B L Ä T T E R Nr. 74 ZUM LAND

„Die ersten modernen Wahlen auf deutschem Boden“ – Die Bergzaberner Republik 1792/93

Gesetzgeber! Das aus mehr denn zehn Dörfern heitswaffen beherzt gemacht, hat plötzlich die bestehende, dem Herzog von Zweibrücken Fesseln der schändlichen Knechtschaft, in der es bisher zugehörige Oberamt Bergzabern, müde, seufzte, abgestreift und stellt sich den erhabe- sich noch als Sklaven eines despotischen Fürs- nen Stellvertretern der fränkischen Nation frei ten und dessen grausamen Trabanten, mitten dar, um ihnen für die große, den Völkern zuberei- unter einem freien und glücklichen Volke zu tete Wohltaten zu danken und die Vereinigung sehen, und durch die Siege der fränkischen Frei- mit der Republik zu begehren.1

Der uns heute in seiner Wortwahl und im be­ geisterten Ton fremd anmutende Text stammt vom 10. November 1792 und war von Berg­ zaberner Bürgern an den Nationalkonvent in Paris gerichtet. Übersetzt man ihn in unsere weniger Damals zählte aber die Konfession. So war es schmuckvolle Sprache, dann könnte man über lange Jahre hinweg zu einer Entfremdung von einer Art Unabhängigkeitserklärung süd­ zwischen der überwiegend evangelischen Be­ pfälzischer Gemeinden in der Französischen völkerung Bergzaberns und dem Fürstenhaus Revolutionszeit sprechen. Also: ein besonderes gekommen, das nach mehreren Konfessions­ Dokument und auch einzigartig. wechseln 1718 schließlich katholisch wurde. Wie kam es dazu? Die Französische Revolution, Was die wirtschaftlichen Probleme betraf, so die mit dem Bastille-Sturm vom 14. Juli hatte bereits 1782 der Stadtrat der Zwei­ 1789 begann, schwappte schnell ins brücker Regierung eine Denkschrift Elsass und in die Pfalz über. Schon vorgelegt, in der es die als unge­ am 20. Juli kam es zu Unruhen recht empfundene Besteuerung in der damals französischen kritisierte. Es wäre interes­ Stadt und Festung Landau, die sant zu untersuchen, ob die kurz darauf in eine Meuterei Steuern mit den immensen innerhalb der Garnison und Kosten zusammenhingen, die in die Entmachtung des Ma­ der Landesherr, Herzog Karl II. gistrats, also der alten Stadt­ August, für den Bau seines verwaltung mündeten. Am Schlosses Karlsberg bei Hom­ 30. Juli begannen die Bauern in dem zwischen Kurpfalz und Herzog Karl II. August von dem Hochstift Speyer aufgeteilten Pfalz-Zweibrücken Quelle: Stadtmuseum Zweibrücken Fischbach bei Dahn den Aufruhr und teilten Äcker und Wiesen unter sich auf. Anfang burg benötigte. Eine offene Kritik wagten die August ergriff die Empörung auch die Dörfer Bergzaberner Untertanen noch nicht, immer­ Dörrenbach und sowie das kur­ hin unterschrieb „der gehorsame Stadtrat“. pfälzische Annweiler. Das leidige Gift der Freiheitsseuche Schwelender Konflikt zwischen Volk und Sieben Jahre später war es mit dem Gehor­ Fürstenhaus sam vorbei und die Bürger von Bergzabern Die Unruhen kamen nicht aus heiterem Him­ brachten ihre Forderungen wieder vor und mel. Zeichen für eine zunehmende Gärung in dieses Mal viel deutlicher. Unter anderem der Bevölkerung hatte es schon vor 1789 gege­ ging es um die Nutzungsrechte in den ben. Nur erkannten die Landesherren und ihre Waldungen, die zwischen dem Her­ Beamten diese Warnsignale nicht. Eine wich­ zog und den Bürgern umstritten tige Rolle nahm das etwa 1.700 Einwohner zählende südpfälzische Residenzstädtchen Bergzabern ein. In dem von einer selbstbewussten evangelischen Handwerkerschicht geprägten Gemeinwesen saß auch die Verwaltung des pfalz- zweibrückischen Territoriums in der Südpfalz. Zu den wirtschaft­ lichen Beschwerden dieser Zeit kamen noch konfessionelle Probleme hinzu, die wir heute kaum nachvollziehen können. 2 waren. Anfänglich glaubte der herzogliche Revolution sprach und nach Hause schrieb: Regierungsrat Klick noch, den aufflammenden „Man wagt kaum zu sagen, was man von der Protest beruhigen zu können. Allerdings sah Revolution hält. Gott allein weiß, wie dies alles er die Gefahr einer Revolte durchaus, als er an noch enden wird“. seinen Herzog schrieb: „Ich muss zur Schande der Stadt Bergzabern sagen, dass ein sehr Landau - Zentrum der Revolution großer Teil, wohl die Hälfte und noch mehr, Landau, die französische Festung, wurde in mit dem leidigen Gift der Freiheitsseuche an­ der Folgezeit zum Kernpunkt der revolu­ gesteckt ist“. Er sollte Recht behalten. Es blieb tionären Bewegung in der Südpfalz. Hier nicht beim schriftlichen Protest, sondern die lässt sich auch die „Fieberkurve“ der Revo­ Aufrührer wurden tätlich. Am 19. September lutionsbegeisterung am ehesten verfolgen 1789 läuteten sie die Sturmglocke, besetzten und beschreiben. Es kam zu einer Meuterei das Rathaus und sperrten den regierungstreuen in der Garnison, der Magistrat, also die alte Stadtrat aus. In unserer modernen Kommu­ Stadtverwaltung, wurde entmachtet und nikationswelt täuschen wir uns, wenn wir von der Munizipalität, der neuen Verwaltung glauben, dass es früher eine Ewigkeit gedauert abgelöst. Im Juni 1790 gründete sich ein hat, bis sich Nachrichten verbreiteten. Gewiss, Jakobinerklub. Der Jakobinerklub war jedoch nicht jedes Ereignis in der fernen Welt gelang­ entgegen landläufiger Meinung keine An­ te in die heimischen Wohnzimmer. Der be­ sammlung verarmter Jungradikaler, sondern rühmte Sack, der in China umfällt, löste nicht repräsentierte das Bürgertum und vor allem wie heute ein Medienecho aus. Aber wenn das protestantische. am 14. Juli 1789 in Paris die Bastille gestürmt Revolutionärer Elan war dem Klub trotz aller wurde und es am 20. Juli in der französischen Bürgerlichkeit nicht abzusprechen. Er emp­ Festung Landau zu einem Volksauflauf kam, fand sich als „Speerspitze der Revolution“ dann zeigt dies doch deutlich, wie schnell sich und agierte in diesem Sinne nicht nur in der die Kunde von wichtigen Ereignissen verbreite­ Stadt, sondern auch in ihrer ländlichen Um­ te. Freilich, nicht jeder konnte im Juli 1789 fern gebung. Da zog man hinaus auf die Dörfer, von Paris die politische Dimension des Bastil­ sang Lieder – oft waren es umgedichtete Kir­ lesturms erkennen. Eine der Wenigen war die chenlieder –, man trug Gedichte vor, disku­ in Bergzabern lebende englische Adlige Baro­ tierte, pflanzte Freiheitsbäume und gründete nesse Mary von Bode, die Brüderklubs. Deren Existenz lässt sich freilich als eine der Ersten von heute nur schwer und nur indirekt nachwei­ sen, denn wie immer nach gesellschaftlichen Umbrüchen, vor allem, wenn sie mit Gewalt und Krieg einhergingen, versucht man die Spuren früheren Engagements zu verschleiern oder ganz zu vernichten. Die große Ausnah­ me findet sich in Landau, wo im dortigen Archiv die Protokolle der „Gesellschaft der Constitutionsfreunde“, wie sich der Jakobinerklub nannte, verwahrt werden2.

Ansicht der Stadt Bergzabern im Jahre 1792 von Benjamin Zix. Quelle: Stadtarchiv Bergzabern

3 Die Revolution breitet sich aus Hier waren es die Gemeinden selbst, die ihre Auch von Weißenburg aus „missionierte“ Forderungen anmeldeten und auch vertraten. der dortige Klub in der Umgebung. Oftmals Sie waren es, die die Rechtmäßigkeit des herr­ wurden die Jakobiner bei ihren Propagandaak­ schaftlichen Besitzes bestritten und Ländereien tionen von den protestantischen Dorfpfarrern beanspruchten, die weltliche und kirchliche unterstützt, die auch die Gottesdienste nutz­ Herrschaften in den Dörfern besaßen. ten, um die Revolution zu predigen. So über­ Die Behörden in Zweibrücken erkannten die rascht es nicht, dass gerade in protestantisch Situation nicht rechtzeitig und die Versuche geprägten Gemeinden die Radikalisierung am ihrer Beamten vor Ort, die „Aufrührer“ zu ehesten voranging. Aber sogar in rein katholi­ beruhigen, schlugen fehl. Aber was hätten sie schen Gemeinden wie z. B. Herxheim gelang auch tun können, außer die Entwicklung zu be­ es, Klubs zu gründen. Wirksamer noch als die obachten und ständig Meldungen nach Zwei­ zahlreichen revolutionären Flugschriften, die brücken zu senden. Die Regierung versprach überall kursierten, dürften die persönlichen zwar eine Untersuchung der Beschwerden, Auftritte der „Freiheitsmänner“ in den Dör­ allerdings arbeitete die hierfür eingesetzte fern gewesen sein. Denn nicht jeder konnte Kommission sehr zaghaft und langsam. lesen. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts betrug der Anteil der Analphabeten im Bereich Propaganda und Gegenpropaganda Dahn 76 Prozent! In der Südpfalz waren es im­ Immerhin gab die Regierung am 19. Juli 1791 merhin nur (!) 54 Prozent. bekannt, dass sie einige Missstände in der Wie auch immer, die revolutionären Ideen Stadt, die schon 1789 angemahnt worden wurden zu Katalysatoren für eine schon lange waren, abstellen wollte – den Bürgern reichte andauernde und nun fortschreitende Unruhe. dies aber nicht aus. Die Initiative lag nicht Im August 1789 begehrte die Bevölkerung in mehr in den Händen der Regierung. Sie konnte Kandel, Annweiler und Oberotterbach auf und nur noch reagieren – und dies tat sie schwach. so wurde das pfalz-zweibrückische Territori­ Sie ließ immer wieder Maueranschläge oder um um Bergzabern und Kandel zum zweiten Flugblätter verbreiten, die vor dem „Gift der Schwerpunkt revolutionärer Unruhen in der Revolution“ warnten. Revolutionäre Flugschrif­ Südpfalz. Es ging den Untertanen aber nicht in ten wurden eingesammelt und die Personen, erster Linie um Ideologie. Vielmehr lassen sich die sie verteilt hatten oder die man in Verdacht die Beschwerden der verschiedenen Gemein­ hatte, wurden überwacht. Neben der herge­ den auf einen gemeinsamen Nenner bringen: brachten Obrigkeit hatten die Menschen in im Mittelpunkt standen die Forderungen nach Abschaffung wirtschaftlicher Hemmnisse. Noch war hier nicht die Rede von ei­ ner etwaigen Enteignung der Kirche und der Herrschaften, zu der es ja später dann kam. Lange ließ die Radikalisierung der Wünsche und Forderungen aber nicht auf sich warten. Doch zum Unterschied zu den Ämtern Dahn und Berwart­ stein, wo es beim Aufbegehren der Bevölkerung blieb, kann man im pfalz-zweibrückischen Französische Patrouille vor Landau. Territorium von einer weitge­ 27. Dezember 1793 henden Politisierung sprechen. Quelle: Récits militaires d‘Alsace. Illustrations Frédéric Régamey. Strasbourg 1905. S. 152 4 Bergzabern auch andere Vertreter der alten Bergzabern will Anschluss an das Ordnung in ihren Mauern. Es waren die zahl­ revolutionäre Landau reichen Emigranten, die aus Frankreich geflo­ Auch in Bergzabern gärte es, wie Franz-Xaver hen waren und vom Herzog eine Aufenthalts­ Remling in seiner umfassenden Darstellung genehmigung für sein Territorium erhalten „Die Rheinpfalz in der Französischen Revoluti­ hatten. Hinzu kamen katholische Priester aus onszeit“ aus dem Jahre 1865 berichtet. Rem­ dem Elsass, die sich hierher geflüchtet hat­ ling (1803 – 1873) war katholischer Priester ten. So prallten hier wie sonst nirgends in der und gleichzeitig ein bedeutender Historiker. Südpfalz revolutionäre und antirevolutionäre So ist natürlich seine Darstellung der revolu­ Propaganda aufeinander. Letztere blieb wohl tionären Ereignisse sehr parteiisch. Aber trotz immer mehr erfolglos und so erreichte die einiger verbaler Ausfälle gegen die „Hetzer“, Revolutionierung der Südpfalz im Herbst 1792 „Wühler“ oder „Freiheitsschwindler“, wie er die ihren ersten Höhepunkt. Es war die Präsenz Anhänger der neuen Ideen bezeichnete, bietet der französischen Truppen, die im September er die einzige detaillierte Darstellung der Zeit 1792 die Pfalz besetzt und die Festung Mainz und bislang hat sich jeder Historiker, der sich erobert hatten, was der Bewegung in der mit dem Thema befasste, auf ihn und seine Südpfalz den entscheidenden Schub gab. Am Quellenstudien bezogen. „Am 4. November 25. Oktober 1792 wurde in Ingenheim ein 1792 begannen in der Stadt Bergzabern und im Freiheitsbaum gepflanzt, am 2. November war ganzen Amte Barbelrodt die aufrührerischen Mühlhofen an der Reihe. Der Ort erklärte sich Bewegungen ohne Scheue“, schreibt er3. Man als „fürstenfrei“. In beiden Gemeinden waren entsandte von Bergzabern aus eine Abordnung es die evangelischen Pfarrer und Lehrer, die nach Landau, „damit von der dortigen Munizi­ zu Wortführern der Bewegung wurden. Die palität Abgeordnete gen Bergzabern, wie nach Liste der Dörfer, in denen man Freiheitsbäume Mühlhofen, gesendet würden, um die Freiheit pflanzte, wurde immer länger. zu verkünden und den Eid der Treue auf die französische Verfas­ Dekret der Nationalversammlung sung abzunehmen.“ vom 14. März 1793 über den Anschluss der südpfälzischen Gemeinden an die Die Landauer verwie­ französische Republik. sen die Bergzaberner darauf, dass sie sich nicht einfach Landau oder Weißenburg anschließen könnten, „sondern nebst den anderen gleichge­ sinnten Dörfern einen eigenen Freiheitsbund abschließen müßten“. Auch wenn die Land­ auer dem Wunsch der

Mitteilung an die Bürger von Bergzabern über den Antrag vom 10. November 1792. Quelle: Stadtarchiv Bergzabern 5 Bergzaberner nicht nachkamen, sie in ihren dieser Männer auch in der Folgezeit eine wich­ Kreis aufzunehmen, so versprachen sie we­ tige Rolle spielen sollten. Zum Maire gewählt nigstens, ihnen bei ihrer Aktion behilflich zu wurde Adam Mayer, der Wirt des Gasthauses sein. Am 6. November erschien also eine De­ „Zum türkischen Kaiser“. legation aus der Stadt. Es waren Vertreter der Munizipalität und des Jakobinerklubs, begleitet Bruch mit der alten Ordnung von sechs Offizieren der französischen Garni­ Auf dem Marktplatz und vor dem Haus des son. In einem festlichen Zug wurden sie von neuen Maires wurden Freiheitsbäume auf­ der versammelten Bürgerschaft in die Stadt gestellt, die noch verbliebenen Insignien der hinein zum Rathaus geleitet. In einer Anspra­ herzoglichen Regierung wurden abgerissen che versicherte der Landauer Jakobiner Johann und auf dem Kirchturm wurde die Trikolore Jakob Groß, der zeitweise auch „Maire“ (= Bür­ gehisst. Jeder Bürger musste sich dann auch germeister) war, den Bergzabernern, sie seien mit der Nationalkokarde Blau-Weiß-Rot nicht als Abgeordnete der französischen Na­ schmücken. Als Zeichen der Ablösung der tion gekommen, sondern als Freunde Feudalgerichtsbarkeit wurde der der hiesigen Bürger. Einzig der Na­ Galgen auf dem Marktplatz ver­ tionalkonvent sei der richtige Ad­ brannt, die Bürger weigerten ressat, um sie als französische sich, wie zuvor die Schlosswa­ Bürger aufzunehmen. Nach die­ che zu stellen, ja sie schlugen ser Ansprache ging es erst ein­ die herzoglichen Wappen am mal zu einem großen Mittages­ sen. Nachdem man sich gestärkt Bildnachweis: Nachbildung einer Kokarde, hatte, versammelte man sich wieder Stadtarchiv Bergzabern auf dem Rathaus und Groß ergriff erneut Ausgeschlagenes herzogliches Wappen am Schloß das Wort. Er fragte die Versammelten, unter in Bergzabern. denen die Anhänger der Regierung die Min­ Quelle: Stadtarchiv Bergzabern derheit stellten, ob sie sich inzwischen beraten hätten und welche Beschwerden sie eigentlich gegen ihren Herzog vorzubringen hatten. Die Wortführer wiesen auf die 1782 verfasste Schrift hin, die ihrer Meinung nach ohne Re­ sonanz geblieben sei. Groß erwiderte darauf, da der Landesherr seine Pflichten gegen die Bürgerschaft nicht erfüllt habe, so sei auch diese ihren Verpflichtungen gegen jenen enthoben4. Nun forderte er die Bürger auf (von Bürgerinnen war damals nicht die Rede), den Eid auf die französische Revolutionsformel „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zu leisten. Dies taten die Versammelten und wählten auch sofort eine neue Gemeindeverwaltung. Es ist richtig, die Namen zu nennen, weil einige

Adam Mayer in den Straßen von Bergzabern September 1793 Quelle: Récits militaires d‘Alsace. Illustrations Frédéric Régamey. Strasbourg 1905. S. 8 6 Riesentor und am Ludwigsbau des Schlosses Jakobiners eine „Gesellschaft der Freunde der aus und sie schlugen das pfalz-zweibrückische Konstitution“. Am Vortag war eine National­ Wappen am Schloß aus seiner Steinfassung. garde aufgestellt worden. (Das Wappen wurde übrigens nie restauriert!) Am 19. November wurde die Bergzaberner Es kam auch zu Übergriffen auf Personen, die Adresse in der Nationalversammlung in Paris man enger Beziehung zum alten Herrscher­ verlesen. Der Text sollte gedruckt und an alle haus verdächtigte. Departements verschickt werden. In dem Text Vier Tage später, am 10. November, baten 32 werden die Orte des Oberamtes Bergzabern Südpfälzer Gemeinden, um die Aufnahme in ausdrücklich genannt. die Französische Republik. In Bergzabern un­ terschrieben 273 von 285 wahlberechtigten Die Republik Bergzabern Bürgern diese Petition. Das war ein veritabler Am 7. Dezember 1792 beschlossen die meisten und gewagter Aufstand, auf den der Herzog südpfälzischen Dörfer, keine Abgaben mehr zu mit Waffengewalt reagierte. Allerdings ver­ entrichten und ihre Kirchen und Lehrer selbst geblich. Die Einheiten, etwa 300 Mann stark, zu wählen. Am 22. Januar beschlossen die Ge­ mussten bei umkehren. meinden, bis zur Aufnahme in die Französische Ein Aufgebot aus dem Oberamt mit einer Republik einen Freistaat zu gründen. Die neue Verstärkung aus Weißenburg zog den zwei­ Volksvertretung nannte sich „schweitzeri­ brückischen Truppen entgegen, um sie aufzu­ scher Landtag“. Dieser Landtag sollte im Amt halten. Die Kommandeure der Zweibrücker bleiben, bis die Aufnahme nach Frankreich Einheiten scheuten den offenen Konflikt mit vollzogen wäre. „Das größte Kuriosum der der Bergzaberner Nationalgarde und zogen Revolution in der Pfalz ist jedoch Bergzabern, sich zurück. Selbst Remling kommt nicht für einige Zeit eine richtige kleine Republik, die umhin, zu schreiben: „Die Bergzaberer waren von Bergzaberns Bürgern aus eigener Kraft und bereits mit den Franzosen zu enge verbun­ ohne militärische Macht ausgerufen wurde“6. den, für die Freiheit und Gleichheit zu leben Am 15. März wurden die 32 aufständischen und zu sterben“5. Dörfer vom Nationalkonvent in die Französi­ Am 17. November konstituierte sich in sche Republik aufgenommen. Sie bildeten nun Bergzabern auf Initiative eines Straßburger einen Bestandteil des Distriktes Landau.

Gefecht bei Bundenthal am 14. September 1793. Quelle: Récits militaires d‘Alsace. Illustrations Frédéric Régamey. Strasbourg 1905. S. 100

7 Die Restauration Literatur: Lange existierte dieses demokratische Gebilde • Haasis, Hellmut G. Die Anfänge der Revolu­ allerdings nicht. Die französischen Truppen tion in der Pfalz und die vergessene Republik wurden im Jahre 1793 von den Preußen und Bergzabern 1789 bis 1793, in: Vor-Zeiten, Österreichern zurückgedrängt und die alte Geschichte in Rheinland-Pfalz, Band 5, Mainz Ordnung kehrte unter ihrem Schutz wieder 1988, S. 149-164, S. 162. zurück. Nun flohen die Anhänger der Revoluti­ • Martin, Michael. Revolution in der Provinz. on mit den Franzosen. Die Bürger mussten im Die Französische Revolution in Landau und in gesamten zweibrückischen Territorium dem der Südpfalz. Landau 1995. Herzog erneut huldigen. • Remling, Franz-Xaver. Die Rheinpfalz in der Mit der französischen Rheinarmee flohen viele französischen Revolutionszeit von 1792 bis Bürger, die an der Revolution beteiligt gewe­ 1798, 2 Bde. Speyer, 1865. sen waren, aus Bergzabern. Ihr namhaftester • Schütte, Ludwig. Bergzaberner Freiheitsmän­ Vertreter war der bereits erwähnte Johann ner plündern kurpfälzische Bagage. Histori­ Adam Mayer, der auch der erste „Maire“ der scher Rückblick auf das Jahr 1792, in: Die Pfalz Stadt gewesen war. Er sollte es späterhin in am Rhein 1(1977), S. 28-29. der französischen Armee bis zum Divisionsge­ • Springer, Max. Die Franzosenherrschaft in der neral bringen. Pfalz (1792-1811). Stuttgart 1926. Man glaubte, die alte feudale Ordnung nun • Tüffers, Heinz. Die vergessene Bergzaberner wieder sicher hergestellt zu haben. Dem Bauernrepublik, in: Wasgaublick 7(1990), war aber nicht so, schon im Dezember 1793 S. 243-244. erfolgte der Gegenangriff der Franzosen und • Übel, Rolf. Barbelroth in der Französischen mit der Befreiung der von den Preußen und Revolution, in: Ortsgemeinde Barbelroth Österreichern belagerten Festung Landau (Hrsg.), Barbelroth 1179-2004. Stationen einer endete das kurze Wiederaufleben der alten Ortsgeschichte. Barbelroth 2004. Feudalordnung. • Volz, Günther. Bergzabern in der Französi­ Was bleibt? Wenig Sichtbares. Einzig die aus­ schen Revolution, in: Die Rheinpfalz, Ausgabe geschlagenen Wappen der Herzöge von Zwei­ Landau, 24.7.; 26.7.;4.8.;14.8.;23.9.;18.11.1989. brücken am Schloss in erinnern heute noch an dieses Ereignis in der Südpfalz. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Die „Bergzaberner Republik“ sollte für die 1 Landauer Wochenblatt vom Stadt Bergzabern eine revolutionäre Tradition 19. November 1792 einleiten. Aus diesem Ort stammen Männer, 2 Imhoff, Andreas und Martin, Michael die beim Hambacher Fest aktiv waren und (Bearb.): Die Landauer Jakobinerproto- sich auch noch in der Revolution von 1848/49 kolle. 1791 – 1794. Neustadt an der Wein- engagierten. Sie gehörten zu den Verfechtern straße 2001. freiheitlichen Gedankengutes. In ihren Familien 3 Remling, S. 143. wurden die Ereignisse der Französischen Revo­ 4 Ebd., S. 146. lution zum lebendigen Familienerbe. 5 Ebd., S. 153. 6 Heinz Tüffers: Die vergessene Bergzaberner Autor: Bauernrepublik. In: Trifels Kurier, Michael Martin, Stadtarchivar a. D. Landau 22. August 1990.

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