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Weltmeister auf der Trainerbank, auf dem Platz und ein prachtvolles Stadion aus deutscher Wertarbeit. Mit dem FC Bunyodkor wollte ein usbekischer Oligarch die Welt erobern – und fiel in Ungnade

Text Moritz Gathmann

Ein Hauch von Barcelona kent, der an diesem Tag mit einem 3:0 Die geschilderte Szene ist gerade erst ein Der Himmel liegt grau und schwer über gegen Al-Ittihad aus Saudi-Arabien in die gutes halbes Jahr her. Aber heute ist alles dem Stadion, es sieht nach Regen aus. Doch asiatische Champions League startet. »Can anders. Zwar heißt der Präsident der Re- die Fans lassen sich die Laune nicht verder- anyone in Asia stop Bunyodkor and Luiz Fe- publik wie eh und je Islam Karimow, die 27 ben, sie singen in einem fort und halten auf lipe Scolari?«, fragen die Fußballjournalis- Millionen Usbeken leben noch immer von Kommando Hunderte rote und blaue Papp- ten in Asien. Rot-Blau sind die Vereinsfar- durchschnittlich weniger als 90 Dollar im schilder hoch, die Farben des Vereins. Am ben von Barcelona, Rot-Blau sind auch die Monat und der FC Bunyodkor führt kurz vor Spielfeldrand gestikuliert Luiz Felipe Scola- Farben von Bunyodkor. Klar, neben Rival- Saisonende souverän die erste usbekische ri und treibt seine Spieler nach vorne. Dann do laufen nicht Messi, Puyol und Iniesta Spielklasse an. Doch der Traum vom neuen die dritte Minute: Pass von Denilson auf auf, sondern Gotschgulijew, Dschasur und FC Barcelona ist ausgeträumt. Linksfuß Rivaldo, der den Ball aus der Dre- Dscheparow, und in das von sowjetischen hung in die linke, untere Torecke schlenzt. Plattenbauten umzingelte Stadion Dschar Um jeden Preis Das Stadion tobt, Rivaldos brasilianische passen gerade mal 9000 Besucher und nicht Im Jahr 2006 erkennt Karimow, Alleinherr- Verwandtschaft lässt auf der Ehrentribüne 100 000 wie ins Camp Nou. Doch Bunyod- scher seit 1991, dass er mit seinem persön- den Matebecher kreisen, auf der Anzeige- kor, das heißt »Erschaffer«, und dort, wo im lichen Lieblingssport Tennis den gemeinen tafel erscheint das 1:0. Mittelalter die Karawanen die Seidenstraße Usbeken nicht hinter dem Ofen hervorlo- Es ist nicht der FC Barcelona und auch entlangzogen, wollen die Usbeken aus dem cken kann. Zumal die Erfolge der usbeki- keine brasilianische Seniorenauswahl, die Nichts den zentralasiatischen FC Barcelona schen Spieler trotz millionenschwerer För- hier spielt. Es ist der FC Bunyodkor Tasch- erschaffen. Wollten. dergelder seitens des Präsidenten über- 8081 11 FREUNDE 81

So nett waren sie beim FC Chelsea selten zu ihm: Luiz Felipe Scolari trägt usbekische Landestracht und freut sich des Lebens. 8283 11 FREUNDE

schaubar bleiben. Zeitgleich breitet sich der Spartak Moskau stammt das Budget dabei Seine Firma Zeromax hat Dschalalow prak- Virus der »orangenen Revolution« über Ost- nur zu einem Bruchteil aus dem Ticketver- tischerweise im fernen Schweizer Kanton europa aus, von Serbien über die Ukraine kauf oder Merchandising. Die Eintrittskar- Zug registriert. Mit 27 000 Mitarbeitern und bis nach Georgien – und erst 2005 hat im ten für ein Spiel von Bunyodkor etwa kosten 3,2 Milliarden Franken Umsatz ist Adil-Bajs Nachbarland Kirgisien das Volk seinen Dik- weniger als einen Euro. Woher also kommt Reich im Jahr 2008 das größte Privatunter- tator gestürzt. Einfach so. Karimow braucht das Geld, das den Klub von heute auf mor- nehmen Usbekistans und ähnlich wie die einen Sport, der das Volk eint. So gibt es seit gen zum Big Player im asiatischen Fußball russische Gazprom ein Staat im Staat. Es dem 1. Mai 2006 einen Erlass über die Ent- macht? Dass es ausschließlich aus ein und betreibt ein Tankstellennetz und Viehzucht, wicklung des Fußballs: Jeder Verein ist nun derselben Quelle floss, sollten die letzten baut Baumwolle an und legt Pipelines, för- verpflichtet, eine eigene Fußballschule zu Monate beweisen. dert Gold und den nationalen Fußball. Of- unterhalten. Das Geld dafür sollen laut Ka- Wenige Tage nach dem Sieg in der fiziell ist der Name Zeromax bei Bunyod- rimow die »Businessmeny« des Landes ge- Champions League über Al-Ittihad brauen kor allerdings unbekannt. Auf den Trikots ben. Im staatlichen Sportkanal läuft heute sich plötzlich dunkle Wolken über Bunyod- steht »Uzgazoil«, andere Sponsoren heißen rund um die Uhr Fußball: usbekischer, rus- kor zusammen. In Taschkent machen Ge- Neftgazmontaj, Amantaytau Goldfields oder sischer, deutscher, argentinischer. rüchte über eine Oligarchenhatz die Run- Arch Energy Ltd. Der Trick: Alle diese Fir- Mit Karimows Erlass geht auch der de: Mehrere superreiche Geschäftsleute men sind Tochterunternehmen von Zero- Stern von Bunyodkor am usbekischen Fuß- werden verhaftet, darunter nicht nur der max oder anderweitig mit Dschalalow ver- ballhimmel auf. Innerhalb von zwei Jahren Präsident des lokalen Konkurrenten FC bunden. Und wenn es stimmt, was interna- erklimmt die ehemalige Betriebssportgrup- Pachtakor, sondern auch Miradil Dschala- tionale Medien immer wieder sagen, dann pe eines Bauunternehmens die höchste low, quasi der Dietmar Hopp des FC Bun- ist Dschalalow ohnehin nur eine Marionette, Spielklasse, 2008 gewinnt sie die Meister- yodkor. Wie in Diktaturen üblich, gibt es zu und Zeromax wird über ihn von keiner Ge- schaft. Im selben Jahr schafft es Bunyodkor den Vorgängen keine offizielle Stellungnah- ringeren als Gulnara Karimowa kontrolliert, völlig überraschend ins Halbfinale der asia- me. Doch wo Rauch ist, da ist auch Feuer. der schönen Tochter des usbekischen Dik- tischen Champions League, und der Name Und es raucht gewaltig über Taschkent. tators Islam Karimow. Der Karimow-Clan des Klubs geht zum ersten Mal um die Welt: gilt in Usbekistan als allmächtig und Gul- Auf seiner Internetseite verkündet er, Super- Der Strohmann nara als potentielle Nachfolgerin des bereits Samuel Eto’o werde das nächste halbe Von dem, der hinter den Erfolgen von Bun- 72-jährigen Präsidenten. Jahr in Taschkent spielen, die Ablösesumme yodkor steht, existieren nur zwei oder drei läge bei 40 Millionen Euro. Tatsächlich lässt Bilder, alle im Passfotofor- sich Eto’o nach Usbekistan einfliegen, gibt mat. Emotionsloses Ge- eine Pressekonferenz und – lehnt ab. Kurz sicht, ordentlich gekämm- darauf unterschreibt stattdessen der 36-jäh- te, dunkle Haare, Jackett. rige Rivaldo für ein Jahr und fünf Millio- Dieser farblose Mann könn- nen Euro. Dank einer gezielten Medienente te auch Linienrichter im us- und eines gealterten Weltmeisters weiß die bekischen Fußballverband Menschheit nun, dass es Fußball in Usbe- sein oder einer der Kell- kistan gibt. Ziel erreicht. ner, die im »Grand Mir Ho- Ihren Hunger nach Ruhm haben in den tel« Luiz Felipe Scolari den letzten Jahren verschiedene Osteuropäer Tee servieren. Doch Mira- über den Sport gestillt. Die Zeiten, als von dil Sabitowitsch Dschalalow, den Gas- und Ölmilliarden eines Roman Ab- 42 Jahre alt, ist der reichs- ramowitsch nur der FC Chelsea profitierte, te Mann Usbekistans und im sind vorbei. 2005 gewann ZSKA Moskau Volk besser bekannt als »Adil- den UEFA-Cup, 2008 Zenit St. Petersburg, Baj«, der »reiche Adil«. Selbst 2009 der ukrainische Verein Schachtjor im Klub wissen nur wenige, Donezk. Die Fußballwelt fragte sich: bitte wie er aussieht. Doch im Spiel wer? Doch mittlerweile ist klar, dass der Er- gegen den Rivalen Pachtakor folg der Ost-Klubs das Ergebnis einer neu- im vergangenen Jahr springt er Wieso also ist Dschalalow in Un- en Strategie ist. Während Oligarchen in den angeblich vor tausenden Zuschauern wut- gnade gefallen? Darüber existieren meh- Neunzigern überwiegend in Westeuropa in- entbrannt von der Reservebank auf und rere Verschwörungstheorien, und keine vestierten, machen sie nun die Vereine ihrer beschimpft die Mannschaft des Gegners – ist wirklich stichhaltig. Möglich ist, dass Heimat zu Spitzenteams mit Spitzenetats. offenbar, weil sie entgegen gewisser Abma- Karimow den Oligarchen seines Landes Mit Ausnahme von Zenit St. Petersburg oder chungen zu gut spielt. eine Lektion erteilen wollte, wahrschein- 8283 11 FREUNDE 11 FREUNDE 83

Vier Brasilianer für ein Halleluja: Als Bunyodkor noch mit Rivaldo & Co. auf dem Weg zur ambitionierten Barcelona-Kopie war (unten links)

Kein Raumschiff und kein Palast, sondern der originell designte Mannschaftsbus des FC Bunyodkor

Frau im Hintergrund: die mehrfach begabte Gulnara Karimowa, hier als Designerin bei der Mailänder Modewoche. 8485 11 FREUNDE 11 FREUNDE 85

lich, dass es einen Streit in der Kamaril- Scolari hat Spaß hier. Im Sommer wird es so ausgesehen: Messi, Xavi und Puyol stei- la des Diktators gab, der zu einer Umver- 45 Grad heiß wie in Brasilien, er hat ein gen mit ihren Teamkollegen aus dem Flug- teilung von Gas, Öl und Baumwolle führte. eigenes Schwimmbad und ist Ehrengast zeug, Big Phil begrüßt sie persönlich und Dafür spricht, dass ein usbekisches Gericht auf sämtlichen Society-Events. »Das Geld reißt ein paar Witze. Vielleicht schlägt er im Mai unter dem Vorwurf der Steuerhin- ist für mich nicht die Hauptsache«, sagt der ihnen vor, doch gleich für immer zu blei- terziehung das gesamte Vermögen von Ze- 61-Jährige, doch die Höhe seines Gehalts ben. Eine Horde russischer, asiatischer und romax in Usbekistan beschlagnahmen ließ. verpflichtet ihn wohl zu einem gewissen westlicher Journalisten wartet ungeduldig Die Folgen für den FC Bunyodkor waren Optimismus. »In vier bis fünf Jahren wird im Pressezentrum des FC Bunyodkor. Im verheerend. die usbekische Nationalmannschaft für Fu- Blitzlichtgewitter sagen die Stars ein paar rore sorgen«, prophezeit er. Scolari ist auch nette Sätze über die goldene Zukunft des Scolaris Abgang Koordinator der Jugendakademie von Bun- usbekischen Fußballs, dann unternehmen »Miradil? Ein sehr netter Mensch.« Wir sind yodkor. Unterstützt wird er von Spezialisten sie im luxuriösen Mannschaftsbus von Bun- wieder im Februar, als die Welt noch in Ord- aus Barcelona, die der Verein regelmäßig yodkor eine Stadtrundfahrt, die am gerade nung ist und Asien einfliegen lässt. Das Ziel ist klar: mit Bun- fertiggestellten Stadion endet. Später treten vor dem usbekischen yodkor die asiatische Champions League sie vor 33 000 Usbeken zu einem freund- Fußballwunder zit- gewinnen, um endlich auch Lorbeeren auf schaftlichen Kick gegen Rivaldo und seine tert. Luiz Felipe Sco- der internationalen Bühne zu ernten. In den Mitspieler an. Ja, es gab tatsächlich einen lari weiß ganz genau, vergangenen Jahren ist man im Halb- und Vertrag aus dem Jahr 2008, wonach der FC wie Dschalalow aus- Viertelfinale gescheitert. Zuletzt schossen Barcelona in Taschkent gegen den FC Bun- sieht. Schließlich hat der Brasilianer Denilson und der Mazedo- yodkor spielen sollte. Für fünf Millionen der ihn mit geschätz- nier Stevica Ristic die Usbeken aus dem Tur- Euro. Inzwischen, so lässt Barcelona wis- ten 13 Millionen Euro nier. Die beiden kaufte Bunyodkor den süd- sen, seien alle Abmachungen mit den Usbe- für 18 Monate Trainer- koreanischen einfach ab. ken hinfällig. arbeit zum bestbezahl- Unmittelbar nach Dschalalows Verhaf- Für den Stadionbau hatte Dschalalow ten Coach der Welt ge- tung befällt Scolaris Team jedoch ein ge- das Hamburger Architekturbüro »gmp« macht. »Wenn ich Pro- heimnisvolles Virus. 0:3 verliert Bunyod- engagiert, das auch das Berliner Olym- bleme habe, gehe ich kor in der Champions League gegen den piastadion zur WM 2006 neu gestaltet hat. zu Miradil«, sagt Scola- iranischen Underdog Zob Ahan, mit Mühe Adil-Baj wollte es richtig krachen lassen: ri und bringt sein Glas schleppen sich Rivaldo & Co. noch ins Ach- 40 Hektar im Zentrum von Taschkent, eine zum Klingen, während telfinale und scheiden dort schmachvoll mit Membrankonstruktion fürs Stadiondach er mit dem Löffel Zucker 0:3 gegen Al-Hilal aus Saudi-Arabien aus. aus Deutschland, neben dem Stadion neun in den Tee rührt. »Ich bin Ende Mai, ein halbes Jahr vor Vertragsen- Fußballplätze und ein Mannschaftshotel für ihn wie ein Familien- de, teilt Luiz Felipe Scolari mit, er werde den aus römischem Travertinstein. Hier sollte mitglied.« 2002 ist »Big Klub verlassen. Da ist klar, dass es zu Ende auch die nach dem Vorbild des FC Barce- Phil« mit Brasilien Welt- geht. »Es sind einige Situationen eingetre- lona organisierte Jugendakademie unter- meister geworden, seit- ten, die dazu führten, dass beide Seiten die- kommen. Kostenpunkt: 100 Millionen Euro. dem lief es mittelmäßig. sen Schritt vollzogen haben«, erklärt Sco- Den Einwand, dass irgendetwas zu teuer Zuletzt entließ ihn der FC lari. Im Klartext: Bunyodkor ist pleite. Der sei, gab es nach Auskunft des gmp-Archi- Chelsea nach nur sieben Verein ähnelt nun einer riesigen Zentrifu- tekten Tobias Unterberg, der die Arbeiten

Monaten Amtszeit, danach ge, die außer Kontrolle gerät und die Spie- vor Ort überwachte, nie. Die U-Bahn-Station Gathmann

gab es ein zähes Ringen um ler aus der Umlaufbahn schleudert. Scolaris vor dem Stadion ist bereits umbenannt, statt Moritz ausstehende Gehälter. Das Beispiel folgen zunächst mehrere usbeki- »Völkerfreundschaft« heißt sie nun »Bun- (2), hat Scolari gekränkt. »Im sche Nationalspieler, die ihr Heil in Russ- yodkor«. Doch Bunyodkor ist so gut wie tot. Vergleich zu manchen euro- land und Südkorea suchen. Rivaldo und Und auch auf der Baustelle stehen seit Mai Witters päischen Klubs kommt Buny- die drei anderen Brasilianer bleiben noch, die Bagger still, die Baufirma war übrigens odkor allen Verpflichtungen doch im August verlassen auch sie nach Dschalalows Neftgazmontaj. »Abwarten«, Images,

nach«, sagt er. einem heftigen Streit um ausstehende Ge- sagt Unterberg, laute nun die Devise bei Getty Statt in London sitzt er nun also im »Grand hälter den Klub. gmp. Das Stadion besteht bis jetzt aus einer Mir Hotel« im Zentrum Taschkents. Mir sei- Bodenplatte und ein paar Wänden und Stüt- Seiten: nem ergrauten Oberlippenbart, der Halb- Ein halbes Stadion zen. Mit anderen Worten: ein Keller ohne glatze, dem karierten Hemd und dem Cord- Dabei war die große Show so nahe. Der Dach. Eine bessere Umschreibung für den vorherige sakko könnte er auch ein in die Jahre ge- größte Tag in der noch jungen Geschich- gegenwärtigen Zustand des FC Bunyodkor

kommener deutscher Oberstudienrat sein. te des usbekischen Fußballs hätte in etwa Taschkent lässt sich schwerlich finden. Fotos