NEUE MUSIK MUSIK DER ZEIT [6] BRÜCHE. STILLE

WDR SINFONIEORCHESTER ILAN VOLKOV SONNTAG 31. MÄRZ 2019, 18.00 UHR FUNKHAUS WALLRAFPLATZ, KÖLN MUSIK DER ZEIT [6] BRÜCHE. STILLE

SO 31. MÄRZ 2019 17:15 EINFÜHRUNG MIT MAURO LANZA UND NICOLAS HODGES 18:00 KONZERT FUNKHAUS WALLRAFPLATZ, KLAUS-VON-BISMARCK-SAAL, KÖLN

WDR SINFONIEORCHESTER ILAN VOLKOV / Leitung MARTINA SEEBER / Moderation

SENDUNG WDR 3 23. April 2019, 20.04 Uhr ZUM NACHHÖREN IM in Stereo und 5.1 Surround WDR 3 KONZERTPLAYER PROGRAMM 3

CLAUDE DEBUSSY/BILL HOPKINS Lindaraja (1901/1975) für Orchester Uraufführung 6'

BILL HOPKINS Musique de l’indifférence (1964 – 65) für Orchester Uraufführung 35'

I. tableau blanc II. tableau bleu III. tableau noir IV. tableau rouge V. tableau gris

Pause

PER NØRGÅRD Voyage into the Golden Screen (1968) für Kammerorchester 17'

MAURO LANZA Experiments in the Revival of Organisms (2019) für Kammerorchester Kompositionsauftrag des WDR und der BBC Uraufführung 12' 4 MUSIK DER ZEIT [4] BRÜCHE. STILLE 5

BRÜCHE. STILLE

Zwei Orchesterstücke, die länger auf ihre Uraufführung gewartet haben, als ihr Komponist Zeit zum Leben hatte: Bill Hopkins (1943–81) schrieb sein Ballett »Musique de l’indifférence« Mitte der 1960er Jahre, doch nach seinem frühen Tod geriet das Werk in Vergessenheit und harrt bis heute seiner klingenden Realisa- tion. Ebenso ist seine Orchesterbearbeitung von Claude Debus- sys »Lindaraja« für zwei Klaviere bis dato noch nicht aufgeführt worden. Das WDR Sinfonieorchester begibt sich auf eine Ent- deckungsreise und bringt Hopkins’ Orchesterstücke erstmalig zum Erklingen.

Bill Hopkins hätte eine vielversprechende Karriere vor sich ge- habt – das prophezeiten einige seiner Zeitgenossen –, wäre ihm nur ein längeres Leben vergönnt gewesen. Sowohl als Komponist als auch als Musikkritiker und Universitätsdozent war er tätig. So war aufmerksames Zuhören ebenso Teil seiner Arbeit wie das Entwickeln künstlerischer Ideen. Dass Hopkins ein sorgfältiger Hörer und Versteher von Musik war, davon zeugt etwa seine »Lindaraja«-Bearbeitung. Hier stellte er die eigene musikalische Handschrift zugunsten eines Debussy’schen Instrumentations- stils zurück und schuf eine Bearbeitung, die ihre Vorlage verfei- nert und veredelt. Seiner »Musique de l’indifférence« wiederum legte er die berührenden und gleichzeitig kryptischen Worte des gleichnamigen Gedichts von Samuel Beckett zugrunde. Doch anstatt einer Vokalvertonung des Textes entschied er sich für die weitaus implizitere Gattung der Ballettmusik. Ebenso abstrakt und dabei dennoch sinnlich mutet auch das Kammerorchester- stück »Voyage into the Golden Screen« des dänischen Kompo- nisten Per Nørgard an. Der Titel stammt von einem Song des schottischen Popsängers Donovan, während in der Musik, die auf strengen mathematischen Prinzipien beruht, die unendli- chen Sphären der Obertöne erkundet werden. Es entsteht eine Klangwelt von faszinierender Anziehungskraft. Anziehen lässt sich der Mensch auch seit jeher von der Idee der Unsterblichkeit. Diesem Topos widmet sich der gebürtige Italiener Mauro Lanza in seiner Komposition »Experiments in the Revival of Organisms« für Kammerorchester, in der er Fragmente von Gustav Mahlers »Auferstehungssymphonie« verarbeitet. 6 MUSIK DER ZEIT [6]

CLAUDE DEBUSSY/ BILL HOPKINS

LINDARAJA (1901/1975)

Der englische Komponist Bill Hopkins ist im Musikbetrieb prak- tisch unbekannt. Er hatte nie eine wirkliche »Karriere«. In der Zeit, die er als Student von Jean Barraqué in Paris verbrachte, fanden seine Kompositionen zwar dort Beachtung, in London allerdings wurde seine Musik nur zwei Mal im Laufe seines Lebens aufge- führt. Vielleicht war er einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Denn er war ein vielversprechender Künstler. Als er mit nur 37 Jahren an einem Herzinfarkt starb, war das ein immenser Verlust; nicht nur für seine Familie, sondern auch für die Musikwelt. Viele, die seine Kompositionen zu jener Zeit schon gekannt hatten, waren sich sicher, dass er das Potenzial gehabt hätte, eine einfluss- reiche Künstlerpersönlichkeit im Musikleben werden zu können.

Die meisten, die von Bill Hopkins gehört hatten, kannten ihn als Autor, als Musikkritiker; weniger als Komponisten. Auch er selbst versuchte diese beiden Rollen und ihre jeweiligen ästhetischen Ansprüche strikt zu trennen: den kritischen Hörer einerseits und den eigenwilligen Schöpfer andererseits. Hopkins komponierte Solostücke, Kammer- und Orchestermusik. Ende der 1960er Jahre allerdings schien er in eine Schaffenskrise geraten zu sein. Sechs BRÜCHE. STILLE 7

Jahre lang war er nicht fähig, die Arbeit an seinen Stücken zu been- den. Den Ausweg aus der Krise ebnete ihm schließlich im Jahr 1975 die Orchestration der Komposition »Lindaraja« für zwei Klaviere von Claude Debussy. Wie der Musikkritiker Paul Griffiths einmal bemerkte, war Hopkins überzeugt, dass es sich hierbei um das ein- zige Klavierstück Debussys handle, das eigentlich als Skizze für ein Orchesterstück gedacht war. Und dieser Aussage sollte man trauen können, war Hopkins doch ein ausgewiesener Experte sowohl für französische Musik als auch für Orchestrierung.

»Lindaraja« war 1926 – erst nach Debussys Tod – veröffentlicht worden. Es fällt auf, dass dieses Werk längst nicht so »pianistisch« daherkommt wie Debussys andere Klavierstücke. Die Möglich- keiten, die das Klavier bietet, werden hier nicht sonderlich genutzt, was in einer – für Debussy untypischen – statischen und luftleeren Klangtextur resultiert. Erst das nachträgliche Einfärben der Klänge durch Bill Hopkins’ variantenreiche Instrumentierung erweckt etliche Passagen der Partitur zum Leben, was unterstreicht, dass dieses Klavierstück tatsächlich nur als Entwurf für eine spätere Orchesterpartitur gedacht gewesen war. Vergleicht man Debussys Original mit Hopkins’ Bearbeitung, fallen viele Stellen ins Auge, an denen die Orchestrierung sinnfällig wird: Beispielsweise legen die Quinten am Anfang (D–A) ein Spiel auf leeren Saiten der Streicher nah; und so hat es Hopkins auch realisiert. An anderer Stelle soll es einen Halleffekt auf einer Melodie geben, der mit dem Klavier kaum möglich ist. Diese Melodie lässt Hopkins von einer Oboe spielen – gedoppelt durch die Harfe. Auch bestimmte Kontraste, die Debussy verlangt, sind mit beiden Klavieren nur schwer rea­ li­sier­bar, da die Klänge verschwimmen würden. An jenen Stellen verteilt Hopkins die verschiedenen Klänge beispielsweise auf Streicher und Bläser. So scheinen alle Entscheidungen, die Hopkins bei dieser Arbeit getroffen hat, das Ergebnis sorgfältiger Abwä­- gun­gen zu sein. Hopkins handelte mit großer Sensibilität im Sinne des französischen Komponisten. Ich bin fast sicher, Debussy hätte Hopkins’ Bemühungen sehr geschätzt.

Nicolas Hodges 8 MUSIK DER ZEIT [6]

BILL HOPKINS

MUSIQUE DE L’INDIFFÉRENCE (1964–65)

1964 komponierte Bill Hopkins das Klavierstück »Sous-structu- res«, das er selbst als sein Opus 1 bezeichnete. Die Partitur ver- sah er mit einem Vers aus dem Gedicht »Cascando« von Samuel Beckett: »is it not better abort than be barren«. Weniger als zwei Wochen nach Beendigung dieser Komposition begann Hopkins mit der Arbeit an seinem nächsten Werk, bei dem er sich wieder auf Beckett bezog – diesmal auf einen vollständigen Text: »Musique de l’indifférence« heißt das kurze Gedicht, das Hopkins’ gleichnamiger Ballettmusik für Orchester mit dreifachen Holz- bläsern, Streichern, zwei Harfen und sechs Schlagzeugern zugrunde liegt. Seiner Partitur stellte der Komponist eine kurze Beschreibung des Szenarios voran, das er für das Ballett vorsah. In dieser Beschreibung wird deutlich, dass ihm eine Situation vorschwebte, in der weder die Musik den Tanz illustriert noch andersherum. Vielmehr sollten beide Elemente voneinander unabhängig sein – sich »aktiv gleichgültig« einander gegenüber verhalten. Hiermit bezieht sich Hopkins zwar klar auf den Titel »Musique de l’indifférence«, allerdings geht es dabei nicht um eine musikalische Darstellung von Indifferenz. Vielmehr wird die Indifferenz zum Prinzip für seine Gesamtkonzeption von Ballett in Kombination mit Musik. BRÜCHE. STILLE 9

Musikalisch ist das Werk in puncto Textur und Stimmführung ein wenig simpler angelegt als etwa Hopkins’ Klavierstück »Sous-structures«. Dennoch ist es höchst individuell und fanta- sievoll komponiert. Das formale Gefüge setzt sich aus fünf Sätzen zusammen, die vor allem durch ihre unterschiedliche Orchestrierung auffallen: In den beiden Außensätzen spielen ausschließlich Streicher (mit zusätzlicher Harfe im fünften Satz). Und in den drei Binnensätzen durchläuft die Musik sehr unter- schiedliche Zustände. Der ungewöhnlichste Moment des Werkes ereignet sich etwa in der Mitte des dritten Satzes: Hier notiert Hopkins nach einem Doppelstrich eine zweiminütige Fermate. Sprich: Er schreibt Stille für eine Dauer von zwei Minuten vor! Zudem fällt die Komposition dieser Stelle zeitlich mit Hopkins’ erstem Aufeinandertreffen mit seinem Lehrer Jean Barraqué zusammen. Nach zwei Unterrichtsstunden nahm Hopkins die Arbeit an seinem Stück wieder auf. Er selbst erwähnte einmal, dass Barraqué mit ihm in dieser Zeit an seiner Behandlung der Harfe gearbeitet hatte, was möglicherweise seinen Niederschlag in der Komposition findet: Im ersten Teil bis zum Moment der Stille hatte Hopkins nur eine einzige Harfe eingesetzt. Mit dem Wiedereinsetzen der Musik bis zum Ende des Stückes sind dann zwei Harfen zu hören. Im letzten Satz kommen die 22 Streicher als Solisten zum Einsatz und kreieren gemeinsam eine höchst komplexe und raffinierte Klangtextur. Und obwohl der letzte und der erste Satz sich in ihrer Instrumentierung – der Beschränkung auf Streicher – gleichen, könnten sie musikalisch nicht unter- schiedlicher sein. Insofern liegt hier alles andere als eine klar umrissene, geschlossene Form vor. Wie das Ergebnis dann tat- sächlich klingt, wird sich zeigen. Ich kann es kaum erwarten, das Werk zum ersten Mal zu hören.

Nicolas Hodges

Samuel Beckett: Musique de l’indifférence musique de l’indifférence cœur temps air feu sable du silence éboulement d’amours couvre leurs voix et que je ne m’entende plus me taire 10 MUSIK DER ZEIT [6]

PER NØRGÅRD

VOYAGE INTO THE GOLDEN SCREEN (1968)

»Voyage into the Golden Screen« ist das erste Werk, bei dem ich die Ausformung der Musik in hohem Maße dem Zuhörer über- lasse. Das geschieht allerdings nicht, indem eine formlose Masse von Noten einfach »komponiert« wird. Im Gegenteil: Die beiden Sätze sind akribisch ausgearbeitet, und es besteht keinerlei Mög- lichkeit für die Musiker, improvisierend aktiv zu werden. Der Freiraum für den Hörer, einen persönlichen Zugang zu der Musik herzustellen, entsteht auf anderen Wegen.

Diese Wege sind in beiden Sätzen des Werks unterschiedlich. Was ihnen allerdings gemein ist, ist ein offenes »Ausstellen« der Mittel, die in der Musik verwendet werden. So wird das Material, aus dem die Form der Komposition kreiert wird, für den Zuhörer unmittelbar erlebbar.

Im ersten Satz gibt es zwei harmonische Spektren: Eines ist in G-Dur, das andere ist einen Viertelton über G (bzw. unter As). Allerdings bewegen sich die Harmonien in beiden Komplexen jeweils in ihrem eigenen Tempo. Das Panorama der hierbei statt- findenden Gesamtbewegung könnte daher mit einem Fjord verglichen werden, in dem sich mehrere Segelschiffe – in leicht BRÜCHE. STILLE 11

unterschiedlichen Geschwindigkeiten – in die gleiche Richtung bewegen. So ist es also dem Hörer (oder eher: seinem Unterbe- wusstsein) überlassen, ob er dem einen, dem anderen oder sogar einem Paar der »Schiffe« folgt. Oder ob er das gesamte Gesche- hen im Blick hat, als eine Art Muster von sich überlagernden Wellen.

Etwas ähnliches geschieht im zweiten Satz, allerdings mit gänz- lich anderen Mitteln: Hier herrscht ein konstanter melodischer Fluss in allen Instrumenten. Alle spielen sie die gleiche Melodie, beginnend mit demselben Ton. Doch bewegt sich jede Stimme – wieder – in ihrem eigenen Tempo. Alle Bewegungen werden somit von den anderen gedoppelt, halbiert, vervierfacht etc. Dass dies nicht in ein vollständiges Chaos mündet, ist allein auf die Eigenschaften der von mir entwickelten »Unendlichkeits- reihe« zurückzuführen; einem fraktalen Netz von Skalen und Melodien, das ich um 1960 entdeckt habe. Bei diesem Kompo- sitionsprinzip bleiben die Noten durchgehend im Einklang mit­- einander, denn jede Stauchung und Streckung der Reihe ist mit ihr selbst oder ihrer Intervallspiegelung identisch. Und auch hier kann der Hörer – ganz individuell – dem einen oder dem ande- ren Strang folgen, oder auch das Gesamtbild als ein sich ständig drehendes Kaleidoskop betrachten.

Der Titel des Stückes »Voyage into the Golden Screen« geht übrigens auf den gleichnamigen Song des schottischen Singer- Songwriters Donovan von 1967 zurück, der mit folgenden Worten beginnt:

In the golden garden »Bird of Peace« Stands the silver girl the Wild Jewels niece Paints in pretty colors Children’s drawings on the wall Look of doubt I cast you out begone your ragged call

In the forest thick a trick of light Makes an image magnet to my sight Gown of purple velvet enchanted glazed eye The sound of wings and sparkling rings behold a crimson sky

Per Nørgård 12 MUSIK DER ZEIT [6]

MAURO LANZA

EXPERIMENTS IN THE REVIVAL OF ORGANISMS (2019)

Vor einigen Jahren, als ich Andrej Platonows Roman »Die Bau­- grube« las, stolperte ich über folgendes Zitat: »Lenin wartet auf die Wissenschaft. Er möchte von den Toten auferstehen …«. Das war wahrscheinlich das erste Mal, dass ich die Thematik der Auf- erstehung aus einer nicht-religiösen Perspektive betrachtete. Diese in der frühen Sowjetzeit populäre Überzeugung, dass Wis- senschaft die Toten wieder auferstehen lassen könnte, hat ihre Wurzeln im Werk von Nikolai Fjodorow, einem Moskauer Philo- sophen des 19. Jahrhunderts. Fjodorow war überzeugt, dass die Auferstehung der Toten wissenschaftlich möglich sei und dass die Menschheit sich dieser Aufgabe annehmen sollte.

Nach seinem Tod ließ das Interesse an derlei exzentrischen Ideen nicht nach. Im Gegenteil: Es wurde zur Inspirationsquelle für die Bewegung der »Biokosmisten«, zu deren Mitgliedern hochkarätige Wissenschaftler, Philosophen und andere angesehene Persönlich- keiten der sowjetischen Gesellschaft gehörten. In dieser Sphäre bewegte sich auch der Arzt Sergei Brukhonenko. Er entwickelte den sogenannten »Autojektor«, einen Prototypen moderner Beatmungsgeräte. Seine Arbeit ist in dem 1940 entstandenen Kurzfilm »Experiments in the Revival of Organisms« zu sehen, in dem verschiedene Recherchen sowjetischer Wissenschaftler zur Wiederbelebung klinisch toter Organismen dokumentiert sind. BRÜCHE. STILLE 13

Der Film zeigt auf gleichsam grausame Weise, wie Brukhonenkos Gerät dem abgetrennten Kopf eines Hundes sauer-stoffreiches Blut zuführt, (was das Tier tatsächlich lebendig hält).

Zwar war Brukhonenkos Forschung für die Entwicklung der Chi- rurgie zweifellos von Bedeutung, allerdings scheint der Gedanke der Wiederbelebung von Leichen heute kaum mehr Anklang zu finden. Der Topos der Unsterblichkeit wandelte sich von einem utopischen Menschheitstraum zu etwas vollkommen anderem: Für die heutige Generation der Transhumanisten, der Anhänger von Kryonik oder »Mind-uploading«, ist die kollektive Utopie längst zu einer privaten, individualistischen Angelegenheit geworden. Letztlich ist es der blinde Glaube, dass Geld den Reichen ewiges Leben bescheren kann. Für alle anderen ist die Wiederbelebung von Toten eher ein Thema für B-Movies im Horror-Sektor. Und auch die Idee der Unsterblichkeit erscheint auf einem überbevölkerten Planeten, der Klima- und anderen sozialen Katastrophen ausgesetzt ist, letztlich nur lächerlich.

Aus einem ganz anderen – religiösen – Impuls heraus komponier- te Gustav Mahler seine Zweite Sinfonie mit dem Beinamen »Auf­- erstehungssinfonie«. Der Einfall zum Schlusssatz des Werks, der die Idee der Auferstehung thematisiert, kam Mahler 1894 auf der Totenfeier für Hans von Bülow, wo er Friedrich Gottlieb Klop- stocks Gedicht »Die Auferstehung« hörte.

Für einen Komponisten ist es (auch heute noch) fast unmöglich, sich dem Thema der Auferstehung zu nähern, ohne an Mahlers »Zweite« denken zu müssen. Der Beginn des monumentalen letzten Satzes ist fragmenthaft und die musikalische Entwicklung scheint eher durch Kontraste und Zäsuren fortzuschreiten als durch einen linearen Prozess. In meiner Komposition beziehe ich mich auf eben diesen letzten Satz. Ich baue gewissermaßen ein Gerüst um einige kurze Zitate aus der Mahlerschen Vorlage. Vor allem sind es Pausen – wie Herzstillstände –, die den Beginn des Satzes kennzeichnen, und die ich in meinem Stück mit den sie umgebenden Klängen zitiere. So sind die Mahler-Fragmente musikalisch »eingekapselt« in eine groß angelegte, zweiteilige Form.

Mauro Lanza 14 MUSIK DER ZEIT [6]

Claude Debussy 1862 in Saint-Germain-en-Laye geboren, 1918 in Paris gestorben. Studium am Pariser Konservatorium. 1884 Rom-Preis. 1989 Besuch der Weltausstellung in Paris. Werke (Auswahl): »Streichquartett« (1893), »Nocturnes« für Orchester (1899), »Pelléas et Melisande« (Oper, 1902), »La Mer« für Orchester (1903–05), »Images« für Orchester (1905–07), »Children’s Corner« für Klavier (1908), »Préludes« für Klavier (1909–10/1910–12), »Syrinx« für Flöte (1913), »Jeux« (Ballett, 1913), »Sonaten« für Violoncello/Violine und Klavier (1915/1917), »Sonate« für Flöte, Viola und Harfe (1915), »Douze Etudes« für Klavier (1915).

Bill Hopkins 1943 in Prestbury, Cheshire geboren, 1981 gestorben. Britischer Komponist, Pianist und Musikkritiker. Studium an der Oxford University bei und . 1964 Studium in Paris bei , Bekanntschaft mit Jean Barraqué. Nach seiner Rückkehr nach England Dozent an der Birmingham University und der University Newcastle. Werke (Auswahl): »Sous-structures« für Klavier solo (1964), »Two Poems« für Sopran, Bass-Klarinette, Trompete, Harfe, Viola (1964), »Sensation« für Sopran, Saxofon, Trompete, Harfe, Violine (1965), »Etudes en série« für Klavier solo (1965–72), »Pendant« für Violinen solo (1969), »Nouvelle étude hors série« für Orgel solo (1974), »En Attendant« für Flöte, Oboe, Violoncello, Cembalo (1976–77).

Mauro Lanza 1975 in Venedig geboren, Studium (Klavier, Komposition, Musikwissenschaft) und Kurse u.a. bei Brian Ferneyhough, Salvatore Sciarrino, Gérard Grisey und Alessandro Solbiati. Weitere Studien (Komposition und Computermusik) am IRCAM in Paris. Ebenda Dozent und Composer in Research. Gastdozent an der McGill University Montréal und Composer in Residence. Gastprofessor am Konservatorium in Cuneo, Italien. Diverse Stipendien und Preise. BIOGRAFIEN 15

Neuere Werke: »Barocco« für Sopran und Spielzeuginstrumente (2004), »Le songe de Médée« für Ensemble und Live-Elektronik (Ballettmusik, 2004), »Chop Suey« für Zimbal (2005), »Aschen- blume« für Ensemble (2008), »Mess« für Klavier (2008), »I Funerali dell’Anarchico Acciarino« für sechs Musiker/Krach- macher (2009), »Le Nubi non Scoppiano per il Peso« für Gesang, Ensemble, Live-Elektronik und computergesteuerte Wassertrop- fen (2011), »Der Kampf zwischen Karneval und Fasten« für acht Streicher (2013), »Anatra digeritrice (piccola Wunderkammer di automi oziosi)« für Orchester (2014), »Disiecta membra« für sechs Stimmen (2015), »Regnum lapideum« für Ensemble und elektromechanische Instrumente (2016), »Fossilia« für zehn elektromechanische Instrumente (2017), »How to proceed« (Tanzperformance 2018). udk-berlin.de/personen/detailansicht/person/show/mauro-lanza/

Per Nørgård 1932 in Gentofte, Dänemark geboren. Studium bei Vagn Holmboe an der Royal Danish Academy of Music in Kopenhagen, 1956–57 Studien bei Nadia Boulanger in Paris. 1958–62 Musikkritiker, 1968–91 Dozent für Theorie und Komposition in Odense. 1960–65 Professor für Kompostion und Theorie in Kopenhagen, 1965–95 Professor am Konservatorium in Arhus. Werke (Auswahl): zehn »Streichquartette« (1952, 1952, 1959, 1969, 1986, 1993, 1997, 2001, 2005), acht »Sinfonien« für Orchester (1953– 55, 1970, 1972–75, 1981, 1990, 1998–99, 2006, 2011), »Constellations« für zwölf Streicher (1958), »The Labyrinth« (Oper, 1963), »Gilgamesh« (Oper, 1971–72), »Siddharta« (Ballett­ oper, 1974–79), »Wie ein Kind« für Chor (1979–80), »Drømme- sange« für Chor und Schlagzeug (1981), »Concerto« für Violine und Orchester (1986–87), »Mytisk morgen« für Bassklarinette und Chor (2000), »Jack of Diamonds« für Gitarre (2001), »Lygtemcendene tager til byen« (Märchenkantate 2003–04), »Momentum« für Violoncello und Orchester (2009), »Tre Scener« für Schlagzeug und sechs Instrumente (2009–10), »Remembering Child« für Viola und Orchester (2013), »Songline for Tine« für Harfe (2014), »Orgelbogen« für Orgel (2015), »Three Nocturnal Movements« für Violine, Violoncello und Orchester (2015). pernoergaard.dk 16 MUSIK DER ZEIT [6]

Martina Seeber Ilan Volkov

Martina Seeber geboren 1967 in Wattenscheid. Nach einem Aufenthalt in Paris Studium (Musikwissenschaft, Romanistik und Philosophie) in Köln. Journalistenausbildung an der Deutschen Hörfunkakademie in Dortmund. Freie Autorin und Moderatorin vor allem für die Kultur- und Musikprogramme von WDR, BR, SWR und Deutsch- landfunk. Präsentation von Live-Konzerten. Radio-Features über zeitgenössische Musik.

Ilan Volkov 1976 in Israel geboren. Studierte Violine, Klavier und Komposition, später Dirigieren an der Rubin Academy of Music in Jerusalem und der Royal Academy in London. 1995 Young Conductor in Association der Northern Sinfonia, 1997 Chefdirigent des London Philharmonic Youth Orchestra. 1999 Assistent von Seiji Ozawa beim Boston Symphony Orchestra. 2003 Chefdirigent des BBC Scottish Symphony Orchestra, seit 2009 ebendort Principal Guest Conductor. Seit 2011 Chefdirigent und Musikdirektor des Island Symphony Orchestra. Gastdirigent u.a. bei New York Philharmonic, Cleveland Orchestra, Danish National Symphony Orchestra, Oslo Philharmonic, NDR Sinfonieorchester, hr-Sinfo- nieorchester, Sydney Symphony. CDs (Auswahl): Stravinsky »Orpheus« (Hyperion), Leonard Bernstein »Serenade« (BBC Music), Jonathan Harvey »Speakings« (æon), Christopher Fox »Topophony« (Hat[now]ART). maestroarts.com/artists/ilan-volkov BIOGRAFIEN 17

WDR Sinfonieorchester Köln

WDR Sinfonieorchester Köln 1947 vom damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk als WDR- eigenes Orchester gegründet. Zusammenarbeit und Aufnahmen mit namhaften Dirigenten wie Otto Klemperer, Sir Georg Solti, Dimitri Mitropoulos, Herbert von Karajan, Claudio Abbado und anderen. Pro Saison rund vierzig Konzerte in der Philharmonie und im Sendegebiet des WDR. Konzertreisen in Europa und nach Fernost. 1990–91 als erstes deutsches Orchester unter Gary Bertini Aufführung aller Mahler-Sinfonien in Tokio und Osaka. Neben klassisch-romantischem Repertoire Pflege der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Ur- und Erstaufführungen mit Werken von Hans Werner Henze, Mauricio Kagel, Luciano Berio, , Bernd Alois Zimmermann und . Chefdirigent ist Jukka-Pekka Saraste. 18 VORSCHAU

MUSIK DER ZEIT 2018/19

SA 4. MAI 2019, 20:00 KÖLNER PHILHARMONIE MUSIK DER ZEIT [7] MANA Christian Dierstein WDR Sinfonieorchester Brad Lubman / Leitung GEORGES APERGHIS »le corps à corps« (1978) für einen Perkussionisten und seine Zarb CHRISTOPHE BERTRAND »Mana« (2004) für 75 Musiker DE GEORGES APERGHIS »Graffitis« (1981) für einen Schlagzeuger GERHARD STÄBLER »Den Müllfahrern von San Francisco« (1989/2019) für Orchester UA GEORGES APERGHIS »Etudes pour orchestre 4 – 6« (2012 – 14)

SO 12. MAI 2019, 16:00 WITTEN THEATERSAAL WITTENER TAGE FÜR NEUE KAMMERMUSIK 2019 Neseven Vokalensemble Claudia Chan / motorisiertes Klavier WDR Sinfonieorchester Michael Wendeberg / Leitung CLARA IANNOTTA » Moult« (2018 – 19) für Kammerorchester UA LISA STREICH »Laster« (2018 – 19) für motorisiertes Klavier und Kammerorchester UA ONDŘEJ ADÁMEK »Man Time Stone Time« (2019) für Vokalsolisten mit Objekten, Video und Kammerorchester UA MUSIK DER ZEIT [6] 19

WITTENER TAGE FÜR NEUE KAMMERMUSIK 2019 10. – 12. MAI 2019 Mit neuen Werken von ONDŘEJ ADÁMEK, MARK BARDEN, JULIA BONDEAU, MIO CHARETEAU, ANN CLEARE, IRENE GALINDO QUERO, MALTE GIESEN, SARA GLOJNARIĆ CLARA IANNOTTA, PHILIPPE LEROUX, BARBLINA MEIERHANS, MISATO MOCHIZUKI, MAYKE NAS, MARTIN SMOLKA, ERWIN STACHE, LISA STREICH MANOS TSANGARIS, MIKEL URQUIZA und FRANCESCA VERUNELLI Mitwirkende u.a. Sarah Maria Sun / Sopran Claudia Chan / Klavier Dirk Rothbrust / Schlagzeug Marco Blaauw / Trompete Carl Rosman / Bassklarinette ensemble ascolta Quatuor Diotima Eklekto Neseven IEMA Ensemble 2018/19 Ensemblekollektiv Berlin Titus Engel / Leitung WDR Sinfonieorchester Michael Wendeberg / Leitung

SA 22. JUNI 2019, 20:00 FUNKHAUS WALLRAFPLATZ, KÖLN MUSIK DER ZEIT [8] WHY PATTERNS? Paulo Alváres und Studierende der HfMT Köln / E-Orgel und Maracas Marcus Weiss / Saxofon Daniel Gottschlich / Koch-Performer WDR Sinfonierorchester Peter Rundel / Leitung STEVE REICH »Four Organs« (1070) für vier elektrische Orgeln und Maracas JUSTÉ JANULYTÉ »The Colour of Water« (2017) für Saxofon und Kammerorchester DE VITO ŽURAJ »Hors d’œuvre« (2018–19) für Koch-Performer und Kammerorchester UA MORTON FELDMAN »The Turfan Fragments« (1980) für Kammerorchester 20 AKTUELLE WDR-PRODUKTIONEN AUF CD

MARK ANDRE »hij 1« (2008/10) für Orchester WDR Sinfonieorchester Mariano Chiacchiarini / Leitung »hij 2« (2010/12) für 24 Stimmen und Elektronik SWR Experimentalstudio SWR Vokalensemble Marcus Creed / Leitung CD Wergo WER 7379 2

MARCO STROPPA »Un segno nello spazio« (1992) pour quatuor à cordes »Ossia, Seven Strophes for a Literary Drone« (2005/08) per violino, violoncello e pianoforte »Hommage à Gy.K.« (1997 – 2003/ 2011) per clarinetto, viola e pianoforte KNM Berlin CD Wergo WER 7372 2

CHRISTOPHER FOX »Topophony« (2015) für improvisierende Solisten und Orchester John Butcher / Saxophon Thomas Lehn / Synthesizer Axel Dörner / Trompete Paul Lovens / Schlagzeug WDR Sinfonieorchester Ilan Volkov / Leitung CD [now]ART 211 MUSIK DER ZEIT [6] 21

ALBERTO POSADAS »Erinnerungsspuren« (2014 – 16) Zyklus für Klavier Florian Hölscher / Klavier CD Wergo WER 7377 2

EMMANUEL NUNES »Musivus« (1998/2002) für Orchester »Minnesang« (1975/76) für 12 gemischte Stimmen a capella SWR Vokalensemble WDR Sinfonieorchester Emilio Pomàrico / Leitung CD Wergo WER 7378 2 22 AKTUELLE WDR-PRODUKTIONEN AUF CD

WITTENER TAGE FÜR NEUE KAMMERMUSIK 2018 CD DOKUMENTATION: VITO ŽURAJ »Tension« (2018) für Ensemble WITTENER TAGE RICARDO EIZIRIK FÜR NEUE KAMMER MUSIK »obsessive compulsive music« (2018) 2018 für Klarinette, Violoncello und expandiertes Klavier KULTURFORUMWITTEN ASHLEY FURE »A Library on Lightning« (2018) für Trompete, Fagott und Kontrabass FRANCK BEDROSSIAN »Epigram III« (2018) für Sopran und elf Instrumente MARK ANDRE » … hin … « (2018) für Harfe und Kammerorchester LIZA LIM »Extinction Events and Dawn Chorus« (2018) für 12 Instrumente (Ausschnitt) ELNAZ SEYEDI »detaillierter Blick« (2018) für Ensemble JOHANNES MARIA STAUD »Im Lichte II« (2018) für zwei Klaviere YANN ROBIN »Übergang« (2018) für Ensemble GORDON KAMPE »Fat-Finger error« (2018) für Kammerorchester IEMA Ensemble 2017/18 Donatienne Michel-Dansac / Sopran Klangforum Wien Emilio Pomàrico und Peter Rundel / Leitung Trio Catch GrauSchumacher Piano Duo SWR Experimentalstudio Andreas Mildner / Harfe WDR Sinfonieorchester Mariano Chiacchiarini / Leitung 2 CDs, erhältlich über das Kulturforum Witten, wittenertage.de 23

IMPRESSUM Herausgeber Team Westdeutscher Rundfunk Köln Günther Wollersheim / Tonmeister Anstalt des öffentlichen Rechts Mark Hohn, Angelika Hessberger, Marketing Harald Oberhäuser / Technik Anke Pressel / Koordination Redaktion Sabine Müller / Produktionsassistenz Harry Vogt Siegwald Bütow / Orchestermanagement Bildnachweis Magdalena Wolf / Orchesterdisposition Titel © public domain Lothar Momm, Pierre Bleckmann, S. 4 © public domain Martin Schmitz / Orchesterinspizienz Claude Debussy © imago/ Harald Ziegler / Notenarchiv United Archives International Programmheft Bill Hopkins © privat Harry Vogt, Leonie Reineke Per Nørgård © Manu Theobald/dpa Mauro Lanza © Roselyne Titaud März 2019 Martina Seeber © Heidi Scherm Änderungen vorbehalten Ilan Volkov © ddp/eyevine WDR Sinfonieorchester © WDR/Kost

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