Kapitel 08

klaus radek · carsten schwecke Werbung 01 Rundfunk braucht auch Werbung 02

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Wer sagt was zu wem und benutzt dabei welchen cken konnten, forderte Watson, die bislang auf einer Nut- Werbeträger mit welcher Wirkung? Was sich hier – zenargumentation basierende Werbung (»Die Schachtel frei nach der sogenannten Lasswell-Formel (Who hält drei Wochen«) durch das Verkaufen eines Lebens­ says what in which channel to whom with what gefühls zu ersetzen. Dies war die Geburtsstunde der Wer- effect?) – so geordnet liest, ist in der Realität ein bung, wie wir sie heute kennen. komplexer Prozess: Werbung zu machen. Das Konstrukt »Einstellung« Wie Werbung Werbung wurde – – Edward C. Tolman – ebenfalls ein Vertreter der experi- Die Geburtsstunde moderner Werbung schlug zu Beginn mentellen Psychologie – entwickelte Watsons S-R-Modell des vorigen Jahrhunderts. Der amerikanische Psycholo- in den 30er Jahren weiter und fügte die Komponente ge John B. Watson begründete um 1913 den Behavioris- »O« für Organismus ein. Das »S-O-R«-Modell und das mus. Watson war zuvor an der Universität mit weit rei- darauf basierende theoretische Konstrukt »Einstellung« chenden Experimenten aufgefallen (»Albert B.«) und wurde eine der wichtigsten Grundlagen in der Kommu- entwickelte schließlich das »Black-Box-Modell«, auch nikations- und Werbelehre. Im Gegensatz zu Watsons bekannt als »S-R-Modell«. S steht dabei für Stimulus, S-R-Modell beschrieb Tolman, dass das Innere des R für Reaktion. Watson war davon überzeugt, dass sich Menschen – also Wünsche, Meinungen, Einstellungen der Mensch in einem permanenten Konditionierungs- etc. – eine tragende Rolle im Verbund von Reiz und Re- prozess befindet und ausschließlich auf äußere Reize rea­ aktion spiele. giert. Das Innere des Menschen sei entsprechend unin- Diese Ansammlung von Dispositionen bezeichnete teressant, einem schwarzen Kasten gleich (»Blackbox«), er als intervenierende oder interne Variable. Die wich- nur die Außeneinflüsse zählten. Er glaubte, der Mensch tigste dieser Variablen ist die Einstellung selbst, die auf käme als völlig unbeschriebenes Blatt zur Welt (Tabula- einer affektiven (emotionale Reaktion), kognitiven (ratio­ rasa-Theorie) und könne je nach Konditionierung alles nale Auseinandersetzung) und konativen (Handlungs- werden: Ob Massenmörder oder Politiker, sei nur eine absicht) Komponente beruht. Ein vollständiges Durch- Frage der Einflussnahme von außen. Von dieser Idee war laufen des Reiz-Verarbeitungs-Absichts-Prozesses wird

werbung er so überzeugt, dass er schließlich sogar dem Weißen als Aktualgenese bezeichnet. Werbung wirkt im Idealfall Haus den Vorschlag machte, mit Konditionierungsmaß- eben so: affektiv (die Werbung wird überhaupt erst wahr­ 08 nahmen den Weltfrieden herbeizuführen. genommen, beispielsweise durch eine auffällige Farb- 2 Aufgrund privater Eskapaden verlor Watson oder Tongestaltung), kognitiv (die Werbung wird im schließlich seine Professur und begann bei der großen Kopf verarbeitet) und konativ (eine Absicht wird be- Werbeagentur Thompson zu arbeiten – für die Entwick- gründet, zum Beispiel ein Produkt zu kaufen). lung der Werbung im 20. Jahrhundert eine schicksalhafte Das A.I.D.A-Modell galt lange als das Grundprinzip Wendung. Denn Watson wurde zum Begründer moder- beim Herstellen eines Kaufanreizes. A.I.D.A ist die Ab- ner, emotionaler Werbung. Zunächst musste er einige kürzung für Attention – Interest – Desire – Action (also Zeit in einem Kaufhaus den Süßwarenstand betreuen Aufmerksamkeit, Interesse, Verlangen, Aktion). Mittler- und lernte so durch eigene Anschauung den Vorgang des weile ist das Modell jedoch überholt, »Interesse und Ver- Interesseweckens und Verkaufens. Schließlich führte er langen« und »Verlangen und Aktion« sind – so ist heute die Studie »What are you smoking and why?« durch, klar – nicht immer kausal miteinander verkettet. Das deren Ergebnis bahnbrechend war. Weil Raucher im theoretische Konstrukt der Einstellung nach Tolman hat Blindversuch ihre präferierte Marke nicht herausschme- diesen Platz eingenommen, da hier alle Möglichkeiten mit einbezogen werden, also auch die der negativen Handlungsabsicht.

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© Werbung soll Reaktionen in den © Nervenzellen des Hirns auslösen links: Werbung für das Haushaltsgerät Mixette um 1960 rechts: ein Werbeblatt der Firma Essig Kühne aus dem Jahre 1935

Sender-Empfänger-Modell – So ist es nicht verwunderlich, dass Werbung zu Die einfachste Grundlage der Werbung ist das Sender- einem bedeutenden Wirtschaftszweig herangewachsen Empfänger-Modell: Der Werbetreibende als Sender sen- ist. Für Werbung werden in Deutschland pro Jahr rund det seine Botschaft an den Werbeempfänger, also den 30 Milliarden Euro ausgegeben, rund zwei Drittel davon Konsumenten, aus. Die Marketingforschung überprüft, gehen in die klassischen Medien wie Fernsehen, Radio ob die Botschaft richtig ankommt und verstanden wird. und Zeitungen. Werbung erfüllt gefragt oder ungefragt Das sogenannte Transformationsmodell ist somit eine mehrere Aufgaben. Neben der Information der Verbrau- direkte Umsetzung des S-O-R-Modells nach Tolman. cher stimuliert sie die Nachfrage nach Produkten und Wenn dies vollständig bedient wird, handelt es sich um Dienstleistungen – ob diese Nachfrage echten Bedürf- erfolgreiche Werbung. nissen entspricht, ist sicherlich diskussionswürdig, aber Die wesentlichen Fragen (»Wer sagt was zu wem sie ist damit zu einem wichtigen Motor der Wirtschafts- mit welcher Wirkung?«) der Lasswell-Formel sind somit leistung geworden. Darüber hinaus subventionieren geklärt. Im Rahmen der Mediaselektion wird schließlich Werbeschaltungen den Abgabepreis mancher Medien- der Werbeträger ausgewählt. Werbeträger werden in angebote, zum Beispiel im Printbereich: Ein Nachrich- zwei Kategorien unterteilt. Kommunikationsträger im tenmagazin würde anzeigenfrei am Kiosk sicher nicht engeren Sinn (klassische Medien) sind Printmedien, unter 10 Euro zu haben sein. elektronische Medien wie Hörfunk und Fernsehen, Pla katwände, Stadionbanden und Verkehrsmittel. Kom- Defi nition munikationsträger im weiteren Sinn (nichtklassische – Medien) sind: Produktverpackung, Direktwerbung (Di- Der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) in der Fassung vom rektmarketing), Werbung am Point of Sale (Verkaufsför- 1. April 2004 defi niert Werbung als »jede Äußerung bei derung), Warenproben, Trikots und Sportfahrzeuge, zum der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder Beispiel in der Formel 1. freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich- Die erweiterte Lasswell-Formel trägt diesen Über- rechtlichen oder privaten Veranstalter entweder gegen legungen Rechnung: Wer übersetzt seine Zielsetzung in Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigen- welche Werbebotschaft, benützt welchen Werbeträger, werbung gesendet wird mit dem Ziel, den Absatz von um bei welcher Zielgruppe zu welchem Zeitpunkt wel- Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, ein- werbung che Wirkung zu erzielen? schließlich unbeweglicher Sachen, Rechte oder Ver- pfl ichtungen, gegen Entgelt zu fördern«. 08 Diese Defi nition bedeutet, dass nur kommerzielle Werbung in Radio und Fernsehen 3 – Wirtschaftswerbung und Social Advertising, aber nicht Werbung hat das alltägliche Leben fast völlig durchdrun- weltanschauliche, religiöse oder politische Werbung gen; man kann ihr nicht mehr »entkommen«, Werbung (Ausnahme zu Bundestags- und Europaparlaments- begleitet die Menschen in unserer Gesellschaft den Wahl kämpfen) statthaft ist. ganzen Tag, von morgens bis nachts. Wer nach dem Auf- Im selben Rundfunkstaatsvertrag wird Sponsoring stehen das Radio einschaltet, hört in den meisten Sen- defi niert als »Beitrag jeder natürlichen oder juristischen dern Werbespots, wer während des Frühstücks Tages- Person oder einer Personenvereinigung, die an Rund- zeitungen liest, wird mit Anzeigen konfrontiert, wer mit funktätigkeiten oder an der Produktion audiovisu eller dem Auto, dem Bus und der Bahn zur Arbeit fährt oder Werke nicht beteiligt ist, zur direkten oder indirekten zum Einkaufen geht, kommt an ungezählten Plakat- Finanzierung einer Sendung, um den Namen, die Marke, wänden vorbei. Die Zeitschriften sind voll von Anzeigen, das Erscheinungsbild der Person oder der Personen- Radio und Fernsehen senden beinahe rund um die Uhr vereinigung, ihre Tätigkeit oder ihre Leistungen zu Werbung. fördern«.

149 © dpa © Social Advertising: Die Rapper Tyrell a.ka. Twenty Zack und Di Albo sangen 2005 für einen Kinospot des hessischen Aus- länderbeirats, um die Wahlbeteiligung zu den Ausländerbeiräten in Hessen zu vergrößern

Rechtliche Rahmenbedingungen Fernsehwerbung in – – öffentlich-rechtlichen Sendern Werbung und Sponsoring im Fernsehen oder Radio un- terliegen strengen rechtlichen Vorgaben, die in erster Die Fernsehwerbung in den öffentlich-rechtlichen Linie der Rundfunkstaatsvertrag, aber auch andere Fernsehangeboten unterliegt deutlich schärferen Regle­ Gesetze und Vorschriften festlegen. Diese sind unter an- mentierungen als bei den privaten Fernsehanbietern. derem das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, das Sie ist explizit auf und das beschränkt Heilmittelwerbegesetz mit dem Werbeverbot für ver- (§15 Abs. 1 RStV). Die dritten Fernsehprogramme (von schreibungspflichtige Medikamente sowie dem Gebot br, hr, mdr, ndr, rb, rbb, sr, swr, wdr), KI.KA, der Ausstrahlung von Pflichthinweisen (die im Übrigen phoenix, 3sat und sind werbefrei. Fernsehwer- nicht auf die Werbezeit angerechnet werden), Einschrän- bung im Ersten und im zdf darf höchstens 20 Minuten kungen bei Werbung für alkoholische Getränke, das Ver- täglich betragen und ist auf die Zeit werktags bis 20.00 bot von Tabakwerbung und generell irreführender Wer- Uhr beschränkt (§15 Abs. 1 RStV). bung. Besondere Aufmerksamkeit des Gesetzgebers, Der Rundfunkstaatsvertrag definiert neben der aber auch der Marktpartner aus Werbewirtschaft und Dauer auch die Häufigkeit von Werbeeinschaltungen im Medien, gilt dem Jugendschutz. Es gibt einen speziellen Ersten und im zdf; zum Beispiel dürfen Fernsehsen- Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der als grundle- dungen von über 45 Minuten Länge nur einmal unter- gende Maxime besagt, dass Werbung Kindern und Ju- brochen werden (§14 Abs. 3 RStV). Gottesdienste und gendlichen weder körperlichen noch geistigen Schaden Kindersendungen genauso wie Nachrichtensendungen zufügen darf. Darüber hinaus gibt er beispielsweise vor, dürfen nicht unterbrochen werden. Die Übertragung dass in der Werbung keine direkten Konsumaufforde- von Sportereignissen darf nur in den Pausen für Wer- rungen an Kinder gestellt werden noch Kinder in gefähr- bung unterbrochen werden. Zusätzlich konkretisieren lichen Situationen gezeigt werden dürfen. Weiterhin gibt -Richtlinien die gesetzlichen Bestimmungen. es spezielle Verhaltensregeln des Deutschen Werberates für die Werbung von und mit Kindern. Fernsehwerbung in privaten Sendern Der Rundfunkstaatsvertrag unterscheidet aus- – drücklich zwischen den privaten und öffentlich-recht- Da private Fernsehveranstalter nicht aus der Rundfunk-

werbung lichen Sendern. Für beide gilt grundsätzlich, dass Wer- gebühr finanziert werden, müssen sie ihre Programme bung nicht die Gesundheit oder Sicherheit der Verbrau- aus Werbeeinnahmen, Sponsoring, Teleshopping oder 08 cher sowie den Schutz der Umwelt gefährden darf, dass sonstigen Einnahmen bestreiten. Zu Letzteren gehören 4 Werbetreibende die redaktionellen Inhalte nicht beein- Abonnements, Pay-per-View-Angebote und Mehrwert- flussen dürfen, Werbung und Programm deutlich von- dienste per Telefon oder Handy. Fernsehwerbung in den einander getrennt sein müssen, dazu zählen auch die privaten Sendern unterliegt keiner uhrzeitlichen Be- eindeutige Trennung von Splitscreen-Werbung vom üb- schränkung, sie darf rund um die Uhr ausgestrahlt rigen Programm sowie das Verbot von Schleichwerbung werden. Der Anteil der Werbung darf jedoch 20 Prozent und Product-Placement. der täglichen Sendezeit nicht überschreiten. Der Anteil von Werbeinseln an einer Programmstunde liegt somit bei maximal zwölf Minuten – rein rechnerisch kann also jeder Privatsender täglich 280 Minuten Werbung ausstrahlen. Der Rundfunkstaatsvertrag erlaubt die Platzierung von Werbung sowohl zwischen zwei Sendungen als auch innerhalb einer Sendung, die sogenannte Unterbrecher- werbung.

150 Der Werbemarkt in Deutschland Nicht erlaubt ist die Unterbrechung der Übertra- – gung von Gottesdiensten oder Kindersendungen sowie Im Jahr 2005 wurden brutto mehr als 19 Mrd. Euro in von Nachrichtensendungen bis zu einer halben Stunde Werbung in den klassischen Medien investiert. Im Ver- Dauer. Um dennoch einen Werbeblock einschieben zu gleich zum Vorjahr ist dies ein Zuwachs von 0,96 Mio. können, werden Nachrichtensendungen darum gerne Euro (+5,3%). Die meisten Gelder flossen mit 8,04 Mrd. als »Journal« oder »Nachrichtenmagazin« bezeichnet Euro (42,1%) in Fernsehwerbung, gefolgt von 4,99 Mrd. oder redaktionell in zwei Teile zerlegt, indem die Nach- Euro (26,1%) in Tageszeitungen und 3,87 Mrd. Euro richten vom Wetter getrennt präsentiert werden. (20,3%) in Publikumszeitschriften. Mit deutlichem Ab- Zwischen zwei Unterbrecherwerbeblöcken inner- stand folgten Hörfunk mit 1,17 Mrd. Euro (6,1%), Pla- halb einer Sendung müssen mindestens 20 Minuten Pro- kate mit 0,61 Mrd. Euro (3,2%) und Fachzeitschriften mit gramm liegen. Bei Sendungen, die länger als 45 Minuten 0,42 Mrd. Euro (2,2%). dauern, ist mehr als eine Unterbrechung zulässig. Ur- sprünglich bildeten Spielfilme die Ausnahme von dieser Werbemarkt 2005: Anteil der Werbeträger am Bruttoumsatz in Prozent Regelung, sie durften nur alle 45 Minuten unterbrochen HF - Hörfunk, TV - Fernsehen, PK - Plakate, TZ - Tageszeitungen, werden, um den dramaturgischen Faden nicht reißen zu PZ - Publikumszeitschriften, FZ - Fachzeitschriften Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, lassen. Auch hier bedienten sich die Privatsender eines eigene Berechnungen Tricks, um mehr Unterbrechungen zu erzielen: Die aus- gestrahlten Spielfilme bzw. deren Sendeplätze wurden einfach als Sendereihe tituliert. Angebote, die in diesem HF 6,1 % TZ 26,1 % Kontext laufen, dürfen ganz normal, also alle 20 Minuten unterbrochen werden. Darum also heißen die Spielfilm- sendeplätze bei rtl, ProSieben oder sat.1 »Der große Sonntagsfilm«, »Blockbuster«, »Eventkino« oder »Satur- TV 42,1 % day Night Action«. PZ 20,3 % Die Landesmedienanstalten (finanziert durch Ge- bührengelder) kontrollieren die Einhaltung der gesetz- PK 3,2 % lichen Rahmenbedingungen durch die kommerziellen werbung Sender. Im Falle eines Verstoßes – wenn zwischen zwei FZ 2,2 % Werbeblöcken zum Beispiel nur 17 Minuten Programm 08 liegen – droht eine Abmahnung. 5 – Hörfunkwerbung Die Hörfunkwerbung ist auf 90 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt begrenzt (§15 Abs. 5 RStV). Pro Stunde dürfen zwei Werbeblöcke, die nicht länger als dreieinhalb bis vier Minuten sein dürfen, ausgestrahlt werden. Die Werbezeit pro Stunde ist auf sieben bis acht Minuten beschränkt. Auch die öffentlich-rechtlichen Radioangebote dürfen an Sonn- und Feiertagen keine Werbung ausstrahlen.

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Werbezeitenvermarktung in Deutschland Lediglich ca. 8,3 Prozent der gesamten Werbeeinnahmen – aus Radio und Fernsehen gingen an den öffentlich- Die Fernseh-, aber auch Radiosender vermarkten ihre rechtlichen Rundfunk. Mit rückläufi ger Tendenz – der Werbezeiten in der Regel nicht selbst, sondern beauftra- Anteil von ard und zdf an den Gesamtwerbeaufwen- gen damit eigens zu diesem Zweck gegründete Tochter- dungen ist über die Jahre immer geringer geworden. unternehmen. Die meisten Gelder für Fernsehwerbung konnte mit mehr als 2,2 Mrd. Euro rtl verbuchen, gefolgt von Die großen Vermarkter für die Werbung führenden sat.1 (1,62 Mrd. Euro) und ProSieben (1,38 Mrd. Euro). deutschen Fernsehangebote sind: ard und zdf liegen mit Brutto-Werbeeinnahmen in – ard Werbung Sales & Services (AS&S) (Das Erste) Höhe von 0,20 Mrd. Euro bzw. 0,13 Mrd. Euro noch – zdf Werbefernsehen deutlich hinter den Privatsendern der zweiten Generati- – SevenOne Media on wie rtl ii, vox und kabel 1. (sat.1, ProSieben, Kabel 1, N24, ) Der Fernsehwerbemarkt wird schon heute de facto – IP Deutschland durch die Sendergruppen von rtl und ProSiebensat.1 (rtl, vox, n-tv, Super rtl, rtl Shop) beherrscht. Diese verfügen über einen Umsatzmarkt- – Sonstige (dsf, mtv, viva, , rtl ii) anteil von insgesamt knapp 80 Prozent. Der Umsatz- marktanteil von ard und zdf beträgt gemeinsam ledig- Die großen Vermarkter für die Radioangebote lich 4,4 Prozent. mit Werbung sind: Die meisten Gelder für Hörfunkwerbung konnten – AS&S national/regional die Radioangebote der Privaten unter dem Dach des RMS (öffentlich-rechtlich und privat als Mandant) (Radio Marketing Service) mit 696,1 Mio. Euro verbu- – RMS national/regional (privat) chen; das entspricht einem Umsatzmarktanteil von fast – Energy national/regional (privat) 60 Prozent. Die werbeführenden ard-Radio angebote – Sonstige konnten dagegen mit knapp 415 Mio. Euro nur 36 Prozent der Gelder für Hörfunkwerbung einnehmen. Die sonsti- Auch bei den Landesrundfunkanstalten der ard ist die gen Radioanbieter spielen mit Brutto-Werbeumsätzen Abwicklung der Werbung selbstständigen Tochter ge-

werbung von 55, 7 Mio. Euro nur eine unbedeutende Rolle. sellschaften übertragen, mit denen Ergebnisabführungs- verträge bestehen, d.h., Einnahmen aus Werbung und 08 Sponsoring werden nach Abzug eines Unkosten anteils 6 an die jeweilige Landesrundfunkanstalt überwiesen. Die Werbetöchter der Landesrundfunkanstalten und des zdf erhalten keine Subventionen aus den Rundfunk- gebühren. Sie sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die der vollen Steuerpfl icht unterliegen.

152 © dpa © Der ehemalige Bundesliga-Manager Rainer Calmund während der Dreh­ arbeiten zu einem Werbespot für den Mobilfunkanbieter O2 Um Werbe- und Sponsoreinnahmen geht es vor allem bei der Vermarktung der Bundesligarechte im privaten Fern- sehen, im Internet und im Mobilfunk

Tausenderkontaktpreis Die Werbetöchter gestalten die Werberahmenpro- – gramme und übernehmen die Kosten der Mutteranstal- Letztlich ausschlaggebend ist – neben qualitativen ten für die Abspielung und Ausstrahlung. Wie die Rund- Aspekten – das Verhältnis der Kosten zur Größe der funkanstalten sind auch die Werbegesellschaften in erreichten Zielgruppe: Präferierte Werbezielgruppe einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Sie in Deutschland sind Erwachsene im Alter von 14 bis 49 unterhält eine gemeinsame Vermarktungsgesellschaft, Jahren. Dies wird mit der Maßeinheit des Tausender­ die ard-Werbung Sales & Services GmbH. Zu den zen- kontaktpreises (TKP) ausgedrückt. Dieser Wert gibt tralen Aufgaben der GmbH zählen die Vermarktung der in Euro an, wie hoch die Kosten sind, um bei einem Wer- nationalen Fernseh- und Radio-Werbezeiten sowie For- beträger 1.000 Kontakte in der gewünschten Zielgruppe schung und Service, ferner die Presse- und Öffentlich- zu erreichen. Dieser errechnet sich aus dem Preis der keitsarbeit für die Radio- und TV-Angebote der ard- Werbeschaltung(en) multipliziert mit tausend, dividiert Werbung. Die ard-Werbung Sales & Services GmbH ist durch die Anzahl der in der Zielgruppe gemessenen der zentrale Ansprechpartner für den Werbemarkt und Werbe-Kontakte (s. Tabelle auf nachfolgender Seite). Dienstleister zwischen Medien und Werbewirtschaft. Sie Die TKPs von rtl, ProSieben und sat.1 sind vor kümmert sich um das Media-Marketing und damit um 20.00 Uhr deutlich niedriger als nach 20.00 Uhr. Der die Refinanzierung der Programme durch Werbung. Tausenderkontaktpreis am Hauptabend lag zum Beispiel bei sat.1 im Jahr 2005 in der werberelevanten Zielgrup- pe um 39 Prozent über dem TKP des Vorabends. Die Bedeutung von Werbung absoluten Kosten wurden sogar mehr als verdoppelt – im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (+163%) bei einem Reichweitenanstieg von »nur« 17 Werbung in den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Prozent. Dies zeigt, dass der Preisanstieg bei den kom- Radioangeboten ist Garant des Wettbewerbs unter den merziellen Rundfunkveranstaltern vom Vorabend zum Marktteilnehmern und gleichzeitig eine wichtige zusätz- Hauptabend nicht unbedingt in Relation zum Anstieg liche Finanzierungsquelle. Die Werbewirtschaft nimmt der Zuschauerzahlen steht. Eine vergleichbare Preis­ das Angebot, die qualitativ attraktiven Zielgruppen der strategie verfolgen auch die übrigen privaten Fernsehan- Öffentlich-Rechtlichen, die bei den Privaten so nicht zu bieter. finden sind, zumindest am Vorabend mit Werbung werbung zu erreichen, stark an. Ein nennenswerter Wettbewerb findet auf dem Fernsehwerbemarkt somit lediglich 08 zwischen 17.oo Uhr und 20.00 Uhr statt, also zu einer 7 Zeit, zu der Das Erste und das zdf Werbung im Fernse- hen ausstrahlen. Dieser verschärfte Wettbewerb drückt sich in den Spotpreisen der TV-Anbieter aus. In diesem Zusammenhang ist der absolute Preis eines Werbeträgers allein nicht sehr aussagekräftig. Der Preis muss vielmehr in Beziehung zu seiner Leistung für den Werbetreibenden gesehen werden.

153 Zielgruppe Erwachsene (14- bis 49-Jährige)

Vermarkter/Medien Brutto-Preise 2005 (EUR) Reichweite (Mio.) TKP (EUR) 17 – 20 Uhr 20 – 23 Uhr 17 – 20 Uhr 20 – 23 Uhr 17 – 20 Uhr 20 – 23 Uhr

IP-Sender rtl 16.241 42.399 0,792 1,544 20,50 27,45 vox 4.237 12.323 0,296 0,678 14,31 18,19 n-tv 993 959 0,021 0,025 47,44 38,71

ProSiebensat.1 sat.1 17.593 28.740 0,881 1,036 19,96 27,75 ProSieben 12.696 24.576 0,575 0,860 22,08 28,57 Kabel 1 3.550 8.483 0,259 0,439 13,73 19,32 n24 573 1.168 0,023 0,044 24,49 26,54

rtl ii rtl ii 4.202 9.792 0,298 0,506 14,08 19,34

Öffentlich-Rechtliche ard 14.933 werbefrei 0,511 werbefrei 29,24 werbefrei zdf 14.098 werbefrei 0,438 werbefrei 32,17 werbefrei

vgl: GfK-Fernsehforschung, Standardwerbung, Tarifart 1–20, mo. bis sa., Fernsehpanel D+EU 2006

Die werbetreibende Wirtschaft erreicht nach Die meisten Werbetreibenden, die Werbung in öf- 20.00 Uhr durch die Werbefreiheit in ard und zdf so- fentlich-rechtlichen Programmen buchen, tun dies aber wie den dritten Fernsehprogrammen der ard ca. 45 Pro- bewusst, um Zielgruppen mit ihrer Werbung zu errei- zent aller Fernsehzuschauer nicht. Deshalb weisen die chen, die sie bei den privaten Rundfunkveranstaltern

werbung Verbände der Werbewirtschaft wiederholt darauf hin, nicht erreichen. Ein weiterer Grund, warum Werbekun- dass der Erhalt der Werbung im öffentlich-rechtlichen den bewusst das Umfeld der öffentlich-rechtlichen Pro- 08 Rundfunk für die werbetreibende Wirtschaft unbedingt gramme belegen, ist der erhoffte positive Imagetransfer 8 notwendig ist und ihre Abschaffung gravierende Aus- vom Programm auf das beworbene Produkt. Die Kunden wirkungen auf den Fernsehmarkt hätte. fühlen sich darüber hinaus in den hochwertigen, profes- Noch drastischer wären die Auswirkungen eines sionellen, kompetenten und seriösen Umfeldern der Verzichts von Werbung im öffentlich-rechtlichen Hör- Öffentlich-Rechtlichen besser aufgehoben. . Der Hörfunkwerbemarkt wird bereits heute durch Ein Verzicht auf Werbung in ard und zdf hätte den Vermarkter der meisten privaten Radioangebote, auch erhebliche Auswirkungen auf die Programmgestal- den RMS, beherrscht. Er verfügte im Jahr 2005 über ei- tung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Werbung nen Umsatzmarktanteil von ca. 60 Prozent. Die ard war und Sponsoring ermöglichen es zum Beispiel, teure mit einem Umsatzmarktanteil von fast 36 Prozent der Sportrechte ohne weitere Belastung der Gebührenzahler deutlich kleinere Marktteilnehmer. Durch einen Verzicht zu refinanzieren. Bestes Beispiel für die gelungene Re­ auf die Werbung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk finanzierung von Sportrechten durch Werbung sind könnte der Vermarkter RMS fast eine Monopolstellung die Rechte an den Spielen der 1. Fußball-Bundesliga. Es einnehmen und die Hörfunkpreise nach Belieben diktie- ist der ard gelungen, den Rechteerwerb vollständig ren. Auswirkungen hätte dies nicht zuletzt auf die Preise durch Einnahmen aus Werbung und Sponsoring zu re­ der Produkte, in die die Kosten der Werbung eingehen. finanzieren.

154 Rechtliche Rahmenbedingungen Die Werbeerträge des öffentlich-rechtlichen Rund- – funks helfen, die Höhe der Rundfunkgebühren zu be- Das deutsche Medienrecht kennt zwei Grundsätze, die grenzen. Würden sie wegfallen, müssten die Gebühren die Trennung von Werbung und Programm regeln. Beide deutlich erhöht werden, um das bei unveränderter Pro- sind im Rundfunkstaatsvertrag gesetzlich geregelt. Das grammvielfalt und -qualität entstehende Defizit aus­ ist zum einen das Gebot, Werbung vom übrigen Pro- zugleichen. gramm deutlich zu trennen und als solche zu kenn­ Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Misch- zeichnen. Sie darf »das übrige Rundfunkprogramm in- finanzierung, d.h. in der Finanzierung durch Rundfunk- haltlich nicht beeinflussen«. Zum anderen verbietet der gebühren, Werbung und sonstige Einnahmen, eine Mög­ Rundfunkstaatsvertrag Schleichwerbung im Programm. lichkeit, einseitige Abhängigkeiten zu lockern und die Schleichwerbung ist »die Erwähnung oder Darstellung Programmgestaltungsfreiheit der Rundfunkanstalten zu von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tä- stärken. tigkeiten eines Herstellers, wenn sie zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung Schleichwerbung – irreführen kann«. Schleichwerbung ist also durch drei Zwar investiert die Industrie jährlich allein in Deutsch- Merkmale gekennzeichnet: Eine kommerzielle Leistung land mehr als acht Mrd. Euro, um ihre Produkte im Fern- oder ihr Erbringer muss erkennbar sein, sie muss in sehen zu bewerben, die Effektivität dieser Maßnahmen werblicher Absicht erfolgen und sie muss geeignet sein, ist jedoch sehr umstritten. Werbepausen sind für die die Zuschauer über die wahre (Werbe-)Absicht zu täu- Fernsehkonsumenten klar erkennbar: Die Senderken- schen. Das Erfordernis der Werbeabsicht gilt als erfüllt, nung wird in dieser Zeit nicht eingeblendet und die wenn die Darstellung gegen Geld oder eine ähnliche Trennung erfolgt durch optische Mittel, in der Regel Gegenleistung erfolgt. durch kurze Jingles. Zudem umrahmen die Sender nahe- Aus dieser Definition wird deutlich, dass die redak- zu jede Werbeinsel mit Programmtrailern, so dass der tionell veranlasste Darstellung von Produkten keine Konsument die meist vier- bis siebenminütigen Unter- Schleichwerbung darstellt und daher zulässig ist, sofern brechungen genau abpassen kann und für andere Akti- sie nicht über das redaktionell erforderliche Maß hin- vitäten nutzt: Der Gang zur Toilette, die Rauchpause, die ausgeht. In der heutigen Zeit ließe sich ansonsten eine werbung Versorgung mit Snack-Nachschub oder das Umschalten reale Umwelt kaum noch darstellen. Wenn also ein Kom- zu anderen Sendern sind der Alptraum jedes Werbetrei- missar einen Dienstwagen fährt und das Fahrzeug aus- 08 benden. Für die Werbeindustrie besonders interessante schließlich aus dramaturgischen und inhaltlichen Grün- 9 Programme, etwa Spielfilme bei den großen Privatsen- den im Bild erscheint, handelt es sich um eine zulässige dern, verlieren in den Werbepausen oft mehr als die Produktdarstellung. Erlaubt ist es auch, wenn das Fahr- Hälfte ihrer Zuschauer. zeug dem Sender für die Dreharbeiten unentgeltlich zur Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Indus- Verfügung gestellt wird (Produktionshilfe), solange dies trie bereits seit langem massiv versucht, ihre Produkte nicht an Bedingungen hinsichtlich der Darstellung in auch in den Programmen selbst zu platzieren. In ande- der Sendung geknüpft wird. Zu einem Fall von (illegaler) ren europäischen Ländern, etwa Italien, ist es längst Schleichwerbung wird dieses Beispiel aber, wenn der üblich, dass zum Beispiel ein Magazin-Moderator selbst Autohersteller dafür zahlt, dass sein Produkt im Bild Werbebotschaften vorliest, und das zwischen zwei Bei- erscheint. trägen, so dass kein Zuschauer verloren geht. Weitaus Im Dezember 2006 hat das Europäische Parlament häufiger ist jedoch die akustische oder visuell wahr- eine neue EU-Richtlinie in erster Lesung beschlossen, nehmbare Präsentation von Produkten jeder Art – oder die unter anderem eine Lockerung der Regelungen für anders: Product-Placement. Produktplatzierungen vorsieht. Danach soll Product-

155 © dpa © Product-Placement soll einen Imagetransfer zwischen dem Produkt und dem Film bewirken, hier zwischen BMW und »James Bond« 1997. In diesen Jahren hatte BMW in Großbritannien wegen seines Verhaltens gegenüber seinen Arbeitern ein negatives Image. Zwei britische Gewerkschaften riefen zu einem BMW-Boykott auf. James Bond sei »weltweit ein Symbol für britischen Patriotismus«, was mit dem Namen BMW nicht mehr in Einklang zu bringen sei (»Times« v. 20.3.2000)

Formen und Inhalte von Product-Placements Placemant in Spielfilmen, Serien, Sport- und leichten – Unterhaltungssendungen erlaubt werden, wenn die Zu- Bei der Einordnung von Placements wird in der Werbe- schauer zu Beginn der Sendung informiert werden. branche nach Inhalt und Form unterschieden. Das tradi- Während den privaten Rundfunkveranstaltern diese De- tionelle Product-Placement meint die Integration eines regulierung nicht weit genug geht, lehnt der öffentlich- einzelnen Produkts in einen szenischen Zusammenhang, rechtliche Rundfunk den EU-Vorstoß ab, da nach seiner zum Beispiel eine bestimmte Bier- oder Automarke. Bei Auffassung eine Irreführung der Zuschauer allein durch einem Generic Placement wird eine ganze Warengruppe die Transparenzregeln nicht wirksam ausgeschlossen oder Gattung eingebaut, zum Beispiel Plasmafernseher, wird (Zapper nehmen zum Beispiel den Hinweis nicht Wackelpudding oder Öko-Strom im Allgemeinen. Diese wahr, weil sie erst später zuschalten) und beim Product- Form wird darum gern von Quasi-Monopolisten genutzt, Placement auch die verfassungsrechtlich geschützte da ohnehin jeder Zuschauer weiß, wer oder was gemeint Rundfunkfreiheit durch kommerzielle Einflussnahmen ist, auch ohne ein Markenlogo zu sehen. Corporate Place- beeinträchtigt wird. ment bezieht sich auf die Eingliederung eines ganzen Da der Rundfunkstaatsvertrag sich nur an Rund- Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe, einzel- funksendungen ausrichtet, sind die speziellen Vor- ne Produkte spielen keine Rolle. Das Message-Placement schriften zur Trennung von Werbung und Programm schließlich transportiert eine allgemeine Botschaft, ein auch nur auf Fernseh- und Hörfunksendungen anwend- Motto, zum Beispiel einen sozialen Appell. bar. Bei anderen Medien, wie zum Beispiel Kinofilmen, Sonderformen sind Themen-Placements (zum Bei- Printmedien oder Mediendiensten im Internet, fehlt es spiel erkrankt die Hauptfigur einer Serie an einer neuar- an einer vergleichbar detaillierten gesetzlichen Rege- tigen Krankheit, ein Pharmaunternehmen will sie durch lung. Dennoch gilt das Verbot der Schleichwerbung – al- das Placement zum Gesprächsthema machen), Location- lerdings in abgestufter Form – auch dort. Die insoweit Placements (zum Beispiel spielt eine ganze Fernsehserie schärferen Regelungen für den Rundfunk erklären sich in einem Dorf im Schwarzwald, das sich eine Stärkung aus der besonderen Bedeutung des Rundfunks für die des Tourismusgeschäfts verspricht), Image-Placements öffentliche Meinungsbildung und der medienspezi- (zum Beispiel wird eine Fernsehshow aus einem be- fischen Gefahr einer suggestiven Beeinflussung. Einen stimmten Freizeitpark gesendet, um die Attraktivität des

werbung Sonderfall stellen Kinospielfilme im Fernsehen dar. An Parks darzustellen) und Service-Placements (zum Bei- sich würden hier die strengen Regeln für den Rundfunk spiel nutzt die Hauptfigur eines Films bestimmte Ser- 08 greifen. Die Sender schaffen es aber nur in Ausnahmefäl- viceleistungen wie Kreditkarten oder Breitbandinterne- 10 len, sich Bearbeitungsrechte an diesen Filmen einräu- tanschlüsse). men zu lassen, so dass eine Beseitigung an sich unzuläs- Die Integration selbst erfolgt auf verschiedenen siger Product-Placements regelmäßig nicht möglich ist. Wegen. Visual Placement ist noch immer der Standard: Da eine strenge Anwendung des Schleichwerbeverbots Ein Produkt taucht, oft von einer Figur benutzt, im Bild daher faktisch dazu führen würde, dass insbesondere auf. Diese simple Integration ist nicht angreifbar, solange große US-Kinoproduktionen in Deutschland überhaupt ein »natürlicher« Zusammenhang gegeben ist (jede Bier- nicht ausgestrahlt werden könnten, ist es allgemein an- flasche hat ein Etikett) und die Werbebotschaft nicht erkannt, dass solche Filme trotz Product-Placements dominiert. Dies gilt auch für On-Set-Placements, hierbei ausgestrahlt werden dürfen. wird ein Produkt in die Requisite einer Szene integriert. Dies erfolgt ohne direkten Bezug zur Handlung oder zu den handelnden Personen, zum Beispiel steht scheinbar zufällig eine bestimmte Flasche Whisky auf dem Tisch, an dem sich die Figuren unterhalten. Beim Verbal Place- ment wird das Produkt nicht gezeigt, aber es wird darü-

156 ber gesprochen, zum Beispiel, indem eine Figur eine sischen Werbung wird den Zuschauern nicht sofort andere bittet, ihr Schokolade einer bestimmten Marke bewusst, ob diese Darstellung nun aus redaktionellen mitzubringen. Gründen erfolgt oder weil ein Unternehmen hierfür Geld Das Gegenteil – die am weitesten entwickelte Form gezahlt hat. von Placement – ist Creative Placement. Hier wird das Mag die Vorgehensweise im Fernsehbereich zwar Produkt zum sinnstiftenden Teil der Handlung. Bereits sanfter und mit einem nicht so punktuell eingesetzten vor 40 Jahren fuhr Dustin Hoffman in der Schlussszene Finanzvolumen ausgestattet sein wie im Kino, so sind von The Graduate (Die Reifeprüfung, 1967) mit einem ro- derartige Maßnahmen trotz des Verbots auch im deut- ten Sportwagen italienischen Fabrikats vor. Die Szene schen Fernsehen zu sehen. Für Außenstehende, selbst ging in die Kinogeschichte ein und blieb so sehr im kol- für Experten, ist dabei häufig schwer festzustellen, ob es lektiven Gedächtnis, dass sie im Jahr 2004 von einem sich hierbei um künstlerische Darstellungsfreiheit oder anderen Autohersteller für einen Werbespot neu gefilmt um Schleichwerbung handelt. Besonders schwierig zu wurde: Diesmal fuhr Dustin Hoffman einen Wagen erkennen sind die Fälle, in denen nicht für ein bestimm- deutscher Bauart. tes Produkt, sondern für Warengruppen oder ganz all­ gemein für bestimmte Themen geworben wird. Fern­ sehkommissare fahren Autos bestimmter Baureihen, Der weltberühmte Volleyball – Anwälte löffeln Wackelpudding, Ermittler lutschen Das berühmteste Creative Placement der jüngeren Kino- Lollis, Showmaster verzehren Gummibärchen, das ist geschichte ist ein Volleyball. Tom Hanks strandet mit Fernsehalltag. Die Fernsehsender sind z.T. auch sehr ihm im Gepäck auf einer einsamen Insel (Cast Away, erfinderisch in der Schaffung neuer Werbeformen. Ein 2000). Der Ball ist sein einziger Bezugspunkt, er spricht Privatsender ging im Jahr 2005 gar so weit, einem Lebens­ mit ihm, malt ihm ein Gesicht auf und nimmt ihn mit, mittelhersteller ein Titelpatronat zu verkaufen: Die Show als er die Insel verlässt. Den Ball nennt er bei seinem mit dem Markennamen im Titel wurde in der Prime Namen – dem Namen des Herstellers, der durch den Film Time ausgestrahlt, der Sender von der Landesmedien­ quasi über Nacht weltberühmt wurde. anstalt aber abgemahnt. Creative Placements sind mittlerweile zu einem wichtigen Faktor bei der Finanzierung von Filmen werbung geworden. Weltweit stellen vor allem europäische und US-amerikanische Unternehmen Millionenbeträge zur 08 Verfügung, um die Konzeption und Finanzierung von 11 Filmen schon vor Produktionsstart zu beeinflussen. Die damit einhergehenden Gefahren liegen auf der Hand. Der Rundfunk, der Faktor und Medium der öffent­ lichen Meinungsbildung sein soll, gerät in Gefahr, von wirtschaftlichen Interessen vereinnahmt zu werden. Wirtschaftlich weniger mächtige gesellschaftliche Grup- pen oder Themen, die für die Wirtschaft uninteressant sind, hätten es zunehmend schwerer, im Programm berücksichtigt zu werden. Zudem ist es dem Product- Placement und seinen verschiedenen Abwandlungen eigen, unterschwellig zu wirken. Anders als bei der klas-

157 Rundfunk braucht Werbung – Schleich- Von Schleichwerbung sind nicht nur die öffentlich- – werbung will der öffentlich-rechtliche rechtlichen Rundfunkanstalten betroffen, auch bei priva­ Rundfunk nicht ten Sendern wurden bereits mehrfach Fälle von Schleich- Umso größer war der Skandal, als auch in den Produkten werbung aufgedeckt. So hat die Landeszentrale für öffentlich-rechtlicher Sender im Jahr 2005 Fälle von Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz bei den Schleichwerbung aufgedeckt wurden. Beispielsweise sat.1-Sendungen Frühstücksfernsehen und 17.30 Uhr Live hatte sich ein Reiseveranstalter in die Vorabendserie aus Berlin in den Jahren 2000 bis 2005 unerlaubte Pro- Marienhof eingekauft: Ein ganzes Reisebüro war dauer- duktwerbung in »beträchtlichem Ausmaß« festgestellt. haft Spielort der Handlung, eine der Hauptfiguren arbei- Über direkte Kontakte oder Vermittlungsagenturen wur- tete dort, die Kulisse war im Stil des tatsächlichen Reise- den Beiträge ausgestrahlt, die in Zusammenarbeit mit büros gestaltet und der Name des fiktiven Büros ähnelte Unternehmen oder Verbänden produziert wurden. Die dem Slogan der Kette. Andere Fälle von Schleichwerbung ProSiebenSat.1 Media AG hat daraus Konsequenzen ge- wurden in diversen Tatort-Folgen und Fernsehfilmen zogen. Die Landesmedienanstalt als Aufsichtsorgan hat seit den 80er Jahren entdeckt. Die ard hat diese Fälle finanzielle Sanktionen erteilt und eine öffentliche Rüge rückhaltlos aufgeklärt und personelle Konsequenzen ausgesprochen. gezogen. Allein im wdr wurden 90 Fernsehfilme gesich- tet und auf potenzielle Schleichwerbung überprüft. Schließlich wurde von der ard eine Clearingstelle zur Aufklärung und Prophylaxe unter Vorsitz des swr ge- schaffen. Darüber hinaus richteten die Werbetöchter der ard eine Programmbeobachtungsstelle bei der wdr mediagroup ein. Die unerlaubte Produktwerbung trifft die öffent- lich-rechtlichen Rundfunkanstalten an ihrer empfind- lichsten Stelle. Sie verletzt nicht nur die Maxime des Rundfunkstaatsvertrags, Programm von Werbung klar

werbung zu trennen. Sie beeinträchtigt vor allem die Glaubwür- digkeit der Sender, die sich aus Gebühren finanzieren 08 und der Allgemeinheit verpflichtet sind. 12

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