Gesellschaft der Freunde der Wiener Oboe 52. Ausgabe Dezember 2011

Über die Begegnung von Mozart und Ramm – 2. Teil (Elisabeth Baumer) Erinnerung an Hugo Kauder

WIENER OBOEN-JOURNAL Verkaufe Editorial Wiener Oboe (Yamaha Modell 805) Vollautomatik (Seriennr. 0010) mit Liebe Mitglieder! Orchestererfahrung! Aufgerüstet mit „Rauch“-B-Becher und Alles wird teurer, die Hunde, das Parken und die B-Mechanik (h+cis1=b) Mitgliedsbeiträge. Alles steigt, doch unser Rating 1 neues Ersatzoberstück (von Yamaha), 1 fällt. Wir sollen von Triple A auf 440 herabgestuft Ledertasche (gebraucht, aber sehr guter werden, und der Staatschuldenausschuss warnt: Zustand) Verankern wir nicht sofort die Schuldenbremse Verkaufspreis (all incl): 5500 € in unseren Statuten, droht uns mehr als die Her- abstufung auf 440. Dann spielen wir bald auf Die Oboe ist frisch generalüberholt und Ramschinstrumenten mit rostigen Klappen. Von liegt zum Probieren in der Werkstatt von K. Triple-A auf ZZ-minus. Radovanovic Ulrike Albeseder Aber bremsen wir nicht genug? Ist nicht jeder Tel.: 0049-6353-932237 von uns nach dem gewonnenen Probespiel auf Email: [email protected] die Bremse getreten? Ich zum Beispiel bremse stets vor heiklen Stellen. Ich mache gerne außer- fahrplanmäßige Fermaten, bremse wie ein Castor auf dem Weg zum Zwischenlager, schleife mich Die Wiener Symphoniker bieten folgendes ein wie ein Zug nach dem Überfahren eines roten Instrument zum Verkauf an: Signals. Bei heiklen Stellen reagiert meine ganz Wiener Englischhorn (Vollautomatik) der persönliche INDUSI. Ich schalte mich mitten Firma Christian Rauch (Seriennummer R1214) im Solo ab. Nimmt sich der Feinstaub daran ein samt vier S-Bögen. Beispiel? Bremst er vor dem Eintritt in unsere Das Instrument wurde von Wolfgang Zimmerl Lungenbläschen? Das müsste man auch in den gespielt. Preis: 6500.- Euro Statuten verankern. Das wäre ein Job für den Weltklimarat. Bei Stuttgart 21 wurden die Brem- Kontakt: Mag. Igor Chomca sen gelockert, doch bei Atzgersdorf 23 bleiben Lothringerstraße 20 Büro Konzerthaus sie angezogen, so sehr, dass man von dem unter- Tel. +043 1 58979/58 irdischen Bahnhofsprojekt bisher noch gar nichts E-Mail: [email protected] gehört hat.

Selbst wenn ihr ab sofort das „a“ dreimal angebt oder gar ein dreigestrichenes a‘‘‘ herauspresst, Unsere Bankverbindung rettet euch das nicht, sagen die Rating-Agentu- ren. Doch ich, Euer Präsident, sage Euch: Die Volksbank Baden Hebelwirkung der Klappenanlage und die Feu- Knt. Nr. 536 36 35 0000 erkraft erhöhen! Mit Oboen-Salven die Märkte BLZ: 42750 noch weiter verunsichern: Lieber ein ehrliches ZZ-minus als ein falsches Triple-A+. Zorro reitet wieder und er hat die Handy-Tarife im Visier. A1 wird billiger. Das ist die gute Nachricht. Wie sagte schon Cato der Ältere, bevor er weh- A- 2340 Mödling, Freiheitsplatz 5-6 mütig zu seinem Doppelaulos griff: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Nebenbahnen erhal- Tel.: 02236/47131 (Fax 4713150) ten und ausgebaut werden müssen. e-mail: [email protected] IBAN: AT6442750 5363635 0000 Josef Pepi Eurobond BIC: VBOEATWWBAD

2 Journal - Wiener Oboe „Der Ram oboist ist ein recht braver lustiger ehrlicher Man“

Über die Begegnungen von Wolfgang Amadeus Mozart und Friedrich Ramm und die Entstehungsgeschichte der für den Oboisten komponierten Werke – 2. Teil Von Elisabeth Baumer

DIE SINFONIA CONCERTANTE In Paris wurde Mozart bald beauftragt, eine sympho- KV Anh. 9/297B nie concertante für die von Legros geleiteten Concerts spirituels zu schreiben. Die Concert spirituels waren Im April 1778 komponierte Mozart in Paris die sym- das wichtigste Konzertunternehmen in Paris. 1725 von phonie concertante für Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Anne Danican Philidor gegründet, umfasste es Orche- Orchester. Diese spezielle Kompositionsweise für die ster und Chor. Die regelmäßige Konzertreihe fand im vier genannten konzertierenden Blasinstrumente ent- Schweizersaal der Tuilerien statt. Ebenfalls von Legros sprach ganz der Pariser Mode (vgl. beispielsweise die beauftragt, machte sich Mozart an die Bearbeitung symphonies concertantes von Devienne). Das Werk im eines Miserere von Holzbauer, da dessen Chöre nicht ursprünglichen Zustand gilt als verschollen. Drei der dem Pariser Geschmack entsprachen. Darüber berich- Solisten waren Mozarts gute Bekannte aus Mannheim, tet Mozart genau in seinem Brief vom 5. April 1778 die Solobläser der Mannheimer Hofkapelle: der Flötist an den Vater: Wendling, der Oboist Ramm und der Fagottist Ritter. Der Hornist war Johann Wenzel Stich alias Giovanni [...] Weil nun sacrificium Deo spiritus eine aria Punto; er galt als der beste Hornist seiner Zeit. Wie andante für Raff, mit oboe und fagott Solo ist, so habe aus Mozarts Briefen an seinen Vater hervorgeht, hatten ich ein kleins Recitativ, quoniam si voluißes, auch mit unter anderem Wendling und auch Ramm den jungen concertirender oboe und fagott darzu gemacht. [...] Komponisten ursprünglich dazu bewogen, mit ihnen nach Paris zu reisen, um dort, nicht zuletzt dank der Im selben Brief erwähnt Mozart zum ersten Mal sein zahlreichen Kontakte der Mannheimer, zu reüssieren. Vorhaben, eine symphonie concertante für Flöte, Oboe, Zur gemeinsam geplanten Fahrt kam es aber nicht, Horn und Fagott zu schreiben: weil sich bei den Mozarts Zweifel in Bezug auf die Schicklichkeit einstellten: nachdem Mozart und seine [...] Nun werd ich eine sinfonie concertante machen, Mutter die Bläser über einige Monate gut kennenge- für flauto wendling, oboe Ramm, Punto waldhorn, und lernt hatten, drückten sie schließlich in den Briefen an Ritter Fagott. [...] Leopold Mozart ihre moralischen Bedenken angesichts der Wendling- und Rammschen Lebensweise aus. In Da es sich bei dem Miserere um denselben Auftragge- Mozarts Brief vom 4. Februar 1778 heißt es: ber wie für die sinfonie concertante handelte und beide Werke für eine Aufführung im Rahmen der Concerts [...] der wendling ist ein grund Ehrlicher und sehr spirituels gedacht waren, kann man annehmen, dass guter Mann, aber leider ohne alle Religion, und so das Mozart bei dieser Komposition ebenfalls an Ramm ganze haus. Es ist ja genug gesagt daß seine tochter und Ritter gedacht hatte. Es entstanden aber immer maitresse war. der Ramm ist ein brafer Mensch, aber mehr Schwierigkeiten, was die von Legros bestellten ein libertin. [...] Kompositionsaufträge betraf. Verdeutlicht wird das in Mozarts Brief an seinen Vater vom 1. Mai 1778: Allerdings spielte auch Mozarts Liebe zu Aloysia Weber eine Rolle. Die Sängerin hatte ihn dazu überredet, sie und [...] Nun aber mit der Sinfonie Concertante hat es ihren Vater in den für die Abreise nach Paris bestimmten wieder ein Hickl=hackl. da aber glaube ich ist wieder Tagen auf eine „Vakanzreise“ zur Prinzessin von Weil- was anderes dazwischen. ich hab halt hier auch wieder burg nach Kirchheimbolanden zu begleiten. meine feinde. wo habe ich sie aber nicht gehabt? – das

Journal - Wiener Oboe 3 ist aber ein gutes zeichen. ich habe die Sinfonie machen Briefe sind die einzigen Zeugnisse, welche die Exi- müssen, in gröster Eyl, habe mich sehr befliessen, und stenz der sinfonie concertante dokumentieren. Weder die 4 Concertanten waren und sind noch ganz darein ein Manuskript, noch abgeschriebenes Stimmenmate- verliebt. Le gros hat sie 4 täg zum abschreiben. ich finde rial oder sonst irgendein Hinweis waren erhalten, aber sie aber noch immer an nemmlichen Plaz liegen. End- auf Grund der Briefvorlage wurde das Werk 1862 als lich den vorlezten tag finde ich sie nicht – suche aber „verschollen“ in den Anhang des Köchelverzeichnisses recht unter den Musikalien – und finde sie versteckt. thue aufgenommen. 1869 jedoch tauchte erstmals die Par- nichts dargleichen. frage den Le gros. apropós. haben titurabschrift einer Sinfonia concertante im Nachlass sie die Sinf: Concertant schon zum schreiben geben? – Otto Jahns auf, handschriftlich von einem professio- nein – ich habs vergessen. weil ich ihm natürlicher weise nellen Kopisten verfertigt, der für Jahn mehr als 100 nicht befehlen kan daß er sie abschreiben und machen Mozartpartituren sowie auch Werke anderer Kom- lassen soll, so sagte ich nichts. gieng die 2 täg wo sie ponisten abgeschrieben hatte. Diese Komposition ist hätte executirt werden sollen ins Concert. da kamm eine Sinfonia Concertante für Oboe, Klarinette, Horn, Ram und Punto im grösten feüer zu mir, und fragten Fagott und Orchester. Jahn gab bis zu seinem Tod nie mich, warum den meine Sinfoni Concert: nicht gemacht öffentlich bekannt, von welcher Quelle er die Abschrift wird? – das weis ich nicht. das ist das erste was ich höre. anfertigen ließ. Da Jahns Nachlass Mozart als Verfasser ich weis von nichts. der Ram ist fuchswild worden, und dieses Werks anführte, wurde es zum Synonym für die hat in den Musique Zimmer französisch über den Le verschollene Pariser sinfonie concertante. gros geschmält, daß das von ihm nicht schön seye etce: Gegen Ende der 1910er Jahre galt diese Komposi- was mich bey der gantzen sache am meisten verdriest, tion allgemein unter Musikwissenschaftern und aus- ist, daß der Le gros mir gar kein wort davon gesagt hat, führenden Musikern als eine unerklärliche Variante nur ich hab nichts darvon wissen därfen – wenn er doch der ursprünglichen Fassung, und zwar auf Basis eher eine excuse gemacht tätte, daß ihm die zeit zu kurz wäre, persönlicher Meinungen als wissenschaftlicher Unter- oder dergleichen, aber gar nichts - [...] suchungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erstarkten die kritischen Stimmen: Schließlich sprechen einige Die Aufführung des Stücks wurde also vereitelt, und Indizien eindeutig gegen Mozarts Autorenschaft, Mozart äußert im selben Brief den Verdacht, dass z.B. beginnt die erste Soloexposition zweimal – eine Cambini hinter der Intrige stecken könnte. Tatsächlich Erscheinung ohne Präzedenzfall in Mozarts Schaffen wurde am 12. und 19. April im Rahmen des Concert und in Werken des klassischen Stils überhaupt. Befür- spirituel eine symphonie concertante des Turiner Kom- worter und Gegner lieferten sich jahrzehntelang eine ponisten für vier Bläser und Orchester von Wendling, spannende Debatte. Gegen 1950 wurde allgemein die Ramm, Stich und Ritter aufgeführt. Autorenschaft Mozarts endgültig abgelehnt und 1980 Im Brief vom 9. Juli berichtet Mozart an Leopold, wie die Sinfonia Concertante Es-dur für Oboe, Klarinette, er Legros gemieden hatte: Horn und Fagott KV3 297b/KV6 Anh. C 14.01 in die Neue Mozart-Ausgabe als Werk zweifelhafter Echtheit [...] aus verdruß weil er meine sinfonie concertante aufgenommen. Der Herausgeber des Werkes, Wolfgang nicht aufgeführt hatte; [...] Plath, fasst die Problematik der Quellenlage zusam- men, wobei er großen Wert auf die Beurteilung Martin Offensichtlich hatte Mozart einen Wettbewerb gegen Staehelins legt, und drückt seine persönliche Meinung Cambini verloren. Cambini hatte etliche symphonies con- über die Unreife des Werkes aus („abgeschmackt ... certantes komponiert, die regelmäßig in den Concerts spi- unsinnig“). Laut Plath ist Mozarts Autorenschaft höchst rituels aufgeführt wurden; er kannte demnach Legros sehr unwahrscheinlich, die trotzdem erfolgte Aufnahme in gut und konnte ihn daher in dieser Affäre beeinflussen. Im die Neue Mozart-Ausgabe ist nur aus Mangel eines Brief vom 3. Oktober 1778 erfahren wir: Beweises dieser negativen Einschätzung geschehen. Diese Bewertung war natürlich von entscheidender [...] - denn die 2 ouverturen und sinfonie Concertante Bedeutung, da es sich bei der Neuen Mozart-Ausgabe hat mir der Le gros abkauft; [...] schließlich um die größte Autorität aller Publikationen Mozartscher Werke seit der Alten Mozart-Ausgabe von Die Komposition wurde in der Familienkorrespondenz Breitkopf & Härtel (1877) handelt. Doch dass ein Werk, in insgesamt sieben Briefen behandelt, und eben diese dem mittlerweile mehrheitlich Mozarts Autorenschaft

4 Journal - Wiener Oboe abgesprochen worden war, dennoch eindeutige Mozart- bisher nicht gesehen hat.“ sche Züge aufweist, beschäftigte weiterhin zahlreiche Diesen Argumenten kontern Levin und Leeson mit Musikwissenschafter und Musiker. interessanten neuen Aspekten: Die amerikanischen Musikwissenschafter Robert D. - Durch eine analytische Untersuchung der ersten Levin und Daniel N. Leeson vertreten einen anderen Sätze aller 39 authentischen Mozart-Konzerte verwei- Standpunkt und bereichern seit den 70er Jahren die sen die Wissenschafter auf deren sonderbares, einzig- Diskussion mit einer Serie interessanter Publikationen. artiges Schema von Phrasenbildung, -dauer und -wie- Sie sind der Überzeugung, dass es sich bei den Solo- derholung. Erstaunlicherweise stimmen die Solopar- stimmen der Jahnabschrift um ein Arrangement der tien der umstrittenen Sinfonia concertante mit diesem ursprünglichen Fassung handelt, die Orchesterstim- nur bei Mozart vorkommenden Schema überein, die men seien hingegen später dazukomponiert worden. Orchesterstimmen jedoch nicht. Daraus leiten Levin Plaths und Staehelins negative Einschätzung beruht und Leeson ihre Hypothese ab: möglicherweise sind unter anderem auf folgenden Gesichtspunkten: die Solostimmen von Mozarts Originalwerk unabhän- - Alle drei Sätze stehen in der Haupttonart Es-dur. „Man gig von den Orchesterstimmen abgeschrieben worden; kann, soviel ich sehe, in Mozarts echtem Gesamtwerk, diese Abschrift der Solopartien hätte dann die Basis bei gleicher Satzfolge, weder eine Symphonie noch ein einer Rekonstruktion gebildet, in der die Solostimmen Konzert noch eine Sonate finden, welche die Tonart des uminstrumentiert und umkomponiert worden wären, Mittelsatzes nicht veränderte.“ um das Werk den vermutlich begrenzten Fähigkei- - Die „etwas ,billigen‘, ,tusch‘-artigen Refrains“ im ten der vorgesehenen Instrumentalisten anzupassen. letzten Satz und „gewisse, eher ,billige‘ Züge“. Die Orchesterbegleitung wurde neu dazukomponiert. - Das ungewöhnlich lange Oboensolo in der Durch- Levin-Leeson sehen im Stil und in der Struktur der führung des ersten Satzes (T. 280¬297) auf Kosten der Orchesterbegleitung Anzeichen für eine spätere Ent- anderen drei Solisten. stehungszeit. - „Das gewichtigste Argument gegen Mozarts Autor- - Staehelins Argument derselben Tonart aller Sätze schaft dürfte aber das sonderbare, häufige notenge- halten Levin-Leeson entgegen, dass, wenn man nicht treue Wiederholen von einzelnen längeren und kürze- nur drei – bzw. viersätzige Werke Mozarts untersucht, ren Phrasen und Melodiezügen sein; im Verlaufe des sondern auch mehrsätzige Kompositionen wie Serena- Stückes lässt sich dies in so dichter Folge beobachten, den oder Divertimenti einbezieht, sich sehr wohl eine dass man sich unwillkürlich fragt, warum man das große Anzahl Werke in einheitlicher Tonart finden lässt.

Journal - Wiener Oboe 5 Besonders auffallend ist in diesem Zusammenhang, rige Aloysia Weber komponiert, die als Primadonna dass es sich bei diesen Stücken sehr oft um Komposi- an die Münchner Hofoper engagiert worden war. Die tionen für Bläser handelt (z. B. die Serenade KV 375 wunderschönen Bläsersoli des Werkes waren wahr- für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Hörner und scheinlich dem Oboisten Ramm und dem Fagottisten zwei Fagotte). Ritter zugedacht. Das lässt sich zwar mangels eindeu- - Die nicht immer geglückte Balance zwischen den tiger Belege nicht mit Sicherheit beweisen, stellt aber Solisten ist auf den Arrangeur der Originalstimmen die wahrscheinlichste Annahme dar, da Mozart die Fer- zurückzuführen. tigstellung des Werkes mit 8. Januar 1779 in München - Plaths oben angeführtem Argument der ungewöhn- datiert hatte und Ramm zu dieser Zeit in der genann- lich häufig auftretenden notengetreuen Wiederholun- ten Stadt als Solooboist tätig war. Es besteht jedoch gen stellen Levin-Leeson einen Vergleich mit der Pari- auch die Möglichkeit, dass Mozart an Ludwig August ser Sinfonie KV 297/300a, die knapp sechs Wochen Lebrun gedacht hatte, der während Mozarts Mannhei- nach der sinfonie concertante entstanden ist, entgegen. mer Aufenthalt gemeinsam mit Ramm im Orchester KV 297, deren Echtheit unbestritten ist, wurde für das des Kurfürsten gewirkt hatte und nach 1778 gleich- gleiche Orchester und Publikum komponiert. Sie ent- falls in München angestellt worden war. Da Lebrun, ein hält fast dreimal soviel notengetreue Wiederholungen bekannterer Solist als Ramm, allerdings oft über lange wie die Sinfonia Concertante. Mit dem häufigen Repe- Zeiträume gemeinsam mit seiner Frau, der Sängerin tieren des gleichen Materials greift Mozart absichtlich Francisca Danzi, auf Tournee war, scheint es schlüssig, ein wesentliches Merkmal des Pariser Stils auf. Eine dass Mozart die Oboenpartie Ramm zugedacht hatte. Untersuchung zahlreicher symphonies concertantes Das Manuskript von Popoli di Tessaglia ist verschol- von französischen Komponisten beweist, dass solche len, die Neue Mozart-Ausgabe beruht auf einer vom Wiederholungen dem Pariser Geschmack entsprachen. Autograf erstellten Kopie aus dem Besitz Otto Jahns. Mozart habe deshalb die Pariser in einer für ihn sonst Das Fehlen jeglicher dynamischer Zeichen in den Stim- untypischen Manier komponiert, in der eindeutigen men der Solo-Oboe und des Solo-Fagotts entspricht Absicht, dem Pariser Publikum zu gefallen. Dieses ganz dem damals üblichen Gebrauch, den Vokal- sowie grundsätzliche Ansinnen verdeutlicht Mozarts Brief Instrumentalsolisten größtmögliche Gestaltungsfrei- an seinen Vater vom 3. Juli 1778 eindringlich: heit einzuräumen, bzw. vertrauten die Komponisten auf den guten Geschmack der Musiker und die übliche [...] und gleich mitten in Ersten Allegro, war eine Pas- Kenntnis der Spielkonventionen. sage die ich wohl wuste daß sie gefallen müste, alle Die Komposition besteht aus einem Recitativo accom- zuhörer wurden davon hingerissen – und war ein gros- pagnato Andantino sostenuto e languido und einer Aria ses applaudißement – weil ich aber wuste, wie ich sie Andantino sostenuto e cantabile – Allegro assai. Das schriebe, was das für einen Effect machen würde, so Rezitativ in c-moll ist reich an dynamischen Nuancen brachte ich sie auf die lezt noch einmahl an [...] und ausdrucksvollen Chromatismen. Die zweiteilige C-dur-Arie beginnt Andantino, die Streicherstimmen Robert Levin hat anhand dieser Thesen die Sinfonia sind mit sotto voce, Oboe und Fagott mit dolce bezeich- concertante rekonstruiert und stützt sich auf Mozarts net. Verspielte Bläserfiguren steigern sich zunehmend Schreibweise der Arie Se il padre perdei aus dem Ido- zu wundervoll poetischer Virtuosität, die von der Sing- meneo (für die gleiche Solistenbesetzung), des Oboen- stimme nachgeahmt, ja übertrumpft wird: während der quartetts und der Konzerte aus der gleichen Zeit. Tonumfang des Oboenparts das d3 nicht übersteigt (vgl. das zwei Jahre später komponierte Oboenquartett, in „POPOLI DI TESSAGLIA“ KV 316 (300b) dem bis zum f3 zu spielen ist), erreicht die Singstimme im Andantino das e3. Im zweiten Teil wird die Bravour- Mozart schrieb die 1778 in Paris begonnene und arie durch weitere Koloraturen und Trillerketten gestei- 1779 in München vollendete Opera scena Popoli di gert und gipfelt schließlich in aufsteigenden Triolen, Tessaglia – Io non chiedo KV 316 für Sopran, kon- die bis zum g3 führen. zertierende Oboe, konzertierendes Fagott und Orche- Mozart rühmt seine Komposition im Brief an Aloysia ster (zwei Hörner, Streicher und Basso continuo). Der Weber (übrigens der einzig erhaltene an sie) als eine Text stammt von Ranieri de`Calzabigi. Diese lose der schönsten Stücke, die er bis dahin komponiert habe. Opernszene hatte Mozart für die damals achtzehnjäh- Im Faktum, dass Mozart diesen Brief auf italienisch

6 Journal - Wiener Oboe verfasst hat, sieht die Übersetzerin und Herausgeberin zurückblicken. Im Idomeneo gipfelt Mozarts bishe- der bedeutendsten italienischen Ausgabe ausgewähl- rige Meisterschaft: Eine letzte Auseinandersetzung mit ter Mozart-Briefe, Elisa Ranucci, die von Mozart der Mannheimer Instrumentalmusik und die intensive bewusste Stilisierung des „Noblen“ der italienischen Beschäftigung mit der Musik Johann Christian Bachs Sprache [hier in der deutschen Übersetzung von Eli- und Christoph Willibald Glucks sowie der seria-Kom- sabeth Baumer]: positionsweise beeinflussen stark dieses Werk. Idomeneo, Rè di Creta ossia Ilia e Idamante ist eine Paris, den 30 Juli 1778. opera seria in 3 Akten. Das Libretto stammt von Gian- Werteste Freundin! battista Varesco (nach Antoine Danchets Idomenée mit Ich bitte Sie, mir zu verzeihen, da ich dieses Mal fehle, Musik von Campra, Paris 1712). Die Uraufführung am die Variationen für die mir geschickte Aria zu senden – Münchner Residenztheater am 29. Januar 1781, wahr- aber ich erachtete derart notwendig, so eh wie möglich scheinlich von Christian Cannabich dirigiert, war ein den Brief Ihres Herrn Vater zu beantworten, sodass mir großer Erfolg. Die Sänger der Uraufführung waren: dann keine Zeit blieb, sie zu schreiben, und deshalb war Idomeneo: Anton Raaf; Idamante: Vincenzo dal Prato; es unmöglich, sie Ihnen zu schicken – aber Sie werden Ilia: Dorothea Wendling; Elettra: Elisabeth Wendling; sie sicherlich mit dem nächsten Brief erhalten. Jetzt Arbace: Domenico De`Panzacchi. hoffe ich, dass sehr bald meine Sonaten gedruckt werden Im Brief an seinen Vater vom 1. Dezember 1780 – und bei dieser Gelegenheit werden Sie auch den Popolo erfährt man einiges über die Probenarbeit und die di Teßaglia, der schon fast fertig ist, erhalten – wenn Sie Orchesterbesetzung: damit so zufrieden sein werden – wie ich es bin – werde ich mich glücklich nennen können; - währenddessen, bis Mon trés chér Pére! Die Probe ist ausserordentlich ich die Genugtuung habe, von Ihnen selber von dem gut ausgefallen; - es waren in allem 6 violin, aber die Eindruck zu erfahren, der diese Scena, auf die Sie sich gehörigen Blaßinstrumenten – von zuhörern wurde verstehen, weil ich, da ich sie nur für Sie gemacht habe – also kein anderes Lob als Ihres wünsche; – während- dessen also kann ich nichts anderes sagen als Ihnen gestehen zu müssen, dass - unter meinen Kompositio- nen dieses Genre – diese Scena die beste ist, die ich je in meinem Leben gemacht habe – [...]

„SE IL PADRE PERDEI“ AUS DEM IDOMENEO KV 366

Für dieselben Holzbläser, die die Solopartien der Sin- fonia concertante übernehmen hätten sollen, schrieb Mozart zwei Jahre später die Arie Se il padre perdei im Idomeneo. Der Großteil des Mannheimer Orchesters war durch den Tod des Kurfürsten und die dadurch erfolgte Auflassung des Mannheimer Hofes am 9. Oktober 1778 nach München übersiedelt. Vermutlich über die Vermitt- lung von Graf (oder Gräfin) Paumgarten erhielt Mozart vom bayrischen Kurfürsten Karl Theodor den Auftrag, für den Münchner Karneval 1781 die Oper Idomeneo, Rè di Creta zu schreiben. Im Oktober 1780 begann Mozart in Salzburg an der Oper zu arbeiten und reiste am 5. November 1780 mit Colloredos Erlaubnis nach Mün- chen, um mit den Sängern, von denen er einige schon aus den Mannheimer Zeiten kannte, zu proben. Der damals vierundzwanzigjährige Komponist konnte schon auf eine Erfahrung von neun musiktheatralischen Werken

Journal - Wiener Oboe 7 niemand zugelassen, als die schwester vom Seeau und Die sehr umfangreiche Korrespondenz zwischen der Junge Graf Sensheim. – heute acht tage wollen wir Mozart und seinem Vater bedeutet auch für dieses eine zweyte machen. da werden wir zum Ersten Ackt /: Werk einen musikhistorischen Glücksfall – sie hinter- welcher unterdessen dopliret wird :/ 12 Geiger haben, lässt der Nachwelt eine detaillierte Schilderung über [...] – als ich nach der Probe mit Cannabich /: denn die Entstehung der Oper: die genaue Anpassung der wir hatten noch vieles mit den grafen zu sprechen :/ zu Arien an die jeweiligen Sänger, Umarbeitungen, Pro- ihm nach hauß kamm, kamm mir schon Mad:me Can- benarbeit, Schwierigkeiten mit dem Libretto etc.. Der nabich entgegen, und umarmte mich voll vergnügen Verfasser des Librettos war der in Salzburg wohnhafte daß die Probe so gut ausgefallen. denn, Ram und Lang Abbé Varesco; deshalb wandte sich Mozart mit seinen kammen wie Närrisch nach hauß; [...] – Ramm sagte Bitten, das Libretto stellenweise zu ändern, brieflich an mir – denn, wenn sie diesen kennen, werden sie sagen, seinen Vater, damit jener die diesbezüglichen Anliegen das ist ein wahrer teütscher; - der sagt ihnen so alles dem Abbé mitteilen konnte. Im bereits zitierten Brief ins gesicht, wie er sich es denkt; -das kann ich ihnen vom 8. November 1780 heißt es zur Arie Se il padre wohl gestehen, sagte er, daß mir noch keine Musique perdei: solche impreßion gemacht hat – und ich versichere sie, daß ich wohl 50 mahl auf ihrem H: vatter gedacht habe, [...] Ich habe nun eine Bitte an H: Abbate; - die Aria was dieser Mann für freüde haben muß, wenn er diese der Ilia im zweyten Ackt und zweyten Scene möchte oper hört. [...] ich für das was ich sie Brauche ein wenig verändert haben – se il Padre perdei in te lo ritrovo; diese stropfe Die Arie der Ilia Se il padre perdei sieht folgende könte nicht besser seyn – Nun aber kömmts was mir Besetzung vor: Flauto concertante (Johann Bap- immer NB: in einer Aria , unatürlich schien – nem- tist Wendling), Oboe concertante (Friedrich Ramm), lich das à parte reden. im Dialogue sind diese Sächen Fagotto concertante (Georg Wenzel Ritter), Corno ganz Natürlich – Man sagt geschwind ein paar Worte concertante in Es (Johann Wenzel Stich) und Streicher auf die Seite – aber ineiner aria – wo man die wörter (wobei interessanterweise in den Stimmen der ersten wiederhollen muß – macht es üble Wirkung – und wenn und zweiten Violinen sowie in der Bratschenstimme auch dieses nicht wäre, so wünschte ich mir da eine con sordino mezza voce vermerkt ist, in den Bassstim- Aria – der anfang kann bleiben wenn er ihm taugt, denn men jedoch nur mezza voce verlangt wird). der ist Charmant – eine ganz Natürlich fortfliessende Die Rolle der Ilia wurde von Dorothea Wendling, Aria – wo ich nicht so sehr an die Worte gebunden, nur der Frau des Flötisten, übernommen. Die um 1736 so ganz leicht auch fortschreiben kann, denn wir haben in Stuttgart geborene Sopranistin war 1752 an den uns verabredet hier eine aria Andantino mit 4 Concer- Mannheimer Hof aufgenommen worden und stieg in tirenden Blas=Instrumenten anzubringen, nemlich auf den 1760er Jahren zur gefeierten Sängerin auf. Wie eine flaute, eine oboe, ein Horn, und ein Fagott. – und sehr sie geschätzt wurde, schlug sich unter anderem bitte, daß ich sie so bald als möglich bekomme. [...] auch in einer außergewöhnlich hohen Bezahlung nieder. Mozart hatte sie schon bei seinem Mannhei- DAS OBOENQUARTETT KV 370 (368d) mer Aufenthalt 1777/78 kennengelernt und für sie das Rezitativ und die Konzertarie Basta, vincesti - Ah non Das Manuskript aus dem Jahr 1781 liegt in der Biblio- lasciarmi, no KV 486a/295a (er berichtet darüber im thèque Nationale de Paris, Sammlung Malherbe, Signa- Brief vom 28. Februar 1778) komponiert. Zeitgenossen tur Ms 230. Der Erstdruck erschien im Jahr 1800 bei wie Heinse, Wieland oder Schubart zählten Dorothea J. André, Offenbach in Paris. Ein Exemplar der Erst- Wendling zweifellos zu den besten Sängerinnen ihrer ausgabe findet man in der Bibliothek des Conservatorio Zeit. Sie starb 1809/11 in München. Giuseppe Verdi Milano (B 4 h 58). Da die Datierung Wie zufrieden Dorothea Wendling mit dem Gesangs- Januar 1781 und der Autorenvermerk am Autograf part der Ilia war, erfährt man aus Mozarts Brief vom zwar nicht original sind, aber sowohl die Werküber- 8. November 1780: schrift, die Instrumentenbezeichnungen wie auch die Notenschlüssel der ersten Seite von derselben frem- [...] Nun aber etwas gutes. Mad:me Dorothea Wend- den Handschrift stammen, muss die hier angegebene ling ist mit ihrer Scene Arci=Contentißima – Sie hat sie Entstehungszeit nicht angezweifelt werden (Par Mr: 3 mal nach einander hören wollen. [...] Wolffgang Amadeo Mozart. / à Munic 1781). Ob jedoch,

8 Journal - Wiener Oboe wie J. André in seinem handschriftlichen Mozart-Ver- nicht aufgelegt zum arbeiten. hinschmieren könnte zeichnis vermerkt hat, das Quartett wirklich genau zu ich freylich den ganzen tag fort; aber so eine sach dieser Zeit entstanden ist (zeitgleich zur Uraufführung kommt in die welt hinaus, und da will ich halt daß des Idomeneo), lässt sich nicht eindeutig nachweisen, ich mich nicht schämen darf, wenn mein Namm drauf da Mozart bis zum 12. März 1781 in München blieb. Jedenfalls befanden sich Mozart und Ramm in diesem Zeitraum in engem Kontakt. Es sei noch an eine Eigen- tümlichkeit des Autografs verwiesen: Die Violoncello- stimme ist mit der neutralen Bezeichnung Basso verse- hen. Anzumerken ist noch, dass es keinerlei brieflichen Hinweis Mozarts auf das Oboenquartett gibt. Zwei neue kammermusikalische Gattungen für Blas- instrumente setzten sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch: das Bläserquintett und das Quartett (bzw. auch Quintett) mit einem Blasinstru- ment. In den Breitkopf-Katalogen aus den Jahren 1782 bis 1784 wurde die modische Form des Bläserquintetts beworben, die sich im Laufe der Zeit zur Standardbeset- zung für Bläserkammermusik entwickeln sollte. Mozart war sich dieser Entwicklung sicher bewusst, lehnte aber diese Art der Besetzung sowie auch ähnliche Formatio- nen als Trio oder Quartett entschieden ab. Er war der Überzeugung, dass im Falle eines einzelnen Blasin- struments (anstatt des üblichen paarweisen Gebrauchs) die für ihn essentielle Homogenität des Klangkörpers nur durch die Begleitung eines Tasteninstruments oder durch Streicher gewährleistet werden konnte. Das Quartett mit einem Blasinstrument hatte um die 1770er Jahre die Sonate mit Basso continuo schon fast vollständig verdrängt, und es entstand eine erstaunli- che Anzahl von Werken in der neuen Besetzung. In Mozarts überreichem kammermusikalischen Schaffen nimmt diese Gattung allerdings einen bescheidenen Rang ein, neben dem Oboenquartett hat er nur vier weitere Flötenquartette komponiert. Alle Quartette mit einem Blasinstrument sind gemeinsam in einem Band der Neuen Mozart-Ausgabe herausge- geben. Bei zumindest drei Flötenquartetten handelte es sich um Auftragswerke für den reichen holländi- schen Musikliebhaber De Jean - Arbeit, die Mozart nur ungern erledigte. Im Brief vom 14. Februar 1778 rechtfertigt er sich bei seinem Vater, warum er die Kompositionen noch nicht beendigt hatte (der ursprüngliche Auftrag bestand aus drei Flötenkon- zerten und vier Quartetten):

[...] daß ich es nicht hab fertig machen können, ist ganz natürlich. ich habe hier keine ruhige stund. ich kann nichts schreiben, als nachts; mithin kann ich auch nicht früh aufstehen. zu allen zeiten ist man auch

Journal - Wiener Oboe 9 steht. dann bin ich auch, wie sie wissen, gleich stuff ZUSAMMENFASSUNG wenn ich immer für ein instrument /: das ich nicht leiden kan :/ schreiben soll. [...] Mozart und Ramm trafen einander erstmals 1777 in Mannheim. Für den Oboisten sollten im Laufe der fol- Bei KV 370 handelt es sich aber wohl kaum um ein genden Jahre die meisten der Mozartschen Werke für lästiges Auftragswerk: im Gegensatz zu den Flöten- Oboe entstehen. Zuvor hatte Mozart bereits das Oboen- kompositionen schrieb Mozart das Oboenquartett nicht konzert KV 314 für den an der Salzburger Hofkapelle für einen reichen Auftraggeber, sondern für seinen von angestellten Oboisten Ferlendis komponiert. ihm sehr geschätzten Freund ( vgl. auch Klarinetten- Leider wissen wir nicht genau, was für ein Oboen- kompositionen für Anton Stadler, z. B. das Klarinetten- modell Ramm gespielt hat - wahrscheinlich ist jedoch, quintett in A-dur KV 581). Roger Hellyer beschreibt dass er ein zweiklappiges Instrument der berühmten die Komposition für Oboe folgendermaßen: Holzblasinstrumentenbauer Grenser oder Grundmann aus Dresden verwendet hat. „In this work Mozart discovered the intimacy of cham- Die Qualität und Anzahl der Kompositionen für ber music: he avoided concertante tendecies by finding Ramm zeigen, wie sehr Mozart den Virtuosen schätzte. many subtle ways to integrate the voices, especially Die Werke repräsentieren die wichtigsten Genres des by dovetailing melody and countermelody. The second damaligen Stils: movement is an emotionally potent aria in D minor, remarkably a mere thirty-eight bars long. The finale - das Solokonzert in F-dur, welches aber ein Fragment Rondeau includes one extraordinary episode in which geblieben ist, the oboist plays in 4/4 time while the strings, apparently - die Sinfonia Concertante, die entweder in einer unaware, continue with their 6/8 accompaniment. This anonymen Bearbeitung teilweise erhalten oder ver- section begins very threateningly in the minor mode, schollen ist, and the tension is relieved only as major key and com- - der solistische Part in der Opernszene Popoli di Tes- pound rhythm return simultaneously, even in mid- saglia, phrase. The return of the rondo theme demonstrates - die obligate Stimme in der Arie Se il padre perdei Mozart´s sheer delight in the high register of the oboe, aus dem Idomeneo, which at such moments is quite as apparent as his well- - das Oboenquartett. known love for the lowest notes on the clarinet.“ Bei all diesen Werken sind neben dem musikalischen In der Tat ist das auffallendste am Oboenquartett Gehalt auch die entstehungsgeschichtlichen Aspekte KV 370 (368d) sein außergewöhnlicher, spektaku- höchst interessant: Mozart vermochte sich den spe- lärer Gebrauch des hohen Registers: nie zuvor und zifischen Forderungen von Auftraggebern und den niemals danach schrieb Mozart noch einmal in dieser Erwartungshaltungen des Publikums ebenso anzupas- Art für Oboe. Die Anzahl der Oboisten, die imstande sen (z. B. in der Sinfonia Concertante), wie er auch die waren, dieses Werk aufzuführen, war sicherlich sehr besonderen Fähigkeiten seiner Interpreten herausstrei- beschränkt. Tatsächlich übersteigen die restlichen chen konnte (Popoli di Tessaglia für Aloysia Weber, Mozartschen Werke für Oboe nie das dreigestrichene das Oboenquartett für Ramm). es. Wie man im Autograf sehr gut erkennen kann, hat Mozart im Mittelsatz Adagio nachträglich vier Takte Der Artikel ist hier ohne Fußnotenapparat, Litera- eingefügt, um dem Oboisten Raum für eine Kadenz turverzeichnis und Anhang abgedruckt. Mit Einver- zu schaffen (gemeint sind die Takte 28 bis 31, Neue ständnis der Autorin stellen wir die ungekürzte Fas- Mozart-Ausgabe). Diese Erweiterung wurde in den sung auf unserer Homepage (www.wiener-oboe.at) Erstdruck übernommen. zur Verfügung.

10 Journal - Wiener Oboe Biographisches zur Autorin:

Elisabeth Baumer wurde in Klagenfurt geboren. Barockobo- enstudium bei Paolo Grazzi an der Civica Scuola di Milano und am Conservatorio F. E. dall’Abaco in Verona, sowie bei Marie Wolf an der Konservatorium Wien Privatuniversität; Blockflötenstudium bei Rahel Stoellger an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, Diplomabschlüsse mit Auszeichnung. Rege Konzerttätigkeit mit diversen Barockor- chestern, wie z. B. Accademia Bizantina (Ottavio Dantone), Barokkanerne Oslo, La Risonanza (Fabio Bonizzoni) und L’Orfeo Barockorchester (Michi Gaigg). Permanente Mit- wirkung bei der Gesamtaufführungsreihe aller Bachkantaten im Wiener Konzerthaus unter der Leitung von Luca Pianca. Künstlerische Leitung des Ensembles Affinità; Zusammenar- beit mit zeitgenössischen Komponisten, u. a. im Rahmen von RUHR.2010. Um die 30 CD-Einspielungen, u. a. mit dem Concentus Musicus (Nikolaus Harnoncourt) und dem Orche- stra Mozart (Claudio Abbado). Einladungen als Dozentin z. B. bei der Barock Akade- mie, der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz und dem Kärntner Landeskonservatorium.

Journal - Wiener Oboe 11 Erinnerung an Hugo Kauder

Eine unserer Aufgaben sehen wir darin, an Musiker zu mit seinem Studienkollegen Egon Lustgarten die kai- erinnern, die einst im Wiener Musikleben verankert waren, serliche Hofbibliothek, um Partituren zu studieren; von den Nazis vertrieben wurden und nach dem Krieg sein Interesse galt mehreren Bänden der Denkmäler weitgehend in Vergessenheit gerieten. In den USA ist der Tonkunst in Österreich, die vor allem Werke der die 2002 gegründete Hugo Kauder-Society (http://www. flämischen Komponisten des 15. und 16. Jahrhunderts hugokauder.org) tätig und ist bestrebt, das Werk dieses enthielten. Von 1911 bis 1917 spielte Kauder Geige im Wiener Komponisten lebendig zu erhalten. Das umfang- Wiener Tonkünstler Orchester (unter Dirigenten wie reiche Gesamtwerk Hugo Kauders (mehr als 300 Werke) Ferdinand Loewe, , , und umfasst u. a. ein Oboenkonzert, eine Oboensonate, ein ). Dort entspann sich eine lebenslange Capriccio für Flöte und Oboe, ein Trio für Flöte, Oboe Freundschaft mit dem holländischen Hornisten Willem und Horn, ein Trio für Oboe, Viola und Klavier und eine Valkenier (1887-1986), der ihn zu seinen zahlreichen Sonatine für Oboe und Horn. Hugo Kauder verdient Horn-Kompositionen inspirierte. Von 1917 bis 1922 schon deshalb unser spezielles Interesse, weil ihn Alex- war Kauder Bratschist des Gottesmann-Quartetts. ander Wunderer in seiner Musikgeschichte würdigt. 1919 begegnete er dem Dichter und Philosophen Rudolf Pannwitz (1886-1969). Obwohl dieser kein Hugo Kauder wurde am 9. Juni 1888 in Tobitschau Instrument beherrschte, schrieb er eine Reihe klassi- (Mähren) geboren. Sein Vater Ignaz Kauder war Ober- scher Gedichte, die eine zur damaligen Zeit unkonven- lehrer an der dortigen Elementarschule. Ein Lehrerkol- tionelle Idee zur Grundlage hatten: Demnach sollten lege erteilte Hugo Violinunterricht – dies war seine ein- Komponisten die in den Gedichten verborgenen musi- zige formale Musikausbildung. 1905 zog Kauder nach kalischen Texturen finden und zum Ausdruck bringen, Wien, um ein Ingenieur-Studium zu beginnen, inter- statt eine eigenständige musikalische Gestaltung vor- essierte sich aber zunehmend für Musik und besuchte zunehmen. Kauder übernahm diesen Ansatz und über-

Komponistentreffen im August 1922 in Salzburg: Hugo Kauder ganz rechts; Egon Lustgarten (5.v.r.), Paul Hindemith (5.v.l.), Anton Webern (3.v.r.), Egon Wellesz (4.v.r.). Foto: Elysium Archives

Mit freundlicher Genehmigung der Hugo Kauder Society

12 Journal - Wiener Oboe trug ihn in den Bereich der Vokalmusik; er betrachtete wieder mit Valkenier zusammen, der inzwischen im Pannwitz sein restliches Leben lang als Mentor. Boston Symphony Orchestra spielte und ihm Auffüh- Im Jahr 1923 heiratete Kauder die Linguistin, Archäo- rungsmöglichkeiten seiner Werke eröffnete. Für Val- login und Bibelwissenschaftlerin Helene Guttman kenier und den Oboisten Louis Speyer komponierte (1898-1949), eine Cousine Egon Lustgartens. Kauder etliche Kammermusikwerke. Sein restliches Leben verbrachte Kauder in Wien und Auch nach Kriegsende blieb Kauder (bis zu seinem später in New York als freiberuflicher Komponist und Tod im Jahr 1972) in Amerika und kehrte nur zu kurzen Lehrer für Violine, Musiktheorie und Komposition. Besuchen nach Wien zurück. Er unterrichtete an der Mit dem Ziel, klassische Musik aufzuführen und seine privaten New Yorker Musikschule von Herman de Grab eigene Musik zum Leben zu erwecken, leitete er einen Musiktheorie und Komposition und leitete einen Chor aus Schülern und Freunden bestehenden Chor und ein von Studenten und Freunden. Die bekannte Pianistin Kammerensemble (darunter sein Sohn Otto). Lillian Kallir zählte zu seinen Studentinnen. Kauder ver- Bekannte und geschätzte Musiker führten vor 1938 und öffentlichte auch zwei Theorie-Bücher (Counterpoint, teilweise auch nach 1945 in Wien Kauders Musik auf. Zu an Introduction to Polyphonic Composition; Entwurf ihnen zählten Gottesmann, Sedlak-Winkler, Rosé, das einer neuen Melodie- und Harmonielehre) und schrieb Kolbe-Streichquartett, die Dirigenten Josef Mertin, Viktor zahlreiche Artikel für die Musikblätter des Anbruch. Bermeiser, Siegmund Levarie, und Alex- Die University of Chicago Library verwahrt die Hugo ander Zemlinsky, der Pianist Adolf Baller, der Hornist Kauder Papers 1927-1946 (records, holograph manu- Ernst Paul und der Oboist Alexander Wunderer. script scores, reproduced manuscript scores, published Nach einem Zwischenaufenthalt in Holland und Eng- scores), etliche seiner Werke sind bei Subito Music land emigrierte Kauder 1940 in die USA. Dort traf er Corporation, Verona, New Jersey 07044 erschienen.

Hugo Kauder: Concerto for Oboe and Strings (Beginn der Oboenstimme)

Journal - Wiener Oboe 13 Alexander Wunderer über Hugo Kauder: in stiller Beschränktheit eines engen Kreises unbeirrt Ein eigenartiges Talent war Hugo Kauder. Er schrieb fort und bildete sich den Stil, der ihm angemessen war. viel schöne Kammermusik mit einem besonderen Stil, Deshalb habe ich ihn sehr geschätzt, denn ein Mensch, der sogar Schule machte und höchst originell war. Ich der sich seine geistige Freiheit nicht durch „Richtun- bin sonst nicht für die sogenannte „Originalität“, die, gen“ stören lässt, ist immer schätzenswert. wenn sie gewollt ist, immer auf intellektuelle Abwege (zitiert aus Alexander Wunderer, Persönliche Betrach- führt. Das Geschrei nach Originalität stammt aus der tungen zur Musikgeschichte, Kapitel 7: Meine Zeitge- Wagnerzeit und war damals ein übles Schlagwort, das nossen, S. 294f.) Vielen den Kopf verdarb. Man darf nicht „originell“ sein wollen, sondern muss es unbewusst sein. [...] Kauder Hugo Kauder auf youtube: war ein abseitiger, ganz auf sein Inneres gestellter Das Jüdische Museum Wien veranstaltete am 18. Novem- Mensch, der sich in seine Quarten und Quintenharmo- ber 2009 ein Konzert mit Werken Hugo Kauders. Ivan nien verbohrte und nicht nach rechts und links sah und Danko, Oboist in der Stuttgarter Oper, spielte die Obo- der mir deshalb eine sympathische Erscheinung war. ensonate, das Kauder-Trio. das Trio für Oboe, Viola und Die Conservativen sahen in ihm einen unangenehmen Klavier in d-moll, Robert Lakatos war mit der Kleinen Neuerer, die Atonalen einen Querkopf, der sich nicht Suite für Viola solo zu hören. Ausschnitte aus diesem in ihre Theorie finden wollte. Indessen schrieb Kauder Konzert sind auf youtube zu hören.

Hugo Kauder: Sonatina (1936) for Oboe & Horn Beispiel für Kauders takstrichlose Notation, die er in etlichen Werken anwandte Seine Kompositionen sind bei Subito Music Corporation, Verona, New Jersey 07044 erschienen

14 Journal - Wiener Oboe KLASSENABENDE OBOE, FAGOTT

RICHARD GALLER MARCELLO PADILLA Montag, 12. Dezember 2011, 18.30 Uhr Montag, 23. Jänner 2012, 15 Uhr Universität für Musik Konservatorium Wien Privatuniversität Anton-von-Webern-Platz 1 Anton-Dermota-Saal Hauptgebäude, Bauteil A Joseph Haydn-Saal HELMUT MEZERA MICHAEL WERBA Dienstag, 24. Jänner 2012, 18 Uhr Montag, 12. Dezember 2011, 15 Uhr Kammermusik und Klassenabend Konservatorium Wien Privatuniversität Joseph Haydn-Konservatorum-Eisenstadt Anton-Dermota-Saal Glorietteallee 2 Eisenstadt THOMAS HÖNIGER Mittwoch, 25. Jänner 2012, 18.30 Uhr Donnerstag, 19. Jänner 2012, 15 Uhr J. S. Bach-Musikschule Konservatorium Wien Privatuniversität Schaumburgergasse 1 Anton-Dermota-Saal 1040-Wien

MEISTERKURS SERGIO AZZOLINI Donnerstag, 15. Dezember 2011 Konservatorium Wien Privatuniversität Konzertsaal Singerstraße 10-12 Uhr: Meisterklasse Fagott 12-13 Uhr: Weinbau Meisterklasse Holzbläserkammermusik Elisabeth & Karl Sommerbauer GUGA Semlergasse 4 2380 Perchtoldsdorf Tel.: 0699/11 32 35 90, 0664/215 35 45 E-Mail: [email protected] Ausg‘steckt ist vom 1. - 15. Jänner 2012 24. Februar - 11. März 2012

Journal - Wiener Oboe 15 Die nächste Ausgabe des Journals der Gesellschaft der Freunde der Wiener Oboe erscheint im März 2012. Österreichische Post AG Info.Mail Entgelt bezahlt Wir bitten wieder um zahlreiche Mitarbeit in Form von Artikeln, Infos, Annoncen, Berichten, Mitteilungen, Konzertterminen usw., zu richten an unseren Obmann Josef Bednarik.

Redaktionsschluss: 20. Februar 2012

Impressum: Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Gesellschaft der Freunde der Wiener Oboe Obmann und für den Druck verantwortlich: Josef Bednarik A 1230 Wien, Lastenstraße 13 Tel/Fax: +43/1/869 55 44 Handy: +43/(0)664/215 35 44 E-Mail: [email protected] Instrumentenbeauftragter: Sebastian Frese Tel.: +43/1/712 73 54 Handy: +43/(0)650/712 73 54 E-Mail: [email protected] Internethomepage: http://www.wieneroboe.at Layout: Ernst Kobau (E-Mail: [email protected])

Digital-Druck: FBDS Copy Center 1230 Wien

Grundlegende Richtung: Das „Journal Wiener Oboe“ ist die Zeitschrift der Gesell- schaft der Freunde der Wiener Oboe. Sie erscheint viertel- jährlich und dient als Plattform des Dialoges. Für namentlich gezeichnete Artikel ist der jeweilige Ver- fasser verantwortlich und gibt seine persönliche Meinung Auch so kann eine Karriere als Oboistin beginnen ... wieder. Ines Gallers erste Begegnung mit J. S. Bach

Der Erwerb des Journals ist für Nichtmitglieder im Abonnement um € 14,- jährlich möglich; Mitglie- der erhalten das Journal GRATIS.