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Vorlesung Betriebssysteme I Thema 1: Einführung

Robert Baumgartl

14. 10. 2020

1 / 35 Organisatorisches

Alle nötigen Informationen finden Sie hier:

https://www.informatik.htw-dresden.de/~robge/bs1/bs1.html

2 / 35 Vorkenntnisse

Bitte um Handzeichen – Wer hat schon I mit Windows gearbeitet? I mit Linux (o. a. Unix) gearbeitet? I einen der Editoren vi oder emacs genutzt? I in tag">C programmiert? I make eingesetzt? I fork() beim Programmieren benutzt? I in der Open-Source-Community mitgewirkt? I einen Treiber geschrieben?

3 / 35 Vorkenntnisse II

Wer weiß, was das ist? char *foo(char *dest, const char *src) { while(*dest++ = *src++); }

. . . und das? :(){ :|:&};: (Vorsicht! Nicht ausprobieren!)

4 / 35 Wozu befassen wir uns mit Betriebssystemen? ... es gibt doch Windows!

Einige Gedanken: I Grundlagenfach der Informatik („es geht nicht ohne BS“) I BS sind verflixt komplex! I aktiver Forschungsgegenstand I Betriebssysteme-Sicherheit I Verteilung & Skalierbarkeit I spezielle Fähigkeiten: Echtzeitfähigkeit, Ressourceneffizienz, Resilienz (u.a.) I Konferenzen: SOSP, USENIX, EUROSYS

5 / 35 Einordnung der Lehrveranstaltung

1. Semester Betriebssysteme 1 Programmierung 1

3. Semester Rechnernetze Rechnerarchitektur

4. Semester Betriebssysteme 2 Wahlpflichtmodul

(nur Inf.) z.B. Echtzeitsysteme

5. Semester Projektseminar

z.B. Virtualisierung

6. Semester Bachelorarbeit (...natürlich über ein Betriebssystem−Thema!) 6 / 35 Vorläufige Themenübersicht

1. Einführung (Grundlegende Begriffe) 2. Linux in a Nutshell 3. Dateisystem 4. Grundlegende Begriffe, Teil 2 5. Aktivitäten, Prozesse 6. Kommunikation 7. 8. Threads (Aktivitäten, die zweite) 9. Synchronisation, sofern Zeit

7 / 35 Wozu benötigen wir ein Betriebssystem?

1. Bereitstellen von Diensten und dafür notwendigen Abstraktionen (z. B. „Prozess“, „Datei“, „Gerätetreiber“ u. . a. m.) 2. Ressourcenverwaltung inklusive Protokollierung 3. Koordinierung paralleler Abläufe 4. Basis für Schutz und Sicherheit

8 / 35 Perspektiven auf Betriebssysteme

I Nutzer I Administrator I Systemprogrammierer I Treiberprogrammierer I (feindlicher) Angreifer, „Hacker“ I Forensiker I Controller I Lehrer I Wissenschaftler

9 / 35 Ziel des Kurses

Vermittlung von vorwiegend praktischen Kenntnissen zu I Nutzung elementarer Werkzeuge I Automatisierung von Bedienhandlungen I Interaktion zwischen Applikationen und Betriebssystem(en) I Struktur und Vorgängen innerhalb von Betriebssystemen I Unix-artigen und Windows-Betriebssystemen

10 / 35 Eine kurze Geschichte der . . . Betriebssysteme Entwicklung der Rechensysteme

1. Erste Rechner [ca. 1945] I kein BS 2. Großrechner (Mainframes) [ca. 1960 . . . heute] I IBM System/360: OS/360-Familie I aktuell z/OS für heutige IBM-Mainframes 3. Minicomputer [ca. 1970 . . . 1985] I DEC PDP 11: UNIX [1970 . . . heute] I DEC VAX 11/780: VMS [1977 . . . heute] 4. Workstations [ca. 1982 . . . 1995] I z. B. HP, Sun, Silicon Graphics u. v. a. m I UNIX, d. h. , HP-UX, SunOS, IRIX,... I heute weitgehend verschwunden (durch High-End-PCs ersetzt)

11 / 35 Eine kurze Geschichte der . . . Betriebssysteme Entwicklung der Rechensysteme, Teil 2

5. Mikrocomputer (Personal Computer) [ca. 1978 . . . heute] 1 Homecomputer [ca. 1978 . . . 1994] I Commodore PET, C64, Atari ST, Commodore , . . . I Homebrew-OS („ROM-BIOS“), CP/M, AmigaOS,... I heute weitgehend ausgestorben 2 Apple-Computer [ab 1984] I macOS – erstes kommerzielles BS mit grafischer Oberfläche I OS X (Grundlage: Darwin, basierend auf BSD UNIX 4.4) 3 IBM PC (XT, AT, 386er . . . ) [ab 1981] I MS-DOS [1981 . . . 1994] I Windows [ab 1985] I Linux [ab 1991]

12 / 35 Eine kurze Geschichte der . . . Betriebssysteme Entwicklung der Rechensysteme, Teil 3

6. Mobile Rechner (Handys, Smartphones, Tablets) 1 „klassische“ Mobiltelefone I Nokia, Ericsson, Motorola (u. v. a. m.) I jeder sein eigenes BS 2 -Smartphones [1997 . . . 2012] I SymbianOS I erstes BS für Smartphones und PDA: Nokia Communicator, Ericsson P900, . . . I Single-Core-Architektur I wechselvolle Geschichte 3 Apple iPhone [ab 2007] I iOS I ähnlich macOS basierend auf UNIX(XNU-Kernel) 4 Android-Geräte [ab 2008] I Android, basierend auf Linux I weitestverbreitetes BS überhaupt

13 / 35 Eine kurze Geschichte der . . . Betriebssysteme Leseempfehlungen

Gerard O’Regan: A Brief History of Computing. Springer Verlag, 2012

Brian Bagnall: Volkscomputer. Aufstieg und Fall des Computer-Pioniers Commodore und die Geburt der PC-Industrie, Gameplan, 2011

Linus Torvalds, David Diamond: Just for Fun: Wie ein Freak die Computerwelt revolutionierte. dtv, 2002

14 / 35 Plattformen fürs „Personal Computing“

I verkaufte „Personal Computing Units“ pro Jahr I Quelle: http://twitpic.com/87nbjj

15 / 35 Aktuelle Betriebssysteme

Es gibt: I Windows-Familie (2.0 → 10) I Linux I MacOS X ... das wars, oder? I MS-DOS, RTEMS, QNX, FreeBSD, SymbianOS, PalmOS, RTAI, HP-UX, BeOS, , Chorus, L4, , Amoeba, OS/390, DCP, TOS, CP/M, VMS, eCos, , OS/2 . . . I vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Betriebssysteme

16 / 35 Aktuelle Betriebssysteme

Es gibt: I Windows-Familie (2.0 → 10) I Linux I MacOS X ... das wars, oder? I MS-DOS, RTEMS, QNX, FreeBSD, SymbianOS, PalmOS, RTAI, HP-UX, BeOS, Minix, Chorus, L4, Mach, Amoeba, OS/390, DCP, TOS, CP/M, VMS, eCos, Contiki, OS/2 . . . I vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Betriebssysteme

17 / 35 UNIX

I . . . ist kein Betriebssystem, sondern eine ganze Familie I Name ist ein Wortspiel aus dem Vorgänger „Multics“ und „unique“ I zusammen mit der Programmiersprache C in den 70er Jahren entwickelt I einige Vertreter: *BSD, System V, Linux, HP-UX, AIX, Solaris, Minix I sogar Microsoft hat ein UNIX entwickelt: XENIX (es ist aber schon lange tot) I der zugehörige Standard heißt POSIX I beliebt vor allem im Serverbereich (aber nicht nur!) I Nutzer haben mit Vorurteilen zu kämpfen . . .

18 / 35 Philosophie von UNIX

9 Grundsätze: 1. Small is beautiful. 2. Make each program do one thing well. 3. Build a prototype as soon as possible. 4. Choose portability over efficiency. 5. Store data in flat text files. 6. Use software leverage to your advantage. 7. Use scripts to increase leverage and portability. 8. Avoid captive user interfaces. 9. Make every program a filter. (Mike Gancarz: The UNIX Philosophy, Digital Press, 1995)

19 / 35 Lizensierungsaspekte

2 grundlegende Ideen: I Closed Source: Quellcode ist geheim, „Betriebsgeheimnis“, steht i. a. nur dem Hersteller zur Verfügung I Open Source: Quellcode steht prinzipiell jedem zur Verfügung → kann modifiziert und weiterverteilt werden (und soll dazu ermuntern)

20 / 35 Kommerzielle Lizenzen

I kann (muss aber nicht) Einblick in Quellcode umfassen (z. B. für nichtkommerzielle Zwecke) I erfordert meist Vertrag („End User License Agreement“ (EULA)) I typische EULAs sind im EU-Raum jedoch unwirksam (zum Glück) Kosten für: I Entwicklungswerkzeuge I Bibliotheken (z. B.für Protokollstacks oder zum Debugging) I Royalties: pro Installation auf Zielgerät I (Schulung der Entwickler)

21 / 35 GNU General Public License (GPL)

I Richard Stallman, 1989 I Kurzform: 1. Das Werk darf für beliebige Zwecke verwendet werden (auch kommerziell). 2. Das Werk darf beliebig weitergegeben werden, kostenlos oder kostenpflichtig. Der Quelltext (auch eigener Modifikationen) ist mitzuliefern. 3. Das Werk darf beliebig modifiziert werden. 4. Es dürfen keine Einschränkungen an diesen Regeln erfolgen. I enthält sog. starkes „Copyleft“: erzwingt die Weiterverbreitung von aus freien Werken abgeleiteten Werken → niemand kann die Verbreitung eines ursprünglich freies Werk verhindern („Virulenz“) I wichtigste Open-Source-Lizenz I Beispiele: Linux, eCos, GCC, emacs, vi

22 / 35 Nachteile der GPL

I untersagt das Vermischen von GPL-Code mit Code, der unter inkompatibler Lizenz steht (also alle closed source, aber auch freie Software) I → Binärtreiber bestimmter Grafikkarten sind eigentlich illegal im Linux-Kern (geduldet; „tainted kernel“) I erschwert die Migration zu freier Software, da in Unternehmen existierende kommerzielle Software nicht ohne weiteres in diese integriert werden kann I Verletzungen werden verfolgt! (gpl-violations.org)

23 / 35 Klassifizierung von Betriebssystemen

Kriterium: Nutzeranzahl I Single-User-BS I Multi-User-BS Kriterium: Anzahl unabhängiger Aktivitäten I Single-Tasking-BS I Multi-Tasking-BS Kriterium: Kommunikation mit der Umwelt I BS zur Stapelverarbeitung (Batchbetrieb) I interaktives BS I BS für autonome Systeme

24 / 35 Klassifizierung von Betriebssystemen II

Kriterium: Verteilung I lokales BS I verteiltes BS Kriterium: Zielarchitektur/Einsatzzweck I Serverbetriebssystem I eingebettetes Betriebssystem I Echtzeitsystem I Mainframe-BS I BS für Personal Computer I BS für Smart Card I BS zur Ausbildung/Lehre

25 / 35 Welches Betriebssystem wird eingebettet eingesetzt?

62 Please select ALL of the operating systems you are currently using.

Embedded Linux 22% FreeRTOS 20% In-house/custom 19% Android 13% Debian (Linux) 13% Ubuntu 11% Microsoft (Windows Embedded 7/Standard) 8% Texas Instruments RTOS 5% Texas Instruments (DSP/BIOS) 5% Micrium (uC/OS-III) 5% Microsoft (Windows 7 Compact or earlier) 5% Keil (RTX) 4% Micrium (uC/OS-II) 4% Wind River (VxWorks) 4% 2017 (N=619) AnalogDevices (VDK) 3% Express Logic (ThreadX) 3% Freescale MQX 3% Only Operating Systems with 2% or more are shown. Angstrom (Linux) 3% Green Hills (INTEGRITY) 2% Base: Currently using an

2017 Embedded Markets Study © 2017 Copyright by AspenCore. All rights reserved.

(https://m.eet.com/media/1246048/2017-embedded-market-study.pdf) 26 / 35 Interaktion mit dem Betriebssystem

Paradigmen: I vorwiegend textorientiert (Konsole, Shell, Eingabeaufforderung) I grafische Oberfläche (Windows, KDE, Windowmaker) Die Frage Was ist besser? führt unausweichlich zu Ärger I keine Frage des Betriebssystems sondern der persönlichen Vorliebe

27 / 35 Modellierung und Strukturierung von BS

Problem: BS gehören zu den komplexesten Softwaresystemen überhaupt! → durch Lesen des Programmcodes kaum zu verstehen Technik: Durch Reduktion der möglichen Kommunikationsbeziehungen zwischen Komponenten Übersicht schaffen.

28 / 35 Modell 1: Monolithisches System

I Andrew Tanenbaum: “The Big Mess” I jede Routine, Funktion, . . . darf jede andere im System rufen unübersehbare Vielfalt potentieller Kommunikationsbeziehungen I kein Information Hiding I BS = Sammlung von Funktionen I typisch für „historisch gewachsene“ Systeme I effizient!

29 / 35 Modell 2: Geschichtetes System

I Kommunikation nur zwischen Instanzen benachbarter Schichten I Beispiel: OSI-Schichtenmodell der ISO für Kommunikationsprotokolle (7 Schichten) I leider kein vergleichbarer Standard in der BS-Technologie etabliert Applikation Dateisystem Gerätetreiber Betriebssystem−Kern Diensthierarchie Hardware Steuerungshierarchie

Abbildung: Beispiel für ein geschichtetes System

I Gefahr der Ineffizienz 30 / 35 Variante: quasikonsistente Schichtung

I Schichtung nicht zwingend:

Applikation COMMAND Applikationen

DOS "Betriebssystem" BIOS I/O CPU Hardware

Abbildung: Quasikonsistente Schichtung im MS-DOS

31 / 35 Beispiel für ein komplex geschichtetes Modell Windows, and Chapter 4 details management mechanisms such as the registry, service processes, and Windows Management Instrumentation . Other chapters explore in even more detail the internal Mark Russinovitch et al:structureWindows and operation of Internals. key areas such as processes6th and ed., threads, Microsoftmemory management,Press, security, 2012, S. 47 the I/O manager, storage management, the cache manager, the Windows (NTFS), and networking .

System Processes

Session manager Local session manager Services Applications Environment Subsystems ServiceWindows control DLLs manager Service host Local Security Windows Windows DLLs Windows DLLs Authority Windows DLLs Windows DLLs PrintWindows spooler DLLs User WindowsWinlogon DLLs application SUA Wininit Windows DLLs Subsystem DLLs Windows DLLs Windows DLLs Windows DLLs

NTDLL.DLL

User mode

Kernel mode

System threads

System Service Dispatcher

(Kernel mode callable interfaces)

Advanced local Windows Configuration I/O Plug and Play procedure

reference USER, manager manager manager manager manager manager Memory monitor Security manager Object Cache GDI call Device and file system Graphics drivers drivers Kernel

Hardware abstraction layer (HAL)

Hardware interfaces (buses, I/O devices, , interval timers, DMA, memory cache control, etc.)

FIGURE 2-3 Windows architecture

CHAPTER 2 System Architecture 47 32 / 35 Modell 3: Client-Server-Modell

I Diensterbringung durch eine zentrale Instanz I Client wendet sich mit Dienst-Wunsch an Server I Server erbringt gewünschten Dienst, wenn möglich I Beispiele: Speicherverwaltung im BS, NTP-Server, Drucker-Server, . . . I sog. Mikrokern-Architekturen wenden das Prinzip konsequent auf BS-Komponenten an

33 / 35 Zusammenfassung: Was haben wir gelernt?

1. Es gibt viele BS 2. Was ist UNIX? 3. Lizensierung: Closed Source vs. Open Source 4. Klassifikationskriterien von BS 5. Modellierung/Strukturierung von BS: I monolithisch I geschichtet I Client-Server-Beziehungen

34 / 35 Literaturvorschläge

I Andrew S. Tanenbaum: Modern Operating Systems. Pearson Education I Richard Stallings: Operating Systems. Fifth Edition, Prentice-Hall I Dokumentation der Geschichte des Windows-Betriebssystems: http://www.winhistory.de/ I Ellen Siever, Stephen Figgins, Robert Love, Arnold Robbins: Linux in a Nutshell. Sixth Edition, O’Reilly, 2009 I Cameron Newham: Learning the Bash Shell. Third Edition, O’Reilly, 2005

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