Presse und Medien

Presse und Medien

„Das Berliner Jahrzehnt“ – so nannte Peter de Mendelssohn rückbli- ckend die 1920er-Jahre. war die Zeitungsstadt der Weimarer Republik, hunderte von Presseorganen erschienen hier in Millionen- aufl age. Die größten Verlagshäuser hatten hier ihren Sitz, darunter so klangvolle Namen wie Ullstein und Mosse. Doch auch Fachzeitschriften und ein großer Teil der seinerzeit bedeutenden Gewerkschaftspresse waren in der Hauptstadt ansässig. Mit dem Zeitungsviertel prägten Presse und Verlage sogar ein eigenes Stadtgebiet. Hier haben heute der Springer-Verlag und die taz ihren Sitz.

Die Presse verlor in der NS-Zeit ganz wesentlich an Bedeutung: Die schärfste antisemitische Reglung im Bereich Kultur und Medien war das sogenannte „Schriftleitergesetz“, das schon im Oktober 1933 Juden aus der Presse ausschloss, sofern sie nicht für explizit an Juden gewandte Presseorgane arbeiteten. Viele Zeitungen wurden von den Nationalsozialisten kurzerhand verboten, andere stellten ihr Erscheinen ein, die übrig gebliebenen schrieben im Wesentlichen alle das gleiche. Hierdurch entstand nicht nur eine vordergründige Eintönigkeit, sondern auch der starke Geruch von „Propaganda“ konnte nicht mehr durch das formale Aufrechterhalten verschiedener Zeitungstitel übertüncht werden: Die Leserschaft schwand zusehends, zumal bis 1943 mehr als 82 Prozent aller deutschen Tages- zeitungen in den Besitz des NSDAP-eigenen Eher-Verlags überführt wurden.

Berlin war vor 1933 die führende Medienstadt, auch wenn es nicht um Gedrucktes ging: Der erste regelmäßig betrie- bene Radiosender Deutschlands ging ab Oktober 1923 im Vox-Haus nahe dem Potsdamer Platz über den Äther. Das legendäre Haus des Rundfunks an der Masurenallee in , von Hans Poelzig entworfen und 1931 einge- weiht, steht noch heute als beeindruckendes Zeugnis für die Bedeutung des „drahtlosen Funks“. Schon 1932 restlos verstaatlicht, wurde der Rundfunk in der NS-Zeit zum Prestigeobjekt der Propagandamaschinerie. Der preiswerte „Volksempfänger“ sorgte für eine stetig steigende Zahl an Radiohörern. Aber auch der teilweise verpfl ichtende Gemeinschaftsempfang von Radiosendungen in großen Betrieben machte das Radio zu einem Propagandain- strument, mit dem weite Teile der Bevölkerung direkt erreicht werden konnten.

1 © Bundesarchiv, Bild 183-H0801-0500-001/CC-BY-SA: Der größte Zeitungsverlag Europas, der , hatte seinen Sitz im Herzen des Presseviertels – der Kochstraße (heute: Rudi- Dutschke-Straße). Hier ein Zeitungstransporter, der von Ullstein ab 1931 auf der Strecke Berlin-Magdeburg-Dessau-Berlin mit bis zu 100 Stundenkilometern zum Einsatz kam. 2 © Bundesarchiv, Bild 183-H14243 / Nau / CC-BY-SA: Verteilung von „Deutscher Kleinempfänger“ genannten Radios, Berlin, 29.10.1938. Anlässlich des 41. Geburtstags von Propagandami- nister Joseph Goebbels wurden 500 dieser Radios – im Volksmund „Goebbels-Schnauze“ genannt – im Berliner Funkhaus an der Masurenallee von Werner Wächter (rechts mit Hakenkreuz- Armbinde), dem Berliner Gaupropagandaleiter, verteilt. Dass ausschließlich „bedürftige Volksgenossen“, wie es in der NS-Propaganda hieß, hier kostenlos ein solches Radio bekamen, widerlegt das Foto selbst, auf dem sich auch Männer in Uniformen, herausgeputzte Damen und wohlbeleibte Herren um den Tisch drängen.

EINE INITIATIVE VON UNTERSTÜTZT VON

www.unserevielfalt.de Presse und Medien

Biografi en Willi Münzenberg (1889–1940) Diffamiert als „roter Millionär“, hatte der KP-Propagandachef, Reichstagsabgeordnete und Verleger Willi Münzenberg vor 1933 einen der größten Medienkonzerne Deutschlands aufgebaut und war Begründer der wirkmächtigen Arbeiter Illustrierte Zeitung (AIZ). Nach dem Reichstagsbrand floh er als einer der meistge- suchten Kommunisten nach Paris, später schied er wegen Kritik an Stalin aus der KP aus. Er war erneut auf der Flucht gewesen, als er 1940 tot aufgefunden wurde. Yva (1900–zwischen 1942 und 1944) Unter dem Namen Yva wurde die Berlinerin Else Er- nestine Neuländer zu einer der gefragtesten Mode-, Porträt- und Aktfotografinnen der 1920er-Jahre. Als jüngstes von neun Geschwistern einer jüdischen Familie am 26. Januar 1900 in Berlin geboren, er- öffnete sie bereits als 25-Jährige ihr erstes eigenes Fotoatelier. Sie wurde schnell bekannt, sodass sie bereits ab 1929 für den angesehenen Ullstein Verlag arbeitete. Ihre Arbeiten wurden in bedeutenden Illustrierten wie der sehr auflagenstarken Berliner Il- lustrierten Zeitung abgedruckt und sogar in Galerien gezeigt. Die Werbefotografie war auch finanziell ein recht einträgliches Geschäft. Vor allem mit Bildge- schichten, unter anderem in der Monatszeitschrift Uhu, für die Yva Fotomodelle engagierte, um die moder- ne, emanzipierte Frau zu inszenieren, erreichte die Fotografin ein großes Publikum.

Yva stand auch selbst für die moderne Frau der 1920er-Jahre: Im „Neuen Westen“ , vor allem im Be- zirk Charlottenburg, siedelten sich in der Zeit der Weimarer Republik zahlreiche Fotoateliers an, von denen viele von Frauen geleitet wurden. Neben Yva sind ihre Kolleginnen Frieda Riess oder Lotte Jacobi bis heute unvergessene Ikonen der Fotografiegeschichte. Eine andere Berühmtheit der Fotografiegeschichte gehörte zu Yvas Schülern: Helmut Neustädter, der als Helmut Newton einer der weltweit bekanntesten Fotografen wurde.

Yva hatte ihr Atelier im Herbst 1930 aus der Friedrich-Wilhelm-Straße im Bezirk Tempelhof nach Charlotten- burg in die Bleibtreustraße 17 verlegt.

Die Nationalsozialisten setzten ihrer Karriere ein Ende: Mit dem berüchtigten „Schriftleitergesetz“ wurde es Juden Ende 1933 verboten, in nicht explizit an ein jüdisches Publikum gerichteten Presseorganen zu ver-

3 © Bundesarchiv, Bild 183-2005-0827-501 / Yva / CC-BY-SA: Yva fotografi ert den Bildhauer , Professor an der Berliner Hochschule für Bildende Künste, in seinem Atelier, 1930.

EINE INITIATIVE VON UNTERSTÜTZT VON

www.unserevielfalt.de Presse und Medien

öffentlichen. Gleichzeitig wurden zahlreiche der Zeitschriften, für die Yva bis dato gearbeitet hatte, einge- stellt. Ihrer Existenzgrundlage mithin beraubt, verlegte sich Yva auf die Zusammenarbeit mit der Agentur Schostal in Wien, wodurch Arbeiten ihres Ateliers noch bis 1936 in der deutschen Presse erschienen. Die unmittelbar nach den Novemberpogromen 1938 gesetzlich zementierte „Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben“ brachte Yva den wirtschaftlichen Garaus. Sie musste ihr Atelier schließen und – faktisch als Zwangsarbeiterin – sich als Röntgenassistentin im Jüdischen Krankenhaus verdingen. Die geplante Flucht gelang ihr nicht mehr: Yva und ihr Mann Alfred Simon wurden am 15. Juni 1942 in das Vernichtungs- lager Sobibor deportiert. Die Kisten, die das Ehepaar in zur Vorbereitung der Flucht eingelagert hatte, wurden 1943 mehrheitlich bei einem Bombenangriff vernichtet, der Rest versteigert. Vermutlich noch am Tag ihrer Ankunft in Sobibor ermordet, wurde Yva am 31. Dezember 1944 für tot erklärt. Ihr Atelier in der Charlottenburger Schlüterstraße 45, in das sie 1934 gezogen war, diente ab 1942 als Sitz der Reichskultur- kammer – also der Organisation, die Yva ihrer Existenzgrundlage beraubt hatte. Hans Bredow (1879–1959) Er war der „Vater des deutschen Rundfunks“ – nicht nur, weil er den Begriff „Rundfunk“ überhaupt erst prägte. Hans Bredow wurde 1926 Reichs-Rundfunk-Kommissar und Vorsitzender der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Von Berlin aus prägte er als führender Kopf den Rundfunk in ganz Deutschland – der Siegeszug des Radios begann. Wegen der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler trat er am 30. Januar 1933 zurück. Er wurde kurz darauf verhaftet und kam für 16 Monate ins Gefängnis Moabit. Lisa Tetzner (1894–1963) Die Kinderbuchautorin Lisa Tetzner zog in den 1920er-Jahren als erfolgreiche Märchenerzählerin über die Dörfer. Ab 1927 arbeitete sie beim Berliner Rundfunk für den Kinderfunk, dessen Leitung sie 1932 übernahm. Tetzner emigrierte im März 1933 mit ihrem Ehemann, dem KPD-Politiker Kurt Kläber, in die Schweiz, wo sie gemeinsam Kinderbücher wie „Die schwarzen Brüder“ verfassten. 1938 wurde sie ausgebürgert und erhielt nach dem Krieg die Schweizer Staatsangehörigkeit. Theodor Wolff (1868–1943) Theodor Wolff, der Chefredakteur des Berliner Tageblatt, war ein entschiedener Demokrat, Kritiker des Wilhelmi- nismus und Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei. Im März 1933 fl oh er vor dem NS-Terror nach Frankreich. Er wurde 1943 verhaftet und starb an den Folgen der KZ-Haft. Sein Grab befi ndet sich auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee. Der seit 1962 verliehene wichtigste deutsche Journalistenpreis ist nach ihm benannt.

3 Efi m Schachmeister auf einer Werbepostkarte aus den 1920er-Jahren.

EINE INITIATIVE VON UNTERSTÜTZT VON

www.unserevielfalt.de