Protokoll-Nr. 18/93

18. Wahlperiode Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Wortprotokoll der 93. Sitzung

Ausschuss für Wirtschaft und Energie Berlin, den 7. November 2016, 14:00 Uhr 10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1 Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.400

Vorsitz: , MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Tagesordnungspunkt 1 Seite 4

Gesetzentwurf der Bundesregierung Federführend: Ausschuss für Wirtschaft und Energie Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Mitberatend: Telekommunikationsgesetzes Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur BT-Drucksache 18/9951 Gutachtlich: Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

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Mitglieder des Ausschusses1 Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Bareiß, Thomas Dött, Marie-Luise Durz, Hansjörg Fuchs, Dr. Michael Grotelüschen, Astrid Funk, Alexander Gundelach, Dr. Herlind Gerig, Alois Hauptmann, Mark Grundmann, Oliver Heider, Dr. Matthias Holmeier, Karl Jung, Andreas Huber, Charles M. Knoerig, Axel Jarzombek, Thomas Koeppen, Jens Kanitz, Steffen Lämmel, Andreas G. Körber, Carsten Lanzinger, Barbara Kruse, Rüdiger Lenz, Dr. Andreas Michelbach, Dr. h.c. Hans Liebing, Ingbert Middelberg, Dr. Mathias Metzler, Jan Müller (Braunschweig), Carsten Nowak, Helmut Nüßlein, Dr. Georg Pfeiffer, Dr. Joachim Oellers, Wilfried Ramsauer, Dr. Peter Petzold, Ulrich Riesenhuber, Dr. Heinz Scheuer, Andreas Schröder (Wiesbaden), Dr. Kristina Stetten, Freiherr Christian von Stein, Peter Vries, Kees de Strothmann, Lena Wegner, Kai Willsch, Klaus-Peter Weiler, Dr. h.c. Albert SPD Barthel, Klaus Annen, Niels Freese, Ulrich Dörmann, Martin Hampel, Ulrich Ehrmann, Siegmund Held, Marcus Flisek, Christian Ilgen, Matthias Heil (Peine), Hubertus Katzmarek, Gabriele Jurk, Thomas Poschmann, Sabine Kapschack, Ralf Post, Florian Malecha-Nissen, Dr. Birgit Saathoff, Johann Raabe, Dr. Sascha Schabedoth, Dr. Hans-Joachim Rützel, Bernd Scheer, Dr. Nina Schwabe, Frank Westphal, Bernd Schwarz, Andreas Wicklein, Andrea Stadler, Svenja Wiese, Dirk Thews, Michael DIE LINKE. Bulling-Schröter, Eva Claus, Roland Ernst, Klaus Dehm, Dr. Diether Lutze, Thomas Lenkert, Ralph Nord, Thomas Petzold (Havelland), Harald Schlecht, Michael Wagenknecht, Dr. Sahra

1 Die Anwesenheitslisten sind diesem Protokoll angefügt.

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Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder BÜNDNIS 90/DIE Baerbock, Annalena Andreae, Kerstin GRÜNEN Dröge, Katharina Krischer, Oliver Gambke, Dr. Thomas Özdemir, Cem Janecek, Dieter Rößner, Tabea Verlinden, Dr. Julia Trittin, Jürgen

Sachverständige:

Dr. Wilhelm Eschweiler Bundesnetzagentur (BNetzA)

Solveig Orlowski Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (VATM)

Fabian Riewerts Deutsche Telekom AG

Susanne Blohm Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)

Prof. Dr. Thomas Fetzer Universität Mannheim

Volker Tripp Digitale Gesellschaft e.V.

Thomas Lohninger Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich

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Tagesordnungspunkt 1 für die Beantwortung und umgekehrt. Die fragen- den Kolleginnen und Kollegen sind wie immer ge- Gesetzentwurf der Bundesregierung beten, uns den oder die Sachverständigen zu nen- Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des nen, die sie befragen wollen. Eingangsstatements Telekommunikationsgesetzes haben wir nicht vorgesehen, um Zeit zu sparen. Ihnen liegen aber die schriftlichen Stellungnah- BT-Drucksache 18/9951 men vor, und ich glaube, dass diese auch draußen

ausliegen. Ich grüße auch die gerade angekom- Der Vorsitzende: Meine Damen und Herren, liebe mene Frau Staatssekretärin. Es wird wie immer Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie recht herz- ein Wortprotokoll erstellt. Und damit dies korrekt lich zu unserer heutigen öffentlichen Anhörung vonstattengehen kann, werde ich auch immer im Ausschuss für Wirtschaft und Energie zur Än- dann die Namen derjenigen nennen, die das Wort derung des Telekommunikationsgesetzes begrü- erhalten. Dann gehen wir unmittelbar in die erste ßen. Sie wissen, es liegt dieser Anhörung zu- Runde. Für die CDU/CSU stellt die erste Frage der grunde: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, Kollege Lämmel. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des

Telekommunikationsgesetzes auf BT-Drucksa- Abg. Andreas Lämmel (CDU/CSU): Herr Vorsit- che 18/9951. Und dazu darf ich auch unsere Sach- zender, meine Damen und Herren! Ich möchte verständigen begrüßen, die sich bereit erklärt ha- mich dann an dieses „Kurzhalten“ auch halten ben, heute ihre Arbeit für die Beratung zu diesem und frage den Vertreter der Bundesnetzagentur, Thema zur Verfügung zu stellen. Die Liste liegt wie denn die Bundesnetzagentur plant, den Arti- uns allen vor. Liebe Sachverständige, sind Sie uns kel 4 Satz 1d in Verbindung mit Artikel 5 der herzlich willkommen. Wir freuen uns, dass Sie TSM-Verordnung umzusetzen, der die nationalen sich die Zeit und die Mühe nehmen, um uns hier Regierungsbehörden anhält zu erläutern, was un- zur Verfügung zu stehen. Darüber hinaus begrüße ter minimaler, normalerweise zur Verfügung ste- ich die Kolleginnen und Kollegen des Ausschus- hender und maximal zu liefernder Download- und ses für Wirtschaft und Energie. Ich glaube, andere Uploadgeschwindigkeit zu verstehen ist. Und als Ausschüsse sind im Moment nicht vertreten. Für zusätzliche Frage ist dann noch einmal nachzufra- die Bundesregierung sollte noch PStSn Zypries gen, wie denn jetzt bisher das Messtool, was die kommen. Sie wird wahrscheinlich nachkommen. Bundesnetzagentur den Endkunden zu Verfügung Und es sind auch Beamtinnen und Beamte des stellt, bisher gewirkt hat. Und was sind die Ergeb- Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nisse beziehungsweise welche Erkenntnisse haben anwesend und Vertreterinnen und Vertreter der Sie daraus gezogen? Länder und der Medien sowie eine Reihe von Zu- schauern, Zuhörerinnen und Zuhörern. Sie darf Der Vorsitzende: Herr Dr. Eschweiler bitte. ich alle noch einmal recht herzlich begrüßen, auch die, die uns im Internet verfolgen. Zum Ab- SV Dr. Wilhelm Eschweiler (BNetzA): Schönen lauf der heutigen Anhörung darf ich noch einmal Dank. Die Bundesnetzagentur hat nach Artikel 5 erläutern für die, die es noch nicht kennen: Die der EU-Verordnung die Befugnis, Mindestanforde- Fraktionen haben sich wieder darauf verständigt, rungen an die Dienstequalität vorzuschreiben. Wir die Anhörung nicht in Themenblöcke aufzuteilen. können auch Anforderungen an die verschiede- Wir werden wie immer die Befragung unter Be- nen Geschwindigkeiten aufstellen, wie zum Bei- rücksichtigung des Stärkeverhältnisses der Frakti- spiel theoretisch an die minimale, normalerweise onen durchführen. Um der Opposition entgegen- verfügbare und maximale Geschwindigkeit. Ob zukommen, wurde ein Schlüssel vereinbart, der eine solche Notwendigkeit besteht, dass die Bun- 2:2:1:1 für die beiden Fragerunden vorsieht. Um desnetzagentur von diesen Befugnissen Gebrauch das Ganze in gut einer Stunde durchführen zu macht, muss auf Grundlage von Fakten entschie- können, sind wir darauf angewiesen, dass sich die den werden. Also zunächst einmal ist ein Fakten- Fragenden und die Sachverständigen möglichst check notwendig. Und die Bundesnetzagentur kurz fassen. Wir haben deshalb vorgesehen, fünf wertet derzeit die im ersten Betriebsjahr der Breit- Minuten Zeit für Frage und Antwort zusammen, bandmessung erhobenen umfangreichen Daten also das heißt, je kürzer die Frage, desto mehr Zeit

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aus. Wir veröffentlichen hierüber auch einen End- Sanktionen. Oder sehen Sie darüber hinaus ge- bericht. Und aus den Ergebnissen kann sich dann hende Möglichkeiten, die man noch in dem Ver- gegebenenfalls Handlungsbedarf mit Blick auf die ordnungsentwurf, in dem Gesetzentwurf veran- Festlegung von Mindestqualitäten ergeben. Wir kern müsste? gehen aber unabhängig davon aus, dass diese Er- gebnisse einen Druck auf die Anbieter mit Der Vorsitzende: Herr Prof. Dr. Fetzer bitte. schlechteren Werten ausübt, also allein aus der Publizitätswirkung und dass sich dann die Quali- SV Prof. Dr. Thomas Fetzer (Universität Mann- tät verbessert oder mit realistischen Leistungspa- heim): Vielen Dank für die Frage. Zunächst ein- rametern gearbeitet wird oder mit realistischen mal ist das Grundregelungskonzept sowohl der Leistungsparametern geworben wird und diese europäischen Verordnung und dann eben auch dann auch in den Verträgen anzugeben. Daher be- der nationalen Transparenzverordnung, Transpa- achten wir, dass die Breitbandmessung der Bun- renz zu schaffen und damit Verbrauchern eine in- desnetzagentur über die Zeit hinaus den Quali- formierte Entscheidung zu ermöglichen. Davon tätswettbewerb befördert. Und jetzt zur konkreten ausgehend ist es natürlich heute schon so, dass Frage. Wie sieht es gegenwärtig aus? Wir haben im nach allgemein zivilrechtlichen Regelungen im Zeitraum vom 25. September 2015 bis zum Sep- Falle von erheblichen Leistungsabweichungen tember 2016, also im ersten Betriebsjahr, ungefähr Sonderkündigungsrechte und dergleichen mehr rund 900.000 Tests durchgeführt. Die Bundesnetz- bestehen. Wenn man also so etwas verankern agentur wertet derzeit die Daten aus und wird die möchte, hätte es im Kern wahrscheinlich nur ei- Auswertung 2017 in Form eines Ergebnisberichts nen deklaratorischen Charakter, würde aber kon- über das erste Betriebsjahr veröffentlichen. Einen stitutiv an der Restlage vielleicht gar nicht so viel ersten visuellen Überblick über die bisherigen Er- verändern. gebnisse gibt die im Rahmen der Breitbandmes- sung zur Verfügung gestellte Karte. Die Karte ent- Der Vorsitzende: Dann geht die nächste Frage wie- hält die Ergebnisse von über den Test durchge- der an die CDU/CSU-Fraktion. Herr Kollege Durz. führten Breitbandmessungen. Endkunden können sich dadurch schnell und einfach darüber infor- Abg. Hansjörg Durz (CDU/CSU): Vielen Dank, mieren, ob und welche Messergebnisse in ihrer Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren. Region erzielt worden sind. Und das ist unter Meine Fragen gehen an die Frau Orlowski und an www.breitbandmessung.de abrufbar. den Herrn Riewerts. Zum einen hätte ich die Bitte, dass Sie mir darstellen, wie denn das Prozedere Der Vorsitzende: Die nächste Frage stellt Herr heute aktuell aussieht, wenn ein Kunde mit der Westphal für die SPD-Fraktion. ihm gelieferten Qualität seines Internetanschlus- ses nicht zufrieden ist. Die zweite Frage wäre, Abg. Bernd Westphal (SPD): Vielen Dank, Herr welche Komponenten in der Sphäre des Endkun- Vorsitzender, vielen Dank auch an die Damen und den denn Einfluss auf das Messergebnis über die Herren Sachverständigen für die Möglichkeit des Dienstequalität eines Anschlusses nehmen kön- Dialogs hier zu diesem Thema. Ich habe eine nen. Und das Dritte, vielleicht können Sie auch Frage an Herrn Prof. Dr. Fetzer. Die TK-Transpa- noch einmal zu dem Thema Sonderkündigungs- renzverordnung schafft ja für die Verbraucher die recht Stellung beziehen, was gerade eben schon Grundlage überhaupt, mit Messtools und anderen angeklungen ist in der Frage vom Kollegen. Dingen zu schauen, ob das, was Übertragungs-, Upload- und Downloadraten angeht, zu analysie- Der Vorsitzende: Zunächst Frau Orlowski, dann ren. Und wir haben ja mit der jetzt vorliegenden Herr Riewerts. Verordnung noch einmal Möglichkeiten hierzu ge- schaffen. Sehen Sie das in Ihrer Beurteilung so, SVe Solveig Orlowski (VATM): Vielen Dank für dass das von dem Regelungsbedarf her ausreicht die Fragen. Zu Ihrer ersten Frage, wie die Anbieter für die Verbraucher, da auch aktiv zu werden, auf Kundenbeschwerden über zu geringe Band- zum Beispiel Sonderkündigungsrecht oder andere breiten reagieren. Da kann ich Ihnen jetzt als Ver- bandsvertreterin natürlich keine allgemein gültige

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Antwort geben, da die Anbieter hier sehr indivi- spricht, zu lösen. Wir halten hier ein Sonderkün- duell mit den Kundenbeschwerden umgehen. digungsrecht, das im TKG verankert wird, inso- Ganz grundsätzlich ist es aber so, dass, wenn sich fern eigentlich für nicht erforderlich. Dankeschön. Unternehmen, wenn sich Kunden über zu geringe Bandbreiten beschweren, immer erst auch ihre ei- Der Vorsitzende: Herr Riewerts bitte. genen Messungen durchführen und vor allem prü- fen, ob es Probleme mit der Leitung gibt, die sie SV Fabian Riewerts (Deutsche Telekom AG): Sehr beheben können. Das ist also das Erste, was die geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Abgeord- Unternehmen tun. Problematisch wird es dann nete. Das Vorgehen gegenüber Verbrauchern er- erst, wenn festgestellt wird, dass die Bandbreite folgt hier sequenziell. Wenn die Kunden feststel- beim Kunden tatsächlich deutlich niedriger ist als len, dass die Bandbreite an ihrem Anschluss nicht es vertraglich vereinbart wurde und dass hieran ausreicht, wenden sie sich in aller Regel in der etwa aufgrund der Entfernung vom Kabelverzwei- überwiegenden Anzahl der Fälle zunächst einmal ger oder aufgrund von anderen technischen Prob- an ihren Anbieter. Und das ist auch richtig so. lemen auch kurzfristig nichts geändert werden Und in fast allen Fällen kann man dort ja auch be- kann. Wir haben in den letzten Wochen natürlich reits eine einvernehmliche Lösung finden. Wich- mit den Unternehmen über diese Fallgestaltung tig dabei ist, dass man zunächst einmal mit dem diskutiert, gesprochen und haben von mehreren Kunden gemeinsam schaut, woran es liegt, dass Unternehmen auch gehört, dass sie den Kunden die Leistung nicht erfüllt wird. Das kann verschie- in diesen Fällen auch freiwillig auf Kulanz ein dene Gründe haben. Wie eben Frau Orlowski auch Downgrade in einen günstigeren Vertrag anbieten. angesprochen hatte, verfügt ein Anschluss immer Häufig existiert eine solche Möglichkeit aber lei- über individuelle Leistungsparameter. Und wenn der nicht. Wenn der Kunde sich beispielsweise im das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist, kann das ländlichen Raum befindet und einen Vertrag über beispielsweise auch daran liegen, dass die falsche 16 Mbit hat, dann ist das oft schon die geringste Hardware genutzt wird. Das muss jetzt nicht zur Verfügung stehende Bandbreite. In diesen Fäl- zwingend auch nur an der Leitung liegen. Und in- len gibt es dann aber auch die Möglichkeit, dem sofern macht es Sinn, das zunächst einmal bilate- Kunden einen Abschlag auf die Rechnung zu ge- ral mit dem Kunden zu klären. Im zweiten Schritt währen. Das wird von den Anbietern teilweise steht es dem Kunden heute schon offen, sich an auch auf Kulanz so gehandhabt. Darüber hinaus die Bundesnetzagentur zu wenden, nicht nur an hat der Kunde natürlich, wie es eben auch schon das Verbraucherreferat, sondern vor allem an die dargestellt wurde, insbesondere nach Para- Verbraucherschlichtungsstelle der Bundesnetza- graph 314 BGB die Möglichkeit, von einem Kün- gentur. Und im Entwurf des TKG-Änderungsgeset- digungsrecht, also einer Kündigung von Dauer- zes ist ja explizit vorgesehen, dass auch für die schuldverhältnissen, Gebrauch zu machen, wenn Fälle des Artikels 4 der TSM-Verordnung der die zur Verfügung stehende Leistung eben deut- Kunde künftig explizit, wenn die gemessene Leis- lich von dem abweicht, was vertraglich vereinbart tung von der vertraglich vereinbarten abweicht, wurde. Dieses Recht hat der Kunde. Das hilft ihm sich an die Schlichtungsstelle der Bundesnetza- aber dann nur in den Fällen, in denen er auf einen gentur wenden kann. Das erfolgt ja in ähnlichen alternativen Anbieter ausweichen könnte, also oder anderen Fällen heute schon und führt in der beispielsweise auf TV-Breitband-Kabel oder einen weit überwiegenden Anzahl der Fälle bereits auch anderen Telekom-Anbieter. In den Fällen, wo oh- zu einvernehmlichen Lösungen. Ansonsten gilt in nehin nur eine Infrastruktur zu Verfügung steht, der Tat, dass dem Kunden heute auch die gesetzli- nützt es dem Kunden leider wenig. So viel zur Ih- chen Regelungen des BGB zur Verfügung stehen. rer ersten Frage. Was die Frage mit dem Sonder- Auch dort sieht die TSM-Verordnung ja explizit kündigungsrecht angeht, spielte das hier eben noch einmal vor, dass der Kunde in Verträgen und auch schon darauf an. Nach unserer Auffassung auch auf der Homepage auf diese Rechte noch ein- hat der Kunde schon heute nach dem BGB eigent- mal hingewiesen wird. Und in der Praxis sieht es lich ausreichende Möglichkeiten, sich von einem so aus, dass man natürlich erst einmal versucht, Vertrag, der nicht den vertraglichen Inhalten ent- mit dem Kunden eine einvernehmliche Lösung herzustellen. Wenn man feststellt, dass tatsächlich

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die Leistungsparameter des individuellen Vertra- die Hürde des unbestimmten Rechtsbegriffes. Von ges nicht erreicht werden können, dass man ihnen der Anbieterseite wird ja auch argumentiert, dass auf Kulanzbasis - bei der Deutschen Telekom ist wir es hier mit einem Produkt zu tun haben, was das so - dass man ihnen auch ein niedrigeres Pa- eben nicht genau festgelegt ist in Kilogramm oder ket anbietet. Oder wenn dies nicht möglich ist, in Liter. Das ist richtig, wir haben hier nämlich dass man selbstverständlich ein Sonderkündi- ein sehr spezifisches Produkt, was eben dann gungsrecht hat und dann auch aus dem Vertrag auch sektorspezifisch reguliert werden muss. Häu- aussteigen kann. fig ist es so, dass Verbraucher heutzutage eben auf die Kulanz der Anbieter angewiesen sind bezie- Der Vorsitzende: Die nächste Frage geht noch ein- hungsweise einfach die Vertragslaufzeit auch aus- mal an die SPD, an den Kollegen Westphal. sitzen. Man muss auch bedenken, dass viele Leute, die Probleme haben, eben nicht zu uns Abg. Bernd Westphal (SPD): Vielen Dank, Herr kommen oder zur Bundesnetzagentur und die Vorsitzender. Ich habe eine Frage an Frau Blohm. Dunkelziffer da sicherlich höher liegt. Sie haben ja eben von den Vorrednern schon ge- hört, was das Sondervertragskündigungsrecht an- Der Vorsitzende: Danke schön. Die nächste Frage geht. Sind die jetzigen Leistungen, die wir auch stellt für die Fraktion DIE LINKE der Kollege Len- im BGB haben mit Paragraph 314 und Para- kert. graph 626 ausreichend? Oder was würden Sie aus Ihrer Sicht, die ja sicherlich auch viel mit Ver- Abg. (DIE LINKE.): Ja vielen Dank, brauchern zu tun haben, die mit diesen Beschwer- Herr Vorsitzender, vielen Dank auch an die Sach- den zu Ihnen kommen, empfehlen, was man hier verständigen, die uns heute beratend zur Seite ste- noch darüber hinaus aufführen müsste? hen. Meine Frage geht an Volker Tripp, meine Fragen gehen an ihn. Die erste Frage: Sind Sie der Der Vorsitzende: Frau Blohm. Auffassung, dass die vorgesehene Streichung vom Paragraphen 41a TKG zustimmungsbedürftig ist SVe Susanne Blohm (vzbv): Vielen Dank für die und ist da sinnvoll? Vielleicht können Sie auch Einladung und auch vielen Dank für die Frage. nochmal kurz erläutern, worum es da konkret Wir sind ganz klar der Ansicht, dass die allgemei- geht, damit alle den Überblick haben. Und zwei- nen Kündigungsregeln eben nicht ausreichen. Wir tens, reichen die im Gesetz vorgesehenen Ord- haben ja die Qualitätsstudien der Bundesnetza- nungswidrigkeitstatbestände aus? gentur und auch eine Studie der EU-Kommission, die ganz klar sagen, dass es zwischen vertraglich Der Vorsitzende: Herr Tripp bitte. vereinbarter Datenübertragungsrate und tatsächli- cher Datenübertragungsrate eine große Abwei- SV Volker Tripp (Digitale Gesellschaft e.V.): Ja, chung gibt. Das heißt, wir haben es hier nicht mit vielen Dank. Zu der ersten Frage, Paragraph 41a Einzelfallproblemen zu tun, sondern mit einer Telekommunikationsgesetz ist eine Verordnungs- systematisch flächendeckenden Unterschreitung, ermächtigung, die der Bundesregierung die Mög- die einfach eine Vielzahl der Verbraucher betrifft. lichkeit gibt, Regeln zur Netzneutralität zu erlas- Deswegen können solche Fälle eben durch das all- sen. In der Stellungnahme des Bundesrates wurde gemeine Kündigungsrecht nicht abschließend ab- die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass die gedeckt werden. Die Beratungspraxis in den Ver- Streichung dieser Verordnungsermächtigung zu- braucherzentralen zeigt außerdem, dass gerichtli- stimmungsbedürftig sei. Diese Ansicht teilen wir che Verfahren selten erfolgsversprechend bezie- nicht, denn die Frage der Zustimmungsbedürftig- hungsweise Verbraucher langwierige und auch keit richtet sich zunächst einmal einfach nach kostspielige Rechtsverfahren eher meiden. Außer- dem Grundgesetz selbst. Und der 41a TKG ist dem muss heute in jedem Rechtsverfahren festge- keine Norm, für die sich irgendwo im Grundge- stellt werden, ob eben die Abweichung von der setz eine Vorschrift finden würde, aus der die Zu- vertraglich vereinbarten Datenübertragungsrate im stimmungsbedürftigkeit hervor geht. Auch die Sinne des BGB als wichtiger Grund ausgelegt wer- Tatsache, dass bisher eben noch vorgesehen ist, den kann. Das heißt, wir haben hier immer noch dass die Rechtsverordnung mit Zustimmung des

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Bundesrates erlassen werden kann, begründet beantworten. Das ist ein Thema, das jetzt, glaube auch an sich keine Zustimmungsbedürftigkeit. ich, den zeitlichen Rahmen ein wenig sprengen Das wäre allenfalls so, wenn man dieses Zustim- würde. Kurzgefasst, wir sind der Auffassung, dass mungserfordernis als solches streichen würde, dort eine ganze Reihe von Lücken bestehen. Auch aber eben nicht wenn die gesamte Verordnungser- insbesondere, was eben den Artikel 3 Absatz 2 an- mächtigung gestrichen wird. Insofern bedürfte die geht. Auch der Artikel 4 Absatz 2 oder der Arti- Streichung des 41a wohl nicht der Zustimmung kel 3 Absatz 5 der TSM-Verordnung sind bisher des Bundesrates und wird eben auch insgesamt nicht sanktioniert. Dabei sind das eben allesamt für dieses Änderungsgesetz keine Zustimmungs- eigentlich Vorschriften, die wichtige Verbraucher- bedürftigkeit auslösen. Eine andere Frage ist, ob es rechte darstellen und die dementsprechend auch wünschenswert ist, den 41a TKG zu streichen. Die sanktioniert werden müssen, um ihre Durchset- Bundesregierung geht offenbar davon aus, dass zung zu gewährleisten. Vielen Dank. hier eigentlich kein Bedarf mehr für diese Verord- nungsermächtigung besteht. Dieser Ansicht wider- Der Vorsitzende: Danke schön. Die nächste Frage sprechen wir ganz deutlich, denn es ist keines- für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Janecek. wegs so, dass die Harmonisierung im Bereich der Netzneutralität auf europäischer Ebene vollstän- Abg. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dig passiert wäre. Denn sowohl die TSM-Verord- Ja, vielen Dank. Meine Frage geht an Herrn nung als auch die Leitlinien von BEREC (engl. Lohninger vom Arbeitskreis Vorratsdaten. Wir Body of European Regulators for Electronic Com- sind ja in tiefer Sorge, dass das Prinzip der Netz- munications, dt. Gremium Europäischer Regulie- neutralität, das ja auf EU-Ebene bereits aufge- rungsstellen für elektronische Kommunika- weicht worden ist, jetzt hier, auch weiter manifes- tion/GEREK) lassen ja doch sehr große Spiel- tiert, aufgeweicht wird. Und in die Richtung geht räume, gerade bei problematischen Fragen, wie auch meine Frage: Sehen Sie diese Besorgnis? Wir etwa dem Zero-Rating oder Spezialdiensten. Bei hatten da gerade das Stichwort Zero-Rating, Spe- den Spezialdiensten ist zum Beispiel nicht klar, cial Services, entsprechende Diensteklassen, die was es jetzt genau bedeutet. In Artikel 3 Absatz 5 jetzt ermöglicht worden sind. Dass wir mit sol- TSM-Verordnung ist eine Grenze eingezogen, dass chen Verordnungen zumindest das nicht berück- eben Spezialdienste nicht die generelle Qualität sichtigt kriegen, was wir sollten, nämlich, dass oder Verfügbarkeit von offenen Internetzugängen dieses Grundprinzip des Netzes der Demokratie beeinträchtigen dürfen. Was es genau bedeutet, ist und übrigens auch für Innovationen und Wettbe- eigentlich unklar. Das Zero-Rating ist selbst in der werb jetzt beschädigt wird? Verordnung überhaupt nicht geregelt. Man kann es zuordnen zu dem Artikel 3 Absatz 2 der TSM- Der Vorsitzende: Herr Lohninger bitte. Verordnung. Aber auch da, wie gesagt, ist das Zero-Rating selber nicht wirklich klar erwähnt. SV Thomas Lohninger (Arbeitskreis Vorratsdaten Und auch in den Leitlinien der GEREK finden Österreich): Vielen herzlichen Dank für die Frage sich ja keine klaren handfesten Kriterien dafür, und auch für die Einladung hier in den Deutschen wann jetzt ein solcher Dienst zulässig ist oder . Ich teile diese Sorge, was die Rechts- nicht. Es ist also eher so in Form einer Gesamt- durchsetzung der Telekom-Single-Market-Verord- schau unterschiedlicher Kriterien, so soll also das nung angeht. Wenn wir uns den Hintergrund an- ermittelt werden. Aber das ist eigentlich sehr schauen, wir führen jetzt diese Debatte über die schwer, das von vornherein festzulegen. Insofern Netzneutralität doch schon seit einigen Jahren. das einmal als zwei Beispiele dafür, dass eben Wir haben jetzt nach drei Jahren, nach wirklich hier nicht wirklich konkret bis ins Detail durch- mühsamen Verhandlungen einen Kompromiss auf harmonisiert worden ist. Und dass dadurch auch europäischer Ebene gefunden, der sicherlich nicht so ein relativ großer Spielraum verbleibt. Deswe- perfekt ist, aber der uns genügend Chancen und gen sind wir auch der Auffassung, dass eine sol- Handwerkszeug gibt, um Netzneutralität in ganz che Verordnung nach 41a auch durchaus europa- Europa durchzusetzen. Nur diese Aufgabe wird rechtlich möglich wäre. Im Übrigen wäre dann nun eben von den 31 Telekomregulierungsbehör- noch die Frage nach den Strafbestimmungen zu den erfüllt, die dieses Gesetz umsetzen müssen.

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Und Artikel 6 sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten eindeutig Rechte gegeben worden, die es braucht, die Strafen dafür zu bestimmen haben. Und Arti- auch für den digitalen Binnenmarkt, für die Funk- kel 6 ist sehr klar. Er sagt klar, dass für Artikel 3 tion, die das Internet heute in unserer Gesellschaft über die Netzneutralität, Artikel 4 die Transpa- hat. Nicht nur für wirtschaftliche Prosperität, son- renz und Artikel 5 über die Durchsetzung, Sankti- dern auch für gesellschaftliche Teilhabe, demo- onen national zu erlassen sind. Für alle diese Arti- kratische Partizipation und Bildung. Und wenn kel und nicht nur für Teile davon. Dem wird im wir diese Rechte, die wir uns jetzt hier mühsam vorliegenden Entwurf nicht Rechnung getragen. erstritten haben, nicht auch bis zu den Nutzern Artikel 6 sagt darüber hinaus, dass diese Sanktio- durchdringen lassen, dann glaube ich nicht, dass nen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend wir diesem Gesetz ausreichend Rechnung tragen. sein müssen. Auch dem wird nicht Rechnung ge- tragen, weil die vorliegenden Strafen, vor allem Der Vorsitzende: Danke schön, das war jetzt die für große Konzerne keineswegs eine abschre- erste Runde. Und zu Beginn der zweiten fragt Kol- ckende Wirkung haben. Hier gibt es viele andere lege Durz für die CDU/CSU-Fraktion. Beispiele aus Europa von prozentuellen Umsatz- strafen, die diese Anforderungen erfüllen würden. Abg. Hansjörg Durz (CDU/CSU): Danke schön. Wir glauben auch nicht, dass das vorgeschlagene Meine Frage richtet sich wieder an die Frau Or- Prinzip einer Two-Strikes-Regelung, wo ja gewisse lowski und den Herrn Riewerts. Zum ersten: Hal- Tatbestände, zum Beispiel illegales Zero-Rating ten Sie es für praktikabel, die minimalen, maxi- oder das Verschleppen von Auskünften an die Re- malen beziehungsweisen normal bereitzustellen- gulierungsbehörde. Wenn diese Dinge nicht erfüllt den Datenübertragungsdaten so zu konkretisieren, werden kann, der Internetprovider mehr oder we- dass zum Beispiel die normale Geschwindigkeit niger das Verfahren solange hinauszögern, wie er dem Endkunden mindestens 95 Prozent des Tages will, ohne irgendetwas zu befürchten. Dadurch zur Verfügung stehen muss? Und zweitens: Es gibt wird der Rechtsdurchsetzung und auch der ja nach wie vor Beschwerden, dass Mobilfunkan- Durchsetzung des Verbraucherschutzes definitiv bieter über die Telefonrechnungen Leistungen von keine Rechnung getragen. Es fehlen einfach ge- Drittanbietern abrechnen, obwohl die Verbraucher wisse Strafbestimmungen, die teils aber im Refe- diese Leistungen gar nicht bestellt hätten. Wie rentenentwurf noch enthalten waren. Und für uns stellt sich aus Ihrer Sicht diese Problematik dar ist nicht nachvollziehbar, wieso diese Tatbestände und wie begegnen Sie diesem Thema? herausgeflogen sind, oder wie man glauben kann, dann diese Verordnung noch richtig umzusetzen. Der Vorsitzende: Zwei Fragen, zunächst Frau Or- Und wir haben heute einen Hintergrund, wo nach lowski. Zahlen des „Digital Fuel Monitor“, die heute ver- öffentlicht wurden, 40 Prozent aller Internetanbie- SVe Solveig Orlowski (VATM): Ja, herzlichen ter Zero-Rating anbieten. Das heißt, wir haben ein Dank auch für diese Fragen. Zunächst vielleicht flächendeckendes Problem, und wir glauben, dass zum Thema Drittanbietersperre. Die Mobilfunkun- Deutschland hier auch gerade in der Umsetzung ternehmen haben hier in den letzten Monaten für viele Länder Vorbild sein wird. Und das sage sehr intensiv an einer Lösung für das Problem ge- ich als Vertreter einer österreichischen Organisa- arbeitet, dass die Kunden ja in der Tat über ihre tion. Deshalb wäre es wirklich wichtig, jetzt die- Mobiltelefone - teilweise ungewollt - Verträge, sen Gesetz nicht in den letzten Metern die Zähne insbesondre Abos, abgeschlossen haben. Bezie- zu ziehen, sondern den Regulierungsbehörden die hungsweise, dass sie diese Verträge gar nicht ab- Werkzeuge mitzugeben, um wirklich auch Netz- geschlossen haben, sondern dass sie ihnen unter- neutralität durchzusetzen und bis zu dem Nutzer geschoben wurden. Teilweise kann man das nicht durchdringen zu lassen. Schließlich sind hier so klären, das lässt sich letztlich nicht genau klä- auch den Nutzern neue Rechte gegeben worden. ren. Zunächst möchte ich hier einmal betonen, Wir haben Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 3 Ab- dass dieses Problem nicht an den Mobilfunknetz- satz 2, die klar sagen zum Beispiel, dass Start-Ups betreibern lag, sondern dass einige unseriöse An- das Recht haben, ihre Dienste anzubieten und da- bieter, insbesondere von Abo-Diensten hierfür bei nicht diskriminiert werden dürfen. Da sind verantwortlich waren. Nichtsdestotrotz hat die

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Mobilfunkbranche im Laufe dieses Jahres eine sonst sind die fünf Minuten ausgeschöpft. Danke. technische Lösung entwickelt, die jetzt seit Au- gust aktiv ist und die verhindert, dass ungewollt Der Vorsitzende: Herr Riewerts bitte. Verträge geschlossen werden können, die dann über die Mobilfunkrechnung abgerechnet werden. SV Fabian Riewerts (Deutsche Telekom AG): Ja, Das ist das sogenannte Redirect-Verfahren, das ich will kurz ergänzen, wenn Sie heute in die vorsieht, dass der Kunde nun auf einer Internet- AGBs, Preislisten und Leistungsbeschreibungen seite im Verantwortungsbereich des Mobilfunk- der Telekom schauen, dann werden Sie sehen, netzbetreibers ausdrücklich bestätigen muss, dass dass für Vectoring und FTTH-Anschlüsse ohnehin er einen Vertragsschluss und eine Bezahlung über die minimale von der maximalen Bandbreite die Mobilfunkrechnung wünscht. Dadurch, dass höchstens 10 Prozent, nein 20 Prozent auseinan- diese Frage nur im Hoheitsbereich des Mobilfunk- der liegt. Für die DSL-Anschlüsse kann es in der unternehmens geklärt werden kann, kann es nicht Tat sein, dass der Kunde etwas stärker von der mehr dazu kommen, dass etwa schon das Ankli- maximalen Bandbreite abweicht. Allerdings ist es cken von irgendeinem Banner auf der Seite eines ja so, dass der Netzbetreiber in dem Moment diese unseriösen Anbieters dazu führt, dass ein Vertrag Bandbreite nicht mal eben nach oben justieren ungewollt geschlossen beziehungsweise unterge- kann, sondern das liegt beispielsweise eben an schoben wird. Insofern ist durch dieses Redirect- Leitungslängen und Dämpfungswerten. Die Alter- Verfahren nun auch ausgeschlossen, dass der native wäre dann einfach, die maximale Band- Kunde aus irgendeinem Grunde irrtümlich davon breite auf einen relativ knappen Betrag oberhalb ausgeht, dass es sich um eine kostenlose Leistung der minimalen abzusenken, was sogar zum Nach- handelt, die er bestellt. Oder dass es zu Missver- teil des Verbrauchers führen würde, da ihm, da er ständnissen über die Art und Weise der Abrech- zu Zeiten, beispielsweise zu Off-peak-Zeiten, wo nung kommt. Er müsste also, er bekommt das wie eben normalerweise mehr Bandbreite zur Verfü- bei dem Bezahlbutton, muss er nun auf einen gung stünde, würde er jetzt künstlich, technisch Knopf drücken und sagen: „Ich möchte diese Leis- limitiert werden. Dadurch, dass ich diese maxi- tung kostenpflichtig bestellen, und ich möchte, male Bandbreite reduziere, also das wäre wirklich dass diese Leistung über die Mobilfunkrechnung wenig hilfreich und eher zum Nachteil der Ver- abgerechnet wird.“ Bei den Mobilfunknetzbetrei- braucher. Zum Thema Drittanbieter sei noch ge- bern, die das als erste eingeführt haben, ist es sagt, aus allen Gesprächen mit Verbraucherzentra- schon unmittelbar nach der Einführung dazu ge- len und Bundesministerien liegt uns kein einziger kommen, dass ein deutlicher Rückgang der Kun- Fall vor, wo das Redirect-Verfahren nicht wirksam denbeschwerden zu verzeichnen war. Und wir ge- funktioniert hat. Also auch dort ist sichergestellt, hen insofern fest davon aus, dass dies auch bei dass die, dass der Bestellprozess auf der Webseite den Verbraucherzentralen so sein wird, wo das der Netzbetreiber abgeschlossen und tatsächlich natürlich naturgemäß erstmal nach einem gewis- nur fakturiert wird, wenn der Verbraucher auch sen, wo es etwas länger dauert, bis es dort spürbar den entsprechenden Button nach dem Button-Ge- wird, weil sich da die Verbraucher erst später be- setz gedrückt hat. Und im Folgenden wird jetzt schweren. Zuerst gehen sie zu ihrem Anbieter. Die nur noch zu prüfen sein, ob alle Anbieter im zweite Frage, das betraf die Mindestbandbreiten. Markt das auch tatsächlich einführen. Da gibt es Da sehen wir große Probleme, ehrlich gesagt. Wir wirklich nur noch ein paar Restmengen, die mit bekommen jetzt in der Transparenzverordnung nachziehen müssen. Und da stehen wir auch im neue Vorgaben und müssen die minimale, die guten Dialog mit der Bundesnetzagentur. Danke. normalerweise zu Verfügung stehende und die maximalen Bandbreiten angeben. Das führt zu Der Vorsitzende: Kollege Freese für die SPD-Frak- sehr, sehr viel mehr Transparenz, als wir bisher tion. jeweils hatten. Allerdings sind das produktbezo- gene Angaben und keine individuellen. Ich will Abg. (SPD): Schönen Dank, Herr jetzt meinem Kollegen Herrn Riewerts nicht die Vorsitzender. Das Thema „Stärkung der Rechte Zeit stehlen. Ich sehe, es ist schon sehr spät. Viel- der Kunden“ ist seitens der SPD ein Thema, das leicht können Sie da an der Stelle weitermachen, uns seit 2011, wie man nachlesen kann, sehr stark

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bewegt und von daher war die Fragestellung mei- falsch, ich glaube, das was BEREC als Vorschlag nes Kollegen Westphal ja auch darauf orientiert. gemacht hat, ist als Grundlage dafür sicher gut. Frau Blohm hat die Situation geschildert. Was wir, denke ich, dringend brauchen, sind Beschrei- Der Vorsitzende: Herr Eschweiler. bungen, wann denn Voraussetzungen vorliegen, die Sonderkündigungsrechte ermöglichen. Was ist SV Dr. Wilhelm Eschweiler (BNetzA): Ja, recht eine erhebliche Abweichung der vertraglichen Da- schönen Dank. Nach Auffassung der Bundesnetza- tenübertragungsrate? Und welche Parameter soll- gentur brauchen wir im TKG-Änderungsgesetz ten zur Bestimmung heran gezogen werden? Viel- keine Regelungen über ein Sonderkündigungs- leicht können Sie uns da, Herr Professor Fetzer, recht. Denn nach den allgemeinen zivilrechtli- ein Stück helfen. Und da ja die Bundesnetzagen- chen Regeln, das hat Herr Professor Fetzer eben tur sich mit dem Thema auch intensiv beschäftigt, ausgeführt, einige Kolleginnen und Kollegen zu- wäre vielleicht, wenn Zeit da ist, Dr. Wilhelm E- vor auch, haben wir eigentlich Rechte für den Ver- schweiler noch einmal gefordert, da ergänzende braucher. Ja, ich erinnere an das Schadensersatz- Anmerkungen zu machen, damit wir konkretisie- recht nach den Paragraphen 280, 281 BGB. Wir rend in das Gesetz etwas hineinschreiben können, haben ein Kündigungsrecht nach Paragraph 313 was ein Sonderkündigungsrecht auch ohne grö- aus wichtigem Grund, und bei fristloser Kündi- ßere juristische Auseinandersetzungen rechts- gung nach Paragraph 314. Herr Fetzer hat hinge- wirksamer auf den Weg bringen kann. wiesen auf die EU-Verordnung, Artikel 4 Ab- satz 4. Auf die Fiktionswirkung, dass nach dieser Der Vorsitzende: Herr Fetzer bitte. Fiktionswirkung der Verbraucher im Rahmen von Rechtsbehelfen, die ihm nach nationalem Recht SV Prof. Dr. Thomas Fetzer (Universität Mann- zustehen, dass er das nutzen kann, dass bei zivil- heim): Ja, vielen Dank für die Frage. Zunächst ein- rechtlichen Streitigkeiten aufgrund dann diese mal ist festzustellen, dass in der europäischen Fiktionswirkung dargelegt wird, was ist eine ver- Transparenzverordnung ja schon eine gewisse Er- tragskonforme Leistung, was ist es nicht. Was si- leichterung auch für den Endkunden dadurch zur cherlich hilfreich sein kann, ist das Messtool der Verfügung gestellt wird, dass in Artikel 4 Absatz 4 Bundesnetzagentur. Das sind sicherlich auch die eben drin steht, wenn eine dauerhaft und wieder- bei BEREC dargelegten Schranken. Insofern wer- holte Abweichung der zugesagten Qualität vor- den wir uns als Bundesnetzagentur bei der nähe- liegt, dann gilt das als Mangel, dann gilt das als ren Konkretisierung natürlich mit den Dingen aus- Fehlleistung. Das ist schon mal ein erster Schritt. einander setzen. Vielen Dank. Ihre Frage zielt aber natürlich auch darauf ab, wann liegt denn eine solche erhebliche Abwei- Der Vorsitzende: Die nächste Frage stellt Kollege chung vor. Da ist es in der Tat denkbar, dass gege- Lämmel für die CDU/CSU. benenfalls, vielleicht aber auch die Bundesnetza- gentur unter Rückgriff auf das, was BEREC ja be- Abg. Andreas Lämmel (CDU/CSU): Ja, Herr reits getan hat, also da gibt es ja verschiedene An- Eschweiler, ich will da nochmal kurz nachfragen sätze 90 Prozent „in-peak“, 95 Prozent ganz über zu dem Punkt. Es gab ja auch die Diskussion um den Tag, dass man derartige Festlegungen trifft. eine sogenannte sektorspezifische Beweislastum- Die Schwierigkeit, und ich glaube, das haben auch kehr. Halten Sie das, halten Sie eine Regelung hier Herr Riewerts und Frau Orlowski schon gesagt, im TKG für wirklich praktikabel oder überhaupt die Schwierigkeit ist natürlich, man braucht im für praktikabel? Und zweitens die Frage nochmal Grundsatz zwei Messpunkte. Also man braucht, an Sie: Welche Rolle spielt denn die Bundesnetza- muss wissen, wie oft wird gemessen. Und was ist gentur heute schon bei der Streitschlichtung zwi- dann die erhebliche Abweichung. Und da ist es schen den Kunden und den Anbietern? nicht so ganz einfach, immer festzustellen, woran liegt denn die erhebliche Abweichung ganz genau. Der Vorsitzende: Herr Eschweiler war gefragt. Insofern, glaube ich, ist der Ansatz richtig zu kon- kretisieren, wann das vorliegt. Da gibt es nun aus SV Dr. Wilhelm Eschweiler (BNetzA): Recht schö- juristischer Sicht sicherlich kein richtig oder nen Dank. Also ich halte es für sehr schwierig,

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über die allgemeinen Regeln des Paragraphen 314 SVe Susanne Blohm (vzbv): Vielen Dank. Wie BGB und den allgemeinen Regeln der Beweislast schon gesagt, setzen wir uns dafür ein, dass der jetzt eine Beweislastumkehr im TKG für solche Verbraucher über das TKG ein Sonderkündigungs- Fälle zu initiieren. Das halte ich für extrem recht bekommt, beziehungsweise wenn die ver- schwierig. Und ich sehe auch nicht die Notwen- traglich vereinbarte Datenübertragungsrate nicht digkeit mit Blick darauf, dass es eigentlich keiner erreicht wird, in einen günstigeren Tarif wechseln zusätzlichen Regelung aus unserer Sicht bedarf, kann. Dabei müssen natürlich die Rechtsfolgen ir- ein spezielles Schadensersatzrecht oder einen Be- gendwie definiert werden, das heißt, wir müssen weis des ersten Anscheins hier darzulegen. Also definieren, was ist denn überhaupt eine erhebli- insofern sehe ich dazu keinen Grund. Was die che Abweichung. Wir hatten dazu ja auch schon Streitschlichtung angeht, ist es eine gute Tradition Ausführungen. Das heißt, wie lässt sich so eine in der Bundesnetzagentur. Wir haben damit Erfah- Abweichung begründen. Und da brauchen wir rung, das wird jetzt aufgebaut, im Prinzip ist Aus- dann natürlich einen objektiven Standard, der für gangspunkt der ganzen Geschichte unser alle gleich gilt. Wir schlagen da eben ein mehrstu- Messtool. Das ist eigentlich, da sind wir „Front- figes Verfahren vor, welches das Messtool bezie- runner“ in Europa, was die Geschichte angeht, hungsweise ein zertifiziertes Messtool, jetzt ge- auch bei BEREC. Und das ist die Geschichte, rade das der Bundesnetzagentur, auch beinhaltet. glaube ich, mit der sich die Dinge voran schreiten Sodass man dann über dieses Messtool mehrere lassen. Und wir brauchen Zeit, ich habe ja eben Messungen über einen bestimmten Zeitraum hat, dargelegt, wir haben jetzt an die 900.000 Fälle in die dann wiederum zu einer bestimmtes Unter- dem Beritt, wo es in Betracht gezogen wird von schreitung führen. Was man mit diesem Verfahren den Endnutzern. Und wir müssen jetzt auch mal erreichen kann, ist, dass etwaige Fehlerquellen evaluieren, wie die Geschichten sich darlegen. durch technische oder physische Details ausge- schlossen werden können. Der Vorsitzende: Die nächste Frage darf ich selber stellen für die SPD. Der Vorsitzende: Herr Tripp.

Abg. Klaus Barthel (SPD): Wir haben ja jetzt ge- SV Volker Tripp (Digitale Gesellschaft e.V.): Aus rade gehört von Herrn Dr. Eschweiler über das unserer Sicht liegt der Vorteil eines Messtools wie Messtool, und ich frage jetzt nochmal Frau Blohm dem der Bundesnetzagentur vor allen Dingen in und Herrn Tripp, was Sie meinen, inwiefern die- der Neutralität und Objektivität. Die Vergangen- ses Werkzeug am Ende hilft. Insbesondere, wenn heit hat gezeigt, dass ja häufig anbieterseitige man dem Verbraucher kein Instrument in die „Tools“ zufälligerweise immer ganz genau die ver- Hand gibt, dann sein Recht, die Messergebnisse ir- traglich vereinbarten Geschwindigkeiten auswei- gendwie umzusetzen, wenn er feststellt, dass die sen. Und insofern glaube ich, dass das Verbrau- Übertragungsbreite bei Weitem nicht ausreicht. chervertrauen in ein solch neutrales und objekti- Was hilft ihm da das Messtool am Ende? Und jetzt viertes Messtool deutlich größer ist. Frau Blohm haben wir von der Telekom gehört, das könnte hat, denke ich, die Vorteile, die ganz praktischen auch an der Hardware liegen. Aber dafür gibt es ja Vorzüge, eben schon zutreffend dargestellt. Ge- wohl klare Regelungen, wie wir aus der Routerdis- rade was mehrere Messungen über einen längeren kussion wissen. Es gibt ja den Netzabschluss- Zeitraum hinweg angeht, mit denen solche Fehler- punkt, also von daher ist klar, wo gemessen wer- quellen ausgeschlossen werden können. Einen Ge- den muss. Wie sehen Sie beide denn das mit der sichtspunkt möchte ich noch gern einbringen, der Beweislast und mit der Frage, wie kann sich der auch in der Diskussion um die TK-Transparenz- Verbraucher wehren, wenn er feststellt, dass eben verordnung schon angeklungen ist. Ich denke, es von der Bandbreite wesentlich abgewichen wird. ist vor allen Dingen wichtig, dass man diese Mess- Und was müssten wir gesetzlich regeln, damit er verfahren insgesamt, also eigentlich auch die an- oder sie sich dann im Zweifelsfall auch helfen bieterseitigen Messverfahren, welche in der TK- kann? Transparenzverordnung vorgesehen sind, auch weiter verobjektiviert und dass die Bundesnetza- Der Vorsitzende: Zunächst Frau Blohm. gentur dafür Vorgaben macht. Also beispielsweise

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zu der Paketgröße oder auch der Umstand, dass Beweggrund, der dafür von der Bundesregierung der Messpunkt eigentlich außerhalb des Hoheits- angeführt wird, diese Vorschriften nicht zu sankti- bereiches des Anbieters selbst liegen muss. Denn, onieren, ist, dass diese noch nicht klar genug ge- wenn nur innerhalb des Netzes des Anbieters ge- fasst seien, um eine Sanktionierung vornehmen zu messen wird, gibt es zahlreiche Optimierungs- können. Ich glaube eigentlich, dass sich das möglichkeiten, die eben nicht bestehen, wenn der durchaus in einen Vorteil, insbesondere für Ver- Anbieter die Geschwindigkeit zwischen seinem braucher, ummünzen lässt. Denn: Beispielsweise eigenen Netz und dem Internet da draußen misst. solche Praktiken wie Zero-Rating, die man unter Insofern glaube ich, könnte man da hinsichtlich den Artikel 3 Absatz 2 fassen könnte, sind ja auch der Vorgaben nachsteuern und in diesem Zusam- nach Auffassung von GEREK teilweise zulässig, menhang vielleicht das Messtool der Bundesnetz- teilweise unzulässig. Und vielleicht gibt es auch agentur zu einer Art Goldstandard für solche In- welche, die sich in einem Graubereich dazwi- strumente auch anbieterseitig erheben. schen befinden. Wenn man Verstöße gegen den Artikel 3 Absatz 2 bußgeldbewehren würde, dann Der Vorsitzende: Die nächste Frage stellt Kollege hätte das den Vorteil, dass das den Druck auf die Lenkert für die Fraktion DIE LINKE. Anbieter erhöhen würde, im Zweifel sich doch eher für verbraucherfreundliche Lösungen zu ent- Abg. Ralph Lenkert (DIE LINKE.): Ich habe gerade scheiden und verbraucherunfreundliche Lösun- eben gelernt, dass das Sonderkündigungsrecht gen gar nicht erst an den Markt zu bringen. Bisher doch nicht so überflüssig wäre, weil ja die Bun- ist es so, wie es ja eben auch schon ganz richtig desnetzagentur ausführte, dass man mit dem BGB angeklungen ist, dass es den Telekommunikati- eine Beweislastumkehr nicht sicherstellen kann. onsunternehmen freisteht, zunächst einmal auch Demzufolge bräuchte es für die Beweislastumkehr verbraucherunfreundliche, vielleicht auch verbo- schon ein Sonderkündigungsrecht. Dass das den tene Zero-Rating-Angebote an den Markt zu brin- Anbietern der Telekommunikationsdienstleistun- gen. Und das Ganze hätte keinerlei Sanktionie- gen nicht unbedingt gefällt, ist nachvollziehbar. rung zur Folge. Sondern dann müsste erstmal die Aber es hätte natürlich auch eine moralische Wir- Bundesnetzagentur tätig werden, eine entspre- kung. Denn ein Sonderkündigungsrecht würde chende Verfügung erlassen. Und erst wenn dann selbstverständlich den Druck auf die Anbieter weiterhin ein solches Angebot am Markt gehalten zum Einhalten der Vertragsbedingungen deutlich wird, dann könnte man eben wegen Verstoßes ge- erhöhen. Wenn sie also wissen, dass der Kunde gen die Anordnung der Bundesnetzagentur eine explizit weiß, wie er kündigen kann, wenn es Sanktion erlassen. Gegen die Anordnung sind nicht stimmt. Insofern möchte ich nochmal an wiederrum auch Rechtsmittel möglich, und das Herrn Tripp die Fragen stellen. Ich würde bitten, könnte den gesamten Prozess verzögern. Das nochmal zu den Ordnungswidrigkeitstatbeständen heißt, wenn wir wirklich einen verbraucher- Ausführungen zu machen. Was ist strafbewehrt freundlichen Markt im Bereich der Netzneutralität bisher? Was müsste aus Ihrer Sicht noch mit Ord- wollen, dann wäre es sicherlich sinnvoll, hier nungswidrigkeitstatbeständen bewehrt werden? eine Sanktion einzuführen. Gleiches gilt auch für Und vor allen Dingen, sind denn die Höhen aus- Verstöße gegen Artikel 4 Absatz 2 der TSM-Ver- reichend beziehungsweise wie hoch müssten ordnung, also die einfachen und transparenten diese denn sein? Beschwerdeverfahren, die von den Telekommuni- kationsunternehmen eingerichtet werden müssen. Der Vorsitzende: Herr Tripp. Auch das ist bisher nicht sanktioniert. Und auch Verstöße gegen die Vorgaben zu Spezialdiensten SV Volker Tripp (Digitale Gesellschaft e.V.): Ich nach Artikel 3 Absatz 5 der TSM-Verordnung fin- habe ja vorhin schon angedeutet, dass insbeson- den sich bisher nicht in den Bußgeldvorschriften. dere Verstöße gegen Artikel 3 Absatz 2 der TSM- Auch das wäre sicherlich wünschenswert im Verordnung bisher nicht aufgenommen wurden. Sinne der Verbraucher. Was die Bußgeldhöhen Das ist auch in den Stellungnahmen von Bundes- angeht, kann man sich darüber streiten, ob man rat und Bundesregierung ein Streitpunkt. Und es sie erhöhen möchte oder nicht. Ich würde sagen, wäre sicher wünschenswert, dass das passiert. Ein mit Blick auf den Paragraph 149 Absatz 2 TKG

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muss der Bußgeldrahmen eigentlich nicht erhöht ersichtlich und publiziert ist, wie sie funktionie- werden. Denn da gibt es eine gewisse Flexibilität. ren, am besten indem der Quellcode offen gelegt Und der Bußgeldrahmen kann danach ja auch wird. Der zweite wichtige Punkt ist, dass die Da- überschritten werden, wenn er nicht ausreicht, ten, die über solche Tools generiert werden, auch um den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter offen zur Verfügung stehen, also Open Data, damit aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, auszu- auch Dritte ihre Erkenntnisse daraus ziehen kön- gleichen. Da wäre es dann allerdings tatsächlich nen. Was da leider auch oft mit hereinspielt, ist, wünschenswert, wenn das auch so passiert. Ich dass wir bisher das Problem haben, dass solche bin skeptisch, ob man da jetzt gesetzgeberisch tä- Messtools oft priorisiert werden in den Netzen. tig werden muss. Aber es wäre ganz schön, wenn Also zum Beispiel www.speedtest.net wird von die Vollzugspraxis der Bundesnetzagentur von vielen Internetanbietern bevorzugt. Sprich, ich dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht und das habe eigentlich Bandbreite x, aber wenn ich dann auch widerspiegelt. einmal eine Messung mache, wie viel meine Bandbreite ist, ist diese auf einmal signifikant hö- Der Vorsitzende: Dankeschön. Die nächste Frage her. Das ist eine klare Bevorzugung, die abzustel- stellt Kollegin Dröge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- len ist aufgrund der TSM-Verordnung und eine NEN. klare Diskriminierung ist, weil ein Anbieter bevor- zugt wird. Und es gibt hier einerseits sehr viel Abge. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wissen und sehr viele Projekte aus den USA, auf NEN): Ja, herzlichen Dank. Ich würde gern Herrn die man zurückgreifen könnte, „Measurementlab“ Lohninger befragen. Der Debatte zum Thema ist hier als eines zu nennen, die hier exzellente Messtools schließe ich mich nochmals an und Arbeit geleistet haben und gerade nach Europa ex- würde fragen, wie ein Durchsetzungsmechanis- pandieren. Man muss hier aber auch der spezifi- mus aus Ihrer Sicht aussehen könnte, wenn den schen europäischen Rechtslage Rechnung tragen. Kunden die versprochenen Bandbreiten nicht zur Wir hatten leider nämlich nicht das Glück, auf Verfügung gestellt werden. Die EU-Verordnung Verordnungsebene den generellen Gleichbehand- sieht ja beispielsweise vor, dass ein solches Tool lungsgrundsatz, was alltägliches Verkehrsmanage- ein zertifizierter Überwachungsmechanismus sein ment angeht, durchzusetzen. Praktisch gespro- könnte. Und deswegen die Frage: Wäre es aus Ih- chen heißt das, dass unter gewissen Umständen rer Sicht nicht sinnvoll, im Telekommunikations- von dem Best-effort-Prinzip abgewichen werden gesetz festzuschreiben, dass die Ergebnisse einer kann. Also es müssen nicht immer alle Daten solchen Messung als Auslöser für Rechtsbehelfe gleich behandelt werden, sondern ich kann auf- dienen können? grund der Qualitätsanforderungen von einzelnen Diensten, zum Beispiel, weil das ein Echtzeit- Der Vorsitzende: Herr Lohninger. dienst ist, diese Dienste bevorzugen und beschleu- nigt durch das Netz leiten. Hier eröffnen sich ge- SV Thomas Lohninger (Arbeitskreis Vorratsdaten wisse Diskriminierungsmöglichkeiten, einzelnen Österreich): Das ist eine größere Debatte. Einer- Diensten einen Vorteil zu verschaffen. Der Fach- seits geht es dabei um die Messung der Bandbrei- begriff dafür ist „Shaping“. Und ich finde auch, ten, welche die Nutzer real mit ihrem Anschluss dass dieser möglichen Diskriminierung, dieser erzielen. Hier ist es wichtig, diese Werte, dem was möglichen Einschränkung des Leistungsumfanges vertraglich zugesichert ist, auch anzunähern. des Kunden Rechnung getragen werden muss. Das Denn in keinem anderen Bereich gibt es so starke sind ja auch Parameter, die im Vertrag niederzu- Abweichungen, dass man zehn Äpfel kauft für x schreiben sind, die auch von dem Provider zu ver- Euro und im Grunde dieses zwar niemals erreicht, öffentlichen sind und die auch von der Regulie- aber auch nichts daran ändern kann. Ich glaube, rungsbehörde aufgrund von Artikel 5 Absatz 2 der hier sind sicher mehr Werkezuge notwendig, die Verordnung abzufragen sind. Das Problem, wes- einerseits objektivieren, was der Nutzer wirklich wegen ich hierauf beharre, ist, dass wir nicht in gekauft hat. Dazu zählen einerseits ordentliche einer Situation enden wollen, wo einzelne Dienste Messtools, die dem Prinzip folgen, dass sie eine dann im alltäglichen Netzwerkmanagement bevor- offene Methodologie haben. Sprich, dass wirklich zugt werden und ähnliche Dienste beispielsweise

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nicht. Das heißt, es geht bei dem Thema des Mes- konkrete Sachverhalte diskutiert worden. In allen sens nicht nur um die Dicke der Leitung, sondern Fällen konnten wir nachweisen, dass das Redi- auch, ob einzelne Dienste innerhalb dieser Lei- rect-Verfahren funktioniert. Insofern, wenn es tung unterschiedlich behandelt werden. Und noch weitere Fälle gibt, in denen so etwas in Messtools, die jetzt entwickelt werden, sollten Frage steht, bitte ich, das gerne uns zu schicken. sich auf beide Aspekte konzentrieren, da auch Dann klären wir das auch nochmal auf. beide Komponenten aus Sicht der Verbraucher gleich zu bewerten sind. Der Vorsitzende: Frau Blohm.

Der Vorsitzende: Es besteht die Gelegenheit für SVe Susanne Blohm (vzbv): Es ist tatsächlich so, eine dritte Runde. Ich schlage vor, dass jede Frak- dass es auch bei Redirect noch Probleme gibt. Zu- tion noch eine Frage stellt. Ich beginne mit der nächst, das hatten wir ja schon, dass es noch nicht CDU/CSU, Kollege Lämmel. flächendeckend umgesetzt ist. Zweitens gibt es aber auch das Problem, dass für den Nutzer nicht Abg. Andreas Lämmel (CDU/CSU): Ich wollte klar ist, wann tatsächlich der Kaufvertrag abge- nochmal nachfragen. Frau Orlowski hatte ja in ih- schlossen wird. Entweder auf der Drittanbieter- rer Antwort vorhin das Redirect-Verfahren vorge- seite oder eben auf der Redirect-Seite. Da sind stellt. Ich muss allerdings sagen, in einem aktuel- sich die Anbieter auch noch nicht sicher. Es ist in- len Fall, der jetzt zwei oder drei Wochen zurück- sofern ein Problem, dass, wenn der Verbraucher liegt, kann ich nicht bestätigen, dass das wirklich schon auf der Drittanbieterseite den Kaufvertrag funktioniert. Deshalb frage ich mal Herrn Riewerts schließt, dann zur Redirect-Seite kommt und von der Telekom, da es auch diesen Fall betraf, ob denkt o.k., nun kann ich nochmal nach Produktin- das Redirect-Verfahren jetzt schon umgesetzt ist. formationen gucken, aber eigentlich unwissent- Zum zweiten an Sie die Frage und auch an Frau lich schon den Kaufvertrag geschlossen hat. Drit- Blohm von der Verbraucherzentrale: Wenn es sich tens haben wir das Problem, dass es noch immer nun um ein Verfahren handelt, welches funktio- überlagernde Schaltflächen gibt, die dann den niert und von allen Mobilfunkanbietern akzeptiert Kaufabschluss unberechtigt veranlassen, und man wird, ob es nicht angezeigt ist, dieses gleich ge- es in den Logfiles auch nicht nachweisen kann. setzlich vorzuschreiben? Das heißt, um solche Das heißt, hier herrscht noch immer Rechtsunsi- Drittanbieter zu sperren oder entsprechende Abo- cherheit. Man könnte sicherlich den Redirect zu- fallen zu verhindern. sätzlich zur voreingestellten Drittanbietersperre, die wir ja auch fordern, gesetzlich verankern. Der Vorsitzende: Herr Riewerts zunächst. Der Vorsitzende: Nächste Frage für die SPD-Frak- SV Fabian Riewerts (Deutsche Telekom AG): Wie tion, Kollege Westphal. ich vorhin schon ausgeführt habe, liegen uns tat- sächlich keine Anhaltspunkte vor, dass das Redi- Abg. Bernd Westphal (SPD): Eine Frage an Herrn rect-Verfahren nicht funktioniert. Wir haben tat- Riewerts: Wie geht die Deutsche Telekom mit Be- sächlich noch zusätzliche Schutzmechanismen schwerden von Verbrauchern um? Wie wird das vorgesehen. Beispielsweise so etwas wie geregelt? Können Sie das vielleicht einmal kurz I-framing, wo ein Unternehmen oder Dienstean- beschreiben und handelt es sich um ein branchen- bieter, der versucht, den Kunden missbräuchlich übliches Vorgehen? Und an Herrn Professor Fetzer zu einem Vertragsabschluss zu zwingen, indem er hätte ich eine Frage. Und zwar hat die sich aus im Internet irgendwelche Fenster vorschaltet, um der Stellungnahme des Bundesrates ergeben. Auf dem Kunden zu suggerieren, er würde nur irgen- der einen Seite fordern die Länder eine weitge- detwas bestätigen, aber nicht den eigentlichen Be- hende Zuständigkeit. Sehen Sie das auch so, dass stellprozess auslösen. Auch für diese Dinge sind man dem nachkommen muss, was die Länder dort Schutzmechanismen durchgeführt worden. Und fordern? Nach dem TKG ist das eine zusätzliche ich möchte nochmal wiederholen, auch in den Zuständigkeit, die über das bisherige Zusammen- Gesprächen, beispielsweise mit der Verbraucher- arbeitsgebot hinausgeht. Dann fordern die Länder, zentrale sowie den digitalen Marktwächtern, sind noch ab 2019 die Radiogeräte auszustatten mit

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DAB+. Wie bewerten Sie das? schon so, dass die Bundesnetzagentur nach Para- graph 2 Absatz 6 Satz 1 TKG dazu verpflichtet ist, Der Vorsitzende: Zunächst Herr Riewerts. Belange der Länder zu berücksichtigen, in Verfah- ren, in denen dieses relevant werden kann. Inso- SV Fabian Riewerts (Deutsche Telekom AG): Nur fern ist ja heute schon eine Koordination bezie- eine kurze Rückfrage: Meinen Sie jetzt aus der hungsweise eine Berücksichtigung rundfunk- und Fälle Praxis, wo der Kunde sich hinsichtlich der meinungsspezifischer Aspekte durch die Bundes- Bandbreiten beschwert oder hinsichtlich der netzagentur gesetzlich geboten. Es ist verfassungs- Drittanbieterthematik? rechtlich nicht ausgeschlossen, hier eine weiterge- hende Regelung zu treffen. Sicherlich nicht wei- Abg. Bernd Westphal (SPD): Nein, der Brandbrei- tergehend als ein Benehmenserfordernis, ein qua- ten. lifiziertes Anhörungsrecht. Verfassungsrechtlich geboten ist das meines Erachtens aber auch nicht, SV Fabian Riewerts (Deutsche Telekom AG): Wie insbesondere vor dem Hintergrund, dass es diese ich vorhin ausgeführt hatte, ist es so, dass in der Koordinationspflicht schon heute gibt. Und man absolut überwiegenden Zahl der Fälle sich der müsste dann eben auch schauen, ob sie funktio- Verbraucher erst einmal direkt an seinen Anbieter niert oder nicht. Klare Aussage: Verfassungsrecht- wendet und man mit ihm bilateral klärt, woran es lich möglich, aber nicht zwingend vorgegeben. denn liegt, dass die Bandbreite nicht zur Verfü- Zur Frage der verpflichtenden Einführung von gung steht. In aller Regel findet man dort bereits DAB+-Radiogeräten. Da muss man sich natürlich eine einvernehmliche Lösung. Entweder kann ein dessen gewahr sein, dass es unionsrechtliche Re- technischer Fehler behoben werden. Oder man gelungen gibt, die das in der Allgemeinheit so dem Kunden, wenn man feststellt, dass es tatsäch- nicht vorsehen. Damit ist es nationalrechtlich lich an den Leistungsparametern des Anschlusses nicht ausgeschlossen. Aber im Ergebnis führt das liegt, aus Kulanzgründen bei der Telekom ermög- natürlich auch zu einem erheblichen Marktein- licht, sofern verfügbar, in einen Vertrag mit einer griff und gegebenenfalls zu erheblichen Grund- niedrigeren Bandbreite zu wechseln. Beziehungs- rechtsbeschränkungen, hinsichtlich derer man weise er aus dem Vertrag insgesamt aussteigen sich klar darüber sein muss, ob das tatsächlich kann. Was ich noch sagen will: Ansonsten gibt es will. Mithin ob das Ziel, die flächendeckende Ein- im TKG-Änderungsgesetz - das hatte ich vorhin führung von DAB+, das rechtfertigen kann. schon einmal ausgeführt - ja das Streitbeilegungs- verfahren bei der Bundesnetzagentur, das wir Der Vorsitzende: Die nächste Frage für Kollegen heute schon sehr begrüßen und das sich in der Lenkert, DIE LINKE. Praxis auch bewährt hat. Und dieses wird ja jetzt explizit geöffnet für genau diese Fälle. Es steht Abg. Ralph Lenkert (DIE LINKE.): Ich hätte die dem Verbraucher dann eben auch zur Verfügung, erste Frage an Herrn Professor Fetzer. Wir reden das in diesem Rahmen nochmal zu klären. Die jetzt viel darüber, dass Verträge, die im Prinzip Fälle, wo er dann tatsächlich in das Gerichtsver- starke Abweichungen haben, wieder korrigiert fahren geht, sind heute extrem selten. werden können. Die Fragestellung ist für mich ja immer, ist da nicht schon der Tatbestand eines Der Vorsitzende: Herr Professor Fetzer. Betruges gegeben? Wenn ein Telekommunikati- onsanbieter einen Vertrag abschließt, in einem Be- SV Prof. Dr. Thomas Fetzer (Universität Mann- reich, wo er eigentlich wissen müsste, dass er dort heim): Zunächst zur ersten Frage der Mitwir- diese Leistung, die er da im Vertrag anbietet und kungsbefugnis der Länder bei der Regulierung kassiert, gar nicht anbieten kann. Und nur in dem nach dem Telekommunikationsgesetz. Es ist na- Fall, der Kunde merkt es, dass der Anbieter dies türlich so, dass die Netzneutralität nicht nur eine nun rückgängig macht, teilweise auf Kulanzbasis. telekommunikationsspezifische Komponente hat, Also wäre die Frage: Ist da nicht der Tatbestand sondern gegebenenfalls auch eine Meinungsviel- des Betruges gegeben? Und wenn das nicht so ist, faltskomponente, die im Zuständigkeitsbereich für mich ist es ein Betrug als Mensch, wie könnte der Länder liegt. Es ist allerdings auch heute man diesem Betrug zukünftig vorbeugen? Wie

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könnte man es formulieren, dass so etwas zukünf- beanspruchen. Sollte das der Fall sein, dann ist tig ausgeschlossen ist? Und die nächste Frage das mit Sicherheit vertragswidrig, da ich dem ja nochmal an Herrn Tripp bezüglich Netzneutrali- überhaupt nicht zugestimmt habe. tät. Und zwar mir stellt sich immer die Frage, ei- nige Telekommunikationsanbieter machen natür- Der Vorsitzende: Als letzte in der dritten Runde lich private Daten, die sie auf meinen Rechner der Anhörung Frau Dröge für mitübertragen, aus welchen Gründen auch immer. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Diese Programme laufen im Hintergrund und ge- hen von der für mich nutzbaren Rate ab. Wie ist Abge. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- das zu bewerten im Verhältnis zu der mir zur Ver- NEN): Ich möchte noch einmal Herrn Lohninger fügung stehende Bandbreite? Wenn ich da einen befragen. Eine grundsätzliche Frage zur Wettbe- großen Teil verliere, weil systeminterne Software werbsbedeutung der Netzneutralität, nämlich wel- läuft und das ganze verlangsamt. che Auswirkungen aus Ihrer Sicht bei einer Ab- schaffung der Netzneutralität insbesondere für die Der Vorsitzende: Herr Professor Fetzer. Start-Up-Unternehmen zu erwarten wären. Ob das nicht ein Machtgefälle zwischen schon groß etab- SV Prof. Dr. Thomas Fetzer (Universität Mann- lierten Unternehmen und Start-Ups erzeugen heim): Ich würde davon ausgehen, dass es flä- würde, mithin die Entwicklungschancen behin- chendeckend kein Betrug im Sinne des Paragra- dert. Und wenn die Zeit noch reicht: Die Befür- phen 263 StGB ist. Das ist zunächst mal aus recht- worter der Netzneutralität haben in der Vergan- licher Sicht der erste Punkt. Der zweite Aspekt ist, genheit immer mit Kapazitätsengpässen argumen- der Gesetzgeber hat sich ja dazu entschlossen und tiert, jetzt haben wir viele Anhörungen im Bun- auch der europäische Gesetzgeber, diesen Prakti- destag gehabt, die eigentlich gezeigt haben, dass ken in erster Linie durch Transparenzverpflich- das Zustandekommen dieser Engpässe nicht nach- tungen sowie Transparenzanforderungen zu be- gewiesen werden kann. Nun wird als neues Argu- gegnen. Also der Kunde soll wissen, was er be- ment angeführt, dass man für neue Anwendungen kommt. Und wenn davon abgewichen wird, was beispielsweise intelligente Mobilität oder spezi- zugesagt ist, dann gibt es natürlich Sanktionsmög- elle Operationen die Netzneutralität abschaffen lichkeiten. Das heißt Transparenz in Kombination muss. Wie bewerten Sie diese Argumente? mit dem, was wir heute schon diskutieren. Das scheint mir dann auch für die Zukunft als „Ab- Der Vorsitzende: Herr Lohninger, bitte. schreckungswirkung“ möglicherweise ein Weg zu sein. Was wir wollen, ist einen Qualitätswettbe- SV Thomas Lohninger (Arbeitskreis Vorratsdaten werb zu stimulieren, einen Qualitätswettbewerb, Österreich): Zur ersten Frage des Wettbewerbs: bei dem die Kunden wissen, was sie bei den ein- Wenn ich heutzutage einen Dienst anbiete im In- zelnen Anbietern erhalten und dementsprechend ternet, dann habe ich ja den großen Vorteil, dass dann auch ihren Anbieter auswählen. Das heißt, ich mit sehr geringen Markteintrittshürden, ein das Grundkonzept der europäischen Verordnung Server kostet ab 12,90 Euro, von Tag eins global mit Transparenz in Kombination mit Sanktions- verfügbar bin, mit meiner Idee, mit meinem Pro- möglichkeiten durch die Bundesnetzagentur, dukt. Und somit für alle Kunden gleichgut verfüg- wenn es zu Verstößen kommt, scheint mir ein bar bin. Dieser Grundsatz des „innovation without durchaus verhältnismäßiges Vorgehen zu sein. permission“, also Innovation ohne vorherige Li- zensierung, ist das, was das Internet so erfolg- Der Vorsitzende: Herr Tripp. reich, innovativ und so bunt gemacht hat. Gerade diesen Grundsatz versucht die Netzneutralität zu SV Volker Tripp (Digitale Gesellschaft e.V.): Ich erhalten. Das gegenteilige Modell, welches die bin mir nicht ganz sicher, ob ich die Frage richtig Netzneutralitätskritiker und gerade die Telekom- verstanden habe. Mir ist eigentlich nicht bekannt, industrie bevorzugen würden, das kennen wir dass Telekommunikationsanbieter ohne meine schon aus dem Telefonbereich. Das sind soge- Zustimmung irgendwelche Programm auf meinen nannte Terminierungsmonopole. Die Leute, die Rechner spielen, die dann wiederum Bandbreite meine Kunden erreichen wollen, die müssen mir

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Geld zahlen. Und diese Logik versucht man nun stimmt. Denn es ist kein Verbrauchsgut, wir haben ins Internet hinüberzuretten und dort herüber zu Leitungsausnutzungen, aber zum Beispiel im Vo- stülpen. Es gibt auch derartige Vorstöße im Be- lumenbereich ist das nicht wahr. Also Internet ist reich des „interconnect“/„sending party network ja ein Gut. Je mehr Menschen am Netz teilneh- pay“, das ist ein Konzept, das die Deutsche Tele- men, umso mehr Netz gibt es. Insofern sehen wir kom 2012 im Rahmen des WCIT (World Con- eher im umgekehrten Bereich, dass Zero-Rating ference on International Telecommunications) ge- die Volumengrenzen kleinhält. Also wenn ich fordert hat. Aber solche Modelle sind abzulehnen, Einzelnen die Ausnahmen vom Volumen verkau- weil damit eben diese Angebotsfreiheit für die in- fen kann, da einen Gewinn draus schlagen kann, novativen Start-Ups und die Wahlfreiheit für die habe ich doch einen Anreiz, den Rest weiter Kunden Vergangenheit wäre. Und der wirtschaft- kleinzuhalten und sozusagen beim Zero-Rating liche Vorteil, den dieses gleichberechtigte Internet diese künstliche Verknappung, die Volumen- bringt, ist auch das, was die USA zu ihren starken grenze in Wirklichkeit sinkt meiner Meinung, Netzneutralitätsregeln bewogen hat. Daran sollten dauerhaft aufrecht zu erhalten. In Kanada wird wir uns ein Beispiel nehmen. Weil, würden wir jetzt zum Beispiel die Zero-Rating-Debatte schon hier in Europa dieses Prinzip abschaffen, wer neu geführt. Und da spricht man nicht mehr von würde davon profitieren? Doch sicherlich nicht Zero-Rating, sondern auch davon, die Volumen- die kleinen, innovativen Start-Ups. Wenn man grenzen an sich abzuschaffen. Und bezüglich der Herrn Höttges Glauben schenken will, dem Chef Spezialdienste noch, ich bin recht zufrieden mit der Deutschen Telekom, mit wenigen Prozent Um- der Lösung, die BEREC hier gefunden hat. Ich satzbeteiligung schon solche Spezialdienste, sol- hoffe, dass diese auch eingehalten wird. Spezial- che bezahlten Überholspuren kaufen könnten. Das dienste sollen dort genutzt werden, wo es wirk- hat er gesagt, nachdem die Netzneutralitätsverord- lich um Dienste geht, die im Internet nicht mög- nung erlassen wurde, am Tag danach. Die könnten lich wären. Aber Spezialdienste dürfen nicht da- es sich nicht leisten, die ganzen Start-Ups hier in für missbraucht werden, bestehenden Internet- Berlin sind nicht in der Lage, mit jedem Inter- diensten eine bezahlte Überholspur zu liefern. Das netanbieter, dessen Kunden sie potentiell errei- heißt, es darf kein Dienst aus dem Internet als chen wollen, Deals abzuschließen. Die haben gar Spezialdienst neu auftauchen, sondern das müs- keine Juristen, wenn es gut geht, haben sie zwei sen wirklich Dienste sein, die technisch im Inter- Techniker in ihrem Unternehmen. Aber wer net gar nicht möglich wären. könnte es sich leisten, für solche Überholspuren zu bezahlen? Natürlich die großen, etablierten Der Vorsitzende: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Player. Die könnten dadurch ihre Marktmacht ab- liebe Sachverständige, liebe Gäste. Wir sind dann sichern. Und die könnten sich diese paar Prozent am Ende dieser Anhörung. Vielen Dank und eine Umsatz auch leisten, um sich jede Konkurrenz bis erfolgreiche Woche. zum Sankt-Nimmerleins-Tag vom Hals zu schaf- fen. Da ist halt die Frage, was macht wirtschafts- politisch mehr Sinn? Und insofern glaube ich, ist die Wettbewerbsfrage klar. Bezüglich der Kapazi- täten haben sie Recht, wir hatten lange die De- batte, Internet ist ein knappes Gut, was nicht

Schluss der Sitzung: 15:11 Uhr Pra/Schni/Ru

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Anlagen

Anwesenheitslisten

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