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1 1 Die Schweiz im euro- päischen Luftverkehrs- netz, zusammengestellt von W. Dollfuss. 20 Jahre schweizerischer Luftver- kehr, Zürich [1939]

Die Entwicklung der schweizer- ischen Luftverkehrswege

Die Geschichte der schweizerischen Luftverkehrswege ist seit jeher von Wechsel- wirkungen zwischen der Zivilluftfahrtbehörde, den Fluggesellschaften und den Flugplätzen geprägt. Das am 1. April 1920 geschaffene Eidgenössische Luftamt – ab 1979 Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) – ist zugleich Bewilligungs- und Aufsichtsbehörde für Flugpersonal, Luftfahrzeuge, Luftverkehrsunternehmen und Infrastrukturanlagen. Mit der Aushandlung und dem Vollzug von Staatsver- trägen zur Sicherstellung von Verkehrsrechten wie auch zur Vereinheitlichung technischer und wettbewerbsrechtlicher Vorschriften fördert es die im öffentlichen Interesse liegende Rolle der Zivilluftfahrt als wichtiger Teil des nationalen wie internationalen Verkehrssystems. Dieser Artikel beschreibt die Aufgaben des BAZL anhand historischer Ereignisse im schweizerischen Luftverkehr.

Daniel Ruhier jedoch kein Beschluss zustande. Mit dem Aus- bruch des Ersten Weltkrieges fand die Begeiste- rung für die Luftfahrt, die nach den ersten Pas- uftfahrt und Luftamt vor sagierflügen aufgekommen war, ein abruptes dem Zweiten Weltkrieg Ende. Nach dem Krieg entstand aus den Kurier- LNachdem 1910 in der Schweiz die ersten flügen der Fliegerabteilung eine regelmässige Motorflugzeuge starteten, gelangte der Bundes- Fluglinie Zürich–Bern–Lausanne (später bis Genf). rat am 22. März des gleichen Jahres mit einer Die Militärflugzeuge boten Platz für einen Pas- Revisionsvorlage der Bundesverfassung an das sagier. Zudem war 1919 auch das Gründungs- Parlament. In Artikel 37bis sollte die Gesetzge- jahr der ersten drei Fluggesellschaften, die sich bung über den Automobilverkehr und die Luft- jedoch ausschliesslich dem bedarfsmässigen schifffahrt verankert werden. Wegen der Ver- Luftverkehr, das heisst dem Charterverkehr wid- knüpfung des Automobil- und Luftverkehrs kam meten.

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wurde zuerst mit der Gründung der (Basler 2 Jahr FlugplätzeA FlugzeugeB PilotenC BAZL-Personal Luftverkehr AG, 1925), später mit der Betriebs- 1920 20 39 157 4 aufnahme der Alpar (Flugplatz-Genossenschaft 1930 27 69 452 8 Bern, 1929) deutlich erweitert. Der Linienbe- 1940 35 160 – 15 trieb wurde mit Subventionen des Bundes sowie der Flugplatzkantone und städte finanziell un- 1950 40 633 1956 40 terstützt. Die finanzielle Unterstützung des 1960 49 752 3498 76 Bundes erfolgte über die Beschäftigung von Mi- 1970 60 1469 7091 133 litärpiloten, die Beförderung von Luftpost sowie über Regelmässigkeitsprämien und Flugkilome- 1980 64 2454 11 443 137 terleistungen. 1 1990 76 3185 15 342 143 Im Interesse der Flugsicherheit beschloss das 2000 83 3538 14 589 155 Luftamt, internationale Linienflüge mit einmoto- rigen Flugzeugen nicht mehr zu subventionieren. 2010 82 3315 12 489 278 Ausserdem legte es Ad Astra und Balair nahe, ihre Flugbetriebe zusammenzulegen. Dies führte 1931 zur Fusion der beiden Gesellschaften unter Am 27. Januar 1920 wurde mit dem «Bundesrats- dem Namen «, Schweizerische Luftver- beschluss betreffend die Ordnung des Luftver- kehr Aktiengesellschaft». Die neue Gesellschaft kehrs in der Schweiz» die Grundlage für die Ent- mit Sitz in Zürich wollte sich auf den Flugbetrieb stehung des Eidgenössischen Luftamts geschaf- internationaler Linien konzentrieren, wobei das fen. Dieses begann seine Tätigkeit am 1. April allgemeine Landesinteresse berücksichtigt und desselben Jahres als Abteilung des Post- und Ei- die drei Städte Basel, Genf und Zürich «paritä- senbahndepartements. Ein Jahr später veranker- tisch» bedient werden sollten. Schon damals er- te die Volksabstimmung vom 28. Mai 1921 die kannte man, dass der Vorteil des Luftverkehrs in Bundeskompetenz endgültig. Ein Zusatz zu Arti- seiner Geschwindigkeit liegt. Daher beschaffte kel 37 der Bundesverfassung bestimmte: «Die Ge- die Swissair 1932 als erste europäische Flugge- setzgebung über die Luftschifffahrt ist Sache des sellschaft einmotorige Schnellflugzeuge aus Bundes». Die primäre Aufgabe der behördlichen Amerika, obwohl Sicherheitsbedenken seitens Aufsicht bestand nun zunächst darin, die Öffent- der Behörden bestanden. lichkeit vor den Gefahren durch die Luftfahrt zu Im Oktober 1934 trat die Schweiz der Internati- schützen, ohne jedoch die Entwicklung der neu- onalen Luftfahrtkonvention C.I.N.A. bei. Als Fol- en Verkehrsart zu behindern. ge ersetzte das Luftamt die bisherigen nationalen Bedeutsam waren auch die schweizerischen An- Kennzeichen «CH» der Luftfahrzeuge mit dem sätze zur internationalen Regelung der Luft- «HB» der Funkstationen, gefolgt von drei Buch- fahrt: Am 1. März 1920 traten die ersten Luft- staben. Anfänglich teilte es die Immatrikulatio- verkehrsabkommen mit Grossbritannien und nen für Motorflugzeuge nach Flugunternehmen Frankreich in Kraft. Weitere folgten mit Deutsch- beziehungsweise Standort zu. Dieses System land, Belgien und den Niederlanden. Ausländi- wurde später durch eine Zuteilung der Anfangs- sche Flugunternehmen führten erste Linienflüge buchstaben gemäss Luftfahrzeugkategorie und auf den Strecken Paris–Genf, Frankfurt–Mann- Gewichtsklasse abgelöst. heim–Karlsruhe–Basel und Paris–Lausanne durch. Mit Einführung des Ganzjahresbetriebs ab Mitte Die anfängliche Haltung des Luftamtes war dies- der 1930er-Jahre nahmen die Anforderungen an bezüglich, die Schweiz müsse es «den Grossstaaten Rollfeldlängen und Beschaffenheit der Pisten zu. überlassen, deren politische und wirtschaftliche Im Bericht über die Standardisierung der Ver- Ziele im Verhältnis zu den Kosten ihres Zi- kehrsflugplätze schlug das Luftamt die Schaf- vilflugnetzes stehen, die ersten Versuche im fung eines Grossflugplatzes für den internatio- regelmässigen internationalen Zivilluftverkehr nalen Verkehr vor. Doch der Zweite Weltkrieg durchzuführen.»1 brachte die Weiterentwicklung des zivilen Luft- Im Juni 1922 eröffnete AG in Zü- verkehrs zum Stillstand. Die Linienflüge wurden rich die erste internationale Luftverkehrslinie eingestellt, die meisten Flugplätze kamen unter Genf–Zürich–Nürnberg/Fürth. Das Streckennetz militärische Obhut. 2

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3 2 Kennzahlen der schweizerischen Zivil- luftfahrt 1920–2010. A Landflugplätze inkl. Heliports B inkl. Helikopter, ohne Ballone und Luftschiffe C ohne Ballonfahrer, Anerkennungen, Bordtechniker und -radiotelefonist

3 Mit Inbetriebnahme des Flugplatzes Belp- moos im Jahre 1929 erhielt die Bundesstadt schliesslich ihren Konzentration der Kräfte – das Swissair- Zu Beginn der 1950er-Jahre nahm der Charter- Anschluss an das schwei- Monopol verkehr aus England und Nordeuropa einen star- zerische Luftverkehrs- Bei Kriegsende schlug das Departement vor, den ken Aufschwung. Wegen der begrenzten Reich- netz. Die Berner Flug- öffentlichen Flugbetrieb einer nationalen Einheits- weite ihrer Maschinen landeten viele unabhängige gesellschaft Alpar AG gesellschaft zu übertragen. Swissair und Alpar Flugunternehmen in Basel, wo der Pauschalflug- konzentrierte sich auf sollten dieser beitreten und die öffentliche Hand reiseverkehr in die Mittelmeer-Länder vom bi- den Betrieb binnen- sich am Aktienkapital bis zur Hälfte beteiligen. Die nationalen Status des Flughafens profitierte. Die schweizerischer Flug- Alpar lehnte jedoch eine Fusion ab. Die Swissair ersten schweizerischen Chartergesellschaften linien. Das Bild zeigt ein hingegen nahm die Empfehlungen der «Kommissi- richteten ihre Basis ebenfalls auf dem Flughafen Flugzeug Koolhoven on für die Schaffung einer nationalen schweizeri- Basel ein (Balair 1953, Globe Air 1957). Die FK-50A (10 Passagier- schen Luftverkehrs-Unternehmung» auf und Nachfrage im Kettenverkehr – das waren saisonale plätze) der Alpar Air Traf- erhöhte ihr Kapital unter Beteiligung der öffentli- Bedarfsflüge nach festem Flugplan im Auftrag fic im Belpmoos (Foto: chen Hand auf zwanzig Millionen Franken. Mit der von Reisebüros – führte zur Gründung weiterer Alpar AG). Genehmigung ihrer Statuten ernannte der Bundes- Chartergesellschaften (SATA, Tellair, Phoenix rat die Swissair als die «gemischtwirtschaftliche Airways), die trotz Erweiterung des Angebots mit schweizerische Luftverkehrsgesellschaft», die ge- Städteflügen alle nur kurze Zeit überlebten. Die stützt auf das Luftfahrtgesetz von 1948 «die inter- Trennung zwischen Linien- und Nichtlinienver- nen, kontinentalen und interkontinentalen Linien- kehr erwies sich schon damals als schwierig. Erst verbindungen betreibt, deren Führung als im all- Ende 1980 trat eine Verordnung über die Ab- gemeinen Interesse liegend erklärt wird». grenzung des Linienverkehrs vom übrigen ge- Im Herbst 1950 beschloss der Bund im Rahmen werbsmässigen Verkehr in Kraft. einer ausserordentlichen Hilfeleistung die Be- Die Swissair entschied Ende 1963, die DC-3 aus schaffung von zwei Langstreckenflugzeugen dem Verkehr zu ziehen und die Bedienung Berns Douglas DC-6B, die er der Swissair gegen Entgelt einzustellen. Dies löste einen «helvetischen Luft- zum Gebrauch überliess. Schon 1949 hatte die krieg» aus. Neben Alpar bemühten sich auch Ba- Swissair den regelmässigen Luftverkehr nach lair und Globe Air um die Gunst der Berner, den New York eröffnet; 1954 folgte Südamerika, von Stadt und Kanton subventionierten Luftver- 1957 der Ferne Osten, 1962 West- und 1968 Ost- kehr sicherzustellen. Die Swissair sah dadurch ihr und Südafrika. Erstmals wurden 1975 China und Linienverkehrsmonopol gefährdet: Sie beschaffte die arabischen Staaten angeflogen. Das Luftamt daher vier Fokker «Friendship» und übertrug den war mit der Beschaffung der notwendigen Ver- Betrieb der Inlandlinien an die Balair. Am 1. Juni kehrsrechte im Rahmen bilateraler Luftverkehrs- 1965 wurde die Linie Genf–Bern–Zürich eröffnet. verhandlungen, die in enger Absprache mit der Ende 1966 – nach jahrelangem Streit mit dem Swissair erfolgten, massgeblich an diesem Aus- Luftamt – erhielt Swissair die im Luftfahrtgesetz bau des Streckennetzes beteiligt. vorgesehene Betriebskonzession. Nach sechs

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Jahren stellte sie die Bedienung Berns jedoch moos scheiterten am Widerstand von Bevölkerung wieder ein. Bis zur Eröffnung der SBB-Flugha- oder Regierung. Nach seinem massvollen Aus- fenlinie fuhr nun ein Postauto mit Swissair-Flug- bau erfüllt der Flughafen Bern-Belp heute die nummer von Bern zum Flughafen Zürich. Rolle des gemäss Bundesbeschluss vorgesehe- Die Verkehrszunahme wie auch die steigenden nen Städteflughafens für den kontinentalen Betriebskosten zwangen die Swissair, auch im Luftverkehr. 3 Europaverkehr grössere Flugzeuge einzusetzen Die Änderung der Luftfahrtverordnung vom De- und ihren Flugplan zu optimieren. Die Einstel- zember 1968 erteilte dem Luftamt, den Kantonen lung verkehrsärmerer Strecken ab Basel führte und den Flugplatzhaltern weitgehende Kompe- schliesslich zur Öffnung des regionalen Luftver- tenzen zur Lärmbekämpfung auf den Flugplät- kehrsmarktes für andere schweizerische Unter- zen. 1972 führten die Flughäfen Zürich, Genf nehmen: Mitte 1978 erhielt die private Flugge- und Basel eine Nachtflugsperre ein, womit Ab- sellschaft Air-Sea Service die Einzelkonzession flüge und Landungen zur Nachtzeit (22.00 bis für den Betrieb der Linie Basel–München. Dann 6.00 Uhr) drastisch eingeschränkt wurden. Die in folgte ein Jahr später die : Die rasante der Verminderung der Lärmerzeugung grosser Entwicklung der «AG für europäischen Regional- Verkehrsflugzeuge erzielten Fortschritte gaben luftverkehr» bewog das Luftamt, Richtlinien für damals zur Hoffnung Anlass, dass bestehende die Behandlung von Konzessionsgesuchen im Er- Nachtflugsperren in einer ferneren Zukunft so- gänzungsluftverkehr zu erlassen. gar wieder aufgehoben werden könnten.3 Aufgrund der Ausrichtung des Pistensystems er- Luftfahrtinfrastruktur – Pläne folgten in Kloten schon immer die Mehrzahl al- und Verwirklichung ler Anflüge von Norden her über das vergleichs- In der Botschaft vom 13. Februar 1945 über den weise dünn besiedelte deutsche Staatsgebiet. Die Ausbau der Zivilflugplätze hielt der Bundesrat 1984 abgeschlossene Verwaltungsvereinbarung fest: «Die Leistungsfähigkeit des Luftverkehrs mit Deutschland schuf die entsprechenden Rah- wird nicht allein bestimmt durch die Qualität des menbedingungen für diese Überflüge. Die im eingesetzten Flugmaterials, sondern ebenso sehr Jahre 2003 einseitig verfügten Einschränkungen durch den Umfang der Bodenorganisation, vor der Benützung des süddeutschen Luftraumes be- allem durch das Aufnahmevermögen der vor- einträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit des Flug- handenen Flugplätze. Daher ist die Diskussion hafens Zürich erheblich. Die Schweiz bemüht über die Zukunft des schweizerischen Luftver- sich daher seit mehreren Jahren um eine Eini- kehrs in der Hauptsache eine Diskussion über die gung mit Deutschland. schweizerischen Flugplätze. Je mehr wir vom Mit dem im Oktober 2000 verabschiedeten Kon- kommenden Luftverkehr erwarten, umso bessere zeptteil des «Sachplans Infrastruktur der Luft- Flugplätze müssen wir für ihn bereitstellen.»2 fahrt» (SIL) bekannte sich der Bundesrat zu ei- Mit der bei Kriegsende schon zwei Kilometer lan- ner nachhaltigen Infrastrukturpolitik. Die be- gen Betonpiste verfügte allein Genf über einen stehenden Flugplätze sollen in der Substanz für Interkontinentalflüge geeigneten Flughafen. erhalten, qualitativ verbessert und bedarfsge- Bis 1948 der Flughafen Zürich-Kloten in Betrieb recht entwickelt werden. Eine generelle Begren- genommen wurde, führten daher die Swissair zung im Sinne eines Ausbaustopps ist jedoch und ausländische Fluggesellschaften ihre Lang- nicht vorgesehen. streckenflüge vorerst über Cointrin. Die Basler verzichteten auf ihre wenig geeigneten Flugha- Luftverkehrsliberalisierung und fenprojekte auf Schweizer Boden und schufen im ihre Folgen Mai 1946 innert weniger Wochen auf einem von Nach der erfolgreichen Deregulierung des ame- Frankreich angebotenen Gelände den noch heute rikanischen Luftverkehrsmarktes bemühte sich einzigen binationalen Flughafen Basel-Mul- auch Europa um die Schaffung von mehr Wett- house. Bern einigte sich dagegen nie auf einen bewerb im Luftverkehr. Mit dem dritten Libera- Ersatz des für den Allwetterflugverkehr untaug- lisierungspaket fand die schrittweise Öffnung lichen Belpmoos. Die Flughafenprojekte Utzen- 1993 ihren vorläufigen Abschluss. Die Ableh- storf, Herrenschwanden, Rosshäusern und Gro- nung des EWR-Beitritts im Dezember 1992 ver- sses Moos wie auch die Ausbaupläne im Belp- hinderte aber vorerst die Teilnahme der Schweiz

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4 4 Die Südschweiz erhielt erst mit der Eröff- nung der Crossair-Linien zwischen Lugano und Zürich bzw. Genf im November 1980 ihren ständigen Anschluss an das schweizerische Luft- verkehrsnetz. Das Bild zeigt drei Swearingen Metroliner III (18 Passa- gierplätze) der Crossair AG in Lugano (Foto: Avilu SA)

am EU-Luftverkehrsmarkt. Das Scheitern des so- zu sichern. Mit der amtsinternen Arbeitsgruppe genannten Alcazar-Projekts – einer Luftfahrtal- «Big Lift» bearbeitete das BAZL die vielfältigen lianz zwischen Swissair, KLM, SAS und AUA – Probleme im Zusammenhang mit der Übertra- beendete im Herbst 1993 auch die Gespräche der gung der Swissair-Linien auf die Crossair. In der beteiligten Behörden. Der wirtschaftliche Auf- Sondersession vom November 2001 genehmig- schwung der 1990er-Jahre verleitete die Swis- ten die eidgenössischen Räte im «Redimensio- sair zu einer expansiven Strategie, um weitere nierungskonzept für die nationale Zivilluftfahrt» Marktanteile in Europa zu sichern. Gleichzeitig Darlehen von insgesamt 1.45 Mrd. und eine entwickelte sich die Crossair zur grössten Regi- Bundesbeteiligung von 600 Mio. Franken an der onalfluggesellschaft Europas. Der Entscheid der neuen Gesellschaft. Im Frühjahr 2005 vereinbar- Swissair, ab Winterflugplan 1996 ihre Langstre- ten Bund und die übrigen Swiss-Grossaktionäre ckenflotte auf dem Flughafen Zürich zu konzen- die schrittweise Übernahme durch den Lufthan- trieren, erhöhte den Druck auf den Bund zur sa-Konzern unter Beibehaltung der Marke «Swiss Aufhebung ihres Linienmonopols. Die Revision International Air Lines» und des Drehkreuzes des Luftfahrtgesetzes im November 1998 hob Zürich. das Monopol der nationalen Fluggesellschaft Im Juni 2002 trat das bilaterale Luftverkehrsab- schliesslich auf. Swiss World Airways erhielt als kommen zwischen der Schweiz und der Europä- erste Fluggesellschaft die Konzession für inter- ischen Union (EU) in Kraft. Damit geniessen kontinentale Linienflüge Genf–Newark, die sie Schweizer Luftfahrtunternehmen dieselben jedoch nach knapp drei Monaten wegen finan- Rechte wie die Konkurrenz aus der EU. Der im zieller Schwierigkeiten wieder einstellte. 4 Dezember 2004 veröffentlichte Bericht über die Die verfehlte Expansionspolitik schwächte die Luftfahrtpolitik Schweiz (LUPO) ist eine Stand- Swissair derart, dass ihre prekäre finanzielle ortbestimmung der Zivilluftfahrt: Oberstes Ziel Lage und der Zusammenbruch des Luftverkehrs- bleibt die Sicherstellung einer optimalen Anbin- marktes nach «9/11» am 2. Oktober 2001 zum dung der Schweiz an die europäischen und welt- «Grounding» und schliesslich zum Kollaps des weiten Zentren. Dazu haben die Flugplätze bau- Konzerns führten. Die vom Bundesrat eingesetz- liche und betriebliche Voraussetzungen zu schaf- te interdepartementale «Task Force Luftbrücke» fen, die es dem Luftverkehr erlauben, seine hatte zum Ziel, die Aufrechterhaltung des Luft- Dienstleistungen markt- und preisgerecht, je- verkehrs und die Stellung des Flughafens Zürich doch unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit als Drehscheibe für den Interkontinentalverkehr abzuwickeln.

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BAZL-Organisation im Wandel Riassunto: Die Aufsichtsbehörde hatte seit Anbeginn ihres Aeronautica e Ufficio dell’aviazione prima Bestehens Schwierigkeiten, ihren Personalbe- della seconda guerra mondiale stand mit der rasanten Entwicklung der Luftfahrt La storia dell’aeronautica svizzera è stata sempre und den zunehmend vielfältigeren Aufgaben in caratterizzata dall’interazione tra le diverse isti- Übereinstimmung zu bringen. Hinzu kam ein tuzioni dell’aviazione civile, delle compagnie Personalstopp Mitte der 1970er-Jahre. Entspre- d’aviazione e degli aeroporti. Fin dalla sua isti- chend versuchte man, mit Reorganisationen und tuzione il 1° aprile 1920, l’Ufficio federale dell’a- Verzichtsplanungen die wachsende Arbeitslast viazione – dal 1979 Ufficio federale dell’aviazio- zu bewältigen. Gestützt auf den im Anschluss an ne civile (UFAC) – è nello stesso tempo autorità die Flugunfälle von Halifax, Nassenwil, Bassers- di autorizzazione e di controllo per quanto ri- dorf und Überlingen erstellten Bericht über das guarda il personale dell’aviazione, i velivoli, le Sicherheitssystem in der Zivilluftfahrt wurde das imprese aeronautiche e le infrastrutture. Con la BAZL Ende 2004 erneut reorganisiert. Dabei conclusione e l’applicazione di convenzioni tra wurden die Bereiche Sicherheit und Luftfahrtpo- Stati per la garanzia dei diritti di traffico e con litik konsequent getrennt und die Kompetenz für l’omogeneizzazione delle prescrizioni tecniche o eine umfassende und intensivere Aufsicht so- della legislazione sulla concorrenza, promuove wohl im technischen als auch im wirtschaftli- nell’ambito dell’interesse pubblico il ruolo dell’a- chen Bereich stark ausgebaut. Seit Ende 2006 viazione civile quale settore importante del traf- nimmt die Schweiz an der Europäischen Agentur fico nazionale e inernazionale. L’articolo descri- für Flugsicherheit (EASA) teil. Diese war anfäng- ve i compiti dell’UFAC in base agli eventi della lich nur für die Regelung von Luftfahrzeugzulas- storia aeronautica svizzera. sung und -unterhalt zuständig. Die Erweiterung auf die Bereiche Flugbetrieb, Pilotenlizenzen so- Literatur Erich Tilgenkamp: Die Geschichte der schweizerischen wie Flugplätze und Flugsicherung ist im Gange. Luftfahrt, Bd. 2, Zürich 1941/42. Dem BAZL obliegt weiterhin die Aufsicht über die Einhaltung der Vorschriften. Die EASA kont- Ernst Wyler: Bordbuch der Schweizer Luftfahrt, Zürich rolliert regelmässig, ob das BAZL ihre Normen 2001.

korrekt anwendet und damit das Ziel eines ein- Schweizerischer Bundesrat: Bericht über die Luftfahrtpo- heitlichen Sicherheitsniveaus im europäischen litik der Schweiz, Bern 2004, http://www.bazl.admin.ch/ Luftverkehr gewährleistet. themen/lupo/00292/index.html?lang=de

Eidgenössisches Luftamt/BAZL: Schweizerische Luftver- Résumé: kehrsstatistik / Die Schweizerische Zivilluftfahrt, Bern, L’aviation comme système, l’aviation Jahresberichte 1965–2010. dans le système des transports suisses: l’aviation suisse dans l’entre-deux- Anmerkungen guerres 1 Tilgenkamp. Schweizer Luftfahrt, Band II, 342. 2 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversamm- Au début de l’entre-deux-guerres, les problèmes lung über den Ausbau der Zivilflugplätze, 1945. météorologiques et la faible qualité des services 3 Werner Guldimann, in Schweizerische Luftverkehrs- fournis obérèrent fortement le trafic aérien. Les statistik, 1972, 6. capacités de transport déficientes des appareils, leur portée et leur vitesse insuffisantes, ou leur fiabilité douteuse, constituèrent également des obstacles notables à son développement. Dans les deux décennies qui suivirent, les moyens de Daniel Ruhier transport, les compagnies de transport aérien, les war 37 Jahre im BAZL für die aéroports, le guidage des avions et les différents Luftverkehrsbetriebe zustän- échelons politiques se combinèrent alors en un dig. Von 2007 bis 2010 vertrat système complexe, à travers lequel l’ «art de vo- er die Schweiz im Rat der In- ler» se transforma en trafic aérien. L’article ra- ternationalen Zivilluftfahrt- conte cette évolution. Organisation ICAO.

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