Medienbegleitheft zum USB-Stick 14471 Oskar Schindlers schwieriges Erbe

Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec

Oskar Schindlers schwieriges Erbe

Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec

Medienbegleitheft zum USB-Stick 14471 Ca. 46 Minuten, Produktionsjahr 2018

Impressum

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Dieses medienbegleitende Arbeits- und Informationsheft dient ausschließlich als Handreichung für die Vor­ bereitung und Durchführung von Unterrichtseinheiten mit Medieneinsatz durch Studierende, durch Pädago­ ginnen und Pädagogen. Es ist zum Ausdrucken bestimmt und nicht als elektronisches Unterrichtsmaterial erarbeitet. Aus diesem Grund erfüllt es die Erfordernisse der Barrierefreiheit nicht.

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Verlags- und Herstellungsort: Wien, 2019

Inhalt

1 Einleitung ...... 8

1.1 Die Dokumentation „Das schwierige Erbe Oskar Schindlers“ ...... 8

1.2 Filmkapitel ...... 10

1.3 Die Dokumentation und der Film „Schindlers Liste“ ...... 10

2 Zum Einsatz des Begleitmaterials ...... 11

2.1 Übersicht / Einordnung in den Lehrplan ...... 11

2.2 Lehr und Lernziele ...... 11

2.3 Benötigtes Vorwissen der Schüler/innen ...... 12

2.4 Informationen zu den Themen-Modulen ...... 12

M1: Basiswissen ...... 12

M2: – Held, Lebensretter, Opportunist, Verräter? ...... 12

M3: Gedenkkultur am Beispiel Oskar Schindlers ...... 13

M4: Die Macht der Sprache ...... 14

M5: Das Leben im KZ Außenlager Brünnlitz ...... 14

M6: Emilie Schindler im Schatten Oskar Schindlers ...... 15

3 Verwendete und weiterführende Quellen, Literatur und Links ...... 16

3.1 Verwendete Quellen, Links und Literatur ...... 16

Filme ...... 16

Lehrpläne ...... 16

Literatur ...... 16

Links und PDFs online ...... 17

Zeitungsartikel online ...... 19

3.2 Weiterführende Links ...... 20

Unterrichtsmaterial zu Oscar Schindler ...... 20

Unterrichtmaterial zu Schindlers Liste ...... 20

Filmvorführung in der Schule ...... 20

Filmvorführung im Kino ...... 20

4 Abbildungsnachweis ...... 21

Anhang: Arbeitsmaterialien ...... 22

Zeichenerklärungen ...... 22

M1 Basiswissen ...... 23

Kurzbiografie: Oskar Schindler ...... 23

Kurzbiografie: Emilie Schindler ...... 25

Gerechte unter den Völkern ...... 27

Zwittau / ...... 27

Das KZ Płaszów ...... 27

Das KZ-Außenlager Brünnlitz ...... 28

Lage von Brünnlitz / Brnĕnec ...... 29

Die Transporte von Juden aus Golleschau ...... 29

M2 Oskar Schindler – Held, Lebensretter, Opportunist, Verräter? ...... 30

Quellenstudium 1: Oskar Schindler 1939–1974 ...... 30

Quellenstudium 2: Oskar Schindler aus der Sicht der „Schindlerjuden“ ...... 33

Quellenstudium 3: Oskar Schindler – ein Verräter? ...... 36

Quellenstudium 4: Oskar Schindler – über sich selbst ...... 38

Vertiefender Arbeitsauftrag zu Quellenstudium 1 bis 4 (M2) ...... 38

M3 Gedenkkultur am Beispiel Oskar Schindlers ...... 39

Quellenstudium 1: Denkmäler für Oskar Schindler ...... 39

Quellenstudium 2: Umgang mit „Spuren“ der NS Vergangenheit ...... 42

Quellenstudium 3: Vergangenheit ist nicht Geschichte ...... 44

Quellenstudium 4: Schindlers Fabrik heute ...... 45

M4 Die Macht der Sprache ...... 46

Quellenstudium: „Meine Herren und Damen“ ...... 46

M5 Das Leben im KZ Außenlager Brünnlitz ...... 47

Quellenstudium: Lagerordnung KZ Außenlager Brünnlitz ...... 47

Quelle: Dokument 194, ...... 47

M6 Emilie Schindler im Schatten Oskar Schindlers ...... 51

Quellenstudium 1: Emilie Schindler – Der Engel von Brünnlitz ...... 51

Quellenstudium 2: Emilie Schindler und der Film „Schindlers Liste“ ...... 54

Vertiefender Arbeitsauftrag: Treatment für Spielfilm oder Doku ...... 56

Informationen und Lösungsvorschlage zu den Modulen ...... 57

L: M2 Oskar Schindler – Held, Lebensretter, Opportunist, Verräter? ...... 57

L: M3 Gedenkkultur am Beispiel Oskar Schindlers ...... 58

L: M4 Die Macht der Sprache...... 60

L: M5 Das Leben im KZ Außenlager Brünnlitz ...... 60

L: M6 Emilie Schindler im Schatten Oskar Schindlers ...... 61

1 Einleitung

1.1 Die Dokumentation „Das schwierige Erbe Oskar Schindlers“

Die Geschichte des Unternehmers Schindler, der die Rettung von rund 1.200 jüdischen Zwangsarbeiter/innen verantwortete, ist seit Steven Spielbergs Drama „Schindlers Liste“ welt­ berühmt. Oskar Schindler veranlasste 1944 die Verlegung dieser Menschen aus dem Konzen trationslager Plaszow bei Krakau in seine Fabrik im tschechisch-mährischen Brněnec / Brünn­ litz und bewahrte die KZ-Insassen damit vor dem sicheren Tod.

Doch was passierte mit der so bekannt gewordenen Fabrik, die nur zwei Autostunden nördlich von Wien gelegen ist und demnächst zur Gedenkstätte werden soll? Die Dokumentation von Werner Müller begibt sich auf Spurensuche.1

Die Geschichte der alten Textilfabrik in Brünnlitz /Brnĕnec2

Die alte Textilfabrik in der kleinen tschechischen Ortschaft Brünnlitz /Brnĕnec kann eine lange Geschichte erzählen.

1839 im damaligen Königreich Böhmen vom jüdischen Unternehmer Moses Löw-Beer gegrün­ det, trägt sie neben vielen anderen Betrieben rund um Brünn dazu bei, dass Böhmen im 19. Jahrhundert zum industriellen Rückgrat der Donaumonarchie wird.

Den ersten Weltkrieg übersteht sie unbeschadet. Nach der Annexion von Böhmen und Mäh­ ren im Jahre 1939 – von der nationalsozialistischen Propaganda als „Zerschlagung der Rest- Tschechei“ bezeichnet – wird die Familie Löw-Beer enteignet und das Unternehmen arisiert.

Weltbekannt wird die Fabrik allerdings durch Oskar Schindler, der hier ab 1944 ein Jahr lang 1.200 jüdische Zwangsarbeiter/innen beschäftigt und unterbringt und damit vor der Ermor­

1 APA OTS: ORF III am Donnerstag: Viermal „zeit.geschichte spezial“ u. a. mit Doku-Premiere „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. 07.11.2018. Link (https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20181107_OTS0125/orf-iii- am-donnerstag-viermal-zeitgeschichte-spezial-u-a-mit-doku-premiere-oskar-schindlers-schwieriges-erbe). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 2 Text übernommen von: Müller, Werner: Das schwierige Erbe des Oskar Schindler. Zusammenfassung. Werner Müller Filmproduktion, 19.01.2015. Bearbeitung Anna Krenn.

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dung durch Hitlers SS-Schergen bewahrt, was ihn sein gesamtes Vermögen kostet. Diese Ge­ schichte ist Gegenstand von Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ aus dem Jahr 1994, der mit Oskar Schindlers Flucht aus Brünnlitz vor der herannahenden Roten Armee endet.

Die wechselvolle Geschichte der Fabrik hingegen geht weiter. Sie erlebt die brutale Vertrei­ bung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei und wird in der Ära des realen Sozialis­ mus verstaatlicht. Der Prager Frühling zieht an ihr vorüber, ebenso die „Samtene Revolution“ 1989. In diesen Jahren produziert das Unternehmen erfolgreich Stoffe und Bezüge für Polster­ möbel und Fahrzeuge.

1992 wird sie schließlich privatisiert und kann ihren wirtschaftlichen Erfolg weitere zehn Jahre fortsetzen. Doch 2003 wird der Betrieb zum Opfer betrügerischer Machenschaften, das Be­ triebsvermögen verschwindet in dunklen Kanälen, hunderte Menschen verlieren ihren Ar­ beitsplatz. Innerhalb weniger Jahre wird das Werk unter fragwürdigen Umständen dreimal verkauft und weiter ausgeplündert.

Das Gelände ist heute verwüstet und rund um die zerstörten Gebäude hat sich ein skurriler Mikrokosmos gebildet: Besucher/innen mit Hang zum Jenseitigen kommen hier zu „Death Metal“-Konzerten zusammen, in Schindlers ehemaligem Büro hausen – offenbar illegal – eher zweifelhafte Mieter/innen, Einheimische versuchen sich als Hobby-Archäologen/innen, und ein Keramikkünstler aus dem Ort sowie sein Hund praktizieren zwischen den einsturzgefähr­ deten Mauern ihr Überlebenstraining.

Alle Pläne, auf dem Gelände 70 Jahre nach Schindler doch noch eine Gedenkstätte zu errich­ ten oder es gar zum UNESCO-Weltkulturerbe zu erklären, scheitern am fehlenden Geld, an den unklaren Besitzverhältnissen (derzeit sind diesbezüglich 54 Prozesse anhängig) und schließlich auch daran, dass Oskar Schindler als Sudetendeutscher und ehemaliges NSDAP- Mitglied in der Tschechischen Republik bis heute umstritten ist. Ein Schicksal, das er mit seiner ehemaligen Fabrik teilt.

9 1.2 Filmkapitel

Kapitel 1: Intro Kapitel 2: 1908–1939: Oskar Schindler in Zwittau (Svitavy) Kapitel 3: Arisierung der Emailfabrik in Krakau Kapitel 4: Die Überreste des KZ Płaszów Kapitel 5: Die Verlagerung der Produktion nach Brünnlitz Kapitel 6: Transport der KZ-Häftlinge über Groß-Rosen und Auschwitz nach Brünnlitz Kapitel 7: Das KZ-Außenlager Brünnlitz Kapitel 8: Emilie Schindler: Der Engel von Brünnlitz Kapitel 9: 1945: Schindlers Flucht und die Befreiung des Lagers Brünnlitz Kapitel 10: Das Schicksal Oskar Schindlers und der Fabrik in Brünnlitz nach 1945 Kapitel 11: Das Gedenken an Oskar Schindler heute

1.3 Die Dokumentation und der Film „Schindlers Liste“

Prinzipiell erscheint es als sinnvoll, die Dokumentation im Zusammenhang mit dem Film „Schindlers Liste“ zu zeigen, wenngleich der Spielfilm eine Länge von über drei Stunden hat und daher mehrere Unterrichtseinheiten benötigt.

Empfohlen wird eine Sichtung des Films im Ganzen, beispielsweise an Projekttagen oder im Zuge geblockter Unterrichtseinheiten. Der Spielfilm steht so wie die Dokumentation über die Online-Plattform Bildungsmedien.TV im Streaming zur Verfügung.3 Besonders lohnend kann es sein, den Film von im Ganzen in einer Kinovorführung zu zeigen, zumal hier der Grad der Ablenkung weitaus geringer ist als in einem Klassenraum. Kinos in ganz Ös­ terreich bieten auf Anfrage immer wieder Schulvorführungen von „Schindlers Liste“ an.4

Die Dokumentation hat eine Gesamtlänge von ca. 50 Minuten und ist daher in zwei bis drei Unterrichtseinheiten (inkl. Nachbesprechung und ausgewählter Arbeitsaufgaben) unterzubrin­ gen.

Modul 6 behandelt die Darstellung Emilie Schindlers in Dokumentation und Spielfilm und bie­ tet sich daher zum filmübergreifenden Arbeiten an.

3 Bildungsmedien.TV. Link (https://www.bildungsmedien.tv/). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 4 Beispiele für Schulvorstellungen finden Sie in Kapitel 3.2 Weiteführende Links.

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2 Zum Einsatz des Begleitmaterials

2.1 Übersicht / Einordnung in den Lehrplan

• Zielgruppe 7. Klasse AHS • Basiskonzept – Normen, Perspektivität • Lehrplanbezug 7. Klasse: Nationalsozialistisches System und Holocaust Widerstand5 • Historische Kompetenzen – Methodenkompetenz, Sachkompetenz, Orientierungskompe­ tenz

2.2 Lehr und Lernziele

Laut Lehrplan für AHS sollte der Unterricht unter anderem folgende Grundbereiche der Ge­ schichte, Sozialkunde und Politischen Bildung behandeln6:

• Das Verhältnis von Gesellschaft und Individuum. • Das Verstehen historischer und politischer Entwicklungen, Situationen und Handlungswei­ sen. Dies soll zur gesellschaftlichen und politischen Partizipation sowie zur Sicherung und Weiterentwicklung einer demokratischen und geschlechtergerechten Gesellschaft, damit in Verbindung zur Kenntnis, Verteidigung und Weiterentwicklung der den Grund- und Men­ schenrechten zugrundeliegenden Werte führen. • Die Auseinandersetzung mit Religionen, Weltanschauungen und ethischen Normen, soll die Fähigkeit zu differenzierter Einschätzung von gesellschaftlichen und kulturellen Phänome­ nen verstärken.

5 Siehe: BMBWF: Lehrplan AHS Oberstufe neu: Geschichte und Sozialkunde / Politische Bildung. Link (https://bil­ dung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_neu_ahs_05_11857.pdf?61ebyg). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 6 Vgl. RIS: Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Lehrpläne – allgemeinbildende höhere Schu­ len, Fassung vom 04.03.2019. Geschichte und Sozialkunde / Politische Bildung. Link (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnum­ mer=10008568&FassungVom=2018-09-01). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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2.3 Benötigtes Vorwissen der Schüler/innen

Die Schüler/innen sollen bereits vorab eine kurze Einführung in den thematisierten Zeitab­ schnitt sowie über die konkreten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingun­ gen, die letztendlich zur Shoah geführt haben, erhalten.

Für die konkrete Bearbeitung des beigelegten Materials erscheint es sinnvoll, wenn sich die Schüler/innen bereits mit der Biographie der thematisierten Personen vertraut gemacht ha­ ben. Zusätzlich kann es von Vorteil sein, wenn die Schüler/innen sich bereits mit dem Film „Schindlers Liste“ auseinandergesetzt haben. Siehe dazu: Die Dokumentation und der Film „Schindlers Liste“.

2.4 Informationen zu den Themen-Modulen

Das Begleitmaterial ist in sechs Themenmodule unterteilt, die eine Vertiefung in unterschiedli­ che Aspekte der Person „Oskar Schindler“, der Dokumentation „Das schwierige Erbe Oskar Schindlers“ und dem Spielfilm „Schindlers Liste“ ermöglichen.

M1: Basiswissen Das Basiswissen / Sachwissen ist nicht zu verwechseln mit der im historischen Kompetenz modell vorgesehenen Sachkompetenz.

Bei der historischen Sachkompetenz geht es um die Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft der Schüler/innen, Begriffe, Kategorien und Konzepte der Geschichte zu verstehen und anwenden zu können.

Das Basis-/Sachwissen liefert die Grundlage zum Verständnis historischer Sachverhalte. Ohne Basis-/Sachwissen ist ein sinnvoller weiterführender Unterricht im Sinne des Erwerbs bzw. der Anwendung von historischen Kompetenzen nicht möglich.

M2: Oskar Schindler – Held, Lebensretter, Opportunist, Verräter? Lehr- und Lernziele: Vorbereitung auf das weitere Arbeiten mit der Dokumentation. Zum bes­ seren Verständnis und zur leichteren Bearbeitung der Aufgabenstellungen sollen sich die Schüler/innen mit der Thematik bereits auseinandergesetzt haben (siehe: 2.3 Benötigtes Vor­ wissen).

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In diesem Modul werden verschiedene Aussagen über die Person Oskar Schindler einander gegenübergestellt. Die angeführten Arbeitsaufträge sollen die Schüler/innen dazu befähigen, im Sinne der Multiperspektivität historische Personen unterschiedlich zu bewerten. Sie sollen erkennen, dass es je nach persönlicher Erfahrung bzw. Sozialisation und politischer Einstellung unterschiedliche Sichtweise gibt.

Kompetenzen: • Historische Kompetenz • Methodenkompetenz (Dekonstruktion) • Sachkompetenz (Multiperspektivität und Kontroversität)

Methoden: Einzel- oder Partner/innenarbeit

M3: Gedenkkultur am Beispiel Oskar Schindlers Die Bearbeitung von Modul 3 soll den Schüler/innen die unterschiedlichen Zugänge zur Frage des Umgangs mit der eigenen bzw. fremden Vergangenheit und den damit verbundenen Pro blemen aufzeigen.

Als Einstieg wäre die Thematisierung der Novellierung des sogenannten polnischen „Holocaust Gesetzes“ vom 6. Februar 2018 möglich, das Strafen für polnische Bürger/innen und Auslän­ der/innen vorsieht, welche die Todeslager der Nazis im besetzen Polen fälschlicherweise als „polnische Lager“ bezeichnen. Im Detail sieht das Gesetz Geldstrafen oder bis zu drei Jahre Haft vor, wenn jemand unter anderem öffentlich dem polnischen Volk oder Staat die Verant­ wortung oder Mitverantwortung für vom „Dritten Reich“ begangene Nazi-Verbrechen zu­ schreibt.7

Die angeführten Quellen thematisieren zum einen den schwierigen Umgang der tschechischen Stadt Svitavy (ehemals Zwittau) mit der Person Oskar Schindler, zum zweiten den sehr persön­ lichen Zugang der bereits erwähnten Historikerin Gruntova und zum dritten den Umgang des offiziellen Polen mit Gebäuden und Plätzen der Vergangenheit am Beispiel von Płaszów.

7 Vgl. Wikipedia: Gesetz über das Institut des Nationalen Gedenkens – Kommission für die Verfolgung von Ver­ brechen gegen das Polnische Volk. Link (https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_%C3%BCber_das_Insti­ tut_des_Nationalen_Gedenkens_%E2%80%93_Kommission_f%C3%BCr_die_Verfolgung_von_Verbrechen_ge­ gen_das_Polnische_Volk). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Ebenso soll den Schüler/innen an Hand des Quellenstudiums 3 aufgezeigt werden, dass nicht alles, was auf die Vergangenheit hinweist, auch tatsächlich aus dieser stammt, zumal Ge­ schichte nur eine Rekonstruktion von Vergangenheit ist.

Kompetenzen: • Historische Kompetenz – Methodenkompetenz – (Re- und Dekonstruktion) • Historische Orientierungskompetenz • Sachkompetenz (Konzept Perspektivität)

M4: Die Macht der Sprache Sprache bedeutet Macht und hat auch Einfluss auf die Machtverhältnisse zwischen Menschen. Sprache kann verletzen oder auch dazu führen, dass Menschen sich wertgeschätzt fühlen.

An Hand eines ausgewählten Beispiels aus der Dokumentation soll den Schüler/innen exemp­ larisch gezeigt werden, was Sprache bzw. Wortwahl für Menschen (gerade in Ausnahmesitua­ tionen) bedeuten kann.

Kompetenzen: • Historische Kompetenz – Historische Methodenkompetenz (Dekonstruktion) • Sachkompetenz (Konzept Macht)

M5: Das Leben im KZ Außenlager Brünnlitz Die Strukturierung des Lagerlebens, die Vorschriften und verlangten Rituale gegenüber „Vor­ gesetzten“ sind Ausdruck von Macht und Unterdrückung.

Die Schüler/innen sollen, an Hand der vorliegenden Quellen, die Absichten, die hinter diesen Ritualen stecken und der Machtausübung dienen, entschlüsseln.

Kompetenzen: • Historische Kompetenzen – Methodenkompetenz (Dekonstruktion) • Sachkompetenz (Konzept Macht) • Orientierungskompetenz

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M6: Emilie Schindler im Schatten Oskar Schindlers Dieses Modul setzt sich mit der Person Emilie Schindler und ihrer Darstellung in der Dokumen­ tation und im Spielfilm auseinander.

Als Einstieg in dieses Modul sollten die Kurzbiographie Emilie Schindlers und der Infotext zu den „Juden von Golleschau“ gelesen werden (beides Modul 2).

Kompetenzen: • Historische Methodenkompetenz • Historische Sachkompetenz

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3 Verwendete und weiterführende Quellen, Literatur und Links

3.1 Verwendete Quellen, Links und Literatur

Filme Oskar Schindlers schwieriges Erbe. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Ein Film von Werner Müller. Idee und Mitarbeit: Elisabeth Baumegger. Textgestaltung: Wilfried Seifert. TV-Doku­ mentation, Drehbuch und Kommentartext. Werner Müller Film, 2018.

Schindlers Liste. Regie: Steven Spielberg. Produktion: Steven Spielberg, Gerald R. Molen, Branko Lustig. Universal Studios / Amblin Entertainment, 1993.

Beide Filme sind auf der Plattform Bildungsmedien.TV verfügbar: Bildungsmedien.TV. Link (https://www.bildungsmedien.tv/). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

Lehrpläne BMBWF: Lehrplan AHS Oberstufe neu: Geschichte und Sozialkunde / Politische Bildung: Link (https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_neu_ahs_05_11857.pdf?61ebyg)

RIS: Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Lehrpläne – allgemeinbildende höhere Schulen, Fassung vom 04.03.2019. Geschichte und Sozialkunde / Politische Bildung: Link (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzes­ nummer=10008568&FassungVom=2018-09-01). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

Literatur Müller, Werner: Das schwierige Erbe des Oskar Schindler. Zusammenfassung. Werner Müller Filmproduktion, 19.01.2015.

Rosenberg, Erika (Hrsg.): Ich, Emilie Schindler. Erinnerungen einer Unbeugsamen. Herbig: München, 2006.

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Links und PDFs online Wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, alle Links zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

APA OTS: ORF III am Donnerstag: Viermal „zeit.geschichte spezial“ u. a. mit Doku-Premiere „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“, 07.11.2018. Link (https://www.ots.at/presseaussen­ dung/OTS_20181107_OTS0125/orf-iii-am-donnerstag-viermal-zeitgeschichte-spezial-u-a-mit- doku-premiere-oskar-schindlers-schwieriges-erbe) erinnern.at: Innenminister Sobotka: Hitler-Geburtshaus wird „tiefgreifend umgestaltet“. Link (http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/gedaechtnisorte- gedenkstaetten/neukonzeption-von-gedenkstaetten/debatte-um-hitlers-geburtshaus-in- braunau/innenminister-sobotka-hitler-geburtshaus-wird-201etiefgreifend-umgestaltet201c)

Google Maps: Brnĕnec. Link (https://www.google.com/maps/place/569+04+Brn%C4%9Bnec,+Tschechien/@48.83434 81,14.4706114,8z/data=!4m5!3m4!1s0x471279aeb6c57f7b:0x29dcb8281dfdb960!8m2!3d49. 6273493!4d16.522025)

LEMO: Emilie Schindler: 1907–2001. Link (https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-emilie-schindler.html).

LEMO: Oskar Schindler. 1908–1974. Link (https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-oskar-schindler.html)

Mietek-Pemper.de: Henry Weises Aussage über seine Zeit in den verschiedenen KZs und über Schindlers Hilfe 2. Link (http://www.mietek-pemper.de/wiki/Bild:Gray1130.jpg)

Mietek-Pemper.de: Plaszow als Zwangsarbeiterlager. Link (http://www.mietek-pemper.de/wiki/Plaszow_als_Zwangsarbeiterlager)

Mietek-Pemper.de: Schindler in Krakau. Link (http://www.mietek-pemper.de/wiki/Kapitel_3:_Schindler_in_Krakau)

Nordbayern: Steven Spielberg wollte leider nur einen Helden haben. Link (https://www.nord­ bayern.de/region/schwabach/steven-spielberg-wollte-leider-nur-einen-helden-haben- 1.2529368)

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Marion Obermüller: Kompetenzorientiertes Arbeiten mit Filmen auf Bildungsmedien.TV. BMB: Wien, 2015. Link (https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:15dca4d5-f3e5-4554-b2d6- f79f2bd2ed6a/tmbh_2015_filme.pdf).

ORF.at: Tschechien: Schindlers Fabrik wird Holocaust-Gedenkstätte. 15.08.2016. Link (https://orf.at/stories/2353936/)

Radio Praha / Deutsch: Die Suche nach dem Davidstern – Oskar Schindler und Svitavy / Zwittau. Link (http://www.radio.cz/de/rubrik/spezial/die-suche-nach-dem-davidstern-oskar- schindler-und-svitavy-zwittau). Zuletzt abgerufen am 15.07.2019.

Tripadvisor: KZ nicht als Gedenkstätte erhalten. Link (https://www.tripadvisor.at/Attraction_Review-g274772-d1206588-Reviews-Plas­ zow_Concentration_Camp-Krakow_Lesser_Poland_Province_Southern_Poland.html)

Wikipedia: Gesetz über das Institut des Nationalen Gedenkens – Kommission für die Verfol­ gung von Verbrechen gegen das Polnische Volk. Link (https://de.wikipedia.org/wiki/Ge­ setz_%C3%BCber_das_Institut_des_Nationalen_Gedenkens_%E2%80%93_Kommis­ sion_f%C3%BCr_die_Verfolgung_von_Verbrechen_gegen_das_Polnische_Volk)

Wikipedia: Das KZ Płaszów. Link (https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Plaszow)

Wikipedia: Das KZ-Außenlager Brünnlitz. Link (https://de.wikipedia.org/wiki/KZ-Au%C3%9Fenlager_Br%C3%BCnnlitz)

Wikiwand: Jerzy Gross. Link (https://www.wikiwand.com/de/Jerzy_Gross)

Yad Vashem: Gerechte unter den Völkern – Die Figur Oskar Schindler im Unterricht. Link (https://www.yadvashem.org/de/education/educational-materials/lesson- plans/schindler.html)

Yad Vashem: Lagerordnung Brünnlitz, 18.1.1945. Dokument 194. Link (https://www.yadvashem.org/de.html). Zuletzt abgerufen am 01.08.2018.

Uni Kiel: Lexikon der Filmbegriffe. Link (https://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=7814).

Zwittau.de: Geschichte der Stadt Zwittau und ihre Umgebung. Link (http://www.zwittau.de/)

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Zeitungsartikel online Alle Links zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

Focus Online: Holocaust Überlebender spricht: „Oskar Schindler hat unser Abschiedsgeschenk verzockt“. Link (https://www.focus.de/panorama/welt/holocaust-ueberlebender-erzaehlt- oskar-schindler-hat-unser-abschiedsgeschenk-verzockt_aid_1003164.html).

Keller, Claudia: Oskar Schindler – Spion und Lebensretter. In: Kölner Stadtanzeiger, 27.04.2008. Link (https://www.ksta.de/oskar-schindler--­spion-und-lebensretter-13538038)

Mostýn, Alexandra: Schindlers Spuren. In: LandesEcho – Die Zeitung der Deutschen in Tsche­ chien. 7/2016. Link (http://www.landeszeitung.cz/index.php/gesellschaft/190-schindlers-spuren)

Red.: Die Fabrik des Menschenretters Oskar Schindler. In: Kurier.at, 29.10.2017. Link (https://kurier.at/politik/ausland/oskar-schindlers-fabrik-auf-den-spuren-des-menschen­ retters/294.844.672)

Red.: Schindler-Fabrik unter Denkmalschutz. In: Jüdische Allgemeine, 20.10.2016. Link (https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/26762)

[Die] Welt: Die immer neue Frage: Wer war Oskar Schindler? Link (https://www.welt.de/print- welt/article497954/Die-immer-neue-Frage-Wer-war-Oskar-Schindler.html).

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3.2 Weiterführende Links

Wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, alle Links zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

Unterrichtsmaterial zu Oscar Schindler

Yad Vashem: Gerechte unter den Völkern – Die Figur Oskar Schindler im Unterricht. Link (https://www.yadvashem.org/de/education/educational-materials/lesson- plans/schindler.html)

Zronik, Andrea: Oskar Schindler – ein Gerechter unter den Völkern. Vorschläge für den Unter­ richt. Abschlussarbeit für den Akademielehrgang „Pädagogik an Gedächtnisorten“. Linz: 2006. Link (http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/lernmaterial-unterricht/abschluss­ arbeiten/Zronik_Abschlussarbeit.pdf/view)

Unterrichtmaterial zu Schindlers Liste

Schulkino.at: Unterrichtsmaterial Schindlers Liste. Link (https://www.schulkino.at/film-details/schindlers-liste.html?schoolMaterial=show)

Visionkino.de: Unterrichtsmaterial Schindlers Liste. Link (https://www.visionkino.de/unterrichtsmaterial/filmhefte/unterrichtsmaterial-schindlers- liste/)

Filmvorführung in der Schule

Bildungsmedien.TV. Link (https://www.bildungsmedien.tv/)

Filmvorführung im Kino

Cinema Paradiso Baden. Link (http://cinema-paradiso.at/baden/school/infos/)

Das Kino Salzburg. Link (https://www.daskino.at/schulkino/anmeldung/)

Schulkino.at: Schindlers Liste. Link (https://www.schulkino.at/film-details/schindlers-liste.html?schoolMaterial=show)

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4 Abbildungsnachweis

Deckblatt / Coverbild: Die Fabrik in Brünnlitz heute. Screenshot aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Werner Müller Film, 2018.

Abbildung 1: Oscar Schindler. Urheber unbekannt. Quelle: Yad Vashem / Wikimedia Commons. Lizenz: Gemeinfrei. File: Schindler, Oskar.jpg URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schindler,_Oskar.jpg?uselang=de. Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 23

Abbildung 2: Emilie Schindler. Screenshot aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Werner Müller Film, 2018. 25

Abbildung 3: Die Lage von Brünnlitz / Brnĕnec. Screenshot aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Werner Müller Film, 2018. 29

Abbildung 4: Denkmal für Oskar Schindler in Zwittau / Svitavy. Screenshot aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Werner Müller Film, 2018. 41

Abbildung 5: Frankfurt am Main: Gedenktafel für Oskar Schindler; an seinem Wohnhaus in der Nähe des Hauptbahnhofs. Urheber: Frank Behnsen. Lizenz: CC-BY-SA-3.0. File: FFM Oskar-Schindler-Gedenktafel.jpg URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:FFM_Oskar-Schindler-Gedenktafel.jpg. Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 41

Abbildung 6: Darstellung Emilie Schindlers in der Dokumentation und im Spielfilm. Bild links: Fotografie Emilie Schindler. Screenshot aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Werner Müller Film, 2018. Bild rechts: Emilie Schindler, dargestellt von Caroline Goodall, Filmszene. Screenshot aus dem Spielfilm „Schindlers Liste“. Universal Studios / Amblin Entertainment, 1993. 51

21 Anhang: Arbeitsmaterialien

Die Arbeitsmaterialien im Anhang sind als Kopiervorlage für den Ausdruck in Klassenstärke ge­ dacht.

Sie sind nicht als elektronisches Unterrichtsmaterial erarbeitet. Aus diesem Grund erfüllen sie die Erfordernisse der Barrierefreiheit nicht.

Die Formatierung wurde an die inhaltlichen und didaktischen Anforderungen für Arbeitsmate­ rialien für Schüler/innen angepasst. Sämtliche Quellangaben befinden sich auch im Literatur- und Abbildungsverzeichnis.

Zeichenerklärungen

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M1 Basiswissen

Kurzbiografie8: Oskar Schindler

Abbildung 1: Oscar Schindler. Urheber unbekannt. Quelle: Yad Vashem / Wikimedia Commons. Lizenz: Gemein­ frei. File: Schindler, Oskar.jpg URL: https://commons.wikime­ dia.org/wiki/File:Schindler,_Oskar.jpg?u­ selang=de. Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

1908: Oskar Schindler wird am 28. April in Zwittau (heute: Svitavy, Tschechien) geboren.

Schindler besucht die Volks- und Realschule und absolviert eine Ausbildung zum Ingenieur im väterlichen Betrieb.

1928: Schindler heiratet Emilie Pelzl, die Tochter eines wohlhabenden Landwirts.

1930–1935: Nach Schließung der väterlichen Landmaschinenfabrik wird Schindler Leiter der Verkaufsabteilung der Mährischen Elektrotechnischen AG in Brünn (heute: Brno, Tschechien).

1935–1939: Schindler arbeitet im Amt „Ausland / Abwehr“ im Bereich der deutschen Spiona­ geabwehr in Mährisch-Ostrau (heute: Ostrava, Tschechien) und Breslau (heute: Wroclaw, Polen). Er ist mit der Beschaffung von Informationen über polnische und tschechische Spione sowie der polnischen Armee betraut.

1939: Eintritt in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Schindler wird wegen Hochverrat angeklagt und zum Tode verurteilt. Eine Urteilsvollstreckung wird durch die Annexion Böhmens und Mährens durch die Nationalsozialisten verhindert.

Nach dem deutschen Überfall auf Polen geht Schindler nach Krakau und erwirbt zunächst als Pächter die ehemalige Firma Rekord, eine Press- und Emaillierfabrik, für die er Polen als billige Arbeitskräfte einstellt. Als „Deutsche Emailwarenfabrik“ (DEF) produziert die Firma Geschirr und Kochutensilien für die Wehrmacht.

1940: Schindler ist ebenfalls Pächter der Prokászimer Glashütte bei Krakau und beschäftigt dort etwa 380 Menschen. Durch immer neue Produktionsaufträge wächst die Belegschaft auf

8 Zusammengefasst nach: LEMO: Oscar Schindler. 1908–1974. Link (https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-oskar-schindler.html). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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etwa 700 Arbeiter/innen. Er unterhält zahlreiche Beziehungen zu hochrangigen örtlichen Be­ amten, Wehrmachtsvertretern und Offizieren der (SS).

1942: Im Zuge der systematischen Beseitigung der jüdischen Bevölkerung aus dem Erwerbs leben, der Liquidierung der Ghettos und dem Beginn des NS-Völkermords entschließt sich Schindler, mehr jüdische Arbeiter/innen in der Fabrik zu beschäftigen. Zusammen mit seiner Frau Emilie kümmert er sich um eine bessere Versorgung der Zwangsarbeiter/innen.

Wegen seiner Unterstützung für jüdische Zwangsarbeiter/innen wird er bei der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) denunziert und kurzzeitig verhaftet.

1943: Nach Auflösung des Krakauer Ghettos und dem Bau des Konzentrationslagers (KZ) Kra­ kau-Płaszów pendeln die 1.200 Arbeitskräfte zwischen Lager und Betrieb. Zum Schutz seiner zumeist jüdischen Arbeiter/innen erwirkt Schindler die Genehmigung zur Errichtung eines ei­ genen Lagers auf seinem Fabrikgelände. Darin bringt er auch Juden und Jüdinnen unter, die in anliegenden Betrieben arbeiteten. Für sämtliche Kosten bezüglich Bau, Einrichtung und Unter­ haltung des Lagers sowie die Verpflegung der Häftlinge muss Schindler als Unternehmer selbst aufkommen.

1944: Schindler wird die Verlagerung seiner Rüstungsproduktion nach Brünnlitz (heute: Brnĕnec, Tschechien) bei Zwittau genehmigt. Es gelingt Schindler, alle jüdischen Arbeiter/in­ nen mit nach Brünnlitz zu nehmen, nachdem sie in Personallisten erfasst wurden. (Siehe Das KZ-Außenlager Brünnlitz)

1945–1949: Nach einer fehlgeschlagenen Flucht in die Schweiz leben Oskar und Emilie Schind­ ler als Flüchtlinge in Konstanz und Regensburg. Ein wirtschaftlicher Neuanfang scheitert: Sie leben von Unterstützungen der jüdischen Hilfsorganisation „Joint“.

1949: Schindler wandert mit seiner Frau Emilie nach Argentinien aus.

1957: Rückkehr nach Deutschland.

1961: Erster Israelbesuch Schindlers, dem sieben weitere folgen.

1967: 18. Juli: Schindler wird von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als „Ge­ rechter unter den Völkern“ geehrt und erhält einen Baum in der „Allee der Gerechten“.

1974: Oskar Schindler stirbt im Bernwardkrankenhaus in Hildesheim. Er wird auf dem Franzis­ kaner-Friedhof in Jerusalem auf dem Berg Zion beigesetzt.

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Kurzbiografie: Emilie Schindler9

Abbildung 2: Emilie Schindler. Screenshot aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Werner Müller Film, 2018.

1907: 22. Oktober: Emilie Pelzl wird als zweites Kind von Josef und Maria Pelzl in Alt-Moletein (heute: Starý Moletín, Tschechien) geboren.

Sie besucht die Volksschule, eine Klosterschule und die Landwirtschaftsschule in Brünn (heute: Brno, Tschechien).

1928: 6. März: Hochzeit mit Oskar Schindler und Umzug zu Ihren Schwiegereltern nach Zwittau (heute: Svitavy, Tschechien).

1936: Umzug nach Mährisch-Ostrau (heute: Ostrava, Tschechien). Emilie Schindler unterstützt ihren Mann aktiv bei seiner Arbeit für die deutsche Spionageabwehr im Amt „Ausland /Ab­ wehr“ durch Botengänge und Hilfsdienste.

1939: Zweimal wöchentlich besucht sie Ihren Mann Oskar in Krakau, der dort nach dem deut­ schen Überfall auf Polen als Fabrikant arbeitet.

1941: Emilie Schindler zieht nach Krakau und unterstützt Oskar Schindler bei der Versorgung und Verpflegung jüdischer Zwangsarbeiter/innen in der „Deutschen Emailwarenfabrik“ (DEF).

1944: Das Ehepaar Schindler kann erwirken, dass große Teile der DEF nach Brünnlitz (heute: Brnìnec, Tschechien) bei Zwittau verlagert werden. Im Zuge dessen werden auch die jüdischen Arbeiter/innen übersiedelt.

1945: Januar: Während der Abwesenheit von Oskar Schindler nimmt Emilie Schindler etwa 100 Juden in die Brünnlitzer Fabrik auf, die aus einem Bergwerk nahe dem polnischen Golle­

9 Zusammengefasst nach: LEMO: Emilie Schindler: 1907–2001. Link (https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-emilie-schindler.html). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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schau (heute: Goleszów, Polen) abtransportiert wurden. Die drei Wochen lang ohne Verpfle­ gung in Eisenbahnwaggons eingepferchten Menschen sollten ermordet werden, wenn sie in keiner Fabrik als Arbeitskräfte unterkommen würden.

9. Mai: Zusammen mit Oskar Schindler flieht Emilie nach der deutschen Kapitulation über Kon­ stanz nach Regensburg.

1945–1949: Da ein wirtschaftlicher Neuanfang der Schindlers in den ersten Nachkriegsjahren misslingt, sind sie auf die Unterstützung der jüdischen Hilfsorganisation „Joint“ angewiesen.

1949: Oktober: Emilie Schindler wandert mit ihrem Mann nach Argentinien aus.

1957: Trennung von Oskar Schindler, der allein zurück nach Deutschland geht und ihr be­ trächtliche Schulden aus fehlgeschlagenen Geschäften hinterlässt.

1962: Wegen finanziellen Engpässen muss Emilie Schindler ihr Haus in Argentinien verkaufen und nach San Vicente ziehen. Sie lebt zurückgezogen in Argentinien.

1974: 29. Oktober: Tod Oskar Schindlers.

1993: Mai: Aufgrund der Einladung des US-amerikanischen Regisseurs Steven Spielberg reist Emilie Schindler nach Jerusalem zu den Dreharbeiten des Films „Schindlers Liste“. Für die letzte Filmszene legt sie als Erste einen Stein auf das Grab ihres Mannes.

24. Juni: Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem / Jerusalem bestätigt die Ehrung Oskar Schindlers als „Gerechter unter den Völkern“ und erweitert diese Anerkennung auch auf Emi­ lie Schindler.

1994: Anlässlich der Premiere von „Schindlers Liste“ begegnet Emilie Schindler US-Präsident Bill Clinton und seiner Frau Hillary in Washington. Sie wird in der deutschen Botschaft in Bue­ nos Aires mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

1995: März: Bei einer Europareise wird Emilie Schindler von Papst Johannes Paul II. (1920- 2005) in Rom und Bundespräsident Roman Herzog in empfangen.

1999: Reise nach München, Prag, Brünnlitz, Zwittau und ihren Geburtsort Alt-Moletein.

2001: Juli: Aufgrund der Einladung durch das Haus der Geschichte in Bonn zur Eröffnung der Dauerausstellung reist Emilie Schindler erneut nach Deutschland.

5. Oktober: Nach einem Schlaganfall stirbt Emilie Schindler im Klinikum Märkisch-Oderland in Strausberg bei Berlin.

19. Oktober: Emilie Schindler wird im bayerischen Waldkraiburg beigesetzt.

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Gerechte unter den Völkern

Yad Vashem wurde gegründet, um das Andenken der sechs Millionen jüdischen Opfer des Holocaust lebendig zu erhalten. Eine der ersten Pflichten von Yad Vashem ist es, Nichtjuden, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um Juden zu retten, die Dankbarkeit des Staates und des jüdischen Volkes zu übermitteln. […] Die Gedenkstätte für Holocaust und Heldentum startete 1963 ein weltweites Projekt, die wenigen, die den Juden in den dunkelsten Stunden ihrer Geschichte zur Seite standen, mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“ zu ehren. Zu diesem Zweck richtete Yad Vashem eine öffentliche Kommission unter Leitung eines Richters des Obersten Gerichtshofs ein, das jeden Fall untersucht und verantwortlich ist für die Vergabe des Titels. Diejenigen, die anerkannt werden, bekommen eine Medaille und eine Ehrenurkunde, und ihre Namen sind auf dem Berg des Gedenkens in Jerusalem verewigt.10

Zwittau / Svitavy

Die Geburtsstadt Oskar Schindlers ist Zwittau / Svitavy. Sie liegt im Böhmisch-Mährischen Hü­ gelland, etwa in der Mitte zwischen Königgrätz / Hradec Králové in Böhmen und Brünn / Brno, der Hauptstadt von Mähren.11 Die Umgebung von Zwittau wurde früher durch die Landes­ grenze zwischen Böhmen und Mähren geteilt.

Das KZ Płaszów12

Ursprünglich war Płaszów ein Zwangsarbeitslager, das den offiziellen Namen „Zwangsarbeits­ lager Płaszów des SS- und Polizeiführers im Distrikt Krakau“ trug.13

Der Bau des Lagers Płaszów begann im Sommer 1940 am Rande Krakaus. Das Lagergelände wurde immer wieder erweitert, die maximale Größe wurde im Jahre 1944 mit 81 ha erreicht. Die ersten Gefangen waren Polen, 1941 wurden nach einer ersten Erweiterung die ersten Ju­ den eingeliefert. Das Lager Krakau-Płaszów ist aus einem jüdischen Wohnbezirk in Podgorze

10 Text übernommen von: Yad Vashem: Über das Programm. Link (https://www.yadvashem.org/de/righteous/about-the-program.html). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 11 Vgl. Zwittau.de: Geschichte der Stadt Zwittau und ihre Umgebung. Link (http://www.zwittau.de/). Zuletzt ab­ gerufen am 04.10.2019. 12 Anmerkung: wird auch als „KL Płaszów“ bezeichnet. 13 Siehe: Wikipedia: Das KZ Płaszów. Link (https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Plaszow). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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im Westen der Stadt, dem in der Nachkriegszeit als „Krakauer Ghetto“ bezeichneten Bereich, hervorgegangen.14

Anfang Februar 1943 erhielt SS-Untersturmführer Amon Göth das Kommando über das Arbeitslager Płaszów. Als Kommandant von Płaszów erwarb er sich nicht nur den Beinamen „Schlächter von Płaszów“, er bereicherte sich auch durch Bestechung und Schwarzmarkt geschäfte.15

Am 10. Januar 1944 wurde das Zwangsarbeiterlager Płaszów zum Konzentrationslager. Ab September 1944 wurde es aufgelöst.

Das KZ-Außenlager Brünnlitz

1944 erhält Schindler aufgrund des Vorrückens der Roten Armee den Räumungsbefehl für seine Krakauer Fabrik. Ihm wird die Verlagerung seiner Rüstungsproduktion nach Brünnlitz (heute: Brnĕnec, Tschechien) bei Zwittau genehmigt. Durch Bestechungen, vor allem an den Lagerkommandanten des KZ Krakau-Płaszów, Amon Göth, gelingt es Schindler, alle jüdischen Arbeiter/innen mit nach Brünnlitz zu nehmen, nachdem sie in Personallisten erfasst wurden. Die Männer erreichen die Fabrik nach kurzem Aufenthalt im KZ Groß-Rosen, die Frauen nach einer Irrfahrt über das Vernichtungslager Auschwitz. Der Aufbau der neuen Fabrik, des ange­ schlossenen Lagers und der Unterhalt der Zwangsarbeiter/innen werden von Schindler voll­ ständig finanziert. Er rettet dadurch zusammen mit seiner Frau Emilie über 1.300 Juden und Jüdinnen vor dem Tod.16

Das Ehepaar Schindler kaufte in Brünnlitz im Bezirk Zwittau, der Heimat Schindlers, die ehe­ malige Textilfabrik Löw-Beer als Basis für die neue Produktionsstätte.

Die Wahl des Standortes viel fiel auf Brünnlitz, um unangekündigte, spontane Kontrollbesuche durch Mitarbeiter/innen der Inspektion der Konzentrationslager zu vermeiden. Mit seinem Brünnlitzer Rüstungsbetrieb stand Schindler unter der Kontrolle des KZ Groß-Rosen, lag dazu – und zu anderen KZs – jedoch räumlich in großer Distanz.17

14 Vgl. Mietek-Pemper.de: Plaszow als Zwangsarbeiterlager. Link (http://www.mietek-pemper.de/wiki/Plaszow_als_Zwangsarbeiterlager) Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 15 Vgl. Wikipedia: Das KZ Płaszów. Link (https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Plaszow). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 16 LEMO: Oscar Schindler. 1908–1974. Link (https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-oskar-schindler.html). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 17 Vgl. dazu: Wikipedia: Das KZ-Außenlager Brünnlitz. Link (https://de.wikipedia.org/wiki/KZ-Au%C3%9Fenlager_Br%C3%BCnnlitz). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Lage von Brünnlitz / Brnĕnec

Abbildung 3: Die Lage von Brünnlitz / Brnĕnec. Screenshot aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Werner Müller Film, 2018.

Die tschechische Stadt Brünnlitz / Brnĕnec erreicht man von der tschechisch-österreichischen Grenze mit dem Auto in ca. 1,5 h.18

Die Transporte von Juden aus Golleschau

Als die Rote Armee immer tiefer in Polen eindrang, wurde Golleschau (Außenlager des KZ Auschwitz) zwischen dem 18. und 22. Januar 1945 aufgelöst und die meisten der 1000 Häftlinge auf Gewaltmärschen oder per Bahn nach Sachsenhausen oder nach Flossenbürg gebracht. Eine Gruppe von 96 Häftlingen sollte in einem verplomb­ ten Güterwagen in das Nebenlager Freudenthal übergestellt werden. Es war einer der letzten Transporte aus Golleschau. Anhand eines „Frachtbriefes“ lässt sich die Odys­ see des Transportes verfolgen. Der Brief wurde auf jedem Bahnhof gestempelt. Ab­ fahrt war der 22. Januar in Golleschau, die Strecke führte über Teschen, Oderberg und Schönbrunn nach Freudenthal. Da sich auch das dortige Lager bereits in der Auf­ lösung befand, wurde der Waggon nach Zittau weitergeleitet, wo er am 29. Januar eintraf.19

18 Google Maps: Brnĕnec. Link (https://www.google.com/maps/place/569+04+Brn%C4%9Bnec,+Tsche­ chien/@48.8343481,14.4706114,8z/data=!4m5!3m4!1s0x471279aeb6c57f7b:0x29dcb8281dfdb960!8m2!3d4 9.6273493!4d16.522025). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019. 19 Text übernommen von: Mietek-Pemper: Die Rolle von Emilie Schindler. Link (http://www.mietek-pem­ per.de/wiki/Brünnlitz#Rolle_von_Emilie_Schindler_in_Br.C3.BCnnlitz). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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M2 Oskar Schindler – Held, Lebensretter, Opportunist, Verräter?

In diesem Modul werden verschiedene Aussagen über die Person Oskar Schindlers einander gegenübergestellt. Lies dir jeweils die Arbeitsaufträge und dann im Anschluss die entsprechen­ den Quellen aufmerksam durch, damit du die Fragen beantworten kannst.

Quellenstudium 1: Oskar Schindler 1939–1974

Arbeitsauftrag

Lies dir die Biografie Oskar Schindlers (M1 Basiswissen – Kurzbiografie: Oskar Schindler) und die unten angeführten Sprechertexte aus der Dokumentation (Texte 1–4) aufmerksam durch. Beschreibe die Person Oskar Schindler anhand der aus den Texten gewonnenen Erkenntnis­ sen!

Text 1:

Oskar Schindler in Krakau 1939 Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“

Min. 00.05.20–00.06.08 (Off-Text)

Krakau im Winter 1939. Nach dem deutschen Überfall auf Polen ist der 2. Weltkrieg ausgebrochen. Oskar Schindler übersiedelt nach Krakau und erwirbt dort eine ari­ sierte Emaillewarenfabrik. Er will sich am Krieg bereichern, erhält lukrative Aufträge der Wehrmacht und verdient mit der Herstellung von Emaillegeschirr und später auch Munition in kurzer Zeit ein Vermögen. Er ist Mitglied der NSDAP und trägt das große Parteiabzeichen.

Und während er endlich ein Leben im Luxus führen kann, wird die jüdische Bevölke­ rung ins Ghetto gepfercht, jüdische Schulen werden verboten und geschlossen.

Schindler genießt sein Leben in vollen Zügen. In dieser Zeit steigt die Zahl der jüdi­ schen Arbeiterinnen und Arbeiter in Schindlers Fabrik. Sie sind dort vor den Übergrif­ fen der deutschen Besatzer sicher.

Quelle: Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Sprechertext. Werner Müller Film, 2018. Min. 00.05.20–00.06.08.

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Text 2:

Oskar Schindler und die Frauen Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“

OT [Originalton] Petr Henzl:

Schindler war ein Organisator und ein Snob, wenn man so will, der sich mit seinen Hobbys befasste, aber sie [Emilie Schindler] hat die hiesigen Bauern besucht, hat Mehl aufgetrieben in der Mühle und sie hat den Menschen zumindest so viel ge geben, dass sie überleben konnten.

Schindler organisiert, Emilie packt an, man könnte sie ein perfektes Paar nennen – trotz Schindlers zahlreicher Eskapaden.

OT Nahum Manor:

Er liebte die Frauen, oh ja, er liebte sie.

OT Genia Manor:

Und die Frauen liebten ihn.

OT Nahum Manor:

Das war kein Dreieck, das war ein Achteck, er hatte immer zwei, drei, vier Frauen gleichzeitig.

OT Genia Manor:

Warum nicht? Er war jung und attraktiv, er hatte Geld und Karriere gemacht, er war wie ein Filmstar.

Quelle: Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Sprechertext. Werner Müller Film, 2018. Min. 00.24.37–00.25.19

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Text 3:

1945 Die Wege trennen sich Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“

Anfang Mai 1945. Die Rote Armee kommt näher. Schindler als Nazi muss fürchten, dass die Russen mit ihm kurzen Prozess machen und bereitet daher seine Flucht vor.

OT Nahum Manor:

Er trug eine gestreifte Häftlingsuniform, das war ziemlich schwierig, denn er war sehr, sehr fett. Er sah nicht wirklich wie ein Gefangener aus.

(Off-Text:) Und so entschwindet der Schindler-Schwindler mit seiner Frau, seiner ak­ tuellen Konkubine und einigen wenigen Getreuen in Richtung amerikanische Zone. Zurück bleiben fast 1.200 Menschen, die ihm ihr Leben verdanken. Sein gesamtes Vermögen hat er aufgebraucht. Das ist das Ende von Schindlers Projekt.

Quelle: Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Sprechertext. Werner Müller Film, 2018. Min. 00.26.25–00.27.00.

Text 4:

Oskar Schindler nach 1945 Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“

1953 wird in Jerusalem Yad Vashem errichtet, die größte Gedenkstätte für die Ver­ nichtung der Juden, die Shoa. 1962 wird Oskar Schindler erlaubt, einen Johannesbrot­ baum in der Allee der Gerechten unter den Völkern zu pflanzen. So werden nichtjüdi­ sche Personen geehrt, die sich dem Naziregime widersetzten, um Juden zu retten. Schindler ist das einzige NSDAP-Mitglied, dem diese Ehre zuteilwird.

Wirtschaftlich bleibt Schindler nach dem Krieg erfolglos, mehrere Projekte scheitern. Er lebt zurückgezogen in einer kleinen Wohnung im Frankfurter Bahnhofsviertel.

Hoch dekoriert, aber verarmt reist er auf Einladung seiner ehemaligen Schützlinge einmal im Jahr nach Israel. Die Rettung dieser Menschen hat sein Vermögen ver­ schlungen.

Quelle: Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Sprechertext. Werner Müller Film, 2018. Min. 00.31.04–00.31.58.

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Quellenstudium 2: Oskar Schindler aus der Sicht der „Schindlerjuden“

Arbeitsauftrag

Beschreibe die Person Oskar Schindlers aus der Perspektive der „Schindlerjuden“, die sich selbst so bezeichnet haben (Text 1-3). Vergleiche diese Sichtweise mit der Aussage von Petr Henzl, der ebenfalls Augenzeuge ist, aber Oskar Schindler nicht sein Leben verdankte: „Schindler war ein Organisator und ein Snob, wenn man so will, der sich mit seinen Hobbys befasste […]“20

Text 1:

Auszug aus: Die Suche nach dem Davidstern – Oskar Schindler und Svitavy / Zwittau

[…] Die Schindler-Juden, wie seine Arbeiter genannt wurden, sagten später: „Er war unser Vater, er war unsere Mutter, er war der Gott.“ Die Juden selbst sagen, es sei unwichtig, aus welchen Beweggründen es Schindler gemacht hat. Wichtig sei, dass er es gemacht hat, so die Zeitzeugen. Darin besteht sein Verdienst. Er hatte die Möglich­ keit, 1944 in die Schweiz zu flüchten. Aber er hat den anderen, unsicheren Weg ge­ wählt. […]

Quelle: Radio Praha /Deutsch: Die Suche nach dem Davidstern – Oskar Schindler und Svitavy / Zwittau. Link (http://www.radio.cz/de/rubrik/spezial/die-suche-nach-dem-davidstern-oskar- schindler-und-svitavy-zwittau). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

Text 2:

Oskar Schindler der Lebensretter Auszug aus: Die immer neue Frage: Wer war Oskar Schindler?

[…] In einer schwedischen Zeitung stand der Satz: „Oskar Schindler kannte selber seine Größe nicht.“ Und der von Schindler gerettet Ryszard Horowitz äußerte: „Für mich ist völlig unwichtig, wer er wirklich war und warum er das für uns getan hat, was wirklich zählt, ist das Leben.“ […]

Quelle: Die Welt: Die immer neue Frage: Wer war Oskar Schindler? Link (https://www.welt.de/print-welt/article497954/Die-immer-neue-Frage-Wer-war-Oskar- Schindler.html). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

20 Zitiert nach: Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Sprechertext. Werner Müller Film, 2018. Min. 00.24.37. Für das vollständige Zitat siehe M2 Quellen­ studium 1, Text 2.

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Text 3:

Schutzbrief für Oskar Schindler

Brüder!

Die Unterzeichneten Juden aus Krakau, Häftlinge des Konzentrationslagers in Plaszow [sic.], arbeiteten seit 1942 in dem von Dir. Schindler geleiteten Betrieb. Vom Beginn der Leitung dieses Unternehmens war es ausschließlich sein Ziel, uns vor Aussiedlun­ gen zu schützen, welche unsere Liquidierung bedeuteten. Während der ganzen Zeit unserer Arbeit in diesem Betrieb hat er alles darangesetzt, um das Leben der größt­ möglichen Anzahl der Juden zu retten trotz ungeheurer Schwierigkeiten, und zwar in einer Zeit, als die Erlangung von jüdischen Arbeitskräften auf große Schwierigkeiten bei den Behörden stieß. Dir. Schindler sorgte für unseren Lebensunterhalt und wäh­ rend der ganzen Zeit unserer Arbeit in seinem Betrieb ist nicht ein einziger Fall eines unnatürlichen Todes eingetreten. Er beschäftigte insgesamt über 1000 Juden in Kra­ kau. Infolge des Herannahens der sowjetischen Front und der damit verbundenen Notwendigkeit, uns in ein anderes Konzentrationslager zu überführen, verlegte Dir. Schindler seinen Betrieb nach Brünnlitz bei Zwittau.

Ungeheuer waren die Schwierigkeiten, die mit der Verwirklichung dieses Vorhabens verbunden waren. Dir. Schindler scheute keine Anstrengungen, um diesen Plan auszu­ führen. Daß er die Genehmigung (für die) Schaffung dieses Lagers erwirkte, in wel­ chem sowohl Frauen (als auch) Männer waren und vor allem Familien zusammenblei­ ben konnten, ist ein einzig dastehender Fall im gesamten Reichsgebiet. Besonders hervorgehoben werden muß die Tatsache, daß unsere Übersiedlung nach Brünnlitz aufgrund einer namentlichen Liste erfolgte, welche in Krakau zusammengestellt wurde und von der zentralen Verwaltung sämtlicher Konzentrationslager in Oranien­ burg bestätigt war (einzig dastehender Fall).

Nach einem Aufenthalt der Männer von nur einigen Tagen im Konzentrationslager Groß-Rosen und der Frauen von 3 Wochen im KL Auschwitz können wir mit voller Ent­ schiedenheit behaupten, daß wir durch unsere Ankunft in Brünnlitz unser Leben aus­ schließlich den Bemühungen des Dir. Schindler und seiner menschlichen Behandlung seiner Arbeiter verdanken. Dir. Schindler sorgte für die Verbesserung unseres Lebens­ standards, indem er uns zusätzliche Ernährung und Bekleidung verschaffte, wobei er keine Ausgaben scheute und einzig und allem [sic.] das menschliche Ideal, unser Le­ ben vom unvermeidlichen Tode zu retten zum Ziel hatte.

Lediglich den unermüdlichen Bemühungen und Interventionen des Dir. Schindler bei den maßgebenden Stellen ist es zu verdanken, daß wir in Brünnlitz verblieben, ob­

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wohl die Gefahr bestand, daß wir infolge des Herannahens der Front durch die Lager­ leitung fortgeführt werden sollten, was unseren völligen Untergang bedeutet hätte. Das erklären wir heute, am Tage der Verkündung des Kriegsendes, wo wir auf unsere formelle Befreiung warten und auf die Möglichkeit, zu unseren zerstörten Familien und Häusern zurückzukehren. Wir sind hier eine Schar von 1100 Personen – 800 Män­ ner und 300 Frauen.

Sämtliche jüdischen Arbeiter, die Häftlinge im Konzentrationslager Groß-Rosen bzw. Auschwitz waren, sprechen Dir. Schindler hiermit aus tiefem Herzen unseren heißen Dank aus, wobei wir feststellen, daß wir es ausschließlich seinen Bemühungen zu ver­ danken haben, – wenn wir den Augenblick der Beendigung des Krieges erleben durf­ ten. Bezüglich der Behandlung der Juden durch Dir. Schindler verdient besonders her­ vorgehoben zu werden folgende Tatsache, die sich während unseres Aufenthaltes in Brünnlitz im Januar d. Js. ereignete: Durch Zufall gelangte in unsere Nähe ein Trans­ port von jüdischen Häftlingen, welche aus dem KL Auschwitz, Außenstelle Goleschow, evakuiert wurden. Dieser Transport bestand ausschließlich aus über 100 Kranken aus dem Spital, welches infolge der Räumung des Lagers liquidiert wurde. Diese Leute ka­ men bei uns nach mehrwöchentlicher Wanderung vollkommen verfroren und fast le­ bensunfähig an. Kein Lager wollte diesen Transport annehmen und lediglich Dir. Schindler hat sich dieser Leute persönlich angenommen, indem er sie auf seinem Fabrikgelände unterbrachte, obwohl keine Aussicht bestand, sie überhaupt jemals be­ schäftigen zu können. Er spendete aus eigenen Fonds beträchtliche Summen, um sie so schnell wie möglich wiederherzustellen. Zu diesem Zwecke organisierte er sanitäre Hilfe und richtete eine spezielle Krankenstube für Bettlägrige ein. Nur dank seiner persönlichen Betreuung ist es gelungen, 80 dieser Leute vor dem unvermeidlichen Tode zu retten und sie wieder lebensfähig zu machen.

Wir bitten innigst, dem Dir. Schindler in jeder Beziehung Hilfe zu gewährleisten und ihm insbesondere zu ermöglichen, eine Existenz zu gründen, da er infolge seiner Tä­ tigkeit für uns sowohl in Krakau als auch in Brünnlitz sein gesamtes Vermögen op­ ferte.

Brünnlitz, den 8. Mai 1945,

Isaak Stern ehem. Ang. d. Pal. Amtes in Krakau, Dr. Hilfstein, Chaim Salpeter, ehem. Präsid. der zion. Exzek. in Krakau für Galizien und Schlesien

Quelle: Yad Vashem: Gerechte unter den Völkern – Die Figur Oskar Schindler im Unterricht. Link (https://www.yadvashem.org/de/education/educational-materials/lesson-plans/schind­ ler.html). Unverändertes Transkript. Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Quellenstudium 3: Oskar Schindler – ein Verräter?

Arbeitsauftrag

Interpretiere ausgehend von den nachfolgenden drei Texten die Rolle Schindlers als Spion und vergleiche dies mit der Aussage von Ryszard Horowitz.

„Für mich ist völlig unwichtig, wer er wirklich war und warum er das für uns getan hat, was wirklich zählt, ist das Leben.“ (Ryszard Horowitz)

Ist diese Sichtweise im Lichte Schindlers Biographie zu verstehen oder greift sie zu kurz?

Text 1:

Widerstand gegen eine Schindler-Gedenkstätte Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“

Min. 00.41.20–00.45.28

(Off-Text)

Widerstand gegen eine Schindler-Gedenkstätte kommt von der Brünnlitzer Historike­ rin Jitka Gruntova, die in ihren penibel recherchierten Büchern kein gutes Haar an Schindler lässt.

OT Jitka Gruntova:

Ich kann nicht einen Menschen wertschätzen, der sein Land verraten hat, dem er ei­ nen Eid geleistet hat und der dann gegen sein Land gearbeitet hat. Das ist für mich einfach das Wesentliche. Ich habe Soldaten in der Familie, mein Enkel ist Soldat, seine Frau ist Militärärztin. Und wenn einer von ihnen unser Land verriete, ich würde ihn genauso hassen wie diesen Schindler. Er war ein Landesverräter, deshalb kann ich ihn nicht schätzen.

Quelle: Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Sprechertext. Werner Müller Film, 2018. Min. 00.41.20–00.45.28.

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Text 2:

Der Spion Oskar Schindler Auszug aus: Oskar Schindler – Spion und Lebensretter

[…] Schindler lebte im tschechischen Mährisch-Ostrau und verdiente sein Geld damit, für Hitler-Deutschland tschechische Grenzanlagen auszuspionieren. Kurze Zeit später verhafteten ihn die Tschechen, hätte Hitler die Tschechoslowakei nicht annektiert, der Spion wäre vermutlich hingerichtet worden. Die Tschechen ließen ihn laufen, er spionierte weiter, besorgte sogar die polnischen Uniformen, mit denen sich die deut­ schen Soldaten tarnten, um den Sender Gleiwitz zu überfallen, was zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte […]

Quelle: Keller, Claudia: Oskar Schindler – Spion und Lebensretter. In: Kölner Stadtanzeiger, 27.04.2008. Link (https://www.ksta.de/oskar-schindler--­spion-und-lebensretter-13538038). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

Text 3:

Emilie Schindler über Oskar Schindler Auszug aus: Die immer neue Frage: Wer war Oskar Schindler?

[…] Über eine Frauenbeziehung sei ihr Mann 1935 mit der deutschen Abwehr in Kon­ takt gekommen und habe sich in ihre Dienste begeben, erzählt Emilie. In der gemein­ samen Wohnung in Mährisch-Ostrau fand eine rege Agententätigkeit statt, mit der sich auch Emilie Schindler voll identifiziert haben muß, wenn sie berichtet: „Hier ent­ stand unser Hauptquartier, der Treffpunkt von Spionen und Spitzeln.“ Zuvor hatte Schindler in Deutschland (1936/37) eine mehrmonatige Ausbildung für Dienste in der Abwehr erhalten. […]

Quelle: Die Welt: Die immer neue Frage: Wer war Oskar Schindler? Link (https://www.welt.de/print-welt/article497954/Die-immer-neue-Frage-Wer-war-Oskar- Schindler.html). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

37

Quellenstudium 4: Oskar Schindler – über sich selbst

Arbeitsauftrag

In diesem Modul hab ihr nun schon viele Informationen über Oskar Schindler gesammelt. Ver­ gleicht und diskutiert nun die Ergebnisse aus Quellenstudium 1 bis 3 im Plenum und stellt diese in einen Zusammenhang zum folgenden Zitat: „Weit entfernt bin ich davon ein Heiliger zu sein, habe als maßloser Mensch viel mehr Fehler als der große Durchschnitt derer, die so sehr ge­ sittet durchs Leben schreiten.“ (Oskar Schindler)21

→ Ist die Sichtweise Schindlers im Sinne des Begriffs „moralische Transformation“ nachvoll­ ziehbar und akzeptabel oder eine nachgereichte persönliche Sichtweise, die vorangegan­ gene Taten nicht entschuldigen kann?

Vertiefender Arbeitsauftrag zu Quellenstudium 1 bis 4 (M2)

Lies dir online folgenden Artikel in voller Länge durch:

Die Welt: Die immer neue Frage: Wer war Oskar Schindler? Link (https://www.welt.de/print-welt/article497954/Die-immer-neue-Frage-Wer-war-Oskar- Schindler.html). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

→ Vergleiche die im angegebenen Artikel vertretene Sichtweise mit deinen Ergebnissen aus dem Quellenstudium 1 bis 4 des vorliegenden Moduls.

→ Wo findest du Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede?

21 Zitiert nach: Mietek-Pemper.de: Schindler in Krakau. Link (http://www.mietek-pemper.de/wiki/Kapitel_3:_Schindler_in_Krakau). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

38

M3 Gedenkkultur am Beispiel Oskar Schindlers

Ein Denkmal ist eine plastische Darstellung zum Gedächtnis an eine Person. In dem Begriff „Denkmal“ steckt aber auch ein Arbeitsauftrag, nämlich jener, über eine Person oder ein Er­ eignis kritisch nachzudenken. In diesem Sinne verstehen sich auch die Arbeitsaufträge im An­ schluss an die Quellen.

Quellenstudium 1: Denkmäler für Oskar Schindler

Arbeitsauftrag 1

Lies dir die beiden folgenden Texte aufmerksam durch. Fasse die Gründe und Sichtweisen zu­ sammen, die es der Stadt Zwittau (Svitavy) so schwermachen und gemacht haben, eine Ge­ denkstätte für Oskar Schindler zu errichten.

Text 1:

Die Fabrik des Menschenretters, Auszug aus Zeitungsartikel

[…] Die Stadt trug sich schwer damit, ihrem berühmt-berüchtigten Sohn überhaupt ein Gedenken zu widmen.

Erst 1994, als in Zwittau die Vorpremiere von „Schindlers Liste“ stattfindet, lässt sich die Stadt dazu bewegen, Oskar Schindler, der auf dem Zionsberg in Jerusalem seine letzte Ruhestätte fand, ein Denkmal zu bauen. „An den unvergesslichen Lebensretter der 1200 verfolgten Juden“, steht da auf Deutsch und Tschechisch auf der einfachen Bronzetafel.

„Wäre Oskar Schindler ein Tscheche gewesen, dann hätte er schon längst eine eigene Gedenkstätte“, sagt Radoslav Fikejz vom Städtischen Museum in Svitavy. Der Histori­ ker ist Autor der Dauerausstellung „Die Suche nach dem Davidstern“, die dem Zwittauer Judenretter gewidmet ist.

„Schon komisch“, sagt Radoslav Fikejz, „in Israel wird dieser Mensch mit all seinen Ecken und Kanten hoch verehrt. Hier können wir ihm noch immer nicht verzeihen, dass er Deutscher war.“ […]

Quelle: Red.: Die Fabrik des Menschenretters Oskar Schindler. In: Kurier.at, 29.10.2017. Link (https://kurier.at/politik/ausland/oskar-schindlers-fabrik-auf-den-spuren-des-menschenret­ ters/294.844.672). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Text 2:

Schindlers Spuren, Auszug aus Zeitungsartikel

[…] „Es wäre gut, hier eine Gedenkstätte für das ehemalige KZ Groß-Rosen zu haben. Gerade in der heutigen Zeit kann es nicht schaden, an Krieg, Fanatismus und Rassis­ mus zu erinnern“, sagt die Historikerin Jitka Gruntová, Autorin des Buchs „Die Wahr­ heit über Oskar Schindler – Weshalb es Legenden über ‚gute‘ Nazis gibt“, die in Brüsau (Březová nad Svitavou) lebt.

Nur eines lehnt Gruntová, die von 2002 bis 2006 für die Kommunistische Partei im tschechischen Abgeordnetenhaus saß, kategorisch ab: „So eine Stätte darf kein Denk­ mal für Oskar Schindler werden, das wäre eine Schande.“ Für die 68-Jährige ist Oskar Schindler NSDAP-Mitglied Nummer 6421477 geblieben. „Der hat niemanden gerettet außer sich selbst“, erklärt Gruntová. Die „Schindlerjuden“, meint sie, hätten in Brünn­ litz auch ohne Schindler überlebt. […]

Quelle: Mostýn, Alexandra: Schindlers Spuren. In: LandesEcho – Die Zeitung der Deutschen in Tschechien. 7/2016. Link (http://www.landeszeitung.cz/index.php/gesellschaft/190-schindlers-spuren). Zuletzt abgeru­ fen am 10.04.2019.

40

Arbeitsauftrag 2

Betrachte die Abbildungen des Denkmals für Oskar Schindler in Zwittau / Svitavy und die Ab­ bildung der Gedenktafel in Frankfurt am Main.

→ Überlege dir, ob die Inschriften der Person Schindler gerecht werden oder nicht. Formuliere eine eigene Inschrift. Was würdest du auf den Gedenkstein schreiben?

Quelle 1: Das Oskar-Schindler-Denkmal in Zwittau – Svitavy

Transkript: OSKAR SCHINDLER NEZAPOMENTELNĚMU ZACHRÁNCI ŽIVOTA 1200 PRONÁSLEDOVANÝCH ŽIDU Dem unvergessenen Lebensretter 1200 verfolgter Juden * 28. April 1908 in Zwittau / Svitavy † 9. Oktober 1974 in Hildesheim

Abbildung 4: Denkmal für Oskar Schindler in Zwittau / Svitavy. Screenshot aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieri­ ges Erbe“. Werner Müller Film, 2018.

Es folgt

Quelle 2: Gedenktafel in Frankfurt am Main

Transkript: OSKAR SCHINDLER * 28. April 1908 in Zwittau, Mähren † 9. Oktober 1974 in Hildesheim IN DIESEM HAUS WOHNTE VON 1965 BIS 1974 OSKAR SCHINDLER WÄHREND DER ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS RETTETE ER ÜBER 1200 JUDEN VOR DEM TOD IN AUSCHWITZ UND IN ANDEREN LAGERN „Es wächst ein Baum in Israel, der sagt, was Mut vermag. Es wächst ein Baum in Yad Vashem, der Trägheit tief beschämt. Es wächst ein Baum in Israel, der fragt, wer heute hilft.“ Text: Dieter Trautwein

Abbildung 5: Frankfurt am Main: Gedenktafel für Oskar Schindler; an seinem Wohnhaus in der Nähe des Hauptbahnhofs. Urheber: Frank Behnsen. Lizenz: CC-BY-SA-3.0. File: FFM Oskar-Schindler-Gedenktafel.jpg URL: https://com­ mons.wikimedia.org/wiki/File:FFM_Oskar-Schindler-Gedenktafel.jpg. Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Quellenstudium 2: Umgang mit „Spuren“ der NS Vergangenheit

Arbeitsauftrag

Lies dir beide untenstehende Texte durch!

→ Bewerte den Umgang des offiziellen Polens mit den „Spuren“ der NS Vergangenheit auf polnischem Gebiet (Text 1)!

→ Vergleiche dies mit der exemplarischen Frage nach der Nutzung des Geburtshauses von Adolf Hitler in Braunau/Inn (Text 2)!

Text 1:

Bewertung auf Tripadvisor, 14.04.2014

KZ nicht als Gedenkstätte erhalten

Wir sind in Płaszów gewesen und waren wirklich enttäuscht, wie man ein so trauriges, aber trotzdem bedeutendes Stück Geschichte so verwahrlosen lassen kann. Auf dem Gelände ist nicht mehr viel zu finden. Um genau zu sein gar nichts. Wir sind über zwei Stunden orientierungslos auf dem Gelände herumgeirrt. Ein kleines Schild auf Pol­ nisch zeigte, wie es einmal ausgesehen hat. In den Steinbruch selbst sind wir nicht hinein. Dort stehen Mühlen und ein Förderband. Alles andere, was dort noch zu fin­ den ist, sind Überreste der Kulisse aus „Schindlers Liste“.

Als wir später das Gelände verlassen haben, schauten wir uns noch die einstige Villa von Amon Göth an. Das war für mich der nächste Schock – in der Villa hat allen Erns­ tes jemand gewohnt! Da war ich wirklich total perplex. In Deutschland wäre dies wohl mal ein Museum, Gedenkstätte o.ä. geworden. Aber eine Umwandlung des ehemali­ gen KZ-Geländes in ein Museum ist wohl schon geplant und soll in den kommenden Jahren realisiert werden.

Quelle: Tripadvisor: KZ nicht als Gedenkstätte erhalten. Link (https://www.tripadvisor.at/Attraction_Review-g274772-d1206588-Reviews-Plaszow_Con­ centration_Camp-Krakow_Lesser_Poland_Province_Southern_Poland.html). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Text 2:

Innenminister Sobotka: Hitler-Geburtshaus wird „tiefgreifend umgestaltet“

„Das Hitler-Geburtshaus wird abgerissen“

Der ORF berichtet, dass das Geburtshaus Adolf Hitlers „tiefgreifend umgestaltet“ wer­ den soll. Die „Presse“ hatte Innenminister Sobotka zuvor mit den Worten zitiert: „Das Hitler-Geburtshaus wird abgerissen.“

„Um Wiederbetätigung und Gedenken an Nationalsozialismus zu unterbinden, spricht sich der Innenminister für architektonische Umgestaltung des Hitler-Geburtshauses aus“, so das Innenministerium in einer Presseaussendung.

Dabei wäre nach Neugestaltung des Gebäudes eine soziale oder behördliche Nutzung denkbar. In jedem Fall solle aber keinerlei Verbindung zur Person Adolf Hitlers beste­ hen bleiben, da ansonsten der Mythos des Geburtshauses fortgeschrieben werden würde, so Sobotka weiter.

Die Kommission, die aus 13 Mitgliedern bestand, hatte im Abschlussbericht zudem darauf hingewiesen, dass auch eine leerstehende Fläche in keinem Fall ratsam sei, da dies eine Leugnung der österreichischen Geschichte implizieren könnte.

Noch am kommenden Dienstag, 25. Oktober 2016, wird eine Regierungsvorlage zum Enteignungsgesetz im Innenausschuss behandelt. Nach Abschluss des parlamentari­ schen Prozesses könnte dieses noch bis Ende des Jahres 2016 in Kraft treten. Die Re­ publik wäre ab diesem Zeitpunkt Eigentümer und könnte damit über die Nutzung des Gebäudes verfügen.

Update Juni 2018: Die Causa um Hitlers Geburtshaus ist juristisch noch nicht abge­ schlossen. Die enteignete Eigentümerin klagte gegen die Höhe des Schadenersatzes und erringte [sic.] einen Etappenerfolg.

Quelle: erinnern.at: Innenminister Sobotka: Hitler-Geburtshaus wird „tiefgreifend umgestaltet“. Link (http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/gedaechtnisorte-gedenkstaetten/neu­ konzeption-von-gedenkstaetten/debatte-um-hitlers-geburtshaus-in-braunau/innenminister- sobotka-hitler-geburtshaus-wird-201etiefgreifend-umgestaltet201c). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Quellenstudium 3: Vergangenheit ist nicht Geschichte

Arbeitsauftrag

Geschichte ist die Rekonstruktion von Vergangenheit mit Hilfe von historischen Quellen.

→ Bewerte anhand des folgenden Textes die Problematik hinsichtlich der Sichtweise auf die NS Vergangenheit, wenn authentische Relikte nicht als solche ausgewiesen sind.

Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“

Off-Text

Von den 150.000 Menschen, die dieses mittlerweile geschleifte Lager passiert haben, sind 8.000 bis 12.000 ermordet worden. Hunderte von ihnen von Amon Goeth per­ sönlich.

Der jüdische Friedhof am Rand des Lagers wurde von den Nazis geschändet. Die meis­ ten Grabsteine wurden für den Bau der Lagerstraße verwendet. Der Friedhof sieht heute noch so aus wie im Jahr 1945. Alle Versuche, die Würde des Ortes zu bewah­ ren, blieben eher hilflos.

In einer abgelegenen Ecke des Lagers findet man noch Überreste eines Sicherheits­ zaunes und Hochspannungsisolatoren. Doch es sind nur Kulissen des hier gedrehten Films „Schindlers Liste“, die hier zurückgelassen wurden.

Und auch die Grabsteine auf der Lagerstraße sind nur Rekonstruktionen aus Beton, die aus der Gegenwart in ein Nirgendwo der Vergangenheit führen.

Es ist ein dunkler, ein unheimlicher Ort, an dem nichts ist, was es zu sein scheint, ein Ort, an dem die Grenzen zwischen Schein und Wirklichkeit verschwimmen.

Und wenn es Nacht wird über dem Lager, wenn die wenigen Spaziergänger und Tou­ risten das Areal verlassen haben, gehört es ihnen wieder ganz alleine: Den Geistern von Płaszów.

Quelle: Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Sprechertext. Werner Müller Film, 2018. Min. 00.08.04–00.09.38.

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Quellenstudium 4: Schindlers Fabrik heute

Arbeitsauftrag

Bewerte anhand der folgenden Texte die Frage nach der heutigen Nutzung der ehemaligen Fabrik Schindlers in Brünnlitz (Brnĕnec)!

→ Welche Absichten stecken deiner Meinung nach hinter den Plänen von Jaroslav Novák und sind diese für dich nachvollziehbar oder abzulehnen?

Text 1:

Tschechien: Schindlers Fabrik wird Holocaust-Gedenkstätte, Textauszug

Die einstige Fabrik des deutsch-mährischen Unternehmers Oskar Schindler im ostböh­ mischen Brnĕnec (Brünnlitz) soll eine Holocaust-Gedenkstätte und Ziel für Touristen werden. Hinter der Initiative steht der Stiftungsfond Soa (Schoah), der das verfallene Areal bereits kaufte und weiteres Geld für das Projekt sucht, berichtet die tschechi­ sche Tageszeitung „Pravo“ (Montag-Ausgabe).

Laut dem Chef des Stiftungsfonds, Jaroslav Novak, hat man zum Ziel, das gesamte Ge­ lände in seine ursprüngliche Form umzubauen, einschließlich der Wachtürme sowie des KZ-Lagers. Außerdem wolle der Stiftungsfond die Fabrik mit ursprünglichen Ma­ schinen ausstatten. […]

Quelle: ORF.at: Tschechien: Schindlers Fabrik wird Holocaust-Gedenkstätte, 15.08.2016. Link (https://orf.at/stories/2353936/). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

Text 2:

Schindler-Fabrik unter Denkmalschutz, Textauszug

[…] „Inzwischen haben wir bei der tschechischen Regierung beantragt, dem ehemali­ gen KZ-Außenlager den Status eines nationalen Kulturdenkmals zu verleihen“, sagt Jaroslav Novák, der Vorsitzende des Oskar-Schindler-Stiftungsfonds. „Den Antrag be­ gründen wir damit, dass es sich in Brnĕnec um das einzige erhaltene nationalsozialis­ tische Konzentrationslager auf dem Gebiet der Tschechischen Republik handelt“, er­ klärt Novák. […]

Quelle: Red.: Schindler-Fabrik unter Denkmalschutz. In: Jüdische Allgemeine, 20.10.2016. Link (https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/26762). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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M4 Die Macht der Sprache

In diesem Modul geht es um die Bedeutung von Sprache im Zusammenhang mit sehr persönli­ chen Lebenssituationen.

• Wie verletzend kann Sprache wirken?

• Wie kann Sprache dazu beitragen, dass Menschen sich geachtet und wertgeschätzt fühlen?

Quellenstudium: „Meine Herren und Damen“

Arbeitsauftrag

→ Überlege dir, warum die Anrede von Oskar Schindler an seine jüdischen Arbeitskräfte („Meine Herren und Damen“) für diese so wichtig und ungewöhnlich war?

→ Was sagt diese höfliche Anrede in der Relation zur Wortwahl „Schweine“ und „Hunde“ aus und stelle einen Vergleich zu persönlichen Erfahrungen in deinem Alltagsleben an.

Text: „Meine Herren und Damen“ Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“

OT Nahum Manor

Dann wurden wir zu Schindlers Fabrik gebracht. Und als wir ankamen – wir waren eine Gruppe von 100 qualifizierten Arbeitern – empfing er uns mit den Worten „Meine Herren und Damen“. Wir schauten uns um, um herauszufinden, wen er damit meinte, aber da war niemand hinter uns und wir begriffen, dass wir gemeint waren. Es war damals vollkommen ungewöhnlich, dass uns jemand als „Herren und Damen“ ansprach. Man nannte uns „Schweine“ und „Hunde“ und alles Mögliche, aber doch nicht Herren.

Quelle: Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Sprechertext. Werner Müller Film, 2018. Min. 00.06.22.

46

M5 Das Leben im KZ Außenlager Brünnlitz

Im vorliegenden Modul findest du ein Transkript der Lagerordnung des KZ Brünnlitz. Basisinformationen zum KZ Außenlager Brünnlitz findest du in Modul 1.

Quellenstudium: Lagerordnung KZ Außenlager Brünnlitz

Arbeitsaufträge

→ Analysiere den Tagesablauf und die verlangten Verhaltensvorschriften der Häftlinge ge­ genüber den Vorgesetzten unter dem Aspekt der strukturellen Gewalt.

→ Erläutere die „Sinnhaftigkeit“ der Vorschriften aus Sicht der „Mächtigen“ (Lagerleitung) bzw. umgekehrt aus der Sicht der „Ohnmächtigen“ (Häftlinge).

→ Überlege dir als Gegenpol die Machtstrukturen in einem demokratischen System. Worin liegen die gravierenden Unterschiede im Gegensatz zu einem diktatorischen System?

Quelle: Dokument 194, Yad Vashem22

Brünnlitz, den 18.1.1945

LAGERORDNUNG

I. Zeitplan

Wecken

für Außen Kdo. [Kommando] 6,00 Uhr

für Innen Kdo. 7,30 [Uhr]

für Nachtschicht 15,00 [Uhr]

Arbeitsbeginn

für Außen Kdo. 7,15 Uhr

für Innen Kdo. 9,00 [Uhr]

für Nachtschicht 20,30

22 Transkript der Originaldokumente, Orthographie unverändert, Formatierung angepasst. Im Originaldokument sind manche Stellen nicht mehr lesbar, daher Ergänzungen in eckigen Klammern. Inhaltliche, erklärende Ergän­ zungen ebenfalls in eckigen Klammern.

47

Mittagspause für Außen Kdo. 13,45–14,00 Uhr für Innen Kdo. 14,00–15,00 [Uhr] für Nachtschicht 1,00–1,30 [Uhr]

Arbeitschluss für Außen Kdo. 16,30 Uhr für Innen Kdo. 20,00 [Uhr] für Nachtschicht 7,00 [Uhr]

Bettruhe

22,00 Uhr

Wecken

Die Häftlinge werden von Nachtdiensthabenden geweckt, stehen sofort [auf, bringen ihre] Bettstellen in Ordnung, waschen sich und empfangen [den Morgenkaffee].

Arbeitsbeginn

Außer den Revier- und Schonungskranken sowie dem Lagereinsatz [sic.] begeben sich die Häftlinge in die Fertigungshalle, wo sie sofort kommandoweise aufgestellt werden und der Rapportführer die Abnahme der Häftlinge vornimmt.

Mittagessen

Die Außen Kdo. rücken um 13,45 Uhr ein, werden vom Rapportführer auf ihre Voll­ zähligkeit überprüft, empfangen ihr Mittagessen und nehmen um 14,00 Uhr die Ar­ beit wieder auf.

Die Innenkommandos empfangen um 14,00 Uhr das Mittagessen und halten sich während der Mittagspause bis 15,00 Uhr in der Fertigungshalle auf.

Zählappell und Arbeitsschluss

Bei Arbeitsschluss der Außenkommandos um 16,30 [Uhr] ist nach Einrücken dersel­ ben um 16:45 Zählappell. Sämtliche Häftlinge treten blockweise in der Fertigungshalle an.

Nach dem Zählappell rücken die Außenkommandos und die Nachtschichtler in die Schutzhaftlager ein und die übrigen Häftlinge setzen ihre Arbeit fort.

48

Essensausgabe

Die Essenausgabe für sämtliche Häftlinge erfolgt um 20,00 Uhr. Anschließend werden die Brotportionen usw. ausgegeben.

Bettruhe

Ab 22:00 Uhr hat auf den Blocks vollkommene Ruhe zu herrschen. Die Blöcke dürfen nur zur Verrichtung der Notdurft verlassen werden.

II. Allgemeines

Die Häftlinge haben die ihnen zugewiesene Arbeit gewissenhaft auszuführen und sämtliche Befehle der Vorgesetzten sowie Arbeitsanordnungen der Werksleitung so­ fort und genauestens zu befolgen. Zur Durchführung von Befehlen des Lagerführers ist sämtlichen Anordnungen des Lagerältesten, der Arbeitseinsatzleitung, der Block ältesten und der Capos unverzüglich Folge zu leisten. Undiszipliniertes Verhalten schadet der Gemeinschaft und wird strengstens bestraft. Die hygienischen Verhält­ nisse im Lager, das Baden sowie den gesundheitlichen Zustand eines jeden Häftlings überwachen die Häftlingsärzte, deren diesbezügliche Anweisungen ebenfalls zu befol­ gen sind.

Zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Vermeidung von Krankheiten ist jeder Häft­ ling verpflichtet, sich sowie sein Bett sauber zu halten und sowohl in der Unterkunft als auch an der Arbeitsstelle, im Bad, Waschraum und in der Latrine für Sauberkeit Sorge zu tragen.

Mit sämtlichen Anliegen haben sich die Häftlinge an ihren Blockältesten und an den Lagerältesten zu wenden. In wichtigeren Angelegenheiten dürfen sich die Häftlinge auch direkt an den Rapportführer und in besonders gelagerten Fällen auch an den Führer des Arbeitslagers wenden. Unterredungen mit Angehörigen der Wachmann­ schaft sind verboten. Ebenso ist es strengstens verboten, an Gefolgschaftsmitglieder des Werkes mit Ansuchen irgendwelcher Art heranzutreten, sich mit denselben über private Angelegenheiten zu unterhalten sowie über interne Angelegenheiten des La­ gers, dessen Einrichtungen, usw. zu sprechen. Es ist strengstens untersagt, von Werksangehörigen Lebensmittel, Zigaretten usw. anzunehmen. Wenn derartige Sachen den Häftlingen unaufgefordert angeboten werden, ist die Annahme zu ver­ weigern.

Die Häftlinge dürfen nur die im Stammlager empfangene gestreifte Häftlingsbeklei­ dung bezw. gekennzeichnete Zivilbekleidung tragen. Wer nicht gekennzeichnete Zivil­ bekleidung besitzt, ist fluchtverdächtig und wird dementsprechend bestraft.

49

Der Besitz von Wertgegenständen, Gold, Geld, Uhren, Ketten usw. ist verboten und zieht schwerste Bestrafung nach sich.

Die Häftlinge sind über das Verhalten bei Fliegeralarm oder Großfeuer belehrt und haben sich im Alarmfalle sofort in die Unterkunft zu begeben. Die eingeteilten Luft­ schutz- und Feuerlöschtruppe[n] bleiben auf ihren Sammelstellen und werden durch den Führer des Arbeitslagers bezw. durch den Werkluftschutzleiter eingesetzt.

Häftlinge, die während des Alarmes (Luftangriff, Großfeuer) oder unter Ausnutzung der Verdunkelung versuchen, die Flucht zu ergreifen, werden mit dem Tode bestraft.

Die Häftlinge sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Vorgesetzten (SS-Angehörige) durch stramme Haltung zu grüssen. Männliche Häftlinge nehmen dabei die Mütze ab. Wäh­ rend der Arbeitszeit besteht keine Grüsspflicht. Kommt der Führer des Arbeitslagers, sein Stellvertreter oder der Rapportführer zur Arbeitsstelle, so hat der Capo mit abge­ nommener Mütze in strammer Haltung zu melden: z.B. „Kommando Werkzeugbau, 40 Häftlinge bei der Arbeit“. Andere Meldungen sind nicht zu erstatten. Die Häftlinge dürfen ihre Arbeit nicht unterbrechen. Lediglich wenn der Vorgesetzte den Häftling anspricht, hat dieser die Mütze abzunehmen und in strammer Haltung zu antworten.

Begegnet ein marschierendes Häftlingskommando einem SS-Führer, so ruft der Capo „Achtung – Mützen ab“. Die Häftlinge marschieren ohne Blickwendung mit angeleg­ ten Armen in strammer Haltung an dem SS-Führer vorbei. Sonstige SS-Angehörige werden nur vom Capo durch Abnahme der Mütze gegrüsst.

Jeder Häftling, der von den Herren des Betriebes angesprochen wird, hat eine stramme Haltung anzunehmen. Wenn ein Häftling eine Auskunft von den Herren des Betriebes haben will, muss er ebenfalls in strammer Haltung die Auskunft erbitten.

K.L. Groß-Rosen Arbeitslager Brünnlitz H-Untersturmführer

Quelle: Yad Vashem: Lagerordnung Brünnlitz, 18.1.1945. Dokument 194. Link (https://www.yadvashem.org/de.html). Zuletzt abgerufen am 01.08.2018.

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M6 Emilie Schindler im Schatten Oskar Schindlers

Abbildung 6: Darstellung Emilie Schindlers in der Dokumentation und im Spielfilm. Bild links: Fotografie Emilie Schindler. Screenshot aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Werner Müller Film, 2018. Bild rechts: Emilie Schindler, dargestellt von Caroline Goodall, Filmszene. Screenshot aus dem Spielfilm „Schindlers Liste“. Universal Studios / Amblin Entertainment, 1993.

Im folgenden Modul hast du die Möglichkeit, dich mit der Biografie Emilie Schindlers näher auseinanderzusetzen. Anhand der folgenden Arbeitsaufträge hast du zudem die Möglichkeit, ihre Darstellung in der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“ aus dem Jahr 2018 mit dem um 25 Jahre älteren Hollywood-Spielfilm „Schindlers Liste“ zu vergleichen.

Quellenstudium 1: Emilie Schindler – Der Engel von Brünnlitz

Arbeitsaufträge

1. Lies dir zunächst die Kurzbiografie Emilie Schindlers und den Infotext „Die Transporte der Juden von Golleschau“ (aus Modul M2) durch!

2. Vergleiche nun die drei Textquellen auf den folgenden Seiten miteinander!

→ Was sagen sie über die Rolle von Emilie bzw. Oskar Schindler im Falle der „Juden von Golleschau“ aus?

→ Achte dabei besonders auf

• die Entstehungszeit der Texte

• den Zweck bzw. die Absicht der Texte

• die Adressaten, an die sich die Texte richten

→ Welche Unterschiede gibt es? Und warum?

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Text 1:

Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“

Off-Stimme

Das ist Emilie Schindlers große Stunde. Sie nimmt sich der etwa 80 halbtoten Men­ schen an, lässt sie im Lagerlazarett medizinisch versorgen und verschafft ihnen einen Raum, in dem sie in Ruhe genesen können.

Aus erbetteltem Grieß kocht sie Grießbrei, um die entkräfteten Menschen langsam wieder an feste Nahrung zu gewöhnen.

Von da an nennt man sie im Lager den Engel von Brünnlitz.

Zeitzeuge Petr Hanzl / Übersetzung Off-Stimme

„[…] Schindler war ein Organisator und ein Snob, wenn man so will, der sich mit sei­ nen Hobbys befasste, sie hat die Bauern besucht, hat Mehl aufgetrieben in der Mühle und sie hat den Menschen zumindest so viel gegeben, dass sie überleben konnten.“

Off-Stimme

Schindler organisiert, Emilie packt an, man könnte sie ein perfektes Paar nennen, trotz Schindlers zahlreicher Eskapaden.

Quelle: Transkript aus der Dokumentation „Oskar Schindlers schwieriges Erbe“. Die Fabrik in Brünnlitz / Brnĕnec. Sprechertext. Werner Müller Film, 2018. Min. 00.23.28–00.25.08.

Text 2:

Aus dem Schutzbrief für Oskar Schindler

Brünnlitz, den 8. Mai 1945

Isaak Stern ehem. Ang. d. Pal. Amtes in Krakau, Dr. Hilfstein, Chaim Salpeter, ehem. Präsid. der zion. Exzek. in Krakau für Galizien und Schlesien

„[…] Bezüglich der Behandlung der Juden durch Dir. Schindler verdient besonders her­ vorgehoben zu werden folgende Tatsache, die sich während unseres Aufenthaltes in Brünnlitz im Januar d. Js. ereignete: Durch Zufall gelangte in unsere Nähe ein Trans­ port von jüdischen Häftlingen, welche aus dem KL Auschwitz, Außenstelle Goleschow, evakuiert wurden. Dieser Transport bestand ausschließlich aus über 100 Kranken aus dem Spital, welches infolge der Räumung des Lagers liquidiert wurde. Diese Leute kamen bei uns nach mehrwöchentlicher Wanderung vollkommen verfroren und fast lebensunfähig an. Kein Lager wollte diesen Transport annehmen und lediglich Dir.

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Schindler hat sich dieser Leute persönlich angenommen, indem er sie auf seinem Fab­ rikgelände unterbrachte, obwohl keine Aussicht bestand, sie überhaupt jemals be­ schäftigen zu können. Er spendete aus eigenen Fonds beträchtliche Summen, um sie so schnell wie möglich wiederherzustellen. Zu diesem Zwecke organisierte er sanitäre Hilfe und richtete eine spezielle Krankenstube für Bettlägrige ein. Nur dank seiner persönlichen Betreuung ist es gelungen, 80 dieser Leute vor dem unvermeidlichen Tode zu retten und sie wieder lebensfähig zu machen […].“

Quelle: Yad Vashem: Gerechte unter den Völkern – Die Figur Oskar Schindler im Unterricht. Link (https://www.yadvashem.org/de/education/educational-materials/lesson- plans/schindler.html) ). Unverändertes Transkript. Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

Text 3:

Henry Weises Aussage über seine Zeit in den verschiedenen KZs und über Schindlers Hilfe

„[…] Als Auschwitz liquidiert wurde, kam zu uns ein Transport von Leuten, die krank und am Ende waren. Schindler hat sie in einer besonderen Baracke untergebracht und gepflegt. Sie sind mit uns gemeinsam Anfang Mai 1945 von den Russen befreit worden […].“

Quelle: Mietek-Pemper: Henry Weises Aussage über seine Zeit in den verschiedenen KZs und über Schindlers Hilfe 2. Link (http://www.mietek-pemper.de/wiki/Bild:Gray1130.jpg). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Quellenstudium 2: Emilie Schindler und der Film „Schindlers Liste“

Arbeitsaufträge

1. Bewerte die Abschlussrede Oskar Schindlers in „Schindlers Liste“ (Quelle 1) aus der Sicht von Emilie Schindler! Beziehe auch die Sichtweise von Jerzy Gross (Quelle 2) mit ein!

2. Interpretiere die Rolle Steven Spielbergs aus der persönlichen Perspektive von Emilie Schindler (Quelle 3)! Vergleiche sie mit der teilweise fiktiven Rede Schindlers (Quelle 1)!

Quelle 1: Abschlussrede Oskar Schindlers im Spielfilm „Schindlers Liste“

Transkript der Filmszene: Schindlers Liste, 1993

„[…] Wir haben überlebt. Viele von ihnen sind zu mir gekommen und haben sich be­ dankt. Danken sie sich selbst, danken sie ihrem furchtlosen Stern und Anderen unter ihnen, die sich um sie gekümmert haben und dabei in jedem Augenblick in Todesge­ fahr waren. Um Mitternacht werden sie frei sein und ich werde gejagt. Ich habe vor, bei ihnen zu bleiben bis fünf Minuten nach Mitternacht, denn ab diesem Zeitpunkt, ich hoffe sie verzeihen mir, muss ich fliehen.“

Quelle: Schindlers Liste. Regie: Steven Spielberg. Produktion: Steven Spielberg, Gerald R. Molen, Branko Lustig. Universal Studios / Amblin Entertainment, 1993. Teil 2, Kapitel 36, Min. 37.17–38.42.

Quelle 2: Jerzy Gross über Emilie Schindler

Jerzy Gross war ein polnisch-deutscher Holocaust-Überlebender. Er war der letzte in Deutsch­ land lebende „Schindlerjude“. In einem Online-Artikel nahm er Stellung zur Rolle Emilie Schindlers und ihrer Darstellung im Film „Schindlers Liste“:

Jerzy Gross über Emilie Schindler

Der Film unterschlage zudem, welch wichtige Rolle Schindlers Frau Emilie gespielt habe. „Sie versorgte uns mit Essen. Ihr Mann war der Prinz, der sich nicht um solche Kleinigkeiten kümmerte. Sie aber schmuggelte auch die Brillanten nach Berlin, um die Schindler-Frauen, die nach Auschwitz deportiert wurden, zurückzuholen.“ Im Film ist es Oskar Schindler selbst, der die Edelsteine dem Kommandanten von Auschwitz bringt.

Quelle: Wikiwand: Jerzy Gross. Link (https://www.wikiwand.com/de/Jerzy_Gross). Zuletzt abgeru­ fen am 04.10.2019.

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Quelle 3: Emilie Schindler über Steven Spielberg

Im Jahr 1993, dem Entstehungsjahr von Schindlers Liste, schrieb Steven Spielberg eine in Brief­ form abgefasste Einladung an Emilie Schindler, an der Schlussszene mit den Überlebenden mitzuwirken. Emilie Schindler bemerkte dazu in ihrer (von Erika Rosenberg herausgegebenen) Biographie:

Emilie Schindler über Oskar Schindler

„Als der Brief dann vom Englischen ins Deutsche übersetzt worden war, staunte ich nicht schlecht: Spielberg lud mich als eine „Gerettete“ ein. Für seinen Film brauchte er Gesichter, Gesichter von Überlebenden, und dafür war er bereit, mir und meinem Mann die Flugtickets nach Israel zu bezahlen. Es war klar, dass er über meine wahre Identität und meine Leistung an der Seite meines Mannes, des „Hauptdarstellers“ gar nicht informiert war. Das ärgerte mich zu Tode […]. Als Spielberg erfuhr, wer ich in Wirklichkeit war, blickte er mich nur unschuldig an, grinste und griff sich mit beiden Händen an den Kopf. Dann sagte er etwas auf Englisch, das ich nicht verstand, drehte sich um und ging weg.“

Quelle: Erika Rosenberg (Hrsg.): Ich, Emilie Schindler. Erinnerungen einer Unbeugsamen. Herbig: München, 2006. S. 169/170.

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Vertiefender Arbeitsauftrag: Treatment für Spielfilm oder Doku

Über 25 Jahre sind seit der Veröffentlichung des Spielfilms „Schindlers Liste“ vergangen. Stell dir vor, du bist ein engagierter Filmemacher / eine engagierte Filmemacherin und möchtest das Thema neu verfilmen. Diesmal soll die Person Emilie Schindler im Zentrum stehen.

Arbeitsaufträge

→ Überlege dir, ob du ein Konzept für einen Dokumentarfilm oder einen historischen Spiel­ film machen möchtest. Begründe deine Entscheidung und halte fest, welche inhaltlichen Kriterien du bei der von dir gewählten Darstellungsform zu beachten hast!

→ Verfasse ein Treatment23, das den Inhalt der von dir geplanten Dokumentation oder des von dir geplanten Spielfilms zusammenfasst. Mithilfe des Treatments möchtest du mög liche Filmpartner (Produktionsfirma, Förderungsstellen, Fernsehanstalten etc.) neugierig auf dein Projekt machen und so die Finanzierung für dein Projekt ermöglichen. Achte also darauf, dass dein Text spannend ist und das Interesse für das Thema weckt!

Das Treatment sollte einen Umfang von ca. 300–400 Wörtern haben.

23 Der Begriff Treatment wird synonym mit Exposee bzw. Synopse verwendet, als Bezeichnung für eine sehr kurze Dar­ stellung der Kernhandlung eines geplanten Films. Siehe: Uni Kiel: Lexikon der Filmbegriffe. Link (https://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=7814). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Informationen und Lösungsvorschlage zu den Modulen

Die Arbeitsaufträge sind alle so zu lösen, dass individuelle Antworten möglich sind. Die Lö­ sungsvorschläge (L) sollen der Lehrkraft als Hintergrundinformation und Hilfestellung für wei­ terführende Diskussionen dienen.

L: M2 Oskar Schindler – Held, Lebensretter, Opportunist, Verräter?

Je nach der zeitlichen Möglichkeit im Unterricht bietet es sich an, die Klasse in drei Gruppen aufzuteilen. Jede Gruppe erarbeitet jeweils ein Quellenstudium (Quellenstudium 1–3) und trägt die Erkenntnisse dann in Form von Kurzreferaten vor. Quellenstudium 4 wird im An­ schluss gemeinsam im Plenum diskutiert.

Quellenstudium 1: Oskar Schindler 1939–1974

Die Schüler/innen sollen einen kritischen Bezug zum Text der Off-Stimme entwickeln und auch den mitunter manipulativen Charakter des Off-Textes erkennen. In den meisten Fällen wird eine subjektive Sichtweise wiedergegeben.

Quellenstudium 2: Oskar Schindler aus der Sicht der „Schindlerjuden“

Die Schüler/innen sollen im Sinne des Basiskonzepts Perspektivität, die unterschiedliche Sicht­ weise von Menschen auf ein und dieselbe Person erkennen. Die sogenannten „Schindlerju­ den“ beschreiben Oskar Schindler aus ihrer Sicht mit ihren persönlichen Erfahrungen. Alle ne­ gativen Zuordnungen zu Schindler werden dabei ausgeblendet.

Der Zeitzeuge Henzl legt in seiner Betrachtung den Fokus auf Schinder als Lebemann, zumal er auch nicht Oskar Schindler sein Leben verdankt.

Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, auch die Rolle von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu hinterfragen (Frage nach der Authentizität) bzw. sich auch die Frage zu stellen, warum die Filmemacher genau diese Sequenz des Zeitzeugen Henzl eingespielt haben. Gab es vielleicht noch andere Aussagen, die nicht vorkommen?

Quellenstudium 3: Oskar Schindler – ein Verräter?

Die Schüler/innen sollen im Sinne der Multiperspektivität zu einer differenzierten Sichtweise, bezogen auf die Person Schindlers, gelangen.

Wie legitim ist die Sichtweise der Historikerin Gruntova bei Betrachtung des Lebenswerks von Oskar Schindler? Auf welchem persönlichen Hintergrund basiert die Aussage von Frau Grun­ tova?

• Wertungen haben immer subjektiven Charakter und resultieren oft aus einem sehr persön­ lichen Sozialisationsprozess.

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• Genügt andererseits die Rolle Oskar Schindlers als Lebensretter, um alle anderen Facetten seiner Persönlichkeit auszublenden?

Quellenstudium 4: Oskar Schindler – über sich selbst

Oskar Schindler war Mitglied der NSDAP, berechnender Geschäftsmann im System des Natio­ nalsozialismus, Lebemann, Lebensretter, Frauenheld, Säufer und Spion.

Greift die Selbstreflexion zu kurz oder entschuldigt sein moralisches Werk alle anderen Facet­ ten seiner Persönlichkeit?

Dieser Aspekt der sehr persönlichen Sichtweise lässt sich auch mit der Biographie von Kurt Waldheim vergleichen („Ich habe nur meine Pflicht getan …“) gepaart mit der Frage nach dem Wahrheitsgehalt von Biographien.

Vertiefender Arbeitsauftrag zu Quellenstudium 1 bis 4

Die Schüler/innen haben nun sehr viele Informationen über Oskar Schindler „gesammelt“ und sollen nunmehr diese mit der Darstellung in einem Zeitungsartikel vergleichen, um den sub­ jektiven Charakter desselben zu erkennen bzw. zu hinterfragen.

L: M3 Gedenkkultur am Beispiel Oskar Schindlers

Quellenstudium 1: Denkmäler für Oskar Schindler

Arbeitsauftrag 1

Die Schüler/innen sollen sich im konkreten Fall mit dem Begriff „Gedenkkultur“ auseinander­ setzen, unter dem Aspekt der nationalen Sichtweise auf die Vergangenheit. Während etwa in Österreich oder Deutschland (gerade nach dem Film „Schindlers Liste) Schindler als Held und Lebensretter gefeiert wird, hat sich in der tschechischen Vergangenheitsbetrachtung eine an­ dere Sichtweise ergeben. Hier wird Schindler als deutscher Spion gesehen, der gegen die Inte­ ressen seiner ehemaligen Heimat gearbeitet hat. Der Fokus liegt eben nicht auf seinen lebens­ rettenden Maßnahmen und somit hält sich auch das Interesse an einer diesbezüglichen Ge­ denkkultur in Grenzen.

Arbeitsauftrag 2

Unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus Arbeitsauftrag 1 sollen sich die Schüler/innen kri­ tisch mit einem Denkmal bzw. einer Gedenktafel auseinandersetzen.

Es geht um folgende Fragen:

• Was ist ein Denkmal? Woran, warum und an wen soll gedacht werden?

• Entspricht der Text tatsächlich der nationalen bzw. regionalen Sichtweise oder stellt er einen Kompromiss dar, um der politischen Korrektheit Rechnung zu tragen.

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• Wie unterscheiden sich die Gedenktafel aus Frankfurt am Main und das tschechische Denk­ mal?

• Welche Formulierungen wären möglich, um der Bandbreite der Person Schindlers gerecht zu werden?

Quellenstudium 2: Umgang mit „Spuren“ der NS Vergangenheit

In Anlehnung an die Arbeitsaufträge zu „Quellenstudium 1: Denkmäler für Oskar Schindler“ sollen auch hier die Schüler/innen der Frage nach der nationalen Sichtweise auf die Vergan­ genheit nachgehen. In Polen ist es per Gesetz verboten, von einem polnischen Konzentra tionslager zu sprechen, weil diese für Polen einen Teil der deutschen Geschichte auf polni­ schem Boden darstellen. Im nationalen Empfinden ist es kein Teil der polnischen Geschichte, sondern eben der Deutschen. So betrachtet finden sich auch etwa bei den beiden Lagern Auschwitz I und II die jeweils deutschen Bezeichnungen Auschwitz I und Auschwitz Birkenau, obwohl die beiden Orte Oswiecim bzw. Brzezinka heißen.24

Quellenstudium 3: Vergangenheit ist nicht Geschichte

Die Schüler/innen sollen erkennen, dass nicht alles, was man an einer Gedenkstätte vorfindet, einer Quelle entspricht. Manches ist eine Rekonstruktion, um die „Vergangenheit“ wieder sichtbar zu machen.

So wurden etwa die Gaskammern bzw. das Krematorium im Stammlager Auschwitz I nach Kriegsende rekonstruiert, was mitunter Holocaust-Leugner/innen Argumente liefert. Die Schü­ ler/innen sollen also die Authentizität von Quellen erkennen und bewerten können.

Quellenstudium 4: Schindlers Fabrik heute

Die Schüler/innen sollen der Frage nachgehen, welche Intentionen hinter der Idee einer Nut­ zung der ehemaligen Fabrik in Brünnlitz liegen.

• Soll die nachgereichte Ehrung von Oskar Schindler im Vordergrund stehen oder eine Instru­ mentalisierung desselben aus kommerziellen Gründen?

• Soll ein touristischer Mehrwert geschaffen werden, um die Region um Brünnlitz für den Tourismus attraktiver zu machen?

24 Siehe dazu: Wikipedia: Gesetz über das Institut des Nationalen Gedenkens – Kommission für die Verfolgung von Verbrechen gegen das Polnische Volk. Link (https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_%C3%BCber_das_Institut_des_Nationalen_Geden­ kens_%E2%80%93_Kommission_f%C3%BCr_die_Verfolgung_von_Verbrechen_gegen_das_Polnische_Volk). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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L: M4 Die Macht der Sprache

Die Schüler/innen sollen die Bedeutung von Sprache im Zusammenhang mit sehr persönlichen Lebenssituationen erkennen.

Im konkreten Fall geht es hier um die persönliche respektvolle Anrede von Menschen in einer Ausnahmesituation. Die Angesprochenen sahen sich als Menschen wahrgenommen und nicht als „Schweine“.

Im Sinne der Orientierungskompetenz sollen die Schüler/innen einen Vergleich zu ihren per­ sönlichen Alltagserfahrungen herstellen.

L: M5 Das Leben im KZ Außenlager Brünnlitz

Die Schüler/innen sollen, anhand des klar strukturierten Tagesablaufes die Bedeutung des Be­ griffes „Strukturelle Gewalt“ erläutern.

Unter strukturelle Gewalt lassen sich alle Formen der Diskriminierung zuordnen. Die Diskrimi­ nierung im konkreten Fall bestand darin, dass durch die vorgegebene Struktur den menschli­ chen Bedürfnissen der Häftlinge nicht Rechnung getragen wurde bzw. auch so gar nicht vorge­ sehen war.

Die Schüler/innen sollen die Machtstrukturen innerhalb des Gefüges Konzentrationslager er­ kennen und bewerten.

Vorschriften kommen in der Regel von den „Mächtigen“ zum Zwecke der Machterhaltung und die „Ohnmächtigen“ haben sich dem zu beugen.

Anhand der vorliegenden Quellen sollen die Schüler/innen im Sinne der Orientierungskompe­ tenz die Unterschiede zwischen einem diktatorischen bzw. demokratischen System heraus arbeiten und auch der Frage nachgehen, ob es in einem demokratischen System autoritäre Züge gibt.

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L: M6 Emilie Schindler im Schatten Oskar Schindlers

Prinzipiell ist den Schüler/innen bewusst zu machen, dass historische Dokumentationen, auch wenn sie „wirkliche“ Bilder zeigen, nie die Vergangenheit wiedergeben „wie sie wirklich war“.

Vielmehr eröffnet eine solche Dokumentation eine Sichtweise auf eine Thematik, entspre­ chend einem bestimmten Erkenntnisstand, einer diesbezüglichen Interessenslage und einer Darstellungsstrategie.

Des Weiteren bedarf es einem kritischen Zugang zu historischen Quellen, die immer ein Pro­ dukt der jeweiligen Entstehungszeit und daher aus dieser zeitlichen Perspektive heraus zu be­ urteilen sind. Der „Schutzbrief der Schindlerjuden“ hatte den Zweck einer „Zeugenaussage“ zu Gunsten von Oskar Schindler im Falle seiner Verhaftung, blendet aber zur Gänze die Person Emilie Schindler aus, eventuell unter der Annahme, dass sie geschützt durch ihren Mann in Sicherheit sei. Ebenso ist die Aussage von Henry Weises zu verstehen.

Anders verhält es sich mit der Dokumentation, die ja kein schriftliches Produkt, sondern eine audiovisuelle Aufbereitung aus dem Jahre 2018 ist. Die Vorstellung von Vergangenheit wird hier visuell geprägt, gepaart mit dem Off-Text, Zeugenaussagen, Bildern, musikalischer Unter­ malung, mit einer anderen Schwerpunktsetzung und aus der zeitlichen Distanz von 74 Jahren.

Im Quellenstudium 2 ist die Aufgabe für die Schüler/innen, der Frage nach Schwerpunktset­ zungen in einem historischen Spielfilm nachzugehen (unter Beachtung der Texte aus dem Quellenstudium 1) und die weitgehende filmische Ausblendung von Emilie Schindler kritisch zu hinterfragen.

Die zitierte Biographin Erika Rosenberg spricht davon, dass der Film von der ersten Idee bis zur Produktion vorbei an den wahren Helden ging und rücksichtslos von der Filmindustrie für ei­ gene Verdienstzwecke vermarktet wurde.

Nach Meinung von Erika Rosenberg spielte Emilie in Spielbergs Film nur die Rolle der „betro­ genen Ehefrau“, die im Schatten ihres erfolgreichen und sich aufopfernden Ehemannes steht, der versucht, viele Juden vor dem sicheren Tod aus den Händen der Nazis zu retten. In Wahr­ heit war sie entscheidend an der Rettung der „Schindlerjuden“ beteiligt.25

25 Nordbayern: Steven Spielberg wollte leider nur einen Helden haben. Link (https://www.nordbayern.de/re­ gion/schwabach/steven-spielberg-wollte-leider-nur-einen-helden-haben-1.2529368). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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Vertiefender Arbeitsauftrag: Treatment für Spielfilm oder Doku

Der vertiefende Arbeitsauftrag soll abschließend dazu anregen, sich mit den unterschiedlichen Voraussetzungen von historischem Spielfilm und Dokumentarfilm auseinanderzusetzen.

Der Dokumentarfilm26

Der Dokumentarfilm ist nach seiner Definition „ein Film mit Dokumentaraufnahmen, der Begebenheiten und Verhältnisse möglichst genau den Tatsachen entsprechend zu schildern versucht; Kurzwort: Doku.“

Der Dokumentarfilm stellt Dokumente (filmische Aufnahmen, Fotografien, Tonauf­ nahmen …) mit einer bestimmten Absicht zusammen und kommentiert diese. Neben dem nachträglich eingefügten Kommentar kann auch ein erläuternder Text im Bild er­ scheinen oder Musik zu hören sein.

Der Dokumentarfilm „arbeitet zwar ebenfalls mit zeitgenössischen Filmdokumenten, stellt diese jedoch in einen neuen historischen Zusammenhang und bearbeitet das vorliegende Material, indem er bestimmte Sequenzen auswählt, gliedert und er­ gänzt.“

Der Dokumentarfilm wird in der Regel für Bildungs- oder Informationszwecke ge­ schaffen. Ihm werden hohe Authentizität und ein hoher Wahrheitsgrad unterstellt. Im Unterricht wird er häufig wesentlich unkritischer eingesetzt als Spielfilme. Aber auch Dokumentationen „konstruieren“ Geschichte(n). Die Zusammenstellung der Bilder und der nachträglich eingefügte Kommentar können zielgerichtet und manipulativ eingesetzt werden, zudem sind Produzent/innen von Dokumentationen bestimmten Zwängen unterworfen (sind hinsichtlich der Themenwahl und Darbietung auf das Zu­ schauerinteresse ausgerichtet). […]

Historische Spielfilme

Unter historischen Spielfilmen versteht man nicht Filme, die in einer früheren Zeit entstanden sind, sondern Filme, deren Handlung in früheren Zeiten spielt. Diese kön­ nen wieder in Unterkategorien geteilt werden: historischer Abenteuerfilm, histori­ scher Ausstattungsfilm, Vergangenheitsbewältigungsfilm, Nostalgiefilm, Heimatfilm …

Geschichtliche Spielfilme geben gerne vor, die historische Realität abzubilden und dem Publikum die Vergangenheit, ein Ereignis oder eine Person so zu präsentieren,

26 Folgender Abschnitt stammt aus: Marion Obermüller: Kompetenzorientiertes Arbeiten mit Filmen auf Bil­ dungsmedien.TV. BMB: Wien, 2015. Link (https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:15dca4d5-f3e5-4554-b2d6- f79f2bd2ed6a/tmbh_2015_filme.pdf). Zuletzt abgerufen am 04.10.2019.

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„wie es/sie wirklich war“. Häufig stellen Regisseur/innen eine Einblendung mit dem Hinweis „Nach einer wahren Geschichte“ oder „Beruht auf wahren Begebenheiten“ voran, um den Eindruck der Authentizität zu erhöhen. Aber gerade beim historischen Spielfilm kann sich die filmische Darstellung der Vergangenheit (eines Ereignisses, ei­ ner Person) deutlich von dem unterscheiden, was in der Geschichtswissenschaft als Erkenntnisstand gilt. Gerade deshalb setzt die Verwendung historischer Spielfilme im­ mer einen genauen Kenntnisstand der thematisierten Ereignisse oder Personen sowie die Einbeziehung von Quellen und anderen Darstellungen voraus. Im Unterricht muss mit den Schüler/innen das Gesehene, die präsentierte Geschichte hinterfragt und kri­ tisch analysiert werden. Historische Spielfilme können als Dokumente für eine be­ stimmte Zeitsicht historischer Ereignisse herangezogen werden, als Ausdruck für den Zeitgeist einer bestimmten Zeit, als Zeugnis für die Nutzung des Films in politisch-ma­ nipulativer Absicht oder auch als Beleg dafür, wie sich eine Gesellschaft ihrer Ge­ schichte versichert oder sich kritisch damit auseinandersetzt.

Geschichtliche Spielfilme sind demnach weitaus mehr als lediglich ein Veranschau lichungsmedium. Versteht man sie als filmische Narration von Geschichte, kann eine Analyse dieser Geschichtserzählung dazu beitragen, einen reflektierten Umgang der Lernenden mit Geschichte zu fördern und sie zu einem kritischen Umgang mit ge­ schichtskulturellen Deutungen von Geschichte in ihrer alltäglichen Lebensumwelt zu befähigen.

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