Der Monte San Giorgio Im Südtessin. Vom Berg Der Saurier Zur
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Gesetzliche Bestimmungen zum Suchen und Sammeln von Fossilien am Monte San Giorgio Im ganzen Kanton Tessin ist das Suchen und Sammeln von Fossilien gemäss kantonalem Naturschutzgesetz vom 12. Dezember 2001 verboten. Der Staatsrat des Kantons Tessin kann zu wissenschaftlichen Zwecken Ausnahmen bewilli- gen. Zufällige Funde müssen dem Museo cantonale di storia naturale in Lugano gemeldet werden. In Italien ist ein Verbot der Fossiliensuche gemäss Gesetzesverordnung Nr. 490 vom 29. 10. 1999 in Kraft. Zufällige Funde müssen der zuständigen archäo- logischen Aufsichtsbehörde (Sopraintendenza Archeologica) gemeldet werden. Das kann auch über die Museen und Universitäten erfolgen. Umschlagbilder Oben. Neusticosaurus ist der häufi gste kleine Meeressaurier in der Mitteltrias des Monte San Giorgio (Zeichnung B. Scheffold/PIMUZ). Unten. Ein perfekt erhaltenes Skelett von Neusticosaurus pusillus von 20 cm Länge aus dem unteren Meride-Kalk des Monte San Giorgio (Foto H. Lanz/PIMUZ). Above. Neusticosaurus is the most common small marine saurian from the Middle Triassic of Monte San Giorgio (drawing B. Scheffold/PIMUZ). Below. A well preserved skeleton of Neusticosaurus pusillus with a length of 20 cm from the lower Meride Limestone of Monte San Giorgio (photograph H. Lanz/PIMUZ). PIMUZ = Paläontologisches Institut und Museum der Universität Zürich PIMUZ = Palaeontological Institute and Museum of the University of Zurich MCSN = Museo cantonale di storia naturale, Lugano NEUJAHRSBLATT herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich auf das Jahr 2004 206. Stück 2003 Veröffentlichung der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich im Anschluss an den Jahrgang 148 der Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich Redaktion: Conradin A. Burga, Frank Klötzli und Marlies Gloor Ausgegeben am 31. Dezember 2003 ISSN 0379-1327 Die Redaktion der Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich dankt dem Paläontologischen Institut und Museum der Universität Zürich, das die Kosten für die Farbabbildungen paritätisch mitgetragen hat. Druck und Verlag: KOPRINT AG, Untere Gründlistrasse 3, CH-6055 Alpnach Dorf Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Quellenregister gestattet Der Monte San Giorgio im Südtessin – vom Berg der Saurier zur Fossil-Lagerstätte internationaler Bedeutung Heinz Furrer Zusammenfassung Im Juli 2003 erhielt die weltweit einmalige Fossil-Lagerstätte am Monte San Gi- orgio im Südtessin die begehrte Auszeichnung «international bedeutendes Welt- naturerbe» von der Unesco. Dies ist unter anderem auch eine Anerkennung für die wissenschaftliche Arbeit mehrerer Generationen von Fachleuten und Laien, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts im italienischen Nachbargebiet bei Besano und am Monte San Giorgio in der Nähe des Tessiner Bergdorfes Meride geleistet wur- de. Mehr als 10 000 kleinere und grössere Fossilien wurden in mühsamer Hand- arbeit aus dem harten Fels geborgen, sorgfältig freigelegt, studiert und in vielen Publikationen beschrieben. Eine Auswahl der schönsten Stücke ist in öffentlichen Museen ausgestellt. Es sind über 200 verschiedene Tier- und Pfl anzenarten gefun- den worden: fossile Reptilien oder «Saurier» (20), Fische (80), wirbellose Tiere (100) und Pfl anzen (5). Die Überreste der Organismen wurden in einer mächtigen Schichtfolge aus tonigen, kalkigen und dolomitischen Gesteinen konserviert, die in einem subtropischen Meeresbecken abgelagert wurden. Einmalig ist am Mon- te San Giorgio das Vorkommen von fünf übereinander liegenden fossilreichen Schichten, die nach geologischen Untersuchungen aus der Mitteltrias stammen und 230 bis 245 Millionen Jahre alt sind. Die ausgezeichnete Erhaltung von vielen zusammenhängenden Skeletten macht das Gebiet zu einer fast unerschöpfl ichen Fundgrube für die Paläontologie. Nur sie kann dieses Zeitfenster der Evolution öffnen und damit der langen Entwicklungsgeschichte des Lebens auf unserem Planeten auf die Spur kommen. Schlagwörter: Evolution – Fische – Fossilien – Geologie – Meride – Mitteltrias – Ölschiefer – Paläontologie – Schweiz – Südtessin Monte San Giorgio in southern Ticino – From the «saurian mountain» to a «Fossillagerstätte» of international importance With the inclusion in the Unesco World Heritage List in July 2003, Monte San Giorgio in southern Ticino received the honour to be internationally recognized as a unique «Fossillagerstätte». This also refl ects the appreciation of the scienti- fi c work of several generations of professionals and amateurs in palaeontology. They have worked on the fossils from Monte San Giorgio since the middle of the 19th century, partly in the Italian vicinity near Besano as well as on Monte San Giorgio near the small village Meride in southern Switzerland. More than 10 000 fossils of various dimensions have been gathered by painstaking manual labour from the hard rocks. Then they were carefully prepared, scientifi cally studied, and fi nally publi shed in numerous publications. Some of the best specimens are exposed in public museums. More than 200 different animal and plant species have been found: fossil reptiles or «saurians» (20), fi sh (80), invertebrate animals (100) and plants (5). The remains of organisms are conserved in a thick sequence of shaly, calcareous and dolomitic sediments from a subtropical marine basin. The occurrence of fi ve successive levels rich in vertebrate fossils from the Midd- le Triassic, dated by geologists as 230 to 245 millions years old, is world wide unique. The perfect preservation of many articulated skeletons makes the area a nearly inexhaustible treasure chest for palaeontology. Only palaeontologists may open this time window of evolution and, consequently, get insight in the long history of life on our planet. Key words: Evolution – fi sh – fossils – geology – Meride – middle Trias – oilschale – palaentology – southern Ticino – Switzerland Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 9 2 Geschichte der paläontologischen Forschung am Monte San Giorgio 12 2.1 Erste Fossiliengrabungen auf italienischem Gebiet 12 2.2 Bernhard Peyer macht den Monte San Giorgio zum Berg der Saurier 13 2.3 Die grösste Fossiliengrabung unter Emil Kuhn-Schnyder 20 2.4 Die Fische rücken in den Vordergrund 24 2.5 Die neuesten Grabungen sind paläoökologisch ausgerichtet 25 2.6 Neuere Grabungen von zwei Mailänder Forschungsgruppen 26 2.7 Schon mehr als 30 Fossiliengrabungen 28 3 Steinbrüche und Bergwerke haben am Monte San Giorgio eine lange Tradition 30 3.1 «Marmor»-Steinbrüche 30 3.2 «Ölschiefer»-Bergwerke 31 3.3 Erzbergbau 34 4 Geologische Geschichte des Monte San Giorgio 34 4.1 Der Monte San Giorgio ist Teil der Südalpen 34 4.2 Die Ablagerungen der Trias entstanden im Flachmeer 34 4.3 Im Jura öffnete sich der Ozean 37 4.4 Die alpine Gebirgsbildung begann vor 90 Millionen Jahren 38 5 Die Gesteine und Fossilien der Mitteltrias am Monte San Giorgio 38 5.1 Fünf Fundschichten mit Wirbeltierfossilien 38 5.2 Die Grenzbitumenzone ist die reichste Fundschicht 39 5.3 Drei Fundschichten im unteren Meride-Kalk 43 5.4 Viele kleine Fische und ein Saurier aus der Kalkschieferzone 46 6 Regionale Vergleiche und Paläogeographie 46 7 Lebens- und Ablagerungsraum in der Mitteltrias 48 8 Ein Saurier erwacht zu neuem Leben – die Arbeit der Paläontologinnen und Paläontologen 49 9 Verdankungen 49 10 Literatur 53 Adresse des Autors 60 Tabelle 1: Grabungschronologie 61 Tabelle 2: Systematik der vorkommenden Tierfossilien 63 Der Monte San Giorgio im Südtessin – vom Berg der Saurier zur Fossil-Lagerstätte internationaler Bedeutung 9 1 EINLEITUNG Am 2. Juli 2003 wurde das Gebiet des Monte San Giorgio von der Unesco- Kommission in Paris auf die Liste international bedeutender Weltnaturerbe gesetzt. Der Berg der Saurier (Abb. 1, 2) fi guriert somit neben Naturschönhei- ten wie dem Grand Canyon und dem Kilimandscharo oder klassischen Fossil- fundstellen wie Messel in Deutschland. Das hätte der gebürtige Schaffhauser BERNHARD PEYER als junger Privatdozent der Universität Zürich kaum zu träumen gewagt, als er im Anschluss an die Jahresversammlung der Schweize- rischen Naturforschenden Gesellschaft in Lugano an einem schönen Herbsttag 1919 nach Meride fuhr, um am Monte San Giorgio nach Wirbeltierfossilien zu suchen. Schon seit einigen Jahrzehnten war bekannt, dass in schwarzen bituminösen Tonsteinen der Mitteltrias, die auf italienischer Seite bei Besano (Provinz Varese) und auf Tessiner Gebiet bei Serpiano bergmännisch abgebaut wurden, erstaunlich gut erhaltene Reste von Fischen und Reptilien vorkommen. Im Materialhaufen der Ölfabrik Spinirolo bei Meride fand Peyer auf Anhieb das gut erhaltene Skelett einer Vorderfl osse eines Fischsauriers. 1924 begann er mit ersten Abbauversuchen in einem bestehenden Stollen des Bergwerks Tre Fontane bei Serpiano, um vollständigere Fossilien zu gewinnen, als es beim Abb. 1. Die schroffe Ostfl anke des Monte San Giorgio oberhalb von Riva San Vitale (Foto H. Furrer). Fig. 1. The steep eastern slope of Monte San Giorgio above Riva San Vitale (photograph H. Furrer). Der Monte San Giorgio im Südtessin – 10 vom Berg der Saurier zur Fossil-Lagerstätte internationaler Bedeutung Abb. 2. Das unter Denkmalschutz stehende Tessiner Bergdorf Meride liegt auf der Südseite des Monte San Giorgio (Foto H. Furrer). Fig. 2. The small village Meride on the southern side of Monte San Giorgio is a protected ar- chitectural monument (photograph H. Furrer). üblichen Abbau mit Sprengungen möglich war. Das Ergebnis blieb unbefriedi- gend und so nahm Peyer nach einigen Wochen mit zwei Bergleuten die Arbeit in einem verlassenen Tagbau in der