Bildung, Soziales Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2009

„Auslaufmodell Hauptschule“? – Zur Situation der Hauptschulen in Deutschland

Jens Ridderbusch

Der demografische Wandel ist in den Schulen Im Saarland und in den neuen Bundesländern in ganz Deutschland angekommen. Besonders gibt es bereits keine eigenständigen Haupt- in den alten Bundesländern wird sich der Rück- schulen mehr. Die meisten übrigen Bundes- gang der Schülerzahlen in den kommenden länder streben auf unterschiedlichen Wegen Jahren noch weiter verstärken. eine Neuordnung ihrer Schulformen und Schul- standorte an. Geht es um die Diskussion mög- Die Hauptschulen sind von dieser Entwicklung licher Standortschließungen, so wird es auch besonders betroffen: Seit 2004 blieb bereits darauf ankommen, einen Ausgleich zu finden jede 5. Schulbank in den Hauptschulen leer. zwischen den berechtigten örtlichen Interessen Dipl.-Politologe Jens Ridderbusch ist Referent im Neben dem demografisch bedingten Rück- und übergeordneten Erwägungen der Schul- Referat „Sozialwissenschaft- gang der Kinderzahlen leiden die Hauptschu- entwicklungsplanung. Gerade in kleinen und liche Analysen, FamilienFor- schung Baden-Württemberg“ len in Deutschland an einem erheblichen An- ländlich geprägten Gemeinden wird die Schule des Statistischen Landes- amtes Baden-Württemberg. sehensverlust. Immer weniger Eltern wollen häufig als eine besonders wichtige Einrichtung ihr Kind auf eine Hauptschule geben, weil in für die örtliche Infrastruktur angesehen. Daher Zeiten hoher Arbeitslosigkeit die Berufsaus- erscheinen ein besonnener Umgang mit den sichten mit Hauptschulabschluss vergleichs- demografischen Erkenntnissen und ein behut- weise schlecht sind. Medienberichte über Ge- sames Vorgehen bei der künftigen Schulent- 1 Statistische Ämter des walttaten an Schulen, der öffentliche Hilferuf wicklungsplanung geboten. Bundes und der Länder: Demografischer Wandel von Lehrern der Berliner Rütlischule sowie in Deutschland, Heft 3, das schlechte Abschneiden von deutschen Auswirkungen auf Kinder- tagesbetreuung und Schulen in den internationalen Leistungsver- Schülerzahlen im Bund gleichsstudien (PISA, IGLU, TIMMS u. a.) Seit 2004 gehen die Schülerzahlen in allen und in den Ländern, Wiesbaden 2009. haben mit dazu beigetragen. Bundesländern zurück

Der Rückgang der Schülerzahlen hat in den neuen Bundesländern bereits Mitte der 90er- Jahre eingesetzt. Von 1994 bis 2007 ist die Schülerzahl an den allgemeinbildenden Schulen Schülerzahlen an allgemeinbildenden Schulen*) in Deutsch- in den neuen Ländern einschließlich S1 land 1992 bis 2005 und voraussichtliche Entwicklung bis 2020 von 2,4 auf 1,3 Mill. gesunken (Schaubild 1). Der frühzeitige Schülerrückgang wurde durch den dramatischen Einbruch der Geburten nach Mill. der Wiedervereinigung ausgelöst. In den kom- 10 Deutschland men den Jahren wird sich die Schülerzahl in den neuen Ländern weitgehend stabilisieren, 8 alte Länder weil sich die Geburtenrate in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre allmählich wieder erholt hat und in jüngster Zeit nahezu auf Westniveau ge- 6 stiegen ist.

4 Seit 2004 gehen die Schülerzahlen auch in den alten Bundesländern zurück. Der Schülerrück- neue Länder 2 gang ist hier bis heute noch vergleichsweise moderat und wird erst in den kommenden Jahren voll einsetzen. Nach Vorausrechnungen 0 1992 94 96 98 2000 02 04 061) 08 10 12 14 16 18 20 der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sinkt die Schülerzahl in Deutschland *) Ohne Vorschulen, Förderschulen und Schulen für Erwachsene. – 1) Ab 2006 Ergebnisse der von 8,8 Mill. im Jahr 2006 auf voraussichtlich Modellrechnung. Datenquelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder. 7,0 Mill. im Jahr 2020. Der Schülerrückgang findet dann im Wesentlichen in den alten Bun- Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 856 09 desländern statt.1

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Seit 2004 blieb jede 5. Schulbank in Hauptschulen leer – auch in Zukunft Schulabgänger mit Hauptschulabschluss an allgemein- S2 bildenden Schulen in Deutschland*) starker Schülerrückgang

In den Hauptschulen verläuft der Schülerrück- Schleswig-Holstein gang noch sehr viel rasanter. Innerhalb der 3 Schuljahre 2004/05 bis 2007/08 ging die Saarland Schülerzahl in den Hauptschulen von knapp Bayern 1,1 Mill. auf 890 000 zurück. Das bedeutet ein Minus von gut 18 %. In nur 3 Jahren blieb also Baden-Württemberg nahezu jede 5. Schulbank in den Hauptschulen Rheinland-Pfalz leer. An den Realschulen sanken die Schüler- 1) zahlen lediglich um 5,4 %, an den Gymnasien Hessen gab es im gleichen Zeitraum noch eine Zunah- me um 2,6 %. Damit ist die Zahl der Haupt- Berlin2) schüler gegenwärtig auf dem niedrigsten Stand seit Einführung dieser Schulform ab Nordrhein-Westfalen Mitte der 60er-Jahre.

Niedersachsen Der demografische Trend wird dabei ganz er- heblich vom Ansehensverlust der Hauptschule Brandenburg verstärkt. Denn der Rückgang der Kinderzahlen Mecklenburg-Vorpommern im Alter von 10 bis unter 16 Jahren fällt in den 1995/96 betreffenden Bundesländern in diesem Zeitraum Thüringen 2004/05 mit durchschnittlich 5 % noch vergleichsweise Sachsen-Anhalt 2007/08 gering aus. Die übrigen 13 % Schülerrückgang Sachsen gehen auf ein verändertes Schulwahlverhalten zurück. Immer weniger Eltern geben ihr Kind Deutschland auf eine Hauptschule. Gleichzeitig gehen die Empfehlungen der Grundschule seit Jahren 0204051015 25 30 35 45% immer öfter in Richtung und Gym- *) Anteil an allen Absolventen. – 1) Für Hessen wurde auf die Schulabgängerdaten von 2006/07 zurück- 2 gegriffen, weil die Daten für 2007/08 aus dem hessischen Schulverwaltungsprogramm nicht verwert- nasium. So gingen von 100 Kindern im Alter bar waren. – 2) In Berlin wurden ab dem Schuljahr 2003/04 die Teilnehmer/-innen von Berufsvorbe- von 10 bis unter 16 Jahren im Schuljahr 1995/96 reitungslehrgängen der 10. Klasse mit zu den Schulabgängern mit Hauptschulabschluss gezählt. durchschnittlich 26 Kinder zur Hauptschule. Im Datenquelle: Regionaldatenbank Deutschland der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Schuljahr 2004/05 waren es noch 25 Kinder. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 857 09 Nur 3 Schuljahre später sind es lediglich noch 21 Kinder.3 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland Auch in Zukunft wird die Hauptschule stark an von rund 240 000 auf 220 000 zurück. Das be- Schülern verlieren. Nach der Vorausrechnung deutet ein Minus von rund 8 %. In den kom- der Kultusministerkonferenz wird bis 2020 menden Jahren wird sich der Rückgang der noch einmal mehr als jede 3. Schulbank in Absolventenzahlen voraussichtlich weiter be- Hauptschulen leer bleiben (– 35 %). Die Schü- schleunigen, weil gegenwärtig immer weniger lerzahlen an Realschulen (– 23 %) und Gymna- Schüler in die Hauptschulen nachrücken. Be- sien (– 12 %) gehen deutlich weniger zurück.4 reits heute wird sichtbar, wie der Rückgang der Dabei sind die gegenwärtigen schulpolitischen Hauptschulabschlüsse an Dynamik gewinnt. Reformen, die in etlichen Bundesländern auf Kamen im Schuljahr 1995/96 auf 100 Abgänger eine Abschaffung der Hauptschule hinauslau- allgemeinbildender Schulen 27 Hauptschulab- 2 Vgl. Schwarz-Jung, Silvia: Grundschulempfehlung fen, noch nicht berücksichtigt. Wie viele Haupt- schlüsse, waren es im Schuljahr 2004/05 noch und Elternwunsch, in: schüler es im Jahr 2020 noch geben wird, ist 25. Nur 3 Schuljahre später haben lediglich Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg derzeit kaum vorhersehbar. noch 23 % der Schulabgänger einen Haupt- 5/2009, S. 3 ff. schulabschluss. Entsprechend stark ist der An- 3 In die Berechnung der teil von Absolventen mit (gegenwärtig Durchschnittswerte wur- 2007/08 lediglich noch 23 % aller 27 %) und mittlerer Reife (41 %) gestiegen. den der Vergleichbarkeit wegen nur die Bundes- Schulabgänger mit Hauptschulabschluss länder einbezogen, die gegenwärtig noch Hauptschulen haben. Der rückläufige Trend bei den Hauptschulen Schülerrückgang in Hauptschulen regional wird ebenfalls an der Zahl der Schulabgänger sehr unterschiedlich 4 Vgl. Ständige Konferenz der Kultusminister der sichtbar (Schaubild 2). Innerhalb der 3 Schul- Länder: Vorausberech- jahre 2004/05 bis 2007/08 ging die Zahl der Auch wenn der Trend bei den Hauptschulen in nung der Schüler- und Absolventenzahlen 2005 Absolventen mit Hauptschulabschluss an den die gleiche Richtung weist, der Rückgang der bis 2020, Bonn 2006.

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5 Niedersachsen hat zum Schülerzahlen fällt doch je nach Bundesland land-Pfalz existieren bereits seit 1992 Regional- Schuljahr 2004/05 die schulformübergreifende und Kreis unterschiedlich aus. Schaubild 3 schulen mit Haupt- und Realschulzweig. Die noch Orientierungsstufe in zeigt den Schülerrückgang in Hauptschulen in bestehenden Hauptschulen sollen ab 2010 in den Klassen 5 und 6 ab- geschafft, wodurch die den Bundesländern im Zeitraum 1995 bis 2007. die neuen „Realschulen plus“ integriert werden. Zahl der Hauptschüler kurzfristig anstieg, bevor dann ein deutlicher In den neuen Bundesländern hat sich die Haupt- In den übrigen alten Bundesländern sind die Schülerrückgang einge- schule nicht etabliert. In Sachsen, Thüringen Schülerzahlen an Hauptschulen in den 90er- setzt hat. und Brandenburg wurde diese Schulform nach Jahren noch angestiegen und der Schülerrück- 6 Um einen einheitlichen der Wiedervereinigung gar nicht erst einge- gang hat erst in diesem Jahrzehnt eingesetzt. Vergleichsmaßstab her- zustellen, wurde die Zahl führt. Hier kann der Hauptschulabschluss an Gemessen an den absoluten Zahlen ist der der Hauptschüler auf alle Mittel-, Regel- bzw. Oberschulen erworben Schülerrückgang in den bevölkerungsreichsten Kinder im Alter von 10 bis unter 16 Jahren be- werden, die neben dem Hauptschulzweig auch Ländern am stärksten. In Bayern hat die Zahl der zogen, obwohl keines- einen Realschulzweig anbieten. In Sachsen- Hauptschüler seit dem Jahr 2000 um 71 000 wegs alle Hauptschüler die 10. Klasse besuchen. Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wurde Schüler abgenommen, in Baden-Württemberg zunächst ein 3-gliedriges Schulsystem nach seit 2002 um 43 000 Schüler und in Nordrhein- westdeutschem Vorbild eingeführt. Angesichts Westfalen seit 2003 um 58 000 Schüler. der stark sinkenden Schülerzahlen in den 90er- Jahren wurden die Haupt- und Realschulen Mit Blick auf die Dynamik in den Schuljahren dann zu Sekundarschulen bzw. Regionalen 2004/05 bis 2007/08 fallen die Stadtstaaten Schulen zusammengefasst. Bremen, Hamburg und Berlin sowie Rheinland- Pfalz, Hessen, Niedersachsen5 und Schleswig- Auch im Saarland und in Rheinland-Pfalz sind Holstein mit einem überdurchschnittlich starken die Schülerzahlen an Hauptschulen bereits seit Schülerrückgang auf. In diesen Ländern sind den 90er-Jahren rückläufig. Im Saarland wurden die Schülerzahlen an Hauptschulen innerhalb die Haupt- und Realschulen seit 1996 zu Erwei- dieser 3 Jahre um durchschnittlich mehr als terten Realschulen zusammengelegt. In Rhein- 20 % gesunken, was in Schaubild 4 an der Viel- zahl dunkelroter Flächen sichtbar wird.

S3 Schülerzahlen an Hauptschulen in Deutschland 1995 bis 2007*) In den meisten Bundesländern weniger als 20 % Hauptschüler – nur in Baden-Württemberg und Bayern noch mehr Tsd. 350 Der starke Schülerrückgang in den letzten Jah- Bayern ren hatte zur Folge, dass die Anteile der Haupt- schüler bis zum Schuljahr 2007/08 erheblich 300 gesunken sind. Auf 100 Kinder im Alter von 10 bis unter 16 Jahren kommen in Bremen, Berlin Nordrhein-Westfalen 250 und Hessen im Durchschnitt weniger als 10, in Hamburg und Rheinland-Pfalz weniger als 15 Baden-Württemberg Hauptschüler. In Schleswig-Holstein, Nieder- 200 sachsen und Nordrhein-Westfalen sind es durch- schnittlich nicht mehr als 20 Hauptschüler. Dies wird in Schaubild 5 auf Kreisebene an den 150 hellblauen Flächen sichtbar.6

Lediglich in Baden-Württemberg und Bayern gibt 100 Niedersachsen1) es noch relativ mehr Hauptschüler. So gehen in Baden-Württemberg knapp 25 % und in Bayern Rheinland-Pfalz rund 32 % der 10- bis unter 16-Jährigen auf die Schleswig-Holstein 50 Hauptschule. Besonders in Bayern hat die Haupt- Bremen Hessen Hamburg Berlin schule noch eine vergleichsweise starke Stellung. In vielen Kreisen geht noch mehr als jeder dritte 0 1995 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 10- bis unter 16-Jährige zur Hauptschule, in einigen Kreisen sind es sogar 40 % und mehr. *) Im Saarland, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wurde die Hauptschule als Die hohen Hauptschüleranteile macht Schau- eigenständige Schulform aufgelöst. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen wurden nach der Wiedervereinigung keine Hauptschulen eingerichtet. – 1) Niedersachsen hat zum Schuljahr 2004/05 bild 5 mit den dunkelblauen Flächen sichtbar. die Schulform übergreifende Orientierungsstufe in den Klassen 5 und 6 abgeschafft, wodurch die Zahl der Hauptschüler kurzfristig anstieg.

Datenquelle: Regionaldatenbank Deutschland der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Dennoch ist auch für Baden-Württemberg und Bayern mit einem weiteren starken Schüler- Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 858 09 rückgang zu rechnen. Nach der Schüler- und

20 Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2009 Bildung, Soziales

Veränderung der Schülerzahlen an Hauptschulen in den Stadt- und Landkreisen S4 Deutschlands 2004/05 bis 2007/08

Abnahme in % über 20 20 bis unter 17 17 bis unter 14 14 und weniger

*) Im Saarland, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wurde die Hauptschule als eigenständige Schulform aufgelöst. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen wurden nach der Wiedervereinigung keine Hauptschulen eingerichtet.

Datenquelle: Regionaldatenbank Deutschland der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie eigene Berechnungen. 63-63-09-001 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg © Kartengrundlage GfK GeoMarketing GmbH Landesinformationssystem Karte erstellt mit RegioGraph

Absolventenprognose des bayerischen Kultus- (Schaubild 2). Zu beachten ist jedoch, dass ministeriums werden die Schülerzahlen an Hauptschulabschlüsse in immer mehr Bundes- Hauptschulen bis 2020 noch einmal um rund ländern auch außerhalb von Hauptschulen er- 30 % zurückgehen.7 Für Baden-Württemberg worben werden können. erwartet die Vorausrechnung des Statistischen

Landesamtes bis 2015 rund 25 % weniger In den neuen Bundesländern hat sich die Haupt- 7 Vgl. Bayerisches Staats- Hauptschüler.8 Dabei ist nicht absehbar, wie sich schule nicht als eigenständige Schulform eta- ministerium für Unter- richt und Kultus: Schüler- das Schulwahlverhalten in Zukunft zugunsten bliert. Hier gibt es gegenwärtig neben den und Absolventenprognose oder zulasten der Hauptschule verändern wird. Gymnasien und wenigen Realschulen nur 2009, München 2009. Schulformen, die Hauptschulzweige gemein- 8 Vgl. Brachat-Schwarz, sam mit den anderen Schulzweigen anbieten. Werner/Schwarz-Jung, Silvia/Wolf, Rainer: Zur Schulabschlüsse werden zunehmend auch Der Anteil der Hauptschulabschlüsse an allen voraussichtlichen Ent- außerhalb der Hauptschule vergeben Schulabschlüssen an allgemeinbildenden wicklung der Schülerzah- len an allgemeinbilden- Schulen ist in den letzten Jahren deutlich rück- den Schulen bis 2015, in: Statistisches Monatsheft Die regionalen Unterschiede sind ebenfalls läufig und liegt heute bei etwa 10 % (Sachsen, Baden-Württemberg bei den Daten der Schulabgänger erkennbar Sachsen-Anhalt) bis 15 % (Brandenburg). 1/2008, S. 12 ff.

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In den alten Bundesländern geht der Anteil nen Hauptschulabschlüsse seit 2001 in der der Hauptschulabschlüsse ebenfalls deutlich Regel nur an den Erweiterten Realschulen er- zurück, wobei der Hauptschulabschluss hier worben werden. noch eine wesentlich stärkere Bedeutung hat.9 Mit die höchsten Anteile von Hauptschulabsol- Auch in Schleswig-Holstein sowie in Rhein- venten haben Baden-Württemberg und Bayern land-Pfalz, Hessen und den Stadtstaaten sind mit gegenwärtig rund 31 %. Beide Bundeslän- die Anteile der Hauptschulabschlüsse jeweils der weisen auch die höchsten Schülerzahlen noch höher, als es die niedrigen Schülerzahlen an Hauptschulen auf. an den Hauptschulen erwarten lassen. In die- sen Ländern können Hauptschulabschlüsse zu- Doch auch in Schleswig-Holstein und im Saar- sätzlich auch an anderen Schulformen erwor- land liegen die Anteile der Hauptschulab- ben werden (zum Beispiel an Regionalschulen, schlüsse gegenwärtig noch bei über 30 %. Am Gesamtschulen, Sekundarschulen). Beispiel des Saarlands zeigt sich auch, dass die Bedeutung des Hauptschulabschlusses Auffällig ist die Entwicklung in Bayern: Hier nicht immer an die eigenständige Schulform lag der Anteil der Schulabgänger mit Haupt- der Hauptschule gebunden ist. Denn hier kön- schulabschluss an allen Absolventen allgemein-

Hauptschüler je 100 Kinder im Alter von 10 bis unter 16 Jahren im Schuljahr 2007/08 S5 in den Stadt- und Landkreisen Deutschlands*)

Anzahl unter 20 20 bis unter 27 27 bis unter 34 34 und mehr

9 Lediglich in Berlin ist der Anteil der Hauptschulab- *) Im Saarland, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wurde die Hauptschule als eigenständige Schulform schlüsse leicht gestie- aufgelöst. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen wurden nach der Wiedervereinigung keine Hauptschulen eingerichtet. gen, weil hier ab dem Schuljahr 2003/04 auch Datenquelle: Regionaldatenbank Deutschland der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie eigene Berechnungen. die Teilnahme an Berufs- vorbereitungslehrgängen 63-63-09-002 mit zu den Hauptschul- Statistisches Landesamt Baden-Württemberg © Kartengrundlage GfK GeoMarketing GmbH Landesinformationssystem Karte erstellt mit RegioGraph abschlüssen gezählt wird.

22 Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2009 Bildung, Soziales bildender Schulen im Schuljahr 1995/96 noch stark gesunken. Der demografisch bedingte bei 42 % und ist gegenwärtig um rund 11 Pro- Rückgang der Kinderzahlen ist dabei je nach zentpunkte niedriger. Bayern hat somit unter Region mal stärker und mal schwächer (dun- den alten Bundesländern den größten Rück- kelorange und hellorange). gang an Hauptschulabschlüssen zu verzeich- nen. Umgekehrt stieg der Anteil der Realschul- In Baden-Württemberg beispielsweise hat die abschlüsse in diesem Zeitraum in gleicher Hauptschule insbesondere im Südschwarz- Größen ordnung. Es zeigt sich also, dass die wald, in Teilen der Schwäbischen Alb, Ober- Abkehr von der Hauptschule quer durch alle schwabens und Heilbronn-Frankens eine Schulsysteme geht und auch Länder mit einer starke Bedeutung. Gerade im Südschwarzwald noch vergleichsweise starken Stellung der und im Süden der Schwäbischen Alb geht teil- Hauptschule betrifft. weise noch ein Drittel der Kinder auf die Haupt- schule, auch weil hier die kleinen wohnortnahen Hauptschulen oftmals am besten zu erreichen In Bayern, Baden-Württemberg und sind. Weist die Grundschulempfehlung eben- Nordrhein-Westfalen noch vergleichsweise falls in Richtung Hauptschule, dann folgen die hohe Präferenz für die Hauptschule Eltern dieser Empfehlung hier eher als anders- wo.12 Gleichwohl verlieren die Hauptschulen Die Ursachen für die regional unterschiedliche auch in diesen überwiegend ländlich geprägten Entwicklung der Hauptschule gehen zum Teil Räumen an Schülerzahlen, insbesondere durch auf die jeweilige demografische Entwicklung, den starken Rückgang der nachfolgenden Jahr- zum größeren Teil jedoch auf das Schulwahl- gänge. Angesichts der vielen kleinen Haupt- verhalten zurück. Die Wahl der weiterführenden schulen können hier schon ein paar Kinder Schule wird dabei neben der Schulempfehlung weniger pro Jahrgang den Fortbestand eines durch die Grundschule und den Wünschen der Schulstandortes in Frage stellen. Eltern auch durch das örtliche Schulangebot und die Erreichbarkeit weiterführender Schulen be- Anders dagegen ist die Situation in den Stadt- einflusst. Darüber hinaus sind auch die verschie- staaten Hamburg, Bremen und Berlin sowie in denen schulpolitischen Ausgangsbedingungen Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen und und Reformen der Länder von Bedeutung. Schleswig-Holstein. Hier ist die Abkehr von der Hauptschule tendenziell stärker, auch in Im Zusammenhang mit diesen Einflussfaktoren eher ländlich geprägten Kreisen. Dies wird in lassen sich Stadt-Land-Unterschiede feststellen, Schaubild 6 an den vielen blauen Flächen wie die Auswertung der Schülerstatistiken nach deutlich wird. In Rheinland-Pfalz und Schles- den zusammengefassten Kreistypen des Bun- wig-Holstein sowie in den Stadtstaaten soll desamtes für Bauwesen und Raumordnung10 die Hauptschule künftig als eigenständige zeigt. Demnach gehen in ländlich geprägten Schulform abgeschafft werden, was den ge- Kreisen die Schülerzahlen an den Hauptschulen genwärtigen starken Schülerrückgang sicher- im Durchschnitt etwas langsamer zurück als in lich auch mit erklärt. Auffällig ist die Entwick- 10 Das Bundesamt für Bau- stärker verdichteten Räumen. Zudem ist es im lung in Hessen und Niedersachsen. Hier sollen wesen und Raumord- ländlichen Raum etwas weniger das veränderte die Hauptschulen fortbestehen und in ihrem nung unterscheidet 4 zusammengefasste Kreis- Schulwahlverhalten und mehr der demografisch berufsorientierten Profil weiter gestärkt wer- typen: Kernstädte, ver- bedingte Rückgang der Kinderzahlen, der den den. Derzeit sich die Eltern jedoch dichtetes Umland, länd- liches Umland und länd- Bestand an Hauptschülern verringert. stark von dieser Schulform ab, auch in vielen licher Raum (Stand 2008). eher ländlich geprägten Kreisen. 11 Für die Abkehr von der Schaubild 6 veranschaulicht die beiden Trends, Hauptschule durch ein die zum Rückgang der Schülerzahlen in den verändertes Schulwahl- verhalten wurde folgen- Hauptschulen führen: die Abkehr von der In Bayern und Baden-Württemberg der Indikator berechnet: 11 ((Hauptschüler je 100 Hauptschule durch die veränderte Schulwahl sind die Einzugsmilieus der Hauptschulen Kinder im Alter von 10 und den demografisch bedingten Rückgang tendenziell günstiger bis unter 16 Jahren im Schuljahr 2007/08) der Kinderzahlen für den Zeitraum 2004/05 bis minus (Hauptschüler je 2007/08. Die Abkehr von der Hauptschule erklärt sich 100 Kinder im Alter von 10 bis unter 16 Jahren auch durch die unterschiedlichen Einzugsmili- im Schuljahr 2004/05)) Die orangefarbigen Flächen stehen für eine noch eus der Schulen. Die starke Stellung der Haupt- geteilt durch (Haupt- schüler je 100 Kinder im vergleichsweise geringe Abkehr von der Haupt- schulen in Bayern und Baden-Württemberg Alter von 10 bis unter schule und sind vorwiegend in Bayern, Baden- geht damit einher, dass die Einzugsmilieus der 16 Jahren im Schuljahr 2004/05). Württemberg und Nordrhein-Westfalen anzu- Hauptschulen hier im Durchschnitt günstiger treffen, hier insbesondere auch im ländlichen sind als in anderen Bundesländern. Nach einer 12 Vgl. Schwarz-Jung, Silvia: Grundschulempfehlung Raum oder ländlich geprägten Umland. In die- Untersuchung des Max-Planck-Instituts für Bil- und Elternwunsch, in: sen Bundesländern sind die Präferenzen der dungsforschung in Berlin lassen sich zwei Drittel Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg Eltern für die Hauptschule bislang weniger der bayerischen und baden-württembergischen 5/2009, Seite 3 ff.

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Abnahme der Hauptschüleranteile unter den 10- bis unter 16-Jährigen durch S6 veränderte Schulwahl und demografisch bedingten Rückgang der Kinderzahlen in dieser Altersgruppe im Zeitraum 2004/05 bis 2007/08*)

Starke Abkehr von der Hauptschule ¹ ), starker Rückgang der Kinderzahlen Starke Abkehr von der Hauptschule ¹ ), geringer Rückgang der Kinderzahlen Geringe Abkehr von der Hauptschule ¹ ), starker Rückgang der Kinderzahlen Geringe Abkehr von der Haupt- schule ¹ ), geringer Rückgang der Kinderzahlen

*) Im Saarland, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wurde die Hauptschule als eigenständige Schulform aufgelöst. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen wurden nach der Wiedervereinigung keine Hauptschulen eingerichtet. – 1) Für die Abkehr von der Hauptschule durch ein verändertes Schulwahlverhalten wurde folgender Indikator berechnet: ((Hauptschüler je 100 Kinder im Alter von 10 bis unter 16 Jahren im Schuljahr 2007/08) minus (Hauptschüler je 100 Kinder im Alter von 10 bis unter 16 Jahren im Schuljahr 2004/05)) geteilt durch (Hauptschüler je 100 Kinder im Alter von 10 bis unter 16 Jahren im Schuljahr 2004/05).

Datenquelle: Regionaldatenbank Deutschland der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie eigene Berechnungen.

63-63-09-003 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg © Kartengrundlage GfK GeoMarketing GmbH Landesinformationssystem Karte erstellt mit RegioGraph

Hauptschulen einem eher günstigen Milieu zu- Fortbestand kleiner Hauptschulen gefährdet rechnen, während beispielsweise die Stadt- – Schulträger vor großen Herausforderungen staaten und auch Hessen überwiegend mit einer eher schwierigen Schülerklientel zu tun haben. Obwohl der demografische Trend in allen Bun- Hier kumulieren häufig verschiedene Belas- desländern gegen die Hauptschule läuft und tungsfaktoren, wie zum Beispiel hohe Anteile sich immer mehr Eltern von der Hauptschule von Klassenwiederholern, ein geringeres Bil- abwenden, ist die Schließung von Schulstand- dungsniveau des Elternhauses und hohe An- orten meistens eine schwierige Entscheidung. teile von Schülern aus Migrantenfamilien, in So stehen die Schulträger künftig vor großen denen nicht Deutsch gesprochen wird. Dies Herausforderungen. In Baden-Württemberg spiegelt sich auch beim PISA-Leistungsver gleich beispielsweise sind knapp zwei Drittel der wider. Die meisten baden-württembergi schen rund 1 200 öffentlichen Hauptschulen einzügig 13 Vgl. Trautwein, Ulrich/ und bayerischen Hauptschulen reichen bei der oder wenig gegliedert. Rund 300 Hauptschu- Baumert, Jürgen/Maaz, Kai: Hauptschulen = Pro- Lesekompetenz mit ihren mittleren Leistungs- len haben weniger als die geforderte Mindest- blemschulen?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte werten durchaus an das untere Leistungsniveau größe von 85 Schülern. Viele dieser kleinen 28/2007, S. 3 ff. von Realschulen heran.13 Hauptschulen liegen im ländlichen Raum.14

24 Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2009 Bildung, Soziales

In den vergangenen Jahren konnte die Zahl der unterscheiden: die verstärkte Kooperation und Hauptschulstandorte in Baden-Württemberg Aufwertung von Hauptschulen unter Wahrung und den meisten anderen Bundesländern, die der eigenständigen Schulform einerseits sowie Hauptschulen haben, noch weitgehend erhal- die Zusammenlegung von Haupt- und Real- ten bleiben. Lediglich in Rheinland-Pfalz sinkt schulen zu neuen Schulformen andererseits. die Zahl der Schulstandorte bereits seit den 90er-Jahren, weil hier Haupt- und Realschulen Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-West- schrittweise zu Regionalschulen zusammenge- falen, Niedersachsen und Hessen halten grund- fasst werden. In Bayern werden die Auswirkun- sätzlich an der Hauptschule als eigenständige gen des Schülerrückgangs bislang am deut- Schulform fest. Als Antwort auf den Schüler- lichsten sichtbar. Im Zeitraum 2000/01 bis rückgang wird in der Regel die Kooperation 2007/08 sind hier rund 500 Hauptschulstand- von Schulstandorten gefördert. Als Antwort orte aufgelöst worden, was einen Verlust nahe- auf den Ansehensverlust sollen die Haupt- zu jedes 3. Standortes bedeutet. Besonders im schulen aufgewertet werden und ihre berufs- ländlichen Raum wurden viele kleine Teilhaupt- orientierte Ausrichtung sowie die Kooperation schulen geschlossen und zu größeren Haupt- mit Berufsschulen und Betrieben verstärkt schulen zusammengelegt. werden. Auch die Durchlässigkeit hin zur Mitt- leren Reife soll erhöht werden. Die Ausgestal- Gerade in kleinen und ländlich geprägten Ge- tung der jeweiligen schulpolitischen Konzepte meinden stoßen Schulschließungen oftmals auf ist unterschiedlich (Übersicht). großes Unverständnis in der Bürgerschaft. Die Schule im Ort wird häufig als eine der letzten In Baden-Württemberg sollen sich zwei- und Einrichtungen angesehen, die auf keinen Fall mehrzügige Hauptschulen ab 2010 zu Werk- auch noch schließen darf.15 Dabei mögen Er- real schulen entwickeln. Die Werkrealschule fahrungen mit einer rückläufigen Nahversor- umfasst 6 Schuljahre und vermittelt einen gung etwa durch die Schließung von Geschäf- mittleren Abschluss, der dem Realschulab- 14 Vgl. Landtag von Baden- ten, Post- und Bankfilialen in der Vergangenheit schluss gleich wertig ist. Angestrebt wird eine Württemberg, Drucksache eine Rolle spielen. Insofern kann eine Schul- enge Kooperation der Werkrealschulen mit 14/2953 vom 9. Juli 2008. Vgl. auch Schwarz-Jung, schließung für eine Gemeinde durchaus mehr den Berufsfachschulen. Auch einzügige Haupt- Silvia: Hauptschulen in bedeuten als längere Fahrzeiten zum nächsten schulen können sich zusammenschließen und Baden-Württemberg im Schuljahr 2006/07, in: Schulstandort. Werkrealschulen werden, wobei einzelne Klas- Statistisches Monatsheft sen auch in Teilstandorten ausgelagert bleiben 8/2007, S. 25 ff. Ein gelungenes Beispiel für eine behutsame können. Dadurch soll auch in kleinen Gemein- 15 „Kurze Wege für kurze Schulentwicklungsplanung findet sich in Frei- den und ländlich geprägten Räumen eine mög- Beine“ und „Mit der Schule stirbt das Dorf“ burg im Breisgau. Nach einem intensiven Dia- lichst wohnortnahe Schul versorgung sicherge- sind Slogans, mit denen 17 Eltern- und Bürgerinitia- log mit den Lehrern und Eltern vor Ort wird stellt werden. tiven derzeit in Nidda, die Hauptschule im Stadtteil Littenweiler auf- Florstadt, und anderen Kommu- gegeben. Die Beschlüsse von Stadtverwaltung In Bayern sollen ab dem Jahr 2010 Hauptschu- nen in Hessen für den und Schulkonferenz erfolgten einvernehmlich. len mit 300 Schülern und mehr zu Mittelschulen Erhalt ihrer Schule ein- treten. Vgl. www.lasst- Die Schülerzahl war zuletzt auf 74 gesunken und werden können, die neben dem Hauptschulab- die-schule-im-dorf.de damit unter das Minimum von 85 Schülern, das schluss auch einen mittleren Schulabschluss 16 Vgl. den Bericht „Aus- für eine Hauptschule vom Kultusministerium anbieten sollen. Vorgesehen ist dabei ebenfalls laufmodell Hauptschule“ und den kommunalen Landesverbänden in eine enge Kooperation mit Berufsschulen, Be- in der Badischen Zeitung vom 15. November 2008. Baden-Württemberg empfohlen ist. Das Schul- trieben und Arbeitsagentur. Kleinere Haupt- gebäude wird in Zukunft für die neue Ganz- schulen können sich zu Schulverbünden zusam- 17 Vgl. Landtag von Baden- Württemberg, Druck- tagesbetreuung der Grundschüler genutzt, was menschließen, um Mittelschule zu werden.18 sache 14/4680 vom sicherlich auch die Akzeptanz der Entscheidung 25. Juni 2009 und Druck- sache 14/4831 vom mit gefördert hat.16 Wie in Freiburg werden Nordrhein-Westfalen setzt einerseits ähnlich 30. Juli 2009. sich die Betroffenen künftig an vielen Orten in wie Baden-Württemberg und Bayern auf Zu- 18 Vgl. Pressemitteilung Deutschland über die Zukunft der Hauptschule sammenschlüsse von Hauptschulen unter Erhalt Nr. 132 des Bayerischen Staatsministeriums für verständigen müssen. von Teilstandorten. Andererseits ist auch die Unterricht und Kultus Gründung von sogenannten Verbundschulen vom 30. Juni 2009.

mit Haupt- und Realschulzweigen möglich. 19 Vgl. Presseinformation Kooperation und Aufwertung Die Verbundschulen stehen dabei unter einheit- vom Ministerium für Schule und Weiterbil- von Hauptschulen hier … licher Leitung und sehen auch gemeinsame dung des Landes Nord- Lerngruppen vor. Seit der Neufassung des rhein-Westfalen vom 22. Dezember 2008. Die Landesregierungen sind bislang unterschied- Schulgesetzes 2006 wurden bislang 13 neue liche Wege gegangen, um auf den Schülerrück- Verbundschulen eingerichtet.19 20 Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium: gang und den Ansehensverlust von Haupt- Bildungsland Nieder- schulen zu reagieren. Grob lassen sich zwei Auch nach den Vorstellungen der niedersäch- sachsen – Erfolge und Herausforderungen, verschiedene politische Herangehensweisen si schen Landesregierung sollen Haupt- und Hannover 2009.

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Ü Die Reform der Hauptschule im Vergleich der Bundesländer

Hauptschule ist Bundesland eigenständige Die Schulform Hautschule wird/wurde refomiert1) Schulform

Schleswig-Holstein Bis 2010 ff. Ab 2010 werden HS und RS zu Regionalschulen zusammengeführt.

Hamburg Bis 2010 ff. Ab 2010 werden HS und RS zu Stadtteilschulen zusammengeführt. Gleichzeitig ist die Einführung von Primarschulen für die Klassen 1 bis 6 geplant.

Niedersachsen Ja HS und RS kooperieren teilweise als sogenannte zusammengefasste Haupt- und Realschulen. Im Jahr 2004 wurde die Orientierungsstufe in Klasse 5 und 6 abgeschafft.2)

Bremen Bis 2004 ff. Seit 2004 werden HS und RS schrittweise zu Sekundarschulen zusammengeführt.

Nordrhein-Westfalen Ja Seit 2006 sind Zusammenschlüsse von HS mit dem Erhalt von Teil- standorten sowie Gründungen von Verbundschulen mit HS- und RS-Zweigen möglich.

Hessen Ja Bislang sind keine Schulkooperationen oder Zusammenschlüsse vorgesehen.

Rheinland-Pfalz Bis 2010 ff. Seit 1992 wurden die ersten HS und RS zu Regionalschulen zusam- mengefasst; ab 2010 werden die noch bestehenden HS in die neuen “Realschulen plus” integriert.

Baden-Württemberg Ja Ab 2010 können sich zwei- und mehrzügige HS zu Werkreal schulen entwickeln, die neben dem HS-Abschluss auch einen mittleren Schulabschluss anbieten. Einzügige HS können dazu kooperieren und einzelne Klassen in Teilstandorten auslagern.

Bayern Ja Ab 2010 können HS mit mindestens 300 Schülern zu Mittelschulen werden, die neben dem HS-Abschluss auch zu einem mittleren Schulabschluss führen können. Kleinere Hauptschulen können hierzu Schulverbünde bilden.

Saarland Nein Seit 1996 wurden die HS und RS zu Erweiterten Realschulen zu- sammengeführt; seit 2001 gibt es nur noch eine HS.

Berlin Bis 2010 ff. Seit 2008 Schulversuch „Gemeinschaftsschule“; HS, RS und Ge- samtschulen sollen ab 2010 zu Regionalschulen zusammengeführt werden.

Brandenburg Nein HS wurden nach Wiedervereinigung nicht als eigenständige Schul- form eingeführt.

Mecklenburg-Vorpommern Nein Seit 2002 wurden HS und RS zu Regionalen Schulen zusammenge- führt; seit 2007 gibt es keine HS mehr.

Sachsen Nein HS wurden nach Wiedervereinigung nicht als eigenständige Schul- form eingeführt.

Sachsen-Anhalt Nein Seit 1997 wurden HS und RS zu Sekundarschulen zusammenge- legt; seit 2001 gibt es keine HS mehr.

Thüringen Nein HS wurden nach Wiedervereinigung nicht als eigenständige Schul- form eingeführt.

1) Im Folgenden wird die Hauptschule mit „HS“ und die Realschule mit „RS“ abgekürzt. – 2) Dadurch bedingt war auch ein kurzfris tiger Anstieg der Schülerzahlen an den Hauptschulen. Datenquelle: Eigene Recherchen.

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Realschulen künftig verstärkt kooperieren. Hauptschulen nicht ins Abseits stellen Bereits heute gibt es über 200 sogenannte – Anschlüsse stärken, Vertrauen wieder zusammengefasste Haupt- und Realschulen, gewinnen die zwar getrennte Schulzweige, aber eine ein- heitliche Leitung haben. An diesen Schulen Die Zusammenstellung der verschiedenen soll es in Zukunft auch mehr gemeinsamen Ansätze zur Reform der Hauptschule zeigt: Die Unterricht geben, um auch insbesondere an schulpolitischen Konzepte der Bundesländer kleineren Schulen alle Fächer angemessen ab- sind im Detail vielfältig, sie liegen aber in der decken zu können.20 Zielrichtung gar nicht so weit auseinander. Alle Bundesländer wollen den Hauptschulab- Hessen dagegen setzt bislang weniger auf Schul- schluss grundsätzlich erhalten und aufwerten. kooperationen als vielmehr auf eine bessere Dabei geht es einerseits um eine Stärkung der Berufsorientierung und Imageverbesserung Berufs orientierung und einen besseren An- der Hauptschulen. Im Rahmen der Initiative schluss an den Arbeitsmarkt sowie anderer- „SchuB – Lernen und Arbeiten in Schule und seits um eine größere Durchlässigkeit zur Mitt- Betrieb“ werden Hauptschüler der Klassen 8 leren Reife. und 9 in kleineren Lerngruppen besonders ge- fördert. An 2 Tagen pro Woche arbeiten die Schü- Dies ist sicherlich auch das vorrangige Interesse ler in einem Betrieb. Das Modell soll auf alle der Eltern und Schüler. Welche Wege dorthin Hauptschulen in Hessen übertragen werden.21 auch beschritten werden: Entscheidend wird sein, dass die Berufsperspektiven auch ohne Abitur und Realschulabschluss wieder besser … Zusammenführung mit Realschulzweigen werden und das Vertrauen der Eltern, Schüler, dort Unternehmen und Öffentlichkeit in die Schulen wiederhergestellt wird. Bremen, Hamburg, Berlin, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gehen über Kooperationen Insofern ist die Debatte um das „Auslaufmodell hinaus. Die Hauptschulen werden mit Real- Hauptschule“ gerade mit dieser Etikettierung schulen zu einer neuen Schulform zusammen- nicht weiterführend.24 Die Stigmatisierung der geführt und somit als eigenständige Schulform Hauptschule als „Restschule“, „Problemschule“ abgeschafft. So richtet Bremen seit 2004 Se- oder „Brennpunktschule“ rückt sie in der Wahr- kundarschulen ein, an denen Haupt- und Real- nehmung der Öffentlichkeit ins Abseits und schulabschlüsse erworben werden können. erschwert alle Bemühungen um bessere An- Rheinland-Pfalz hat bereits seit 1992 die ersten schlüsse an die Berufsausbildung und weiter- Haupt- und Realschulen zu Regionalschulen führende Bildungswege. zusammengefasst und will ab 2010 die letzten bestehenden Hauptschulen in die neuen „Real- schulen plus“ integrieren. Schleswig-Holstein Schulfragen sind besonders auch hat sich ebenfalls zur Einführung von Regio- Standortfragen nalschulen entschlossen, ab 2010 soll die Zu- sammenführung von Haupt- und Realschulen Was die Eltern, Schüler und Unternehmen vor beginnen. Berlin betreibt derzeit einen Modell- Ort darüber hinaus interessieren dürfte, ist der versuch „Gemeinschaftsschule“, der ab 2010 in Erhalt eines nahen Schulstandortes. Denn an- 21 Vgl. Pressemitteilung des Hessischen Kultus- die geplante Einführung von Regionalschulen gesichts der stark rückläufigen Schülerzahlen ministeriums vom führen soll (Übersicht). und der erheblichen Zahl kleiner Hauptschulen 16. November 2007. wird wohl kein schulpolitisches Konzept ohne 22 Darüber hinaus sollen die Grundschulen zu In Hamburg hat die Landesregierung beschlos- die Zusammenlegung von Schulstandorten Primarschulen entwi- sen, die Haupt- und Realschulen zu neuen auskommen. ckelt werden, die einen gemeinsamen Unterricht Stadtteilschulen zusammenzuführen, die beide bis Klasse 6 vorsehen. Bildungsabschlüsse anbieten. Ferner soll die Die Frage der Schulstandorte betrifft keines- 23 Vgl. www.schulreform. Zahl der Schulstandorte in den Stadtteilen re- wegs nur die Fahrzeiten von Schülern, Lehrern hamburg.de. duziert werden.22 Bemerkenswerter noch als und Eltern. Auch die örtlichen Unternehmen 24 Vgl. zum Beispiel „Ab- das Konzept ist die Vorgehensweise bei dieser werden an nahen Schulstandorten interessiert schied von der Haupt- Schulreform: 22 regionale Schulkonferenzen sein. Sollen Praktika stärker in den Unterricht schule“, in: Welt Online vom 8. März 2007; mit rund 2 000 beteiligten Lehrern, Eltern und integriert werden (wie dies zum Beispiel Hessen „Hauptschulen – Ein Schülern haben das Reformvorhaben diskutiert mit wöchentlichen Betriebstagen vorsieht), wird Auslaufmodell“, in: Die Zeit vom 4. Oktober und konnten eigene Empfehlungen einbringen. es in der Praxis auch darauf ankommen, wie 2007; „Auslaufmodell Hauptschule“, in: Focus Wenngleich sich die Richtung des Konzepts weit Wohnort, Schule und Unternehmen aus- Schule Online vom nicht verändert hat, so konnten die Schulregio- einander liegen. Eine intensive Kooperation von 9. Mai 2008; „Ende der Hauptschule in Sicht“, in: nen doch in vielen Standort- und Einzelfragen Schule und Wirtschaft wird immer auch durch Taz.de vom 19. Januar Einfluss nehmen.23 die räumliche Nähe begünstigt. 2009.

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Die Zukunft der Hauptschulen vor Ort entstehen, in denen Schulleiter, Lehrer, Eltern, mitgestalten Bürgermeister und Unternehmer vor Ort über die Weiterentwicklung der Schulen beraten.25 Angesichts der starken Betroffenheit vor Ort Auch die „regionalen Bildungslandschaften“ wird es auf ein behutsames Vorgehen bei den und „Bildungsnetzwerke“, die sich in vielen anstehenden Standortentscheidungen ankom- Bundesländern zusammenfinden, können die men. Gerade in ländlich geprägten Räumen Zukunft der Hauptschule verstärkt zum Thema kommt den weiterführenden Schulen eine machen. hohe Bedeutung zu. Insofern zeigt der Ansatz, auch kleinen einzügigen Hauptschulen durch Die ersten Erfahrungen der „Bildungsregionen“ Kooperationen und den Erhalt von Teilstand- Freiburg im Breisgau und Ravensburg sind er- orten das Überleben zu ermöglichen, durchaus mutigend. Durch die Zusammenarbeit von gangbare Lösungswege auf. Stadtverwaltung, Arbeitsagentur, Schulleitern, Lehrkräften, Unternehmen, Verbänden und Im Einzelfall gilt es, einen Ausgleich zu finden weiteren Bildungsträgern entstand in Freiburg zwischen den berechtigten örtlichen Interessen beispielsweise das Konzept „Erfolgreich in und übergeordneten Erwägungen der Schul- Ausbildung“, das für alle Freiburger Haupt- entwicklungsplanung. Die Schulinfrastruktur ist schüler der Klassen 8 und 9 eine vertiefende auch Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und berufliche Orientierung vorsieht und langfris- daher mit dem Ziel verbunden, gleichwertige tige Kooperationen zwischen den Schulen und Lebensverhältnisse im ganzen Land zu schaffen. Betrieben anstrebt. Im Landkreis Ravensburg hat sich die Zusammenarbeit inzwischen fest Um die Hauptschulen und die verbleibenden institutionalisiert. Zweimal jährlich kommen Hauptschulzweige auch jenseits von Struktur- die relevanten Bildungsakteure aus dem Land- fragen weiter voranzubringen, kommt es eben- kreis zu Regionalkonferenzen zusammen. Die falls darauf an, die Qualität des Schulangebots Gründung weiterer regionaler Bildungs- weiter zu steigern und die Anschlüsse an die landschaften wird vom Land Baden-Württem- Berufsausbildung und weiterführende Bildungs- berg im Rahmen der „Qualitätsoffensive Bil- wege zu verbessern. dung“ gefördert.26

25 Vgl. Pressemitteilung Nr. 112 des Bayerischen Ein mögliches Instrument hierfür und zugleich Staatsministeriums für ein Forum zur Mitgestaltung durch die Akteure Unterricht und Kultus vom 27. Mai 2009. vor Ort können regionale Schulkonferenzen Weitere Auskünfte erteilt sein, wie sie in Hamburg durchgeführt wurden. Jens Ridderbusch, Telefon 0711/641-27 19, 26 Vgl. www.bildungs regionen-bw.de. Auch in Bayern sollen regionale Dialogforen [email protected]

kurz notiert ...

Deutlich weniger Unfälle auf dem Schulweg mit dem Fahrrad. Besonders gefährdet waren im 1. Halbjahr 2009 die 11-jährigen Kinder, auf diese Altersklasse entfielen 15 % der verunglückten Kinder. Im 1. Halbjahr 2009 wurden auf den Straßen des Landes insgesamt 260 Schulwegunfälle mit Personenschaden von der Polizei aufge- Jeder 9. im Land besuchte einen Volkshoch- nommen. Gegenüber dem 1. Halbjahr 2008 ist schulkurs dies ein deutlicher Rückgang von 26 %. Dabei blieb jedoch die Zahl der verunglückten Kinder Für das Jahr 2008 hat das Statistische Landes- zwischen 6 und 18 Jahren mit 253 unverändert amt auf Basis der Angaben des Volkshochschul- im Vergleich zum 1. Halbjahr 2008. Die Zahl der verbandes die Zahl der Besucher und die Kurs- bei Schulwegunfällen schwerverletzten Kinder angebote an den Volkshochschulen des Landes stieg allerdings in den ersten 6 Monaten des ausgewertet. Danach haben 1,22 Mill. Teilneh- Jahres auf 61 an. Das waren 12 schwerverletzte mer die 113 949 angebotenen Kurse an den 174 Kinder mehr als im Jahr zuvor. Besonders tra- Volkshochschulen (VHS) in Baden-Württemberg gisch war, dass 2 Kinder getötet wurden. Auch besucht. In den Stadtkreisen Pforzheim (24,1 Be- im 1. Halbjahr 2008 war ein Kind bei einem legungen je 100 Einwohner), Ulm (19,9), Heidel- Schulwegunfall ums Leben gekommen. berg (19,4) und Heilbronn (19,0) wurden die An gebote der Volkshochschulen am häufigsten Unter den 253 bei Schulwegunfällen zu Scha- angenommen. Als erster Landkreis folgte Reut- den gekommenen Kinder verunglückten 115 lingen mit 17,7 Belegungen je 100 Einwohner.

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