nicht weg. (Abg. Carla Bregenzer SPD: Das wäre zu viel ver- Sie sind doch Mitglied der CDU-Fraktion. Erzählen Sie langt! – Abg. Dr. Caroli SPD: Ans Mikrofon, die doch jetzt keinen Stuss! Das war doch bis zum Schluss eine zwei!) realistische Variante. Jetzt noch ein paar Bemerkungen. Ich sage noch einmal, Herr Ministerpräsident: Wir haben Herrn Goll zitiert. Herr (Zurufe von der CDU – Abg. Marianne Wonnay Goll war bis Juni Vorstandsvorsitzender. SPD: Herrn Oettinger fragen!) (Ministerpräsident Teufel: Sie haben ihn zitiert!) – Ach, das war keine, was Sie im Parlament vorgebracht haben? Das ist jetzt natürlich interessant. Bisher bin ich da- – Ja, ich habe ihn zitiert. Herr Goll hat eine klare Linie ge- von ausgegangen, dass die bayerisch/baden-württembergi- zogen zwischen der Schieflage des Unternehmens und der sche Variante bis zum Schluss eine mögliche Variante war. Nichterhöhung des Eigenkapitals. Wenn Sie jetzt die These Wenn Sie jetzt sagen: „Das war alles nicht wahr“, dann vertreten, die der Herr Finanzminister vertreten hat, dass wundere ich mich, warum die CDU-Fraktion so argumen- „unterstützend“ nicht finanziell gemeint war, dann haben tiert hat – aber bitte. Sie also mit dieser Kapitaldecke ausschließlich Milliarden- beträge ausgegeben – allein 6 Milliarden für die NWS –, Wir reden nicht über Geschäftspolitik, wir sagen: Dieser ohne das mit einzurechnen, was nachgeschossen wird. Die- Kaufvertrag hatte einen bestimmten Passus, den Herr Goll se Geschäftspolitik, die Herr Stratthaus mitzuverantworten auch ernst genommen hat. Er hat verhandelt; er hatte die hatte, ist ja noch viel schlimmer. Zusagen. Herr Stratthaus hat nichts gewusst, der Herr Mi- nisterpräsident hat nichts gewusst. Die Schieflage kommt – (Zuruf des Abg. Teßmer SPD) laut Goll – eindeutig aufgrund der nicht zugeführten Kapi- talbereiche der EdF. Was daraus noch entstehen mag, Denn das, was Herr Goll machte, war doch klar. Er sagte: möchte ich jetzt gar nicht sagen – ob das auf Standorte Ich hatte die Zusage. Der Kaufvertrag war doch auch instal- Auswirkungen hat. Die Konsequenzen sind auf jeden Fall liert. Jetzt höre ich aber, dass es nicht finanziell begründet Strompreiserhöhungen war. Er ist davon ausgegangen, dass Geld fließt. Er hat mit der EdF gesprochen. Unter diesem Gesichtspunkt hat er (Zurufe der Abg. Kübler und Schneider CDU) überhaupt die Käufe durchgeführt. Das ist doch logisch. Das ist doch richtig. und die Gefährdung von 3 700 Arbeitsplätzen.

3494 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Drexler)

(Unruhe bei der CDU – Abg. Seimetz CDU: Öko- Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um steuer!) das Handzeichen. –

Mir ist natürlich klar, dass Sie das nicht hören wollen. Ich (Oh-Rufe von der SPD) beziehe mich auf die Aussage von Herrn Goll; damit müs- Gegenprobe! – sen Sie sich auseinander setzen. Wir sagen das im Parla- ment nur. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr (Abg. Drexler SPD: Die FDP/DVP auch!) schlechtes Gewissen kommt bei dieser Debatte ja zutage. Sie haben nichts beantwortet. Enthaltungen? – Abschnitt II wurde bei einer Enthaltung mit Mehrheit abgelehnt. (Zuruf des Abg. Blenke CDU) Damit ist Tagesordnungspunkt 2 erledigt. Der Ministerpräsident liest irgendwelche Vorlagen vor. Wir wollen wissen, wie der Gesamtvertrag aussieht, und werden Ich unterbreche die Sitzung bis 14:45 Uhr. dann auch sehen, was Herr Goll sagt. Was Sie heute gebo- ten haben, wird weder dem gerecht, was die betroffenen (Unterbrechung der Sitzung: 13:38 Uhr) 3 700 Arbeitnehmer zu ertragen haben, noch den Strom- kunden in Baden-Württemberg. * (Wiederaufnahme der Sitzung: 14:46 Uhr) (Abg. Marianne Wonnay SPD: So ist es! – Abg. Pfister FDP/DVP: Heiße Luft!) Stellv. Präsident Birzele: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbro- Ich sage Ihnen, dass wir an dieser Sache dranbleiben. Ich chene Sitzung wird fortgesetzt. hoffe, dass Sie nachher mit Ja stimmen, Herr Pfister, wenn wir darüber abstimmen, ob der Finanzausschuss diesen Ver- Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: trag bekommt. Dann werden wir ja sehen, ob Sie zu Ihrer Aussage stehen, dass es damit kein Problem gibt. a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung der Gemeindeord- Vielen Dank. nung für Baden-Württemberg – Drucksache 13/2282 (Beifall bei der SPD und des Abg. Kretschmann b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des GRÜNE – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP) Innenministeriums – Cross-Border-Leasing – Druck- sache 13/1885 Stellv. Präsident Birzele: Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen c) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung. Innenministeriums – US-Cross-Border-Leasing im Lichte der Rechtsprechung des BGH – Drucksache Abschnitt I des Antrags Drucksache 13/2390 ist ein Be- 13/2124 richtsantrag, der mit der Aussprache erledigt ist. – Sie stim- Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die men der Erledigterklärung zu. Begründung zu a bis c fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt. Abschnitt II ist ein Beschlussantrag. Herr Fraktionsvorsit- zender Drexler hat angekündigt, die Formulierung „dem Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer. Landtag“ durch „dem Finanzausschuss“ ersetzen zu wollen. – Ist das so richtig? Abg. Oelmayer GRÜNE: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine kleine Zeitreise mit Ihnen Abg. Drexler SPD: Ja. hier im Landtag von Baden-Württemberg durchführen. (Abg. Fischer SPD: „Dem Finanzausschuss des (Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Jules Verne!) Landtags“! – Zuruf von der CDU: Des Esslinger Gemeinderats? – Abg. Blenke CDU: Von Baden- Denken wir einmal zurück in das Jahr 1904. Württemberg! Nicht des Bayerischen Landtags!) (Abg. Blenke CDU: So weit kann ich nicht zurück- denken!) „Dem Finanzausschuss des Landtags“! Nicht dass hinterher behauptet wird . . .! Ich weiß, es wird Ihnen nicht allzu viel einfallen. Kollege Blenke ist ganz ehrlich. Er sagt gleich, so weit könne er gar (Heiterkeit) nicht zurückdenken. Ich will das aber machen, weil das ge- nau 99 Jahre her ist, wenn man in das Jahr 1904 zurück- Stellv. Präsident Birzele: Dann lasse ich jetzt über Ab- denkt. schnitt II des Antrags Drucksache 13/2390 abstimmen, wo- bei die letzten vier Worte wie folgt geändert werden: „Ver- (Abg. Junginger SPD: Rechnen kann er auch noch! einbarungen dem Finanzausschuss des Landtags von Ba- – Abg. Walter GRÜNE: Im Rechnen ist er nicht den-Württemberg vorzulegen“. schlecht!)

3495 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Oelmayer)

Damals gab es keinen Landtag, nicht in Württemberg und (Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Pauli nicht in Baden. Es gab keine parlamentarische Demokratie. CDU) Der König von Württemberg, Wilhelm II., hat das Land re- Deshalb haben wir als Fraktion GRÜNE in diesem Haus giert. mit großer Mehrheit einen Gesetzentwurf beschlossen, der dem Landtag hier zur Ersten Beratung vorliegt. Ich räume (Abg. Pauli CDU: Keine Grünen! – Heiterkeit bei gleich ein: Wir haben, was die Erarbeitung dieses Gesetz- der CDU – Abg. Fleischer CDU: Goldene Zeiten! – entwurfs und dessen Grundlagen anbelangt, glaube ich, Abg. Walter GRÜNE: Keine CDU!) auch deswegen einen guten Stand in diesem Haus, weil ja auch immer auf unser Nachbarbundesland Bayern verwie- In den deutschen Afrikakolonien kommt es zu Aufständen sen wird, wo nämlich im zuständigen Innenministerium der Hottentotten, und zwischen Deutschland und Russland ebenfalls solche Gedanken gehegt werden. Deswegen glau- wird ein zehnjähriger Handelsvertrag geschlossen. be ich, dass wir gut beraten sind, wenn wir auch in dieser Frage einmal über die Grenze schauen. (Abg. Walter GRÜNE: Besser als 99-jährig!) Dort haben – das sage ich, weil sich der Kollege sonst noch Warum erzähle ich Ihnen das? Ich will zurückfinden in die die Hand verrenkt – gerade Landtagswahlen stattgefunden, Gegenwart, nämlich in das Jahr 2003. Ich erzähle Ihnen das die ja, wie Sie wissen, für die Sozialdemokratie in Bayern einfach deshalb, weil Verträge im Rahmen von Cross-Bor- nicht so übermäßig erfolgreich waren. Deswegen wird, der-Leasing-Geschäften auf 99 Jahre abgeschlossen wer- glaube ich, letztendlich schon die jetzige Landesregierung, den. Die Zeitspanne allein, die ich Ihnen anhand eines jetzt die sich aber noch konstituieren muss, über diese Frage ent- vergangenen Jahrhunderts versucht habe darzutun, in ein scheiden. Nach meiner Kenntnis – das sage ich, um Ihr weiteres Jahrhundert hineinzuprojizieren ist für uns Grund Handwinken etwas abzudeckeln – und nach meinen Infor- genug, zu sagen: Wir können keinen kommunalen Gebiets- mationen ist es in Bayern mitnichten gegessen, ob nicht ei- körperschaften, keinen wirtschaftlichen Unternehmen, die ne ähnliche Gesetzesinitiative in den dortigen Landtag ein- von kommunalen Gebietskörperschaften getragen werden, gebracht wird. diese Verantwortung übertragen bzw. sie diese Verantwor- tung tragen lassen. Über diese Zeitspanne hinweg können Aber unabhängig davon: Wir sind hier in Baden-Württem- wir den Kommunen die Risiken, die in den Geschäften ste- berg, und wie Sie der Presse entnehmen können, stehen in cken, auf die ich nachher noch im Einzelnen kommen will, Stuttgart, in der Landeshauptstadt, Transaktionsgeschäfte nicht überantworten. mit einem Volumen von 1 Milliarde € an, und zwar nicht nur über irgendwelche Straßenbahnwagen oder irgendwel- (Beifall bei den Grünen) che Kanalnetze. Nein, es geht schon um eine neue Qualität des Cross-Border-Leasing. Jetzt geht es nämlich um die Auch noch so intelligente Verträge – darauf wird ja immer Vermietung von Schulen und anderen öffentlichen Einrich- abgehoben – von noch so großen Steuerberatungs- und An- tungen, die ich jetzt nicht im Einzelnen aufzählen möchte. waltskanzleien können politische, wirtschaftliche und vor Tatsache ist, dass die öffentlichen Einrichtungen, die dem allem gesellschaftliche Veränderungen über hundert Jahre Gemeinwohl der Kommunen in Baden-Württemberg dienen hinweg nicht vorhersehen. und die zum Teil – und darauf komme ich auch noch zu sprechen – mit nicht unerheblichen Landeszuschüssen fi- (Abg. Fischer SPD: Das ist wahr!) nanziert worden sind, jetzt für steuerbegünstigte Geschäfte Das Risikopotenzial, das beim Abschluss solcher Cross- eingesetzt werden sollen und insbesondere US-amerikani- Border-Leasing-Geschäfte über 99 Jahre zu tragen ist, führt schen Investoren zugute kommen sollen. Es ist ja nicht so, letztendlich dazu, dass wir heute nicht sagen können, was dass die Masse und der große Anteil des Barwertvorteils unsere Nachkommen in 50 Jahren an Risikopotenzial von und des Vorteils solcher Geschäfte überhaupt bei den Kom- uns übernehmen müssen, wenn wir solche Geschäfte in den munen in Baden-Württemberg landen würden. Vielmehr ist Kommunen abschließen. es so, dass der große Vorteil natürlich bei den US-amerika- nischen Investoren landet, die auch verantwortlich sind für Unter anderem aufgrund dieser grundsätzlichen Überlegun- die 1 500 Seiten starken Verträge, bei denen natürlich US- gen – ich habe jetzt nur eine dargetan; es gibt ja mehrere amerikanisches Recht gilt und bei denen New York oder Überlegungen, die man anstellen kann – stellt sich ja, wenn andere Standorte in den USA Gerichtsstand sind. der Bundesgesetzgeber jetzt ein Gesetz zur Hebung der Das alles, meine Damen und Herren, sind Themen, bei de- Steuermoral einbringt, schon die Frage, ob eine Gesell- nen wir in diesem Haus doch sagen müssen: Das ist nicht schaft, die sich durch Bund, Land und Kommunen struktu- überschaubar, das trägt Risikopotenziale in sich, die wir als riert, ob ausgerechnet diese öffentlich-rechtlichen Institutio- Landesgesetzgeber in dieser Form nicht verantworten soll- nen dann ihrerseits wiederum sozusagen für sich Steuerge- ten und, meine ich, auch nicht verantworten können. schäfte in der Form abschließen können, dass durch Bar- wertvorteile Gelder aus anderen Ländern unseren kommu- (Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Rech nalen Haushalten zufließen. Auch dies ist zumindest ein CDU) grundsätzliches Argument, das gegen solche Geschäfte spricht. Wie wollen wir denn von unseren Bürgerinnen und Ich darf Ihnen, Kollege Rech, gleich sagen: Ich bin in die- Bürgern glaubwürdig Steuermoral und Steuerehrlichkeit ser Frage nicht befangen. Es ist also nicht so, dass ich an einfordern, wenn wir selbst als Kommunen, als Gebietskör- irgendwelchen Cross-Border-Leasing-Geschäften beteiligt perschaften, als Land und Bund nicht danach verfahren? wäre.

3496 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Oelmayer)

(Abg. Rech CDU: Ein Vertrag, und Sie sind sa- Wir werden Gelegenheit haben, die Details des Gesetzent- niert!) wurfs im Ausschuss, vielleicht auch bei einer gemeinsamen Anhörung, zu diskutieren. Herr Kollege Heinz, vielleicht – Sie können ganz beruhigt sein. könnten Sie sich dazu äußern. Aufgrund der Komplexität der Materie halte ich eine Anhörung für unbedingt notwen- Ich will aber noch zwei, drei Themen nennen, die meines dig. Im Grundsatz steht für uns jedenfalls fest: Geschäfte Erachtens den Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung mit solchen Risiken für kommunale Einrichtungen können – um einen solchen handelt es sich ohne Zweifel – rechtfer- wir nicht befürworten. Wir wollen sie mit unserem Gesetz- tigen. Natürlich gehört die Finanzhoheit zur kommunalen entwurf in Baden-Württemberg verhindern. Selbstverwaltung. Aber in einem Bereich, in dem es nicht um zugewiesene Aufgaben geht wie jetzt zum Beispiel Vielen Dank, meine Damen und Herren. beim Cross-Border-Leasing, können wir als Landesgesetz- geber letztendlich darüber entscheiden, ob wir solche Ge- (Beifall bei den Grünen) schäfte im Rahmen der allgemeinen Finanzhoheit zulassen wollen. Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. Etwas anderes scheint mir aber viel wichtiger zu sein. Die Heinz. Landesregierung hat zu mehreren Anträgen, die wir einge- bracht haben, immer relativ ausführlich, aber manchmal Abg. Heinz CDU: Herr Präsident, meine Damen und Her- doch nicht ganz zutreffend Stellung genommen. Es gibt ei- ren! In einem Punkt möchte ich Herrn Kollegen Oelmayer ne vor nicht allzu langer Zeit – ich glaube, im Jahr 2002 – Recht geben: Wir bräuchten wahrscheinlich einmal eine ergangene BGH-Entscheidung, zu der ich der Landesregie- Anhörung, um alle Kollegen über Leasing-, Lease-back- rung auch Fragen zur Beantwortung vorgelegt habe. Dazu Verfahren und all die damit verbundenen Probleme aufzu- hat das Innenministerium ausgeführt: Bei dieser Materie klären. können die Rechtsaufsichtsbehörden – das wären für Cross- (Abg. Fischer SPD: Die haben wir gemacht!) Border-Leasing-Geschäfte die Regierungspräsidien – nicht in Haftung genommen werden. Das ist nämlich nicht so ganz einfach; das ist sicher ein schwieriges Rechtsfeld. Trotzdem schenke ich mir Ausfüh- Ich bin anderer Auffassung. Ich glaube sehr wohl, dass die rungen dazu, wie ein solches Geschäft funktioniert und wo Rechtsaufsichtsbehörden und somit letztlich das Land in die Risiken liegen. Sonst müsste ich meine ganze Redezeit Haftung genommen werden können, wenn es im Zusam- nur dafür verwenden. menhang mit einem Cross-Border-Leasing-Geschäft zum Worst Case kommt. Stellen Sie sich einmal vor, ein Cross- (Abg. Stickelberger SPD: Das wissen wir! – Zuruf Border-Leasing-Geschäft mit einem Transaktionsvolumen des Abg. Oelmayer GRÜNE) von 1 Milliarde € geht schief. Dann ist die Stadt Stuttgart nie und nimmer in der Lage, die Schadenersatzproblematik Ich will nur eines feststellen, lieber Kollege Oelmayer: Das allein zu meistern. Selbstverständlich würde dann das Land ist nichts Neues. Die Leasing- und Lease-back-Geschäfte in Anspruch genommen werden. gibt es im kommunalen Sektor schon seit Anfang der Neun- zigerjahre. Für Flugzeuge und für Immobilien gibt es sie in Ein Letztes, was ich bei der Einbringung des Gesetzent- einer eigentlich weltumspannenden Art und Weise schon wurfs nennen will, ist das Zuwendungsrecht; ich habe es viel, viel länger. Ich habe gelesen, dass Deutschland in die- schon angesprochen. Bei der Stellungnahme der Landesre- ser Hinsicht eigentlich ein Entwicklungsland ist. gierung kann es nicht bleiben. Sie sagt: Es war nicht vorher- sehbar, dass man die Landeszuschüsse, die für Abwasser- Trotzdem, wenn man Bilanz zieht: In Deutschland werden oder Kanalnetze, Schulhäuser und andere kommunale Ein- etwa 150 Leasinggeschäfte genannt, und die meisten davon richtungen gezahlt worden sind, in die USA verleast; des- finden sich im rot-grün-regierten Nordrhein-Westfalen. wegen kann man nichts zurückfordern. Das kann man ja für Jetzt könnte man sagen – Sie haben das in Ihrer Initiative ja die Vergangenheit vielleicht so stehen lassen. Aber jetzt geschrieben –, eine der Ursachen dafür, dass sich in letzter wird es sicher darum gehen müssen, dass man für künftige Zeit gerade Kommunen verstärkt auf diesem Geschäftsfeld Situationen entsprechende Rückforderungsregelungen in engagieren, sind sicherlich die Finanznöte, in denen sich die Zuwendungsbescheide aufnehmen muss, wenn man sol- die Kommunen befinden. Die Finanznöte in Nordrhein- che Geschäfte will. Westfalen wiederum sind wahrscheinlich besonders groß. Man kann jetzt darüber rätseln, weshalb das so ist. Interessanterweise bekommen wir als Fraktion GRÜNE – das entnehme ich der Presse – Schützenhilfe von der Lan- (Zuruf des Abg. Stickelberger SPD) desregierung, was mich natürlich sehr freut. Der Finanz- minister hat sich am 26. September in den „Stuttgarter Vielleicht beantworten Sie die Frage einmal selbst. Nachrichten“ dahin gehend geäußert, dass solche Geschäfte Ich habe mir sagen lassen – das kann man ja im Internet re- aufgrund der bestehenden Risiken zumindest für das Land cherchieren –: Es handelt sich um 19 Kommunen, die einen nicht in Betracht kommen. Barwertvorteil – das ist nicht der Umfang des Volumens, (Zuruf des Abg. Nagel SPD) das Sie vorhin genannt haben; der Barwertvorteil ist auch ein Kriterium – von allein 345 Millionen € erzielen. Das Ich hoffe, Herr Innenminister, dass Ihr Ministerium zu der heißt, es sind allein an Kommunen in Nordrhein-Westfalen gleichen Überzeugung kommt. gigantische Summen geflossen.

3497 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Heinz)

Man muss sich dann, wenn man so etwas generell verbietet, schäfte zu prüfen. Mir hat ein Kollege in der Fraktion ge- natürlich schon fragen: Wo kommt das Geld dann her? Sie sagt: „Das gibt dann ein Stadt-Land-Gefälle.“ Das ist eben haben zu Recht die Frage nach dem amerikanischen und so. Manches kann man nicht anders organisieren. Aber ich dem deutschen Steuerzahler angesprochen. Ich hoffe, Sie denke, es ist klar, dass dann in diesen großen Städten auch wissen, dass der Barwertvorteil auch nach deutschem Recht ein Rückhaltevolumen vorhanden wäre, um ein solches Ge- versteuert werden muss. Da besteht also auch ein gewisser schäft nicht nur gut betreuen, sondern auch im Risikofall Gewinnanteil des deutschen Fiskus. entsprechend verfahren zu können. (Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE) Aber die CDU-Fraktion – um auch das noch einmal klarzu- stellen – sieht aktuell keinen Anlass, Cross-Border-Leasing- Sie haben am Anfang gefragt – auf meinem Zettel steht Geschäfte generell zu verbieten. Ich muss Ihnen an ein paar noch ein Stichwort –: Was war vor 99 Jahren? Jetzt frage Punkten vielleicht noch einmal ausführen, weshalb ich aber ich Sie, ob Sie wissen, was im Jahr 1978 war. in gewissen Punkten Handlungs- und Regelungsbedarf sehe. (Abg. Blenke CDU: Da bin ich volljährig gewor- Es geht zum Beispiel um die Frage des Barwertvorteils bei den! – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE) gebührenfinanzierten Einrichtungen. Da sehe ich auch einen Handlungsbedarf. Ich persönlich bin der Auffassung, dass – Habe ich fast vermutet. Die Grünen gab es damals, glaube in diesem Bereich der Barwertvorteil für die gebührenfinan- ich, schon. Ich frage das deshalb, weil Sie ja wissen, dass zierte Einrichtung verwendet werden muss. Das halte ich ei- Sie nicht unbedingt 99 Jahre an das Geschäft gebunden gentlich für sinnvoll. Wir können jetzt noch abwarten, bis sind. Vielmehr können Sie schon nach 25, 26 Jahren wieder ein höchstrichterliches Urteil kommt. Es gibt in Nordrhein- aussteigen. Im Jahr 1978 war die Papstwahl – nur damit das Westfalen schon ein entsprechendes Urteil bezüglich eines auch einmal in die Debatte eingeführt ist. Mir hat Kollege Müllverbrennungswerks. Blenke noch zugerufen, er sei da gerade in die Oberstufe gekommen. Wenn Sie das auch noch interessieren würde – – (Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE) (Abg. Blenke CDU: Nein, das war 1977! 1978 bin Dann kommt ein höchstrichterliches Urteil, wonach – das ich volljährig geworden! – Zuruf des Abg. Oel- ist meine Einschätzung – wir das generell so tun müssen. mayer GRÜNE) Auch das Ministerium empfiehlt ja, in den Kommunen so zu verfahren. – Und er wurde sogar noch volljährig. Sei’s drum. Das war eine scherzhafte Arabeske. (Glocke des Präsidenten) Ich will eines feststellen, wobei wir übereinstimmen – Sie Stellv. Präsident Birzele: Herr Kollege Heinz, gestatten haben das auch noch einmal klar gesagt –: Es handelt sich Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schmid? bei Cross-Border-Leasing-Geschäften um Geschäfte der kommunalen Selbstverwaltung. Das müssen wir wohl im Abg. Heinz CDU: Bitte. Einvernehmen feststellen. Die Kommunalaufsicht prüft na- türlich auch. Aber sie prüft nur – das ist ja in der Stellung- Stellv. Präsident Birzele: Bitte schön, Herr Schmid. nahme zu Ihrer Initiative klar gesagt worden – den Kredit- geschäftsanteil, der im Cross-Border-Leasing mit enthalten Abg. Schmid SPD: Herr Heinz, weshalb schlagen Sie dann ist, und die kreditähnlichen Geschäfte oder auch – als Bei- keine entsprechende Änderung des Kommunalabgabenge- spiel – Bürgschaften und Garantieerklärungen. Dies wird ja setzes vor? im Prinzip geprüft. Abg. Heinz CDU: Weil ich denke, dass wir erst einmal die Dann kann es bei der Haftung, die Sie angesprochen haben höchstrichterliche Rechtsprechung abwarten müssen. Es ist und die nach dem BGH-Urteil in einem ganz anderen Fall einfach wichtig, das Urteil zu kennen, damit wir uns da auf gegeben war, auch nur um eine Haftung für dieses Segment einem gesicherten Feld bewegen. Wir müssen auch einmal gehen. Die gesamte Verantwortung für Cross-Border-Lea- schauen, wie es die anderen Bundesländer machen. Kollege sing liegt bei der Gemeinde, in diesem Fall beim höchsten Oelmayer hat ja nur Bayern erwähnt. Der dortige Entwurf Organ, dem Gemeinderat. Ich glaube, es ist klar, dass die ist zwar lobenswert, aber die Bayern haben ihn ja im Mo- Haftung dann nur für diesen einen Teil gelten kann. ment gestoppt. Und von den anderen Bundesländern verhal- ten sich nach meiner Kenntnis nur Mecklenburg-Vorpom- Auch wird geprüft, ob die Kommune leistungsfähig genug mern reserviert und Schleswig-Holstein ablehnend. Alle an- ist, um im Fall der Haftung auch die erforderliche Abde- deren Bundesländer verhalten sich eigentlich eher zustim- ckung erbringen zu können. Ich würde es auch ablehnen, mend, und das Geschäft wird gemacht. Bayern hat seinen dass der Staat dann einspringen müsste und diese Haftung Entwurf wieder zurückgezogen. Wir müssen aber gelassen über irgendwelche Garantieerklärungen, einen Ausgleich- abwarten, was aus Bayern noch kommen wird. stock oder anderes quasi mit abdecken müsste. Auch dafür würde ich mich nicht aussprechen. Aber dies wird ja ge- Ich will noch auf einen zweiten Punkt hinweisen, den ich ei- prüft. gentlich geklärt sehe, bei dem wir aber die entsprechenden Richtlinien Stück für Stück ändern müssen. Sie haben die Sie müssen auch sehen – das ist die Praxis; das wissen auch Frage angesprochen: Was geschieht, wenn eine Einrichtung Sie –, dass im Prinzip nur große Städte diese Geschäfte ma- mit einem Landes- oder Bundeszuschuss gebaut worden ist? chen, in denen das Know-how vorhanden ist, um diese Ge- Das Land hat bereits für den Bereich Schienenfahrzeuge

3498 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Heinz) geregelt, dass in einem solchen Fall 25 % eines später ein- Wir haben aus der Anhörung der nordrhein-westfälischen tretenden Barwertvorteils wieder dem Land zugute kommen Grünen im November 2002 jedenfalls einiges gelernt, weil müssen. Insofern ist diese Regelung klar, und ich denke, dort die Risiken sachgerecht dargestellt worden sind und man wird auch bei anderen Zuschüssen an Kommunen das Für und Wider abgewogen wurde. Auch dort war schon überlegen müssen, ob wir eine solche Bestimmung mit auf- das zentrale Thema: Wie ist es mit der kommunalen Selbst- nehmen. verwaltung?

Ich habe am Anfang gesagt, dass diese Cross-Border-Lea- Ich könnte jetzt 20 Gründe dafür aufzählen, warum die US- sing-Geschäfte seit mehr als zehn Jahren eigentlich auch bei Cross-Border-Leasing-Geschäfte unter steuerlichen, juristi- uns üblich sind, und ich will am Ende sagen: Ich meine, schen und betriebswirtschaftlichen Aspekten mit Risiken wenn die Rahmenbedingungen eingehalten sind und damit verbunden sind. Wir selbst haben aber am 26. Mai dieses das Risiko minimiert wird, kann man generell auch nichts Jahres mit Befürwortern und Gegnern, mit Banken und mit gegen diese Geschäfte sagen. Vertretern des Innenministeriums auch eine umfangreiche Anhörung gemacht und sind zu dem Ergebnis gekommen, (Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Glück FDP/ dass es nicht gerechtfertigt ist, in die kommunale Selbstver- DVP) waltung einzugreifen, weil wir ganz unterschiedliche Ge- Stellv. Präsident Birzele: Meine Damen und Herren, unter schäfte mit unterschiedlichen Risiken haben. Es gibt aller- unseren Gästen auf der Zuhörertribüne gilt mein besonderer dings grundlegende Spielregeln, die dabei beachtet werden Gruß dem Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, müssen. Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nieder- sachsen, Herrn Hans-Heinrich Ehlen. Das heißt, wir werden Ihren Gesetzentwurf im Innenaus- schuss vertieft diskutieren. Ich merke nur an: Auch hand- (Beifall im ganzen Haus) werklich ist dieser Gesetzentwurf unzulänglich, weil an mehreren Stellen unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet Herr Minister Ehlen hält sich auf Einladung seines Amts- worden sind, die sich nicht aus sich heraus definieren las- kollegen, Herrn Stächele, hier zu einem eintägigen Besuch sen. Was ist denn etwa ein „normales“ Geschäft? Was ist auf. ein „risikobehaftetes“ Geschäft? Herr Minister Ehlen, ich darf Sie hier im Plenum des Land- (Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE) tags von Baden-Württemberg herzlich willkommen heißen und Ihnen einen guten und informativen Aufenthalt in Ba- Da hätten Sie schon sagen müssen, wo die Grenzen sind, den-Württemberg und in Stuttgart wünschen. weil bei jedem Cross-Border-Leasing-Geschäft die Unter- schiede deutlich wahrzunehmen sind, wenn man sich damit Das Wort erhält Herr Abg. Junginger. einmal auseinander setzt. Abg. Junginger SPD: Herr Präsident, meine Damen und Das Nächste ist, dass wir ursprünglich wirklich auch auf die Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Oelmayer, das Ers- bayerische Regelung gesetzt hatten. Wir haben das hier the- te in diesem Zusammenhang wäre ja wohl, bei den Grünen matisiert, als dort ein Gesetzentwurf vom Kabinett verab- einmal eine einheitliche Haltung herbeizuführen. Es waren schiedet war, haben dann aber die Argumente des Baye- die nordrhein-westfälischen Grünen, die als erste im No- rischen Städtetags nachvollzogen und aufgenommen, was vember 2002 eine große Informationsveranstaltung durch- dazu führte, dass dieser Gesetzentwurf nicht ins Parlament geführt und sich mit dem Für und Wider auseinander ge- eingebracht worden ist, und zwar aus nachvollziehbaren setzt haben. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass in und guten Gründen. Kenntnis aller Risiken derartige Geschäfte unter kommuna- len Gesichtspunkten gerechtfertigt seien. Da wir nur sehr wenig Zeit haben, möchte ich einmal sagen, welche generelle Position wir beziehen. (Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE) Es gibt Risiken bei einem solchen Thema, die jeder einzel- Das nächste Thema: Auch die Stadt Stuttgart hat mit ihrem ne Gemeinderat vor Augen haben muss. Das sind die steu- zuständigen Bürgermeister und den Mitgliedern der Ge- erlichen Risiken, die Bonitätsrisiken, die Anlagerisiken meinderatsfraktion – – (Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE) (Abg. Oelmayer GRÜNE: Stuttgart lehnt die Ge- schäfte ab, Herr Junginger!) und das Risiko, die gesellschaftsrechtliche und operative Flexibilität zu verlieren. Diese Risiken können allerdings – Langsam. Da kann man dann als Erstes einmal antreten dann aufgefangen werden, wenn eine entsprechende Trans- und all das vortragen, was hier war. Das fällt uns schon auf, aktion sorgfältig vorbereitet, verhandelt und abgestimmt weil man nicht einerseits auf der örtlichen Ebene sagen worden ist. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass kann: „Wir sind dafür und wollen das“, und andererseits auf die Kommune auch während der Vertragsanbahnungsphase der überörtlichen Ebene sagen kann: „Das müssen wir ge- ohne Zusatzkosten aussteigen kann. Da haben gewisse Ge- nerell untersagen.“ Das fällt mir auf. meinden schon unangenehme Erfahrungen gemacht. Mitt- lerweile ist in allen Vorgesprächen sicherzustellen, dass bei (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und Abbruch der Verhandlungen keinerlei Kosten für die Kom- der FDP/DVP) mune entstehen. Das lässt sich erreichen.

3499 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Junginger)

Der finanzielle Ertrag – der Barwertvorteil – muss in einem Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. angemessenen Verhältnis zu den übernommenen Risiken Dr. Glück. stehen. Dafür ist eine sorgfältige Risikoabwägung erforder- lich. Das Geschäft muss den Prinzipien ordnungsgemäßer Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Herr Präsident, meine sehr ver- Haushaltsführung entsprechen. Zu prüfen, ob das Geschäft ehrten Damen und Herren! In der Zwischenzeit gibt es mehr ordnungsgemäßer Haushaltsführung entspricht, ist auch als 150 Kommunen und Zweckverbände, die Cross-Border- wieder etwas, was dann in der Verantwortung der Kommu- Leasing-Verträge abgeschlossen haben. In der Stadt Stutt- nalaufsicht liegt. gart betrifft das allein drei Kläranlagen. Auch die gesamte Bodenseewasserversorgung hat einen solchen Vertrag abge- Unter Berücksichtigung der langfristigen Bindung ist die schlossen und konnte ihren Wasserpreis immerhin um 7 % Auswahl des Wirtschaftsguts sehr gründlich vorzunehmen. reduzieren. Im Augenblick liegen noch viele Prüfungen vor, Nicht alles, was im Gemeindebestand ist, eignet sich für ein ob es für Kommunen sinnvoll ist, so etwas zu machen. derartiges Geschäft. Es kommt darauf an, dass es langfristig auch das eigene Bedürfnis gibt, derartige Einrichtungen in Meine Damen und Herren, wir haben da von unserer Frakti- Funktion zu erhalten. on her wenig Emotionen. Diese Verträge können erhebliche Es ist dringend zu empfehlen, einen unabhängigen Berater Vorteile für die Kommunen bringen, zumindest solange die hinzuzuziehen, der aus der Fachkompetenz heraus auch auf amerikanische Steuergesetzgebung so bleibt, wie sie im Au- Risiken und Probleme hinweist. Das ist besonders eindeu- genblick ist. tig, wenn man weiß, dass 1 000-seitige Verträge in engli- scher Sprache mit einem amerikanischen Gerichtsstand Es ist ganz selbstverständlich, dass auch Nachteile und Ri- amerikanisches Recht wiedergeben. Da ist natürlich klar, siken damit verbunden sind. Zunächst einmal – darauf wur- dass eine mittlere oder kleine Gemeinde, die meint, sie kön- de schon hingewiesen –, Herr Oelmayer, sind das Vertrags- ne sich selbst verantwortlich damit auseinander setzen, werke mit 1 000, 1 200 oder noch mehr Seiten. hoffnungslos aufgeschmissen ist. (Abg. Oelmayer GRÜNE: In englischer Sprache!) Nach unserer Meinung ist vor Abschluss der Transaktion auch die Rechtsaufsichtsbehörde zu beteiligen. In Abstim- – Jawohl, die sind in englischer Sprache abgefasst. mung mit ihr sind einzelne Schritte bis zum Abschluss des Vertrags durchzuführen. (Abg. Oelmayer GRÜNE: Das prüft dann die Rechtsaufsicht?) Das beinahe Wichtigste ist dann, dass ab dem Abschluss des Vertrags über die gesamte Vertragslaufzeit ein Risiko- Die basieren auf amerikanischem Recht. Darüber hinaus be- management eingerichtet wird, weil Dinge betroffen sind, steht sicherlich auch ein Währungsrisiko. Aufgrund der lan- bei denen immer wieder aufs Neue nachgedacht werden gen Vertragsdauer ist es auch durchaus möglich, dass sich muss, wie sich das Geschäft entwickelt. während der Laufzeit die Rahmenbedingungen ändern. Selbstverständlich ist die Rechtslage bei der Frage der Ein- Meine Damen und Herren, ich will es kurz machen. Unsere bindung des Barwertvorteils in den Gebührenhaushalt unsi- Fraktion vertritt folgende Position: Haushaltspolitisch sollte cher. Da tendieren auch wir zu der Ansicht, dass der Bar- man nicht mehr Geld ausgeben, als man zur Verfügung hat. wertvorteil selbstverständlich wieder in den Gebührenhaus- Man sollte das Cross-Border-Leasing nicht nur als Einnah- halt eingebracht werden soll, was dann das Interesse an der- mequelle für das schnelle Geld sehen und damit die Proble- artigen Geschäften nachhaltig reduzieren könnte. Wir sind me von jetzt auf spätere Zeiten verschieben. Wir sind der auch der Meinung, dass Förderbeträge zumindest zu erheb- Meinung, dass die Gebühren für den Bürger entsprechend lichen Anteilen zurückverlangt werden müssen und dass das gesenkt werden müssen, wenn solche Verträge abgeschlos- mit Blick auf künftige Geschäfte selbstverständlich auch in sen werden. die Förderbescheide aufgenommen werden soll. (Abg. Oelmayer GRÜNE: Das ist aber nirgends Im Hinblick auf die derzeit unsichere Rechtslage empfehlen passiert!) wir, derartige Einnahmen von vornherein auch in den Ge- bührenhaushalten zu berücksichtigen. Wir werden, Herr Für uns ist auch vorstellbar, dass Schuldentilgungen – – Kollege Oelmayer, auch besprechen müssen, dass seit dem 26. August 2003 in Sachsen eine Verwaltungsvorschrift, die (Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE) vom Innenministerium und vom Finanzministerium gemein- sam erarbeitet worden ist, Vorgaben für die kommunale – So ungewöhnlich ist das nicht. Rechtsaufsicht gibt und regelt, was bei derartigen Geschäf- (Abg. Oelmayer GRÜNE: Ich sage nur: Sie wurden ten zu beachten ist. Ich glaube, dass auch im Land Baden- nicht erhöht!) Württemberg über derartige Vorgaben miteinander disku- tiert werden müsste. – Na, Herr Oelmayer, darüber können wir uns einmal unter- halten. Ihren Gesetzentwurf können wir in der Form, in der er ge- genwärtig auf dem Tisch liegt, nicht unterstützen. (Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE) Danke. Es sollten darüber hinaus Schuldentilgungen vorgenommen (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU) werden. Selbstverständlich wird auch in künftige Förderbe-

3500 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Dr. Glück) scheide aufgenommen werden müssen, inwieweit gewisse onen – mit Ausnahme Ihrer Fraktion und Ihrer Person, Herr Rückzahlungen zu erfolgen haben, wenn eine Kommune ei- Oelmayer – der Auffassung, dass wir diese Finanzierungs- nen Cross-Border-Leasing-Vertrag abschließt. art nicht verbieten sollten. Man muss – und dies erfolgt ja – die Kommunen auf das Risiko aufmerksam machen. Bei Wir lehnen – das wird für Sie nicht überraschend sein – den solch schwierigen und letztlich irgendwo auch risikoträchti- Gesetzentwurf der Grünen ab. gen Geschäften wird man sicherlich die Rechtsaufsicht for- dern müssen. (Abg. Oelmayer GRÜNE: Doch, das überrascht mich jetzt schon!) Es besteht überhaupt kein Widerspruch zu der Aussage des Finanzministers, wonach ein solches Instrument für das Wir wollen uneingeschränkt, dass die Kommunen selbst da- Land nicht infrage komme. Ich würde mich als Bürgermeis- rüber entscheiden können, ob sie einen solchen Vertrag ab- ter oder Oberbürgermeister vermutlich auch nicht gerne in schließen wollen. Wir wollen nicht dazu beitragen, dass die solche Finanzierungsarten begeben. Aber daraus den Kommunen in diesem Punkt zusätzlich gegängelt werden. Schluss zu ziehen, dass es den Kommunen sozusagen ver- boten werden müsse, geht uns allen – mit Ausnahme von (Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP und Ihnen – doch zu weit. Wir sollten bei dem Grundsatz blei- bei der CDU) ben, gegen den leider von allen Seiten oft verstoßen wird, dass die Kommunen über möglichst viele ihrer eigenen An- Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Innenmi- gelegenheiten selber entscheiden sollen. nister Dr. Schäuble. (Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP) Innenminister Dr. Schäuble: Herr Präsident, meine Da- men und Herren! Herr Kollege Oelmayer, nach der ersten Es sind gewählte Damen und Herren im Gemeinderat, und Runde habe ich das Gefühl, dass es für Ihren Gesetzentwurf auch der Bürgermeister ist vom Volk gewählt. Das ist aller- nicht besonders gut aussieht. dings natürlich auch, abgesehen von der speziellen Aufgabe der Rechtsaufsicht, immer mit der klaren Konsequenz ver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit – bunden, dass sie für ihre Entscheidungen dann auch selber Abg. Oelmayer GRÜNE: Es sei denn, Sie halten die Verantwortung tragen. Wenn wir diesen Grundsatz jetzt ein flammendes Plädoyer dafür! Das wäre nicht beherzigen, kommen wir von der deutschen Krank- doch einmal etwas! – Gegenruf des Abg. Junginger heit, wie ich immer sage, schon überhaupt nicht weg und SPD: Das dürfte ihm schwer fallen!) damit auch nicht zum Abbau von Bürokratie. Deshalb: nicht immer neue Gängelvorschriften an die Adresse anderer aus- – Ich bin ja bereit, Ihnen fast jeden Gefallen zu tun, aber denken. damit überfordern Sie mich jetzt. Ich bitte Sie daher um Verständnis. Das wird Sie nicht Wie jede Plenardebatte habe ich auch diese Debatte sehr überraschen. Wir können das Thema auch noch einmal im sorgfältig verfolgt. Ich kann an Ihre Adresse gerichtet trös- Innenausschuss diskutieren, aber das wird auch wieder tend feststellen: Vom Inhaltlichen her sind wir uns eigent- zwecklos sein. In der Sache sind wir uns dankenswerter- lich doch in fast allen Punkten einig. Wir sind uns zum Bei- weise, wie gesagt, weitestgehend einig, aber wir ziehen da- spiel über die Art einig, wie die Rechtsaufsicht durchge- raus nicht die Konsequenz, schon wieder belastende Vor- führt werden muss, auch unter Heranziehung externen schriften an die Adresse von Kommunen zu erlassen. Sachverstands. Wir sind uns darüber einig, dass die Bar- Vielen Dank. wertvorteile natürlich im Gebührenhaushalt berücksichtigt werden sollten, auch wenn die Rechtsprechung dazu noch (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP) nicht abschließend ist. Es gibt dazu aber klare Äußerungen, auch von der Kommunalabteilung im Innenministerium. Stellv. Präsident Birzele: Meine Damen und Herren, es Wir sind uns darüber einig, dass die Förderpraxis, nachdem liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen man mit dieser Finanzierungsart doch Erfahrungen gewin- zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung. Vorgeschlagen nen konnte, dies künftig berücksichtigen und dass das in wird die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache den Förderbescheid aufgenommen werden muss. 13/2282 an den Innenausschuss. – Sie stimmen der Über- weisung zu. Herr Professor von Rotberg, der Leiter der Kommunalab- teilung im Innenministerium, hat im Übrigen darauf hinge- Herr Kollege Oelmayer, können wir die Anträge, da es Be- wiesen, dass es als Finanzierungsart mit sehr langfristiger richtsanträge sind, für erledigt erklären, oder wünschen Sie Bindung nicht nur Cross-Border-Leasing-Verträge, sondern hier ebenfalls Überweisung an den Innenausschuss? auch andere Finanzierungsarten gibt, die in ihrer langfristi- Abg. Oelmayer GRÜNE: Die können für erledigt erklärt gen Bindung und damit in ihrer Risikofreudigkeit durchaus werden. mit Cross-Border-Leasing-Verträgen vergleichbar sind. Stellv. Präsident Birzele: Gut. Ich stelle fest, dass die An- Kurzum, der springende Punkt ist eigentlich nur der: In der träge Drucksachen 13/1885 und 13/2124 einvernehmlich Konsequenz soll Ihr Gesetzentwurf dazu führen, dass der für erledigt erklärt werden. Gesetzgeber solche Finanzierungsarten verbietet. Die Lan- desregierung ist dazu in Übereinstimmung mit allen Frakti- Punkt 3 der Tagesordnung ist damit erledigt.

3501 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Stellv. Präsident Birzele)

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: bauordnung 2002, die sukzessive auch von den anderen Bundesländern übernommen werden wird. Eine solche An- Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregie- gleichung ist nicht nur aus Gründen der bundesweiten Har- rung – Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung monisierung des Bauordnungsrechts sinnvoll, sondern auch für Baden-Württemberg – Drucksache 13/2283 zur Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen für den Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung Netzausbau. des Gesetzentwurfs durch die Regierung eine Redezeit von Zum Schluss möchte ich noch kurz auf das Thema Gesund- fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten festge- heitsschutz und die Besorgnisse und Ängste der Bürgerin- legt. nen und Bürger vor den Auswirkungen der elektromagneti- Das Wort erhält Herr Staatssekretär Dr. Mehrländer. schen Strahlung eingehen. In diesem Zusammenhang wird immer wieder vorgebracht, im Interesse des Gesundheits- Staatssekretär Dr. Mehrländer: Herr Präsident, meine schutzes müsse an einer möglichst umfassenden Baugeneh- sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetz- migungspflicht festgehalten werden. Hierzu möchte ich in entwurf der Landesregierung hat für die Errichtung von aller Deutlichkeit festhalten: Die Berücksichtigung der ge- Mobilfunkanlagen folgendes Ziel: Antennen bis zu zehn sundheitlichen Aspekte, das heißt die Einhaltung der Metern Höhe einschließlich der Versorgungseinheiten übli- Grenzwerte der entsprechenden Verordnung über elektro- cher Größe sollen auch dann ohne Baugenehmigungsver- magnetische Felder, ist nicht davon abhängig, ob ein Bau- fahren errichtet werden dürfen, wenn sie in, auf oder an ei- genehmigungsverfahren durchgeführt wird oder nicht. Die nem Gebäude angebracht werden. Mobilfunkbetreiber müssen vielmehr auch bei baurechtli- Die kommunalen Landesverbände haben diesen Gesetzent- cher Genehmigungsfreiheit für jeden Standort nachweisen, wurf als Beitrag zur Entbürokratisierung ausdrücklich be- dass die geplante Sendeanlage den notwendigen Sicher- grüßt. heitsabstand einhält. Dazu muss eine so genannte Standort- bescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommuni- Meine Damen und Herren, der Ausbau des UMTS-Netzes kation und Post eingeholt und dem zuständigen Gewerbe- ist für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg und aufsichtsamt vorgelegt werden. Mit dieser Vorlage der dessen Wettbewerbsfähigkeit von sehr großer Bedeutung. Standortbescheinigung wird die Einhaltung der Grenzwerte Das Wirtschaftsministerium hält es für unverzichtbar, dass unabhängig von der Frage der Baugenehmigungspflicht ge- die Mobilfunkbetreiber entsprechend ihrer Verpflichtung währleistet. aus den erworbenen Mobilfunklizenzen eine flächende- ckende Mobilfunkversorgung anbieten. Mit diesem Gesetz- Im Übrigen kann auch im Baugenehmigungsverfahren ein entwurf sollen deshalb die baurechtlichen Rahmenbedin- Antrag auf Errichtung einer Sendeanlage nicht allein des- gungen für einen zügigen Ausbau der Mobilfunknetze ver- halb abgelehnt werden, weil die Anwohner der Sendeanlage bessert werden. Das heißt, in Zukunft soll für eine Vielzahl Gesundheitsgefährdungen befürchten. Wenn die geforder- neu zu installierender Antennenanlagen kein Baugenehmi- ten Sicherheitsabstände nach der Standortbescheinigung gungsverfahren mehr erforderlich sein. Das bedeutet eine eingehalten sind, muss die Baurechtsbehörde die Genehmi- Beschleunigung und eine Vereinfachung des Netzausbaus. gung erteilen. Das Baurecht bietet in dieser Beziehung kei- ne weiter gehende Schutzwirkung. Das ist wichtig festzu- Dabei möchte ich auf eines hinweisen. Schon nach der gel- halten. tenden Landesbauordnung dürfen Antennenanlagen bis zehn Meter Höhe verfahrensfrei errichtet werden. Der Ver- Ebenso wenig – auch das ist ein wichtiger Punkt, den ich waltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat jedoch ent- noch kurz ansprechen möchte – kann das Baugenehmi- schieden, dass dies immer dann nicht gelte, wenn die Anla- gungsverfahren als Steuerungsinstrument zur Standortwahl ge auf einem Wohngebäude angebracht werde. Die Mobil- eingesetzt werden. Eine Prüfung eventuell geeigneter Alter- funkanlagen stellten nämlich eine gewerbliche Nutzung dar, nativstandorte scheidet im Genehmigungsverfahren aus die zu einer genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung rechtlichen Gründen aus. Wesentlich wichtiger ist daher in des Gebäudes führe. Als Folge dieser Rechtsprechung muss diesem Zusammenhang die rechtzeitige Information der Ge- derzeit für Mobilfunkanlagen, die nicht frei stehend errich- meinden vor der konkreten Festlegung der Standorte. Zu tet, sondern an, auf oder in Gebäuden angebracht werden, diesem Zweck haben sich ja die Mobilfunkbetreiber in ei- immer eine Baugenehmigung eingeholt werden. Dies war ner mit den kommunalen Landesverbänden abgeschlosse- vom Gesetzgeber so nicht gewollt, und dies soll mit dem nen Vereinbarung freiwillig verpflichtet, die Gemeinden vorliegenden Gesetzentwurf nunmehr klargestellt werden. frühzeitig über ihre Planung zum Netzausbau und eventuel- le Standortalternativen zu informieren. Dieses Verfahren Da gibt es noch einen weiteren Punkt, bei dem in der Ver- bringt die notwendige Transparenz. Daher begrüße ich die- gangenheit Auslegungsschwierigkeiten aufgetreten sind. In se Vereinbarung. der Praxis hat sich oft die Frage gestellt, ob zu den geneh- Die Landesregierung sieht Handlungsbedarf für die Be- migungsfreien Antennenanlagen auch die notwendigen Ver- schleunigung und Vereinfachung des UMTS-Netzausbaus. sorgungseinheiten wie etwa Funktionsschränke gehören. Ich möchte Sie deshalb bitten, diesem Gesetzentwurf nach Um auch hier eine eindeutige Rechtslage zu schaffen, wer- der entsprechenden Ausschussberatung zuzustimmen. den Versorgungseinheiten bis zu einer Größe von zehn Ku- bikmetern Rauminhalt ausdrücklich in die Verfahrensfrei- Vielen Dank. heit für Antennen einbezogen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Meine Damen und Herren, die vorgesehene Neuregelung Dr. Noll FDP/DVP – Zurufe von der SPD: Guten beruht auf einer entsprechenden Vorschrift in der Muster- Morgen! – Abg. Capezzuto SPD: Aufgewacht?)

3502 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003

Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. Bundes-Immissionsschutzgesetz. Wenn die darin enthalte- Dr. Birk. nen Grenzwerte eingehalten werden, dann muss von der Re- gulierungsbehörde für Telekommunikation und Post eben Abg. Dr. Birk CDU: Herr Präsident, meine Damen und auch eine Standortbescheinigung ausgestellt werden. Herren! Der Herr Staatssekretär hat eigentlich nahezu alles gesagt, was man zu diesem Thema sagen kann. Damit haben der Bauherr und der Betreiber das Recht er- worben, diese Anlage zu installieren, sofern sie – dies ist (Zurufe von der SPD: Also! – Abg. Capezzuto natürlich immer vorausgesetzt – den Vorgaben des Bauord- SPD: Da können wir klatschen!) nungsrechts entspricht. Deshalb gibt es vor Ort auch überhaupt keinen Ermessensspielraum, egal ob verfahrens- Aber wir wollen ja auch eine Bewertung aus Sicht der Frak- frei oder nicht verfahrensfrei entschieden wird. Diese Anla- tionen vornehmen. ge muss nach dem Baugesetzbuch und der Landesbauord- Die CDU-Fraktion begrüßt die Änderung der Landesbau- nung dann genehmigt werden. Es besteht für die Bauherren ordnung in diesem Bereich, ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung durch die Genehmigungsbehörde vor Ort. (Abg. Capezzuto SPD: Ha no!) Zweitens: Ich denke, dass wir in Baden-Württemberg gut weil in der Vergangenheit erhebliche Verunsicherung auf- daran tun, die Musterbauordnung umzusetzen, um bundes- grund des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden- weit einheitliche Rahmenbedingungen für Investoren zu ha- Württemberg eingetreten ist und wir an der Verfahrensfrei- ben. Baden-Württemberg ist eines der wenigen Länder, die heit bei Antennenanlagen für den Mobilfunkbereich unter- hier eher noch im Verzug sind. Das heißt, wir vollziehen halb der Größe von zehn Metern festhalten wollen. Da wir nach, was andere Länder bereits durchgeführt haben, wenn dies auch für privat genutzte Gebäude in Zukunft so hand- wir unsere Landesbauordnung in dieser Frage an die Mus- haben wollen, wie es bislang schon für gewerblich genutzte terbauordnung aus dem Jahre 2002 anpassen. Gebäude möglich ist, schließen wir uns dem Gesetzentwurf zur Änderung der Landesbauordnung an. Wir sehen darin Im Übrigen denke ich auch, dass wir das Thema der Steue- auch einen wichtigen Beitrag zur Beschleunigung und De- rung möglicher Standorte für Mobilfunkanlagen weiterhin regulierung in diesem Bereich, auch vor dem Hintergrund, in die bewährte Zusammenarbeit zwischen den Betreibern dass mit der Ersteigerung der UMTS-Lizenzen die Betrei- und den Kommunen stellen sollten. In der weit überwiegen- ber auch verpflichtet sind, eine Netzabdeckung in Baden- den Zahl der Fälle funktioniert das auch. Aber wir richten Württemberg zu erbringen, die gewährleistet, dass diese auch von hier aus nochmals den Appell an die Mobilfunk- Mobilfunkdienste in der Zukunft auch genutzt werden kön- betreiber, sich an die mit den kommunalen Landesverbän- nen. Ich denke, das ist ein ganz wesentlicher und wichtiger den abgeschlossenen Vereinbarungen zu halten, die Städte Beitrag. Es kann nicht so sein, dass von Bundesseite her und Gemeinden frühzeitig unter Offenlegung ihrer Planun- zunächst in einem Verfahren, das auch für die Betreiber gen zum Netzausbau einzubeziehen und dort, wo es Proble- sehr kostenaufwendig war, eine hohe Lizenzgebühr verlangt me gibt, auch Standortalternativen zu erwägen, um eine wird und dass dann, wenn die Betreiber den neuen Netz- Entscheidung im Konsens herbeizuführen. Dies ist, wie ich standard einführen wollen, gleichzeitig über bestimmte We- denke, auch künftig wichtig. ge verhindert wird, dass sie in Baden-Württemberg inves- Allerdings ist auch klar, dass das Baugesetzbuch bzw. die tieren. Landesbauordnung nicht das geeignete Instrument sind, um Im Gegenteil: Wir haben ein Interesse daran, dass die Mo- dies zu steuern, weil vorhabenbezogen und standortabhän- bilfunkbetreiber trotz der topographisch schwierigen Ver- gig geprüft werden muss und alternative Standorte eben hältnisse in Baden-Württemberg rasch den UMTS-Standard nicht in einem Baugenehmigungsverfahren überprüft wer- ausbauen können. Wenn ich die Beratungen dieses Themas den können. im Wirtschaftsausschuss richtig in Erinnerung habe, dann waren wir uns fraktionenübergreifend nahezu einig. Ich Insofern sind wir seitens der CDU-Fraktion summa summa- glaube, bei den Grünen gab es Vorbehalte, aber zumindest rum damit einverstanden, dass diese Änderung jetzt einge- von der SPD war die Vorlage akzeptiert und begrüßt wor- bracht wird. Wir werden sicherlich auch Gelegenheit haben, den. uns im Wirtschaftsausschuss nochmals intensiv damit aus- einander zu setzen. Wir denken allerdings, dass mit dieser Ich sage dies auch deshalb, weil vor Ort irrtümlicherweise Vorlage eine gute Grundlage auf dem Tisch liegt, über die immer wieder der Eindruck aufkommt, als ob über die Lan- wir rasch entscheiden können, sodass erstens für die Betrei- desbauordnung und das Baurecht versucht werden könnte, ber Investitionssicherheit herrscht und zweitens auch noch- eine Steuerung der Standorte vorzunehmen. Dies trifft na- mals deutlich gemacht wird, dass wir an dem bisher be- türlich nicht zu. Wir wollen mit der Änderung der Landes- währten Instrument der Verfahrensfreiheit bei Mobilfunk- bauordnung in diesem Punkt auch Druck von kommunalen anlagen mit einer Höhe von weniger als zehn Metern fest- Entscheidungen nehmen. halten wollen. (Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!) Vielen Dank. Lassen Sie mich das nochmals kurz ausführen. Entschei- (Beifall bei der CDU und des Abg. Hofer FDP/ dend für die Frage, ob eine Anlage im Hinblick auf die Zu- DVP) lässigkeitsgrenzwerte bei der Abstrahlung bei möglichen Umwelteinwirkungen errichtet werden kann, ist eben das Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. Gall.

3503 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003

Abg. Gall SPD: Herr Präsident, meine sehr geehrten Da- Wir möchten weiterhin, dass sich die Netzbetreiber in aus- men und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion hat sich mit reichender Weise, Herr Staatssekretär, an die freiwillige dem Gesetzentwurf der Landesregierung – so wie man das Vereinbarung mit den kommunalen Landesverbänden hal- erwarten darf – intensiv befasst. ten und einen intensiven Informationsaustausch und die Be- teiligung der Kommunen sicherstellen. Häufig sind es näm- (Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP) lich nicht lange Genehmigungs- oder Erörterungsverfahren, – Frau Fauser, da lachen Sie. Aber bei Ihnen haben wir ge- wie oft behauptet wird, die die Errichtung von Mobilfunk- legentlich den Eindruck, dass Sie sich eben nicht in dem er- masten verzögern, sondern es sind auch die Netzbetreiber forderlichen Umfang mit den Gesetzentwürfen befassen. selbst, die für eine unzureichende Umsetzung ihrer Planun- gen – so sie vorhanden sind – verantwortlich sind. Insbesondere haben wir – das wurde schon angesprochen – einerseits die wirtschaftlichen Interessen, andererseits aber Ich darf Ihnen ein Beispiel aus meiner Gemeinde nennen: auch die Sorgen und Ängste unserer Mitbürgerinnen und Im Mai 2000 – das haben wir natürlich erst im Nachhinein Mitbürger, die mit Mobilfunkmasten einhergehen, diskutiert erfahren – kam die Anfrage eines Netzbetreibers beim Ei- und entsprechend gewichtet. gentümer des gewünschten Standorts. Im Dezember 2001 erfolgte der Abschluss eines vorläufigen Mietvertrags – 17 Lassen Sie mich deshalb ausdrücklich betonen: Wir stehen Monate später. hinter der wirtschaftlichen Notwendigkeit des flächende- ckenden Ausbaus der Mobilfunknetze auch in unserem (Abg. Capezzuto SPD: Jesses!) Bundesland, weil wir unter anderem – das wurde schon ge- Die erste Kontaktaufnahme mit der Gemeinde per Fax – so sagt – beim Ausbau der UMTS-Netze nicht ins Hintertref- viel zur intensiven Beteiligung der Kommunen – war im fen geraten dürfen und weil wir an den formulierten Versor- März 2002, also drei Monate später. Baugesuch eingereicht gungszielen festhalten wollen. Wir nehmen aber auch Sor- am 12. November 2002 – acht Monate später. Jetzt passen gen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst, die – ob Sie auf: Baugesuch genehmigt am 23. Januar 2003 – fünf Handybenutzer oder nicht – zum Teil erhebliche Vorbehal- Wochen später. Diese lange Bearbeitungszeit bei unserer te gegen Mobilfunkmasten zumindest in Wohnortnähe ha- Genehmigungsbehörde hängt sicherlich auch mit den Weih- ben. Sie alle kennen doch die Diskussionen bei der Errich- nachtsfeiertagen zusammen. Baubeginn war dann im Sep- tung solcher Anlagen in der Nähe von Schulen, Kindergär- tember dieses Jahres, also noch einmal neun Monate später. ten oder gar auf Kirchendächern. (Abg. Dr. Birk CDU: Das spricht doch für die Ver- Meine Damen und Herren, diese Sorgen nimmt man nicht, fahrensfreiheit!) indem man geltendes Recht ändert oder indem man ver- sucht, geltende Rechtsprechung durch geänderte Rechts- Meine Damen und Herren, da kann man doch weiß Gott grundlagen zu unterlaufen. Akzeptanz schafft man nicht nicht ernsthaft behaupten, das Genehmigungsverfahren hin- durch Änderungen der Bauordnung, sondern durch Über- ge mit dieser langen Zeit der Umsetzungsphase zusammen. zeugung und Darlegung von Sachverhalten. Deshalb will ich Ihnen sagen: Wir teilen die Auffassung zum Beispiel Zusammengefasst: Wir möchten, dass auch zukünftig dieje- der Weltgesundheitsorganisation und der staatlichen Strah- nigen, die sich vor Ort verantworten müssen, nämlich die lenschutzkommission bei der Betrachtung und bei der Aus- örtlichen Behörden und die kommunalen Mandatsträger, an wertung der Gesamtheit aller wissenschaftlichen Untersu- die die Sorgen und Nöte herangetragen werden, ein Min- chungen bezüglich der gesundheitlichen Gefahren, dass destmaß an Mitentscheidung und Mitgestaltung haben. Mei- durch die Strahlung solcher Antennen eine Gesundheitsge- ne Damen und Herren, denen wird es nämlich nicht helfen – fährdung bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben nicht das wissen doch viele von Ihnen, zumindest diejenigen, die gegeben ist. Wir meinen aber auch: Hieraus darf man nicht auch noch kommunale Mandate innehaben –, wenn auf den Schluss ziehen, durch eine Änderung der Bauordnung Nichtzuständigkeit verwiesen wird. etwas zu erreichen. Wenn wir Baugenehmigungsverfahren Auch wenn wir – ich sagte es eingangs – den flächende- für geringfügige Bauüberschreitungen von Nebenanlagen, ckenden Ausbau der Mobilfunknetze für notwendig erach- (Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So ein Geeiere!) ten, möchten wir dies nicht durch Streichung der bescheide- nen Mitwirkungsmöglichkeiten der kommunalen Ebene er- für die Einfriedung von Grundstücken usw. für notwendig reichen. Denn wir wollen das umsetzen, was die Landesre- erachten – das tun wir, sonst würden wir die Landesbauord- gierung als Stellungnahme zu einer Petition im Zusammen- nung auch in diesem Sinne ändern –, dann dürfen wir nicht hang mit Mobilfunkmasten erklärt hat und was in Drucksa- alle Mobilfunkanlagen genehmigungsfrei machen. che 13/541 nachzulesen ist: Es wird empfohlen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) . . . die Exposition der Bevölkerung mit elektromagne- tischen Feldern aus Mobilfunkanlagen so weit zu be- Wir möchten, dass sich die Genehmigungsbehörden und die grenzen, wie dies mit einem vertretbaren Aufwand zu hörenden Gemeinden auch zukünftig mit der Problema- möglich ist. Insofern tik auseinander setzen und in eventuellen Diskussionen – – jetzt wird es interessant – nebenbei bemerkt ist es beileibe nicht so, dass es allerorten Widerstände gibt – versuchen, Vertrauen zu schaffen und ist es sinnvoll, auch alternative Standorte auf ihre Eig- Ängste zu nehmen. Meine Erfahrungen in meiner Kommu- nung zu prüfen und darauf zu achten, dass zum Bei- ne zeigen mir, dass dies funktioniert, weil die Widerstände spiel Kindergärten und Schulen nicht im Hauptstrahl häufig auf Unkenntnis beruhen. der Sendeanlage liegen.

3504 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Gall)

Wenn Sie, meine Damen und Herren, diese Stellungnahme wand einer Genehmigung? Dies kannst du bei den Bürgern wirklich ernst gemeint haben, dann muss man auch die tat- gar nicht wegbekommen. Das verstehe ich auch. Die reagie- sächliche Möglichkeit haben, dies zu erreichen, und dies ren ja ganz normal, denke ich, wenn sie fragen: Warum den geht, soweit mir bekannt ist und nach meiner praktischen Aufwand? Da gehen nun die Kommunen dazu über, einfach Erfahrung, nur durch Baurecht. Deshalb lehnen wir den Ge- die Genehmigung abzulehnen und sich lieber über die Ge- setzentwurf der Landesregierung ab. richte verklagen zu lassen. Dann wird die Genehmigung er- teilt, und sie können dem Bürger sagen: „Wir waren es ja (Beifall bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: Das ist nicht.“ Dafür kann ich Ihnen zig Beispiele nennen. Die schauderhaft!) Kommunen nehmen lieber einen Verwaltungsaufwand und Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. Ho- Kosten hin. Das ist nicht der richtige Weg, wie man mit den fer. Sorgen der Bürger umgeht. Abg. Hofer FDP/DVP: Herr Präsident, meine Damen und (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ Herren! Statisch-konstruktiv – da sind wir uns einig – DVP) bräuchte man keine Genehmigung, und eigentlich würde Können Sie den Nachweis führen, dass es die geringste man sofort sagen: Die Vorteile liegen auf der Hand. Warum Steuerungsmöglichkeit gibt? Sie können in einem baurecht- dann nicht Deregulierung, warum dann nicht Verminderung lichen Verfahren nicht einmal Alternativstandorte prüfen. des Verwaltungsaufwands und weniger Kosten? Warum das Da prüfen Sie nur den vorgelegten Antrag; alles andere ist alles nicht? Dagegen könnte nur dann etwas sprechen, wenn überhaupt unzulässig. über die Genehmigung eine Steuerungsmöglichkeit für die Kommune bestehen würde; denn in der Tat ist es auch nach (Abg. Hillebrand CDU: So ist es!) unserer Ansicht so: Die Bevölkerung vor Gesundheitsge- fahren zu schützen, und sei es auch nur, der Besorgnis ent- Wenn Sie mir sagen, was da falsch ist, können wir darüber gegenzutreten, ist genauso wichtig wie die Mitwirkung an reden. Aber Sie sollten uns nichts vormachen. einer Infrastruktur, die Wirtschaft und Bürgern eine stö- rungsfreie Nutzung der Netze gewährleistet. (Glocke des Präsidenten) Beides ist gleich wichtig, aber jeder weiß – Sie können es Stellv. Präsident Birzele: Herr Hofer, gestatten Sie eine überall nachlesen –, dass mit der Genehmigungspflicht aber Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler? auch nicht die geringste Steuerungspflicht verbunden ist, was gesundheitliche Gefahren anbelangt, Abg. Hofer FDP/DVP: Gern. Dann würde ich im zweiten Teil darauf zu sprechen kommen, wie man richtigerweise – (Beifall der Abg. Hillebrand CDU und Kleinmann und das machen viele Kommunen sehr gut – auf die Be- FDP/DVP – Abg. Hillebrand CDU: So ist es!) sorgnisse eingeht und auch wirklich etwas erreicht. weil das bei der Erteilung der Standortbescheinigung ge- Bitte schön. prüft wurde und weil darüber hinaus dann eine Genehmi- Abg. Alfred Winkler SPD: Herr Kollege, Sie sagten, bei gungspflicht besteht. der Genehmigungspflicht gäbe es nicht die geringste Steue- (Abg. Hillebrand CDU: Das ist der Punkt!) rungsmöglichkeit. Wider besseres Wissen falsche Tatsachen vorzuspiegeln Abg. Hofer FDP/DVP: Ja. und bei der Bevölkerung einen Irrtum zu bewirken ist ein Abg. Alfred Winkler SPD: Stimmen Sie mir zu, dass im Teil eines Betrugstatbestandes. unbeplanten Innenbereich sehr wohl eine Steuerungsmög- (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. lichkeit über das Baurecht besteht? Hillebrand CDU: Jawohl!) Abg. Hofer FDP/DVP: Nein, ich stimme Ihnen nicht zu, Die Sorgen der Bürger nimmt man nicht wahr, indem man und ich gehe jede Wette ein, dass das, was Sie sagen, nicht ihnen etwas vormacht und nachher einen besonderen Frust richtig ist. In der Frage der gesundheitlichen Beeinträchti- sowie Enttäuschung und Argwohn erntet, wenn man doch gung, die Sie prüfen müssen – unser Recht ist durch materi- genehmigen muss, sondern dadurch, dass man ihnen klipp elle Baufreiheit geprägt –, müssen Sie nachweisen, wo es und klar sagt, wie die Situation ist. eine Einschränkung gibt. Die gesundheitliche Frage ist (Abg. Blenke und Abg. Hillebrand CDU: So ist durch die Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde es!) für Telekommunikation und Post so geklärt, dass die Ge- meinde nicht den geringsten Einfluss darauf hat. Lesen Sie Deshalb sehe ich nicht, dass man den Bürgern da etwas vor- die letzte Ausgabe der „Gemeindezeitung“ nach! Alle kom- machen sollte. munalen Landesverbände – und sie verstehen davon etwas In der Praxis, meine Damen und Herren, ist es übrigens so – – sagen das klipp und klar. ich kenne mich ja da auch einigermaßen aus –: Die Kom- (Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist die Frage des munen können den Bürgern ja nicht klar machen, warum Einfügens!) eine Genehmigungspflicht keine Steuerungsmöglichkeit bietet. Denn die Bürger sagen: „Wir glauben euch das nicht. – Die Frage des Einfügens hat mit einer gesundheitlichen Sonst bräuchte es doch keine Genehmigung.“ Da sage ich: Beeinträchtigung nicht das Geringste zu tun; denn die ge- Eben. Sie werden doch gesteuert. Warum denn da der Auf- sundheitliche Frage ist abschließend geprüft. Glauben Sie

3505 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Hofer) es mir! Sie machen den Bürgern – ich hoffe, nicht wider Es wurden Sorgen um die Risiken des Mobilfunks mobili- besseres Wissen, dann wäre es noch schlimmer, aber in Un- siert. kenntnis, weil Sie sich nicht hineinvertieft haben – etwas Ich stehe nicht hinter allen Vorwürfen und Bedenken, die vor, und das ist der schlechteste Ratgeber. dem Mobilfunk gegenüber geäußert werden. Aber wissen- Ich hoffe, dass mir diese Antwort nicht auf meine Redezeit schaftliche Institute wie zum Beispiel das ECOLOG-Institut angerechnet wird. haben klar gesagt: Es gibt zwar noch keine strengen medizi- nischen Beweise, aber es gibt ernst zu nehmende Hinweise (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der auf gesundheitliche Risiken. Die „Badische Zeitung“ titelte CDU) am 16. August 2003: „Krebs durch Handystrahlen ist denk- Ich komme nun zum zweiten Teil; die zwei Minuten, die bar“. ich noch habe, nütze ich auch. (Abg. Hillebrand CDU: Was hat das mit Baurecht Stellv. Präsident Birzele: Zwei Minuten. zu tun?) – Lassen Sie mich das weiter ausführen. – Auch die Strah- Abg. Hofer FDP/DVP: Ja. – Zunächst zu den Mitwirkungs- lenschutzkommission verweist auf Studien, die auf eine bio- möglichkeiten. Hier gibt es eine Vereinbarung. Danach logische Wirkung unterhalb der geltenden Grenzwerte hin- können Sie regelmäßige Informationen über alle Ausbau- weisen. pläne verlangen. Sie können Standortdaten verlangen. Sie können die Beteiligung bis zur einvernehmlichen Festset- Das heißt, wir haben eine Situation – Herr Hofer sagte das zung eines Standorts verlangen, und Sie können bündeln. zu Recht –, in der Menschen Sorgen haben. Viele Kommunen praktizieren das auch. Balingen hat sogar (Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig!) einen Ratgeber herausgebracht. Dort wurde nicht nach Diese Sorgen müssen wir aufnehmen. Grenzwerten gefragt. Es ist auch völlig sinnlos, in einer Diskussion mit Bürgern über Grenzwerte zu sprechen. Sie (Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig!) sind besorgt; das verstehe ich auch. Sie können mit ihnen Das ist ein Grundgedanke, in dem ich mit Ihnen klar und auch nicht über Sinn und Zweck des Mobilfunks diskutieren deutlich übereinstimme. – das wäre bei 50 Millionen Handys in unserem Land eine lächerliche Diskussion –, sondern es geht ausschließlich um Herr Umweltminister Müller sagte im Juli bei der Vorstel- die Akzeptanz von Standorten, und da hat man sich geei- lung der Ergebnisse des Funkwellenmessprojekts: Weil es nigt. bei den Menschen Sorge gibt und wir alle nicht wissen, wie es wirklich ist, ist beim Thema Mobilfunk Transparenz das Ich lese Ihnen abschließend vor, wie man das macht und oberste Gebot. Ich kann ihm da nur voll zustimmen. was der richtige Weg ist. Ich habe mich in der letzten Wo- che bei der Stadt Rottenburg erkundigt und gebe wieder, Deshalb brauchen wir Verfahren, die transparent sind. Dazu was mir dort gesagt worden ist: müssen Bürger in die Standortwahl einbezogen werden. Da Die Zusammenarbeit mit den Mobilfunkbetreibern läuft ist es gut und richtig, dass die Betreiber und die Kommunen perfekt. Die Selbstverpflichtung der Mobilfunkbetrei- eine Vereinbarung geschlossen haben, nach der die Kom- ber des Jahres 2001 wird in jeder Hinsicht berücksich- munen frühzeitig informiert werden und selbst Vorschläge tigt. Jeder neue Standort für Mobilfunksender wird mit für Alternativstandorte unterbreiten können. Aber auch der Stadt besprochen. Im Einvernehmen mit der Stadt nach dieser Vereinbarung entscheiden letztendlich die Be- werden die Mobilfunkmasten erstellt. Die Mobilfunkbe- treiber und bleiben die Kommunen außen vor. Das heißt, treiber selbst achten bereits akribisch darauf, dass die Kommunen sitzen am kürzeren Hebel, wenn sie eine an- Schulen und Kindergärten von Mobilfunkmasten nicht dere Vorstellung haben. tangiert werden. Ich will nicht bestreiten, dass es Einigungen gibt und dass Ob das überall in Baden-Württemberg so ist, weiß ich es auf kommunaler Ebene Pläne gibt. In Sinzheim zum Bei- nicht; es ist auf jeden Fall anzustreben. Aber man soll nicht spiel ist so etwas in Arbeit; dort wird ein Konsens gesucht. den Leuten irgendetwas vormachen. Dann ist alles okay. Aber wir müssen Regelungen schaffen: Was ist im Konfliktfall, wenn Kommune und Betreiber (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der nicht auf einen Nenner kommen? CDU) (Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP) Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Witzel. Da ist die Regelung, wie sie die Landesregierung jetzt an- strebt, aus meiner Sicht kontraproduktiv. (Abg. Wieser CDU: Im Grunde bräuchte nur einer zu sprechen!) (Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP) Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Herr Präsident, meine sehr ver- Wenn wir nämlich das Genehmigungsverfahren abschaffen, ehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf zur Ände- braucht ein Mobilfunkbetreiber nur mit dem Grundstücks- rung der Landesbauordnung hat schon im Vorfeld bei vie- eigentümer einen Vertrag zu schließen und kann dann an- len Menschen im Lande Unruhe verursacht. fangen zu bauen. (Abg. Hofer FDP/DVP: Eben!) (Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

3506 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Dr. Witzel)

Wir wollen aber, dass ein Genehmigungsverfahren bleibt. Meine Damen und Herren, das Präsidium hat beschlossen, Denn ein Genehmigungsverfahren eröffnet auch die Mög- dass der Gesetzentwurf Drucksache 13/2296 ohne Ausspra- lichkeit, über einen bestimmten Standort zu diskutieren, che an den Ausschuss für Umwelt und Verkehr überwiesen und im Rahmen des Genehmigungsverfahrens können auch werden soll. – Sie stimmen der Überweisung zu. andere Standorte diskutiert und in die Debatte gebracht werden. Punkt 5 der Tagesordnung ist damit erledigt. Im Sinne der Tatsache, dass wir Transparenz haben wollen, Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf: dass die Bürger einbezogen werden und Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregie- (Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP) rung – Gesetz zur Regelung des Rechts der Sonderzah- gerade bei umstrittenen Standorten auch andere Vorschläge lungen in Baden-Württemberg – Drucksache 13/2396 einbringen können und dass die Betreiber nicht einfach sa- gen können: „Wir wollen den Standort da und da haben“, Das Präsidium hat für die Aussprache über den Gesetzent- sind wir dafür, dass die Genehmigungspflicht im bisherigen wurf im Anschluss an die Begründung des Gesetzentwurfs Umfang bleibt. Daher lehnen wir den vorgelegten Gesetz- durch die Regierung eine Redezeit von fünf Minuten je entwurf ab. Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten. (Glocke des Präsidenten) Das Wort erhält Herr Finanzminister Stratthaus. Stellv. Präsident Birzele: Herr Abg. Dr. Witzel, gestatten Sie noch eine Nachfrage des Herrn Kollegen Hofer? Finanzminister Stratthaus: Herr Präsident, meine sehr ge- ehrten Damen und Herren! Ihnen liegt ein Gesetzentwurf Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Ja, bitte. zur Ersten Beratung vor, in dem die Landesregierung zum ersten Mal von der Möglichkeit Gebrauch macht, die bisher Stellv. Präsident Birzele: Bitte schön, Herr Hofer. bundesrechtlich geregelten Einmalzahlungen – das so ge- nannte Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld – eigenständig Abg. Hofer FDP/DVP: Herr Kollege Dr. Witzel, sind Sie zu regeln. mit mir darin einig, dass die Kommunen dies ohne Bauord- nungsrecht machen können? Denn das Bauplanungsrecht ist Die Lage der öffentlichen Haushalte kann – nicht zuletzt durch die Landesbauordnung in gar keiner Weise berührt. auch wegen der Politik der Bundesregierung – nur noch als Jeder Gemeinderat kann dies über das Bauplanungsrecht dramatisch beschrieben werden. machen. Dann hat er die Diskussion und die Transparenz, von der Sie sprechen. (Abg. Dr. Scheffold CDU: So ist es!) Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Das ist das Bauplanungsrecht. Dies zwingt auch die Landesregierung, drastische Sparmaß- Ich hatte die Gemeinde Sinzheim angesprochen. Sie ver- nahmen zu ergreifen. sucht das auf diesem Weg. (Abg. Oelmayer GRÜNE: Sie schmunzeln, Herr (Abg. Fleischer CDU: Das ist auch in Merzhausen Minister!) so!) – Ja. – Aber in einer Gemeinde, die das nicht macht, kann – Weil Sie das heute schon öfter gehört haben. Folgendes passieren – Sie sprechen Merzhausen an; dort ist es so –: Ich bekomme von einer Nachbarin einen Anruf: (Zuruf des Abg. Stickelberger SPD) „Auf dem Nachbarhaus wird eine Antenne aufgebaut. Ich wusste nichts davon, das Bürgermeisteramt weiß nichts da- Dabei können die Personalausgaben nicht ausgeklammert von.“ Nur weil ein privater Vertrag geschlossen wurde, werden, da sie im Landeshaushalt den größten Ausgaben- wird eine Mobilfunkantenne errichtet. Diese Situation wol- block darstellen. len wir einfach vermeiden. Natürlich sind Kürzungen schmerzhaft für unsere Beamtin- (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der nen und Beamten, und für deren Enttäuschung habe ich SPD) durchaus Verständnis. Aber bei einer Rekordverschuldung von über 2 Milliarden €, die wir in diesem Jahr haben wer- Stellv. Präsident Birzele: Es liegen keine weiteren Wort- den, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als auch von unse- meldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungs- ren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Solidarbeitrag mäßigen Behandlung des Gesetzentwurfs Drucksache einzufordern. 13/2283. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. – Sie stimmen der Nach dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf werden die Überweisung zu. künftigen Leistungen in ihrer Höhe knapp 30 % hinter den Damit ist Punkt 4 der Tagesordnung erledigt. bisherigen Leistungen zurückbleiben. Dadurch können Per- sonalkosten in Höhe von ungefähr 194 Millionen € einge- Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf: spart werden. Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregie- Nach dem Gesetzentwurf werden an die Stelle der bisheri- rung – Gesetz zur Änderung des Landesseilbahngeset- gen jährlichen Sonderzuwendungen und des Urlaubsgeldes zes – Drucksache 13/2296 künftig so genannte Sonderzahlungen treten.

3507 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Minister Stratthaus)

Lassen Sie mich kurz auf die Kernpunkte des Gesetzent- ben aus. Wenn wir unsere Haushalte konsolidieren wollen, wurfs eingehen. dann ist es klar, dass wir nicht an den Personalkosten vor- beikommen. Die Beamten und Versorgungsempfänger erhalten mit den Dezemberbezügen in diesem Jahr letztmalig die Sonderzah- Wir glauben, dass wir mit diesen Einsparungen dem Ziel et- lung wie in den früheren Jahren als Einmalzahlung. Der Be- was näher kommen werden, den Haushalt zu konsolidieren messungsfaktor für die Sonderzahlung wird im Vergleich und vor allen Dingen die verbliebenen Leistungen zukunfts- zum Vorjahr von 86,31 % auf 57,5 % der Bemessungs- fähig zu machen. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, grundlage, die etwa einem Monatsgehalt entspricht, redu- dass wir die verbliebenen Leistungen, also die um etwa ziert. Dies bedeutet im Klartext, dass die Sonderzahlung für 30 % gekürzten Leistungen, zwölfteln und auf das Monats- Dezember 2003 bei Beamten, die weder Ehefrau noch Kin- gehalt aufschlagen, sodass sie in Zukunft auch an Gehalts- der haben – oder auch bei Beamtinnen, die weder Ehemann steigerungen teilnehmen. Das ist ein Unterschied zu dem, noch Kinder haben –, in der Regel nur noch 57,5 % ihres was viele andere Länder machen. jeweiligen Dezembergehaltes betragen wird. Eine Ausnah- Meine Damen und Herren, wir haben eine familienbezoge- me ist für die familienbezogenen Anteile der Sonderzah- ne Komponente eingeführt, weil wir glauben, dass Familien lung vorgesehen. Soweit Familienzuschläge Bemessungs- besonders gefördert und geschützt werden sollen. Ansons- grundlage für die Sonderzulage sind, soll es beim bisheri- ten haben wir alle Beamtengruppen gleich behandelt. gen Bemessungsfaktor von 86,31 % bleiben. Dieser Teil soll also nicht gekürzt werden. Die Festsetzung des Bemes- Ich möchte Sie bitten, diesen Gesetzentwurf zu unterstüt- sungsfaktors im Jahr 2003 auf 57,5 %, das heißt unter das zen. Niveau der Folgejahre, ist notwendig, damit wir das für das Jahr 2003 gesetzte Einsparziel erreichen. (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP) Ab dem Jahr 2004 soll es das Urlaubsgeld als solches nicht mehr geben. Die Sonderzahlung soll nicht mehr als Einmal- Stellv. Präsident Birzele: Das Wort erhält Herr Abg. zahlung mit den Dezemberbezügen erfolgen, sondern für Dr. Scheffold. Beamte monatlich erbracht und zusammen mit den monatli- Abg. Dr. Scheffold CDU: Herr Präsident, meine sehr ver- chen Bezügen ausgezahlt werden. ehrten Damen und Herren! Die Lage der öffentlichen Haus- Die Bemessungsfaktoren betragen auf die Monatsbezüge halte ist prekär. Angesichts der Wachstumsschwäche und bezogen 5,33 % bzw. hinsichtlich der familienbezogenen der Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand ist es angezeigt Anteile 7,19 %. Wenn man diese Faktoren auf das Jahr um- und notwendig, Einsparungen gerade auch im Personalbe- rechnet, ergibt sich ein Bemessungsfaktor von 64 % bzw. reich nicht auszuklammern, sondern einzubeziehen. Gerade rund 86,3 % der familienbezogenen Bestandteile. wurde schon gesagt: Die Personalkosten im Land Baden- Württemberg betragen ca. 42 %. Wenn man die Personal- Die Sonderzahlungen sind ruhegehaltsfähig. Versorgungs- kostenzuschüsse des Landes an Dritte noch einbezieht, be- empfänger erhalten daher grundsätzlich ein entsprechend tragen sie sogar ca. 50 %. erhöhtes Ruhegehalt. Es hatte zunächst einen Vorstoß des Landes Berlin für eine Meine Damen und Herren, ich bin mir dessen bewusst, dass Öffnungsklausel bei der Beamtenbesoldung gegeben. Da- das Gesetz für die Beamtinnen und Beamten harte Ein- nach kam ein Vorschlag des Beamtenbunds. Darin war eine schnitte bringt. Es sind allerdings Einschnitte, die auch alle Senkung der jährlichen Sonderzuwendung, deren Teilung anderen Länder und der Bund vornehmen. Baden-Württem- durch zwölf, ihre Integration in die monatlichen Dienstbe- berg war eines der ersten Bundesländer, das gesagt hat, züge und damit eine Dynamisierung sowie die Streichung dass es dies machen werde. Es ist ja in etwa eine Übernah- des Urlaubsgelds und eine Verwendung des eingesparten me dessen, was der Beamtenbund in einem anderen Zusam- Betrags für leistungsabhängige Besoldungsbestandteile ent- menhang vorgeschlagen hat. halten. Wir von der CDU-Fraktion möchten an dieser Stelle nochmals ausdrücklich hervorheben, dass diese Landesre- (Abg. Kleinmann FDP/DVP: Prima Vorschlag!) gierung und ebenso die CDU-Fraktion diesen Vorschlag des Beamtenbunds voll unterstützt haben. In der Zwischenzeit liegen allerdings vom Bund und von den Ländern Vorschläge vor, die in vielen Fällen wesent- (Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!) lich weiter gehen als der vorliegende Gesetzentwurf für Ba- den-Württemberg. Bayern nimmt seine Beamtinnen und Be- Sie alle wissen, dass dieser Vorschlag dann nicht umgesetzt amten weniger in Anspruch. Die anderen Länder verfahren werden konnte, da er im Bundesrat keine Mehrheit gefun- entweder in etwa so wie wir oder reduzieren die Sonder- den hat, und dass es dann zu einer Öffnungsklausel gekom- zahlungen wesentlich stärker. men ist. Dabei gab es aber keine bundeseinheitliche Rege- lung, wie es vom Beamtenbund gewünscht war, sondern Von den Spitzenorganisationen der Berufsverbände und der eben die bekannte Öffnungsklausel für die Länder. Gewerkschaften war – das verstehe ich – keine Zustimmung zu erwarten. Aber ich bin überzeugt, dass es keine Alterna- Meine sehr verehrten Damen und Herren, was beinhaltet tive gibt. Ich weise immer wieder darauf hin, dass ungefähr die neue Regelung? Sie beinhaltet, dass das Weihnachts- 41 % unserer Ausgaben direkte Personalkosten sind. Wenn geld auf 57,5 % der Bemessungsgrundlage für 2003 gesenkt Sie die indirekten Personalkosten noch dazunehmen, dann wird und dass es keine Kürzung des familienbezogenen An- machen die Personalkosten mehr als die Hälfte der Ausga- teils der Sonderzuwendung im Jahr 2003 gibt.

3508 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Dr. Scheffold)

Für das Jahr 2004 sieht es so aus, dass das Urlaubsgeld ge- Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Meine Damen und Her- strichen wird und beim Weihnachtsgeld eine Zwölftelung ren, das Wort erteile ich Herrn Abg. Stickelberger. der Auszahlungsbeträge erfolgt. Damit erfolgt auch eine Dynamisierung, Abg. Stickelberger SPD: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie, (Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!) Herr Dr. Scheffold, auf die anderen Bundesländer verwei- sen, dann möchte ich zunächst einmal auf das Land Baden- und damit wird auch eine Ruhegehaltsfähigkeit der Sonder- Württemberg zurückkommen. zahlung erreicht. Wir haben also ganz wichtige und wesent- liche soziale Elemente mit dieser Regelung umfasst. (Abg. Kleinmann FDP/DVP: Da sind wir, ja!) (Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!) Dabei will ich an das anschließen, was Sie, Herr Finanz- minister, zuvor gesagt haben. Sie haben sich wegen der Insbesondere die Familien sind bei dieser Regelung berück- Schnelligkeit, mit der Sie diese Sparmaßnahmen sehr früh- sichtigt. Darauf möchte ich namens der CDU-Fraktion hier zeitig angekündigt haben, ein bisschen selbst gelobt. Es nochmals ausdrücklich hinweisen. stimmt: Sie haben diese Sparmaßnahmen schon angekün- digt, bevor der Bund die Öffnungsklausel formal beschlos- (Abg. Fleischer CDU: Das ist besonders wichtig!) sen hat. Da waren Sie in der Tat sehr fix. Wir würden uns Diese Regelung hat eine ausgesprochen familienpolitische wünschen, dass die Landesregierung und die Koalitions- Komponente. Diese sollte an dieser Stelle auch nochmals fraktionen bei anderen Gesetzentwürfen auch so schnell wä- hervorgehoben werden. ren, insbesondere beim Gesetzentwurf zur Änderung des Ministergesetzes, Ich kann das auch einmal in Zahlen sagen. Wenn man die Familienkomponente und das Grundgehalt zusammenfasst, (Beifall bei der SPD – Abg. Fischer SPD: Jawohl!) dann führt das bei einer Familie mit zwei Kindern bei ei- den Sie uns schon mehrfach versprochen haben. Kollege nem Beamten in Besoldungsgruppe A 9 nicht zu einer Reinhart hat bei der letzten Debatte über einen Gesetzent- Rückführung auf 64 %, sondern zu einer Rückführung auf wurf zur Änderung des Ministergesetzes im Frühjahr voll- lediglich 66,26 %. Das bedeutet bei diesem Beamten mit mundig erklärt, bis Ende Mai würden die Koalitionsfraktio- zwei Kindern eine Mehrzahlung in Höhe von 60 €. Wenn er nen diesen Gesetzentwurf vorlegen. Wir warten immer noch drei Kinder hätte, würde es sogar eine Mehrzahlung von darauf. Wo bleibt der Gesetzentwurf? 85,20 € bedeuten. Das sind nicht unerhebliche Mehrbeträ- ge. Herr Minister, ich sehe hier folgenden Zusammenhang: Es (Abg. Fischer SPD: Die hat er aber vorher auch ge- wäre ein Signal an die Bediensteten in diesem Land, für die habt!) das Land Arbeitgeber ist, wenn Sie mit gutem Beispiel vo- rangingen und diesen Gesetzentwurf zur Änderung des Mi- Wir glauben, dass das an dieser Stelle einfach nochmals nistergesetzes endlich einmal auf den Weg bringen würden. hervorgehoben werden sollte. (Beifall bei der SPD) Ein zweiter Punkt ist mir wichtig: Wir haben diese Ein- schränkungen machen müssen. Wir sehen auch die Belas- Herr Dr. Scheffold, nachdem Sie auf die anderen Bundes- tungen, die die Beamtinnen und Beamten damit hinnehmen länder verwiesen haben, möchte ich insoweit zunächst ein- müssen. Ich möchte aber doch sagen, dass es eine ganze mal an Baden-Württemberg festhalten. Natürlich sehen Vielzahl von Ländern gibt, Herr Kollege Fischer, die weit auch andere Länder Kürzungen vor. Wenn Sie sich aller- schwerer wiegende Absenkungen vorgenommen haben. Ich dings die bayerische Regelung anschauen, stellen Sie schon sage Ihnen: Für das Jahr 2004 sind es die Länder Berlin, wieder eine Ausnahme fest. Dieses Gesetz betrifft ja nicht Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nieder- allein die Besoldung der Beamtinnen und Beamten des Lan- sachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, des. Sie haben ja eine ganze Menge von Grausamkeiten be- Sachsen-Anhalt und Thüringen, die allesamt weit tiefer in gangen. Ich denke beispielsweise daran, wie Sie mit den die Taschen der Beamtinnen und Beamten hineingreifen. Bediensteten unseres Landes im Zusammenhang mit dem Projekt NSI umgehen. Sie tragen dieses Projekt auf dem (Abg. Fischer SPD: Ich habe das nur gesagt, weil Rücken der Bediensteten aus und erwarten, dass sich dieses Sie jetzt die Kinderkomponente berechnet haben! Projekt durch Stellenabbau mit einer Effizienzrendite finan- Die haben wir doch vorher auch gehabt!) ziert. Letztlich tragen dies die Bediensteten dieses Bundes- landes. Dies betrifft vor allem auch SPD-geführte Bundesländer. Ich habe das ja vorgetragen. Auch bei der Verwaltungsreform – gleiches Stichwort: Effi- zienzrendite – geht die Umsetzung der Reformvorschläge Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir von der zulasten der Bediensteten in diesem Bundesland. Die müs- CDU-Fraktion unterstützen diesen Gesetzentwurf der Lan- sen das letztlich erwirtschaften. Es wird ja auch offen ge- desregierung und werden ihm zustimmen. sagt, dass das ganze Projekt nur bei entsprechendem Perso- nalabbau funktioniert. Vielen Dank. Natürlich stellen wir uns nicht einfach hin und lehnen alles (Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann ab. Wir haben auch Verständnis dafür, dass überall und bei FDP/DVP) jedem gespart werden muss. Das ist alles recht und gut.

3509 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Stickelberger)

Wenn Sie sich aber die Stellungnahmen der Verbände an- bekommen. Auch da legen Sie diesen niedrigeren Prozent- schauen, stellen Sie fest, Herr Finanzminister, dass die satz für das Jahr 2003 zugrunde. Das ist unseres Erachtens durchaus differenziert sind und insbesondere Entlastungen eigentlich Etikettenschwindel. So sollte man mit den Be- in den unteren und mittleren Einkommensgruppen vorschla- diensteten dieses Landes nicht umgehen. gen. (Abg. Fleischer CDU: Macht eine bessere Politik (Abg. Dr. Caroli SPD: Zu Recht!) in Berlin! Sie machen es sich einfach!) – Zu Recht, wie Sie, Herr Dr. Caroli, sagen. – Ach, Herr Fleischer, gehen Sie doch nach Berlin, wenn es (Abg. Dr. Caroli SPD: Ich habe den Antrag schon Ihnen da so gut gefällt. Immer wenn es brenzlig wird, wenn eingebracht!) Sie mit Ihren hausgemachten Schwierigkeiten in diesem Bundesland konfrontiert werden, Daran fehlt es bei Ihrem Gesetzentwurf. (Abg. Fleischer CDU: Sie tauchen weg! Das sind Ich darf einmal Ihren Kollegen Minister Dr. Döring zitie- keine hausgemachten Sachen!) ren. Ich zitiere nicht Sie, Herr Finanzminister; das ist mir in Anbetracht der vormittäglichen Diskussion viel zu heiß. Ich deuten Sie mit dem Zeigefinger nach Berlin. So einfach darf aber Ihren Kollegen Dr. Döring zitieren. Er hat – nach- können Sie sich das nicht machen. zulesen in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 26. Novem- ber – gesagt: „Wer in Stuttgart wohnt, braucht jeden Euro.“ (Beifall bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: So Auch das Weihnachtsgeld sei von vielen fest verplant und geht es nicht! Sie machen den billigen Jakob!) keineswegs für den Konsum verfügbar. So der Herr Wirt- Für die zig Millionen, die Sie mit NSI in den Sand setzen, schaftsminister, dem ich voll zustimme. Er hat dies im Zu- könnten Sie in den unteren und mittleren Besoldungsgrup- sammenhang damit gesagt, dass er lieber eine Arbeitszeiter- pen viel Entlastung schaffen. höhung als eine Reduzierung bei den Besoldungselementen in Kauf nehmen würde. (Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Genau! Sie schmeißen das Geld zum Fenster hinaus! Das Ich will das einmal ein bisschen aus der Höhe der großen weisen wir euch nach!) Politik herunterzonen. Herr Dr. Scheffold, nachdem Sie Zahlen genannt haben, will ich auch eine Zahl nennen. Ein Ich komme gleich zum Abschluss und darf unsere Position Polizeiobermeister in der zweiten Stufe, ledig, erhält ein verdeutlichen. Wir tragen Kürzungen bis zur Besoldungs- Grundgehalt von 1 763 €. Ich sage dies nur, damit man ein- gruppe A 8 nicht mit. Wir tragen Regelungen für das Jahr mal eine Zahl hat, an der man die weitere Diskussion fest- 2004 mit und würden eine Verringerung des Prozentsatzes machen kann. Bei diesem Grundgehalt sind natürlich ein auf 75 % bis Besoldungsgruppe A 11 mitmachen. paar Hundert Euro Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld eine ganze Menge. Das muss man sehen. Der Herr Finanzminis- (Abg. Fleischer CDU: Wo ist denn bei euch der ter hat ja auch eingeräumt, dass eine Kürzung Härten Ausgleich?) bringt. Allerdings vermissen wir eine ausreichende soziale Berücksichtigung dieser Tatsache im Gesetzentwurf. Wir wollen eine Gleichstellung der Pensionäre, plädieren für ein Urlaubsgeld von mindestens 100 € in den unteren (Beifall bei der SPD) und mittleren Besoldungsgruppen und schlagen, weil Sie uns ja nach dem Ausgleich fragen, Wir halten diese pauschalen Kürzungen mit dem Rasenmä- her für nicht verantwortbar, weil sie insbesondere die mitt- (Abg. Fleischer CDU: Womit bezahlen Sie es? Mit leren und unteren Einkommensgruppen ähnlich belasten, NSI?) prozentual zum Teil noch stärker. im Bereich der B-Besoldung, C-Besoldung und R-Besol- (Abg. Fleischer CDU: Das stimmt doch gar nicht! – dung ein Einfrieren des Weihnachtsgeldes auf die Stufe von Abg. Dr. Scheffold CDU: Wer mehr verdient, A 16 vor. Das wäre unser Vorschlag für die weitere Bera- kriegt natürlich weniger!) tung. – Jetzt lassen Sie das einmal. Danke schön. Wir kritisieren auch die verkappte Rückwirkung dieses Ge- (Beifall bei der SPD – Abg. Fleischer und Abg. setzes. Die Einschnitte sollen ja schon für das Jahr 2003 er- Herrmann CDU: Leistungsfeindlich! – Abg. Herr- folgen; die Prozentzahlen haben Sie genannt. Mit diesen mann CDU: Sozialistische Politik!) Einschnitten für das Jahr 2003 holen Sie natürlich das be- reits ausgezahlte Urlaubsgeld wieder zurück. Das, meine Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Meine Damen und Her- Damen und Herren, halten wir unter dem Gesichtspunkt des ren, unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne gilt jetzt Vertrauensschutzes für die Bediensteten dieses Landes für mein besonderer Gruß dem Gouverneur des brasilianischen schlicht unzumutbar. Bundesstaates Rio Grande do Sul, Herrn Dr. Germano Ri- gotto. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei allen Fraktionen) Und die Krone setzen Sie dem noch auf, wenn Sie berück- sichtigen, dass Sie die gleiche Regelung auch auf Versor- Herr Gouverneur Dr. Rigotto stattet dem Land Baden- gungsempfänger anwenden, die überhaupt kein Urlaubsgeld Württemberg heute im Rahmen seiner Europareise einen

3510 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Stellv. Präsidentin Beate Fauser)

Kurzbesuch ab. In seiner Begleitung befinden sich der noch auf einer Insel der Glückseligen. Gott sei Dank muss Staatssekretär für Landesentwicklung und Internationale bei uns die Einschränkung bedeutend geringer ausfallen als Fragen, Abgeordnete des Parlaments von Rio Grande do in den allermeisten Bundesländern in Deutschland. Sul sowie Herr Generalkonsul Moretzsohn de Andrade und (Beifall bei der FDP/DVP und der CDU) Herr Honorarkonsul Schreiner. (Beifall bei allen Fraktionen) Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer. Herr Gouverneur, meine Herren Kollegen, ich darf Sie und Ihre Begleitung hier im Landtag von Baden-Württemberg Abg. Oelmayer GRÜNE: Meine Präsidentin, meine Damen herzlich willkommen heißen und Ihnen weiterhin einen an- und Herren! genehmen und informativen Aufenthalt in unserem Land (Heiterkeit und Oh-Rufe – Vereinzelt Beifall – wünschen. Abg. Fischer SPD: „Meine Präsidentin“! – Abg. (Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Fleischer Drexler SPD: Gibts jetzt schon „meine“ und „dei- CDU: Sehr gut!) ne“?) – Ja, welche denn sonst? Eure? Ich fahre fort, sonst geht Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Glück. meine Redezeit verloren. Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Frau Präsidentin, meine sehr Kollege Glück, eigentlich wollte ich das Zitat weglassen. verehrten Damen und Herren! Herr Stickelberger, manches Aber so viel einmal zur Glaubwürdigkeit der Politik, weil Mal beneide ich die Opposition. Vor allem wenn man ein Sie ja gerade darauf abgehoben haben, dass Sie ganz froh Gesetz beschließen muss, das nicht mit Wohltaten einher- seien, ein Vertreter einer Regierungsfraktion zu sein: Ich geht, sondern wenn man Einschränkungen macht, haben Sie lese Ihnen einmal vor, was der Vertreter der FDP im Land- es natürlich leichter und können hier herunterziehen, was tag von Schleswig-Holstein – dort sitzt er in der Opposition Sie an Einschnitten, die die meisten Menschen nicht wollen, – zum gleichen Gesetz gesagt hat. Hören Sie einmal genau alles nicht haben möchten, zu, was er gesagt hat und was ich nachher für meine Frakti- on sage! Er hat gesagt: (Abg. Zeller SPD: Aber sehr seriös!) Beamte zahlen für die Politik dieser maroden Regie- auch wenn Sie dann im Bereich der B-Besoldung so ein rung – . . . Kürzung von Weihnachts- und Urlaubs- ganz kleines bisschen noch den Stift angelegt haben. Aber geld. Sie wissen, dass das in keinem vernünftigen Verhältnis steht. Herr Stickelberger, ich sagte Ihnen gerade: Manches Weiter: Mal beneide ich die Damen und Herren in der Opposition, Die Beamtinnen und Beamten müssen nun die Suppe aber meistens doch nicht. Sie wissen natürlich, dass Sie auslöffeln, die diese Landesregierung ihnen einge- letztlich gestalterisch doch nichts machen können. brockt hat. (Abg. Stickelberger SPD: Das trifft Sie auch wie- Der Punkt ist: In Schleswig-Holstein regiert Rot-Grün, hier der!) regiert Gelb-Schwarz, und schon haben Sie eine hundert- – Wir machen diese Erfahrung in Berlin, zugegeben, aber prozentige Umkehrung der Verhältnisse, auch in Ihrem Re- jetzt sind wir in Stuttgart. debeitrag. Das trägt nicht zur Glaubwürdigkeit von Politik bei, Kollege Glück. (Abg. Birzele SPD: Sie könnten und tun nicht!) (Beifall bei den Grünen – Abg. Schmiedel SPD: Meine Damen und Herren, die Streichung des Urlaubsgelds Von der FDP!) und die Absenkung des Weihnachtsgelds auf 64 % sind na- türlich ein schwerer Eingriff in die Beamtenbesoldung. Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Herr Abg. Oelmayer, Trotzdem hat man sich bei der Umsetzung um Konsens be- gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. müht. Ein wesentlicher Punkt ist das Weihnachtsgeld, das Dr. Glück? so, wie es nach der jetzigen Regelung kommen soll, im Abg. Oelmayer GRÜNE: Wenn ich nachher noch Zeit ha- Prinzip den Vorstellungen des Beamtenbundes entspricht, be, gerne. also Zwölftelung des 13. Gehalts, Auszahlung jeweils mit dem monatlichen Gehalt, Ruhegehaltsfähigkeit dieses ge- Zum Thema: Wir haben es ja schon verlautbart. Bevor wir zwölftelten Weihnachtsgeldes und selbstverständlich auch diese Debatte geführt haben, haben wir in unserer Fraktion Einbeziehung in Gehaltssteigerungen. darüber diskutiert, wie wir mit diesem Gesetzentwurf umge- hen. Wir sind uns – das macht nun den Unterschied zur (Abg. Blenke CDU: Das ist entscheidend!) FDP aus –, obwohl wir hier keine Regierungsverantwortung tragen, der Verantwortung für das Land bewusst Man hat sich auch sehr und, wie ich denke, erfolgreich um Fingerspitzengefühl bemüht. Man hat wirklich nur das ge- (Abg. Dr. Scheffold CDU: Sehr gut!) tan, was aufgrund dieser katastrophalen Haushaltslage, in der wir uns befinden, unabdingbar ist. und tragen den Gesetzentwurf mit einigen wenigen Abwei- chungen, die ich noch vortragen werde, prinzipiell mit, Trotzdem sind wir, meine Damen und Herren, in Baden- Württemberg, relativ gesehen und ausgenommen Bayern, (Abg. Dr. Scheffold CDU: Respekt!)

3511 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Oelmayer) weil wir der Auffassung sind, dass dies aufgrund der maro- (Widerspruch der Abg. Dr. Caroli und Schmiedel den Finanzsituation – 1 Milliarde € ist schon eingespart; SPD – Abg. Schmiedel SPD: Was heißt das? – Ge- nach allem, was uns bekannt ist, wird das nicht reichen; genruf des Abg. Döpper CDU: Das ist konstruktiv! darüber hinaus wird es zu einer Nettoneuverschuldung in – Abg. Blenke CDU zur SPD: Das ist konstruktive der Größenordnung von 1, 1,5, vielleicht 2 Milliarden € Oppositionsarbeit! Davon könnt ihr lernen!) kommen; ich mag es jetzt nicht genau prognostizieren; Herr Finanzminister, ich lasse mich da gern eines Besseren be- weil das, glaube ich, auch von der sozialen Staffelung her lehren – notwendig ist. Wir sind der Auffassung, dass es sinnvoll wäre – hören Sie zu, Kollege Schmiedel! –; denn nicht angehen kann, dass wir uns weiterhin – egal, ob wir wir wollen die Menschen in den unteren Gehaltskategorien Gehälter, Personalkosten oder Investitionen damit bezahlen nicht belasten, halten das im Gegenzug dazu aber bei Men- – auf Pump betätigen. Deswegen sind wir der Auffassung, schen, die in das Pensionsalter eingetreten sind, für eher zu- dass der Gesetzentwurf prinzipiell in die richtige Richtung mutbar. Wir haben diesbezüglich aber noch keinen Antrag geht. formuliert. Zu den von uns begehrten Abweichungen: Die Landesregie- (Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Ursula Haußmann: rung hat eine Sozialkomponente beim Familienzuschlag Aha!) eingebaut. Das begrüßen wir. Wir sind aber auch der Auf- fassung – ich kann das für unsere Fraktion präzisieren –, Es wird darauf ankommen, ob der Finanzminister mit sei- dass wir die Beamten des einfachen und des mittleren nen Prognosen Recht behält. – Nicht „Ja, ja!“, Frau Kolle- Dienstes – darunter befinden sich sehr viele Polizeibeamte, gin Haußmann! Strafvollzugs-, Vollstreckungsbeamte etc. pp.; das sind (Abg. Ursula Haußmann SPD: „Aha!“ habe ich ge- Menschen, die tagtäglich im Land im wahrsten Sinne des sagt!) Wortes den Kopf hinhalten müssen – von dieser Streichung ausnehmen sollten. Entscheidend ist, ob der Finanzminister mit seinen Progno- Ich habe mir – obwohl ich kein Ministerium zur Verfügung sen zur Nettoneuverschuldung Recht behält. Daran werden habe – einmal die Mühe gemacht, in etwa zu berechnen, wir uns dann orientieren. welche Reduzierung des Sparvolumens sich durch diese Ein allerletzter Punkt, den ich noch erwähnen möchte – ich Abweichung ergeben würde. Nach den Berechnungen, die komme zum Ende, Frau Präsidentin –: Eine Problematik ich mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angestellt bleibt uns natürlich. Das weiß man auch als Bürger, wenn habe, komme ich auf eine Reduzierung des Sparvolumens man im Land unterwegs ist: In ein und denselben Amts- um 10 bis 12 Millionen €. Das heißt, das Sparvolumen wür- stuben gibt es Menschen, die nach A 8 besoldet sind und de sich von den von der Landesregierung angepeilten 194 dort als Beamte schaffen, und andere, die dort als Ange- Millionen € auf etwa 180 bis 182 Millionen € reduzieren. stellte ihren Dienst tun und die wir daher jetzt nicht mit Sehen Sie es mir nach, wenn wir es nicht auf Heller und Sonderkürzungen belegen können. Ich hätte eigentlich ge- Cent ausrechnen können, aber der Größenordnung nach dacht und erhofft, dass die Landesregierung vielleicht damit kommt man auf diesen Betrag. beginnt, schon einmal in die Richtung zu agieren, den durch Ein Zweites, was wir an dem Gesetzentwurf ablehnen – das die Einschnitte im Beamtenbereich entstehenden Ungerech- werden wir in dieser Form einbringen, wenn wir im Aus- tigkeiten, die wir als Fraktion GRÜNE in diesem Haus schuss darüber zu beraten und zu entscheiden haben, letzt- nicht befürworten können, entgegenzuwirken. endlich auch im Parlament –, ist die Zwölftelung der Son- (Zuruf des Abg. Dr. Scheffold CDU) derzahlung, weil damit, meine Kolleginnen und Kollegen, ja das Sparziel auf Sicht wieder konterkariert wird. Wenn Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bin gespannt auf wir jetzt kürzen und wenn wir uns schon den Ärger – ich die Ausschussberatungen. denke, teilweise zu Recht – einhandeln, dann macht es kei- nen Sinn, wenn wir diese Kürzung quasi über die Hintertür (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Blenke und wieder egalisieren. Insofern werden wir auch gegen diesen Zimmermann CDU – Abg. Blenke CDU: Das ist Punkt angehen, wenn es zu einer Beratung und zur Ent- konstruktive Oppositionsarbeit! Dafür kriegt ihr scheidung kommt. Applaus!) Ein Letztes möchte ich für meine Fraktion noch erwähnen, Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Meine Damen und Her- liebe Kolleginnen und Kollegen – und das sage ich ganz be- ren, nach der Ersten Beratung soll der Gesetzentwurf der wusst auch an den Kollegen Stickelberger und die SPD- Landesregierung – Gesetz zur Regelung des Rechts der Fraktion gerichtet –: Sonderzahlungen in Baden-Württemberg –, Drucksache 13/2396, an den Finanzausschuss überwiesen werden. – Sie (Abg. Döpper CDU: Sehr richtig!) stimmen der Überweisung zu. Von den Menschen, die 40 Jahre lang in einer Fabrik arbei- Damit ist Tagesordnungspunkt 6 beendet. ten, ist noch niemand auf die Idee gekommen, analog zur 13. Beamtenpension eine 13. Rente zu fordern. Deswegen Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: müssen wir bei der Öffnungsklausel perspektivisch natür- lich auch diese 13. Pension, die das Land nach meinen In- Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregie- formationen insgesamt jährlich 147 Millionen € kostet, als rung – Gesetz zur Errichtung der Landesakademie für mögliches weiteres Sparpotenzial im Auge behalten, Lehrkräftefortbildung – Drucksache 13/2430

3512 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Stellv. Präsidentin Beate Fauser)

Für die Aussprache nach der Begründung durch die Regie- und eben schulintern anzulegen sein. Wir gehen davon aus, rung hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je dass zu den inneren Schulentwicklungsprozessen auch die Fraktion, gestaffelt, vorgesehen. Fortbildungspläne der Schulen, an ihrem Bedarf orientiert, gehören. Meine Damen und Herren, das Wort erteile ich Frau Minis- terin Dr. Schavan. Diesen Prozess voranzubringen, einerseits den Prozess der Konzeptentwicklung im Blick auf die Weiterbildung von (Abg. Stickelberger SPD: Schon wieder ein Kern- Multiplikatoren für pädagogische Innovationen und ande- kraftthema!) rerseits die Unterstützung von innerschulischen Fortbil- Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Annette dungsplänen, konzeptionelle Anregung, die Frage von Qua- Schavan: Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle- lifizierungsstrategien, sind genau die Aufgaben der neuen gen, meine Damen und Herren! Maßnahmen der Lehrerfort- Landesakademie, die wir mit diesem Gesetz schaffen, die und -weiterbildung sind zentrale Instrumente für Unter- an vier Standorten vertreten ist: in Calw, auf der Comburg, richtsentwicklung, Schul- und Personalentwicklung. In dem in Donaueschingen und in Esslingen. Diese vier Standorte Maße, in dem wir eine Umsteuerung des Bildungswesens werden zu einer landesweiten Akademie zusammengefasst, vornehmen, Bildungsstandards einführen und Evaluation die die landesweit relevanten Fortbildungsaufgaben schul- praktizieren, wird auch die Möglichkeit der Schule, syste- artübergreifend bündelt, die schulartspezifische und -über- matische Fortbildungskonzepte zu entwickeln, wichtiger. greifende Konzeptentwicklung bei landesweiten Fortbil- dungsprojekten und die Schulung entsprechender Multipli- Deshalb legen wir Ihnen heute einen Gesetzentwurf zur katoren vornimmt, die schulartspezifische und -übergreifen- Neustrukturierung der Lehrerfortbildungsakademien vor, de stetige Qualifikation von Fortbildungs- und Beratungs- mit dem wir bestehende Fortbildungsstrukturen weiterent- personal, das den Schulen auf Abruf zur Verfügung gestellt wickeln, um auf neue Situationen der Schule, um auf eine wird, übernimmt, eine Akademie, die die landesweite Zerti- weiterentwickelte Schule Antwort zu geben. fizierung von externen Anbietern zum Beispiel bei Multi- media- oder Sprachschulungen für Grundschullehrkräfte Zu Ihrer Orientierung: Die Leistungsdaten der Lehrerfort- vornimmt und die zugleich Qualifizierungsangebote für das bildung in Baden-Württemberg sind schon heute beachtlich. gesamte pädagogische Leitungspersonal in Schule und Bei hunderttausend Lehrerinnen und Lehrern, die wir in Ba- Schulverwaltung ausgestaltet, also auch Angebote für Lehr- den-Württemberg haben, gibt es jährlich durchschnittlich kräfte mit besonderen Aufgaben im schulischen System, insgesamt rund 50 000 Teilnahmeplätze an zentralen und zum Beispiel im Bereich der Lehrerausbildung, und Ge- regionalen Fortbildungseinrichtungen. währleistung von Angeboten für kleine Fachgruppen. Dabei ist zu beobachten, dass einerseits die Multiplikato- renfortbildung bedeutsamer wird angesichts von pädagogi- Diese zentrale Landesakademie für Fort- und Weiterbil- schen Innovationen. Ich erinnere an die Einführung der dung der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Fremdsprache in der Grundschule, bei der wir mithilfe un- in unseren Schulen soll eng mit Hochschulen und Semina- serer Akademien und deren Konzepten 11 000 Grundschul- ren zusammenarbeiten. Das scheint mir ein ganz wichtiger lehrkräfte in einem relativ kurzen Zeitraum weitergebildet Punkt zu sein. Den Grundgedanken, dass Hochschule auch haben. Wir haben 300 Multiplikatoren für didaktische und den Auftrag der Weiterbildung hat, haben wir eigentlich methodische Fragen. Dazu haben insgesamt 60 Veranstal- schon entwickelt, und der ist akzeptiert. Ich glaube, dass tungen an den Akademien stattgefunden. das auch in besonderer Weise für unsere Pädagogischen Hochschulen gelten sollte: nicht nur Studienangebote, son- Der zweite Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte: dern auch Angebote für die Weiterbildung. Das heißt, Stand in der Vergangenheit der Weiterbildungskurs im Vor- Hochschulen, Seminare und diese Akademie werden auch dergrund, der außerhalb der Schule von einzelnen Lehrern in ein kontinuierliches Gespräch, in ein Netzwerk für Fort- wahrgenommen wurde, so ist es heute wichtig, immer mehr und Weiterbildung eintreten. Fortbildungen für die gesamte Schule oder für Fachkonfe- renzen anzubieten. Es gibt, wenn man so will, neue Leitlini- Das Gleiche gilt bei einzelnen Maßnahmen für Kammern, en mit einer starken Tendenz hin zur Regionalisierung. Das für Unternehmen, für die Wirtschaft, mit denen wir schon heißt, Ziel dieser Entwicklung, die sich nicht mehr nur an jetzt gut zusammenarbeiten. die einzelnen Lehrer und Lehrerinnen richtet, sondern an Die Zusammenführung der bisherigen vier Einrichtungen die Schule als ganze, ist eine systematische Fortbildungs- macht es einerseits möglich, dass die für die Aufgabener- planung der Schule durch gemeinsame Bedarfsdefinition, füllung erforderliche schulartübergreifende Abstimmung, Absprache über arbeitsteiligen Besuch von Fortbildungs- die Gewährleistung einheitlicher Qualitätsstandards, bereits veranstaltungen und konsequente Weiterbefassung, also auf Akademieebene erfolgen kann. Sie erlaubt darüber hi- Transformation in das Kollegium und seine Prozesse der naus, die verwaltungsmäßigen Querschnittaufgaben, die Unterrichts- und Schulentwicklung. bisher in Bezug auf die vier Akademien auf Ministeriums- In diesem Zusammenhang werden wir auch in Modellpro- ebene wahrgenommen werden mussten, jetzt auf die Akade- jekten die Möglichkeiten und natürlich zunächst auch Gren- mieebene zu übertragen und damit auch Kosten einzuspa- zen von Fortbildungsbudgets für Schulen prüfen. Ich glau- ren. Die Wirtschaftlichkeit im Blick auf die Verwaltung be, das ist mittel- und langfristig ein notwendiger Schritt, wird erhöht. der sich aus dieser Dezentralisierung ergibt. Die neue Einrichtung wird selbstständig über die Kurspla- Schließlich werden Fortbildungen verstärkt nicht nur aus nung, Kursausschreibung und Kursbelegung über alle vier Einzelveranstaltungen bestehen, sondern prozessorientiert Standorte hinweg entscheiden und damit insbesondere bei

3513 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Ministerin Dr. Annette Schavan) stark nachgefragten Kursen rasch im Sinne der Schule rea- sondern um die erste Diskussion und erste Aussprache über gieren können, im Sinne der Ausnutzung der gesamten Be- schon recht konkret formulierte Maßnahmen zur Qualitäts- legungskapazität. Natürlich werden auch Synergieeffekte entwicklung und Qualitätssicherung an unseren Schulen. möglich, und – wichtig für die vier Standorte – wir werden nach wie vor jeden Standort im Sinne eines spezifischen (Abg. Reichardt CDU: Also eine Verbesserung!) Kompetenzprofils weiterentwickeln, also die Comburger Diese Maßnahmen dienen einem Ziel, das über jeglichen Akademie zu einer pädagogischen Führungsakademie, den Parteienstreit erhaben sein sollte und meines Erachtens Akademiestandort in Esslingen mit dem Schwerpunkt der auch erhaben ist, nämlich der optimierten Fortbildung unse- beruflichen Bildung sowie Calw und Donaueschingen mit rer Lehrkräfte. dem Schwerpunkt allgemein bildende Schulen. Meine Damen und Herren, was PISA unter anderem ganz Meine Damen und Herren, die Rechtsform der Landesaka- klar gezeigt hat, ist die Wichtigkeit der laufenden Fort- und demie gewährleistet eigenständiges, rasches und am Bedarf Weiterbildung derjenigen, deren Händen wir die Pflege und der Schule orientiertes Handeln in der Weiterentwicklung Entwicklung unserer, wie wir immer betonen, kostbarsten der Fortbildungsangebote und der Weiterentwicklung der und wichtigsten Ressource anvertrauen, nämlich die Bil- Kultur der schulischen Fortbildung. Die Rechtsform der dung unserer Kinder. Landesakademie macht sie zu einem gleichberechtigten Partner in der Kooperation mit Partnereinrichtungen. Sie Der Schritt hinaus über die insgesamt vier bereits bestehen- ermöglicht Selbstständigkeit und Flexibilität, und zwar auch den und bislang eher lose kooperierenden Akademien für im unternehmerischen Sinne, das heißt, die Landesakade- Lehrerfortbildung hin zu einer schlagkräftig organisierten mie kann Geschäfte mit Dritten tätigen und die Einnahmen und natürlich auch nach modernen Management- und Rech- für die Weiterentwicklung der Lehrerfortbildung nutzen. nungsmethoden geführten Landesakademie ist für die CDU- Fraktion ein weiterer und konsequenter Schritt hin zu einem Gleichzeitig bleibt die Durchlässigkeit im Sinne einer Per- Ziel der verbesserten Fort- und Weiterbildung unserer sonalentwicklung zum schulischen System gewährleistet. Lehrkräfte. An diese Akademie können auch Lehrkräfte abgeordnet (Beifall bei der CDU) oder teilabgeordnet werden, sodass jeweils projektbezogen und mit spezifischem Sachverstand sichergestellt wird, dass Diese Fort- und Weiterbildung, meine Damen und Herren, die hochdifferenzierten Aufgaben wahrgenommen werden. liegt ja in unser aller Interesse und ist doch – oder sollte ich Ich halte das für einen wichtigen Punkt. Das gilt übrigens mich etwa täuschen? – auch für unsere Seminare und die Hochschulen: Es ist nicht schlecht, hin und wieder einmal von der Theorie in die Pra- (Abg. Reichardt CDU: Nein!) xis und von der Praxis in die Theorie zu wechseln. in diesem Gremium konsensfähig. (Beifall bei der CDU – Abg. Reichardt CDU: Sehr In diesem Zusammenhang erinnere ich an eine Feststellung gut!) des nationalen Koordinators von PISA, Professor Baumert. Ich glaube, dass wir auf Dauer auch dazu kommen sollten. In seinen Empfehlungen für die notwendige Bildungsreform weist er neben der eben genannten Eigenverantwortlichkeit Abschließend, meine Damen und Herren: Mit der Neustruk- der Schulen und der Verpflichtung zur Rechenschaftsle- turierung der Akademien, die ich Ihnen heute mit diesem gung und Kontrolle auf ein drittes Element hin. Er meint Gesetzentwurf vorlege, wird ein weiterer Schritt zu größe- damit die Professionalisierung der Lehrerschaft. rer Eigenständigkeit der Schule getan. Wir streben die ope- rativ selbstständige Schule an. Operativ selbstständige (Beifall bei Abgeordneten der CDU) Schule bekommt man aber nur, wenn man ein entsprechen- Gerade die zentrale Aufgabenstellung der zu gründenden des Unterstützungssystem hat. Diese neue Landesakademie Landesakademie zielt ja genau auf die Professionalisierung wird ein wichtiges Element in diesem Unterstützungssystem der Lehrerschaft ab. sein. Als Schulleiter bin ich mit den Stärken und Schwächen der (Abg. Reichardt CDU: Ein Durchbruch wird das!) derzeitigen Lehrerfort- und -weiterbildung vertraut und ste- Ich danke Ihnen. he deshalb voll und ganz hinter der Idee der Landesakade- mie. Ich meine, dass eine Ressourcenoptimierung, wie sie (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ mit einer federführenden Landesakademie mit weitgehen- DVP) den Kompetenzen möglich ist, höchst erstrebenswert ist.

Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Das Wort erteile ich (Beifall bei der CDU) Herrn Abg. Röhm. Meines Erachtens bietet eine Zentralstelle jedoch noch wei- Abg. Röhm CDU: Frau Präsidentin, meine Damen und tere Vorteile. Sie führt als zentraler Ansprechpartner der Herren! Erfreulicherweise geht es in der heutigen Plenarde- Institutionen, denen sie primär dienen soll, zu größerer Effi- batte nicht um die Bestandsaufnahme potenzieller bildungs- zienz bei der Planung und Bündelung der doch recht diver- politischer Defizite und Versäumnisse, sifizierten Angebote in den Bereichen der allgemein bilden- den Schulen und natürlich auch der Schulen mit spezifi- (Abg. Herrmann CDU: Da gibt es ja auch keine!) schem Bildungsauftrag.

3514 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Röhm)

Eine Landesakademie ermöglicht meines Erachtens auch Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Meine Damen und Her- die Zusammenführung und Optimierung des Know-hows ren, auf der Zuhörertribüne hat inzwischen der neue Gene- und der speziellen Kompetenzen der Mitarbeiter, die an den ralkonsul von Frankreich mit Sitz in Stuttgart, Herr bereits bestehenden Lehrerakademien beschäftigt sind. Dr. Henri Reynaud, Platz genommen. Herr Dr. Reynaud hat am 1. September 2003 die Nachfolge von Generalkonsul (Abg. Seimetz CDU: Sehr gut!) Francis Etienne angetreten. Gestatten Sie mir noch einige kurze Bemerkungen zur Kon- Herr Generalkonsul Dr. Reynaud, ich heiße Sie hier im stellation Landesakademie, Schulen und Lehrerfortbildung Landtag von Baden-Württemberg herzlich willkommen und – Letztere natürlich auch ein in der Öffentlichkeit recht wünsche Ihnen eine erfolgreiche Amtszeit in Stuttgart. kontrovers diskutiertes Thema. (Beifall bei allen Fraktionen) In der öffentlichen Diskussion ist das Thema Lehrerfortbil- Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Caroli. dung häufig mit dem Thema Unterrichtsausfall verbunden, und die Forderung, die Fortbildung primär in die Ferienzeit (Zuruf des Abg. Scheuermann CDU) zu verlegen, damit weniger Unterricht ausfällt, ist recht po- pulär. Abg. Dr. Caroli SPD: Unter anderem, Herr Scheuermann. – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Her- Aus meiner Sicht als Schulleiter bietet eine federführende ren! PISA lässt wieder einmal grüßen. Landesakademie in Zusammenarbeit mit den an den Schu- (Zurufe von der CDU: Nein!) len noch zu benennenden Fortbildungsbeauftragten große Chancen. Die Fortbildungsbeauftragten signalisieren der Mindestens so weit reicht unser Konsens mit der CDU- Landesakademie den Bedarf an Fortbildungsveranstaltun- Fraktion. gen. Die Landesakademie ihrerseits zeichnet für das Kon- (Abg. Röhm CDU: Immerhin! – Abg. Reichardt zept und die Durchführung der Maßnahmen – natürlich in CDU: Ist ein Einstieg!) Übereinstimmung mit den Bildungsstandards – verantwort- lich und sorgt für den reibungslosen Ablauf der Kursange- Ein Paradigmenwechsel von einer bisher inputorientierten bote. Bildungsplanung unseres Schulwesens hin zu einer stärke- ren Betonung von überprüfbaren Ergebnissen der schuli- (Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD) schen Bildungsarbeit ist überfällig, wenn wir im internatio- nalen Vergleich nicht noch weiter zurückfallen wollen. Wünschenswert aus der Sicht der CDU-Fraktion wäre eine multilaterale Funktion der Fortbildungsbeauftragten an den Hierfür brauchen wir Lehrerinnen und Lehrer, die nicht nur Schulen. Wissen angehäuft haben, sondern im Besonderen über me- thodische, soziale, kommunikative und personale Kompe- (Abg. Stickelberger SPD: Aha!) tenzen verfügen, die für die Erziehungs- und Bildungsarbeit So sollte die Landesakademie die Fortbildungsbeauftragten in der modernen Gesellschaft unerlässlich sind. in die Planung und natürlich auch in die Gestaltung ihres (Abg. Röhm CDU: Richtig!) Angebotes einbeziehen. Die Fortbildungsbeauftragten ihrer- seits sorgen dann in den Schulen für eine Multiplikatoren- Dieser Reformansatz erfordert eine Reform der Lehrerbil- wirkung der Kurse. dung auf der einen Seite, Ich bin sicher: Eine gut geplante und gut durchstrukturierte (Abg. Reichardt CDU: Und der SPD!) Zusammenarbeit zwischen Schulen und Landesakademie damit einhergehend auf der anderen Seite aber auch eine schlägt auch auf die Qualität der einzelnen Fortbildungs- breite, langfristig angelegte qualifizierte Lehrerfortbildung. maßnahmen durch. (Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU In aller Kürze: Gute Fort- und Weiterbildungskurse können und der FDP/DVP – Abg. Röhm CDU: Auch rich- an den Schulen stark motivierte Lehrerinnen und Lehrer tig!) zeitigen. Für einen so erzeugten Motivationsschub wäre ich als Schulleiter gern bereit, den durch Fortbildungsmaßnah- Diese Lehrerfortbildung sollte nach unseren Vorstellungen men teilweise verursachten Unterrichtsausfall in Kauf zu insbesondere in den ersten Jahren der Lehrertätigkeit, also nehmen. Und noch etwas: Durch Fortbildungsmaßnahmen in der Berufseinstiegsphase, verstärkt werden. zusätzlich motivierte Lehrerinnen und Lehrer würden mei- nes Erachtens auch für ein rasches Ende der öffentlichen Der ebenfalls erforderliche breite Kompetenzzuwachs für Diskussion über Fortbildung und Unterrichtsausfall sorgen. die gesamte Lehrerschaft bedingt ein neues Konzept der Lehrerfortbildung, das Praxis und Forschungsergebnisse Fazit unserer Fraktion: Die Neustrukturierung der Akade- miteinander verbindet und schulnahe Fortbildung mit den mie für Lehrkräftefortbildung ist für die CDU-Fraktion ein jeweiligen Schulentwicklungen verzahnt. weiterer wichtiger Baustein im bildungspolitischen Reform- prozess unseres Landes. Wir unterstützen den vorgelegten (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Gesetzentwurf. Zentrale Angebote müssen dabei zur Unterstützung abgeru- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ fen werden können. Das ist eine der Aufgaben der neuen DVP – Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!) Landesakademie.

3515 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Dr. Caroli)

Meine Damen und Herren, es fehlt nach wie vor das Ange- Unabhängigkeit von einem zu starken kultusministeriellen bot, das alle Lehrkräfte gleichermaßen erfasst. Dabei sind Zugriff, um dem Geist des Obrigkeitsdenkens zu wehren. nach unserer Erkenntnis viele Lehrerinnen und Lehrer be- (Beifall bei der SPD – Abg. Röhm CDU: Ha no, ha reit, sich auch außerhalb des Deputats fortzubilden. Es no, aber jetzt!) überrascht uns nun, dass die Landesregierung mit ihrem Ge- setz zur Errichtung der Landesakademie für Lehrkräftefort- Entsprechende Änderungsvorschläge werden wir während bildung dem Landtag einen isolierten Baustein eines sol- des Gesetzgebungsverfahrens vorlegen. chen Fortbildungskonzepts serviert, es aber versäumt, die Abschließend gesagt, meine Damen und Herren: Für uns damit verbundene neue Ausbildungskonzeption darzustel- steht und fällt der Fortschritt in der Bildungsreform len. (Zuruf des Abg. Hillebrand CDU) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) mit einer effektiven Fort- und Weiterbildung des pädagogi- Frau Ministerin Schavan, wir kritisieren deshalb, dass es im schen Fachpersonals. Vorfeld der Einbringung dieses Gesetzentwurfs keine Dis- kussion über die Funktion der neuen Landesakademie für Vielen Dank. Lehrkräftefortbildung als rechtsfähiger Anstalt des öffentli- (Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Sehr gu- chen Rechts gegeben hat. Wir kritisieren, dass die Instituti- te Rede, Herr Kollege!) on, die den Schulen bei ihrem Streben nach Autonomie hel- fen soll, selbst in geradezu sklavischer Abhängigkeit vom Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Meine Damen und Her- Kultusministerium gehalten werden soll und Kunden bzw. ren, das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann. Abnehmer in dem vorgesehenen Gremium kaum vertreten sind. Abg. Kleinmann FDP/DVP: Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist alter Brauch, verehrte (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der Kolleginnen und Kollegen, dass dann, wenn die Regierung SPD: Jawohl!) einen Gesetzentwurf einbringt, hier eine erste Lesung statt- findet, bevor der Entwurf an den zuständigen Ausschuss Wir kritisieren, dass wegen der vorgesehenen Kostenneu- überwiesen wird. Dort, Herr Dr. Caroli, werden dann die tralität die finanziellen und personellen Ressourcen für ei- einzelnen Anregungen eingebracht. nen Fortbildungsschub schon jetzt erkennbar nicht vorhan- den sind. Und wir kritisieren, dass die Verknüpfung mit der (Zurufe von der SPD) Lehrerbildung und den Hochschulen nicht einmal themati- Wir sind, was die einzelnen Vorschläge angeht, sehr groß- siert wird. Sie haben dies vorhin einfach angefügt; in dem zügig: Wenn jemand etwas Neues, etwas Sinnvolles und In- gesamten Text findet sich kein einziger Hinweis auf die novatives hinzufügen kann, dann sind wir gerne bereit, das Verknüpfung mit der Lehrerbildung an den Hochschulen. dort nicht nur zu diskutieren, Dabei ist es dringend erforderlich, dass die zersplitterte und in die verschiedenen Einheiten Hochschule, Seminar und (Abg. Drexler SPD: Seit wann denn das?) Schule getrennte Lehrerbildung endlich einmal zugunsten sondern es unter Umständen auch in den Gesetzentwurf zu eines integrierten Ansatzes überwunden wird. übernehmen. Bekanntlich gibt es dann eine zweite und drit- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) te Lesung. Der umgekehrte Weg, nämlich dass man einen Gesetzentwurf einbringt, den man zuvor schon diskutiert Wie wenig gerade dieser Gedanke anfänglich berücksichtigt hat, ist parlamentarisch Nonsens. wurde, beweist die später hinzugekommene Korrektur des Meine Damen und Herren, die von uns Liberalen seit Jahr- Gesetzentwurfs. Erst auf Anregung des Landesschulbeirats zehnten verfochtene Idee, der einzelnen Schule mehr Eigen- ist die Liste von Einrichtungen, mit denen die Landesakade- ständigkeit und mehr Gestaltungsspielraum zu geben, hat mie in Kooperation treten kann, um die Staatlichen Semina- nun endlich begonnen, sich durchzusetzen, und zwar mit re für Didaktik und Lehrerbildung ergänzt worden. genau diesem Gesetz. Gestaltungs- und Selbstbestimmungs- Meine Damen und Herren, die SPD-Landtagsfraktion steht spielraum der einzelnen Schulen – das ist angesprochen der Neugründung der Landesakademie für Lehrkräftefort- worden – in pädagogischer Hinsicht ebenso wie im metho- bildung positiv gegenüber. disch-didaktischen und im organisatorischen Bereich sowie im Bereich der Personalgewinnung und -entwicklung ist die (Beifall des Abg. Röhm CDU – Abg. Röhm CDU: zentrale Voraussetzung für die Sicherung und für die Ver- Schön!) besserung der Qualität und der Leistungsfähigkeit unserer Schulen. Die geschilderten Begleiterscheinungen lassen allerdings Zweifel am innovativen Charakter dieses Vorhabens auf- Notwendigerweise gehört hierzu unter anderem die Mög- kommen. Der Einsparungswunsch war wohl der Vater des lichkeit, die Fort- und Weiterbildung der in den jeweiligen Gedankens. Schulen tätigen Lehrerinnen und Lehrer entsprechend dem Profil der Schule, entsprechend den besonderen Gegeben- Aus dem Schnellschuss unter Spardiktat kann aber noch et- heiten und Anforderungen sowie entsprechend den Quali- was werden. Wir fordern statt Stückwerk die Einbettung in tätsentwicklungszielen der einzelnen Schulen gestalten zu ein neues Gesamtkonzept der Lehrerbildung. Wir fordern können. Es wäre ein Unfug – nicht zuletzt übrigens auch zweitens die Ausstattung mit den erforderlichen sächlichen unter dem Gesichtspunkt des sinnvollen Einsatzes von Res- und personellen Ressourcen, und wir fordern drittens mehr sourcen –, die bezogen auf die einzelne Schule passgenaue

3516 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Kleinmann)

Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals, Herr (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der Kollege, dadurch bewerkstelligen zu wollen, dass die Ent- CDU) wicklung der entsprechenden Konzepte sowie der darauf bezogenen Qualifizierungen des Weiterbildungspersonals Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Das Wort erteile ich ebenfalls der einzelnen Schule überantwortet würde. Frau Abg. Rastätter. Wir brauchen eine gemeinsame Lösung. Die Lösung kann Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Frau Präsidentin, meine daher nur heißen: Für die Fort- und Weiterbildung der Leh- Damen und Herren! Die jetzt anstehenden Reformen im rerinnen und Lehrer müssen wir weiterhin landesweite An- Bildungsbereich – ich nenne als Stichworte: Bildungsplan- gebote machen. Diese Angebote müssen aber stärker als reform, Kerncurriculum, Einführung von Bildungsstan- bisher auf spezifische, den Fortbildungsplanungen der ein- dards, schulbezogene Lehrpläne, Kontingentstundentafeln, zelnen Schule und ihren Profilen entsprechende Anforde- interne Evaluation an den Schulen – bedeuten eine gewalti- rungen reagieren können. Die künftigen Fort- und Weiter- ge Herausforderung für die Lehrerinnen und Lehrer dieses bildungsangebote müssen also vor allem flexibler sein. Al- Landes. Mit den traditionellen Lehrplänen wurde an den lein dies heißt übrigens auch, dass die Anforderungen an Schulen vor allem Stoff vermittelt. Jetzt steht im Mittel- die zur Durchführung der Fort- und Weiterbildung einge- punkt, was Schülerinnen und Schüler am Ende eines Bil- setzten Kräfte steigen werden. Ich sage das ganz betont. dungsgangs oder eines bestimmten Jahresabschnitts können müssen. Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung trägt den skizzierten künftigen Anforderungen an die Lehrerent- (Abg. Seimetz CDU: Sollen!) wicklung und -fortbildung und übrigens auch an ihren ge- Es ist klar, dass die Lehrer und Lehrerinnen mehr als je zu- stiegenen Stellenwert Rechnung, indem er zum einen die vor qualitativ gute Unterstützungssysteme und Fortbil- vorhandenen vier Einrichtungen der landesweiten Lehrkräf- dungsangebote für diesen Paradigmenwechsel brauchen. tefortbildung zu einer Landesakademie zusammenführt. Da- Fortbildung wird künftig nicht mehr eine individuelle Ent- durch werden Ressourcen gebündelt und Synergieeffekte scheidung eines Lehrers oder einer Lehrerin sein. Es muss freigesetzt. Die so erzielten Effizienzgewinne können dann mehr schulbezogene Fortbildung geben, und vor allem wiederum zur Steigerung der Qualität und zur Steigerung muss es mehr Fortbildungsveranstaltungen für das Team, der Flexibilität eingesetzt werden. Wir wollen da gerade für die gesamte Lehrerschaft einer Schule, geben. eben nicht sparen. Die Zusammenführung ermöglicht zum anderen auch, über- Wir fordern deshalb auch, meine Damen und Herren, bei greifende operative Planungsaufgaben, die bislang als der jetzt anstehenden Neubewertung der Lehrerarbeitszeit Querschnittsaufgaben im Kultusministerium wahrgenom- Fortbildungsanteile an der Lehrerarbeitszeit verbindlich in men werden, nach unten zu delegieren, also auf die Ebene neue Arbeitszeitmodelle einzurechnen. der künftig einen Landesakademie zu übertragen. Das heute vorgestellte Konzept der Einrichtung einer Lan- Schließlich sollen die mit dem Modellprojekt der Akademie desakademie für Lehrkräftefortbildung ist Teil – so sagt für Lehrerfortbildung GmbH Calw gewonnenen positiven Frau Kultusministerin Schavan – eines Gesamtkonzepts zur Erfahrungen – das ist uns ganz wichtig; das möchte ich hier Qualitätssicherung an den Schulen. Dazu gehören zum Bei- besonders betonen – auf die künftige Landesakademie über- spiel die neue Ausrichtung des Landesinstituts für Erzie- tragen werden. Das betrifft die stärkere Eigenverantwort- hung und Unterricht, die Weiterentwicklung der Lehrerse- lichkeit und damit die größere Flexibilität hinsichtlich des minare zu didaktischen Zentren und die Einrichtung eines Kerngeschäfts der Akademie, also hinsichtlich ihrer Ange- Unterstützungssystems für die Schule durch die Schulver- bote zur Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte. Es bezieht waltung. sich aber auch – darauf legen wir besonderen Wert – auf (Abg. Kleinmann FDP/DVP: Gut!) die Anreize zu einer verbesserten Kostentransparenz sowie auf die Möglichkeit, die an den einzelnen Akademiestand- Wir wissen, dass Sie, Frau Schavan, und Ihr Ministerium orten vorhandenen personellen und räumlichen Ressourcen monatelang an der Reform der Schulverwaltung im Sinne auf dem Wege ihrer Nutzung durch Dritte effektiver und eines Beratungs- und Unterstützungssystems gearbeitet ha- damit kostengünstiger einsetzen zu können und hierdurch ben. doch auch ein Stück weit die Kosten senken zu können. (Abg. Stickelberger SPD: Dank Erwin!) Meine Damen und Herren, im Anhörungsverfahren – das Aber nach der Zerschlagung der Schulverwaltung – anders wissen Sie – ist der vorliegende Gesetzentwurf insgesamt kann ich es nicht formulieren – positiv aufgenommen worden und in seinem Ziel, die weite- re Qualitätsentwicklung unserer Schulen zu fördern, aus- (Abg. Scheuermann CDU: „Zerschlagung“ ist drücklich von allen bestätigt und unterstützt worden. Ein- Quatsch!) zelne Anregungen – jetzt greife ich das auf, was Sie gesagt haben, Herr Kollege – zum Beispiel des Landeselternbei- durch Ministerpräsident Teufel ist jetzt nur ein Torso Ihres rats und des Landesschulbeirats sowie der Kirchen – die Qualitätssicherungssystems übrig geblieben. Es hat den An- muss man hier auch erwähnen – wurden bereits in die uns schein, dass Sie, Frau Schavan, heute vorliegende Entwurfsfassung aufgenommen. Der wei- teren Beratung im Ausschuss können wir somit positiv ent- (Zuruf des Abg. Scheuermann CDU) gegensehen. die Schulverwaltung als Teil der Qualitätssicherung abge- Ich danke Ihnen. schrieben haben. Ich halte es für dringend notwendig, dass

3517 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Renate Rastätter)

Sie endlich erklären, welche Aufgabe die Schulverwaltung Wir kommen damit zu Punkt 8 der Tagesordnung: künftig im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung über- Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des nehmen und ob sie den Schulen überhaupt noch als Unter- Wirtschaftsministeriums – Ausbildungsplätze in Baden- stützungssystem zur Verfügung stehen soll. Württemberg – Drucksache 13/1260 Wir Grünen haben bereits in der letzten Legislaturperiode Dazu liegt der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU gefordert, die Akademien auf den Prüfstand zu stellen. und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/2270, vor. (Abg. Kleinmann FDP/DVP: Eben!) Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Ihre heutige Gesetzesinitiative zeigt, dass es hierzu Hand- Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten lungsbedarf gibt. Denn Sie sprechen ja ganz klar von Effi- je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten. zienzreserven, von Synergieeffekten und von der Notwen- Das Wort erteile ich Frau Abg. Weckenmann. digkeit der Vernetzung der Angebote. Abg. Ruth Weckenmann SPD: Frau Präsidentin, liebe Selbstverständlich, meine Damen und Herren, macht es Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist der Antrag schon ein Sinn, die vier Akademien zu einer Landesakademie zusam- Jahr alt, und die Probleme am Ausbildungsmarkt haben sich menzufassen. Aber Ihre Initiative greift zu kurz. Wir for- verschärft. In den Antworten auf die Fragen in unserem An- dern, die Akademien endlich hinsichtlich der Qualität ihrer trag sind manche Probleme skizziert worden; getan hat sich Angebote und hinsichtlich der Notwendigkeit, dieses Aus- nichts. Im August haben in Baden-Württemberg ungefähr maß an Fortbildung zentral auf Landesebene stattfinden zu 15 000 Ausbildungsplätze gefehlt. 7 500 Stellen waren of- lassen, zu evaluieren. fen. Das mag sich jetzt noch etwas verbessert haben, was (Zuruf des Abg. Schneider CDU) wir hoffen. Ich denke, die Verantwortlichen sind zum Han- deln gezwungen. Wir brauchen die Fachkräfte. Baden- Es müsste evaluiert werden, welche Fortbildungsanteile Württemberg kann sich nicht erlauben, auf so viel Jugend stärker in die regionale Fortbildung übertragen und in die zu verzichten. Schule integriert werden können. (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- Sie wissen nämlich genau, dass die Kurse an den Akade- nen) mien teuer sind – allein durch die Aufenthalte und die ho- hen Reisekosten – und deshalb Mittel gebunden werden, die Ich denke auch, dass es ein Skandal ist, dass 50 % der aus- dann nicht für die Fortbildungsveranstaltungen selbst zur bildungsberechtigten Betriebe nicht ausbilden. Es ist ja Verfügung stehen. Wir wissen auch, dass die Landesmittel schön, wenn Minister Döring sagt: „Wir sind es den Ju- begrenzt sind. Wir müssen aus den Mitteln für die Fortbil- gendlichen schuldig, ihnen ein Angebot zu machen.“ Das dung so viel Effizienz wie möglich herausholen. Deshalb kommt in der Öffentlichkeit gut an. Das unterstütze ich wollen wir, dass an den Schulen und in der Region mehr auch. Aber konkrete Maßnahmen des Ministers fehlen, wie dezentrale Fortbildungsmaßnahmen stattfinden. auch wieder – ich bemängle es ja oft – der Minister fehlt, wenn es um die Ausbildung geht. Ausbildung ist ja Chefsa- Die frei werdenden Mittel sollen für eigene Fortbildungs- che, aber wo ist denn hier der Chef? etats der Schulen eingesetzt werden. Kollege Caroli hat schon angesprochen, dass die Schulen ohne Einflussnahme (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von fest an die Landesakademie angebunden werden sollen. Wir der CDU) fordern, dass die Schulen eigene Fortbildungsbudgets be- Es wäre ja schon einmal ein gutes Zeichen, wenn das Land kommen und dann selbst entscheiden können, inwieweit sie staatliche Fortbildungsmaßnahmen oder Angebote freier (Abg. Hillebrand CDU: Er ist vor Ort!) qualitativ guter Bildungsträger einkaufen wollen. Das wür- de zu einer Verbesserung der Qualität der staatlichen Fort- – ach, hören Sie einmal zu, wenn Sie eh nichts verstehen – bildungsangebote führen. Denn Konkurrenz – das wissen wir aus Erfahrung – belebt das Geschäft, auch in der Leh- (Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU – Abg. rerfortbildung. Capezzuto SPD: Das hat gesessen!) Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. die Zahl seiner Ausbildungsplätze erhöhte. Es wäre schön, wenn das Land die Zahl seiner Ausbildungsplätze wieder (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der auf den Stand von 1997, Herr Landrat, bringen würde. SPD) Wenn es das jetzt im Jahr 2003 machen würde, hätte es die Zahl seiner Ausbildungsplätze um 20 % erhöht. Wenn Sie Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Wir sind damit am Ende nachher einen Antrag formulieren, diese Zahl um 20 % zu der Aussprache. erhöhen, sind wir an Ihrer Seite. Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Landesregie- (Beifall bei der SPD) rung – Gesetz zur Errichtung der Landesakademie für Lehr- In den letzten Jahren haben Angebot und Nachfrage von kräftefortbildung –, Drucksache 13/2430, zur weiteren Be- Ausbildungsplätzen rechnerisch übereingestimmt. Aber wir ratung an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport zu – besonders der Wirtschaftsminister – haben dann ver- überweisen. – Es ist so beschlossen. säumt, eine eigentlich ganz kritische Entwicklung genau zu Punkt 7 der Tagesordnung ist damit erledigt. betrachten. Das ist das, was ich vorhin gemeint habe, als ich

3518 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Ruth Weckenmann) sagte: Hören Sie erst einmal zu. Von 1992 bis 1998 ist die doch erwarten, dass sich diese Landesregierung irgendet- Zahl der Ausbildungsplätze in Baden-Württemberg von was überlegt, damit die Jugendlichen wieder zu Bewerbern 138 000 auf 75 000 zurückgegangen. werden, die wir in Ausbildung bringen können. (Abg. Hillebrand CDU: Warum wohl?) Ich bin gespannt, was Sie uns jetzt bieten wollen, um diese – Darauf können Sie nachher die Antwort geben. – Das ist 20 % eines Altersjahrgangs – nahezu 20 000 Jugendliche, ein dramatischer Rückgang, wobei bislang nichts unternom- die wir mit diesen Problemen ins Berufsleben entlassen – men wurde, diesen zu stoppen. Wir sind froh, dass der wieder ausbildungsfähig zu machen. Rückgang jetzt nicht mehr so stark weitergeht. (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- Was aber mindestens so schlimm ist, ist die Tatsache, dass nen) wir eine wachsende Zahl Jugendlicher haben – die Frau Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Das Wort erteile ich Kultusministerin ist auch nicht mehr da –, die in Kursen des Herrn Abg. Schuhmacher. Arbeitsamts oder im BVJ untergebracht sind. (Abg. Hillebrand CDU: Endlich einer, der was ver- (Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber der Herr steht!) Staatssekretär ist da! – Weitere Zurufe) Abg. Schuhmacher CDU: Frau Präsidentin, meine Damen – Der Herr Staatssekretär. Wunderbar. Also, Herr Staatsse- und Herren! Es ist sicher ein wichtiges Thema, über das wir kretär: Im Jahr 2002, als wir rechnerisch einen ausgegliche- heute reden. Ich bin auch mit Ihnen einig, Frau Wecken- nen Ausbildungsmarkt hatten, haben sich 20 000 Jugendli- mann, wenn Sie über die Zahlen und über den derzeitigen che entweder im BVJ oder in Maßnahmen des Arbeitsamts Stand reden. Ich bin nur nicht mit dem einverstanden, was befunden. Sie und ich wissen: Manchmal hilft das BVJ, Sie als Folgerungen daraus ableiten. Sie nennen viel zu vie- manchmal helfen auch Maßnahmen des Arbeitsamts, aber le Zahlen, anstatt nach den Ursachen zu fragen. ganz oft drehen die Jugendlichen schlicht und einfach eine Ehrenrunde und kommen ein Jahr später wieder auf den Ar- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ beitsmarkt. Wir wissen eigentlich auch, warum das so ist. DVP – Abg. Kübler CDU: Sehr gut!) Seit PISA wissen wir das. 20 % eines Altersjahrgangs ha- ben Schwierigkeiten. Man kann nicht immer nur auf der einen Seite fragen: „Was streicht das Land?“, wenn wir auf der anderen Seite doch (Zuruf des Abg. Zimmermann CDU) gemeinsam einsparen wollen. – Seit 1992 ist das der Meisterbrief. Eine solche Aussage Wenn die Situation nicht nur bei uns schlecht ist, sondern ist doch an Blödsinn nicht zu überbieten. auch in den anderen Bundesländern, darf ich Ihnen doch wenigstens aus meinem IHK-Bereich ein positives Ergebnis Der Wirtschaftsminister sagt, es sei Aufgabe des Landes, mitteilen: Wir haben ein Plus an zusätzliches Lehrstellen sich um den Erhalt und die Verbesserung der Rahmenbe- von 1 %. Dies ist wirklich die Aufgabe der Tarifpartner, dingungen einer erfolgreichen Ausbildung zu kümmern. aber auch die Aufgabe der Politik. Natürlich haben bei uns Das ist also Aufgabe des Landes. Dazu gehört – da werden auch eine ganze Reihe von Betrieben zugemacht. Aber es Sie sicherlich mit mir übereinstimmen – die Sicherung der sind neue Betriebe dazugekommen. Dies ist eine gute Sa- Ausbildungsfähigkeit der jungen Menschen. Hier sehe ich che. eigentlich ein Versagen der Kultusministerin, des Sozial- ministers und des Wirtschaftsministers. Was führen die Experten als Grund für die schlechte Aus- bildungslage an? Ich zitiere Herrn Dr. Hundt. (Oh-Rufe von der CDU) (Zurufe von der SPD: Wer ist das?) Sie streichen alles zusammen, was die Ausbildungsfähigkeit erhöht. Was machen Sie mit den Schulsozialarbeitern an Er sagt: den Hauptschulen? Sie kürzen die Mittel um 1 Million €, obwohl Sie wissen, dass die Hauptschüler die meisten Pro- Für mehr Ausbildung ist eine Perspektive der Unter- bleme auf dem Ausbildungsmarkt haben. Was machen Sie nehmen entscheidend, die jungen Menschen anschlie- im Bereich Jugendberufshelfer? Herr Rau wird noch etwas ßend auch beschäftigen zu können. dazu sagen. Die Mittel für den Bereich Jugendberufshelfer werden zurückgenommen. (Abg. Schneider CDU: So ist es!) Was machen Sie bei der sozialpädagogischen Betreuung Für mehr Wachstum und Beschäftigung sind dringend von Jugendlichen in Landesfachklassen? Sie streichen die Entlastungen bei Steuern und Sozialbeiträgen, ein fle- sozialpädagogische Betreuung. Wenn die Jugendlichen es xibleres Arbeitsrecht sowie eine aktivierende Arbeits- dann nicht mehr schaffen, ist das wohl offensichtlich nicht marktpolitik erforderlich. Ihr Problem. Sie sagen, die Betriebe sollten das überneh- men. (Abg. Kübler CDU: Jawohl!) Wenn der Baden-Württembergische Handwerkstag und der Ich kann dem nur zustimmen, und zwar aus eigener Erfah- Wirtschaftsminister sagen: „Wir können die Ausbildungs- rung. Die sich zurzeit in der Diskussion befindende Aus- plätze beim Land nicht besetzen und müssen sie zurückfah- bildungsabgabe ist sicher nicht der richtige Weg, um mehr ren, weil die Bewerber ungeeignet sind“, dann müsste man Lehrstellen zu schaffen.

3519 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Schuhmacher)

(Beifall bei der CDU – Abg. Zeller SPD: Sondern? ich reden. Unsere Betriebe urteilen derzeit nicht nur nach Wie machen Sie es denn, Herr Schuhmacher? – den Noten, sondern auch nach den Kopfnoten, beispiels- Abg. Alfred Winkler SPD: 60 % der Betriebe bil- weise Verhalten und Mitarbeit oder auch nach sprachlicher den nicht aus! 60 %!) Ausdrucksfähigkeit. Entscheidend ist auch, ob überhaupt eine abgeschlossene Schulbildung vorliegt. Wir sind uns einig, dass die Versorgung junger Menschen wirklich ein zentrales Thema ist. Es tut mir in der Tat weh, Ein Zweites, was sicher Probleme macht, sind erhöhte An- wenn wir jungen Menschen keine Perspektive geben kön- forderungen. Ich betrachte mit Sorge, dass beispielsweise nen. Mechatroniker, die ausgebildet werden wollen, mit einer Hauptschulausbildung nicht mehr zurande kommen, son- (Abg. Capezzuto SPD: Jetzt sagen Sie einmal, wie dern eine höhere Schulausbildung brauchen. Bei Industrie- Sie es machen!) mechanikern und Zerspanungsmechanikern reicht es noch. – Ich sage nachher noch ein paar Dinge dazu. Ich lasse Es gibt eine ganze Reihe von Themen. Wir haben hier ja mich jetzt auch nicht mehr von Ihnen stören, sondern ich eine Anfrage dazu initiiert, für welche Berufe ein Haupt- rede jetzt halt einfach weiter. schulabschluss noch ausreicht. (Glocke der Präsidentin) (Zuruf des Abg. Capezzuto SPD) Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Herr Abg. Schuhma- Was ist nun zu tun? Grundsätzlich sage ich: Wir brauchen cher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zel- wieder mehr Jugendliche in technischen Berufen. ler? (Abg. Zeller SPD: Aber das setzt voraus, dass wir Abg. Schuhmacher CDU: Ja, meinetwegen, Herr Zeller. Ausbildungsplätze haben!) Abg. Zeller SPD: Herr Schuhmacher, teilen Sie die Auffas- Das sage ich nicht an uns, sondern vor allem an die Eltern sung einiger Unternehmer, unter anderem auch die von und an die jungen Menschen gerichtet. Wir brauchen wie- Herrn Hundt, dass es einen eindeutigen Trend gibt, von der der mehr junge Leute in den technischen Berufen. Ich weiß, dualen Ausbildung stärker in die schulische Ausbildung und dass Eltern ihre Kinder lieber dorthin schicken wollen, wo damit in die öffentliche Ausbildung zu gehen? man mit der Krawatte zur Arbeit gehen kann und nicht eventuell schmutzige Hände bekommt. (Abg. Pfister FDP/DVP: Wer sagt das? Hundt?) (Abg. Dr. Birk CDU: Sind Sie deshalb im Landtag, Abg. Schuhmacher CDU: Es gibt eine ganze Reihe von Herr Kollege?) Ansätzen. Es kommt auch auf die Größe der Betriebe an. Natürlich brauchen wir eine starke schulische Ausbildung. – Um eine Krawatte zu tragen? (Abg. Zeller SPD: Nein! Es geht um etwas anderes! Ein Weiteres: Es gibt eine Karlsruher Studie, die mir sehr Es geht darum, dass sozusagen nicht mehr die Un- viel Sorge macht und in der die Tendenz festgestellt wird, ternehmen ausbilden, sondern künftig die öffentli- dass Schüler die Wirtschaft kalt lässt. Deshalb ist die Frage: che Hand! Das ist ein Trend! – Abg. Pfister FDP/ Machen wir hier alles richtig? Tun wir alles, was wir kön- DVP: Also Abschaffung des dualen Systems!) nen? Ich meine jetzt nicht nur die schulische Ausbildung; auch dazu gibt es eine Bankenstudie. – Nein, der Meinung bin ich nicht. Das sage ich Ihnen. Von wem erwarten junge Menschen eigentlich Informatio- (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Zeller nen zu ihrer Berufsausbildung? Von wem bekommen sie SPD: Wie wollen Sie dem begegnen, ohne dass Sie Hinweise? In erster Linie werden die Medien und in zweiter eine Ausbildungsplatzabgabe einführen?) Linie die Schulen genannt. Die Eltern werden von den jun- gen Menschen nicht mehr genannt. Dies macht mir große – Ich nenne Ihnen nachher ein paar Ansätze, die wir in der Sorgen. Wir müssen die Eltern wieder stärker in Bildung Praxis auch ausprobiert haben und die auch funktionieren. und Ausbildung einbeziehen. Ich möchte mich noch bei unserem Wirtschaftsminister be- (Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- danken. Denn es ist nicht so, dass er nichts tun würde, wie roth FDP/DVP – Abg. Capezzuto SPD: Wie wollt Sie gesagt haben, Frau Weckenmann. ihr das machen?) (Abg. Capezzuto SPD: Der ist aber gar nicht da!) Ich habe gerade in den letzten Tagen bei uns an der Haupt- Er ist einer der Ersten gewesen, als er schon im Frühjahr schule an einer Veranstaltung zum Thema „Berufe live“ dieses Jahres die Wirtschaft zusammengerufen hat und dort teilgenommen, wo 18 Firmen ihre Ausbildungsberufe vor- wirklich Appelle an unsere Wirtschaft gerichtet hat. Ich gestellt haben. Es sind Schüler gekommen, aber fast keine kann dies nur unterstreichen. Er hat auch zugesagt, in die- Eltern. Wenn ich mit Schulleitern rede, berichten sie, dass sem Herbst noch ein weiteres Gespräch zu führen. Ich mei- es Elternabende gibt, die von zwei oder drei Eltern besucht ne, dass jede Unterstützung hilfreich ist. werden. Dies kann nicht unser Weg in die Zukunft sein. Deswegen dürfen wir nicht alles auf den Staat verlagern, Welche Punkte machen uns Probleme? Auch Sie, Frau We- sondern müssen in der Tat einiges wieder dorthin zurückge- ckenmann, haben den Mangel an geeigneten Bewerbern an- ben, wohin es eigentlich gehört: in die Familie und zu den gesprochen. Dies ist sicher ein großes Thema; darüber kann Eltern.

3520 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Schuhmacher)

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Der Lehrstellenmangel ist auch nicht in einer Böswilligkeit Theurer FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: der Wirtschaft begründet. Deshalb ginge auch eine Ausbil- Wie wollen Sie das machen? – Abg. Alfred Wink- dungsabgabe als Abstrafungsaktion wirklich völlig dane- ler SPD: Wollen Sie das Rad zurückdrehen?) ben. Sie würde die Falschen treffen. Ich würde es auch nicht einsehen, wenn die dabei eingesammelten Gelder Ich sage ein Weiteres: Wir müssen beispielsweise auch die dann auch noch deshalb in andere Bundesländer flössen, schulischen Werkstätten besser nutzen, auch Werkstätten in weil die Situation dort noch schlechter ist. den Betrieben, damit eine wechselseitige Nutzung möglich ist. Dies ist möglich, wenn man miteinander redet. Dann Baden-Württemberg hatte – das muss man doch bedenken – können auch schichtweise Kurse veranstaltet werden. in den letzten Jahren stets zusammen mit Bayern immer noch die beste Angebot-Nachfrage-Relation, was Lehrstel- Ein letztes Beispiel möchte ich Ihnen zum Stichwort Sozial- len und Bewerber betrifft. Das Problem ist allerdings, dass hilfeempfänger nennen: Bei uns im Kreis Tuttlingen haben zwar das Gesamtangebot sogar stärker als die Nachfrage wir in einer Untersuchung festgestellt, dass es bei uns 450 gestiegen ist, dass es aber strukturell starke Unterschiede jugendliche Sozialhilfeempfänger gibt. Dies hat uns große gibt. In einem relativ saturierten Land, wie es Baden-Würt- Sorgen gemacht, und wir haben deswegen auch untersucht, temberg immer noch ist, sind zu wenige bereit, von ihrem wie viele von ihnen in Ausbildung oder Beruf stehen. Wir Wunschberuf abzugehen und eventuell zunächst einmal haben festgestellt, dass 160 dieser Jugendlichen keinen Be- auch etwas zu lernen, was nicht direkt ihrem Wunsch ent- ruf haben. spricht, aber vielleicht auch eine solide Basis für ein Be- rufsleben wäre. (Abg. Ursula Haußmann SPD: Und deshalb haben Sie die Beschäftigungsprogramme im Land ge- Deutlich wird auch – das wurde schon angesprochen –: So kürzt! Das passt doch nicht zusammen!) mancher vorhandene Ausbildungsplatz kann wegen unzu- reichender Eignung der Bewerber oder wegen eines Man- Wir haben dann tatsächlich das „JUMP plus“-Programm gels an geeigneten Bewerbern nicht besetzt werden. der Bundesregierung mit verwendet, um diese jungen Men- schen in unsere Betriebe hineinzubekommen. Aber, Frau Weckenmann, jetzt muss ich schon sagen: In all unseren Lehrplänen steht, dass die Schüler Lesen, Rechnen (Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- und Schreiben lernen sollen. Liegt es denn dann an der Lan- zeigt.) desregierung, wenn diese Fähigkeiten nicht vermittelt wer- den? – Ja, meine Sprechzeit ist zu Ende. – Die Koordinations- helfer auf unserem Landratsamt gehen in die Betriebe und (Abg. Ruth Weckenmann SPD: Wer hat denn die versuchen, diese jungen Menschen dort unterzubringen. Kultushoheit, Frau Berroth? Sie oder wir?) Dies ist zu großen Teilen schon gelungen. Vielleicht müssen Sie auch einmal mit der GEW reden oder Was möchte ich abschließend sagen? Ich zitiere Peter Hah- auch einmal überlegen, ob das nicht ein Versagen von Poli- ne, der gesagt hat, wir müssten von der „Ich-AG“ wieder zu tikern ist, die ständig nur eine Anspruchshaltung pflegen einer GmbH kommen. GmbH deutet er als eine „Gesell- schaft mit begründeter Hoffnung“. (Lachen bei der SPD) (Heiterkeit des Abg. Fleischer CDU) und die Selbstverantwortung und Eigeninitiative damit mas- siv niedrig halten. Ich denke, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, dann haben wir auch für unsere Jugend eine gute Entwick- (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der lung. CDU) Der von der SPD angeführte Grund, dass zu viele ohne (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ Schulabschluss seien, stimmt einfach nicht. Das kommt in DVP – Abg. Blenke CDU: Bravo!) der Drucksache deutlich zum Ausdruck. Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Das Wort erteile ich (Abg. Wichmann SPD: Sie sollten das Volk auflö- Frau Abg. Berroth. sen und sich ein neues wählen!) Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Frau Präsidentin, mei- Im Gegenteil: Das Land gibt viel Geld aus für Ehrenrunden ne Damen und Herren! Leider haben wir auch in Baden- wie berufspraktisches Jahr, BVJ, Berufskolleg und andere Württemberg einen Rückgang bei den Ausbildungsplätzen Vollzeitangebote. Herr Kollege Zeller, ich bin überhaupt zu beklagen. Die Ursache dafür, dass es auch bei uns inzwi- nicht dafür, dass diese ausgeweitet werden. Erstens sind sie schen zu wenig Lehrstellen gibt, liegt allerdings nicht in teuer und zweitens nicht so gut wie das duale System, das mangelnder Aktivität der Landesregierung. nach wie vor unsere volle Unterstützung genießt. (Abg. Fischer SPD: Jetzt Achtung! „Sondern in (Beifall des Abg. Pfister FDP/DVP – Abg. Pfister Berlin“ kommt jetzt!) FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Ruth Weckenmann SPD: Da sind wir uns einig!) Es wurde ja schon angesprochen, dass sich gerade der Wirt- schaftsminister, seit er im Amt ist, bei diesem Thema inten- Deswegen sage ich Ihnen für unsere Fraktion deutlich: Wir siv und auch erfolgreich einsetzt. sind für das duale System.

3521 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Heiderose Berroth)

(Abg. Alfred Winkler SPD: Was reden Sie denn Wir brauchen auf Bundesebene dringend wirksame Maß- vom Dualen System? Das funktioniert doch nicht!) nahmen für einen wirtschaftlichen Aufschwung; dann kom- men die Ausbildungsplätze nämlich von selber, und dann Wir hatten dazu im Mai einen Kongress, der gute Ergebnis- brauchen wir nicht so halbherzige und kontraproduktive se erbrachte. Aber diese müssen halt auch von verantwor- Aktionen der Bundesregierung wie gerade bei der Meister- tungsbewussten Politikern der hiesigen Opposition wahrge- prüfung. nommen und umgesetzt werden. Frau Weckenmann, Sie haben Recht: Die Verantwortlichen (Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP) sind zum Handeln gezwungen. Mich würde einmal interes- sieren, wie viele Ausbildungsplätze im Moment deshalb Denn es fehlt nicht nur an fachlichen Kompetenzen, son- nicht angeboten werden, weil die Betriebe massiv verunsi- dern es fehlt auch an sozialen Kompetenzen. chert sind, zum Beispiel durch die jahrelange Diskussion (Abg. Alfred Winkler SPD: So ein Schwachsinn!) über die Ausbildungsabgabe. Eines ist klar: Ausbildungs- plätze werden nicht durch politische Sommerreisen ge- Wenn am 26. September in der „Stuttgarter Zeitung“ in der schaffen. Überschrift eines Artikels über Lehrstellenmangel „un- pünktlich, unkonzentriert, unfreundlich“ steht, dann ist es (Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Aber das hat doch keine Regierungsaufgabe, sondern Aufgabe der gesamten Ihr Wirtschaftsminister gemacht!) Gesellschaft, dass wir unsere junge Generation wieder dazu – Nein, das hat Ihr Wirtschaftsminister gemacht. Herr Cle- erziehen, dass das die Ausnahme bleibt. ment ist mit großem Tamtam durch die neuen Länder ge- (Abg. Ruth Weckenmann SPD: Und das hilft jetzt, wandert. was Sie da sagen?) Unser Dank gilt ausdrücklich den vielen, die sich aktiv für mehr Ausbildungsplätze eingesetzt haben, zum Beispiel bei Die SPD fordert in ihrem Antrag, dass das Land mehr Aus- den Kammern. Die Kammern haben auf Gebühren verzich- bildungsstellen zur Verfügung stellt. Ich halte das für pro- tet und sind sehr unbürokratisch vorgegangen, damit auch blematisch in Berufen, in denen gerade in Landesdiensten da, wo nicht alle Voraussetzungen gegeben waren, neue sehr häufig nur gezielt auf eine bestimmte Laufbahn hin Ausbildungsplätze entstehen konnten. Dafür sagen wir dan- ausgebildet wird. Das ist dann der direkte Weg in die Ar- ke. beitslosigkeit, wenn man weiß, dass in dieser Laufbahn künftig keine Stellen vorhanden sind. Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Frau Kollegin Berroth, bitte kommen Sie zum Ende. Ihre Redezeit ist überschritten. (Abg. Ruth Weckenmann SPD: Ausbildungsplätze haben Sie doch nicht in Laufbahnen, Frau Berroth!) Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das mache ich gleich.

– Moment! Wir haben im Land sehr wohl Ausbildungsplät- Ich bin froh über die heutige Presseinformation der IHK ze, die nur für eine bestimmte Position ausbilden. Schauen Stuttgart und des Baden-Württembergischen Industrie- und Sie einmal genau nach. Handelskammertags. Diese Presseinformation beginnt mit dem Satz: (Abg. Ruth Weckenmann SPD: Was meinen Sie Die vielfach prophezeite Lehrstellenkatastrophe ist in denn? Beispiele!) Baden-Württemberg nicht eingetroffen. – Meine Redezeit geht zu Ende. Das können wir nachher Ich sage: Gott sei Dank. Hoffentlich bewegt sich bald etwas separat erörtern. beim Wirtschaftsklima, damit es wieder aufwärts geht. Auch in der freien Wirtschaft kann ich von einem Betrieb, (Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Friedlinde der in wirtschaftlichen Problemen steckt oder gerade in ei- Gurr-Hirsch CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr ner schwierigen Marktsituation ist, nicht verlangen, dass er gut!) sich dann auch noch mit Ausbildung abgibt. Dieser Betrieb muss dann zunächst einmal schauen, dass er die bei ihm be- Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Das Wort erteile ich stehenden Arbeitsplätze rettet. Frau Abg. Sitzmann. (Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/ Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Frau Präsidentin, meine DVP: Richtig!) Damen und Herren! 15 730 junge Bewerber ohne Ausbil- dungsplatz Ende August – das heißt, dass jeder Einzelne Bei dem Thema sind allerdings auch die Tarifpartner ge- dieser 15 730 Bewerber zwei oder mehr Versuche machen fragt. Hinderlich für die Schaffung zusätzlicher Ausbil- muss, einen Ausbildungsplatz zu finden, dass er abgewiesen dungsplätze sind nämlich genauso die leider seit Jahren in wird und dass er keinen Einstieg ins Berufsleben findet, vielen Tarifverträgen festgeschriebene Übernahmepflicht was auch für seine berufliche Zukunft massive Konsequen- sowie die stetig angewachsenen Ausbildungsvergütungen. zen hat. Sie wissen, ohne Ausbildung wird es immer Da ist politisch nichts zu tun, sondern da müssen sich die schwieriger, sich auf diesem Arbeitsmarkt zu behaupten. Tarifpartner bewegen. In unserem Antrag haben wir erneut Ich finde, dass dies auf jeden Fall Anlass ist aufzuhören, zu solidarischer Anstrengung aufgefordert. Dazu gehört das Problem mit Appellen regeln zu wollen. Das geht weder aber auch eine Umorientierung hin zu einer Investition der mit Appellen an die Eltern noch mit Appellen wie dem im Gesellschaft in Werteerziehung. vorliegenden Antrag der Regierungsfraktionen.

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(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der bildung dazu beiträgt, dass junge Menschen gute Chancen SPD) auf dem Arbeitsmarkt haben, und dass sie darüber hinaus die flankierenden Maßnahmen zur Integration jugendlicher Lediglich die Unternehmen aufzufordern, die Bemühungen Arbeitsloser mit Ausbildungsdefiziten oder sozialen Proble- fortzusetzen, finde ich in Anbetracht der Situation und in men fortsetzt. An diesem Programm müssen Sie sich mes- Anbetracht der Aufgabe des Landes, nämlich seiner Zustän- sen lassen. digkeit für alle schulpflichtigen Jugendlichen bis zu einem Alter von 18 Jahren, wirklich ein Armutszeugnis. Es gibt aber eine ganze Menge Bereiche, wo Sie sich aus der Verantwortung zurückgezogen haben. Ich nenne hier (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der die überbetrieblichen Ausbildungsstätten des Handwerks, SPD) gerade wenn die Ausbildungslücke bei kleinen Betrieben Die Ausbildungsplätze werden weniger, die Jugendlichen, größer wird. Beim letzten Haushalt gab es ja ein Hin und die eine Lehrstelle suchen, werden sehr viel mehr. Zum Her: Wird jetzt gekürzt oder nicht? Beispiel ist die neue Präsidentin des Landesarbeitsamts in Interviews immer wieder gefragt worden, ob es denn nicht Ein Hauptproblem ist immer noch die Beteiligung an den toll sei, jetzt in Baden-Württemberg zu sein, in einem Land Investitionskosten. Es gibt einen Bundeszuschuss von mit einer so geringen Arbeitslosenquote. Sie hat das immer 50 %. Er kann aber nicht abgerufen werden, weil der Lan- verneint, weil es nämlich zwei gravierende Schwächen ge- deszuschuss fehlt. be: dass erstens die Langzeitarbeitslosigkeit und zweitens Es gab Kürzungen beim Programm „Jugend – Arbeit – Zu- die Jugendarbeitslosigkeit in den letzten Jahren massiv zu- kunft“, und es gab neuere Kürzungen bei der Jugendsozial- genommen habe. arbeit an Schulen. In den letzten zwölf Monaten wurden (Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – 266 Anträge gestellt; 180 sind abgelehnt worden, und dieje- Gegenruf des Abg. Fischer SPD: Frau Berroth, was nigen, die eine Förderung erhalten, bekommen ganze 50 %. bringt denn das?) Das BVJ steht vor dem Kollaps. Es gibt Wartelisten, damit Also, hier in Baden-Württemberg müssen wir mehr tun, als die Schülerinnen und Schüler überhaupt aufgenommen wer- Appelle an Eltern, an Unternehmen, an Betriebe zu richten. den. Wir haben schon im Juni den Antrag gestellt, dass man die Deckelung aufhebt und dass man die Berufskollegs, die Das, was wir tun müssen, liegt ganz eindeutig im Bildungs- beruflichen Gymnasien und das BVJ öffnet. Öffnen heißt bereich. Wenn Sie einmal den neuen Geschäftsbericht des aber auch, für die Qualität zu sorgen und die beruflichen Baden-Württembergischen Handwerkstags zur Hand neh- Schulen mit Personal und Fortbildung auszustatten, damit men und dort die Antwort auf die Frage suchen, warum es sie tatsächlich zur Ausbildungsreife führen. denn so wenig Ausbildungsplätze gibt, warum das Angebot sinkt, dann sehen Sie, dass auch hier ganz klar steht, dass Es gibt hier im Land also genug zu tun. einfach die Schulbildung, die Ausbildungsreife der Jugend- lichen mangelhaft ist. Wir haben das Problem, dass die (Abg. Fischer SPD: Packen wir es an!) Ausbildungsreife nach dem Schulabschluss nicht vorliegt, Mit Appellen und Verschiebebahnhöfen – „Jetzt soll der nicht nur bei den allgemein bildenden Schulen, sondern Bund einmal etwas tun“ – kommen wir wirklich nicht wei- selbst noch nach dem BVJ. ter. Jetzt macht auch unser Wirtschaftsminister hier im Land, (Zuruf des Abg. Hillebrand CDU) Frau Kollegin Berroth, Sommerreisen und schöne Presse- spiegel mit Bildern auf der Schaukel. Machen Sie hier vor Ort das, was in Ihrer Verantwortung liegt! (Abg. Fischer SPD: So ist es! – Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP) (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Fischer SPD: Sehr gut!) Er macht auch viele Reformvorschläge im Bereich der Ju- gendarbeitslosigkeit. Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Mehrländer. (Abg. Alfred Winkler SPD: „Schauinsland-Poli- tik“!) Staatssekretär Dr. Mehrländer: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist, dass Ende Aber all diese Vorschläge sind erstens weder neu noch ori- August den 15 700 in Baden-Württemberg noch nicht ver- ginell, und zweitens liegen sie alle nicht im Zuständigkeits- mittelten Bewerbern insgesamt rund 7 600 unbesetzte Aus- bereich des Landes Baden-Württemberg. bildungsstellen gegenüberstanden. Richtig ist auch, dass (Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Was wir tun von den noch nicht vermittelten Bewerbern vermutlich ein können, ist alles gemacht!) Großteil eine berufliche Schule besuchen oder in andere Maßnahmen des Arbeitsamts einmünden werden. Richtig Sie liegen alle in der Zuständigkeit des Bundes, obwohl es ist aber auch, dass auch in diesem Jahr wieder eine vierstel- hier im Land wahrlich genug zu tun gäbe. lige Zahl von Stellen unbesetzt bleiben wird. Ich möchte Sie noch an Ihre Koalitionsvereinbarung erin- Die neueste Zahl der eingetragenen Ausbildungsverhältnis- nern, falls Sie sie vergessen haben. In ihr steht nämlich, se – sie ist sehr wichtig – zeigt, dass wir bei den IHKs Ende dass die Landesregierung mit einer guten Bildung und Aus- September – das ist die aktuellste Zahl – ein Minus von

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3,5 % und beim Handwerk sogar noch etwas weniger ha- der Investitionen, möchte ich ausdrücklich festhalten: Hier ben. Das heißt, die großen Befürchtungen haben sich er- hat es im Haushalt 2003 trotz der dramatischen Haushalts- freulicherweise nicht bestätigt. Aber es bleibt natürlich da- lage keine Kürzungen gegeben. bei, dass das Ergebnis nicht befriedigend ist. Deshalb wird die Landesregierung alles daransetzen, dass jeder Jugendli- (Beifall der Abg. Heiderose Berroth und Theurer che, der noch auf Lehrstellensuche ist und die notwendigen FDP/DVP) Voraussetzungen mitbringt, auch eine Lehrstelle erhält. Dass dies ein eindeutiges Bekenntnis zur Bedeutung der be- Bevor ich zu den Maßnahmen des Landes komme, möchte ruflichen Ausbildung ist, das kann wohl niemand bestreiten. ich vor der Klammer eines einmal gesagt haben: Meine Da- (Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP) men und Herren, die Schaffung von Ausbildungsplätzen hängt natürlich auch mit der wirtschaftlichen Situation zu- Auch im Haushalt 2004 wollen wir hier keine Kürzungen sammen, mit der Nachfrage, mit den Rahmenbedingungen. vornehmen. Im Gegenteil, wir wollen noch zusätzlich Kom- Sie hängt auch damit zusammen, dass in den vielen Jahren petenzzentren bei den beruflichen Bildungsstätten bauen, leider gerade mittelständische Unternehmen aufgegeben ha- um gerade der beruflichen Bildung noch einen besonderen ben, insolvent geworden sind. Und wenn sie insolvent ge- Schub zu geben. worden sind, dann sind auch die entsprechenden Ausbil- dungsplätze weg. Das muss man einfach einmal sehen. (Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP – Abg. Theu- rer FDP/DVP: Sehr gut!) Das heißt doch, die Hauptforderung muss sein: Wir brau- chen wieder wirtschaftliches Wachstum. Die Förderung der Verbundausbildung bleibt. Die Übernah- me von Lehrlingen aus Konkursbetrieben – – (Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP – Abg. Theu- rer FDP/DVP: Sehr richtig!) (Unruhe – Glocke der Präsidentin) Denn wirtschaftliches Wachstum schafft Arbeitsplätze und Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Einen Moment, Herr Ausbildungsplätze. Staatssekretär. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, (Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE) Ihre Gespräche draußen im Foyer fortzusetzen. – Danke. Das stand vor der Klammer, weil sich das durchzieht. (Beifall des Abg. Dr. Caroli SPD – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD) Natürlich tut auch der Wirtschaftsminister sehr viel. Frau Weckenmann, das scheint Ihrer Aufmerksamkeit entgangen – Genau, beide. Sie waren alle gemeinsam angesprochen. zu sein. Herr Staatssekretär. (Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD) Staatssekretär Dr. Mehrländer: Vielen Dank, Frau Präsi- Deswegen werde ich das Ganze, was das Wirtschaftsminis- dentin. – Ich habe auch noch auf etwas Neues hinzuweisen, terium betrifft, noch einmal stichwortartig zusammentragen. nachdem es heißt, es gebe gar nichts Neues: Ganz neu in Das, was den Schulbereich betrifft, wird nachher der Kolle- diesem Jahr ist die Förderung des Einsatzes von Lehrstel- ge Rau darstellen. lenwerbern bei Kammern, Innungen und Kreisverbänden. Sie werden mit 50 % der Personalkosten gefördert. Ihre Appelle sind notwendig. Sie sind notwendig! Förderung erfolgt aus dem ESF, Ziel 3 – das wissen Sie –, und ist zunächst auf zwei Jahre ausgelegt. Aber sie fängt (Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE) schon an. Denn die Bewilligungen liegen vor für die IHK Deswegen hat der Wirtschaftsminister zusammen mit allen Bodensee-Oberschwaben und die Kreishandwerkerschaften IHK-Präsidenten und allen Handwerkskammerpräsidenten Mannheim und Tübingen. Wir haben die Sache also gestar- hier im Land auf die Ausbildungsverantwortung der Betrie- tet. be hingewiesen. Sie bilden auch im eigenen Interesse aus – Es gibt auch noch eine Reihe von Einzelprojekten: Stichwort „künftiger Fachkräftemangel“. Natürlich ist auch an die Jugendlichen zu appellieren – das ist die andere Seite (Abg. Alfred Winkler SPD: Zehn Jahre zu spät!) –, räumlich und beim Berufswunsch flexibler zu sein. „Sprungbrett“-Vorkurse für Leistungsschwächere im Raum Was die Maßnahmen aus dem Bereich der Wirtschaftspoli- Freiburg, dann das Projekt PIA der Sozialpartner IG Metall tik angeht, nenne ich durchaus die Spitzengespräche, weil und Südwestmetall, sie einmalig sind. Ich kenne kein anderes Bundesland, das solche Spitzengespräche in dieser Konzentration mit Ver- (Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD) tretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Ministerien und dem Landesarbeitsamt führt. Wir haben bei allen Be- die Förderung – auch ganz neu in diesem Jahr – der Infor- teiligten angefragt, ob wir in diesem Herbst noch ein weite- mations- und Imagekampagne zur Sicherung des Nach- res Spitzengespräch durchführen sollen. Wir erwarten die wuchses im baden-württembergischen Handwerk. Das ist Antworten in den nächsten Tagen. auch angelaufen. Nun zu den Förderprogrammen: Zur Förderung der über- Seit ein paar Tagen – das ist ganz neu – gibt es eine Doku- betrieblichen Ausbildung, sowohl der Lehrgänge als auch mentation über alle im Land existierenden wesentlichen

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Ansätze und Fördermöglichkeiten zur beruflichen Integrati- Die Industrie- und Handelskammer und die Kammern ha- on von benachteiligten Jugendlichen. Sie können sagen: ben gezielte Maßnahmen versprochen. Diese Maßnahmen Was hilft eine Dokumentation? Das war ein Wunsch der werden laufen. Ich kann es zwar nicht verbindlich sagen, Teilnehmer des Spitzengesprächs, weil es eine solche Über- aber ich hoffe sehr, dass wir hier zu einem Ausgleich kom- sicht noch nicht gibt. Sie ist hilfreich. Man hat sie nun und men. kann sehen, was der andere macht, und braucht nicht das Rad wieder neu zu erfinden. Vielen Dank. Zur Ausbildungsleistung des Landes: Sie wird im bisheri- (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der gen Umfang aufrechterhalten, und das ist doch auch wichtig CDU) angesichts der schwierigen Haushaltssituation des Landes. Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Das Wort erteile ich Auch das Programm „JAZ“ des Sozialministeriums mit dem Herrn Staatssekretär Rau. berufspraktischen Jahr bleibt künftig erhalten. (Abg. Schmiedel SPD: Ist das hier die Stunde der Zum Schluss, meine Damen und Herren, zur Ausbildungs- Staatssekretäre, oder was?) abgabe. Ich will hier ganz offen die Position der Landesre- gierung sagen: Wir sehen, dass die aktuellen Probleme Staatssekretär Rau: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nur auf ein paar Dinge einge- (Abg. Schmiedel SPD: Was heißt hier aktuell?) hen, die von Frau Weckenmann und Frau Sitzmann in die im Lehrstellenbereich – die kann ja niemand wegdiskutie- Debatte eingebracht worden sind und die so einfach nicht ren – nur mit der Wirtschaft und nicht gegen sie zu lösen stehen bleiben dürfen. sind. Und abgesehen von der – so, wie ich es sehe – ableh- Frau Weckenmann und Frau Sitzmann haben gesagt, die nenden Haltung des Bundeswirtschaftsministers Clement Ausbildungsfähigkeit werde systematisch unterhöhlt durch gegenüber einer Ausbildungsabgabe möchte ich einmal sa- die Art und Weise, wie die Schülerinnen und Schüler bei gen: Eine Ausbildungsabgabe wird von den Betrieben zu uns im Land ausgebildet werden. Das ist eine geradezu bös- Recht als Strafsteuer verstanden. Sie wird die Lohnneben- artige Unterstellung kosten erhöhen und einen enormen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen. (Abg. Wintruff SPD: Das sagt die Wirtschaft!) (Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!) bezogen auf das, was die jungen Leute heute in den Schulen leisten. Schauen Sie sich doch den alten Entwurf der SPD-Bun- destagsfraktion aus dem Jahr 1997 an: Das ist Bürokratie (Beifall bei der CDU) hoch zwei. Sie wird Unternehmen benachteiligen, die noch Es ist und bleibt eine Unterstellung gegenüber den Schulen. nicht – – Ich will Ihnen dazu ein paar Argumente nennen. (Abg. Zeller SPD: Die Bauwirtschaft macht das ja in Eigenverantwortung! So etwas wäre denkbar, um Das Erste: Die Hauptschülerinnen und Hauptschüler dieses den bürokratischen Aufwand in Grenzen zu halten! Landes durchlaufen Schulen, die heute in der Lage sind, mit Dort wird es praktiziert, und zwar sehr erfolg- dem Programm „Impulse Hauptschule“ so unterschiedliche reich!) Schwerpunkte zu setzen, dass sie auf die Bedingungen des Ortes und auf die Voraussetzungen der Schülerschaft, auf – Das muss aber woanders nicht unbedingt auch so klappen. die Möglichkeiten, die ein Kollegium und die eine Schule Da kommen ja noch andere Gründe hinzu. hat, eingehen können, indem sie spezielle Angebote unter- breiten. Schauen Sie einmal, welche Schulprogramme (Abg. Zeller SPD: Warum schließen Sie das von Hauptschulen in Baden-Württemberg erstellt haben – Sie vornherein aus?) finden diese Programme im Internet –: Da sind hervorra- – Ich werde es mir anschauen. gende Bildungsangebote entstanden. Natürlich gibt es nicht an allen Schulen gleich hervorragende Angebote; es gibt Eine Ausbildungsplatzabgabe würde doch die Unternehmen Schulen, die sich schon weiter als andere auf den Weg ge- benachteiligen, die aufgrund fehlender oder für eine Ausbil- macht haben. Aber alle haben die Möglichkeit, diese Wege dung nicht geeigneter Berufe nicht ausbilden können oder zu beschreiten. Die Hauptschule ist heute eine höchst inno- die auch mangels geeigneter Bewerber die Ausbildungsplät- vative Schulart, eine Schulart, die in Baden-Württemberg ze nicht besetzen können. Und letztlich – das will ich auch die volle Unterstützung der Kultusbürokratie und der Bil- offen sagen – gibt eine solche Abgabe natürlich finanzstar- dungspolitik hat. Anders als in anderen Ländern erklären ken Betrieben auch die Möglichkeit, sich freizukaufen. wir die Hauptschule nicht zur Restschule, Auch das ist sicherlich nicht im Sinne des Erfinders. (Abg. Zeller SPD: Wer macht denn das? Sagen Sie Aus der Sicht des Wirtschaftsministeriums möchte ich fest- doch einmal, wer Hauptschulen als Restschulen be- halten: Alle Maßnahmen, die ich Ihnen genannt habe, tun zeichnet! – Weitere Zurufe von der SPD) das Ihrige dazu, dass alle diejenigen, die bei uns eine Aus- bildungsstelle wollen, diese auch bekommen werden. Wir sondern zu einem eigenständigen Bildungsgang mit voller werden in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Wir sind Unterstützung durch das Land. auch noch nicht am Ende des Jahres angelangt. Alle Kundi- gen weisen auf die Maßnahmen bis Ende des Jahres hin. (Lebhafte Unruhe)

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Sie sehen auch an der Tatsache, dass 45 % der Hauptschü- den-württembergische Besonderheit ist, sondern einen bun- ler auf weiterführenden Wegen die mittlere Reife erwerben, desweiten Trend darstellt – – dass diese Schülerinnen und Schüler sich sehr wohl in ei- nem Bildungsgang mit Zukunftschancen befinden und dass (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von sie an den Hauptschulen eine adäquate Förderung erhalten. der SPD – Glocke der Präsidentin) (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Herr Staatssekretär! Abg. Schmiedel SPD) Staatssekretär Rau: Nein, jetzt nicht. Wir haben für diejenigen Hauptschüler und Hauptschüle- (Oh-Rufe von der SPD – Abg. Wintruff SPD: Feig- rinnen, die erkennbar Probleme haben, Kooperationsklas- ling!) sen eingerichtet. Wir werden diese im nächsten Schuljahr für alle Schulstandorte im Land anbieten. Im Moment gibt Wir haben 120 neue Klassen eingerichtet. Wir haben in die- es 65 solcher Kooperationsklassen. In den Kooperations- sem Haus vor wenigen Monaten dargelegt, dass 370 zusätz- klassen kooperieren Hauptschule und BVJ in einer zweijäh- liche Stellen in den Berufsschulen dieses Landes dafür sor- rigen gemeinsamen Bildungsphase – mit dem Ergebnis, gen, dass alle Schülerinnen und Schüler bei uns ein Bil- dass sehr viele Hauptschülerinnen und Hauptschüler, die dungsangebot an den Berufsschulen erhalten, das ihren Fä- sonst Probleme hätten, den Abschluss zu schaffen, mit die- higkeiten entspricht. 120 zusätzliche Klassen! ser Unterstützung doch den Abschluss schaffen. Das ist ei- ne Innovation, die von unserem Land ausgegangen ist und (Abg. Fleischer CDU: Sehr gut! – Abg. Seimetz die inzwischen in vielen anderen Ländern kopiert wird. CDU: Davon hat der Wintruff nur noch nichts ge- hört! Der stellt sich jetzt gerade wieder dumm!) Frau Weckenmann, Sie haben dann gesagt, am Ende lande- ten alle im BVJ. Das ist natürlich eine krasse Fehleinschät- Ich sage Ihnen: Besonders pikant ist ja, dass Frau Wecken- zung. Es geht um die Schülerinnen und Schüler, die bei uns mann darauf hinweist, dass die Förderung der Jugendbe- keinen dualen Ausbildungsplatz erhalten. Die Ursachen da- rufshelfer zurückgefahren wird. für liegen nun bei Gott in der Wirtschaftspolitik und in der Steuerpolitik des Bundes und nicht hier im Land. Das ist (Glocke der Präsidentin) doch ganz eindeutig. Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Herr Staatssekretär, (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. darf ich Sie noch einmal stören. Herr Wintruff möchte drin- Fleischer CDU: So ist es! – Abg. Fischer SPD: gendst eine Zwischenfrage stellen. Jetzt haben wir es wieder! – Abg. Alfred Winkler SPD: Lächerlich! Sie haben keine Ahnung von Staatssekretär Rau: Ich will jetzt dringend erst einmal das Wirtschaft, wenn Sie das sagen! – Unruhe) darlegen, was ich hier zu sagen habe. Wie soll denn die Wirtschaft Ausbildungsplätze schaffen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ wenn sie von Ihnen und von Ihren Kameraden in Berlin da- DVP – Abg. Seimetz CDU: Sehr gut! Ausgezeich- ran gehindert wird, sich vernünftig zu entwickeln? net! – Zuruf des Abg. Wintruff SPD) (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ Sie hat gesagt, wir würden aus der Förderung der Jugend- DVP – Abg. Kiefl CDU: So ist es! – Abg. Seimetz berufshelfer aussteigen. Die Jugendberufshelfer sind in die- CDU: Helmut, zeig es ihnen! – Lebhafte Zurufe sem Land erfunden worden. Sie schreiben eine Erfolgsge- von der SPD) schichte. Es ist doch ein Unsinn, das den Schulen im Lande in die (Zuruf des Abg. Wintruff SPD) Schuhe zu schieben. Da fällt einem ja wirklich nichts mehr Sie haben bisher drei Partner gehabt. Ein Partner ist ausge- ein. stiegen: Das Landesarbeitsamt hat erklärt: Ab sofort null (Glocke der Präsidentin) Beteiligung bei den Jugendberufshelfern. Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Herr Staatssekretär, ge- (Abg. Seimetz CDU: Pfui!) statten Sie eine Zwischenfrage – – Wo hängt das Landesarbeitsamt? Am Bundesarbeitsamt! Staatssekretär Rau: Wir haben den Schülerinnen und Also, ich bitte schön. Schülern nach den allgemein bildenden Schulen unter- schiedliche vollzeitschulische Angebote unterbreitet, (Beifall bei der CDU – Abg. Seimetz CDU: Und wer ist da vorn dran? Einer von der SPD! – Unru- (Abg. Alfred Winkler SPD: Der soll einmal zu Un- he) ternehmern gehen und fragen, warum sie nicht aus- bilden! Warum bauen Betriebe ab, die Geld verdie- Das ist Weisung des Bundesarbeitsamts. nen? – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU: Führen (Abg. Zeller SPD: Sie wissen aber, dass dies eine Sie Selbstgespräche? Wer hat da keine Ahnung? – Äußerung des Bundesrechnungshofs war, wonach Gegenruf des Abg. Capezzuto SPD) der Bund dazu verpflichtet war! Sie sollten die gan- und wir haben gerade in diesem Jahr als Reaktion auf den ze Wahrheit sagen, Herr Rau, und nicht Märchen Einbruch, der bundesweit festzustellen ist und der keine ba- auftischen! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

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Sorgen Sie doch bei Ihrem Genossen Gerster einmal dafür, In den nächsten 14 Tagen ist eine Initiative des Landes da- dass er solche ausbildungsfeindlichen Maßnahmen endlich zu zu erwarten. An den Beschlüssen der KMK werden Sie sein lässt! ablesen können, wie stark die Unterstützung vonseiten der A-Länder her sein wird. (Beifall bei der CDU – Abg. Seimetz CDU: Sehr gut! Bravo! – Abg. Zeller SPD: Wir können gern Ich danke Ihnen. diskutieren, aber es muss seriös sein! Was Sie tun, (Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. ist nicht seriös, weil es mit den Fakten nichts zu tun Seimetz CDU: Sehr gut! – Zurufe von der SPD: hat! – Unruhe) Feigling!) Es ist doch eindeutig klar, dass das Landesarbeitsamt aus- gestiegen ist. Das ist der Fakt. Das Landesarbeitsamt ist Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Das Wort erteile ich ausgestiegen. Frau Abg. Weckenmann. (Abg. Zeller SPD: Die mussten rausgehen! – Abg. Abg. Ruth Weckenmann SPD: Herr Staatssekretär Rau, Ruth Weckenmann SPD: Sie wissen aber, dass es Sie sind ja nicht nur ein Verdrängungskünstler – das könnte rausmusste! – Unruhe – Glocke der Präsidentin) man ja noch verstehen –, sondern Sie sind ja auch der größ- te Verdreher aller Zeiten. Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Meine Damen und Her- ren, lassen Sie den Herrn Staatssekretär bitte seine Ausfüh- (Widerspruch bei der CDU – Beifall bei der SPD – rungen zu Ende führen. Abg. Seimetz CDU: Der hat eine sehr gute Rede gehalten!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Zeller SPD: Wenn er Blödsinn redet, muss man etwas da- Man muss sich das einmal überlegen! Sie wissen genau, gegen sagen! – Abg. Seimetz CDU: Der Zeller hat dass das Landesarbeitsamt nicht mehr fördern darf, weil bei doch keine Ahnung! Zeller hat null Ahnung! – Leb- den Jugendberufshelfern eine Projektförderung stattfindet, hafte Unruhe) weil das rausmuss und keine Dauerförderung erfolgen darf. Sie wissen, dass der Bundesrechnungshof das moniert hat. Staatssekretär Rau: Wenn der Bund den politischen Wil- len hätte, diese jungen Menschen so zu unterstützen, dann (Abg. Zeller SPD: So ist es!) könnte er dafür einen Weg finden. Dann haben Sie hier eigentlich, wenn man es genau nimmt, (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Sei- gelogen, schlicht und einfach gelogen. metz CDU: Zeller hat keine Ahnung! Der hat die Zellulitis! – Abg. Zeller SPD: Inhaltlich, sachlich (Beifall bei der SPD – Abg. Zeller SPD: Dann falsch!) kann man sich doch nicht so hinstellen und falsche Er will es nicht. Da brauchen Sie nicht den Bundesrech- Angaben machen! So ist es! Genau das ist der nungshof vorzuschieben. Sie wollen es nicht. Ihre Vertreter Punkt! – Lebhafte Unruhe) in Berlin wollen es nicht. Sie sollten einmal etwas dazu sagen, dass Sie überhaupt (Zurufe von der SPD) keine Maßnahmen für die größere Zahl von BVJ-Klassen ergriffen haben, um für sie den Anteil an Jugendberufshel- In Ableitung davon: Das Bundesarbeitsamt will es nicht. fern zu erhöhen. Sie legen lieber den Mantel des Schwei- Deswegen muss das Landesarbeitsamt so handeln. gens darüber, aber jeder, der draußen arbeitet, weiß das. (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD) (Unruhe) Wir stehen zu dem Programm. Ich sage Ihnen: Noch einmal kurz zum Bund und zum Arbeitsamt: in Ba- den-Württemberg 58 Millionen € für benachteiligte Jugend- (Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie lenken mit fal- liche, 60 Millionen € vom Jugend-Sonderprogramm, 320 schen Aussagen von Ihrem eigenen Versagen ab!) Millionen € für Jugendliche in Fördermaßnahmen und 6,3 Auf der nächsten Kultusministerkonferenz wird auf Betrei- Millionen € für das „JuSo-Plus-Programm“. Und jetzt zäh- ben des Landes Baden-Württemberg ein Zehnpunktepro- len Sie einmal die paar Kröten zusammen, die Sie im Land gramm zur beruflichen Bildung vorgelegt. Dabei werden für junge Leute ausgeben! Das ist nur noch lächerlich! wir dann sehen, wie sich die A-Länder positionieren. (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen (Abg. Zeller SPD: Es geht um unser Land! Immer – Abg. Alfred Winkler SPD: Eisiges Schweigen!) diese Ablenkungsmechanismen! Unmöglich!) Herr Rau, wenn ich Sie das Lied der Hauptschule singen Dort werden von uns noch einmal Kernforderungen der höre, Sie aber nicht dafür sorgen, dass wir in der Haupt- Ausbildungspolitik auf der schulischen Seite dargebracht. schule Jugendsozialarbeiter haben, die die jungen Leute sta- Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich diese zehn Punkte bilisieren können, jetzt hier nicht im Einzelnen vortragen kann, weil sie erst (Unruhe) im Zusammenhang mit der KMK veröffentlicht werden. dann wird das doch nur noch unglaubwürdiger. (Abg. Carla Bregenzer SPD: Konkret! Nicht zehn Punkte! Konkretes Handeln!) (Zuruf des Abg. Dr. Birk CDU – Lebhafte Unruhe)

3527 Landtag von Baden-Württemberg – 13. Wahlperiode – 50. Sitzung – Mittwoch, 1. Oktober 2003 (Ruth Weckenmann)

Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass ein junger Hier im Land gibt es aber nichts. Hauptschüler schlechtere Chancen hat, einen Ausbildungs- (Beifall bei der SPD – Abg. Seimetz CDU: Juso- platz zu bekommen, als ein Realschüler. Lügen Sie sich Fortbildung! Da schicken wir den Zeller hin! – Ge- doch mit dem, was Sie erzählen, nicht in die Tasche! genruf des Abg. Zeller SPD: Rentner Seimetz, Ru- (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Wintruff he! – Abg. Fleischer CDU: Ohne Rückfahrkarte! – SPD – Gegenruf des Abg. Seimetz CDU) Lebhafte Unruhe) So viel Unsinn! Wenn wir wissen, dass wir 20 % – – – Für Sie sage ich es auch gerne ausführlich – Abkürzungen sind schwierig –: JuSo bedeutet Jugend-Sonderprogramm. (Lebhafte Unruhe – Zuruf des Abg. Seimetz CDU) Sie verstehen das auch noch. – Mensch, dann gehen Sie hinaus in einen Betrieb, dann Frau Berroth, am meisten hat mich Ihre Aussage erstaunt, wissen Sie es wieder! Ausbildungsplätze kämen von selbst. Wer die Entwicklung des Ausbildungsstellenmarkts anschaut, kann doch bei die- (Abg. Zeller SPD: Hermann ist schon in Rente!) ser Aussage nur noch den Kopf schütteln. Wenn Sie wissen, dass 20 % unserer Jugendlichen Proble- (Zurufe, u. a. der Abg. Heiderose Berroth FDP/ me haben, wenn unser Wirtschaftsminister sagt, es würden DVP) im Land Ausbildungsstellen nicht besetzt – wie es auch der Baden-Württembergische Handwerkstag geäußert hat –, – War es Herr Mehrländer? Ja. Dann nehme ich es zurück. weil die Bewerber unzureichend geeignet seien, dann muss Dann ist es noch schlimmer. sich doch hier der Vertreter der Schule einmal fragen las- Zur Ausbildungsplatzabgabe kann man noch eines sagen. sen: Was macht die Schule, damit die Bewerber geeigneter Man muss sich Folgendes genau überlegen: Es gibt nieman- werden? Oder sind Sie dafür überhaupt nicht mehr zustän- den, der eine Ausbildungsplatzabgabe will. Jeder weiß, dass dig? es am besten ist, wenn die Unternehmen stattdessen ausbil- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Göschel den. Aber es muss doch auch Ihnen zu denken geben, dass SPD: Was ist jetzt, Herr Rau?) 60 % der Betriebe, die ausbilden, in der Zwischenzeit eine Ausbildungsplatzabgabe fordern. Jetzt komme ich zu ein paar weiteren Punkten. (Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die wollen Herr Mehrländer, Sie haben wieder die Story erzählt, was sich freikaufen!) unser Wirtschaftsminister alles leiste. – Betriebe, die ausbilden, wollen sich nicht freikaufen. Die (Abg. Alfred Winkler SPD: Ja!) haben bislang ihre Verantwortung wahrgenommen. Sie haben aber keine einzige Auskunft dazu gegeben, wa- (Beifall bei der SPD) rum wir seit 1992 in Baden-Württemberg fast die Hälfte der Ausbildungsplätze verloren haben. Ich hoffe, dass wir die Betriebe im Land durch das unter- (Lebhafte Unruhe) stützen, was wir machen können, nämlich durch Stärkung der Jugendlichen in den Schulen, und nicht durch ein Ab- Zwischen 1992 und 1998 haben wir fast die Hälfte der Aus- tauchen oder Verdrehen durch einen Staatssekretär und ei- bildungsplätze verloren. Wieso gibt es nicht einmal den nen Wirtschaftsminister, der den Kampf mit der Kultusmi- Versuch, dafür eine Erklärung zu geben? nisterin nicht einmal wagt. (Abg. Alfred Winkler SPD: Was sagt der Wirt- (Anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall der schaftsminister dazu? – Lebhafte Unruhe) Abg. Edith Sitzmann GRÜNE – Abg. Seimetz CDU: Sehr giftige Rede! – Unruhe – Glocke der Frau Berroth, über das, was Sie erzählt haben, legt man lie- Präsidentin) ber den Mantel des Schweigens. Das hat doch überhaupt nichts mit dem zu tun, was jetzt ist. Stellv. Präsidentin Beate Fauser: Meine Damen und Her- (Anhaltende lebhafte Unruhe) ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Sie haben gesagt, Döring würde etwas tun. Ich kann mich Antrags Drucksache 13/1260. Auf Wunsch der Antragstel- noch daran erinnern, als er die jungen Frauen aus Hamburg ler soll der Antrag an den Wirtschaftsausschuss überwiesen wegen eines Ausbildungsplatzes nach Baden-Württemberg werden, ebenso der Entschließungsantrag Drucksache eingeladen hat. Aber ich weiß auch, was Clement gemacht 13/2270. – Sie stimmen der Überweisung zu. hat. Diese Mittel sind eingestellt: Für 100 000 Jugendliche unter 25 Jahren gibt es ein Angebot, das der Bund finan- Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der heu- ziert. tigen Tagesordnung. (Abg. Zeller SPD: So ist es!) Die nächste Sitzung findet morgen, Donnerstag, 2. Oktober, Das sind die JuSo-Sonderprogrammmittel. um 9:30 Uhr statt. (Zuruf von der CDU: Juso?) Ich danke Ihnen und schließe die Sitzung.

Schluss: 17:52 Uhr 3528