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Harald Thomé / Referent für Arbeitslosenrecht

Von: "Dr. Thomas Hohlfeld" Datum: Mittwoch, 15. Mai 2019 18:02 An: "undisclosed-recipients:" Anfügen: Plenarprotokoll 19_98_Debatte open cities_LINKE.pdf Betreff: Neues aus dem Tollhaus: Gesetzgebungszumutungen, Menschenwürdeverletzungen... / Debatte zu "open cities" im

Liebe Interessierte,

es ist ein Skandal mit Ankündigung! Während die mediale Öffentlichkeit sich kaum noch für das Thema Asyl interessiert - in gewisser Weise zu Recht, schaffen es doch nur noch wenige Menschen, in Deutschland um Schutz nachzusuchen (viele der offiziell registrierten Asylsuchenden sind hier geborene Kinder oder legal eingereiste Familienangehörige, immer mehr Asylsuchende werden zudem in durchreiste EU- Mitgliedstaaten zurückgeschickt) -, bereitet die Koalition Einschnitte in das Asyl- und Aufenthaltsrecht vor, die in ihrer Massivität und hinsichtlich der zu befürchtenden Auswirkungen ihres gleichen suchen!

Getrieben von dem fatalen Mantra der Bundeskanzlerin, die "Rückführung, Rückführung und nochmals Rückführung" und eine "nationale Kraftanstrengung" bei Abschiebungen einforderte, um den bayerischen Löwen ruhig zu stellen, soll es nun erhebliche Gesetzesverschärfungen durch das so genannte "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" geben - von NGOs auch "Hau ab II" genannt. Entrechtung, Inhaftierung, Ausgrenzung und Aushungerung - das sind die falschen und rechtsstaatswidrigen Mittel, die diese Koalition wählt, um der falschen Analyse beizukommen, Ausreisepflichtige würden angeblich Deutschland nicht in ausreichendem Maße verlassen. Dass diese Behauptung, die dem Gesetz zugrunde liegt, unzutreffend ist, zeigen nicht zuletzt die Zahlen der Bundesregierung, die regelmäßig von der Fraktion DIE LINKE. erfragt werden. Sebastian Ludwig hat für die Diakonie diese Zahlen ausgewertet und dargestellt - ich kann diese Stellungnahme empf ehlen, um zunächst quantitativ zu klären, worum es überhaupt geht: https://www.diakonie.de/stellungnahmen/stellungnahme-zum-referentenentwurf-eines-zweiten- gesetzes-zur-besseren-durchsetzung-der-ausreisepfl/ https://www.diakonie.de/fileadmin/user_upload/Diakonie/PDFs/Stellungnahmen_PDF/Verlassen_ausre -__Eine_Datenana....pdf

Insbesondere der Plan, Geflüchteten (seien es Schutzsuchende, seien es anerkannte Flüchtlinge), die über einen anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland gekommen sind, eine menschenwürdige Existenz in Deutschland zu versagen, um sie aus dem Land zu drängen, ist widerlich und offensichtlich verfassungswidrig! Der oberste Verfassungsauftrag zur Sicherung der Menschenwürde - Art. 1 des Grundgesetzes! - darf nicht migrationspolitischen Zwecken unterworfen werden, hat das Bundesverfassungsgericht 2012 unmissverständlich mit Blick auf das Asylbewerberleistungsgesetz festgestellt. Es ist schwer erträglich, dass in diesen Tagen - morgen auch im Bundestag - dem 70. Jährigen Bestehen des Grundgesetzes in salbungsvollen Worten gedacht wird, während zugleich ein organisierter staatlicher Angriff auf die Menschenwürde Geflüchteter in Gesetzesform gegossen wird. Noch ein Skandal: Abschiebungshaft wird in Deutschland geradezu regelmäßig (vielleicht in jedem zweiten Fall, bundesweite Statistiken hierzu werden nicht geführt) rechtswidrig vollzogen, wie unzählige Gerichtsurteile zeigen. Zu Unrecht werden Menschen, die in der Regel kein Verbrechen begangen haben, im Rechtsstaat Deutschland ihrer Freiheit beraubt! Und was plant die Koalition? Nicht die Abschaffung der Abschiebungshaft, keine klareren Regelungen zur wirksamen Verhinderung rechtswidriger Haft, keine genaue statistische Erfassung der Missstände - nein, Abschiebungshaft soll künftig viel leichter und umfassender angeordnet werden können, die gerichtliche Kontrolle hingegen wird eingeschränkt...

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Schließlich (und das ist leider nicht abschließend): Die geplante Duldung zweiter Klasse und verschärfte Mitwirkungspflichten werden dazu führen, dass viele Geflüchtete, die über Jahre hinweg nicht abgeschoben werden können, einem totalen Arbeitsverbot unterliegen, systematisch desintegriert werden und keine Chance auf ein humanitäres Bleiberecht erhalten. Das ist für die Betroffenen, darunter auch viele Kinder und Jugendliche, eine Katastrophe - aber auch gesellschaftspolitisch ist das ein Desaster. Welche negativen Folgen mit der rechtlichen Desintegration von Geflüchteten, die zwar keinen Schutzstatus erhalten, aber wegen der Lage in ihren Herkunftsländern dennoch nicht abgeschoben werden können, verbunden sind, lässt sich am Beispiel der Geflüchteten aus dem Libanon in den 80er Jahren ersehen: Auch diese Menschen wurden über Jahre (und Jahrzehnte) hinweg nur geduldet, sie durften nicht arbeiten und keine A usbildung machen. Wer legale Beschäftigung und Integration systematisch untersagt, muss sich nicht wundern, wenn die betroffenen Menschen zum Teil andere Wege gehen...

Bislang ist kaum öffentliche Empörung gegen diese unsäglichen Verschärfungspläne zu vernehmen - es wird Zeit!!!

Das zum Inhalt. Nun zum Verfahren.

Nach dem Gesetzgebungsfusch ist vor dem Gesetzgebungsfusch. So lautet das Motto im Aufenthalts- und Asylrecht seit geraumer Zeit. Und auch in Zeiten massiv rückläufiger Asylzahlen fühlt sich die Koalition diesem Motto verpflichtet. Verbände erhalten regelmäßig kaum Zeit, um neue Gesetzesvorhaben zu bewerten. Und haben sich die Koalitionsparteien in Hinterzimmer-Gesprächen erst einmal geeinigt, erscheint aus ihrer Sicht das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren nur noch als lästige Pflicht, die so schnell wie möglich erledigt werden muss...

Beim Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes hatte es die Koalition nun allerdings etwas "übertrieben" (ich habe am Freitag dazu berichtet). Die Ansetzung einer Sachverständigen-Anhörung erfolgte so kurzfristig und überfallsartig und unter Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Bundestages, dass die drei demokratischen Oppositionsfraktionen FDP, LINKE und GRÜNE gemeinsam diese Anhörung boykottierten und nach Protest verließen - siehe die nachfolgende Pressemitteilung und den Bericht: https://www.ulla-jelpke.de/2019/05/fdp-linke-und-buendnis-90-die-gruenen-boykottieren- sachverstaendigen-anhoerung-zum-integrationsgesetz/ http://www.migazin.de/2019/05/14/bundestag-opposition-boykottiert-anhoerung-zu- integrationsgesetz/

Das grandiose Schauspiel einer "Anhörung" mit ausschließlich von den Regierungsfraktionen benannten Sachverständigen und ganzen vier Abgeordneten (neben der Vorsitzenden je einer der CDU, SPD und AfD), kann hier nachgesehen werden: https://dbtg.tv/cvid/7352954

Der Protest der Opposition zeigte in diesem Fall Wirkung: Die für heute angesetzte Beschlussfassung im Innenausschuss zu diesem Gesetz wurde wieder abgesetzt, stattdessen wurde erneut eine Sachverständigen-Anhörung beschlossen - ein für die Koalition überaus peinlicher Vorgang, und für die "umsonst" geladenen Sachverständigen eine Zumutung.

Und so geht es weiter:

Auch die zweite Anhörung vom Montag, zum 2. Datenaustauschverbesserungsgesetz, verlief für die Koalition desaströs.

Die Anhörung kann hier nachverfolgt werden: https://dbtg.tv/cvid/7351662 Zu der Anhörung gab es auf Tagesschau.de einen sehr guten anschaulichen Artikel:

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https://www.tagesschau.de/investigativ/datenaustausch-auslaenderzentralregister-101.html

Die Kritik an dem Gesetzesvorhaben war von (nahezu) allen Seiten so massiv, dass auch die für heute ursprünglich geplante Beschlussfassung im Innenausschuss vertagt wurde. Die SPD scheint von dem Vorhaben abrücken zu wollen, das hatte sich schon bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag angedeutet. Im Tagesschau-Artikel heißt es, dass zunächst einmal das erste Datenaustauschverbesserungsgesetz evaluiert werden solle...

Und jetzt kommt´s:

Am Montag, den 3. Juni 2019 sollen tatsächlich die wesentlichen noch "in der pipeline" befindlichen Gesetze zum Asyl- und Aufenthaltsrecht an nur einem Tag in sechs Anhörungen (!) "abgefrühstückt" werden (wobei zwei Gesetzentwürfe zu einer Anhörung zusammengelegt wurden)!

Im Ausschuss für Arbeit und Soziales wird es von 15:30 bis 17:30 Uhr eine Anhörung zu den beiden Gesetzen 3. ÄnderungsG AsylbLG und Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz geben - diese Gesetze werden erst morgen (bzw. übermorgen) in den Bundestag eingebracht: die 1. Lesung des Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetzes soll morgen, Donnerstag ab 23:15 Uhr erfolgen, die 1. Lesung des verfassungswidrigen Änderungsgesetzes zum AsylbLG ist für die Nacht zum Freitag, ab 0:45 Uhr angesetzt (das kann sich noch nach hinten verschieben!) - ein schönes "Geschenk" zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes, dass man die Debatte zu geplanten Verfassungsverstößen in die Nachtzeit legt...

Und dann sind folgende Anhörungen im Innenausschuss für den 3. Juni geplant: - 10:00 - 12:00 Uhr: Fachkräfteeinwanderungsgesetz (und zahlreiche Initiativen der Opposition) - 12:30 - 14:30 Uhr: "Geordnete Rückkehr-Gesetz" - Hau ab II - 15:00 - 16:30 Uhr: GE Duldung Ausbildung/Beschäftigung - 16:45 - 18:45 Uhr: GE Entfristung Integrationsgesetz

Ein Anhörungs-Marathon, den es so im Bundestag noch nicht gegeben haben dürfte...!

Die offizielle Meldung hierzu von "hib" lautet:

Anhörungen zu Ausländerpolitik-Vorlagen

Berlin: (hib/STO) Der Innenausschuss wird sich am Montag, 3. Juni 2019, in mehreren Anhörungen mit einer Reihe von Vorlagen zu verschiedenen Aspekten der Ausländerpolitik befassen. Wie das Gremium am Mittwochvormittag beschloss, wird es dabei unter anderem um die Regierungsentwürfe eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (19/8285 ) und eines "Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung" (19/8286 ) sowie eines "Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" (19/10047 ) und eines "Gesetzes zur Entfristung des Integrationsgesetzes" (19/8692 ) gehen.

Bei der Anhörung zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz, die von 10.00 bis 12.00 Uhr stattfinden soll, stehen auch ein Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einführung eines Einwanderungsgesetzes (19/6542 ) sowie ein Antrag der FDP-Fraktion "für einen konsequenten Ansatz in der Einwanderungspolitik" mit "Eckpunkten eines umfassenden Einwanderungsgesetzbuches" (19/9924 ) ebenso auf der Tagesordnung wie ein

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Antrag der Fraktion Die Linke "für eine offene, menschenrechtsbasierte und solidarische Einwanderungspolitik" (19/9052 ) sowie eine weitere Vorlage der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Fachkräfteeinwanderungsgesetz - Gute Arbeit garantieren und Vollbeschäftigung erreichen" (19/9855 ).

Die ab 12.30 Uhr geplante Anhörung über die Regierungsvorlage zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht hat auch den genannten FDP-Antrag zum Gegenstand. Bei der ab 15.00 Uhr angesetzten Anhörung zum geplanten Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung geht es zudem ebenfalls um die erwähnten Oppositionsvorlagen. Zu der auf 16.45 Uhr terminierten Anhörung "zur Entfristung des Integrationsgesetzes" liegen auch die Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf und die Gegenäußerung der Bundesregierung als Unterrichtung (19/9764 ) vor.

Interessierte Zuhörer werden gebeten, sich mit Namen und Geburtsdatum bis zum 29. Mai beim Ausschuss anzumelden ([email protected]).

Die erste Lesung des Hau ab II-Gesetzes im Bundestag ist für morgen, Donnerstag ab 12:35 Uhr geplant!

Die Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit) soll ab 20:15 Uhr erfolgen (wird sich vermutlich verschieben).

Diesem "Agenda-Setting" der Koalition ist nur schwer etwas entgegenzusetzen. Leider ebenfalls in die späten Abendstunden hatte es die Debatte zum Antrag der LINKEN und der Grünen zu "Solidarischen Städten" verschlagen. Ich füge das Protokoll zu dieser Debatte, das erst seit kurzem vorliegt, zur Kenntnis anbei - dazu die Warnung: Die Beiträge von CSU, CDU, AfD-Abgeordneten sind wirklich nur schwer erträglich!

Beste Grüße Thomas Hohlfeld

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Dr. Thomas Hohlfeld

Referent für Migration und Integration

Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Platz der Republik 1, 11011 Berlin

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19.05.2019 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11887

Vizepräsidentin (A) damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koaliti- (DIE LINKE): (C) onsfraktionen und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und ganz Europa haben sich Kommunen zu „Solidarischen der AfD-Fraktion angenommen. Städten“ erklärt und ihre Bereitschaft bekundet, mehr Schutzsuchende aufzunehmen. In Deutschland sind es Dritte Beratung mindestens 51 Kommunen und Städte. Angesichts des und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem inhumanen Trends der EU-Flüchtlingspolitik sehen wir Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer in diesem Netzwerk eine absolut begrüßenswerte Maß- stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzent- nahme. wurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und (Beifall bei der LINKEN) der Mehrheit der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der AfD-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Tausende Schutzsuchende ertrinken Jahr für Jahr im Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Mittelmeer. Ihr Tod wird von der EU billigend in Kauf genommen, eine staatlich organisierte Seenotrettung gibt Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf es nicht. Private Seenotrettungsschiffe retteten dagegen Drucksache 19/10000 empfiehlt der Ausschuss, eine in den letzten Jahren Hunderten von Flüchtlingen das Le- Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Be- ben. Wir müssten ihnen dankbar sein; doch stattdessen schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- haben wir die Situation, dass diese Retter von EU-Regie- hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim- rungen diffamiert und kriminalisiert werden, men der Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ( [AfD]: Das sind Schlepper! – bei Enthaltung der AfD-Fraktion angenommen. Jürgen Braun [AfD]: Schlepper sind das!) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a und 17 b auf: dass ihre Schiffe beschlagnahmt, ihre Kapitäne und Crews eingesperrt werden. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla (Zuruf von der AfD: Richtig so!) Jelpke, Gökay Akbulut, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Zugleich stoppte die EU vor wenigen Wochen die Mis- sion Sophia, in deren Rahmen immerhin 50 000 Men- Solidarische Städte und kommunale Initiati- schen in Seenot das Leben gerettet wurde. Die EU hat ven zur Flüchtlingsaufnahme unterstützen dafür gesorgt, dass es im Mittelmeer jetzt fast gar kei- ne Rettungsschiffe mehr gibt. Das ist einfach nur noch (B) Drucksache 19/8648 schäbig, meine Damen und Herren, vor allen Dingen, (D) Überweisungsvorschlag: wenn man sieht, dass die EU die libysche Küstenwache Ausschuss für Inneres und Heimat (f) unterstützt, die bekanntlich eine kriminelle Bande ist, die Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz private Rettungsschiffe angegriffen hat. Flüchtlinge wer- Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe den durch sie in – man muss es so sagen – irreguläre Ge- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- fängnisse gebracht, die selbst deutsche Diplomaten mit munen Konzentrationslagern verglichen haben. b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Luise Vor diesem Hintergrund begrüßen wir, wie gesagt, die Amtsberg, , Dr. , Initiative „Solidarische Städte“ sehr. weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abge- NIS 90/DIE GRÜNEN ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- Regionale und kommunale Flüchtlingsauf- NEN und der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack- nahme stärken Zimmermann [FDP]) Meine Damen und Herren, als Malta im vergangenen Drucksache 19/9275 Jahr das Flüchtlingsschiff „Lifeline“ nicht in den Hafen Überweisungsvorschlag: einfahren ließ, bot Berlin an, einen Teil der 230 Flücht- Ausschuss für Inneres und Heimat (f) linge unkompliziert aufzunehmen. Ich finde, das ist eine Auswärtiger Ausschuss großartige Geste, und möchte hier auch ausdrücklich Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Danke sagen. Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- (Beifall bei der LINKEN) munen Aber den Kommunen und Ländern fehlen einfach die Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für rechtlichen Kompetenzen, um Flüchtlinge selbstständig die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- aufzunehmen. nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. (Zuruf von der AfD: Ja!) Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke. Innenminister Seehofer verweigerte damals die erforder- liche Zustimmung und verlängerte damit das Elend der (Beifall bei der LINKEN) Menschen auf der „Lifeline“. 11888 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

Ulla Jelpke (A) Deshalb fordern wir mit unserem Antrag: Eine solche Was jedoch eine neue Qualität hat, ist, dass Sie of- (C) Zustimmung muss künftig zügig und verbindlich erfol- fen kommunizieren und jede sich bietende Möglichkeit gen. unterstützen, die Durchsetzung geltenden Asylrechts zu unterlaufen. Dass Sie sich dabei pauschal auf die Zivil- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- gesellschaft berufen, zeugt nicht nur von Ignoranz, son- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dern, vorsichtig ausgedrückt, auch von einem ausbau- Es ist klar, dass wir solidarische Städteunterstützung fähigen Demokratieverständnis. Ich muss Ihnen das so brauchen. Nationale Regierungen, aber auch die EU deutlich sagen. könnten einen Fonds einrichten. Das stellen wir ebenfalls im Antrag dar. Durch Investitionen, Infrastrukturmaß- (Beifall bei der CDU/CSU – Andreas Bleck nahmen würde das wichtige Signal ausgesandt werden, [AfD]: Das ist ja auch gar nicht da bei denen!) dass man der Aufnahme von Flüchtlingen positiv gegen- Wir kennen es zur Genüge, dass sich die Linken über übersteht. Andersdenkende gerne moralisch erheben. Dass Sie aber Unsere Forderungen finden sich im Übrigen auch jenen Menschen, die nicht Ihrer Ansicht sind, die zu den in dem Osterappell zur Seenotrettung wieder, der von Grenzen der Leistungsfähigkeit eine andere Meinung 210 Bundestagsabgeordneten unterzeichnet wurde, und haben als Sie, die Zugehörigkeit zur Zivilgesellschaft in einem offenen Brief, der von 250 Flüchtlings- und gleich gänzlich absprechen, ja, dass Sie deren Existenz Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, schlicht negieren, das, liebe Freunde, ist neu. Es ist ein Kirchen, Gewerkschaften und Jugendverbänden unter- Treiber für genau jene Radikalisierung in Teilen unserer zeichnet wurde. Bevölkerung, die Sie zu Recht beklagen. Wir fordern Sie also auf: Machen wir einen ersten Ich will es Ihnen aber sagen: Sie sollten wissen, dass Schritt, dass Kommunen, die bereit sind, Flüchtlinge auf- die Zivilgesellschaft in unserem Land in der Frage, wel- zunehmen, das auch wirklich selbstständig machen kön- che Aufnahmekapazitäten dieses unser Land hat und sich nen. Dann haben wir schon viel getan, um Menschen, die leisten sollte, tief gespalten ist. aus Seenot gerettet wurden, ein gutes Zuhause zu geben. (Andreas Bleck [AfD]: Das liegt aber an Ihrer Ich danke Ihnen. Partei, nicht an den Linken!) (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Mit dieser arroganten Diktion (Zuruf von der LINKEN: Was ist daran eine (B) (D) Vizepräsident : arrogante Diktion? Was für ein Unsinn!) Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Red- ner hat das Wort der Kollege , CDU/ setzen Sie die Unterstützung der Bevölkerung – der Zi- CSU-Fraktion. vilbevölkerung, auf die Sie sich berufen – für tatsächlich hilfsbedürftige Menschen vorsätzlich aufs Spiel. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Kuffer (CDU/CSU): Es gibt in unserer Gesellschaft immer noch einen breiten Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wir wis- Konsens darüber, dass wir denjenigen, die wirklich unse- sen ja, wie es die Linken und die Grünen mit der Um- res Schutzes bedürfen, setzung geltenden Rechts halten, besonders dort, wo sie politische Verantwortung tragen. Das betrifft die Fragen ( [CDU/CSU]: Wirklich!) der inneren und der öffentlichen Sicherheit – erst heute durften wir wieder über die Vorschläge zum Umgang mit helfen, solange sie schutzbedürftig sind. Aber ich sage Drogenkriminalität im rot-rot-grün regierten Berlin ver- Ihnen auch: Wir können dieses Versprechen nur einlösen, wundert den Kopf schütteln – wenn wir dafür sorgen, dass die Menschen, die unseren Schutz nicht oder nicht mehr brauchen, unser Land auch (Beifall bei der CDU/CSU – Christoph de zügig wieder verlassen müssen. Vries [CDU/CSU]: Markierte Zonen statt Strafverfolgung!) (Andreas Bleck [AfD]: Da gibt es aber ein ebenso wie die Durchsetzung rechtsstaatlicher Voll- Defizit in der Regierung!) zugsmaßnahmen im Asylbereich. In einer bekannten Samstagabendsendung des deutschen Fernsehens hätte Da sage ich Ihnen Folgendes zu Ihrem Vorschlag mit es dazu wahrscheinlich heißen können: Michael Kuffer den kommunalen Modellen: Es ist auch nach geltendem aus München wettet, dass er unter 16 Bundesländern die Recht völlig unproblematisch möglich, dass sich Kom- grün- und linksregierten Bundesländer allein anhand der munen überdurchschnittlich engagieren, wenn sie sa- Rückführungsstatistiken identifizieren kann. gen: Das können wir leisten. – Das geht darüber, dass innerhalb der Länder die Verteilung auf die Kommunen (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten entsprechend den Leistungsfähigkeitserklärungen der der CDU/CSU und der AfD – Marian Wendt Kommunen vorgenommen werden kann. Dazu müssen [CDU/CSU]: Topp, die Wette gilt!) wir als Bundesgesetzgeber nicht tätig werden. Aber da, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11889

Michael Kuffer (A) wo ich herkomme, sagen wir Folgendes: Liberal samma traliens riesige Seegrenzen viel schwieriger zu schützen (C) scho, aber bläd samma ned – Liberal sind wir schon, aber sind als Europas Grenze im Mittelmeer. nicht blöde. Als die linke Labor-Partei noch in Australien regier- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – te – bis 2013 –, starben 1 200 illegale Bootsmigranten Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: vor den Küsten Australiens. Das Meer spülte zerstückelte Liberal? Sie und liberal?) Leichen von Kindern an. Haie hatten sie in den Gewäs- Über Modelle kommunaler Unterstützung wollen Sie sern zerfressen. Die neue, nun konservative Regierung uns Aufenthaltsrechte unter der Tür durchschieben, die begann 2013 ihr Programm „Souveräne Grenzen“, eine wir als Bundesgesetzgeber nicht gewähren können, weil breite Medienkampagne mit dem Titel „No Way“ und die Frage des Aufenthalts an der Grenze der Kommunen machte in allen Herkunftsländern klar: Illegal Einreisen- nicht halt macht; denn jemand, der die Eintrittskarte für de haben keine Chance, no way. Die Marine unterband das Bundesgebiet bekommt, wird sich über Grenzen von illegales Anlanden, versorgte aber alle Migranten gut und Kommunen und auch über Grenzen von Bundesländern brachte sie in sichere Häfen außerhalb von Australien. hinweg bewegen, und die Aufenthaltsbeendigung endet Dafür dürfen nun aber jedes Jahr 20 000 echte Flücht- immer wieder hier. Hier ist das Problem, das wir lösen linge ins Land. Wer bloß den Schleppern die höchsten müssen. Das verschweigen Sie. Preise zahlt, hat keine Chance mehr. (Beifall bei der CDU/CSU) Ergebnis: Seit drei Jahren gibt es keinen einzigen Toten mehr, auch keine von Haien zerfressenen Kinder. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Das ist humane Grenzpolitik ohne links-grünen Eifer und Geifer, aber mit Vernunft, mit Menschlichkeit und politi- Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. schem Weitblick, meine Damen und Herren.

Michael Kuffer (CDU/CSU): (Beifall bei der AfD) Deshalb können wir das nicht mitmachen, können wir diesen Vorschlag nicht mittragen. Die Links-Grünen wollen aus solchen Beispielen aber nichts lernen. Sie fordern mit ihren heutigen Anträgen, Vielen Dank. Salvini in den Rücken zu fallen und der Schleusermafia die Arbeit zu erleichtern. Ihr Clou dabei: Deutsche Städte (Beifall bei der CDU/CSU – und Gemeinden sollen diese Migranten jetzt nach eige- [Heidelberg] [SPD]: Man spürt so richtig die nem Willen und direkt bei sich aufnehmen können, das christliche Nächstenliebe!) (B) heißt ohne Kontrolle durch den Bund. (D) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vielen Dank, Herr Kollege Kuffer. – Als nächster NEN]: Stand nirgendwo!) Redner hat das Wort der Kollege Dr. , AfD-Fraktion. Es entstünde eine Art riesige Rolltreppe, ein endloses Fließband für Migranten aus Orient und Afrika direkt hi- (Beifall bei der AfD) nein ins Herz unserer Städte und Gemeinden. Meine Damen und Herren, ist das nach den Erfahrun- Dr. Bernd Baumann (AfD): gen der letzten Jahre nur naiv? Nein, das ist schon längst Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als in Ita- gemeingefährlich. lien noch die Sozialdemokraten regierten, 2016, starben im Mittelmeer 5 149 Menschen, elendiglich ertrunken, (Beifall bei der AfD) auf das Meer gelockt von kriminellen Schleusern und Menschenhändlern. Seien Sie einmal ehrlich: Wer kommt denn zurzeit in Booten über das Meer? Die größte Gruppe stellen Ma- (Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. rokkaner. Flüchtlinge aus Marokko, einem Land, in dem Dr. [SPD]) jährlich über 11 Millionen Urlauber aus aller Welt die Jetzt, im ersten Quartal 2019, waren es nur noch 289. Sonne genießen? Für solche Wirtschaftsmigranten wie Dieser Rückgang ist einzig und allein auf die erfolgrei- aus Marokko, die ohne jeden Schutzgrund kommen, er- che Grenzpolitik der neuen Regierung Italiens zurückzu- träumen sich Grüne und Linke jetzt ihr Dauerfließband führen. nach Deutschland. Dabei müssen doch zehn deutsche Durchschnittsverdiener täglich schuften, um mit ihren (Beifall bei der AfD – Marian Wendt [CDU/ Steuern einen einzigen dieser Migranten zu versorgen, CSU]: Das stimmt nicht!) hart arbeitende Krankenschwestern, Busfahrer, einfache Meine Damen und Herren, wir gratulieren Matteo Handwerker. Jeder Patriot muss es doch ablehnen, unsere Salvini zu dieser großartigen und mutigen Leistung. Aber Steuergelder so sinnlos an die ganze Welt zu verschleu- 289 Tote sind immer noch zu viel. dern. Noch erfolgreicher sind die Australier, sie zeigen, wie (Beifall bei der AfD – [DIE man verhindert, dass Migranten im Meer ertrinken und LINKE]: Jeder Patriot würde sich schämen, so Schlepperbanden profitieren. Das gelingt, obwohl Aus- von Ihnen vereinnahmt zu werden!) 11890 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

Dr. Bernd Baumann (A) Aber Patriotismus bei den Grünen? Wie sagte noch Wenn Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister – (C) der Obergrüne Robert Habeck? Dass er – wörtlich – Pa- ob die nun von der CDU sind oder von sonst einer Partei; triotismus stets zum Kotzen fand. ich würde mich auch freuen, wenn AfD-Bürgermeister so handelten; wobei ich mir nicht wünsche, dass es sie (Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) gibt – sich bereit erklären, um ein Zeichen zu setzen, Er wusste – wörtlich – mit Deutschland nichts anzufan- Geflüchtete aus dem Mittelmeer aufzunehmen, dann ist gen und weiß es bis heute nicht. das ein zutiefst christlicher Akt. Es ist kein Grund, diese Menschen zu denunzieren. (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Den Rest lassen Sie jetzt weg!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Andreas Bleck [AfD]: Seit wann Bei dieser Art von Politik, meine Damen und Herren, haben Sie etwas mit dem Christentum zu tun?) merkt man das deutlich. Mit den Deutschen kann er nichts anfangen, mit ihren Steuergeldern schon. Zweitens. Wenn Sie so gern Tote aufrechnen, sollten Sie bei dieser Bilanz diejenigen, die in Afrika auf dem (Beifall bei der AfD) Weg sterben oder die in libyschen Lagern umkommen Viel schlimmer noch: Bei alldem sind die Links-Grü- oder die in den von Ihnen so geschätzten Unrechtsregi- nen nicht allein. men wie Syrien sterben, auch aufrechnen. Wenn Sie uns diese Bilanz präsentieren würden, würde ich mich sehr (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- freuen; denn es wäre ein Akt der Fairness. NEN]: Sie sollten sich schämen!) (Beifall bei der SPD – Jürgen Braun [AfD]: 50 deutsche Städte und Gemeinden unterstützen diesen Beifall! Beifall!) Vorschlag ausdrücklich und erklären sich bereit, immer neue Bootsmigranten aufzunehmen. Zum Dritten glaube ich, es ist kein Grund, auch nicht um diese Uhrzeit, auf diese Weise, in dieser Form zynisch (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Auch Tübin- über diese Situation, die gegenwärtig im Mittelmeer im- gen!) mer noch herrscht, und auch die vielen Toten, von denen Und von wem werden diese Städte überwiegend regiert? wir wissen und doch nicht wissen wollen, zu sprechen. Von CDU und SPD. Die wollen das auch. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Beifall FDP) bei Abgeordneten der SPD) Es ist zynisch, das zu tun, um daraus parteipolitischen (B) Egal was die Parteien hier im Bundestag behaupten, Profit zu schlagen, und es ist zutiefst zynisch, wenn (D) in der Praxis unterstützen CDU/CSU und SPD diesen man eine Parteiprogrammatik verfolgt, die sonst nie links-grünen Fanatismus Tag für Tag. Für eine solche be- Menschenrechte so ernst nimmt. Wenn Sie sich einmal scheuerte Politik hat die AfD nur eine Antwort: No Way. mit deutschem Bildungsgut auseinandersetzen würden, könnten Sie Hannah Arendt fragen. Sie definiert Men- (Beifall bei der AfD – Marian Wendt [CDU/ schenrechte als das Recht, Rechte zu haben. CSU]: Das war Englisch! – [CDU/CSU]: Das waren Anglizismen, Herr (Beifall der Abg. Kirsten Lühmann [SPD] Baumann! Hier wird doch Deutsch gespro- und [FDP]) chen, Herr Baumann!) Anders als Sie war ich auf einem solchen Schiff. Ich würde Ihnen das auch empfehlen, ich würde der gesam- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: ten AfD-Fraktion einmal drei Wochen auf einem Schiff Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Helge im Mittelmeer mit Bootsflüchtlingen empfehlen. Lindh, SPD-Fraktion. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die armen (Beifall bei der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Flüchtlinge! Bloß nicht!) Der Größte kommt!) Denn dann erkennen Sie, was es bedeutet, sich in einer Situation zu befinden als Mensch ohne das Recht, Rechte (SPD): zu haben. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Andreas Bleck [AfD]: Mit uns würde das Herr Baumann, ich wollte eigentlich mit etwas Angeneh- gar nicht passieren! – Gegenruf vom BÜND- mem anfangen. Aber ich muss mit Ihnen anfangen. NIS 90/DIE GRÜNEN: So ein Bullshit!) (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Ich denke, dass wir alle, ungeachtet wie wir zu diesen Das ist mein Schicksal. Ich frage mich immer – ich habe Anträgen stehen, in dem Gedanken geeint sein sollten, es immer noch nicht begriffen –, warum Sie es tatsäch- dass es nicht weiter sein darf, dass Menschen tagelang, lich in Ihren Programmen und manchen Reden wagen, wochenlang auf Schiffen darauf warten müssen, wieder sich auf das christliche Abendland zu berufen. Menschen zu werden, die ihre Rechte wahrnehmen kön- nen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11891

Helge Lindh (A) Wir können auch nicht hinnehmen – wider besseres Wir müssen sehen, wie wir einen Ad-hoc-Verteilmecha- (C) Wissen hinnehmen –, wie Menschen in libyschen La- nismus bekommen, der ad hoc, das heißt sofort, funkti- gern verrecken, vergewaltigt werden, Misshandlungen oniert und nicht nach Tagen oder Wochen. Im Rahmen erleben oder wie sie im Mittelmeer ertrinken. Ein kleines dessen kann ein Element tatsächlich sein, dass Kommu- Beispiel, das vor einigen Wochen passierte: Wenn nicht nen aufnehmen können. Aber da müssen wir uns erst ei- das Außenministerium, dem ich zu großem Dank ver- nig werden – und das sind wir keineswegs –, pflichtet bin, agiert hätte, wären nicht nur 8 Menschen von einem Boot mit 28 Menschen ertrunken, sondern es (Andreas Bleck [AfD]: Was hat das mit See- wären alle gestorben. Das heißt, es wäre vielleicht einmal notrettung zu tun?) diese Frage – jenseits aller großen Lösungen der Migra- ob jeder, der gerettet wird, tionspolitik – ein Punkt, an dem wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen könnten, um eine Lösung zu finden. (Andreas Bleck [AfD]: Das ist doch keine Das wäre mein Appell. Seenotrettung!) Jetzt komme ich aber zu dem, was ich eigentlich sa- automatisch eine Aufenthaltserlaubnis bekommt oder gen wollte, bevor Herr Baumann nachhaltig meine Laune ob jeder ein Asylverfahren durchlaufen muss. Das sind verdarb. Ich komme gerade von einer Veranstaltung im durchaus andere Ansätze. Forum der Allianz mit dem Titel #myeurope. Da erlebte man Hunderte von Leuten mit großer Begeisterung für Wenn Sie in Ihrem Antrag fordern, dass wir § 23 Ab- dieses Europa. Ich wünschte mir, solche Begeisterung satz 1 Aufenthaltsgesetz in eine Benehmenslösung um- natürlich auch in anderen Stadtteilen zu erleben, in Neu- wandeln, kölln, in meinem Wuppertal-Oberbarmen. Ich wünschte, die auch am Mittelmeer erleben zu können. Ich wünschte (Jürgen Braun [AfD]: Was hat Wupper- mir auch, dass wir alle in Fragen der Migration einmal tal-Oberbarmen mit dem Mittelmeer zu tun?) jenseits von Debatten über Abschiebung und über deren dann hieße das genau solches: dass jeder, der gerettet Weiterentwicklung – so notwendig die in diesem Bereich wird, eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland bekommt. sein mögen – und auch ohne immer wieder die nächsten Das ist nicht die Position unserer Fraktion. Gleichwohl Toten beklagen zu müssen, aber auch ohne den anderen lasse ich mir von Ihnen nicht vorwerfen, dass wir uns wieder vorzuwerfen, dass sie entweder viel zu human gegen Seenotrettung aussprechen, keineswegs. Nur sind oder viel zu liberal seien, im Bereich der Migrationspoli- die Wege dahin durchaus unterschiedlich. tik endlich wieder Hoffnung einkehren lassen und mehr Kreativität und mehr Menschlichkeit und zugleich Prag- (Andreas Bleck [AfD]: Und das Rückfahrti- (B) matismus walten lassen. Insofern werte ich Ihre Anträge, cket!) (D) auch wenn ich sie nicht komplett teile, zumindest als ei- nen Anstoß, dass wir gemeinsam diese Hoffnung wagen Aber wir sollten geeint sein, alle, über Fraktionsgrenzen können. hinweg, dass wir diesen Zustand nicht weiter erdulden dürfen. Dafür müssen wir ringen. Ich möchte es nicht (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: mehr erleben, dass wir in diesen permanenten Auseinan- Also, das ist ja wohl nichts!) dersetzungen hier immer parteipolitisch überformt im – Wieso? Frau Polat, Sie selber waren mit mir auf dem Modus des Vorwurfs einander deutlich machen, dass wir Mittelmeer und haben sich die Situation angeschaut. eigentlich die Vertreter der wahren Lehre sind. Was nutzt uns allen das? Was nutzt uns das, wenn wir dieses Land (Andreas Bleck [AfD]: Machen Sie konkrete immer mehr in die Spaltung treiben? Wir müssen beides Vorschläge!) gleichzeitig schaffen: Wir müssen diejenigen, die Skepsis Gemeinsam haben wir den Osterappell unterschrieben. haben, die zweifeln, die Angst haben gegenüber Zuwan- Es nützt aber nichts, wenn Sie sich jetzt in Ihren Anträ- derung, ernst nehmen und gleichzeitig diejenigen, die gen auf den Plan von Gesine Schwan, übrigens einer sehr Politik für Geflüchtete machen. Das ist verdammt noch geschätzten und herausragenden Sozialdemokratin, beru- mal unsere politische Aufgabe, das ist unsere Pflicht und fen, der aber als solcher ein Plan für die gesamteuropäi- Schuldigkeit, nicht mehr und nicht weniger. sche Migrationsfrage ist. Der Ansatz, den Sie hier unter- (Beifall bei der SPD) stützen, kann mit der Frage der Seenotrettung verbunden werden, aber er ist nicht der entscheidende Punkt. Es ist nicht hilfreich, zu sagen, wie es im Antrag der (Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) Linken steht, dass die EU die libysche Küstenwache aufrüsten würde, „damit diese“ die Menschen, die Ge- Wir können doch nicht suggerieren, dass allein davon retteten, in „Folter, Vergewaltigung und Tod … zurück- entscheidend abhängt, ob wir vorankommen. schleppt“. Man achte auf die Worte: „damit“! Wir kön- nen uns einig sein, dass da womöglich Fahrlässigkeit ist (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nein!) und dass wir das in Kauf genommen haben. Wir brauchen dringender denn je endlich eine zivile, im Idealfall eine öffentliche, eine staatliche Seenotrettung. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Da sind sich viele hier in diesem Raum einig. Herr Kollege Lindh, kommen Sie bitte zum Schluss. (Marian Wendt [CDU/CSU]: Die gibt es doch längst! – Zuruf des Abg. Andreas Bleck [AfD]) (Andreas Bleck [AfD]: Ist auch besser so!) 11892 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

(A) Helge Lindh (SPD): entscheidet sich, ob Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile (C) Aber es nützt nichts – gerade vor der Europawahl –, sich ausbreiten oder eben Hilfsbereitschaft herrscht. Europa und der EU ins Gesicht zu schlagen, um damit (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Kooperation zu erreichen. der SPD und der LINKEN) Das ist vorbildlich für ein ganzes Land. Voraussetzung Vizepräsident Wolfgang Kubicki: dafür ist allerdings auch, dass die Städte und Gemein- Herr Kollege Lindh, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Sie den entsprechend finanziell ausgestattet werden und über haben jetzt noch einen Satz. Jahre hinaus die finanziellen Mittel zuverlässig bekom- men, die sie benötigen, um Flüchtlinge in das Berufsle- ben und in den Alltag zu integrieren. Ohne funktionieren- Helge Lindh (SPD): de Kommunen ist ein Staat nicht zu machen. Nein, wir müssen zusammen einen Weg finden, um Leben zu retten, um Menschen zu unterstützen. Das ist (Beifall bei der FDP) unsere Aufgabe und nicht eigene parteipolitische Ge- Der Bund muss daher seinen Verpflichtungen nach- winnspiele. kommen. Wenn der Bund Aufgaben bestellt, hat er sie gefälligst zu finanzieren. Da reicht keine Anschubfinan- Vielen Dank. zierung und „Dann schauen wir mal“, sondern er muss (Beifall bei der SPD) das Geld bereitstellen. (Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE Vizepräsident Wolfgang Kubicki: LINKE]) Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Wir Abgeordnete, vor allen Dingen der Finanzminister, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Fraktion. sollten ihnen da keine Steine in den Weg legen. Es ist be- wiesen, dass Integration Zeit braucht und die Kommunen (Beifall bei der FDP – Philipp Amthor [CDU/ entsprechende Mittel. CSU]: Und der Name fehlerfrei!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Bei den Anträgen, die uns heute vorliegen, haben wir So, Leute, jetzt kommt mal runter, es ist ein ernstes deswegen ein Störgefühl. Ich sage Ihnen auch gerne, wa- Thema. rum. Für den Einsatz derjenigen, die sich organisieren, (B) (D) (Heiterkeit bei der CDU/CSU) um auf privaten Schiffen Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten, haben die Freien Demokraten ausgesprochen gro- – Es ist manchmal schon heftig, zwischen AfD- und ßen Respekt. Bei der privaten Seenotrettung darf man CDU-Herren zu sitzen. allerdings ein Problem nicht ignorieren – und man sollte auch, ich bitte darum, nicht naiv sein –: Die Schlepper (Lachen und Beifall bei Abgeordneten der spekulieren darauf, dass solche Initiativen unterwegs AfD) sind, und packen im wahrsten Sinne des Wortes regel- Aber gut. recht Flüchtlinge in seeuntaugliche Boote und schicken sie aufs Meer, wenn ein solches Schiff auftaucht, (Andreas Bleck [AfD]: Sie können sich auch (Beifall bei Abgeordneten der AfD) zu den Grünen setzen!) drängen sie zu lebensgefährlichen Überfahrten und Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- riskieren deren Tod. Meine Damen und Herren, diese ren! Fast fünfzig Kommunen in Deutschland sind bereit, Schlepper minimieren dabei ihre eigenen Kosten und das freiwillig mehr Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, als sie Risiko, erwischt zu werden. Das ist Zynismus pur, und nach dem Königsteiner Schlüssel zugewiesen bekommen das ist unerträglich. haben. Das ist ein starkes Signal an uns alle, besonders in Zeiten, in denen in Teilen Europas ein menschenver- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten achtender Wettkampf tobt, nämlich dahin gehend, wer der AfD) die geringste Zahl an Flüchtlingen aufnehmen muss. Wir in diesem Haus diskutieren über viele Themen, (Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Fluchtursachenbekämpfung, Einwanderungsgesetz, auch Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD]) über eine gesamteuropäisch organisierte Seenotrettung. Es ist schlichtweg wahr: Das Aussetzen der Seenotret- Diese Kommunen wollen Kapazitäten nutzen, so wie tung derzeit im Mittelmeer ist ein europäisches Armuts- auch in meiner Heimatstadt Düsseldorf. Hier sind sehr zeugnis. viele Unterkünfte für Flüchtlinge – übrigens ausschließ- (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Heike lich mit kommunalen Mitteln – gebaut worden, die heute Hänsel [DIE LINKE]) aufgrund der nachlassenden Zahl nicht mehr komplett belegt sind. Für diese kommunalen Initiativen können Meine Damen und Herren, über ganz unterschiedliche wir nur dankbar sein. Das sollten wir auch. Denn die Lösungen sprechen wir hier. Die Verantwortung für diese Kommunen sind der Grundpfeiler der Demokratie. Dort Frage trägt letztlich die Bundesrepublik, das heißt, recht- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11893

Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (A) lich ist der Bund zuständig, nicht die Kommunen. Die sen auch, dass Geschäft damit gemacht wird. Wir wissen (C) Frage, welche und wie viele Schutzsuchende in den Städ- auch, dass die libysche Küstenwache, die nicht eine fest- ten sind, muss vom Bund geregelt werden. Ich bin aller- stehende Institution ist, sondern ein Zusammenschluss dings der Meinung, dass der Innenminister die Kommu- von Milizen, ihren Anteil dazu beiträgt. Nur, was ist die nen unterstützen sollte, die Flüchtlinge aufnehmen. Die Alternative? Diese Frage müssen wir uns bei dieser De- Länder können das auch tun; das wurde gerade gesagt. batte immer wieder stellen. Es sind Menschen auf dem Eines darf nicht sein: dass das willkürlich geschieht, ge- Mittelmeer. Sie geraten in Seenot. Wir können nicht ein- wissermaßen auf Zuruf. Das können wir so nicht handha- fach wegschauen und sie sterben lassen. ben. Wir würden die Souveränität des Bundes auch nicht unterlaufen wollen. Deswegen können wir diesen Antrag (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser Form nicht mittragen. sowie bei Abgeordneten der FDP und der LIN- KEN – Andreas Bleck [AfD]: Sie können sie (Beifall bei der FDP – Filiz Polat [BÜND- wieder zurückbeamen!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr, sehr bedauer- Genau deswegen ist es uns wichtig, in diesem Zusam- lich!) menhang darüber zu reden: Was können wir machen? Denn es hört nicht auf. Seit über einem Jahr geht es so, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: dass, sobald ein Schiff ein in Seenot geratenes Boot auf- Vielen Dank, Frau Kollegin Strack-Zimmermann. – findet und die Menschen rettet, die unsäglichen Diskussi- Die nächste Rednerin ist die Kollegin Luise Amtsberg, onen bei uns beginnen: Wer nimmt sie auf, was passiert? Bündnis 90/Die Grünen. Dann sind sie tage-, manchmal wochenlang auf offener See, und Europa verhandelt sich zu Tode. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist eine Situation, die wir lösen wollen. Sie ha- Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ben viel dazu gesagt, warum das, was in unserem Antrag steht, nicht geht. Aber dieser Antrag ist ein Versuch, eine Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol- Lösung für genau diese Situation zu finden. leginnen und Kollegen! Fast eine Viertelmillion Men- schen sind bei der „Unteilbar“-Demonstration für eine (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- offene Gesellschaft auf die Straße gegangen. Tausende SES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Menschen engagieren sich bei der „Seebrücke“, arbeiten Das ist das Einzige, was wir hiermit erreichen möchten: in der solidarischen Flüchtlingshilfe oder unterstützen dass wir darüber eine Debatte führen. Wir können sie die zivile Seenotrettung. gerne anders führen oder weiterführen. Wir sind offen (B) Sie alle wollen, dass Europa Verantwortung über- für andere Vorschläge. Das ist ein Weg, und wir möchten (D) nimmt, Verantwortung für Menschen, die vor dem Er- diesen diskutiert wissen in allem nötigen Respekt gegen- trinken bewahrt werden konnten und in Europa einen über den Menschen, die sich hier engagieren. Asylantrag stellen wollen. Ja, Herr Kuffer, es mag sein, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dass es vielleicht nicht die Mehrheit ist – ich persönlich weiß es nicht –; aber ich finde, dass der Ausdruck der Gegen die Praxis, wie sie jetzt gerade stattfindet, regt Zivilgesellschaft gerade in den letzten Monaten Grund sich vermehrt zivilgesellschaftlicher Widerstand, und mit genug ist, dass wir uns mit den Vorschlägen hier im Par- Blick auf die Lage in Libyen – jetzt auch mit den neuen lament befassen. gewaltvollen Eskalationen – ist das sehr nachvollziehbar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Immer mehr europäische Kommunen erklären sich zu sowie bei Abgeordneten der LINKEN) sicheren Häfen und sogenannten Solidarity Cities. Ne- ben den bis jetzt 54 Kommunen in Deutschland – es wer- Ich persönlich und auch meine Fraktion, wir finden, den immer mehr – haben sich auch Städte in Europa zur dieses Engagement ist notwendig. Es ist notwendig, weil humanitären Aufnahme von Geflüchteten bereit erklärt: es die europäischen Mitgliedstaaten in vier Jahren nicht Palermo, Valencia, Athen und Amsterdam zum Beispiel. geschafft haben, eine gemeinsame, staatlich finanzierte und organisierte Seenotrettung auf den Weg zu bringen, Es ist die Zivilgesellschaft, aber auch die lokale Po- weil sie es bis heute nicht vermocht haben, legale, geord- litik, die damit auch der Bundesregierung, deren En- nete und sichere Wege für Menschen in Not zu schaffen. gagement bisher nicht zu einer Lösung geführt hat, einen Die zivilen Seenotretterinnen und Seenotretter – das ist Spiegel vorhält. Es ist die Zivilgesellschaft, aber auch die das Ergebnis des Ganzen – füllen die Lücke, die das ak- lokale Politik, die Angebote macht, um dieses unwürdige tive Nichthandeln der europäischen Mitgliedstaaten hin- Geschacher um die Aufnahme von auf dem Mittelmeer terlässt. Dafür sollten wir dankbar sein. geretteten Flüchtlingen endlich zu beenden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist das, was die grüne Fraktion mit diesem Antrag zum Ausdruck bringen möchte und auch unterstützt. Wir Hier möchte ich gern meiner Kollegin von der FDP, bekommen Unterstützung aus dem Bundesrat, wo die Frau Strack-Zimmermann, antworten: Es ist nicht falsch, europäische Solidarität und die Änderung des § 23 im was Sie sagen; was auf dem Mittelmeer passiert, hängt Vordergrund stehen. mit der Situation in Libyen zusammen. Wir wissen um die Not der Menschen. Wir wissen auch, dass viele Aber ich gebe Ihnen auch recht: Das ist natürlich nicht Menschen auf die Boote gezwungen werden. Wir wis- das Gesamtpaket der Lösung. Das ist auch klar, und das 11894 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

Luise Amtsberg (A) gehört zur Wahrheit dazu. Ein rein nationales Engage- recht, welches wir auch in der vergangenen Legislatur- (C) ment ist zu kurz gegriffen. Es braucht auf europäischer periode noch einmal gemeinsam reformiert haben. Um Ebene ein klares Signal zur Unterstützung der Kommu- dieses gute Recht noch ein Stück weit besser zu machen, nen. Da reicht der bisherige Asyl-, Migrations- und In- haben wir den Gesetzentwurf heute vorgelegt und stellen tegrationsfonds nicht aus. Deshalb haben wir auch das wir ihn zur Abstimmung. in unserem Antrag aufgegriffen. Städte und Kommunen müssen dazu befähigt werden, eigenständig Aufnahme- Warum war das nach dieser Zeit notwendig? Es haben programme auf den Weg zu bringen. Nur so kann aus sich in der Praxis einige Anpassungsmodalitäten zu dem der Bereitschaft der Kommunen, die wir sehr schätzen, schon bestehenden sehr, sehr guten Fahrlehrerrecht erge- tatsächliches Handeln werden. ben, und die wollen wir heute aufgreifen. Danke schön. Lassen Sie mich kurz zurückblicken, weil das aktuelle Fahrlehrerrecht noch nicht ganz so lange in Kraft ist, da- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mals aber doch wirklich erhebliche Eingriffe vorgenom- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) men wurden, die auch richtig waren:

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Wir haben schon damals das Mindestalter auf 21 Jahre herabgesetzt und den Berufszugang insgesamt deutlich Vielen Dank, Frau Kollegin Amtsberg. attraktiver gestaltet, und wir haben mittlerweile auch so Die Kollegen und Hans-Jürgen wichtige Dinge wie gesundheitliche Eignungsanforde- Irmer, CDU/CSU-Fraktion, haben ihre Reden zu Proto- rungen eigenständig im Fahrlehrerrecht geregelt. koll gegeben. Damit ist die Aussprache beendet.1) Auch Regelungen dazu, wie pädagogisch qualifiziert Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf ein Fahrlehrer sein muss, sind mittlerweile im Gesetz den Drucksachen 19/8648 und 19/9275 an die in der verankert, und ich denke, das macht auch Sinn. Denn Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. diejenigen, die unseren jungen Menschen das Fahren Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. beibringen sollen und müssen, müssen natürlich selber Dann sind die Überweisungen so beschlossen. wesentlich mehr können, als nur selbst gute Autofahrer zu sein. Sie müssen natürlich Pädagogen sein, und sie Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf: müssen jetzt beispielsweise auch Kenntnisse über nach- a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- haltige Mobilität haben und wissen, wie Elektromobilität regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- funktioniert, was Fahrassistenzsysteme sind und wie man zes zur Änderung des Fahrlehrergesetzes damit umgeht. (B) (D) Drucksache 19/8751 Auf das sind wir bereits eingegangen, und obwohl das alles eigentlich schon ziemlich genau geregelt war, sehen Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wir uns nun durchaus in der Lage und vor der Notwen- schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur digkeit, noch einige Dinge anzupassen und zu optimie- (15. Ausschuss) ren. Insbesondere geht es hier um das Mindestalter, ab Drucksache 19/9863 dem man Fahrlehrer sein darf. In der gesetzlichen Re- gelung hatten wir es auf 21 Jahre festgelegt. Das passen b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Torsten wir jetzt an das an, was so erfolgreich als Pilotversuch Herbst, , , weiterer gestartet ist, das begleitete Fahren ab 17, und wir normie- Abgeordneter und der Fraktion der FDP ren jetzt nicht mehr ein konkretes Mindestalter, sondern Verkehrssicherheit durch Reform des Beglei- eine dreijährige Fahrerfahrung als Voraussetzung dafür, teten Fahrens ab 17 Jahren erhöhen den Beruf zu erlernen. Drucksache 19/9921 Wir haben mit der letzten Reform bereits sehr, sehr Überweisungsvorschlag: weitgehende Fortbildungspflichten normiert. Auch das, Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur denke ich, war absolut notwendig. Um für Ausbildungs- fahrlehrer diese Fortbildungspflichten verbindlich zu Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für machen, führen wir jetzt eine amtliche Anerkennung für die Aussprache 27 Minuten vorgesehen. – Ich höre hierzu Ausbildungsfahrlehrer ein. Auch das ist, glaube ich, ein keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. sehr wichtiger Punkt. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nerin das Wort der Kollegin , CDU/ ordneten der SPD) CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Und wie das so ist – auch bei eigentlich schon sehr gu- ten Gesetzentwürfen –: Der Bundesrat hat einige Anmer- kungen dazu gemacht – in vielen Teilen redaktioneller Daniela Ludwig (CDU/CSU): Natur, in vielen Teilen aber auch materieller Natur –, die Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir durchaus richtig waren und die wir gerne aufgenommen haben in Deutschland bereits ein sehr gutes Fahrlehrer- haben. Deswegen möchte ich Ihnen, meine lieben Kolle- ginnen und Kollegen, dieses erneut reformierte Fahrleh- 1) Anlage 7 rerrecht unmittelbar ans Herz legen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11935

(A) durch den Brexit vorzubereiten. Entsprechend werden und einheitliche Regeln für Finanzprodukte zu schaffen, (C) die Freien Demokraten dem Gesetz zustimmen. nicht genutzt. Daher können wir diesen Gesetzentwurf nur ablehnen. Stefan Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der letzten Plenardebatte zur EU-Prospektverordnung haben wir bereits darüber gesprochen, dass es eine aus- Anlage 7 gewogene Lösung für beide Seiten geben muss, sowohl für die Unternehmen als auch für die Anlegerinnen und Zu Protokoll gegebene Reden Anleger. Ich kann mich in dieser Hinsicht nur wiederho- zur Beratung: len: Dieser Gesetzentwurf dient eher den Unternehmen und trägt den Verbraucherschutz allerhöchstens als Fei- a) des Antrags der Abgeordneten Ulla Jelpke, genblatt. Gökay Akbulut, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Am Dienstag haben wir im Berichterstattergespräch Solidarische Städte und kommunale Initiati- zu hören bekommen, dass die Anlageschwelle für ven zur Flüchtlingsaufnahme unterstützen Kleinanlegerinnen und Kleinanleger nur deshalb auf 25 000 Euro erhöht wurde, weil man sich in der Koaliti- b) des Antrags der Abgeordneten Luise on mal wieder nicht einigen konnte. Jetzt will man mal Amtsberg, Filiz Polat, Dr. Franziska Brantner, schauen, wie das Anlageverhalten so läuft, und will dann weiterer Abgeordneter und der Fraktion noch mal evaluieren. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Regionale und kommunale Flüchtlingsaufnahme stärken Ist das eigentlich ihr Ernst? Hier geht es um Menschen, (Tagesordnungspunkt 17 a und b) die ihr hart erspartes Geld investieren, um damit vorzu- sorgen. Und Sie erhöhen eine Schwelle um das Zweiein- halbfache, um mal zu sehen, wie es läuft? Diese Schwel- Hans-Jürgen Irmer (CDU/CSU): Das einzig Rich- le soll Menschen davor schützen, sich zu verschulden, tige an dem Antrag ist, dass die Kommunisten erkannt und dient nicht als Versuchslabor für die Regierung. haben, dass ohne eine Rechtsänderung Kommunen nicht eigenständig aktiv werden können. Das wäre ja noch Selbst die BaFin hält diese Erhöhung für nicht ver- schöner, wenn man bedenkt, allein rund 425 hessische braucherfreundlich. Letztes Jahr in der ersten Anhörung Bürgermeister und Stadtverordnetenversammlungen zur Prospektverordnung sagte ein Vertreter der BaFin, entscheiden de facto über die Außenpolitik der Bundes- dass es bereits jetzt Regelungen gibt, die es möglich ma- republik Deutschland – bundesweit sprechen wir von chen, mehr als 10 000 Euro zu investieren. Wenden Sie (B) Tausenden von Städten und Gemeinden. Wir hätten eine (D) diese Regeln doch erst einmal an, bevor Sie den Verbrau- Bananenrepublik. Mit verantwortlichem staatlichem cherinnenschutz aufs Spiel setzen! Handeln, mit Berechenbarkeit, mit Seriosität, mit Ver- In der Anhörung wurde von den Experten mehrfach gleichbarkeit, mit Rechtsstaatlichkeit hat dies nichts zu gewarnt, dass es beim Crowd-Investing hohe Ausfallrisi- tun. Deshalb ist dieser Vorschlag völlig inakzeptabel. ken geben kann, gerade wenn es um Genussrechte geht. Sie propagieren „Solidarity Cities“ – danach sollen Und sie haben recht behalten. Kommunen Verantwortung für ihre Bürger übernehmen, Jüngst sind zwei weitere Immobilienprojekte eines unabhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status. Verant- Crowd-Investing-Portals geplatzt, und rund 1 000 Ver- wortung übernehmen zulasten Dritter. Bezahlen wollen braucherinnen und Verbraucher werden nichts von ihren Sie nichts, das sollen Bund und Länder übernehmen. Wie 1,9 Millionen Euro wiedersehen. wäre es denn, wenn die Bürgermeister und Gemeinde- räte, die eine Politik der offenen Grenzen predigen, pri- Anstatt hier regelnd einzugreifen, um solche Fälle zu vat Asylbewerber oder Flüchtlinge aufnehmen würden, vermeiden, werden die Ausnahmen für Genussrechte Verantwortung für sie übernehmen würden, nicht nur für noch erweitert. Sie können doch nicht ernsthaft behaup- ein Jahr oder zwei, sondern so lange, bis sie auf eigenen ten, dass Sie damit Verbraucherschutz stärken wollen. Füßen stehen? Davon ist allerdings nicht die Rede. Nun noch etwas zur Herausgabe eines Prospektes in Oder ich erinnere an das Thema Bürgerasyl: Bürg- einer internationalen Finanzsprache anstatt in Deutsch: schaften wurden unterschrieben. Als die Bürgen dann Wie kann es sein, dass Unternehmen Wertpapiere in Mil- von den Jobcentern zur Kasse gebeten werden sollten, lionenhöhe emittieren, sie aber nicht dazu verpflichtet wollten sie von der großzügigen Bürgschaft nichts mehr werden, eine Übersetzung ins Deutsche anzufertigen? wissen und klagten dagegen, auf dass der Staat diese Hier geht es um die Gleichheit vor dem Gesetz für alle. Kosten übernehmen solle. So weit zum Thema Verant- Dass jemand, der auf sein gutes Recht klagt, mehrere wortung. Verantwortung zulasten Dritter ist keine Ver- Tausend Euro in die Hand nehmen muss, nur damit er antwortung, sondern verantwortungslos. überhaupt vor Gericht gehört wird, entbehrt doch jeder Logik. Zur Philosophie der „Solidarity Cities“ gehört das Prinzip „Don’t ask – don’t tell“ (das heißt „Frage nicht, Auch durch Ihre Verschlimmbesserungen nach der gib keine Antwort“). Mit anderen Worten: In Schulen, letzten Anhörung haben Sie es nicht geschafft, sich für Behörden usw. sollen Fragen nach dem Aufenthaltssta- einen wirksamen Schutz von Verbraucherinnen und Ver- tus verpönt sein. Der Aufenthaltsstatus jedes Einzelnen brauchern starkzumachen. Sie haben die Chance, klare steht nicht zur Disposition. Die Antragsteller gehen sogar 11936 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019

(A) noch weiter: Man fordert Widerstand gegen rechtsstaat- Ich bin froh, dass sozialistische, kommunistische oder (C) liche Abschiebungen. Zur Philosophie gehört es also, ideologisch-naive Vertreter von Parteien keine Regie- eine Legalisierung des Illegalen vorzusehen. Sie wol- rungsverantwortung im Bund tragen. Die Auswirkungen len kriminelle Asylbewerber genauso wenig abschieben wären verheerend. Anträge wie die vorgelegten zeigen, wie Menschen ohne Bleibeperspektive, die sich illegal dass Deutschland einen Politikwechsel in diese Richtung in Deutschland aufhalten. Damit bewirken sie einen so- nicht verkraften könnte. genannten „Pull-Faktor“ nach Deutschland. Ausgerech- net das rot-rot-grün regierte Berlin erklärt sich zur „So- Alexander Throm (CDU/CSU): Wir befinden uns in lidarity City“. Berlin erhält 3 Milliarden Euro aus dem einem Dilemma. Unser Ziel ist es, dass Menschen die le- Länderfinanzausgleich, ist unfähig, einen Flughafen zu bensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer gar nicht bauen, zahlt im Jahr 800 Millionen für Asylbewerber erst antreten, dass sie sich nicht von Schleusern verleiten und Flüchtlinge und hält dabei die Behörden an, nieman- lassen. den abzuschieben, weil dies im Koalitionsvertrag steht. 800 Millionen zulasten der Steuerzahler, mit denen man Nun tun sie es aber doch. Und sie geraten in Seenot. Schulen ausbauen könnte, die Kita-Qualität verbessern Und damit müssen wir umgehen. Keiner von uns – da bin könnte, den ÖPNV verbessern könnte oder in Straßen ich mir sicher – wird Menschen sehenden Auges ertrin- investieren könnte. Was hier in Berlin geschieht, ist ken lassen. Und solange keine andere Möglichkeit au- Rechtsbruch zulasten der Berliner Steuerzahler. ßerhalb der EU besteht, müssen die Geretteten in Europa aufgenommen und versorgt werden. Zum Thema Pull-Faktor: Die gleiche Wirkung hat die Arbeit der sogenannten NGOs. Diese betreiben, ob ge- Im Ergebnis sieht es also momentan so aus, dass ein- wollt oder ungewollt, das Geschäft der Schleuser. Diese zelne EU-Länder versuchen, ihrer menschlichen Verant- wissen, sogenannte Seenotrettungsschiffe warten an der wortung gerecht zu werden, andere nicht. Diese Situation 12-Seemeilen-Grenze, teilweise sogar rechtswidrig in- ist einer Staatengemeinschaft, die sich zu den Menschen- nerhalb, um Leute aufzunehmen. Die Schleuser schicken rechten bekennt, unwürdig. deshalb auch bei schlechtem Wetter die Menschen auch Eben deshalb hat sich die Bundesregierung innerhalb auf billigsten Schaluppen, mit billigsten Rettungswesten, der EU aktiv für die Ermöglichung einer Anlandung der die sich vollsaugen, und geben nur so viel Benzin mit, um betroffenen Schiffe eingesetzt. Und sie hat sich dazu be- aus der nationalen 12-Seemeilen-Zone in internationale reit erklärt, Menschen aufzunehmen und die Asylverfah- Gewässer zu kommen. Das heißt, die NGOs vergrößern ren für diese Menschen durchzuführen. den Gewinn der Schleuser, sie erleichtern deren Arbeit, mit der sie pro Schlauchboot bis zu 100 000 Euro verdie- Zugleich unterstützt die Bundesregierung die (B) nen, und empfehlen – partiell zumindest –, anschließend EU-Kommission sowie die jeweiligen Ratspräsident- (D) Ehen mit Flüchtlingen einzugehen. schaften bei den Verhandlungen zu einem gemeinsamen Vorgehen. Und keinesfalls sitzt sie die Sache aus – im Linke, Grüne und andere sogenannte „Gutmenschen“: Gegenteil: Sie treibt den Diskussionsprozess auf europä- Sie alle propagieren offene Grenzen, jeder soll kommen ischer Ebene aktiv und lösungsorientiert voran. Ich be- dürfen. Sie kritisieren die EU wegen ihrer Abschottungs- greife es absolut, dass sich in dieser Situation Menschen, politik. Erklären Sie mir doch einmal, wieso praktisch Organisationen und Städte aktiv einbringen, Vorschläge alle Menschen entweder nach Europa und insbesondere machen, konkrete Angebote machen. Deutschland oder in die USA wollen? Warum wollen sie nicht in die 57 islamischen Staaten dieser Welt? Wa- Die Bereitschaft der Städte und Gemeinden, Men- rum wollen sie nicht in die sozialistischen Staaten dieser schen aus dieser Situation heraus unkompliziert aufzu- Welt, ob Russland, Kuba oder Venezuela? nehmen, zeigt, dass die Städte trotz all der Belastungen, die sie seit Jahren zu tragen haben, ein großes humani- Apropos Venezuela: Ich erinnere an Frau Janine täres Verantwortungsbewusstsein haben. Dass man die Wissler, die Vorsitzende der kommunistischen Links- Retter und die Menschen in dieser Situation nicht allein fraktion im Hessischen Landtag, die von Hugo Chávez lässt, ist klar. Die Frage ist also nicht das Ob, sondern das und Venezuela schwärmte. Auf ihrer Homepage konnten Wie. Und hier gehen die Ansichten auseinander. Sie lesen: Die Menschen in Venezuela sind Subjekt des revolutionären Prozesses, in zahlreichen Kommunal- Trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten kann räten, Basisorganisationen und Vereinen wirken sie an langfristig nur eine gemeinsame, EU-weite Lösung Er- dem Aufbau einer neuen Gesellschaft mit. Veränderung folg haben. Denn es geht nicht nur um die mögliche Auf- braucht Bewegung von unten. Parlament und Regierung nahme und Verteilung der Betroffenen, sondern auch um allein können Gesellschaft nicht grundlegend verän- das Ziel, weitere gefährliche Überfahrten zu verhindern. dern. – Die Überschrift zu diesem Zitat war: Was man Und es kann auch nicht sein, dass Deutschland auf Dauer von dem revolutionären Prozess in Venezuela für Hessen überproportional viele Menschen aufnimmt und andere lernen kann? Länder sich nicht beteiligen. Herausgekommen ist eine sozialistische Diktatur. Die Die Aktion Seebrücke, der sich viele Städte ange- Praxis dieses Experiments an einer Gesellschaft können schlossen haben, und die hier debattierten Anträge for- wir in Venezuela bestaunen – insofern finde ich sozialis- dern: Die Gemeinden sollen frei entscheiden dürfen, tische Tagträume von Linken oder Juso-Vorsitzenden im- Geflüchtete aus Seenot aufzunehmen. Es soll dabei also mer brandgefährlich. Theorie und Praxis sind eben nicht keine Mitsprache von Landesregierungen und der Bun- zwei Seiten einer Medaille. desregierung geben. Und die Länder sollen humanitäre Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Mai 2019 11937

(A) Aufnahmeanordnungen nach § 23 Absatz 1 AufenthG Erstens durch eine Novellierung der Fahrerlaub- (C) treffen dürfen. Das heißt, es sollen den Geretteten Auf- nis-Verordnung die Registrierung, das 1-Punkt-Limit enthaltsgenehmigungen unabhängig von Asylgründen sowie das Mindestalter für BF-17-Begleitpersonen zu erteilt werden. streichen und allein einen achtjährigen ununterbrochenen Führerscheinbesitz als Voraussetzung für Begleitpersonen Die Linken möchten hierzu ein politisches Einver- festzuschreiben, zweitens sich auf europäischer Ebene ständnis des BMI. Die Grünen gehen sogar noch weiter: nachhaltig für eine Neufassung der Richtlinie 2006/126/ § 23 Absatz 1 AufenthG soll umgeschrieben werden, das EG einzusetzen, sodass zukünftig der Erwerb der Füh- BMI soll gar nicht mehr zustimmen müssen. rerscheinklassen B und BE bereits ab 16 Jahren grund- Beide Ansätze haben eines gemein: Es sollen Allein- sätzlich ermöglicht wird, drittens den Ländern nach einer gänge ermöglicht werden. Alleingänge von Kommunen entsprechenden Änderung der EU-Richtlinie zu ermög- und Alleingänge einzelner Bundesländer. lichen, Modellprojekte zu realisieren und wissenschaft- lich zu begleiten, viertens bei positiver Evaluation das Aber die Aufnahme von Menschen aus humanitären Straßenverkehrsgesetz entsprechend zu ändern, um das Gründen ist eine staatliche Angelegenheit, keine kom- Begleitete Fahren mit 16 Jahren dauerhaft gesetzlich zu munale. Die Entscheidung über eine Aufnahme hat auch verankern. Auswirkungen auf Bundesbehörden, beispielsweise im Hinblick auf die notwendigen Sicherheitsüberprüfungen. Es ist in der Tat – wie in Ihrem Antrag angesprochen – so, dass es sich beim BF ab 17 um ein Erfolgsmodell Und die Kosten, das Asylverfahren, die Sozialleistun- handelt. gen – das alles sind staatliche Aufgaben. Daran müssen wir festhalten. Denn gut gemeint ist bekanntlich nicht Das Begleitete Fahren ab 17 war ursprünglich ein immer gut gemacht. Modellversuch des Landes Niedersachsen, welcher am Und deshalb heißt es in § 23 Absatz 1 Satz 3 auch, 30. April 2004 startete. Das Ergebnis des niedersäch- dass es zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit der Zu- sischen Modellversuchs ergab, dass die Teilnehmer stimmung des Bundesministeriums des Innern bedarf. 28,5 Prozent weniger Unfälle verursachten und 22,7 Pro- Diese Einheitlichkeit staatlichen Handelns darf man zent weniger Verkehrsverstöße begingen als andere Fahr- nicht einfach aufgeben, nur weil es einem politisch ge- anfänger. Im Bundestag wurde am 17. Juni 2005 ein Ge- legen kommt. setzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Vorschriften eingebracht, die den Weg für Dass das BMI zustimmen muss, soll in erster Linie eine bundeseinheitliche Regelung Begleitetes Fahren ab verhindern, dass Anordnungen einzelner Länder die In- 17 frei machte. Der Bundesrat stimmte dem Gesetzent- teressen anderer Länder beeinträchtigen. Das hat einen (B) wurf in seiner Sitzung vom 8. Juli 2005 zu. Rechtsgrund- (D) ganz einfachen Grund: Es gilt grundsätzlich Freizügig- lage war der neu geschaffenen § 6e Straßenverkehrsge- keit innerhalb des Bundesgebietes. Und es ist irgendwie setz (StVG) und § 48a Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). auch logisch. Es stand jedoch jedem Bundesland frei, ob es die Vor- Ich bin zuversichtlich, dass sich hier ein guter Weg schriften anwenden und den dort wohnhaften Bewerbern finden lässt, der die Menschen nicht im Stich lässt und das Begleitete Fahren ermöglichen wollte. Die Regelung den Willen der Bürger und Gemeinden berücksichtigt. war zunächst bis zum Ablauf des 1. August 2010 befris- Das eine schließt das andere nicht aus. tet. Am 17. Juni 2010 stimmten wir hier im Bundestag der Regelung zu, dass das Begleitete Fahren in das Dau- errecht übernommen wird

Anlage 8 Seit dem 1. Januar 2011 ist das Begleitete Fahren Teil des Dauerrechts. Schon damals habe ich mich aktiv für Zu Protokoll gegebene Reden diese Umsetzung eingesetzt. zur Beratung: Die Verkehrsministerkonferenz begrüßte im a) des von der Bundesregierung eingebrachten April 2018 die Bereitschaft der Bundesregierung, die Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des EU-Kommission von der Notwendigkeit eines Modell- Fahrlehrergesetzes vorhabens des BF 16 in Deutschland zu überzeugen, und forderte die Bundesregierung auf, gegenüber der b) des Antrags der Abgeordneten , EU-Kommission weiterhin auf die Schaffung einer ent- Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer sprechenden Ermächtigungsgrundlage zur Erprobung Abgeordneter und der Fraktion der FDP: des BF 16 hinzuwirken, um einzelnen Bundesländern die Verkehrssicherheit durch Reform des Beglei- Durchführung eines solchen Modellversuchs zu ermögli- teten Fahrens ab 17 Jahren erhöhen chen. Dieses wurde im EU-Führerschein-Ausschuss im (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Herbst 2018 durch die Bundesregierung auch so umge- setzt und vertreten. Für eine endgültige Entscheidung ist (CDU/CSU): Wir diskutieren heu- aber eine positive Mitwirkung der anderen Mitgliedstaa- te über den Antrag der FDP-Fraktion ,,Verkehrssicherheit ten notwendig. Mit einer Entscheidung ist hier erst nach durch Reform des Begleiteten Fahrens ab 17 erhöhen’’. der Europawahl zu rechnen. Die Bundesregierung wird in diesem zu vier Maßnah- Die Punkte zwei bis vier Ihres Antrages sind somit men aufgefordert: schon längst durch die Bundesregierung umgesetzt.