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GLANZ KLANG Das MAGAZIN DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN saison 2014/2015 #02

Anna Netrebko Die Diva kehrt zurück! grusswort

„ DIE MENSCHLICHE m Jahresende ist die klas- Wenn ich am Ende dieses Jahres zurück- sische Musik traditionell blicke, sehe ich ein Jahr, das im Zeichen besonders gefragt: Advent, eines der größten Musiker stand, dem die STIMME IST DAS Weihnachten und Silves- Staatskapelle ihren Klang zu verdanken hat: ter. Alles Feiertage, an denen . Wir haben seinen Geburts- wir unsA auf das Wesentliche besinnen, auf tag gefeiert, indem wir die Opern, die er für die Einkehr, die Familie, die Freunde – und Dresden und die Kapelle geschrieben hat, SCHÖNSTE INSTRUMENT, auf uns selbst. Umso glücklicher bin ich, aufgeführt haben, indem wir das Strauss- dass die Sächsische Staatskapelle Sie die- Geburtstagskonzert mit vielen Dresdnern ses Jahr an diesen besonderen Tagen nicht bei einem bewegenden Public Viewing auf ABER ES IST AM nur vor Ort in Dresden, sondern in ganz dem Theaterplatz gefeiert haben – und in- Deutschland im Wohnzimmer begleiten dem wir dieses Jubeljahr nun mit einer der darf. Das ZDF strahlt das Adventskonzert wohl besten Strauss-Stimmen beschließen, aus, den Heiligen Abend beim Bundes- mit Renée Fleming, die im 4. Symphonie-

SCHWIERIGSTEN präsidenten und das Silvesterkonzert, bei konzert mit Strauss-Orchesterliedern zu Inhalt dem Anna Netrebko und Juan Diego Flórez erleben sein wird. Sie ist aber nicht die ein- gemeinsam mit uns den Jahresausklang zige Solistin an diesen Abenden, Sie dürfen ZU SPIELEN.“ feiern. Für uns ist es eine Auszeichnung, sich auch auf unseren Solohornisten Robert dass die Staatskapelle gleich an drei Termi- Langbein freuen, der das erste Hornkonzert (RICHARD STRAUSS) nen die Musik im Fernseh-Hauptprogramm von Richard Strauss interpretieren wird. spielt. Und, ja, mich macht es auch ein Überhaupt haben Sie in Dresden auch in bisschen stolz, dass die Leiterin der ZDF- diesen Tagen wieder die Möglichkeit, den Musikredaktion, Anca-Monica Pandelea, größten Virtuosen der klassischen Musik in einem Interview in diesem Heft die bei der Arbeit zuzuschauen. Persönlich Seiten 4-5 Strauss intim »Wenn ich am Ende dieses Jahres zurückblicke, Renée Fleming auf der Suche nach sehe ich ein Jahr, das im Zeichen eines der größten dem Mikrokosmos im Lied Musiker stand, dem die Staatskapelle ihren Klang Seiten 6-7 Fernsehen mit der Festkapelle zu verdanken hat: Richard Strauss.« Die Staatskapelle wird im Dezember Verlässlichkeit, die freue ich mich besonders auf den Besuch zum Dauergast im ZDF Tradition, die Moder- von Arcadi Volodos, der im Interview mit Seiten 8-9 Bedarf und Bedürfnis nität und die inhaltliche Konsequenz der »Glanz & Klang« über die Geheimnisse der Ein Interview mit Kapelle lobt. Für mich persönlich kann ich Virtuosität spricht. Anca-Monica Pandelea mir die Festtage nicht schöner vorstellen: Während die Weihnachtsmänner in den Wir haben die Möglichkeit, mit unserem Supermärkten bereits im Oktober Einzug Seiten 10-11 Das Umkreisen der Dresdner Publikum zu feiern und können halten, sind die Vorlaufzeiten bei Orches- russischen Seele dazu ganz Fernseh-Deutschland einladen. tern noch deutlich größer – wir denken Arcadi Volodos und Daniele Gatti bereits jetzt an die Feierlichkeiten im kom- All das ist eine Bestätigung unserer konti- suchen Weltbilder bei nuierlichen Arbeit und eine Auszeichnung menden Jahr. Wenn man so will, ist bei uns JETZT AUCH AUF Schostakowitsch und Tschaikowsky für jeden einzelnen Musiker und unseren fast jeder Tag ein Feiertag. Und ein Tag, an DVD UND BLU-RAY Chefdirigenten Christian Thielemann. Ge- dem unsere Musiker für Sie im Einsatz sind. Seiten 12-13 Jenseits des gängigen Opern-ABCs meinsam haben sie in den letzten Jahren Für mich ist das ein guter Anlass, an »Konigskinder« und einen stringenten, klaren und musikalisch dieser Stelle allen Mitarbeitern und unse- »Pelléas et Mélisande«: exzellenten Weg eingeschlagen. rem Chefdirigenten Christian Thielemann Zwei Opernbesonderheiten feiern Unser Engagement bei den Osterfest- für dieses wundervolle Jahr zu danken. Wie Premiere an der Semperoper spielen Salzburg ist ein Baustein dieses We- gesagt, wir arbeiten schon an der Zukunft – ges, und ich freue mich bereits auf die kom- um so mehr freuen wir uns darauf, die fest- Seiten 14-15 Wenn das Auge zu hören beginnt menden Festspiele. Glückwünsche möchte lichen Tage im November, Dezember und Künstlerporträts aus Jazz und ich an dieser Stelle richten an Peter Ruzic- Januar mit Ihnen ganz im Hier und Jetzt zu Klassik von Matthias Creutziger ka, der ab 2016 als neuer Intendant die Ge- feiern. Seiten 16-17 Welche Bedeutung hat der schicke der Osterfestspiele leiten wird. Wir Musikjournalismus? freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihm Ihr und sind überzeugt davon, dass er nahtlos Zwei Journalisten, zwei Meinungen an die bravouröse Arbeit von Peter Alward www.unitelclassica.com Seite 18 24 Geschenkideen für den wird anknüpfen können. Übrigens: Auch Adventskalender unsere anstehende Salzburg-Produktion Jan Nast Seite 19 Konzertvorschau UND IM FERNSEHEN AUF CLASSICA empfangen Sie in: Belgien ∙ Bulgarien ∙ Deutschland ∙ Estland ∙ Frankreich ∙ Italien (Classica Italia) von »Cavalleria Rusticana« mit Jonas Kauf- Orchesterdirektor der Sächsischen Lettland ∙ Liechtenstein ∙ Luxemburg ∙ Malta ∙ Österreich ∙ Polen ∙ Rumänien ∙ Ungarn ∙ Schweiz∙ Slowakei ∙ Spanien mann wird vom ZDF übertragen. Staatskapelle Dresden Die Konzerte der Staatskapelle von Tschechische Republik ∙Zypern –China ∙Japan (Classica Japan) ∙Korea ∙ Malaysia ∙Mongolei ∙ Philippinen ∙ Südafrika Dezember bis Anfang Februar

3 SAISON 2014 / 2015 4. symphoniekonzert »Ruhe, meine Seele« Naturgleichnis: In der ersten Strophe nutzt Strauss die Natur als Spiegelbild der Seele.

Vorspiel

Stillstand im Orchester: Nur ein webender Teppich und zir- Musikalische Anspielungen. pende Vögel begleiten die Stim- Strauss zitiert in diesem Lied me in ruhender Stille. sowohl Wagners »Tristan«-Akkord Nicht ein Lüftchen als auch Mussorgskis Uhr-Szene Regt sich leise, aus »Boris Godunow«. Sologeige und Stimme Sanft entschlummert Strauss intim verdrängen die Dunkelheit: Ruht der Hain; Neben dem ersten Hornkonzert, »Also sprach Zarathustra« Der Sonnenschein dringt Durch der Blätter in die Musik. Dunkle Hülle Chromatisch, und Szenen aus »« sucht die Staatskapelle Stiehlt sich lichter also in Halbton- Sonnenschein. schritten, wächst mit Christian Thielemann und Renée Fleming im Die nach die Bedrohung, 4. Symphoniekonzert nach dem Mikrokosmos im Lied. Ruhe ist der Fixpunkt und Strauss lässt Vorspiel und Schluss des Liedes: Sie steht vor im Orchester die entführen den Zuhörer und nach dem Ausbruch Brandung zur in eine geheimnisvolle resden ist die heimliche Hei- Das Hornkonzert ist für Strauss ebenfalls der Bedrohungen der fürchterlichen Welt: Die Tonart C-Dur mat von Richard Strauss. Das ein sehr persönliches und intimes Werk, Ruhe, ruhe, Natur. Eine musikali- Seelengischt ist in den dunklen An- haben die Staatskapelle und das er seinem Vater widmen wollte, der im Meine Seele, sche Spiegelung und der wachsen. fangs-Akkorden nicht Christian Thielemann in den Münchner Hoforchester saß. Kampf um innere Rast auszumachen, Strauss vergangenen Monaten immer spielte bereits unter Richard Wagner das und Ausgeglichenheit. Wogendes Meer: stellt seine Zuhörer wieder unter Beweis gestellt: Große Opern Horn, der einmal über ihn sagte: »Dieser D in einen dunklen, un- Die Ruhe im Wald wie »« oder »« hat Strauss Strauss ist zwar ein unausstehlicher Kerl, weicht dem Sturm bekannten Wald aus der Kapelle auf den Klangkörper kompo- aber wenn er bläst, kann man ihm nicht Deine Stürme auf dem Meer. Die Noten und spielt mit niert. An der Elbe fand er jene Freiheit, die böse sein.« Das Hornkonzert, das Richard Gingen wild, in Not geratene rasanten Wechseln aus ihm Berlin und München verwehrten, um für seinen Vater komponierte, gleicht im Hast getobt und Seele schwimmt Dur und Moll, Licht sein musikalisches Ideal zu verwirklichen. Aufbau einem Konzert, das Franz Strauss Hast gezittert, Zum Wort »wild« weicht verloren auf den und Schatten. Am Treu standen ihm dabei die Musiker der bereits zuvor geschrieben hatte. Der Dank Wie die Brandung, die stillstehende Natur Wellen der Zeit. Ende wird das Motiv Kapelle und ihr damaliger Musikchef Ernst des Vaters hielt sich in Grenzen: Das Stück im Orchester dem aufge- Wenn sie schwillt! aufgenommen – als von Schuch zur Seite – und die heutige seines Sohnes war selbst dem gewieften wühlten Seelenleben. offener Nachklang. Staatskapelle pflegt dieses Erbe wie kein Hornisten schlichtweg zu kompliziert. Diese Zeiten Orchestraler anderes Orchester. Strauss widmete die Partitur dem »kgl. Sind gewaltig, Ausnahmezu- Im 4. Symphoniekonzert kümmert sich Sächs. Kammermusiker Herrn Oscar Bringen Herz stand und auf- Sonntag, 23.11.14, 18 Uhr die Staatskapelle mit Christian Thielemann Franz«. Dessen Erbe, Robert Langbein, gewühlter Höhe- Montag, 24.11.14, 20 Uhr Und Hirn in Not – nun nicht mehr um den Makrokosmos der Solohornist der Staatskapelle, wird das Semperoper Dresden punkt des Liedes: Strauss’schen Opern, um seine komplexen Stück nun interpretieren. 4. Symphoniekonzert Das Innenleben musikalischen und psychologischen Hand- Ein Kunstlied verhält sich zur Oper wie als Gleichnis für Christian Thielemann Dirigent lungsstränge, sondern um seine musikali- ein Gedicht zum Roman. Richard Strauss die Schwierigkeit Renée Fleming Sopran schen Mikrokosmen: Gemeinsam mit der war ein Meister darin, in der Kürze eines Robert Langbein Horn der Zeit. Ruhe, ruhe, Sopranistin Renée Fleming werden sie sich Popsongs endlose Kunstwelten zu öffnen. Richard Strauss Meine Seele, ausgewählte Orchesterlieder von Richard Eines der Lieder, das die Staatskapelle, Hornkonzert Nr. 1 Es-Dur op. 11 Und vergiß, Strauss vornehmen und zeigen, dass der Christian Thielemann und Renée Fleming Unterschiedliche Interpretationen: »Reisefieber und Walzerszene«, Was dich bedroht! Komponist ein Großmeister der kleinen aufführen werden, ist »Ruhe, meine Seele« Erstes symphonisches Zwischenspiel Verschiedene Sänger interpretieren das Form war. Eine Kunstform, in der er welt- nach einem Gedicht des revolutionären aus »Intermezzo« op. 72 Lied in unterschiedlicher Geschwindig- umspannende Gedanken in vierminütigen Dichters Karl Friedrich Henckell. Strauss »Meinem Kinde« op. 37/3 keit: Gundula Janowitz (3:43), Elisabeth Mosaiken ausbreitet, in denen er quasi verbindet in diesem Lied das turbulente, »Liebeshymnus« op. 32/3 Schwarzkopf (3:53), Kiri te Kanawa (3:50) Opern für die Hosentasche komponierte. gedankliche Innenleben eines Menschen, »Das Bächlein« o. op. 118 Die Staatskapelle, Christian Thielemann der sich nach Ruhe sehnt, mit unterschied- »Ruhe, meine Seele« op. 27/1 Schluss und Renée Fleming haben die Klangwel- lichen Naturbeschreibungen: einem dunk- »Die heiligen drei Könige aus ten von Richard Strauss bereits mehrfach len, geheimnisvollen Wald und dem toben- Morgenland« op. 56/6 Bedeutung für Strauss: 1894 hat Strauss dieses Lied ausgelotet. Dieses Mal wird sich das Pro- den Meer. Die unterschiedlichen Ebenen »Frühlingsfeier« op. 56/5 für Klavier vertont und es seiner Frau, der Sängerin gramm um sechs Orchesterlieder drehen, dieses Stückes, Strauss’ Wagner-Zitate, die »Also sprach Zarathustra« op. 30 , als Hochzeitsgeschenk überreicht – die durch symphonische Musik aus der Entstehungsgeschichte und die musikali- erst 1948 schrieb er die Orchesterversion. Oper »Intermezzo«, die große Tondichtung sche Bedeutung werden in dem Diagramm »Also sprach Zarathustra« und das erste auf der nächsten Seite zum Mithören veran- Kostenlosen Einführungen jeweils Hornkonzert eingerahmt werden. schaulicht. 45 Minuten vor Konzertbeginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper Renée Fleming

4 SAISON 2014 / 2015 5 SAISON 2014 / 2015 Fernsehen mit der Festkapelle Zu Advent, Heiligabend und Silvester begleitet singen. Ein doppelbödiges Stück für den Jahres- ausklang: schmachtende Arien und Duette und die Staatskapelle ihr Publikum bei den Fest­ eine subversive Handlung. Die turbulente Komö- die um die Chansonnière Sylva Varescu, die ihre tagen. Begleitet wird sie dabei von großen Amerika-Tournee plant und in einen Liebestaumel Stimmen wie Anna Netrebko, Elīna Garanča mit allerhand Skandalen gerät, erhält ihre Brisanz dadurch, dass sie kurz vor Ausbruch des Ersten und Juan Diego Flórez. Weltkrieges spielt: Hysterie, Eitelkeiten und der Tanz auf dem Emotions-Vulkan inklusive. Am Pult der Staatskapelle steht natürlich auch in diesem m Jahr 2010 tobte ein gigantischer Jahr wieder der Chefdirigent der Kapelle, Chris­ Schneesturm in den USA. Ausgerechnet tian Thielemann. zum ersten Silvesterkonzert der Staatska- Das Silvesterkonzert bildet den Abschluss ei- pelle Dresden, das live im ZDF übertragen nes aufregenden Dezember-Programms, mit dem werden sollte. Die Sängerin Renée Fle- die Kapelle gleich drei Mal im Hauptprogramm ming Isteckte auf dem Flughafen fest und konnte des ZDF zu sehen ist (siehe dazu das Interview nicht pünktlich anreisen. Kurzfristig gelang es mit Anca-Monica Pandelea auf den Seiten 8 bis 9). der Kapelle, für die Aufzeichnung am ersten Den Auftakt macht traditionell das Adventskon- Abend einen Weltstar als »Einspringer« zu enga- zert, das in der Frauenkirche aufgeführt und auf- gieren. Die russische Sopranistin Anna Netrebko genommen wird. Hier stehen neben der lettischen Drei Fragen war bereit, spontan eine Arie aus der »Csárdás- Mezzosopranistin Elīna Garanča die deutsche fürstin« zu singen und begeisterte mit Sopranistin Christiane Karg und der maltesische an Anna Netrebko ihrem Charme und Temperament das Tenor Joseph Calleja auf der Bühne. Gemeinsam Publikum. Als ihre Kollegin Renée werden sie Arien und Lieder von Mascagni, Mo- Silvester ist die russische Sopranistin in Dresden mit Fleming am nächsten Tag doch anrei- zart, Puccini und Carl Maria von Weber singen. der »Csárdásfürstin« zu Gast. Gerade wurde sie für ihr sen konnte und nicht weniger begeis- Ein vorweihnachtliches Programm in großer ternd auftrat, sendete das Fernsehen Kulisse, das in seiner musikalischen Program- Verdi-Album mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet – eine am Ende der Vorstellung aus Dank an mierung auch immer wieder auf die Stadt Dres- Gelegenheit, ihr drei Fragen zu stellen. Anna Netrebko – quasi als Zugabe – den eingeht. Der Sächsische Staatsopernchor noch die Nummer vom Vorabend. Das singt unter anderem das »Dona nobis pacem« aus Konzert war nicht nur gerettet, sondern Bachs h-Moll-Messe. Außerdem stehen eine Ou- der grandiose Auftakt einer Tradition, vertüre von Mendelssohn und »Adeste fidelis« auf Anna Netrebko, in Dresden singen Sie Woher bekommen Sie die Inspiration? Wer Ihnen auf Facebook folgt, sieht, wie die bis heute andauert: Seither lässt dem Programm. Operette, auf den Bühnen der Welt wer- glücklich Sie derzeit sind: ein neuer Part- die Staatskapelle das alte Jahr Und auch am Heiligen Abend wird die Staats- den Ihre Rollen immer dramatischer: Das ist eine schwierige Frage, die ich so ner, viele Freunde – ein ausgelassenes mit der Übertragung aus der kapelle zum Fest in den Wohnzimmern der Deut- Zuletzt begeisterten Sie mit Verdis »Lady nicht beantworten kann. Wahrscheinlich ist Leben. Hilft Zufriedenheit beim Singen? Semperoper regelmäßig im schen präsent sein, wenn Bundespräsident Joa- «. Ist das ein bewusster Fach- es ganz einfach. Ich bin eben eine leiden- ZDF ausklingen. chim Gauck zu einer besinnlichen Weihnachts- wechsel? schaftliche Schauspielerin. Ich muss mich Ich weiß nicht, ob sie einem beim Singen Nun, vier Jahre später, feier lädt. Hier werden neben der Kapelle auch ja nicht mit jedem Charakter persönlich hilft. Am Ende muss man, ob man glück- schließt sich der Kreis. bekannte Solisten und der Dresdner Kreuzchor Nun, alles in mir sagte, dass ich das tun identifizieren, sondern spiele ihn nur. Das lich oder unglücklich ist, immer noch das Anna Netrebko kehrt zum auftreten, außerdem ist unter anderem Johannes sollte: meine Stimme, die Leute, meine ist mein Beruf. Mit meinem privaten Leben gleiche tun: nämlich singen. Es gibt diese Silvesterkonzert zurück B. Kerner zu Gast, wenn der Präsident persönlich Gesundheit, mein Bauch. Also habe ich es haben die meisten Rollen nur wenig zu tun. Künstler, die ihr Leben der Kunst widmen, an die Elbe und bringt ihr aus der Weihnachtsgeschichte lesen wird. getan. Und natürlich ist diese Musik eine Da bin ich eher nicht blutrünstig und habe und ich bewundere das. Aber bei mir ist Repertoire von damals Bei den Festtagen zu Weihnachten und zu neue Welt, in der es viel zu entdecken gibt. nur sehr wenig mit Menschen wie Lady das anders, ich liebe es, in der Gegenwart gleich mit. Gemeinsam Silvester spielt die Staatskapelle traditionell die Es ist eine aufregende Welt, die ich mir da Macbeth zu tun. zu leben. Ich habe einen wunderbaren mit dem Tenor Juan Diego Musik – in diesem Jahr nicht nur für Dresden, gerade erschließe. Es sind ja großartige, Mann, ein wunderbares Kind, ein Leben, in Flórez wird sie nun die sondern für Fernsehzuschauer in ganz Deutsch- blutige Rollen – ich liebe blutige Rollen. dem ich mich glücklich fühle, auch jenseits »Csárdásfürstin« in Gänze land. der Bühne. Und das genieße ich in vollen Zügen.

Elīna Garanča 6 SAISON 2014 / 2015 7 SAISON 2014 / 2015 interview

Bedarf und Bedürfnis Anca-Monica Pandelea leitet die Musikredaktion beim ZDF. Die Sächsische Staatskapelle ist im Dezember gleich drei Mal auf Sendung. Hier verrät sie, warum die Quote nicht das Wichtigste ist und die Staatskapelle ein perfekter Partner.

Frau Pandelea, was macht die klassische das auch, wie groß die Nische in der Be- trebko, die beide bei der Silvestergala menarbeit zurückzuführen. Ich erinnere Musik gerade in der Weihnachtszeit so völkerung ist, dass es durchaus eine breite auftreten, gehören fast schon zum ZDF- mich an einen der schönsten Filme, den ich interessant für das Fernsehen? Nachfrage nach dieser Musik gibt. Und Inventar … noch als Redakteurin betreut habe: »450 Ich glaube, dass die Klassik in der Zeit der deswegen müssen diese Musikprogramme Ich halte es durchaus für eine unserer Jahre Staatskapelle Dresden« mit Giusep- Besinnung nicht nur ein Bedarf, sondern ihren Platz noch im ZDF finden, weil sie Aufgaben, Karrieren auch langfristig zu pe Sinopoli. Für mich ist dieses Orchester ein tiefes menschliches Bedürfnis ist. Wir einen grundlegenden Teil unserer Kultur verfolgen. Sie dürfen nicht vergessen, dass tatsächlich ein Phänomen: Wie es seinen suchen das Festliche, das Nachdenkliche und Identifikation darstellen. Und das ist Anna Netrebko ihren ersten öffentlichen Klang und seine Tradition bewahrt und und das Innehalten. Ich erkläre mir das uns auch wichtig: Klassik im ZDF soll nicht Auftritt schon vor zehn Jahren im ZDF gleichzeitig immer modern und aktuell damit, dass viele Menschen gerade an den um jeden Preis unterhalten, sie soll auch hatte. Heute profitieren wir von diesem bleibt. Dass es nun mit Christian Thiele- Feiertagen, im Advent, zu Heiligabend und besinnen, nachdenklich stimmen und emo- langen gemeinsamen Weg. Ähnlich verhält mann zusammenarbeitet, macht die Sache an Silvester die Wichtigkeit von Werten tional bereichern. es sich mit Christian Thielemann und der für uns natürlich noch verlockender. Und entdecken, die im Alltag oft untergehen: Welche Strategien verfolgen Sie mit der Sächsischen Staatskapelle. Für uns war ich freue mich schon jetzt darauf, wenn wir Familie, Glaube, die Sehnsucht nach Sinn- Klassik im Hauptprogramm des ZDF es ein Glück, sie für das Silvesterkonzert zu Ostern erneut mit der Kapelle zusam- lichkeit und Besinnung. Die klassische konkret? gewinnen zu können, und zwar, weil wir menarbeiten und die »Cavalleria Rustica- Musik ist eine ideale Möglichkeit, um diese Wir haben in diesem Jahr zehn Termine im mit ihnen endlich auch ein musikalisches na« im Hauptprogramm und den »Bajazzo« tief in uns verankerten Bedürfnisse zu be- Hauptprogramm, und wir wissen genau, Konzept erarbeiten konnten. Sowohl Thie- von den Osterfestspielen Salzburg auf arte friedigen. Sie ermöglicht es uns, die Welt dass diese Sendeplätze anders besetzt lemann als auch die Kapelle sind für uns ausstrahlen werden. mit Distanz zu betrachten und gleichzeitig werden müssen als jene Programme, für eine Bereicherung, da sie gemeinsam mit Den Auftakt im Dezember mach das ganz nahe bei uns selbst zu sein. die wir etwa bei arte verantwortlich sind. uns nach einer besonderen musikalischen Adventskonzert. Ist das eigentlich eine Die Klassik hat in einer Fernsehland- Im Hauptprogramm haben wir die Mög- Stimmung für einen besonderen Abend im Dresdner Erfindung? Sendeplatz bekommen: von 18 bis 19 Uhr Für mich ist es wichtig, die bestehenden schaft, in der Quoten der einzige Markt- lichkeit, ein Publikum zu erreichen, das Jahr suchen. Ganz abgesehen von der Qua- Das war eher ein Zufall, wir haben mit die- am Heiligen Abend. Der Präsident hat sich Blöcke im ZDF-Hauptprogramm weiter wert zu sein scheinen, einen schweren sonst vielleicht nicht unbedingt in der lität und der spielerischen Lust dieses En- ser Tradition zum Wiederaufbau der Frau- dieses Jahr das sächsische Marienberg als erfolgreich zu bespielen. Hier liegt unsere Stand – jede Wiederholung eines »Tat- Programmzeitschrift nach Konzertüber- sembles. Ein anderes Beispiel ist Rolando enkirche begonnen – und der Erfolg war Ort ausgesucht, und da lag es natürlich größte Chance, Menschen von der Kunst orts« zieht mehr Zuschauer als eine Oper tragungen sucht. Deshalb ist die Mischung Villazón, bei dem wir auch merken, dass er so groß, dass wir uns dieses Element nicht auf der Hand, die Sächsische Staatskapelle der Klassik zu begeistern. Wenn sie erst oder ein Konzert … an diesen prominenten Plätzen besonders mit seiner Leidenschaft für die Vermittlung mehr aus dem Hauptprogramm wegdenken einzuladen. Und nicht zu vergessen, einen einmal begeistert sind, haben wir in den Wir haben beim ZDF den Luxus, nicht in wichtig, da wir ja nicht abschrecken wollen, der Musik eine große Unterstützung bei der können. der besten Knabenchöre, den Dresdner Spartenkanälen, die auch von uns im ZDF diesen Kategorien denken zu müssen. Auch sondern verführen. Wir versuchen bewusst, Ansprache unseres TV-Publikums darstellt. Und auch der Bundespräsident lädt dieses Kreuzchor. »beliefert« werden, und deren Online-Able- hier gilt der Satz vom Bedürfnis. Ich habe bekannte Klassik-Interpreten auftreten zu Er präsentiert für uns nicht nur bei arte die Jahr zu Heiligabend nach Sachsen ein. Frau Pandelea, viele Menschen beklagen gern tatsächlich ein reichhaltiges Angebot, es in meiner Zeit nie erlebt, dass in unseren lassen, bringen sie aber auch mit span- »Stars von morgen« oder im ZDF die ECHO Ich habe mich sehr gefreut, dass diese trotz Ihres Engagements, dass es zu we- das auch individuelle Bedürfnisse befrie- Programmen über die Quote gesprochen nenden Newcomern zusammen. Ähnlich Klassik-Gala, sondern wird am ersten Sendung im letzten Jahr aus der Unter- nig Klassik im Hauptprogramm gibt. Was digt. Und ich bin mir sicher, dass die Musik wurde. Jedem ist klar, dass die Klassik kein sind die Überlegungen im Repertoire: Wir Weihnachtstag für uns auch von Rom nach haltungsredaktion an die Musikredaktion sind Ihre Perspektiven für die Zukunft? im ZDF auch in Zukunft eine wesentliche Hollywood-Film ist, und dass sie dennoch entscheiden uns für Stücke, von denen wir Assisi reisen und sich auf die Spuren von gekommen ist, weil ich finde, dass wir Ich befürchte, dass es für viele Menschen, Rolle spielen wird – weil sie Teil unserer eine wesentliche Säule des öffentlich-recht- wissen, dass sie dem Publikum gefallen, Franziskus begeben. geeignet sind, mit dieser Mischung aus die sich für ein spezielle Sache interes- Kultur und unserer Sehnsucht ist, eben, lichen Fernsehens darstellen muss. Natür- setzen aber auch einige Werke auf das Pro- Die Staatskapelle wird im Dezember staatstragender Einkehr und festlicher sieren, immer zu wenig von genau dieser weil sie nicht nur einen Bedarf anmeldet, lich, wenn wir, wie gerade mit dem ECHO- gramm, bei denen die Zuschauer vielleicht gleich drei Mal im ZDF auftreten … Stimmung geschickter umzugehen. Der Er- Sache im Fernsehen gibt. Aber wir müssen sondern ein Bedürfnis befriedigt. Klassik, Quoten von 11 Prozent haben, wird etwas Neues entdecken können. Ja, das hat sich so ergeben, ist aber auch folg im letzten Jahr hat uns Recht gegeben. auch erkennen, dass wir mit der Klassik auch schon mal gefeiert. Aber letztlich zeigt Christian Thielemann oder Anna Ne- auf eine wunderbare, langjährige Zusam- Dieses Mal haben wir einen noch besseren durchaus gut vertreten im Programm sind. (Das Gespräch führte Axel Brüggemann)

8 SAISON 2014 / 2015 9 SAISON 2014 / 2015 5. symphoniekonzert

»Technik lag mit in der Wiege«

Herr Volodos, sind Sie eigentlich ein Virtuose? lich klingen, aber so ist es nun einmal: Musikmachen ist für echte Nicht in dem Sinne, was die meisten dafür halten: jemand, der Musiker ein Kinderspiel. viele Noten in kurzer Zeit technisch brillant spielen kann. Davon Gibt es in dieser Offenheit auch eine Offenheit der Interpreta­ Das Umkreisen der gibt es unendlich viele. Aber ich glaube, die sind im Zirkus besser tion? aufgehoben als auf den Konzertpodien. Wenn das Virtuosen sind, Das ist unglaublich spannend – ja, natürlich! Als ich die »Unga- brauchen wir keine mehr, denn wir haben Computer. Sie können rischen Rhapsodien« als Jugendlicher gespielt habe, fand ich sie die Partituren sicherlich besser, schneller und genauer spielen als heiter, aufregend und schön. Inzwischen lese ich in ihnen die Mu- Russischen Seele wir Menschen. Für mich liegt das Virtuosentum in der Fähigkeit, sik der Melancholie, des stillen Leidens. Das sind auch die Punkte, eine Welt in Musik zu errichten. Ein Fehler, eine falsche Note sind an denen man erkennt, wie viel eigenes Leben in den Interpretatio- Arcadi Volodos, Daniele Gatti und die Staats- nur Beweise, dass hier Menschen am Werk sind und fühlen. nen steckt. Ich glaube inzwischen, dass Musik und Leiden sehr eng Die eigentliche Kunst besteht also nicht darin, die Noten korrekt zusammengehören. kapelle werden die Weltbilder in Tschaikowsky zu spielen, sondern ihnen einen Sinn zu geben? Das sagen viele Musiker. Vielleicht liegt es daran, dass sich die Auf jeden Fall eine Sinnlichkeit. Für mich ist ein Virtuose ein Zau- Menschen in der Musik und im Schmerz am nächsten sind – die und Schostakowitsch suchen. berer, ein Magier – und Musik ist die einzige bei denen geht es ja Kunst, die ohne ein in Klavierkonzert, das seiner Zeit unspielbar. Die Passagen seien so bruch- auch nur zum Teil um Gegenüber auskommt. weit voraus war, und eine Sym- stückhaft, unzusammenhängend und arm- die Technik, viel wich- Der Philosoph Peter phonie, die ihre Entstehungszeit selig komponiert, dass es nicht einmal mit tiger ist die Illusion, Sloterdijk hat einmal aus den individuellen Augen ei- Verbesserungen getan sei. Die Komposition der Aufbau einer phan- geschrieben, dass wir nes Komponisten durchleuchtet, selbst sei schlecht, trivial, vulgär.« tastischen Welt, das nur in der Musik sein stehen E auf dem Programm des 5. Sympho- Heute wissen wir, dass Rubinstein irrte. Spiel mit dem Schein können, wenn wir Mu- niekonzerts. Gleichzeitig ist es das Gip- Tschaikowsky hielt an seinen Ideen fest und und dem Sein. »Virtus« sik hören, dass es uns feltreffen zweier Superstars in russischen widmete das Stück Hans von Bülow, der kommt übrigens aus unmöglich ist, uns von Klangwelten: Zum einen kommt Arcadi Vo- das Konzert 1875 in Boston aus der Taufe dem Lateinischen und ihr und uns zu distan- lodos, einer der größten Pianisten unserer hob. Damit begann der Siegeszug dieses bedeutet Tugend – ein zieren. Zeit, dessen Virtuosität die Grundlage zur Klavierkonzerts rund um den Globus – bis Virtuose muss die Tu- Musik ist die unmittel- Emotionalität darstellt. Zum anderen wird heute ist dieses Werk, das mit seinem be- gend der Musik trans- barste aller Künste, und der Dirigent Daniele Gatti die Staatskapelle eindruckend hämmernden Einstieg über portieren, ihre unbe- gleichzeitig nimmt sie leiten. Er wurde gerade erst zum Nachfol- alle siebeneinhalb Oktaven des Instrumen- dingte Emotionalität. das gesamte Universum ger des großen Mariss Jansons beim Royal tes das Publikum begeistert, zum Fixpunkt Erst im Italienischen in sich auf. Musik er- Concertgebouw Orchestra in Amsterdam der Klavierliteratur geworden. wurde das »virtuoso« Arcadi Volodos zählt von der Erde und ernannt. Der Dirigent aus Mailand, der Eine ganz andere, eine suchende und zum Synonym für »fä- vom Mars. bereits mit 27 Jahren an der Scala debü- kreisende russische Seele lässt Dmitri hig«. Aber Fähigkeit ist eine Grundvoraussetzung des Musizierens Ist dem Pianisten all das bewusst, wenn er spielt, kennt er seine tierte und aktuell das Orchestre National Schostakowitsch in seiner zehnten Sympho- so wie in der Gymnastik oder in vielen anderen Disziplinen – sie ist eigene Botschaft überhaupt? de France leitet, der in Bayreuth dirigierte nie hören: Nach Stalins Machtergreifung an sich allerdings keine Besonderheit. Musik ist auf der einen Seite sicherlich eine Sache der Logik, aber und Chefdirigent am Zürcher Opernhaus und den sogenannten »antiformalistischen Aber dass die Finger laufen, ist doch eine Grundvoraussetzung, sie funktioniert nicht ohne Intuition und Spontaneität. Pianisten war, ist bekannt für seine empfindsame und Säuberungen« konnte der Komponist seine die man sich hart erarbeiten muss … müssen ja immer den Spagat zwischen Komponist und sich selbst Daniele Gatti seelensuchende Musiksprache. kreativen Ideen nicht mehr öffentlich auf- Da bin ich anderer Meinung. Die Technik ist einem in die Wiege überbrücken, zwischen dem Früher und dem Jetzt, dem Toten und Das Programm des Abends eröffnet ei- führen – er ging in innere Emigration und gelegt oder nicht. Ich sage Ihnen: Um eine schwierige Stelle zu dem Lebenden. Dabei kann man nicht definieren, wie viel Volodos nen tiefen Blick in die Abgründe der russi- schrieb hauptsächlich für die Schreibtisch- meistern, taugen die Hände gar nichts. Alles was sie brauchen, in meinem Tschaikowsky steckt, aber es ist doch erstaunlich, wie Freitag, 9. Januar 2015, 20 Uhr schen Seele. Als Pjotr I. Tschaikowsky dem schublade. Es ist unter Musikwissenschaft- ist der Kopf. Das Geheimnis der technischen Brillanz liegt allein viel man in der Musik über sich selbst erfährt. Samstag, 10. Januar 2015, 20 Uhr Gönner und Pianisten Nikolai Rubinstein lern bis heute umstritten, ob seine zehnte im Gehör. Ich kenne Pianisten, die schneller spielen als sie hören Was erfahren Sie denn genau über sich? Sonntag, 11. Januar 2015, 11 Uhr sein erstes Klavierkonzert zeigte, war die- Symphonie, die erste, die er nach langer können – das kann nicht gut gehen! Dann spielen sie am Ende nur Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil die Erfahrungen, die ich Semperoper Dresden ser entsetzt. Tschaikowsky erinnerte sich Pause in diesem Genre wieder in Angriff noch Noten. Aber das ist sinnlos und wider die Musik. Tonfolgen, mache, mir in der Sprache der Musik erscheinen und keine Worte 5. Symphoniekonzert später an diese Situation: »Ich spielte den nahm, konkret auf die russischen Verhält- harmonische Strukturen, die Form einer Komposition muss erst kennen. Daniele Gatti DIRIGENT ersten Satz. Nicht ein Wort, nicht eine Be- nisse anspielt – sicher aber ist, dass dieses verstanden werden, durch den Geist gehen, empfunden werden. Es heißt, dass Sie ungern Interviews geben. Quält es Sie, über Arcadi Volodos KLAVIER merkung… Ich fand die Kraft, das Konzert Werk, das 1953, unmittelbar nach dem Tod Erst wenn das der Fall ist, liegt sie ganz natürlich in den Händen. Musik zu sprechen? Pjotr I. Tschaikowsky ganz durchzuspielen. Weiterhin Schweigen. von Stalin aufgeführt wurde, auch die ver- Das lässt sich leicht sagen, wenn man’s kann. Sie sollten mich Es gibt angenehmere Dinge. Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23 ›Nun?‹ fragte ich, als ich mich vom Klavier zweigten und melancholischen Innenwelten mal üben hören … Wie wäre es mit diesem Vorschlag: Das nächste Gespräch neh- Dmitri Schostakowitsch erhob. Da ergoss sich ein Strom von Worten des Komponisten hören lässt, seinen ver- Dann sind Sie nicht zum Klavierspielen geboren, mein Freund. men wir auf CD auf. Ich stelle ihnen Fragen und Sie antworten Symphonie Nr. 10 e-Moll op. 93 aus Rubinsteins Mund. Sanft zunächst, wie zweifelten, musikalischen Blick auf seine Damit müssen Sie sich abfinden. Und das ist ja auch kein Problem. mit Musik. wenn er Kraft sammeln wollte, und schließ- Gegenwart, die aus den Fugen geraten ist. Ich glaube übrigens fest daran, dass auch Üben keinen Meister aus Dann würden Sie sicherlich viel klügere Dinge hören. Kostenlosen Einführungen jeweils 45 Minuten vor Konzertbeginn im lich ausbrechend mit der Gewalt des Jupiter Es ist eine große Symphonie, in der Weltge- Ihnen machen wird. Ich habe mich immer um das Üben gedrückt, Interview Axel Brüggemann Foyer des 3. Ranges der Semperoper Tonans. Mein Konzert sei wertlos, völlig schichte auf Empfindsamkeit trifft. und mich selten gequält, wenn ich geübt habe. Das mag überheb-

10 SAISON 2014 / 2015 11 SAISON 2014 / 2015 Mit Humperdincks »Königskinder« und Debussys »Pelléas et Mélisande« feiern zwei Opern­ besonderheiten Premiere an der Semperoper Jenseits des gängigen Opern-ABCs

wie »Aida«, B wie »La berührende Geschichte über das Scheitern das für sein effektvolles Bildertheater be- bohème«, C wie »Carmen«, von Menschlichkeit in einer egozentrischen rühmt ist, ein symbolträchtiges, mystisches D wie »Don Giovanni«, E wie Gesellschaft. Die Menschlichkeit, dafür Universum. Dabei bleibt die Familientra-

»Elektra« … Im Opern-ABC stehen in diesem Fall drei Märchenfiguren: gödie rund um das Liebespaar Pelléas und Engelbert Humperdinck Claude Debussy der bekanntesten und belieb- eine Gänsemagd, ein Königssohn und ein die seinem Bruder angetraute Mélisande Königskinder Pelléas et Mélisande testen Opern findet man unter K höchst- Spielmann. Gänsemagd und Königssohn als das bestehen, als das Debussy sie zeich- A Märchenoper in drei Aufzügen Oper in fünf Bildern nete: ein geheimnisvolles Netz an Bezie- wahrscheinlich Janáčeks »Katja Kabanowa« lieben einander und wollen ihre Liebe In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln und unter P Wagners »Parsifal«. Doch es mithilfe des Spielmanns in die Welt der hungen und Andeutungen. »Ich glaube, ich muss ja nicht immer das Bekannte und Hellastädter tragen. Doch diese haben werde meine Musik niemals in eine zu kor- Lothar Koenigs Musikalische Leitung Marc Soustrot Musikalische Leitung Bewährte sein. Im Gegenteil: Gerade die kein Interesse. Lediglich um Ansehen geht rekte Welt einschließen können«, bekannte Jetske Mijnssen Inszenierung Àlex Ollé (La Fura dels Baus) Inszenierung Entdeckung von Neuem oder die Wiederbe- es ihnen; von Raffgier sind sie getrieben, Debussy. »Ich möchte lieber etwas, bei dem Christian Schmidt Bühnenbild & Kostüme Alfons Flores Bühnenbild Fabio Antoci Licht Lluc Castells Kostüme lebung von fast Vergessenem machen einen von Äußerlichkeiten verzückt. Ihr einziger die Handlung irgendwie dem Ausdruck Wolfram Tetzner Chor Marco Filibeck Licht Opernspielplan erst abwechslungsreich. Wunsch: ein repräsentativer König, der der seelischer Empfindungen unterworfen Claudia Sebastian-Bertsch Kinderchor Wolfram Tetzner Chor Anstatt deshalb zu »Katja Kabanowa« und Herrlichkeit ihrer Stadt die Krone aufsetzen würde, der bis ins Letzte ausgekostet wird.« Valeska Stern Dramaturgie Anna Melcher Dramaturgie »Parsifal« zu greifen, wartet die Semper­ soll. Doch anstelle des erwartet prunkvol- Dieses Etwas fand er bei Maurice Mae- oper Dresden im Winter 2014/15 gleich mit len Königspaares präsentieren sich der zer- terlincks symbolistischem Theaterstück, Tomislav Mužek Der Königssohn Camilla Tilling Mélisande zwei ganz außergewöhnlichen Schmuck- lumpte Königssohn und seine Gänsemagd das ihm als Vorlage diente und das er mit Barbara Senator Die Gänsemagd Christa Mayer Geneviève Christoph Pohl Der Spielmann Phillip Addis Pelléas stücken auf: Engelbert Humperdincks als neue Regenten und die Profitgier der einer »musique compassionelle«, einer Tichina Vaughn Die Hexe Oliver Zwarg Golaud »Königskinder« und Claude Debussys Hellastädter wandelt sich in Wut. Erbost mitleidenden Musik, ausstattete. Es war Michael Eder Der Holzhacker Tilmann Rönnebeck Arkel »Pelléas et Mélisande«. Beide Komponisten jagen sie die verkannten Königskinder aus ein absolutes Novum in dem von der Grand Tom Martinsen Der Besenbinder N.N. Yniold sind Klassikfreunden ein Begriff, doch nur der Stadt und verkrüppeln den Spielmann. Opéra beherrschten Paris des Jahres 1902, Alexander Hajek Der Wirt Tomislav Lucic Ein Arzt selten kennt man das zweite überregional Eine Einsicht über ihren großen Verlust eine Abkehr von den überkommenen Kom- Christina Bock Die Wirtstochter Gerald Hupach Der Schneider Sächsischer Staatsopernchor Dresden erfolgreiche Werk des »Hänsel und Gretel«- bleibt aus: Die Liebe haben sie verstoßen – positionsregeln, ein Aufbruch in eine neue Rebecca Raffell Die Stallmagd Sächsische Staatskapelle Dresden Schöpfers Humperdinck oder den einzigen doch Hauptsache die goldene Krone des musikalische Sprache. Heute, 112 Jahre Matthias Henneberg Der Ratsälteste musiktheatralen Erfolg seines französi- Königssohns konnten sie ergattern … Am nach der Uraufführung, ist »Pelléas et Méli- Pavol Kubán erster Torwächter schen Zeitgenossen Debussy. 19. Dezember 2014 feiert Engelbert Hum- sande« bei Regisseuren wie beim Publikum Julian Arsenault zweiter Torwächter Warum das so ist? Bei ersterem mag perdincks zu Herzen gehende Oper in der wegen seines breiten Interpretationsspiel- Dresdner Kreuzchor Das Kind der Grund vielleicht eine falsche Kategori- Regie von Jetske Mijnssen und unter der raums zunehmend beliebt – Zeit, dass die Sächsischer Staatsopernchor Dresden sierung des Stückes sein, letzteres irritiert musikalischen Leitung von Lothar Koenigs Oper auch in Dresden, nach der Erstauffüh- Kinderchor der Sächsischen Staatsoper Dresden zunächst durch eine schwer zu deutende an der Semperoper Premiere. Ausgehend rung 1978 in der Inszenierung von Harry Sächsische Staatskapelle Dresden Traumsprache. Als Märchenoper in drei von einer mit Traumfäden durchzogenen Kupfer, einmal wieder erklingt! Fünf Wo- Akten ist »Königskinder« überschrieben – Realität, die gestern wie heute stattfinden chen nach der Premiere der »Königskinder« Premiere Premiere da imaginiert sich der »Hänsel und Gretel«- könnte, entdeckt das Regieteam das selten haben die Dresdner am 24. Januar 2015 19. Dezember 2014 24. Januar 2015 treue Zuhörer schnell einmal eine Fortset- gespielte Juwel für Dresden neu. deshalb die Chance, mit Debussys »Pelléas Vorstellungen Vorstellungen zung der beliebten Weihnachtsgeschichte Auf ganz andere Weise wiederum et Mélisande« eine weitere Rarität in ihrer 22., 29. Dezember 2014 & 26. Januar & 1., 5., 8., 11. Februar 2015 für Groß und Klein. Doch weit gefehlt: »Kö- kommt das katalanische Regiekollektiv Semperoper zu erleben und das eigene 3., 11., 17., 25. Januar 2015 nigskinder« ist kein Weihnachtsstück, keine »La Fura dels Baus« dem ebenfalls großen Opern-ABC um ein paar noch unbekannte Kinderoper und erst recht kein Märchen. Publikumsschichten unbekannten »Pelléas Buchstaben zu erweitern. Kostenlose Werkeinführung jeweils 45 Minuten Kostenlose Werkeinführung jeweils 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Foyer des 3. Ranges. vor Vorstellungsbeginn im Foyer des 3. Ranges. Dem Zuhörer entpuppt es sich als traurig- et Mélisande« näher. Unter der szenischen Valeska Stern, Autorin Leitung von Àlex Ollé errichtet das Team, Mit freundlicher Unterstützung der Ausstattungspartner: Rudolf Wöhrl AG Stiftung zur Förderung der Semperoper Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung zur Förderung der Semperoper

12 SAISON 2014 / 2015 13 SAISON 2014 / 2015 atthias Creutziger ist das fotografiert hat. »Mir geht es um die Au- Viele seiner Musikerporträts waren im Auge der Staatskapelle. genblicke der Selbstvergessenheit«, sagt er, Oktober in einer Ausstellung im Kunstverein Seit 1983 begleitet er als »in denen der Künstler mit seinem Tun ver- Freital zu sehen. »Die Voraussetzungen für Fotograf das Orchester, schmilzt, in dem sich die Distanz zwischen meine Arbeit sind Besessenheit, Sensibilität, seit elf Jahren als offizieller Betrachter und Musiker auflöst.« Konzentration, Disziplin, Abstrahierungs- Fotograf M der Kapelle und der Semper­oper. Nebenbei ist Creutziger passionierter vermögen, Formgefühl, Achtung und Res- Kein Künstler auf der Bühne der Semper- Jazzfan. Regelmäßig fotografiert er die Auf- pekt vor den Menschen und mir selbst«, sagt oper, den er nicht in typischen Momenten tritte im Dresdner Jazzclub »Tonne«, reist zu Creutziger. Festivals und hat gerade Bilder zu »50 Jah- Am liebsten veröffentlicht er in schwarz- ren Jazzfest Berlin« veröffentlicht. weiß, »das ist besser, um das Individuelle des einzelnen Menschen zu erkennen. Farbe lenkt für mich nur ab.«

Gery Allen, 2009

Enrico Rava, 2011

Giuseppe Sinopoli, 1998

Ron Carter, 2009

Mitsuko Uchida, 2010

Christian Thielemann, 2011

Elvin Jones, 1996

Georges Prêtre, 2006

David Robertson, 2014

Wenn d Henri Texier, 2001 as A zu h uge ören Lang Lang, 2009 beginnt John Scofield, 2013

14 SAISON 2014 / 2015 15 SAISON 2014 / 2015 Welche Bedeutung hat der Musikjournalismus? Über den Sinn und Unsinn von Musikkritik wird aktuell leidenschaftlich s ist kein Geheimnis: Die klassi- heute eine hochkarätig besetzte Opern- gestritten – im Feuilleton der großen Tageszeitungen wie auch in zahlrei- sche Musikkritik, das einstige premiere mit einem Vorbericht würdigen, chen Internetforen. Julia Spinola und Axel Brüggemann, zwei der renom- Kerngeschäft des Musikjour- statt das vom Publikum teuer bezahlte und nalismus, ist eine totgesagte verbindlich als Sternstunde gebuchte Er- miertesten deutschen Musikjournalisten, nehmen dazu Stellung. und scheinbar vom Aussterben eignis am nächsten Tag mieszumachen und bedrohte E Gattung. Vorbei die Zeiten, da kaputtzuschreiben? ne Nachfrage, heißt es. Aber sind die Leser sie waren, wie es heute heißt, transparent. der Großkritiker – die Partitur unterm Im Gegenteil: Mehr denn je brauchen Schuld? Das Desinteresse an der Klassik? Eine Musikkritik, die ihre Unabhängigkeit Arm, mit wehendem Seidenschal – noch wir musikbesessene und urteilsfähige Die Verdummung der Bevölkerung? Der ös- nur vorgaukelt, ist heuchlerisch und verliert verlässlich die Aura bildungsbürgerlicher Kritiker, die in der Lage sind, etwas von terreichische Liedermacher Georg Kreisler zu Recht Vertrauen. Meinungshoheit verströmte. Der rich- den sublimen Botschaften der Musik zu hat einmal gedichtet: »Ich hab zwar keine In den letzten Jahren hat sich eine ande- tungsweisende Rezensent gilt heute als vermitteln, die Wahrnehmung zu schärfen, Ahnung, was Musik ist, denn ich bin beruf- re Form des Musikjournalismus entwickelt. kulturkritischer Griesgram. In Zeiten des Zugänge zu ermöglichen und, nicht zuletzt, lich Pharmazeut, aber ich weiß sehr gut, Ihr geht es weniger um das Kritisieren als medialen Umbruchs, der Cross-Over- und ihre Leidenschaft mit dem Leser zu teilen. was Kritik ist: Je schlechter, umso mehr um Diskussionen und Gespräche. Sie pflegt der Eventkultur ist er ein Auslaufmodell. Es In einer Zeit, da die Programmhefte immer freu’n sich die Leut.« Dialog statt Einbahnstraße. Die Heimat für gibt für Chefredakteure und Herausgeber dünner werden, die »Stars« nach immer Ich befürchte, dass sehr viel Wahrheit in diese Art des musikalischen Journalismus mittlerweile kaum etwas Abtörnenderes, beliebigeren Kriterien in den Promotion- diesem Reim liegt. Musikkritik ist oft zu ei- ist das Internet, aber auch Magazine, die Abgestandeneres und Langweiligeres als Himmel geschossen werden und eine allge- nem Geschäft von Daumen hoch oder Dau- zunächst nicht in das Klassik-Raster fallen: Musikkritiken. Denn immerhin ist – ich genwärtige PR- und Reklamemaschinerie men runter geworden. Ich selbst habe über Der Rolling Stone, Cicero, einige Flächen zitiere eine kürzlich verstorbene Feuilleton- das ästhetische Unterscheidungsvermögen 15 Jahre lang in diesem Zirkus mitgespielt: bei arte oder im ZDF, das Magazin crescen- Größe – »das Konzert ja immer schon vor- des Einzelnen auf eine harte Probe stellt, Die gleichen Kollegen an den gleichen Or- do, zunehmend auch Opern oder Orchester bei, wenn die Kritik erscheint«. Nicht nur steht der Musikkritiker umso dringlicher ten – heute Paris, morgen Berlin, übermor- selber, die merken, dass sie im klassischen bekommt die Musik in den schrumpfenden in der Verantwortung, ein spontanes, au- gen New York. Reisen, sehen, schreiben. Zeitungsjournalismus kaum noch vorkom- Feuilletons generell einen immer geringe- thentisches und reflektiertes musikalisches Das ist ermüdend. Und, man konkurriert men. Egal, ob in den Kinoübertragungen ren Platz zugesprochen, auch innerhalb des Urteil zu formulieren, an dem sich der um Deutungshoheit. Musikkritik wird zur der Bayreuther Festspiele, beim Public Vie- Ressorts hat sich der Fokus verschoben: Leser reiben kann. Musik ist etwas sehr Exegese, deren Heilige Schriften von Mo- wing in Dresden oder beim ECHO Klassik – weg vom Werk und seiner musikalischen Flüchtiges. So tief sie uns auch berühren zart, Wagner oder Verdi stammen. Oft geht ich merke, dass diese Kultureinrichtungen Interpretation hin zu Personenkult und kann, so schwer scheint es doch, nach dem es nur noch darum, besonders gemeine oft freier denken als manch etabliertes Me- Society-Geplauder. An die Stelle der Kri- Verlassen des Konzertsaals die Erinnerung fügen. Wir brauchen weder kulturkritische Formulierungen zu finden, besonders klug dium. Debatte und Streit werden gefordert tik tritt die Tipp- und Service-Kultur, die an das Gehörte festzuhalten, um etwas von Erbsenzähler noch dampfplaudernde Re- zu wirken, die Klassik als Kunst der Wis- und gefördert. Vielleicht, weil viele Kul- vorab auf die musikalischen Highlights der dem, was uns berührt hat, in Worte zu fas- klametexter, sondern urteilsstarke, geistig senden zu behaupten und um seine eigene turanbieter längst wissen, dass ihre Kunst Woche hinweist. Als Konsequenz arbeiten sen, gar zu begründen. Hier liefert die Kri- unabhängige und eigenwillige Denker. Nur Position als Hüter des Heiligen Grals. Kritik erst durch Diskussion spannend wird und die Bereiche des Musikjournalismus und tik einen ersten Deutungsvorschlag, eine so kann Musikjournalismus heute seiner ist eine Einbahnstraße. Niemand kritisiert Zeitungen das nur noch selten liefern. des PR-Marketings längst so unbefangen erste Versprachlichung, von der Impulse Verantwortung gerecht werden, den ästhe- ie größten Musikkritiker für den Kritiker. Warum sollte die Leser das Ich bin fest davon überzeugt, dass un- Hand in Hand, als spiele es keine Rolle, ausgehen können zu einer Auseinanderset- tischen Diskurs am Leben zu erhalten. mich waren die Musiker. interessieren? sere Kunst zu klein ist, um ideologische dass es im einen Fall um die Vermarktung zung mit dem Gehörten. Was wäre Johannes Brahms Musikkritik gibt sich unbestechlich. Das Grabenkämpfe zu führen. Ich glaube fest von Musikern geht, im anderen um eine Die Musikkritik ist daher nach wie vor ohne die Essays von Robert ist sie natürlich nicht. Zeitungs-Etats erlau- an die fundierte Musikkritik und bedauere, kritische Auseinandersetzung mit ihren die Kernaufgabe des Musikjournalismus, Schumann? Wie herrlich böse ben kaum Reisen, Opern- und Festspielhäu- dass sie aus dem Feuilleton verschwindet. Interpretationen. Alle rühren ein wenig mit auch wenn sich die Anforderungen an konntenD Hector Berlioz oder Richard Wag- ser übernehmen die Kosten. Niemand redet Ebenso fest glaube ich aber an einen Mu- am süßen Brei des Musikbetriebs, würzen, sie stark gewandelt haben. Was wir heute ner sein! Und dann die Edelfedern: Eduard darüber. Während festangestellte Musikre- sikjournalismus, der leidenschaftlich und schmecken ab und picken gelegentlich eine brauchen, sind keine weltfremden Kritiker- Hanslick und Heinrich Heine mit ihren dakteure auf ihre Rente warten, kämpfen persönlich ist. Beides geht Hand in Hand – Rosine heraus. päpste, die lediglich den Daumen hoch oder Spottschriften, Nietzsche und Adorno als freie Journalisten oft ums Überleben. Eine wenn es seine Leser findet. Aber haben wir ihn je gebraucht: jenen runter halten und dem Publikum vorschrei- Musikdenker. Für sie ging es nur selten um Lokalzeitung zahlt 50 oder 70 Euro pro in der heiligen Tiefe der Werke grabenden ben möchten, wie es zu hören habe. Es gibt einen falschen Ton oder eine vergeigte Ach- Text – im Westen mehr, im Osten weniger. Spezialisten des kulturellen Kanons, dem kein Bildungsbürgertum mehr und keinen tel. Musik war für sie Anlass, über wesent- Anreise, Aufführung, Schreiben, Steuern – die Werke alles bedeuten, die Welt um verbindlichen Kanon, dessen Kenntnis liche Dinge nachzudenken: Sehnsüchte, der Mindestlohn ist hier eine Farce. Feste sie herum dagegen nichts? Stand er nicht man voraussetzen könnte. Umso brillantere Ängste, Politik oder Gesellschaft. Redakteure und freie Kritiker haben die Axel Brüggemann wurde 1971 in Bre- seit je im Verdacht, ein beckmesserischer Dolmetscher müssen die Musikkritiker von Julia Spinola studierte Schauspiel, Musik- Und heute? Die Musikkritik steckt in der Ausweitung der Geschäftszone entdeckt men geboren. Lange war er Musikkritiker und Fehlergucker zu sein, oder schlimmer heute sein. Wir brauchen Musikjournalis- wissenschaft, Sprachwissenschaft, Philosophie Krise. Dafür nur das Internet verantwort- (entweder weil es hier Platz gibt oder weil Textchef bei der Welt am Sonntag, dann Chef- noch: ein ressentimentgeladener Schön- ten, die für ihre Sache brennen, die über und Soziologie in München, Köln und Frankfurt lich zu machen, wäre zu einfach. Vor zehn sie hier Geld verdienen können): Booklets, redakteur bei crescendo. Heute arbeitet er als heitshasser von Berufs wegen? »Es gehört eine fundierte musikalische Bildung hinaus am Main. Von 2000 bis 2013 war sie Musikredak- Jahren wurde von Premieren in Oldenburg, das Podium im Theater, Bücher über Künst- Buch- und Drehbuchautor (u.a. für ZDF/arte), zu meinen Pflichten, Schönes zu vernichten auch das gesellschaftliche, politische und teurin der F.A.Z., von 2008 an leitete sie dort das Konzerten in Halle und Kammermusik- ler. Sie pflegen Freundschaften oder per- moderiert die Kinoübertragungen in Bayreuth, als Musikkritiker«, singt der berüchtigte kulturelle Zeitgeschehen im Blick haben Musikressort. Schreibt heute als freiberufliche Aufführungen in Dresden berichtet. Damit sönliche Animositäten. Schumann, Berlioz, das Public Viewing in Dresden und schreibt für Musikkritiker in Georg Kreislers gleichna- und die außerdem über eine professionelle Musikkritikerin vor allem für DIE ZEIT, Fonofo- ist Schluss, die Kritik ist eine Besonderheit Hanslick oder Adorno haben aus ihren per- zahlreiche Medien. migem Lied. Ist es da am Ende nicht viel Sachkompetenz in den verschiedensten rum und den Deutschlandfunk. in der alltäglichen Zeitung geworden. Kei- sönlichen Motiven keinen Hehl gemacht, anständiger, wenn Musikjournalisten von Formen der medialen Kommunikation ver-

16 SAISON 2014 / 2015 17 SAISON 2014 / 2015 Die Konzerte der Staatskapelle von November bis Oktober Konzertvorschau

24 Geschenkideen Kapelle für Kids Bundespräsident Joachim Gauck Daniele Gatti Donnerstag, 20.11.2014, 20 Uhr Sonntag, 23.11.2014, 11 & 15 Uhr Mittwoch, 16.12.2014, 19 Uhr Freitag, 9.1.2015, 20 Uhr für den Adventskalender Semperoper Dresden Montag, 24.11.2014, 9:30 Uhr Marienberg, Marienkirche Samstag, 10.1.2015, 20 Uhr 2. Kammerabend Dienstag, 25.11.2014, 9:30 & 11 Uhr ZDF-Weihnachts- Sonntag, 11.1.2015, 11 Uhr Semper 2 Semperoper Dresden Carolina Ullrich Sopran konzert des Paul Rivinius Klavier Kapelle für Kids Bundespräsidenten 5. Symphoniekonzert

Following on from their recording of the Eighth, Christian Thielemann and the Staatskapelle Bruckner’s Eighth is one of the most powerful works in music and the symphony Klavier Moder ation Dirigent Dresden are continuing their internationally acclaimed Bruckner cycle with the Symphony No. 5. that Bruckner himself regarded as his “opus summum”. This recording by the Gunther Anger Julius Rönnebeck Dresdner Kreuzchor Daniele Gatti For Anton Bruckner, his Fifth Symphony was a glorious confrontation with the music of the past acknowledged Bruckner master Christian Thielemann and “his” orchestra, the – from a personal, biographical angle, but also as a departure from the composition techniques Staatskapelle Dresden, marks the beginning of a cycle of the Austrian composer’s he preferred up to this point. Not for nothingRicha is this tremendousRd Stopus magnumRau regardedSS as complete symphonies that is to be produced over the course of several years – a living Bruckner’s “contrapuntal masterpiece”. In this universally lauded performance, Christian monument of musical architecture! Thielemann’s Bruckner “is so mighty, and with Jobst Schneiderat Klavier Puppe Alma mit Arcadi Volodos Klavier Thielemann, already the leading Bruckner interpreter of our times, has once again proven such a depth of sound … that one would have to be hard-hearted not to be touched Sächsische Staatskapelle Dresden himself to be a “magician of the Bruckner sound”. (Kurier) by this heartfelt music” (Der Tagesspiegel). c hristian Thielemann Bruckner Symphony n o . 5 c hristian Thielemann Bruckner Symphony n o . 8 Renée Fleming · thomaS hampSon · gabRiela benˇ acˇ ková AnTon Bruckner AnTon Bruckner Matthias Wollong Violine Magdalene Schaefer albeRt dohmen · hanna-eliSabeth mülleR · daniel behle Pjotr I. Tschaikowsky Symphony no. 5 in B flat major Symphony no. 8 in c minor Das Programm wird später SächSiScheR StaatSopeRnchoR dReSden B-dur · en si bémol majeur c-moll · en ut mineur StaatSkapelle dReSden Norbert Anger Violoncello Anselm Telle VIOLINE Staatskapelle Dresden chRiStian thielemann Staatskapelle Dresden christian Thielemann christian Thielemann Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23 Staatskapelle Dresden Staatskapelle Dresden bekannt gegeben. Stage diRectoR Video Director: Henning Kasten Video Director: Henning Kasten FloRentine kleppeR Simon Kalbhenn VIOLONCEllO video diRectoR Richard Strauss bRian laRge Sendetermin im ZDF: Dmitri Schostakowitsch Johannes Wulf-Woesten KLAVIER Violinsonate Es-Dur op. 18 Symphonie Nr. 10 e-Moll op. 93 Bruckner Bruckner 24. Dezember 2014, ab 18 Uhr Symphony no. 5 Symphony no. 8 Violoncellosonate F-Dur op. 6 »Saitenweise Tasten« –

FilmeD in PiCture Format SounD FormatS region CoDe total running time FilmeD in PiCture Format christianSounD FormatS Thielemann region CoDe total running time christian Thielemann HigH Definition ntsc Pcm stereo 0 (WorlDWiDe) 89 mins HigH Definition ntsc Pcm stereo 0 (WorlDWiDe) 88 mins Kostenlose Einführungen jeweils maStereD From 16:9 Dts 5.1 maStereD From 16:9 StaatskapelleDts 5.1 Dresden Staatskapelle Dresden an HD source surrounD sounD 717808 an HD source 716108 »« op. 10/3 Das Klaviertrio 717808 716108 a production of unitel in cooperation with Semperoper Dresden and ClaSSiCa a production of un itel ClaSSiCa in cooperation with Semperoper Dresden C 2013 unitel C 2012 unitel P 2014/artwork editorial C 2014 C major entertainment gmbH, Berlin ENTERTAINMENT GMBH P 2014/artwork editorial C 2014 C major entertainment · lC 15762 ENTERTAINMENT GMBH 45 Minuten vor Beginn im Foyer Photos C matthias Creutziger LC 15762 a n t oPhotos n B C r m uatthias C K Creutziger n e r t H e S Y m P H o n i e S a n t o n B r u C K n e r t H e S Y m P H o n i e S C h r i s t i a n T h i e l e m a n n | S t a a t s k a p e l l e D r e s d e n C h r i s t i a n T h i e l e m a n n | S t a a t s k a p e l l e D r e s d e n www.shop.cmajor-entertainment.com i www.unitelclassica.com i this disc is copy protected i made in austria www.shop.cmajor-entertainment.com i www.unitelclassica.com i this disc is copy protected i made in austria »Breit über mein Haupt dein

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ENTERTAINMENT GMBGMBHH ENTERTAINMENT GMBGMBHH schwarzes Haar« op. 19/2 ENTERTAINMENT GMBH »Hat gesagt – bleibt’s nicht dabei« op. 36/3 »Liebeshymnus« op. 32/3 »Ach was Kummer, Qual und

Schmerzen« op. 49/8 Anna Netrebko »« op. 10/8 »Beim Schlafengehen« op. 150/3 Elīna Garanča Sonntag, 28.12.2014, 20 Uhr Semperoper Dresden Samstag, 29.11.2014, 18 Uhr Christian Thielemann Frauenkirche Dresden Silvesterkonzert Freitag, 6.2.2015, 20 Uhr Adventskonzert der Staatskapelle Dresden Samstag, 7.2.2015, 19 Uhr des ZDF Sonntag, 8.2.2015, 11 Uhr Christian Thielemann Dirigent Pablo Heras-Casado Dirigent Semperoper Dresden Anna Netrebko Sopran

Edition Profil Günter Christiane Karg Sopran Hänssler Juan Diego Flórez Tenor 6. Symphoniekonzert Elīna Garanča Mezzosopran Sächsischer Staatsopernchor Christian Thielemann Dirigent Christian Thielemann Joseph Calleja Tenor Nikolaj Znaider Violine FERRUCCIO BUSONI Dresden Nocturne Symphonique op. 43 Kammerchor der Frauenkirche HANS PFITZNER Piano Concerto op. 31 Sonntag, 23.11.2014, 18 Uhr MAX REGER Emmerich Kálmán Dmitri Schostakowitsch A Romantic Suite op. 125 Montag, 24.11.2014, 20 Uhr Sächsischer Staatsopernchor Tzimon Barto Piano »Die Csárdásfürstin« Violinkonzert Nr. 1 a-Moll op. 77 Staatskapelle Dresden Dresden Christian Thielemann Semperoper Dresden Pjotr I. Tschaikowsky vol. 34 Konzertante Aufführung 4. Symphoniekonzert Das Programm wird noch bekannt gegeben. Sendetermin im ZDF: Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 74 Christian Thielemann Dirigent »Pathétique« Kartenvorverkauf über den Ticket- 28. Dezember 2014, ab ca. 22 Uhr Renée Fleming Sopran service der Stiftung Frauenkirche Robert Langbein Horn Dresden Richard Strauss Georg-Treu-Platz 3,1. OG Hornkonzert Nr. 1 Es-Dur op. 11 01067 Dresden »Reisefieber und Walzerszene«, Telefon: (0351) 656 06 701 Erstes symphonisches Zwischenspiel Fax: (0351) 656 06 703 aus »Intermezzo« op. 72 E-Mail: ticket@frauenkirche- »Meinem Kinde« op. 37/3 dresden.de »Liebeshymnus« op. 32/3 »Das Bächlein« o. op. 118 Sendetermin im ZDF: »Ruhe, meine Seele« op. 27/1 30. November 2014, ab 18 Uhr »Die heiligen drei Könige aus Morgenland« op. 56/6 Angefangen von aktuellen CDs und DVDs mögen – unvergesslich machen. Mit dabei sischen Staatskapelle Dresden. Allen Be- »Frühlingsfeier« op. 56/6 bis hin zu praktischen und teils auch witzi- auch eine DVD, die noch im Dezember suchern, die dabei waren, sind die beiden »Also sprach Zarathustra« op. 30 gen Merchandisingprodukten der Staatska- erscheinen wird: die Aufnahme der »Letz- Konzerte im Juni dieses Jahres als wahre Kostenlose Einführungen jeweils pelle: Mit diesen 24 Geschenkideen stellen ten Lieder« und der »Alpensinfonie« von Sternstunden in Erinnerung. Sämtliche der 45 Minuten vor Beginn im Foyer Sie einen Adventskalender zusammen, mit Richard Strauss – mit Anja Harteros, Chris- hier aufgeführten Produkte finden Sie auch des 3. Ranges der Semperoper Impressum Herausgegeben von der Staatskapelle Dresden Tickets in der Schinkelwache dem Sie sich – so denn Sie ihn verschenken tian Thielemann und natürlich der Säch- im Shop der Semperoper! Texte: Axel Brüggemann am Theaterplatz Redaktion: Matthias Claudi Gestaltung und Layout: Telefon (0351) 4911 705 schech.net | Strategie. Kommunikation. Design. Druck: Dresdner Verlagshaus Druck GmbH Fax (0351) 4911 700 Fotos: Titel: Dario Acosta, alle anderen Fotos: Matthias Creutziger und Agenturbilder [email protected] Redaktionsschluss: 11. November 2014 Änderungen vorbehalten www.staatskapelle-dresden.de www.staatskapelle-dresden.de

18 SAISON 2014 / 2015 19 SAISON 2014 / 2015 IHre PremIere BesuCHen sIe den Ort, an dem autOmOBIlBau eIner Perfekten kOmPOsItIOn fOlGt: dIe GlÄserne manufaktur VOn VOlkswaGen In dresden.

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