Reinhard Wolfgang Heinemann

Dokumentation und Bewertung der Infrastruktur-Investitionen Sachsens im Verkehrsbereich 1991 bis 2006 Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für eine weitere Verkehrs-Infrastruktur-Finanzierung und Förderung DokumentationBewertungund 2006 bis Infrastruktur-Investitionen der Sachsens Verkehrsbereichim 1991

kassel university

978-3-89958-932-0 Heinemann Reinhard Wolfgang press

Reinhard Wolfgang Heinemann

Dokumentation und Bewertung der Infrastruktur-Investitionen Sachsens im Verkehrsbereich 1991 bis 2006 Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für eine weitere Verkehrs-Infrastruktur-Finanzierung und Förderung

kassel university press Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung der Universität Kassel als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Dr. rer. pol.) angenommen.

Erster Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Helmut Holzapfel Zweiter Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Konrad Spang

Tag der mündlichen Prüfung 23. April 2010

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Zugl.: Kassel, Univ., Diss. 2010 ISBN print: 978-3-89958-932-0 ISBN online: 978-3-89958-933-7 URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0002-9330

© 2010, kassel university press GmbH, Kassel www.upress.uni-kassel.de

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Die vorliegende Arbeit entstand aus wissenschaftlichem Eigeninitiative mit der Zielsetzung, die berufliche Tätigkeit im verkehrspolitischen Bereich des Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit zwischen 1991 und 2002 kritisch zu analysieren, zu bewerten und Folgerungen, Empfehlungen für zukünftiges verkehrspolitisches Handeln in Sachsen zu geben.

Der gewählte Zeitrahmen umfasst die entscheidenden Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands, während der alle Anstrengungen darauf gerichtet waren, den verfassungs- mäßigen Auftrag zur Herstellung vergleichbarer Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu erfüllen. Die Arbeit soll so dazu beitragen, die einmalige und besondere Situation staatlichen Handelns nach der Wiederherstellung des Freistaates Sachsen deutlich zu machen und in ihrer Wirksamkeit zu bewerten.

Literatur und statistisches Zahlenmaterial konnten bis Herbst 2009 berücksichtigt werden.

Mein besonderer Dank gilt den beiden Hauptgutachtern, Herrn Prof. Dr.-Ing. Helmut Holzapfel und Herrn Prof. Dr.-Ing. Konrad Spang, die mir nach einer ersten Vorlage des Manuskriptes im Sommer 2009 mit kritischen und zugleich konstruktiven Anregungen eine große Hilfe waren. Ihnen verdanke ich den Vorschlag, im Rahmen der Bewertung der Verkehrsinvestitionen in Sachsen Experten mit einzubeziehen, die das verkehrspolitische Handeln der Jahre 1991 bis 2002 entscheidend mitgeprägt haben.

Mein Dank gilt auch den Herren Prof. Dipl.-Ing. Alexander Eichenlaub und Prof. Dr.-Ing Uwe Köhler, die während der Disputation meine Arbeit mit beurteilt und bewertet haben.

Nicht vergessen möchte ich den 14 Fachkollegen zu danken, die als Experten aus den verschiedenen Verkehrsbereichen ihre Beurteilung des Handelns in Sachsen einbrachten und die Arbeit bereicherten. Ihre Funktionen und Namen sind in Anhang I dokumentiert.

Gewidmet ist die Arbeit voller Dank meiner Frau Mechthild Heinemann und meinen beiden Söhnen, Dr .rer. nat. Christoph Heinemann und Dr. jur. Tobias Heinemann, die mir immer mit Verständnis, Rat und Tat zur Seite standen.

3

4 Inhaltsverzeichnis

Einleitung...... 9

1. Verkehrspolitische Ausgangssituation in Sachsen im Jahr 1991...... 14

2. Verkehrsentwicklungsziele Sachsens und deren inhaltliche Grundlagen . 16

2. 1 Bestand und Defizite in der Infrastruktur Sachsens im Vergleich zu westdeutschen Ländern...... 18 2. 1. 1 Eisenbahnen ...... 18 2. 1. 2 Straßen ...... 19 2. 1. 3 Wasserstraßen und Hafenanlagen...... 20 2. 1. 4 Öffentlicher Personennahverkehr ...... 21 2. 1. 5 Flughäfen ...... 22 2. 1. 6 Zusammenfassende Darstellung der Defizite und des Nachholbedarfs in den einzelnen Verkehrsbereichen ...... 24

2. 2 Mobilität und Motorisierung der Bevölkerung in den Ballungsräumen Sachsens 1972 bis 2008...... 25

2. 3 Qualitative und quantitative Maßstäbe für eine angemessene Verkehrsinfrastruktur in Sachsen ...... 29

2. 4 Verkehrspolitische und wirtschaftspolitische Entwicklungsziele für die verschiedenen Verkehrsbereiche in Sachsen...... 32

2. 5 Verkehrsprognose für den Freistaat Sachsen ...... 34

3. Geschätzter Investitionsbedarf und beabsichtigte Finanzierung ...... 38

3. 1 Infrastruktureller Nachholbedarf im Verkehrswesen der ostdeutschen Länder und Sachsens 1990/91, 1999 und 2005 ...... 38

3. 2 Investitionsbedarf für die gesamte Verkehrsinfrastruktur Sachsens...... 39

3. 3 Beabsichtigte Finanzierung der Vorhaben aus der Sicht Sachsens ...... 41

4. Tatsächliche Investitionstätigkeit 1991 – 2006 in Sachsen – Halbzeitbilanz des Landesverkehrsplan...... 42

4. 1 Grundsätzliche Betrachtung...... 42

4. 2 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit ...... 45

5 4. 3 Bahnprojekte ...... 50 4. 3. 1 Neu- und Ausbauten im Netz der Bundesschienenwege; Finanzierung und Förderung durch den Bund und die Länder; gesetzliche Grundlagen ...... 50 4. 3. 2 Bahnprojekte in Sachsen ...... 51 4. 3. 2. 1 Von Sachsen ausgehende internationale Vorhaben ...... 51 4. 3. 2. 2 Von Sachsen ausgehende Verkehrsprojekte Deutsche Einheit...... 52 4. 3. 2. 3 Die S-Bahn-Systeme in Sachsen...... 56 4. 3. 2. 4 Die Erzgebirgs- und Vogtland-Strecken ...... 67 „Historischer Exkurs“ - Ihre Bedeutung bis zum Zweiten Weltkrieg...... 68 Die Bedeutung der Erzgebirgs- und Vogtlandstrecken in der Ära der Deutschen Reichsbahn nach 1945 ...... 73 Neue Rahmenbedingungen für Fern- und Regionalverkehr Zukunft der Bahnstrecken in Sachsen nach der Bahnreform...... 75 4. 3. 2. 5 Schmalspurbahnen ...... 79 4. 3. 2. 6 Vogtlandmodell (EgroNet)...... 80 4. 3. 2. 7 Deutsch-tschechische „Rollende Landstrasse“ zwischen Dresden und Lobositz ...... 83 4. 3. 2. 8 Hochwasserschäden im Eisenbahnbereich 2002...... 88

4. 4 Straßenbauprojekte in Sachsen ...... 88 4. 4. 1 Ausgangssituation nach der Wiedervereinigung...... 88 4. 4. 2 Sachsen berührende Verkehrsprojekte Deutsche Einheit...... 89 4. 4. 3 Weitere Autobahn-Projekte in Sachsen...... 90 4. 4. 4 Neuordnung des Netzes der Bundes- und Staatsstraßen in Sachsen...... 91 4. 4. 5 Investitionen im Straßenbau...... 92 4. 4. 6 Grenzüberschreitende Straßenverbindungen nach Polen und in die Tschechische Republik ...... 94 4. 4. 7 Entwicklung des Straßenverkehrs ...... 95

4. 5 Öffentlicher Personennahverkehr der kommunalen Verkehrsbetriebe Sachsens...... 95 4 .5. 1 Allgemeines...... 95 4. 5. 2 Verkehrsbetriebe der Stadt Leipzig...... 98 4. 5. 2. 1 Ausgangssituation nach Rückübertragung an die Stadt Leipzig...... 98 4. 5. 2. 2 Stadtbahnlinie 16...... 98 4. 5. 2. 3 Die weitere Investitionstätigkeit der Leipziger Verkehrsbetriebe nach 1991 ...... 104 4. 5. 3 Chemnitzer Verkehrsbetriebe AG...... 107 4. 5. 4 Chemnitzer Modell...... 112 4. 5. 5 Verkehrsbetriebe der Stadt Dresden...... 120 4. 5. 6 Verkehrsbetriebe der Stadt Zwickau...... 126 4. 5. 7 Exkurs: Zeitweiliger Obus-Betrieb in Hoyerswerda...... 131 4. 5. 8 Tarif- und Verkehrsverbünde in Sachsen...... 134

4. 6 Entwicklung und Ausbau der Verkehrsflughäfen Sachsens...... 136 4. 6. 1 Flughafen Leipzig/Halle...... 136 4. 6. 1. 1 Grundsätzliche politische Einschätzung der Funktion der Verkehrsflughäfen für die wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung und deren Bewertung durch die Sächsische Staatsregierung ...... 136 4. 6. 1. 2 Förderung des Flugverkehrs und Entwicklung der Verkehrsflughäfen vor dem zweiten Weltkrieg...... 137 4. 6. 1. 3 Rolle der Flughäfen im Raum Leipzig in den Jahren 1945 bis 1990...... 138 4. 6. 1. 4 Übernahme der verkehrs- und finanzpolitischen Verantwortung der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt für die Flughafeninfrastruktur im Raum Leipzig und Halle...... 138

6 4. 6. 1. 5 Rolle der Bundesregierung bei der Entwicklung des Flughafens Leipzig Halle...... 140 4. 6. 1. 6 Verkehrspolitische Zielsetzungen des Freistaats Sachsen ...... 142 4. 6. 1. 7 Bauliche Entwicklungsphase II des Flughafens ...... 143 4. 6. 1. 8 Wirtschaftliche Entwicklung im Umfeld des Flughafens...... 143 4. 6. 1. 9 Einzelheiten der verkehrlichen Anbindung des Flughafens Leipzig/Halle ...... 144 4. 6. 1. 10 Entwicklungsphase III; mittel- und langfristiger Ausbau des Flughafens...... 145 4. 6. 1. 11 Jüngste Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle...... 147 4. 6. 1. 12 Abschließende Bewertung der Entwicklung des Flughafens Leipzig Halle...... 149 4. 6. 2 Flughafen Dresden...... 153 4. 6. 2. 1 Ausgangslage ...... 153 4. 6. 2. 2 Exkurs: Vertiefte Prüfung des ÖPNV-Anschlusses des Dresdner Flughafens...... 154 4. 6. 2. 3 Tatsächliche Entwicklung...... 155 4. 6. 2. 4 Exkurs: -Flugzeugwerke am Flughafen Dresden ...... 157 4. 6. 2. 5 Jüngste Entwicklung des Dresdner Flughafens ...... 158

4. 7 Güterverkehrszentren in Sachsen ...... 161 4. 7. 1 GVZ Glauchau...... 162 4. 7. 2 GVZ Leipzig ...... 163 4. 7. 3 GVZ Dresden...... 166

4. 8 Binnenwasserstraße Elbe und Häfen an der Oberelbe ...... 167 4. 8. 1 Einleitende Betrachtung...... 167 4. 8. 2 Neue Konzepte für die Elbe, die Elbhäfen an der Oberelbe und die Anbildung an den Mittelland-Kanal...... 169 4. 8. 3 Binnenhafen Leipzig...... 182

4. 9 Exkurs „Überlegene Magnetbahntechnik“; Betrachtungen dazu aus der Sicht Sachsens ...... 183

4. 10 Einordnung der behandelten Projekte in den Gesamtzusammenhang aller getätigten Investitionen ...... 185 4. 10. 1 Eisenbahnen ...... 186 4. 10. 2 Straße ...... 188 4. 10. 4 Flughäfen ...... 190 4. 10. 5 Wasserstraßensystem Elbe und Saale sowie Häfen an der Oberelbe ...... 191 4. 10. 6 Zusammenfassung und Vergleich zwischen beabsichtigten und vollzogenen Investitionen...... 191

5. Bewertung der gesellschafts- und verkehrspolitischen Entwicklung Sachsens nach 1991...... 193

5. 1 Generelle wirtschaftspolitische Bewertung ...... 193

5. 2 Generelle verkehrs- und investitionspolitische Bewertung...... 195 5. 2. 1 Bewertung der Bauleistungen...... 196 5. 2. 2 Bewertung der Bahn-Projekte...... 197 5. 2. 3 Bewertung der Straßenbauprojekte...... 200 5. 2. 4 Bewertung der Projekte des Öffentlichen Personennahverkehrs...... 201 5. 2. 5 Bewertung des Flughafen-Ausbaus Leipzig/Halle und Dresden...... 202 5. 2. 6 Bewertung der Infrastruktur für die Elbe und Elbhäfen ...... 203

7 5. 3 Gesamtschau...... 204 5. 4 Eigene abschließende Bewertung...... 205

6. Empfehlungen für die weitere Investitionstätigkeit im Verkehrsbereich .. 206

7. Zusammenfassung...... 209

Anhang 1 Darstellung der Ergebnisse der Experten-Interviews...... 212

Teil 1 Expertenbefragungen...... 213

Teil 2 Zusammenfassung der Beurteilungs- und Kritikpunkte sowie deren Bewertung ...... 227

Anhang 2 Anlagen und Verzeichnisse...... 231

Anlage 1. 1 Bestand und Anlagevermögen am 31.12.1990: Eisenbahnen in Deutschland...... 231 Anlage 1. 2 Bestand und Anlagevermögen am 31 12.1990: Straßen in Deutschland...... 231 Anlage 1. 3 Bestand und Anlagevermögen am 31.12.1990 Wasserstraßen und Binnenhäfen in Deutschland...... 232 Anlage 1. 4 Anlagevermögen der Betriebe des Öffentlichen Nahverkehrs am 31.12.1990...... 232 Anlage 1. 5 Anlagebestand der ostdeutschen Verkehrsflughäfen am 31.12.1990...... 233

Anlage 2 Umfragebogen ...... 234

Quellenverzeichnis...... 237 Weiterführende Literatur...... 242 Verzeichnis der Bilder...... 244 Abkürzungsverzeichnis ...... 247 Verzeichnis der Tabellen...... 250 Verzeichnis der Anlagen ...... 251

8 Einleitung

Die dringend erforderliche Angleichung der Verkehrsverhältnisse in Sachsen an die „Standards“ der alten Bundesländer erzeugte von 1991 an großes öffentliches Interesse und viele Diskussionen über den geeigneten und schnellsten Weg dafür. Gefragt und gesucht waren die Wege, die eine möglichst schnelle Angleichung der Lebensverhältnisse bieten sollten. Nach übereinstimmenden Wirtschaftsprognosen namhafter Wirtschaftsforschungsinstitute erwartete man nach der Einführung der Deutschen Mark, damit der sozialen Marktwirtschaft, in Sachsen eine starke jährliche Zunahme des Bruttoinlandsproduktes und stellte sich auf einen Zuwachs von ca. 10 % jährlich ein.

Für den Verkehrsbereich stand damals, im Wesentlichen veranlasst durch die explosionsartige Steigerung der Motorisierung der Bevölkerung in Ostdeutschland1, die Forderung nach schnellem Ausbau des Straßennetzes an erster Stelle.

Die Bezirksvereinigung Sachsen der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (DVWG) stellte sich in Verbindung mit der (damaligen) Hochschule für Verkehrswesen in Dresden (heute Fakultät „Friedrich List“ an der Technischen Universität) bereits vor dem 3.Oktober 19902, in ihrem Gründungsjahr, diesen sehr aktuellen Fragen unter dem Thema „Regionale Verkehrsentwicklung als Element der Wirtschaftspolitik“. Zielsetzung des Seminars war „Politikberatung“ für eine gesamtdeutsche Verkehrspolitik aus wissenschaftlicher Sicht.

In Band B 139 der Schriftenreihe der DVWG [1] sind die Ergebnisse dieser damals geführten Diskussion zusammengefasst. Auf eine Reihe von Beiträgen daraus wird im Folgenden kommentierend einzugehen sein.

Aus aktueller Sicht des beginnenden 21. Jahrhunderts stellt sich die Frage, ob die Planungen zum Ausbau der Verkehrsnetze, ob der Einsatz erheblicher Finanzmittel für die Anpassung der Infrastruktur zu den Ergebnissen geführt hat bzw. noch führen wird, die unmittelbar nach der Wiedervereinigung als Ziele formuliert worden waren. Angesprochen ist damit eine kritische Überprüfung der ersten Verkehrsentwicklungs- Programme des Freistaates innerhalb Deutschlands unmittelbar nach der Wiedervereinigung.

Im Jahr 2002 stellte sich die DVWG mit ihrem 1.Europäischen Verkehrskongress [2] in Berlin der Frage, wie die Verkehrsprobleme innerhalb einer erweiterten Europäischen Union gelöst werden können und welche Rolle eine funktionsfähige Verkehrsinfrastruktur3 zur

1 Der Bestand an Personenkraftwagen (Pkw) in Sachsen stieg von 1989 bis 1994 um 751 447 Personenkraftwagen auf 1 950 325 Pkw und wuchs weiter bis zum Jahr 1999, dem Zeitpunkt einer weitgehenden Angleichung der Motorisierung zwischen West und Ost auf 2 165 585 Pkw.

2 Tag des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland.

3 Zum Begriff „Infrastruktur“ folgende Begriffsbestimmung, zitiert aus Vahlens Großes Wirtschaftslexikon: „Gesamtheit der für ein befriedigendes Funktionieren (räumlich) arbeitsteiligen Wirtschaft erforderlichen langlebigen Basiseinrichtungen materieller, institutioneller und personeller Art, die (insb. bei der materiellen Infrastruktur) während ihrer Erstellung i.d.R. mit überdurchschnittlichen Beschäftigungs- und nach ihrer Realisierung (Leistungsabgabephase) mit beachtlichen Wachstums-, Integrations- und Versorgungseffekten verbunden sind und darum im Rahmen der Konjunktur- und Beschäftigungspolitik bzw. der Wachstums- und räumlichen Ausgleichspolitik eine große Rolle spielen.“

9 wirtschaftlichen Prosperität, zum Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten beitragen kann. Die damals beabsichtigte Aufnahme von zunächst acht mittel- und osteuropäischen Staaten in die EU, die daraus folgende völlige Öffnung der Grenzen für den freien Personen- und Warenverkehr, stellte für den Verkehrsbereich eine weitere, bisher niemals bekannte Herausforderung dar. Ein bedeutender volkswirtschaftlicher Nutzen einer vergrößerten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft konnte nur dann eine große Chance haben, wenn dem Personen- und Warenverkehr keine Hemmnisse entgegenstehen würden.

Diese Aufgabenstellung war für Deutschland weitaus größer als sie sich 1991 innerhalb des Wiedervereinigungsprozesses gestellt hatte; dennoch bestanden Parallelen zwischen beiden Prozessen und den daraus abzuleitenden Erfordernissen.

Prof. Roger Vickerman [3] hat während dieser Tagung in seinem Vortrag die Thematik des Infrastrukturbedarfs im Zusammenhang mit der damals anstehenden Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft ausführlich behandelt. Er kam damals zu einer Reihe von Fragestellungen, die sich bereits im Jahr 1991 nach der Wiedervereinigung zur Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschlands gestellt hatten. Seine kritischen Anregungen und Vorschläge sollen hier auszugsweise und sinngemäß wiedergegeben werden:

 Es bedarf einer besseren Beachtung der Bedeutung der Infrastruktur für die wirtschaftliche Entwicklung.  Der Bedarf an neuer Infrastruktur muss sich am Maß einer optimalen Nutzung der bestehenden Infrastruktur orientieren.  Die Rolle der Preisbildung muss bei einer effizienten Zuteilung der finanziellen Ressourcen unbedingt beachtet werden.  Das relative Ungleichgewicht zwischen den Verkehrsträgern bei der Bewältigung der Verkehrsaufgaben ist zu beachten; gegebenenfalls mit dem Ziel, es zu verändern.  Es ist auf einen ausreichenden Spielraum für die Beteiligung der Privatwirtschaft bei der Infrastrukturerweiterung und Finanzierung zu achten.

Prof. Rothengatter [4]4 berichtet aus einer Reihe von Analysen, die in seinem Institut an der TU Karlsruhe durchgeführt wurden, folgende Ergebnisse:

 Verkehrsinvestitionen erzeugen Rationalisierungseffekte, die je nach bewirkter Reduzierung der generalisierten Verkehrskosten unterschiedlich kräftig ausfallen.  Produktionserweiterungen und vermehrbare Beschäftigung sind nur zu erwarten, wenn der Verkehr kein Engpassfaktor der wirtschaftlichen Entwicklung ist.  Verkehrsinvestitionen sind nur dann als regionale Fördermaßnahmen geeignet, wenn sie in eine ganzheitliche Förderkonzeption eingebettet sind. Dazu gehören weitere Fördermaßnahmen zur „Attrahierung“ von Privatkapital.

Beide aus dem Bereich der klassischen Volkswirtschaft kommenden Auffassungen werden im Folgenden bei der Bewertung sächsischen Handelns diskutiert. Ihre volle Anerkennung und Anwendung in allen Phasen des „Aufholprozesses“ wäre, wie heute erkennbar, nicht immer nur förderlich gewesen.

4 Prof. Dr. Werner Rothengatter ist als „Head of the Institute of Economic Policy Researche (IWW) und President of the World Conference on Transport Research (WCTR)“ maßgeblich als verkehrswirtschaftlicher Berater für die EU tätig. 10 Das Verkehrswesen Sachsens ist im Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit (SMWA) angesiedelt. Aus der Nähe zur Wirtschaftspolitik wurde bzw. wird die Verkehrspolitik vielfach als Zweig der Wirtschaftsförderung angesehen und entsprechend eingesetzt.

So spielte bei der Beurteilung einzelner Projekte die wissenschaftstheoretische Frage eine Rolle, inwieweit Maßnahmen zur Verbesserung der Erreichbarkeit von Gewerbe- und Industriebetrieben deren Wirtschaftskraft stärkt oder ob die dem Grunde nach beschränkt zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel besser unmittelbar den Investoren im Wirtschaftsbereich zugeführt werden sollten, um dort eine größere Wirkung zu zeigen. Die wissenschaftstheoretische Behandlung dieses Themas in der einschlägigen Literatur5 führt vielfach zu dieser Fragestellung kritisch aus, dass „konkrete volkswirtschaftliche Gesichtspunkte bei den Planungen für Infrastrukturmaßnahmen nicht hinreichend berücksichtigt würden.“

Diesen Aussagen wurde die Frage gegenüber gestellt, welche praktischen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte denn bei der Infrastrukturplanung nach der Wiedervereinigung Deutschlands in Sachsen der Verkehrspolitik zu den aktuellen Fragen der Anpassung des ehemals planwirtschaftlichen an das marktwirtschaftliche System zur Verfügung gestanden hätten.

Nach 1991 war zur Lösung der verkehrsmäßig sehr kritischen Situation für theoretische Diskussionen6, weder im Bereich der Volkswirtschaft noch der Verkehrswissenschaft, keine Zeit. Die Probleme mussten vielfach auch ohne eine fundierte wissenschaftliche Begleitung gelöst werden.

Prof. Dr. Kurt Biedenkopf, Ende 1990 zum Ministerpräsidenten des wieder erstandenen Freistaates Sachsen gewählt, trug am 07.02. 1990 in einer aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages folgendes vor: „Wir haben es nicht mit einer evolutionären, sondern mit einer revolutionären Veränderung der deutschen Situation tun. Die Volkswirtschaften wachsen nicht zusammen. Die Volkswirtschaft der DDR stürzt auf unsere Volkswirtschaft zu und muss von ihr aufgefangen werden.“ [5]

Dem folgend musste die Verkehrsinfrastruktur Sachsens auf einem realistischen Weg schnell an die Westdeutschlands angepasst werden. Im Sinne der Definition des Begriffes „Infrastruktur“ spielten bei den Entscheidungen des SMWA zur Verkehrspolitik die Kriterien Beschäftigungs- und Wachstumseffekte natürlich eine wesentliche Rolle, wenngleich nicht die Einzige.

Eine allgemeine wissenschaftliche Bestätigung der wirtschafts- und verkehrspolitischen Handlungsweise Sachsens legte Behnke [6] vor.

Die Sächsische Staatsregierung folgte mit dem bereits 1996 vorgelegten Landesverkehrsplan den Erfordernissen beider politischen Ziele, der Wiedervereinigung Deutschlands und der erwarteten Erweiterung der Europäischen Union. Für Sachsen bedeuteten beide politischen

5 Siehe unter Weiterführende Literatur: Frey, Rene „Infrastruktur“, 1970, - Jansen, Paul Günther „Infrastrukturinvestitionen als Mittel der Regionalpolitik“, 1970, - Wink, Rüdiger „Verkehrsinfrastrukturpolitik in der Marktwirtschaft“, 1995, - Jochimsen, Reimut „Theorie der Infrastruktur“ 1966.

6 Die vor allem aus der Zeit vor 1990 stammende volkswirtschaftliche Literatur zu diesem Thema ist sehr widersprüchlich; sie war für die aktuelle Verkehrspolitik kaum zu gebrauchen.

11 Prozesse wegen der gemeinsamen Grenzen mit Polen und der Tschechischen Republik eine besondere Herausforderung.

Man war sich darüber im Klaren, dass eine nachhaltige Lösung der bestehenden unzulänglichen Verkehrsprobleme nur gemeinsam mit der Bundesregierung und den Nachbarländern möglich sein würde. Insoweit war es selbstverständlich, dass die Zielsetzungen des Freistaates im Einzelnen mit denen des Bundes abzustimmen waren, um ihren Niederschlag auch in der Bundesverkehrsplanung zu finden. Die Bundesverkehrswegepläne von 1992 und 2003 berücksichtigen demnach auch weitgehend die Vorschläge und Forderungen Sachsens für alle Infrastrukturmaßnahmen in der Baulast des Bundes.

Die beiderseitigen Planungen für alle Verkehrsbereiche des Bundes und Sachsens sahen vor, die nach einer pragmatischen Einschätzung für erforderlich gehaltenen Kapazitäten für Straße, Schiene und Wasserstraße bis 2012 herzustellen und damit dann eine volle Gleichwertigkeit von Straße, Wasserstraße und Schiene Sachsens zu Westdeutschland erreicht zu haben. In ähnlichem Sinn galt das auch für die Flughäfen einschl. der Flugsicherung, die Häfen an der Elbe und den Öffentlichen Nahverkehr.

Vor diesem Hintergrund beabsichtigt der Autor,

 das Unvermögen eines sozialistisch geprägten Wirtschaftssystem anhand seiner verfehlten Verkehrspolitik darzustellen,  den in der deutschen Wirtschaftsgeschichte (nach der Wiedervereinigung Deutschlands) einmaligen Anpassungsprozess eines „neuen Bundeslandes“ an die Gegebenheiten Westdeutschlands deutlich zu machen,  die außergewöhnliche Handlungsweise der in Sachsen Zuständigen zu beleuchten, damit den Aufholprozess zwischen 1991 und 2006 zu dokumentieren,  nach einer Darstellung der damaligen verkehrspolitischen Investitionsziele die Frage zur langfristigen Sinnfälligkeit der erfolgten der Neu- und Ausbauten in Sachsen zu beantworten und  eine beispielhafte Überprüfung der getroffenen Maßnahmen aus wirtschafts-- und verkehrspolitischen Sicht (unter Einbindung von aktuellen Diskussionsbeiträgen) zum tatsächlichen Nutzen vorzunehmen.

Ziel der Arbeit ist daher, am „Beispiel Sachsen“ realisierte größere Projekte des Bundes und des Freistaates zu überprüfen und deutlich zu machen, ob die mit ihnen verknüpften Planungsziele erreicht und welche weiteren Effekte erzielt werden konnten. Somit kann ein genereller Überblick über den Erfolg der Verkehrsplanung und deren Verwirklichung gegeben werden, soweit das dafür erforderliche und verwertbare Datenmaterial aus der Zeit zwischen 1991 und 2006 geeignet ist und zur Verfügung steht. Im Einzelfall (mit besonderem Hinweis im Text) sind hervorzuhebende Entwicklungen auch bis zum Jahr 2008 berücksichtigt.

Eine vertiefte Betrachtung aller Vorhaben ist nicht beabsichtigt und schließt sich infolge der großen Zahl völlig aus. Die Beurteilung wird daher an ausgewählten, beispielgebenden Projekten vorgenommen.

Aus diesen Betrachtungen werden am Schluss der Arbeit Schlüsse zu ziehen sein und möglichst Empfehlungen für die weiteren Planungen und Investitionen im Verkehrsbereich gegeben werden, die heute für die Gestaltung und Finanzierung von Straßen und Schienenstrecken innerhalb der erweiterten Europäischen Union verwendbar sein sollen.

12 Nach wie vor wird in der deutschen Öffentlichkeit eine verkehrs- und wirtschaftspolitische Debatte darüber geführt, ob und inwieweit die Mittel des Solidarpaktes I7 als „Blanko-Scheck“ verwendet und durch die neuen Bundesländer zweckentfremdet auch zum allgemeinen Haushaltsausgleich verwendet worden sind. Der Solidarpakt I sieht zwar keine strikten Zweckbindungen, Eigenbeteiligungen oder Kontrollen zur Verwendung der Mittel vor; aber das Finanzausgleichsgesetz, die Grundlage des Solidarpaktes I, bestimmt eindeutig, dass diese Mittel nur für den Abbau teilungsbedingter Sonderlasten zu verwenden sind.

Der damalige Ministerpräsident Sachsens, Prof. Dr. Milbrad, führte dazu mehrfach öffentlich aus, dass „Sachsen nachweislich der Fortschrittsberichte der neuen Länder als einziges Land sämtliche Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (SoBeZ) intentionsgemäß investiert hat, und diese auch weiterhin nicht wie andere Länder zur Deckung von Haushaltslücken verwenden wird. Die Sächsischen Haushaltsgesetze enthalten dazu eine politische Selbstbindung“.

In Sachsen sind in den vergangenen Jahren daher erhebliche Beträge aus dem Bereich des Solidarpaktes in die Verkehrsinfrastruktur geflossen, beispielsweise zum Ausbau der Flughäfen, so dass der Nachhaltigkeit auch der Verwendung dieser Mittel nachzugehen ist.

Weiterhin ist in diesem Zusammenhang die Feststellung wichtig, dass die der Privatwirtschaft aus erkennbaren betriebswirtschaftlichen Erfordernissen zur Verfügung gestellten Investitionsmittel des Solidarpaktes oder vergleichbarer Mittel der Europäischen Union nicht immer zweckgebunden oder häufig wenig effizient eingesetzt wurden.

Dieser Vorwurf trifft in erster Linie die Bereiche der Gewerbe- und Industrieförderung sowie die Stützung „angeschlagener“ ehemaliger „volkseigener Betriebe der DDR“, dem hier aber im Einzelnen nicht nachzugehen ist.

Der Autor war zwischen 1991 und 2002 als Abteilungsleiter Verkehrspolitik im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit weitgehend für die Infrastrukturplanung zuständig und verantwortlich. Er will mittels seinen im Folgenden zusammengefassten Erfahrungen die rasante Aufbauphase im Verkehrsbereich Sachsens nach 1990 dokumentieren und damit den einmaligen Prozess der Wiederherstellung gesamtdeutscher Maßstäbe und Standards für Straße, Schiene, Wasserstraße, Häfen und Flughäfen in Sachsen nach der Wiedervereinigung Deutschlands deutlich machen. Er stellt sich damit auch der Kritik, die sich aus volkswirtschaftlichen, finanzpolitischen, verkehrspolitischen und verkehrsfachlichen Gesichtspunkten ergibt.(siehe Kapitel 5 und 6) Eine solche Bewertung ist nicht ohne externe Beurteilungen und Stellungnahmen kritischer Begleiter des Aufbauprozesses aus Sachsens und Westdeutschland möglich. Am Schluss der Arbeit werden daher die Ergebnisse einer Befragung von Fachkollegen zur dem bearbeiteten Themenkomplex stehen.

7 Der zwischen dem Bund und den Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen im Rahmen der „Solidar-Verhandlungen“ abgeschlossene „Solidarpakt I“ lief 2004 aus; eine Vereinbarung zur weiteren finanziellen Ausstattung der neuen Länder zum Zweck der Anpassung der dortigen Lebensbedingungen an die der „alten“ Länder zum „Solidarpakt II“ ist zu etwas veränderten Bedingungen getroffen worden. Unabhängig davon sind die Strukturhilfemittel der Europäischen Gemeinschaft, die den strukturschwachen ostdeutschen Ländern zur Verfügung gestellt werden und die ähnlichen Bedingungen unterliegen und Projekt bezogen sind.

13 Auf dem gesamten Gebiet der Beurteilung und Bewertung des Einigungsprozesses zwischen 1990 und 2005 besteht für nahezu alle Fachbereiche eine Forschungslücke. Vergleichbare Literatur zur verkehrspolitischen Entwicklungen in anderen neuen Bundesländern zu ähnlichen Themen liegt nach Prüfung durch den Autor nicht vor.

Parallel zu dieser Bewertung der verkehrspolitischen Entwicklung Sachsens nach 1990 arbeitet der damalige Abteilungsleiter für die Verkehrspolitik Berlins, Dr. Kalender, an einer Arbeit, in der das „zusammenwachsen“ Berlins nach dem Abbruch der Berliner Mauer aus verkehrspolitischer Sicht bewertet wird.

Literatur über die Beurteilung des Verkehrssystems der DDR bis 1990 liegt in kleinerem Umfang vor. Sie wurde, soweit für die Arbeit erforderlich, herangezogen.8 Rückblickend ist zu vermerken, dass nach 1990 in allen (damals so genannten) Beitrittsländern ein einmaliger und nicht wiederholbarer Aufholprozess in einem vorher in Westdeutschland unbekannten Maßstab einsetzte, um ein gesamtdeutsches Verkehrsnetz innerhalb eines geeinten Europas zu schaffen.

Sicher sind in diesem Prozess Fehler gemacht worden. Dennoch stellen sich die Verkehrsverhältnisse innerhalb Gesamtdeutschlands heute weitgehend als geordnet und nachfrage gerecht dar.

1. Verkehrspolitische Ausgangssituation in Sachsen im Jahr 1991

Das Königreich Sachsen als Rechtsvorgänger des 1918 konstituierten Freistaates verfolgte bereits im 19. Jahrhundert eine Wirtschaftspolitik, die durch den Ausbau der Infrastruktur auf Mehrung des Wohlstandes der Bevölkerung und damit auf die Förderung von Handwerk und Gewerbe ausgerichtet war. Wesentliche Erfindungen während des vorindustriellen Zeitalters wurden im 19. Jahrhunderts in Sachsen gemacht und führten zur Entwicklung moderner industrieller Zentren.

Als bedeutsame Instrumente der Wirtschaftsförderung dienten vor allem die staatlichen Investitionen im Verkehrswegebau zur Erschließung Sachsens. Eine verbesserte Erreichbarkeit bestimmter Landesteile, beispielsweise durch die Bahn, gab Anstoß zu zahlreichen gewerblichen Ansiedlungen; sie ermöglichte an vielen Standorten ein starkes Wachsen handwerklicher und industrieller Entwicklung zu modernen Unternehmungen und zu vielen neuen Arbeitsmöglichkeiten der Bevölkerung. Diese Förderung von Gewerbe, Industrie, und Handel führte dahin, dass Sachsen gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem bedeutenden industriellen Schwerpunkt im Deutschen Reich aufsteigen konnte.

Im Ergebnis dieser Entwicklung stellte sich Sachsen um 1900 als fortschrittliches Staatsgebilde, als Land mit einem modernen Verkehrs- und Kommunikationssystem, mit dem dichtesten Eisenbahnnetz im Deutschen Reich dar. Nicht nur eine Vielzahl von Bahnlinien war entstanden; auch das öffentliche Straßen- und Wegnetz konnte als für die damalige Zeit beispielgebend bezeichnet werden. Parallel dazu hatten sich Industriebereiche entwickelt, die moderne Eisenbahn-, Straßen- Fahrzeuge9 und Binnenschiffe10 anboten und dadurch die Qualität und Leistungsfähigkeit des Verkehrswesens in Sachsen in besonderem Maße vertieften.

8 Genaueres hierzu bei den speziell zitierten Quellen und unter weiterführender Literatur.

14 Nach dem Ersten Weltkrieg setzte die Staatsregierung diese Wirtschaftsförderungspolitik fort. Die Verkehrsinfrastruktur wurde nach modernen Gesichtspunkten weiter ausgebaut; neben den großen Fernverbindungen im Zuge des Schienen- und Straßenwesens bauten auch die Gemeinden ihre Verkehrsnetze, insbesondere die Straßenbahnnetze (beispielgebend für Deutschland)11 aus. Flugplätze in Dresden, Leipzig und Chemnitz ergänzten das bestehende Verkehrssystem und boten die Grundlage für die Entwicklung des Luftverkehrs. Nicht nur die Verkehrswege, auch die eingesetzten Fahrzeuge und Betriebssysteme stellten den neuesten Stand der Technik dar. 12

Der Zweite Weltkrieg setzte dieser Entwicklung ein deutliches Ende und führte infolge der Kriegszerstörungen zu einem Zusammenbruch der gewerblichen Industrie und des Verkehrssystems. Der Neubeginn bzw. Wiederaufbau der zerstörten Anlagen gestaltete sich aus vielerlei Gründen in der sowjetischen Besatzungszone kompliziert und langwierig.

Kriegszerstörungen, danach Demontagen, Reparationslieferungen an die Sowjetunion (z.B. der generelle Abbau des zweiten Gleises bei doppelspurigen Bahnstrecken), Enteignungen industrieller Großbetriebe sowie das System der staatlich gelenkten Planwirtschaft ließen auch nach Gründung der DDR die Qualität und Quantität der Verkehrsinfrastruktur im Vergleich zu Westdeutschland nachhaltig in Rückstand treten. Große Schwierigkeiten im Wirtschaftskreislauf, nicht nur im Verkehrs- und Transportwesen, waren die Folge.

Letztendlich führte die unterschiedliche gesellschaftspolitische Entwicklung innerhalb Deutschlands in den Jahren 1945 bis 1990 13 generell zu großen Disparitäten.

Wirtschaft und Bevölkerung in Sachsen verlangten nach der politischen Wende in Ostdeutschland, nach der Neukonstituierung des Freistaates, noch vor der Wiedervereinigung, einen möglichst schnellen Anschluss an den Entwicklungsstand der 1930er Jahre.

Mit der Währungsunion im Jahr 1990, der Wiedervereinigung und den Zielsetzungen des Einigungsvertrages14 stellte sich damit die enorme Aufgabe, die gesamte technische Infrastruktur, vor allem die getrennten Verkehrssysteme in West- und Ostdeutschland,

9 Lokomotivfabrik Hartmann in Chemnitz; Waggonbau in Bautzen und Görlitz, Automobilbau in Chemnitz und in Zwickau.

10 Mehrere Werftanlagen zum Schiffbau in Bad Schandau, Dresden und Riesa.

11 Die Dresdner Straßenbahn AG hatte sich zu einem der führenden Nahverkehrs-Unternehmen Deutschlands entwickelt und setzte bereits in den 1920er Jahren beispielhaft moderne Fahrzeuge ein, z.B. als erster Straßenbahn- Betrieb Deutschlands einen Großraumwagen, den „Dresdner Hechtwagen“ ein.

12 Die Fahrzeuge der „Wanderer-Werke“ in Chemnitz, von „Horch“ und „Audi“, später der „Autounion“ in Zwickau; Reisezug- und Güterwagen der Waggonbauindustrie mit mehreren Standorten in Sachsen.

13 In Ostdeutschland unter dem maßgeblichen Einfluss der Sowjetunion.

14 Der Einigungsvertrag ist der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die DDR-Staatsauflösung, ihres Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Wiedervereinigung. Im Jahre 1990 wurde der Vertrag zwischen beiden deutschen Staaten ausgehandelt. Verhandlungsführer auf der Seite der Bundesrepublik war Wolfgang Schäuble, auf der Seite der Deutschen Demokratischen Republik Günther Krause. Der Einigungsvertrag regelte den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 (Tag der Deutschen Einheit). Mit dem Wirksam werden des Beitritts werden die Länder Ostdeutschlands Länder der Bundesrepublik Deutschland.

15 zusammenzufügen und in ihrem Standard anzugleichen, d.h. die erheblichen Defizite in Osten Deutschlands durch intensive Investitionstätigkeit abzubauen.

Die herrschende politische Meinung war, alles zu tun, damit „die Dinge“ so rasch und so gut wie möglich vorankommen; wobei die Frage, wie und wie schnell die bestehenden Aufgaben gelöst werden können, in Einzelnen offen bleiben musste.

Für das Verkehrswesen galt es,  die erheblichen baulichen Mängel15 und Engpässe in der Infrastruktur aller Verkehrsbereiche, die die Nutzbarkeit der Straßen- und Schienenverbindungen, der Flughäfen und Wasserstraßen sowie der Anlagen des Öffentlichen Nahverkehrs erheblich einschränkten, kurzfristig zu beheben,  genügend Kapazitäten für die erwartete Steigerung der Mobilität von Personen und Gütern innerhalb des vereinten Deutschland bereit zu stellen, d.h. die bestehenden Verkehrssysteme auszubauen und zu ergänzen,  für den notwendigen volkswirtschaftlichen Wachstumsprozess, für eine positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Sachsen die verkehrlichen Voraussetzungen zu schaffen,  den Erfordernissen eines zukünftigen europäischen Binnenmarktes gerecht zu werden,  die Grenzübergänge16 zu öffnen und dem zukünftigen, innerdeutschen und europäischen Verkehrsaufkommen den notwendigen Verkehrsraum darzubieten.

2. Verkehrsentwicklungsziele Sachsens und deren inhaltliche Grundlagen

Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Einigungsvertrages herrschte eine wesentliche Unsicherheit, in welcher Form, in welcher Zeit, mit welchem Aufwand und zu welchen Kosten die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Einheit Deutschlands Wirklichkeit werden würde. Unterschiedlichste Auffassungen wurden im Jahre 1991 dazu vorgetragen. Eine Darstellung der Vielzahl der damals vor allem politisch geäußerten Zielvorstellungen würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Viele dieser Äußerungen stellen sich nachträglich als unerreichbare Wunschvorstellungen der Jahre 1989 bis 1991 heraus.

Biedenkopf [5] führte damals aus, dass keinerlei Erfahrungen zum Wechsel von sozialistischer Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft vorliegen würden und damit verlässliche Aussagen über die zukünftige Entwicklung Sachsens, die über die selbst gestellten Zielsetzungen hinausgehen, im Bewusstsein voller Verantwortung nicht gemacht werden könnten. Vor diesem Hintergrund begann 1991 der Planungsprozess für Infrastrukturplanung.

Unter den gegebenen Voraussetzungen war im Jahr 1991 der Ausgangspunkt jeder konzeptionellen Arbeit an Entwicklungsprogrammen für den Ausbau der Straßennetze, der Flughäfen und Häfen, für die Sanierung des Schienennetzes und andere Investitionsmaßnahmen im Verkehrsbereich, die Ermittlung des tatsächlich bestehenden Defizits, des Sanierungs-, des Ergänzungs- und Neubaubedarfs.

15 Wegen unterlassener Unterhaltungsmaßnahmen an den Anlagen.

16 Von Sachsen aus mit der Blickrichtung nach Polen und der Tschechischen Republik.

16 Große Defizite und Mängel waren offen erkennbar und feststellbar, Kapazitätsengpässe zeigten sich im aktuellen Verkehrsablauf, fehlende Verbindungen zeichneten sich ab; eine generelle Gesamtschau der Defizite fehlte.

Die verantwortlichen Planungsträger beim Bund, bei den Ländern und den Gemeinden waren auf eine generelle Gesamtschau der Defizite – entsprechend ihrer speziellen Zuständigkeit und jeweiligen Fragestellung – angewiesen. Die verkehrspolitischen und wirtschaftspolitischen Fragen nach dem infrastrukturellen Nachhol- und Entwicklungsbedarf17 im Verhältnis zu Westdeutschland standen gleichbedeutend nebeneinander, aus beiden Komponenten waren die Planungsziele und der daraus erwachsende Finanzbedarf zu entwickeln; auch dann, wenn die Finanzierung zunächst völlig offen bleiben musste.

Da eine derartige Aufgabe ohne Anhaltspunkte oder Erfahrungen aus vergleichbaren Entwicklungen (auch im Blickfeld einer kritischen Öffentlichkeit und unter großem Zeitdruck) gelöst werden musste, waren neue Wege für den Planungsprozess, für die notwendigen Finanzierungen und die anschließenden Baumaßnahmen erforderlich. Vielfach verliefen diese Schritte „am Rande der Rechtsordnung“. Erschwerend kam hinzu, dass die Beobachtung der sprunghaft steigenden Nachfrage nach Verkehrsleistungen in Sachsen täglich neue Erkenntnisse vermittelte, die zur Überprüfung vorausgegangener Schritte führten musste.

In den meisten Fällen fehlte für die zunächst geforderten Verkehrsprognosen das Datenmaterial, da die amtlichen Statistiken in Ost- und Westdeutschland nach völlig anderen Kriterien aufgebaut und damit kaum vergleichbar waren. Belastbare Struktur- und Wirtschaftsprognosen für einen Zielhorizont von 10 bis 20 Jahren fehlten; soweit Zielprojektionen für die zukünftige Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur auf einer sehr zweifelhaften Basis vorgelegt werden konnten, streuten deren Ergebnisse ganz erheblich.

In der schwierigen Aufbauphase in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung waren neben den Fachverwaltungen des Bundes, der Länder und Gemeinden auch eine Reihe wissenschaftlicher Institute Deutschlands tätig, sowohl im Auftrage staatlicher Institutionen als auch aus eigenem Interesse an der Mitwirkung beim „Aufbau Ost“. Für Sachsen waren die global vorliegenden Gutachten zur Bewertung von Bestand und Qualität der Verkehrsanlagen der ehemaligen DDR des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) [7] als Sektorenbeitrag von Bedeutung, da sie Eingang in die Bundesverkehrswegeplanung fanden und somit auch ein Orientierungsrahmen für die Landesverkehrsplanung Sachsens sein mussten.

Das DIW stellte 1994 mit seiner Berechnung und vergleichenden Bewertung der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern erwartungsgemäß „eine erhebliche Differenz zwischen den Anlagen der alten und neuen Bundesländer“ für alle Bereiche des Verkehrwesens fest. Dieser Abstand war qualitativ und quantitativ größenordnungsmäßig sehr unterschiedlich, wenn man die verschiedenen Verkehrsbereiche Straße, Wasserstraße, Schiene und Flugplätze in Sachsens betrachtet.

17 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird in sinngemäßer Angleichung an die Begriffe der Bundesverkehrswegeplanung der Nachholbedarf der ehemaligen DDR mit „Überhang“ bezeichnet und der Entwicklungsbedarf den Begriffen „Vordringlicher Bedarf“, „Weiterer Bedarf“ und „Neue Vorhaben“ zugeordnet.

17 Uwe Müller berichtet in seinem Beitrag „Mobilität in der Planwirtschaft – Das Verkehrswesen“[8] ausführlich über die Gründe, die zur Vernachlässigung der Verkehrsinfrastruktur in der DDR seit 1945 führten.

2. 1 Bestand und Defizite in der Infrastruktur Sachsens im Vergleich zu westdeutschen Ländern

Bestand und Defizite der Verkehrsinfrastruktur der neuen Bundesländer und deren Vergleich mit Westdeutschland sind in den Jahren nach der Wiedervereinigung Deutschlands aus verschiedenen Anlässen und auf unterschiedlichen Wegen und mit kaum vergleichbaren Ergebnissen ermittelt worden. Beispielsweise hat sich auch Claudia Demel mit der Thematik befasst [9]. Für Sachsen waren die Berechnungen des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) neben ihrer Verwendung bei der Bundesverkehrswegeplanung auch wegen ihres Aufbaus auf die Brutto-Anlagevermögen der einzelnen Verkehrsbereiche. Im Folgenden sind zusammenfassend Ergebnisse aus der Arbeit des DIW dargestellt, die zur Verdeutlichung des damaligen Nachholbedarfs dienen sollen. Die daraus erkennbaren Infrastrukturlücken Sachsens im Bereich des Verkehrs bedurften der besonderen Berücksichtigung bei der Landesverkehrsplanung.

2. 1. 1 Eisenbahnen

Obwohl die Deutsche Reichsbahn (DR) 18 in der DDR das Hauptverkehrsmittel darstellte und im Durchschnitt etwa die Hälfte aller Investitionsmittel des Verkehrswesens erhielt, wies das Streckennetz der DR im Jahr 1990 hinsichtlich Ausbaustandard, technischem Niveau und Erhaltungszustand unzureichende Bau- und Betriebszustände auf19.

So waren 1990 bei der Deutschen Reichsbahn (DR) nur 29 % des Streckennetzes elektrifiziert, bei der Deutschen Bundesbahn (DB) lag dieser Anteil bei 43 %.

Der Anteil zweigleisiger Strecken im Netz der DR lag bei nur 30 %, während die DB 46 % ihres Streckennetzes nach dem zweiten Weltkrieg im ursprünglichen Umfang betreiben konnte.20

Der 1991 erkennbare Unterschied in den Netzen beider Bahnen wurde weiterhin deutlich an veralteter Signal- und Sicherungstechnik, wesentlich weniger technisch gesicherten

18 Die Deutsche Reichsbahn betrieb (bis auf wenige Ausnahmen) das gesamte Schienennetz und damit den Schienenpersonen- und Güterverkehr der DDR.

19 In einem Bericht der zuständigen Abteilung des Zentralkomitees der SED aus den 1960er Jahren wird die Deutsche Reichsbahn als eine der „rückständigsten Eisenbahnen Europas“ bezeichnet. Wesentliche Schritte zur generellen Veränderung der Eisenbahn-Politik folgten daraus aber nicht. Vergl. [9]

20 In der damaligen sowjetischen Besatzungszone waren 1946 erhebliche Anteile des Schienennetzes abgebaut und das Gleismaterial sowie eine Vielzahl moderner Triebfahrzeuge als Reparationsleistungen in die Sowjetunion verbracht worden.

18 Bahnübergängen und den zulässigen Höchstgeschwindigkeiten auf Fernverkehrsstrecken21 im Bereich der DR.

Zusammenfassend stellte das DIW einen Vergleich der Werte des Indikators

Bruttoanlagevermögen22 je km Gleislänge zwischen dem Netz der Deutschen Bundesbahn und dem der Deutschen Reichsbahn zum Stichtag 31.12.1990 her. Danach betrug das Bruttoanlagevermögen

der DB 1,30 Mio. € je Gleiskilometer der DR 0,55 Mio. € je Gleiskilometer.

In diesen Zahlen drückt sich ein deutlicher Unterschied im Wert der Anlagen, vor allem aber in der Ausstattung der Strecken mit schweren Schienenklassen, dem höherem Anteil elektrifizierter Strecken und einer moderneren Ausstattung im Sicherungsbereich aus, bedingt vor allem durch die erheblichen Investitionen der DB in Neubaustrecken zwischen 1980 und 1990.23 Bei einem Streckennetz von ca. 2 800 km der DR in Sachsen ergab sich danach ein Erneuerungsbedarf von 0,75 Mio. €. je Gleis - km; damit ca. 2,1 Mrd. €, um das Gleisnetz der DR anzugleichen. Darüber hinaus bedurfte es für den schnellen Fernverkehr Netzergänzungen bzw. Neubauabschnitte innerhalb des Gesamtnetzes. (siehe Anlage 1. 1 Bestand und Anlagevermögen am 31.12.1990: Eisenbahnen in Deutschland).

2. 1. 2 Straßen

Im Bereich des Straßenwesens stellten sich die vergleichbaren Werte nach Länge und Qualität in einem ähnliches Verhältnis zwischen „Ost“ und „West“ dar. Während das Netz der ehemaligen Reichs- bzw. Fernstraßen (F) der DDR am ehesten dem der Bundesstraßen (B) gleichkam, bestand vor allem erheblicher Nachholbedarf im Netz der Autobahnen (BAB).24

Sehr deutliche Unterschiede existierten innerhalb des Straßennetzes bei der durchschnittlich befestigten Breite der Straßen in der jeweiligen Straßenkategorie, bei der Qualität des

21 Die DR hatte die politische Vorgabe, ihr Netz nur für Geschwindigkeiten bis 120 km/h zu betreiben und auszubauen (Innerbetriebliche Anweisung der Generaldirektion der DR).

22 Laut Definition des DIW enthält das Brutto-Anlagevermögen alle Teile von Investitionsjahrgängen, die bis zum betrachteten Jahr (1990) noch physisch im Anlagebestand existiert haben. Damit kann laut DIW das Brutto- Anlagevermögen praktisch als eine Maßgröße für den Infrastruktur-Anlagebestand (unabhängig von der Qualität und den während der DDR-Zeit „nicht erfolgten Abschreibungen“) und dessen Kapazität herangezogen werden.

23 Ein erster Ausgleich dieses gewaltigen Unterschiedes in Ausstattung und Qualität der Infrastruktur zwischen beiden Bahngesellschaften erfolgte bereits 1991 (ohne dass eine genaue Kenntnis über die tatsächlichen Defizite vorlag) durch die Prägung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit für den Schienenverkehr mit einem sehr grob geschätzten Investitionsvolumen von ca. 15 Mrd. €. Die 9 Neu- und Ausbauprojekte mit einer Gesamtlänge von 1 710 km sollten innerhalb von 10 Jahren fertig gestellt werden. Besonders bedeutsam war darüber hinaus die gesetzlich geregelte Abgeltung von infrastrukturellen Altlasten im Netz der ehemaligen Reichsbahn. Der Bund leistet danach der Bahn bis heute zum Zwecke des Angleichung der technischen Infrastruktur der DR an das Niveau der DB verlorene Zuschüsse in Höhe von 5 Mrd. €.

24 Das schon zitierte Programm der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit legte für den Neu- bzw. Ausbau von sieben Autobahnen mit einer Gesamtlänge von 1 958 km Autobahnbau (738 km Neubau, 1 220 km Ausbau) mit einem Investitionsvolumen von ca. 12 Mrd. € fest.

19 technischen Aufbaus der Straßenkörper, der Tragfähigkeit der Brücken sowie des Erhaltungszustand. Letzteres galt in gleicher Weise für Autobahnen, ehemalige Fernstraßen und Landes-, Staats- und Kommunal-Straßen. Besonders erkennbar war, wie Stichproben nachwiesen, der Nachholbedarf im Bereich der Kommunalstraßen. Es fehlten innerörtliche Hauptverkehrsstraßen; von den Großstädten Sachsens waren nach 1945 faktisch keine neuen Hauptverkehrsstrassen gebaut worden. Der Zustand der vorhandenen kommunalen Straßen war wegen langjähriger gewichtsmäßigen Überlastung und unterbliebenen Unterhaltungsarbeiten außerordentlich schlecht. Genaue Erhebungen lagen, wenn überhaupt, nur für einzelne Kommunen vor und eigneten sich nicht für eine Verallgemeinerung oder Hochrechnung. (siehe Anlage 1. 2 Bestand und das Anlagevermögen am 31.12.1990: Straßen in Deutschland)

2. 1. 3 Wasserstraßen und Hafenanlagen

Bei der Bewertung der Wasserstraßen und Hafenanlagen zeichnete sich im Verhältnis zu den Landverkehrsmitteln ein differenzierteres Bild ab:

Das Wasserstraßennetz (Binnen- und Außenwasserstraßen) in den neuen Bundesländern umfasst rund 2 500 km. Die Küste der ehemaligen DDR ist doppelt so lang wie die Ostseeküste Westdeutschlands. Sie weist eine wesentlich andere Wasserstraßen-Struktur auf; infolge der verschlungenen Wasserwege sind diese mit der dreifachen Menge von Seezeichenanlagen im Verhältnis zur westdeutschen Ostseeküste ausgestattet. Die seeseitigen Zufahrten bei Warnemünde und Saßnitz sind mit umfangreichen Molensystemen ausgestattet und daher mit den Hafenzufahrten von Lübeck und Kiel nicht unbedingt vergleichbar.

Die neuen Länder verfügen mit Elbe, Oder und einer Reihe von Kanälen über ein im Verhältnis zur jeweiligen Gebietsfläche dichteres Wasserstraßennetz als die der alten Bundesländer. Bei der Beurteilung des Anlagevermögens wurde dieser Tatbestand von DIW berücksichtigt.

Die ostdeutschen Binnenwasserstraßen entsprachen aber 1990 überwiegend nicht dem Vorkriegsstand in Tauchtiefen und Querschnitt. Die Leistungsfähigkeit der Schleusen war wesentlich geringer als der im Netz der „Bundeswasserstraßen West“.

Die Kanalverbindungen  zwischen Berlin und Oder,  im Verlauf der Müritz-Havel-Wasserstraße,  des Eldekanals zwischen Müritz und Elbe und  der Stromverlauf der Elbe über längere Abschnitte

waren den Ansprüchen einer leistungsfähigen Binnenschifffahrt 1991 nur sehr wenig gewachsen.

Der Wasserstraßenklasse IV des Bundes genügten lediglich die Elbe und Oder; deren vollständige Nutzbarkeit (wirtschaftliche Ladefähigkeit der Binnenschiffe) war aber nur bei mittleren und höheren Wasserständen möglich.

Während in der DDR der Ausbaustandard der Hauptwasserstraßen auf das 1000t-Schiff ausgerichtet war, entsprechen die (westeuropäischen) Binnenwasserstraßen dem Europa- Standard von 1350 t Ladefähigkeit. Damit unterlagen die Uferdeckwerke der vorhandenen

20 Wasserstraßen der DDR, soweit sie – wasserstandsabhängig – auch von größeren Schiffen befahren werden konnten, einem wesentlich stärkeren Verschleiß.

Die daraus erwachsende geringe Transport-Bedeutung der Binnenschifffahrt in der DDR führte somit auch zur weiteren Vernachlässigung der Unterhaltung der Wasserwege und der Binnenhäfen, woraus wiederum ein weiterer Rückgang der Transporte auf dem Wasserweg führte. Nur durchschnittlich 3 % der Investitionen des Verkehrswesens der DDR entfielen in den 1980iger Jahren auf die Unterhaltung der Wasserwege.

Der unzureichende Erhaltungszustand zeigte sich im Einzelnen an schadhaften Buhnen und Uferbefestigungen. So waren beispielsweise 10 % der Buhnen an der Elbe schwer beschädigt, sodass sie ihre Funktion zur Einengung des schiffbaren Flusslaufes nicht erfüllen konnten. Zwischen 1936 und 1990 eingetretene Tauchtiefenverluste im Bereich der Oberelbe von 30 cm schränkte die Lademöglichkeit der Binnenschiffe zusätzlich ein.25

Wegen der sehr unterschiedlichen Größe, Leistungsfähigkeit und Funktion der verschiedensten Hafen- und Umschlagsanlagen in Binnen- und Seehäfen war eine Vergleichbarkeit der Standards und damit eine Ermittlung der Defizite im Bereich der Binnenhäfen der DDR durch das DIW nur sehr schwer möglich, wenngleich die Unterschiede Ost/West deutlich gemacht werden konnten. (siehe Anlage: 1. 3 Bestand an Anlagevermögen am 31.12.1990: Wasserstraßen und Binnenhäfen in Deutschland).

In Beachtung dieser Tatsachse wurde in Sachsen für die Häfen an der Oberelbe, die im Jahr 1990 in das Eigentum des Freistaates Sachsen übergegangen waren, 1991 eigens der erforderliche Investitionsbedarf ermittelt. Die vor allem wasserbautechnischen Untersuchungen führten zu einem Betrag von ca. 50 Mio. €26 für die notwendigen Erneuerungsarbeiten an den Anlagen für Umschlag Wasserstraße/Bahn/Straße und Lagerung in den drei Häfen Dresden, Riesa und Torgau.

2. 1. 4 Öffentlicher Personennahverkehr

Bei einem Vergleich der Entwicklung des Öffentlichen Personennahverkehrs in beiden Teilen Deutschlands zeigten sich in besonderem Maße die unterschiedlichen gesellschaftlichen Systeme zwischen 1945 und 1990, die volkswirtschaftlichen Spielräume und die daraus erwachsenden unterschiedlichen verkehrspolitischen Bedingungen für die öffentlichen Verkehrsbetriebe. Sie bildeten jeweils die Grundlage für deren sehr unterschiedliche betriebswirtschaftliche Handlungsspielräume.

Während in Westdeutschland die marktwirtschaftliche Entwicklung und der daraus abgeleitete soziale Aufstieg weiter Bevölkerungskreise eine schnell wachsende Motorisierung ermöglichte,

25 Als wesentliche Verbesserungen für die deutsche und europäische Binnenschifffahrt sind das Wasserstraßenkreuz zwischen Elbe und Mittellandkanal bei Magdeburg und der Ausbau der Kanalverbindung von der Elbe-Querung bei Magdeburg bis Berlin zu bezeichnen. Beide Vorhaben wurden als Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 18 in den ersten gesamtdeutschen Bundesverkehrswegeplan 1992 aufgenommen. Die Verbesserung der Befahrbarkeit der Ober- und Mittelelbe legte der Bund ebenso als vordringliches Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan fest.

26 Nach internen unveröffentlichten Unterlagen der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH, Dresden.

21 blieb diese infolge fehlender Ressourcen in der starren planwirtschaftlichen Ordnung Ostdeutschlands wesentlich zurück.

Die unmittelbare Folgerung, vor allem der kommunalen Verkehrspolitik westdeutscher Städte, war eine weitgehende Anpassung der Straßennetze an die Anforderungen des Individualverkehrs. Vielfach wurden Straßen zu Lasten der Gleisanlagen der Straßenbahnen verbreitert und „unwirtschaftliche“ Straßenbahnstrecken stillgelegt. Die Nutzung öffentlicher Nahverkehrsmitteln ging in Westdeutschland bis in die 1980ziger Jahre nachhaltig zurück [11]. In den Jahren 1950 bis 1990 verminderte sich die Streckenlänge aller elektrisch betriebenen öffentlichen Verkehrsmittel in kommunaler Hand um 50 %.

Erst nach der Einführung der öffentlichen Förderung durch den Bund und die Länder nach den Bestimmungen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) änderte sich dieser Zustand. In den Jahren 1967 bis 1990 konnten mittels eines Förderbetrages von knapp 12,5 Mrd. €, der durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer erwirtschaftet wurde, ca. 600 km Stadtschnellbahn-Strecken neuem Standards gebaut werden.

In den Städten der DDR war es demgegenüber notwendig, zur Bewältigung des Verkehrsaufkommens die Straßenbahnnetze und Obus Systeme zu stabilisieren und so weit wie möglich auszubauen27. So erweiterten sich die Straßenbahn-Netze in den Städten Ostdeutschlands 1950 bis 1990 um 153 km28.

Bei einem Vergleich der ÖPNV-Systeme der alten und neuen Bundesländer waren besonders der Ausbauzustand und Ausbaustandard der Gleisanlagen, der Betriebshöfe, der elektrischen Anlagen und der Fahrzeuge zu berücksichtigen, wenn ein vergleichbares Bild entstehen sollte.

Erhebliche Qualitätsunterschiede stellten sich dar.

Zusammenfassend vermittelt die in der Anlage I. 1. 4 gegenübergestellte Größenordnung des Bruttoanlagevermögens der Betriebe des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs die gewaltigen Unterschiede in der Ausstattung der Verkehrsunternehmen Ost- bzw. Westdeutschlands. (siehe Anlage I. 4: Anlagevermögen der Betriebe des Öffentlichen Nahverkehrs am 31.12.1990)

2. 1. 5 Flughäfen

Der Versuch einer vergleichenden Bewertung des Anlagenbestandes und Vermögens im Bereich der Flughafen-Infrastruktur stieß im Rahmen der sich 1990 stellenden Fragen beim DIW auf objektive Grenzen.

Die „Flughafen-Landschaft“ zeigte 1990 auf Grund der sehr unterschiedlichen militär- und verkehrspolitischen Wege der beiden deutschen Staaten (einerseits von sowjetischer, andererseits von westalliierter Seite beeinflusst), die nach der Teilung Deutschlands gegangen worden waren, deutliche Unterschiede sowohl in der Zivilluftfahrt29 wie im militärischen Bereich.

27 In Hoyerswerda wurde nach einem sehr langen Planungsprozess sogar erst 1989 der Obus Betrieb eingeführt.

28 Nach Angaben des Verbandes Öffentlicher Verkehrsunternehmen, Köln.

29 Insbesondere nach Wiederherstellung der Lufthoheit der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.

22 Während in Westdeutschland neben den zahlreichen militärischen Flugplatz-Anlagen der Alliierten und der Bundesluftwaffe ein enges Netz von zivilen, meist international genutzten Verkehrsflughäfen entstand, baute die DDR nur Berlin-Schönefeld und den Messeflugplatz Leipzig30 aus. Der militärischen Zwecken angepasste Flughafen Dresden stand der Luftwaffe, der Flugzeugindustrie und bei Nutzung des aus dem Jahr 1936 stammenden Empfangsgebäudes ausnahmsweise dem Gelegenheitsverkehr zur Verfügung. Die Verkehrslandeplätze in Erfurt und auf Usedom waren im Vorkriegsausbau verblieben.

Der Gutachter trug daher nur die ermittlungsfähigen Anlagewerte der bis 1990 auch durch den zivilen Verkehr genutzten Verkehrsflughäfen Berlin-Schönefeld, Leipzig, Dresden und Erfurt zusammen und ermittelte für diese ein Gesamtanlagevermögen von 232 Mio. €.

Um eine Übersicht über den Ausbaugrad und die Leistungsfähigkeit dieser Standorte zu vermitteln, stellte DIW die technische Ausrüstung und die Flughafenkapazität (Anzahl der möglichen Flugbewegungen) dar.

Ein Vergleich mit der Flughafeninfrastruktur der alten Bundesländer, insbesondere unter dem Aspekt der Vielzahl der nach 1950 neu entstandenen Verkehrsflughäfen war nicht möglich. Es wurde in diesem Zusammenhang daher nur auf den für die Verkehrsflughäfen erforderlichen Nachhol- bzw. Investitionsaufwand hingewiesen, der im Folgenden vertieft dargestellt wird.

Die Grundstücke des Flughafens Dresden befanden sich bis 1990 in der Hand der Volksarmee der DDR 31. Das nach dem zweiten Weltkrieg weitgehend unzerstörte, vordem auch militärisch genutzte Start- und Landebahnsystem entsprach daraus folgend nicht den Maßstäben, die eine geordnete zivile Luftfahrt erforderten.

Nicht nur in Sachsen bestanden / bestehen weitere Großflughäfen mit ehemals ausschließlich militärischer Nutzung durch die sowjetischen Streitkräfte und die „Volksarmee“. Diese ließen sich durchaus einer zivilen Nutzung zuführen, wenn dafür ein Bedarf bestanden hätte/bestünde. Sie liegen weit außerhalb jeglicher Nachfrage nach Luftverkehrs-Dienstleistungen. Insoweit wäre eine wertmäßige Berücksichtigung durch DIW für Sachsen nicht relevant. gewesen. Das DIW folgte dieser Beurteilung.

Die Einbeziehung dieser, von russischen und deutschen Truppen bis 1990 genutzten, rein militärischen Flugplätze in alle Infrastruktur-Überlegungen für den nationalen und internationalen Zivil-Luftverkehr wurde seitens der Sächsischen Staatsregierung bereits 1990 ausgeschlossen.

Für die vormilitärische Ausbildung durch die „GST“32 und den „landwirtschaftlichen Flugbetrieb“ unterhielt die DDR zahlreiche Landeplätze und Flugfelder, die bei den Berechnungen des DIW ebenfalls keine Berücksichtigung fanden, weil sie für eine verkehrliche Nutzung keinerlei Perspektiven hatten. Das Institut für Luftverkehr der Hochschule für Verkehrswesen legte im Auftrag des SMWA im Jahre 1992 ein Gutachten über die bautechnische Qualität dieser Landeplätze und Flugfelder in Sachsen sowie Vorschläge für

30 Regelmäßiger Zivilluftverkehr wurde nur an Messetagen jeweils während der Frühjahrs- und Herbstmesse angeboten.

31 Die Flächen des Flughafens wurden 1991 durch die damals bereits bestehende Flughafen Dresden GmbH von der Bundeswehr übernommen.

32 Gesellschaft für Sport und Technik (GST), vormilitärischer Arm der Volksarmee der DDR.

23 deren mögliche Nutzung vor. Nach den Berechnungen des Institutes bestand ein Investitionsbedarf von über 35 Mio. € an insgesamt 31 Standorten innerhalb des Freistaates, wenn diese zukünftig der zivilen Luftfahrt („Allgemeine Luftfahrt“) zur Verfügung stehen sollten [12]. Nur wenige Landeplätze wurden von Kreisverwaltungen übernommen, um dem Gelegenheits-Luftverkehr und Flugsport zur Verfügung zu stehen. Ausgeklammert wurde in diesem Gutachten der TU Dresden der Investitionsbedarf der Verkehrsflughäfen Dresden und Leipzig, da deren Entwicklung bereits 1991 von der Sächsischen Staatsregierung beschlossen worden war33. (siehe Anlage 1. 5: Anlagenbestand der ostdeutschen Verkehrsflughäfen am 31.12.1990)

2. 1. 6 Zusammenfassende Darstellung der Defizite und des Nachholbedarfs in den einzelnen Verkehrsbereichen

Die Bestandsaufnahme des Anlagevermögens im Verkehrsbereich und damit des Defizits war für den anlaufenden Planungsprozess nicht ausreichend. Notwendig war zusätzlich die Ermittlung des Entwicklungsbedarfs, d.h. eines Bedarfs zum Planungsziel34 (Jahr 2012), mit dem die Angleichung der Verkehrsinfrastruktur Sachsens an die Westdeutschlands vollendet werden sollte. Im Vergleich der spezifischen Anlagevermögen von Schiene, Straße, Wasserstraße und Flughäfen in den alten und neuen Ländern ließ sich das Defizit bzw. der Nachholbedarf nun grob summarisch feststellen, nicht aber der entwicklungsbedingte weitergehende Bedarf, der Aufwand für neue, zusätzlich notwendige Verkehrsanlagen.

Das Infrastruktur-Defizit umfasste 95 Mrd. € im Jahr 1990 für alle neuen Länder. Der Anteil Sachsens betrug etwa 25 %, lag somit bei ca. 25 Mrd. €.35 Diese Beträge waren grob gefasst und berücksichtigten nur den Umfang an Maßnahmen, die zur Angleichung der vorhandenen technischen Verkehrsinfrastruktur notwendig waren. Für die verschiedenen Verkehrsbereiche ergaben sich unterschiedliche Schlüssel zur Ermittlung des Anteils von Sachsen an dem Defizit der neuen Länder insgesamt. In der Tabelle 1 sind die prozentuellen Anteile Sachsens dargestellt:

Tabelle 1 Anteil Sachsens am teilungsbedingten Infrastrukturdefizit der neuen Länder

Anteil Sachsens am Bemessung teilungsbedingten Defizit der neuen Länder Schienenwege (Eisenbahnen) 20 % Anteil am Streckennetzes der (ehem.) in Sachsen Deutschen Reichsbahn Bundesfernstraßen 21 % Anteil am Fernstraßennetz Ostdeutschlands Öffentliche Nahverkehrsmittel 27 % Schlüssel gem. § 6 (2) GVFG und Kommunalstraßen

33 Anmerkung hierzu: Vorangegangen war die Prüfung und negative Entscheidung der Sächsischen Staatsregierung zu dem Projekt „Neubau Sächsischer Zentralflughafen“ in der Gegend um Riesa.

34 Der darüber hinausgehende Investitionsbedarf Sachsens im Verkehrsbereich nach Ausgleich des Defizits Ost/West bis zum Planungsziel 2012 wurde im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung 1992 und der Verkehrsplanung des Freistaates bestimmt.

35 Eigene Ermittlungen auf der Basis der DIW-Ergebnisse.

24 Wie ausgeführt, stand allerdings neben diesem Defizit von 25 Mrd. €. der weit darüber hinausgehende, im Folgenden dargestellte tatsächliche Bedarf, der sich aus dem zukünftigen Verkehrsaufkommen Sachsens und der zusätzlichen Nachfrage des Transitverkehrs ergab.

2. 2 Mobilität und Motorisierung der Bevölkerung in den Ballungsräumen Sachsens 1972 bis 2008

Bei der Bestimmung des zukünftigen Verkehrsaufkommens in Sachsen war die richtige Einschätzung der zukünftigen Mobilitätsansprüche, des Verkehrsmittel-Wahlverhaltens und der Motorisierung der Bevölkerung erforderlich. Ihre richtige Einschätzung war neben den Daten zur Strukturentwicklung für die Verkehrsprognosen, soweit solche überhaupt möglich waren, von ausschlaggebender Bedeutung. Das Verkehrsverhalten der west- und ostdeutschen Bevölkerung, ausgedrückt durch die Pkw- Verfügbarkeit sowie die Mobilität jedes Einzelnen (Zahl der Wege und Fahrten je Tag), die benutzten Verkehrsmittel und die Reisezeiten, stellte sich bis Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts unterschiedlich dar. Deutliche Differenzen zeigten sich zum Zeitpunkt der politischen Wende beim Verkehrsmittel-Wahlverhalten („modal split“). Diese erwuchsen aus fehlender geeigneter Infrastruktur für den Straßenverkehr und ungenügender Pkw-Verfügbarkeit der einzelnen Haushalte in Ostdeutschland [13].

Zur Einschätzung des unterschiedlichen Mobilitätsverhaltens der Bevölkerung konnte umfangreiches Datenmaterial herangezogen werden. Im Rahmen der „KONTIV“ (heute „Mobilität in Deutschland“)36 und dem „System repräsentativer Verkehrsbefragungen“ (SrV)37 waren seit 1970 sehr differenzierte Untersuchungen durchgeführt worden.

36 Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH ( infas) und DIW, vormals: Socialdata, München.

37 Technische Universität Dresden, Fakultät “Friedrich List“.

25 Bild 1 Spezifisches Verkehrsaufkommen (Fahrten und Wege) in den Städten des Städtepegels der DDR 1972 bis 1991 [13]

3,5

3

2,5

2

1,5

1

0,5

Ortsveränderungen / Person u.Tag 0 1972 1977 1982 1987 1991

Spezifisches Verkehrsaufkommen (Fahrten und Wege/Tag Fußwege Fahrten mit dem Fahrrad Fahrten mit dem Kfz (einschl. Mitfahrer) Fahrten mit Öffentlichen Verlkehrsmitteln

Das Diagramm in Bild 1 vermittelt einen guten Überblick über die Mobilität und das Verkehrswahl-Verhalten der ostdeutschen, städtischen Bevölkerung38 bis 1990, aus dem bereits deutlich das Streben zum eigenen Kraftfahrzeug39 ablesbar ist.[14] Die allgemeine gesellschaftspolitische Perspektive, damit das Handeln der Sächsischen Staatsregierung der Jahre unmittelbar nach 1990, zielte auch auf eine schnelle Angleichung der Kfz-Verfügbarkeit der Bevölkerung Sachsens an die Westdeutschlands. Der Freistaat formulierte und schuf dafür die Rahmenbedingungen, um den Menschen auch auf diesem Sektor die Umstellung in eine veränderte Wirtschaftsordnung zu erleichtern.40 Zur Einschätzung des zukünftigen Verkehrsverhaltens der Bevölkerung Sachsens gab es somit folgende herausgehobene Erwartung:

38 Die Erhebungen des ersten „Städtepegels“ ( für einen mittleren Werktag) erfolgten im Jahr 1972 durch die TU Dresden; zum Städtepegel gehörten die Städte Leipzig, Dresden, Chemnitz, Magdeburg, Halle (einschl Halle- Neustadt), Rostock, Erfurt, Gera, Schwerin, Dessau, Cottbus, Frankfurt (Oder), Neubrandenburg, Zittau und Spremberg.

39 Die technische Ausstattung der in Ostdeutschland angebotenen Fahrzeuge entsprach kaum europäischen Maßstäben, war aber für den Standard des ostdeutschen Straßennetzes ausreichend.

40 Neben dem Straßenbau in der Förderung der ansiedlungs-interessierten Kfz-Industrie.

26 Durch eine sehr schnelle Motorisierung würden sich die Mobilität und damit das spezifische Verkehrsaufkommen Sachsens nach einer Anpassungsphase von ca. 10 Jahren in der Größenordnung gesamtdeutscher Durchschnittswerte einpendeln.

Die Berechnung eines sparten-bezogenen Verkehrsaufkommens im Freistaat war von dieser Seite aus allerdings nicht möglich, da eine Vorausschau auf zukünftige Einwohnerzahlen und Wanderungsbewegungen nicht greifbar war. Der im Bild 2 erkennbare wesentliche Rückgang der Bevölkerung, insbesondere durch Wanderungsbewegungen in Richtung Westdeutschland, war Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nicht erwartet worden.

Die jüngsten, aus dem Jahr 2003 vorliegenden einschlägigen Berichte der TU Dresden aus der Fortführung der SrV41- Erhebungen weisen an Beispielen aus west- und ostdeutschen Städten auf eine weitgehend erfolgte Anpassung des Mobilitätsverhaltens der großstädtischen Bevölkerung Ostdeutschland hin [15]. Damit wird deutlich, dass die politischen Erwartungen, die von einer generellen gesellschaftlichen Angleichung der Lebensbedingungen und damit des Verkehrsverhaltens in Ost und West ausgingen, eingetreten sind bzw. innerhalb von höchstens weiteren 5 Jahren eintreten werden.

Bild 2 Entwicklung der Bevölkerung und der Motorisierung in Sachsen 1990 bis 2005 [0]

5 3000

4,5 2500 4

3,5 2000 3

2,5 1500

2 1000 Personen (Mio.) 1,5 Kfz bze Pkw (in 1000) (in Pkw bze Kfz 1 500 0,5

0 0 1990 1995 2000 2005

Einwohner Sachsens (Mio) Erwerbstätige in Sachsen (Mio) in Sachsen gemeldete Kraftfahrzeuge (Kfz) in Sachsen gemeldete Personenkraftwagen (Pkw)

Näheres dazu zeigen auch die Bilder 3 und 4. Im Jahr 2005 hatte die Motorisierung der Bevölkerung Sachsens noch nicht ganz den Pegel Westdeutschlands erreicht, wenngleich die Mobilität, ausgedrückt in Wege bzw. Fahrten/Personen und Tag, innerhalb großer Städte Deutschlands bereits 2003 weitgehend angeglichen war.

41 Die TU Dresden führt die SrV-Untersuchungen mit Förderung durch das Bundesministeriums für Verkehr, Bauwesen und Stadtentwicklung seit 1998 in zahlreichen Städten der alten und neuen Bundesländer kontinuierlich fort.

27 Bild 3 Entwicklung der Pkw-Verfügbarkeit in Deutschland - Vergleich alte und neue Bundesländer [11] und [13]

600

500

400

300

200 Pkw/1000 Einwohner 100

0 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

Motorisierung bis 1989 in der DDR, danach in den neuen Ländern Motorisierung in der Bundesrepublik bis 1989, danach in den alten Ländern linearer Trend (Motorisierung in den alten Bundesländern) linearer Trend (Motorisierung in den neuen Bundesländern)

Bild 4 Mobilität in ausgewählten deutschen Städten; Ergebnisse der SrV Erhebungen [11]

3,5

3

2,5

2

1,5

1 Wege/Person und Tag 0,5

0 Chemnitz Dresden Frankfurt/M Leipzig

1987 1991 1998 2003

Zwischenzeitlich dürfte es im Verkehrsverhalten und auch im „modal split“ der Bewohner großer Städte in West- und Ostdeutschland kaum noch Unterschiede geben. Auch dann, wenn

28 die Straßen- und Straßenbahnnetze nicht immer den gleichen Stand erreicht haben (vielfach sind die moderneren Anlagen in den Städten der neuen Länder anzutreffen), haben sich im Allgemeinen die Verkehrsverhältnisse im kommunalen wie überregionalen Bereich Deutschlands inzwischen weitgehend angeglichen. Wegen der insgesamt weiterhin bestehenden Tendenz zur Abnahme der „mobilen Bevölkerung“ (Abwanderung der „aktiven Jahrgänge“, Überalterung und Geburtenrückgang) in ostdeutschen Städten beherrscht die verkehrswissenschaftlichen Diskussionen der Gedanke „die schwindende Stadt“. Sie stellt damit Bauvorhaben für neue Straßen und Straßenbahn-Strecken vielfach in Frage.. Hier zeichnet sich ein neuer, auseinander gehender Trend ab. Während der Zuzug von Ausländern in westdeutschen Großstädten zu wachsenden Einwohnerzahlen führt (Beispiel Köln), rechnet man beispielsweise in Chemnitz auch weiterhin mit einem Bevölkerungsrückgang42.

2. 3 Qualitative und quantitative Maßstäbe für eine angemessene Verkehrsinfrastruktur in Sachsen

Als eine entscheidende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung in Sachsen betrachtete man 1990 den zügigen Ausbau der jahrzehntelang sträflich vernachlässigten Verkehrsinfrastruktur. Die qualitativen und quantitativen Maßstäbe für diese Zielsetzung setzte zunächst 1992 der erste gesamtdeutsche Verkehrswegeplan der Bundesregierung (BVWP 92) [16], später der an ihm orientierte Landesverkehrsplan Sachsen. Vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung Deutschlands, der Vollendung des EU Binnenmarktes und einer erwarteten Erweiterung der Europäischen Union musste die Verkehrspolitik des Bundes und Sachsens die Voraussetzungen dafür schaffen, dass durch Organisation, Planung und Bauausführung ausreichender Verkehrsraum für die Mobilitätsansprüche der deutschen Bevölkerung und der Industrie zur Verfügung gestellt wird und sich im europäischen Maßstab für den Transit-Verkehr43 innerhalb Deutschlands keine Hemmnisse ergeben.

Der Maßstab des Bundes dafür war im ersten gesamtdeutschen Bundesverkehrswegeplan gesetzt worden und hatte die grundlegende Erneuerung, den Ausbau und die Erweiterung des Verkehrswegenetzes, der Straßen, der Binnenwasserstraßen und Schienenverbindungen, soweit diese in seiner Verantwortung lagen, zum Ziel. Um die vom Bundesverkehrswegeplan formulierten Ziele schnell zu erreichen, mussten neue Wege beschritten werden, da nach dem damals praktizierten Bau- und Planungsrecht die Genehmigungszeit für große Infrastrukturprojekte 10 bis 20 Jahre betrug. Dies geschah mit der Beschlussfassung des Bundestages zum „Verkehrswege Ausbau Beschleunigungsgesetz“. Dieses Gesetz, mit dem die Planungsfristen grundlegend verkürzt wurden, galt zunächst für den Verkehrswegebau nur in den neuen Bundesländern.

Nach mehr als einem halben Jahrhundert war im Jahr 1990 auch sächsische Infrastrukturpolitik in einer freien und offenen Gesellschaft wieder möglich geworden. Im Blick auf eine in das gesamtdeutsche Verkehrsnetz eingebundene sächsische Verkehrspolitik entschied sich der Freistaat den vom Bund formulierten Weg zum Ausbau seiner eigenen Verkehrsinfrastruktur

42 Ausnahmen bilden die Städte Dresden und Leipzig mit ebenfalls leicht steigenden Einwohnerzahlen.

43 Die Rolle Sachsens als wichtiges Transitland von Polen und Tschechien in die Zentralbereiche der EU wird aus der langen gemeinsamen Grenze mit diesen Ländern deutlich.

29 nach neuesten technischen Stand zu folgen und forderte die kommunalen Baulastträger für den Straßenbau und Öffentlichen Nahverkehr auf, ebenfalls diesen Weg zu gehen.

Bei der Entwicklung eines neuen Gesamtsystems44 aller Verkehrssparten in Sachsen waren neben der Gewährleistung der Mobilität für Menschen und Wirtschaft Fragen der Umweltverträglichkeit, eines erwarteten sinkenden Energieverbrauchs, der Verkehrssicherheit sowie eines schnellen Handelns die Grundlage für den anstehenden Planungsprozess und die Beurteilung der Verkehrsprojekte anderer Baulastträger in Sachsen.

Die Thematik der Finanzierung problematisierte sich erst nach 1995, als die Finanzflüsse des Bundes zu Gunsten Sachsens geringer wurden und auch für den Freistaat der Haushaltsausgleich Priorität gewann.

Im Einzelnen legte Sachsen damit Wert auf den schnellen Vollzug der bundespolitischen Planungsziele für den Autobahn– und Bundesfernstraßenbau und brachte im Rahmen der Auftragsverwaltung erhebliche eigene Initiative45 ein, um die Straßen des Bundes im qualitativ notwendigen Ausbaustandard umweltgerecht und zeitnah zu verwirklichen.

Eine schnelle Anpassung der Schieneninfrastruktur in Sachsen an Standard und Ausbauqualität der westdeutschen Bahnstrecken durch die damalige Deutsche Reichsbahn gestaltete sich wesentlich schwieriger. Zur Anbindung Sachsens an das westdeutsche Bahnnetz und zur Fortführung nach Polen und Tschechien waren leistungsfähige Hochgeschwindigkeitsstrecken für den Personen- und Güterverkehr erforderlich. Der Bund kam diesem Anliegen mit den bereits zitierten „Verkehrsprojekten Deutsche Einheit 8 und 9“ zwar von der Planung her entgegen, behandelte aber die Finanzierung und damit die Bauausführung nicht mit der erforderlichen Zeitnähe. Sachsen konnte im Rahmen seiner Zuständigkeit nur durch verstärkte verkehrspolitische Initiativen dem Bund und dem Vorstand der Reichsbahn gegenüber versuchen, Prioritäten für Projekte in Sachsen zu setzen. Vielfach geschah dies ohne den notwendigen Erfolg.46

Politisch war die Forderung des Freistaats nach zusätzlicher Aufnahme der „Sachsen- Magistrale“ in das Programm der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit nicht erreichbar gewesen. Der Ausbau – einschließlich einer teilweise neuen Trassierung - dieser Fernstrecken Dresden – Chemnitz – Plauen und Leipzig – Plauen – Hof nach den Planungszielen der VDE (Ausbau für 200 km/h, technische Ausrüstung mit Neigetechnik für Strecken und Fahrzeuge) hatte für den Freistaat eine besondere Priorität.

Die Bahn folgte den qualitativen und quantitativen Ansprüchen Sachsens für die Sachsen- Magistrale innerhalb ihrer Planungsprozesse für Großprojekte nicht, der Bund stellte lediglich Mittel für die Sanierung, nicht aber den Ausbau als Schnellverkehrsstrecke zur Verfügung.

Bezüglich der technischen Ausbaustandards des übrigen Schienennetzes in Sachsen, z.B. einer Anhebung der Streckengeschwindigkeiten, der grundsätzlichen eisenbahntechnischen

44 Der Begriff soll die Zusammenhänge und gegenseitigen Beeinflussungen zwischen dem Land-, Wasser- und Luftverkehr verdeutlichen.

45 Beispielsweise Vorfinanzierungen aus dem Landeshaushalt zur Planung und zum Bau von Bundesstraßen.

46 Das Bundesverkehrsministerium und die beiden deutschen Bahnen legten großen Wert darauf, die Berlin berührenden „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ schnell zu finanzieren, während die Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen berührenden Projekte nur mit zweiter Priorität in Angriff genommen wurden. 30 Erneuerung, folgte die Bahn allerdings vielfach sächsischen Zielsetzungen, soweit Sachsen mitfinanzierte.

Rückwirkend muss festgestellt werden, dass bis 2007 zwar wesentliche (im Interesse der Bahn liegende) Vorhaben begonnen wurden, aber die vertraglich zwischen Bahn, Bund und Sachsen vereinbarten Großprojekte Dresden – Leipzig und Dresden/ Leipzig – Hof bis heute noch nicht oder nur teilweise fertig gestellt sind.

Im Einvernehmen mit dem Verband Deutsche Verkehrsunternehmen (VDV), Landesgruppe Südost, und den einzelnen kommunalen Verkehrsbetrieben Sachsens konnten die vom Freistaat formulierten technischen Maßstäbe für den Ausbau der Straßenbahn- zu Stadtbahnstrecken festgelegt werden. Die Förderung der Projekte der Öffentlichen Nahverkehrsbetriebe durch den Freistaat wurde an die Übernahme der Standards westdeutscher Nahverkehrsunternehmen (beispielsweise zweigleisige, straßenverkehrs-unabhängige Streckenführungen, Niederflurtechnik) gebunden.

Der Beurteilung von GVFG-Projekten nach der „Standardisierten Bewertung von ÖPNV- Großprojekten des Bundes“ stand Sachsen, zumindest für allein geförderte Maßnahmen, auf Grund der enormen Schwierigkeiten der entsprechenden Antragsverfahren ablehnend gegenüber. Die Einzel-Förderungen der ÖPNV-Vorhaben erfolgten vielmehr nach Einzelprüfungen auf der Basis betrieblicher und ortspezifischer Gesichtspunkte.

Besonderes Augenmerk galt dem Ausbau der Verkehrsflughäfen. Die von der Treuhand in die Verantwortung Sachsens übernommenen Flugplätze Leipzig/Halle47 und Dresden48 sollten im Interesse der schnellen Erreichbarkeit Sachsens umgehend den international gültigen Sicherheitsstandards angepasst werden. Letzteres betraf in besonderem Maß die Start- und Landebahnen, die örtlichen luftfahrttechnischen Ausrüstungen der Flughäfen, insbesondere die Einrichtungen zur Gewährleistung des All-Wetterflugbetriebes.

Der Bund war 1992 nicht bereit, als Gesellschafter in eine der beiden in Gründung befindlichen Flughafengesellschaften Leipzig/Halle und Dresden einzutreten und überließ damit den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt die alleinige Zuständigkeit und Verantwortung für den zivilen Luftverkehr.

Die beiden Länder formulierten daher eigene Ausbauziele und verständigten sich 1992 für den Flughafen Leipzig/Halle auf eine Gestaltung der flugtechnischen Anlagen für eine Jahreskapazität von 4,0 Mio. Passagieren; Sachsen legte für den Verkehrsflughafen Dresden 2,5 Mio. Passagiere49 als Orientierungsgröße für den Ausbau bis 2000 fest.

Der Ausbau der ebenfalls von der Treuhand an Sachsen zurück gegebenen Binnenhäfen50 sollte sich neben der dringend notwendigen Sanierung (statisch unsichere Kaimauern, überalterte

47 Der Flughafen Leipzig war bis zur Wiedervereinigung dem Verkehrsministerium der DDR unmittelbar unterstellt.

48 Der Flughafen Dresden wurde nach Abzug sowjetischer Truppen von der Volksarmee der DDR übernommen. Er war auch Werkflughafen der Dresdner Flugzeugindustrie; konnte zeitweise auch für Zwecke des zivilen Luftverkehrs genutzt werden.

49 Passagiere pro Jahr.

50 Sie wurden bis 1990 von dem VEB Binnenhäfen betrieben.

31 Krananlagen, unzureichender Speditions- und Lagerraum) maßstäblich an modernen westdeutschen Binnenhäfen orientieren. Wichtig war dabei die Absicht des Bundes, die Vollschiffigkeit der Elbe zu garantieren. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost hatte dem BVWP 1992 folglich den Auftrag erteilt, die volle Befahrbarkeit der Elbe oberhalb Magdeburgs wiederherzustellen51.

Die Geschäftsführung der neu gegründeten „Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH“ erhielt den Auftrag, hierfür dem Freistaat diskussionsfähige Ausbauvorschläge vorzulegen.

2. 4 Verkehrspolitische und wirtschaftspolitische Entwicklungsziele für die verschiedenen Verkehrsbereiche in Sachsen

Die Staatsregierung stellte sich das Ziel, einen für jeden Bürger erlebbaren Wirtschaftsaufschwung in einer gesunden Umwelt zu bieten. Nach der Globaldarstellung dieser verkehrspolitischen Ziele Sachsens werden im Folgenden alle Einzelheiten der notwendigen technischen Projekte und organisatorischen Maßnahmen ausführlich beleuchtet.

Um das grundsätzliche gesellschaftspolitische Ziel einer möglichst schnellen Anpassung der Lebensbedingungen Sachsens an die der alten Bundesländer zu erreichen, bestand im Jahr 1990 außergewöhnlicher Handlungsbedarf in allen Politikbereichen. Die Verkehrspolitik war gefordert, die Verkehrsanlagen schnell dem Bedarf, der rasant anwachsenden Verkehrsdichte auf den Straßen, anzupassen, auch wenn dies im Einzelfall zunächst nur provisorisch möglich war.

Die wirtschaftspolitischen Prognosen für die Entwicklung von Industrie und Handel, u.a. ausgedrückt im jährlichen Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes, ließen ein Wachstum von 10 % per anno (allerdings auf dem niedrigen Niveau der vorausgegangenen planwirtschaftlichen Situation) erwarten. Eine starke Zunahme der industriellen und gewerblichen Wertschöpfung bedeutete einen erheblichen Zuwachs der Gütertransporte auf Straße und Schiene, im Einzelfall auch der Luftfracht, innerdeutsch und europaweit. Dieser Herausforderung zu begegnen und damit die erforderliche volkswirtschaftliche Prosperität zu garantieren, war das Ziel sächsischer Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Folgerichtig war die schnelle Bereitstellung eines leistungsfähigen Gesamtverkehrssystems unter Beachtung der Raumordnung und des Umweltschutzes geboten.

Dieser Ausgangssituation folgend konzentrierte sich das staatliche Handeln auf zwei Handlungsfelder: ein Sofortprogramm zur Gewährleistung der notwendigen Funktionalität aller Verkehrsmittel (Abbau des Nachholbedarfs; sinngemäß als „Überhang“ bezeichnet) durch:  Sofortmaßnahmen zur Behebung der markantesten Schwachstellen und Engpässen den Bundesfern-, Staats- und Kommunalstraßen durch unmittelbares Tätigwerden der neu

51 Orientiert an den Schifffahrtsbedingungen bis 1945.

32 gebildeten Straßenbauverwaltung Sachsens52 und eine gezielte, zunächst sogar bis 100%ige Förderung des Kreis- und Stadtstraßenbaus,

 Hochprozentige Förderung von Schwachstellen im Schienennetz der kommunalen Straßenbahnbetriebe, Auflage eines Förderprogramms zur Erneuerung von Tatra- Straßenbahnfahrzeugen; Förderungsprogramm für die Neubeschaffung von modernen Kraftomnibussen,

 Finanzierung und Ausführung53 dringendster Baumaßnahmen an Kaianlagen und Umschlageinrichtungen in den Häfen Dresden, Riesa und Torgau,

 Sanierung der verschlissenen Start- und Landebahnen der Verkehrsflughäfen, provisorische Erweiterung der Abfertigungs- und Warteräume für Flugpassagiere54;

 Verhandlungen mit der Deutschen Reichsbahn über den gezielten und zweckgebundenen Einsatz von Bundesmitteln in Streckenabschnitten, die der Freistaat für besonders vordringlich hielt.

Die Finanzierung der einzelnen Maßnahmen erfolgte auf dem üblichen Finanzierungswege bestehender Bundesgesetze, durch Sondermittel des Bundes unter dem Titel „Aufbau Ost“ und aus Mitteln aus dem Sächsischen Staatshaushalt. ein langfristiges Entwicklungsziel: Herstellung eines nachfragegerechten Gesamtverkehrssystems in Sachsen bei vollständiger Anpassung der Verkehrsinfrastruktur an die der alten Bundesländer binnen 10 bis 20 Jahren. (Entwicklungsbedarf, der sich auf den Nachholbedarf aufbaut)

Daraus folgte die Notwendigkeit zur

 Einleitung der konzeptionellen Landes- und Verkehrsplanung in Anlehnung an die Planungen des Bundes mit dem Ziel der Erarbeitung eines Landesverkehrsplans für alle Verkehrssparten; Abstimmung der Bundesfernstraßenplanung zwischen Baulastträger und Auftragsverwaltung, Bildung eines vom Freistaat getragenen Regionalstraßennetzes der „Staatsstraßen“,

 Klärung und Abstimmung der langfristigen Ausbauplanung für das Schienennetz mit dem Bund unter Beteiligung der Deutschen Reichsbahn,

 Erarbeitung eines S-Bahn- und Stadtbahn-Bedarfsplans für die Ballungsräume in Sachsens und dessen Realisierung; Förderung des Austauschs der überalterten Straßenbahnfahrzeuge zu einer modernen Fahrzeugflotte der kommunalen und privaten Verkehrsunternehmen,

52 Im Rahmen des Neuaufbaus der Straßenbauverwaltung des Freistaates entstanden unter der Abteilung Straßenbau des SMWA des Autobahnamt Sachsen und regional tätige Straßenbauämter.

53 Mit Unterstützung durch die bayrischen Staatshäfen an der Donau.

54 Mit fachlicher Unterstützung durch die „Partner-Flughäfen“ Frankfurt (M) und München.

33  Unterstützung und Förderung der Kommunen bei deren Generalverkehrsplanung55,

 langfristig angelegten Ausbauplanung der Verkehrsflughäfen Dresden und Leipzig/Halle,

 Ausbauplanung für die sächsischen Elbehäfen

Diese Entwicklungsziele waren im Blick auf die zeitliche Dimension einer 10- bis 20j-ährigen Aufbauphase sehr anspruchsvoll. Zudem stand der Planungsprozess unter erheblichem Zeitdruck, da die im Rahmen des Sofortprogramms angestoßenen Bau- und Ordnungsmaßnahmen in einen Gesamtzusammenhang passen mussten, Fehlinvestitionen auszuschließen waren und bereitgestellte Mittel termingerecht abzurufen waren.

Neben den verkehrsfachlichen Prämissen waren in den einzelnen Planungsprozessen die Einordnung in die Ziele der Raumordnung, die Vorgaben für eine umweltgerechte Gestaltung und die (volkswirtschaftlich betrachtete) Wirtschaftlichkeit aller Projekte maßgebend.

2. 5 Verkehrsprognose für den Freistaat Sachsen

Besondere Schwierigkeiten bei der Aufstellung des Landesverkehrsplans Sachsen ergaben sich im Zusammenhang mit der Fragestellung nach geeigneten und verlässlichen Verkehrsprognosen. Verkehrsprognosen waren und sind „per definitionem“ in der Verkehrswissenschaft und – Praxis übliche Planungs-Instrumente, mit denen die Dimensionierung der geplanten Verkehrsanlagen vorgenommen und der Nachweis der volks- und betriebswirtschaftlichen Sinnfälligkeit der Vorhaben nach Art und Form geführt wird.

Die Verkehrswissenschaft folgt damit einer Praxis der Volkswirtschaft, mit der diese die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Zukunft abzubilden versucht.

Eine nähere Betrachtung der Zuverlässigkeit von Verkehrs- und Wirtschaftsprognosen nimmt Wilhelm Leutzbach [17] mit seiner Fragestellung, „wie sicher sind Voraussagen?“ vor. Er kommt dabei anhand von zahlreichen Beispielen summarisch zu dem Schluss, dass Prognosestellung nicht nur ein außergewöhnlich schwieriges Vorhaben ist, vielmehr weist er auf die lange Erfahrung mit Voraussagen in die Zukunft und deren Fehleinschätzungen im Vergleich zum tatsächlichen Verlauf einer bestimmten Entwicklung hin.

„Warum Vorhersagen so schwierig sind – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen“ fragt Hanno Beck.[18] Er führt dazu folgendes aus: „Das Grundproblem professioneller Prognostiker ist bereits in der Methode angelegt: Sie versuchen die Zukunft zu erklären, indem sie die Vergangenheit verstehen wollen. Vereinfacht gesagt basteln die meisten Prognostiker aus den Daten der Vergangenheit ein Modell, das die vergangenen Ereignisse gut erklärt, und hoffen, dass dieses Modell in den kommenden Jahren genauso funktioniert wie bisher.“

Für mittelfristige Prognosen (nicht nur im Finanzbereich) braucht man nach Auffassung des früheren Bundesfinanzministers Theo Waigel [19] in erster Linie realistische Annahmen über die mittelfristigen Wachstumsmöglichkeiten der Volkswirtschaft. Als Anhaltspunkte dienen

55 In nahezu allen Städten Sachsens entstanden Generalverkehrs- und Nahverkehrspläne, die die Grundlage für staatliche Förderung von Einzelprojekten boten. 34 hierfür die Entwicklung in der Vergangenheit und besondere Zukunftsfaktoren, die für eine nachhaltige Veränderung eines bestehenden Trends sprechen.

Waigel führt dazu folgendes aus: „Das mittlere Wachstum im Zeitraum von 1970 bis 1979 (des Bruttoinlandsproduktes BIP) betrug 3,1 % jährlich. 1980 bis 1989 ging die Zuwachsrate auf 1,9% zurück. Nach dem Strukturbruch durch die Wiedervereinigung gab es zunächst kaum verlässliche Anhaltspunkte für den weiteren Wachstumstrend. Weit verbreitet war allerdings die Vermutung, dass der Aufholprozess im Osten (vermutete jährliche Zunahme des BIP um 10%) das gesamtdeutsche Wachstum nach oben drücken würde… Im Ergebnis ging man zunächst von einem realen Trendwachstum von 2,0 bis 2,5% aus, nominal wurden aber 4 bis 4,5% prognostiziert. Tatsächlich belief sich das durchschnittliche Wachstum zwischen 1990 und 2000 nur auf real 1,5% und nominal auf 3 Prozent.“

Christine Ahrend schließt sich der „Prognosen-Kritik“ an und fordert, eine Vorausschau sei nur mittels der Betrachtung von alternativ formulierten Trends zur Zukunft der gesellschaftlichen Entwicklung möglich. [20.1].

Die Kritik an Konjunkturprognosen setzt sich auch aktuell fort. Unter der Überschrift „Die Tücken der Konjunkturprognosen“ kommen Patrick Bernau und Philip Plinkert zu dem Ergebnis, dass „…Wirtschaftsforscher die große Krise der Jahre 2008/2009 haben nicht kommen sehen Trotzdem haben sie ihre Modelle bisher kaum verbessert. … Eine Prognose ist zuweilen eher ein Blick zurück als nach vorn, zitieren beide Bert Rürup, der diese Aussage ein wenig resignierend macht.“ [20.2]

Es ist also kaum erstaunlich, dass Verkehrsprognosen, die auch auf Wirtschaftsprognosen aufbauen, vielfach fehl gehen.

35 Bild 5 Wirtschaftsprognosen für die neuen Bundesländer 1991; geschätzte Entwicklung des Bruttoinlandproduktes [16]. [73] und [81]

30000

25000

20000

15000

10000

5000

Bruttowertschöpfung/Einwohner (€) 0 1990 1995 2000 2005

Prognose des Bundesverkehrswegeplans 92 Infos-Prognose Zuwachs 5 % pro Jahr Infos-Prognose Zuwachs. 10% pro Jahr Infos Prognose Zuwachs . 20% pro Jahr

Aus dem Diagramm ist sehr deutlich die Fehleinschätzung der Prognosen und Wertentwicklungsvorstellungen der deutschen Wirtschaftspolitik und beispielhaft eines namhaften Wirtschaftsforschungsinstitute aus 1991 erkennbar. Gewiss besteht Verständnis für sehr positive Voraussagen aus der Zeit der Euphorie nach der Wiedervereinigung. Andererseits vermittelt die Darstellung auch Verständnis für Vorbehalte. Am realistischsten erscheint heute die infos-Einschätzung [21]56 eines jährlichen Zuwachses von 5%. Die im Bundesverkehrwegeplan 1992 vertretene Erwartung zur Wirtschaftsentwicklung war zwar zu optimistisch, führte aber über die Verkehrsprognosen zur vielfach sehr günstigeren Beurteilungen ostdeutscher Verkehrsprojekte.

Die weitgehend an den Wirtschaftsprognosen der Jahre kurz nach der Wiedervereinigung orientierten Verkehrsprognosen folgten somit der Fehleinschätzung des Wirtschaftswachstums, zumal die Entwicklung des BIP in Sachsen zwischen 1991 und 2002 zwischenzeitlich sogar auf Null gefallen war.

Ein weiterer außerordentlich bedeutsamer Faktor für die Unverlässlichkeit der Verkehrsprognosen für Vorhaben in Sachsen der neunziger Jahre war die damalige Fehleinschätzung der bevölkerungsstrukturellen Entwicklung. Weder die Raumordnung noch Statistische Bundes- bzw. Landesämter waren in der Lage gewesen, verlässliche Voraussagen über zukünftige Einwohnerzahlen und deren regionale Verteilung in Sachsen zu machen.

Voraussetzung für die Erarbeitung jeder verlässlichen Vorausschau auf ein zukünftiges Verkehrsaufkommen ist aber die Kenntnis sozial-demographischer Bestands- und

56 Sie nimmt Bezug auf die Bundesverkehrswegeplanung, das Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1991/92 und die „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung“ des Bundes 1991.

36 Entwicklungsdaten, deren räumliche Verteilung und eine Einschätzung bisheriger Trends zum Verkehrsverhalten der Bevölkerung im abgesteckten Planungsraum.

Infolge der erheblichen Verwerfungen, die sich nach der Wiedervereinigung Deutschlands auch in Sachsen ergeben hatten und in Zukunft noch erwartet wurden, waren diese erforderlichen Planungsgrundlagen nicht beschaffbar. Analysematerial aus der Zeit der DDR lag vor, war aber überholt und somit nur eingeschränkt verwendbar.

Hinzu kam, dass der Autor bisher schlechte Erfahrungen mit der Verlässlichkeit von Verkehrsprognosen gemacht hatte57, so dass er für die Landesverkehrsplanung andere, pragmatische Wege ohne große Zahlenwerte suchte.

Vor diesem Hintergrund war es im Rahmen der Landesverkehrsplanung außerordentlich fragwürdig, für größere Projekte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen (WU) anzustellen. Wenn dies mit aller Vorsicht im Einzelfall erfolgen musste, dann in Kenntnis der Unsicherheit der verwendeten Strukturdaten und damit der Verwendbarkeit der W-Ergebnisse. Hilfsweise orientierte sich der Planungsprozess an folgenden Einschätzungen:

 für den Personenverkehr an der Vorausschau auf eine Anpassung des Verkehrsverhaltens der Bevölkerung der ehem. DDR an die Westdeutschlands,  für den Güterverkehr in Erwartung einer konjunkturell ausgerichteten Güterverkehrs- Logistik von Industrie und Handel.

Bei einer derart komplexen Ausgangslage sah man sich, so formuliert Dirk Zumkeller [22], mit dem Tatbestand konfrontiert, „mikroskopisch oder biographisch orientierte Prognosen soweit wie möglich zu vermeiden, weil derartige Probleme ohnehin nicht rational lösbar sind.“ Da der Landesverkehrsplan Sachsen in enger Anlehnung an den Bundesverkehrsplan 1992 aufgestellt werden sollte, folgte Sachsen letztlich den Wirtschafts-, Bevölkerungs- und daraus erwachsenen Verkehrsprognosen des Bundes. Innerhalb beider Planungsprozesse war wegen des Wissens um die Unsicherheit bestimmter Basiswerte ein pragmatisches und abgestimmtes Vorgehen die Voraussetzung für eine verlässliche Beurteilung geplanter Großprojekte. Der Bund hatte Prognosen58 der soziodemographischen Entwicklung in Deutschland und den benachbarten Ländern sowie Erwartungen zum Personen- und Güterverkehr erarbeitet. Diese berücksichtigten die möglichen Auswirkungen der Einheit Deutschlands und der Öffnung der Grenzen zu den östlichen Nachbarstaaten, waren aber deshalb auch besonders unsicher. Die Verkehrsprognosen des Bundes wurden somit nicht als starre Vorgaben angesehen, sondern als bedingte, von mehreren unsicheren Voraussetzungen abhängige Tendenzaussage innerhalb einer gewissen Bandbreite. Sie sollten Entscheidungshilfen sein und aufzeigen, wo die Verkehrspolitik steuernd oder flankierend tätig werden muss.

57 Als Beispiel hierfür sei auszugsweise der Generalverkehrsplan der Stadt Köln aus dem Jahr 1973 und die von diesem abgeleitete Planung der Stadtautobahn genannt: Der Gutachter prognostizierte einen generellen Zuwachs des Verkehrsaufkommens im Personenverkehr in Köln zwischen 1966 (Analysezeitpunkt) und 1980 (Prognoseziel) um 75%, der vor allem vom Kfz getragen werden sollte. Daraus im Detail abgeleitet wurde die Notwendigkeit einer, die Innenstadt umlaufende sechsspurige kreuzungsfreie Schnellstrasse mit einer Tagesbelastung von durchschnittlich 100 000 Pkw/Einh. pro Tag. Die erwartete strukturelle Entwicklung trat nicht ein; gegen 1975 wurden die rechtskräftigen Pläne für das Projekt aufgehoben. Der Individualverkehr innerhalb Kölns läuft ohne die Schnellstrasse heute weitgehend störungsfrei.

58 Siehe [12] - Aussage im Bundesverkehrswegeplan 92: „Prognosen zur verkehrlichen Entwicklung sind abgeleitete Prognosen. Diese basieren auf Leitvariablen, denen im Wesentlichen die erwartete wirtschaftliche Entwicklung zu Grunde gelegt wird“.

37 Der Landesverkehrsplan wurde also auf diesem Gerüst aufgebaut; einzelne Ziele mussten daher zu späteren Zeitpunkten interpretierbar, ggfs. modifizierbar und veränderbar sein bzw. einer zukünftigen Überprüfung standhalten.

Die kritische Beurteilung der Prognosestellung im Verkehrsbereich setzte sich auch über die Bundes- und Landesverkehrsplanung der Jahre 1992 bzw. 1995 hinaus fort. Nach Vorlage des Folgeplans (Bundesverkehrswegeplan 2003) setzte sich Willeke [23] in seiner Beurteilung des neuen Bundesverkehrswegeplans sehr kritisch mit der dem Plan zugrunde gelegte Prognose auseinander. Er sprach davon, dass der Plan insbesondere durch die Unsicherheit jeder längerfristigen Verkehrsprognose belastet sei.

Ganz besondere Probleme erbrachten in Sachsen, im staatlichen wie kommunalen Bereich, die bundesseitig geforderten Untersuchungen im Zusammenhang mit standardisierten Bewertungen für ÖPNV-Großprojekte. In Kapitel 4.5 einem der Folgekapitel wird ausführlich auf diese Problematik eingegangen.

3. Geschätzter Investitionsbedarf und beabsichtigte Finanzierung

3. 1 Infrastruktureller Nachholbedarf im Verkehrswesen der ostdeutschen Länder und Sachsens 1990/91, 1999 und 200559

Das Wissen der politisch Verantwortlichen in Sachsen über die Bedeutung eine intakten Verkehrsinfrastruktur für die Wirtschaftsförderung führte bereits Anfang der neunziger Jahre zu der Bereitschaft, im Rahmen der jeweiligen Haushaltsplanung die zur Angleichung der Verkehrsverhältnisse erforderlichen Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen. In der Erwartung, dass ein gut ausgebautes Verkehrssystem auch einen wesentlichen Beitrag zur Integration der neuen Mitglieder der EU und damit zur Angleichung der Sozialsysteme beitragen würde, erstellten die Europäische Gemeinschaft60, die Bundesregierung61 und der Freistaat Sachsen [24] Finanzierungs-Programme zur Realisierung der notwendigen verkehrlichen Projekte. Die Städte und Gemeinden in Sachsen erarbeiteten ebenfalls in der Erwartung großzügiger Förderung durch Bund und Land kommunale Verkehrsentwicklungs- und Finanzierungspläne, die als Begründung für entsprechende Förderanträge herangezogen werden sollten. Für den Freistaat Sachsen ging man davon aus, dass jährlich zwischen ein und zwei Milliarden € für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Abhängigkeit vom jeweiligen Planungsstand zur Verfügung stehen sollten. Verkehrsfachliche Bedenken, dass die erforderlichen Finanzmittel des Bundes und des Landes nicht zur Verfügung gestellt würden, bestanden in den Jahren 1992 bis 1995 nur marginal. Absehbare Finanzierungsprobleme für die neuen Länder außerhalb der bundesgesetzlich geregelten Verkehrsfinanzierung62 zeichneten sich erst Mitte der neunziger Jahre in den

59 Ermittlungen des Verfassers auf der Basis von Originalmaterial des SMWA und der Beantwortung von Anfragen bei den Empfängern staatlicher Förderung.

60 „Transeuropäische Netze der EU“.

61 Siehe [16].

62 Die wesentlichen Finanzierungs- und Förderquellen für den Verkehrsbereich boten das Bundesschienenwegeausbaugesetz; das DB Gründungsgesetz, das Fernstraßenausbaugesetz; das Regionalisierungsgesetz und das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. 38 Verhandlungen zwischen Bund und den neuen Ländern zum Solidarpakt ab. Insbesondere unter dem Aspekt der Fragestellung, in welcher Höhe nach 1999 bis 2005 noch ein infrastruktureller Nachholbedarf bestehe, der aus den Ländern zur Verfügung gestellten Mitteln zu finanzieren sei, bedurfte es einer vertieften Begründung des Bedarfs der neuen Länder dem Bund gegenüber.

Sachsen beauftragte daher im Namen aller ostdeutschen Länder das Ifo-Institut Dresden, ein Gutachten zu erstellen, das den teilungsbedingten Nachholbedarf der neuen Länder an Infrastruktureinrichtungen63 zum Stand 1999 ermitteln sollte und in einer ersten Stufe auf das Jahr 2005 projiziert war.

Ifo Dresden kam mit seinem Gutachten [25] zu dem Ergebnis, dass im Jahre 1999 noch ein Nachholbedarf der neuen Länder (ohne DB Schieneninfrastruktur und Straßen in der Baulast des Bundes) in Höhe von 46 Mrd. € bestand und bei einer optimistischen Betrachtung dieser bis zum Jahr 2005 auf bis 27,5 Mrd.64 € ausgeglichen werden könne. Sachsen hatte 1999 daran einen Anteil von ~ 12 Mrd. € der sich bis 2005 auf ca. 7 Mrd. €. vermindern sollte.

Die der zugrunde liegenden tatsächlichen Investitionstätigkeit in dem vorausgegangenen Jahre war für die einzelnen Verkehrsbereiche sehr unterschiedlich.

Im Rahmen einer 2005 vollzogenen groben Überprüfung des Vollzuges der Landesverkehrsplanung stehen weiterhin, wie bereits in I.1.6 dargestellt, zwei Zahlengruppen nebeneinander:

 Der stark verminderte, dennoch nicht ausgeglichene Nachholbedarf (definiert aus den Defiziten der Infrastrukturausstattung der neuen im Verhältnis zu den alten Bundesländern – siehe I.1.6), der die Grundlage bei den Gesprächen zum Solidarpakt II (zu Transferleistungen des Bundes an die neuen Ländern) war und weiter bestehen wird. Vergleichbar ist dieser Nachholbedarf im weiteren Sinn dem in den Bundesverkehrsplänen gebrauchten Begriff „Überhang“.

 Der Entwicklungsbedarf – definiert aus den Zielen der Landesverkehrsplanung – der sich aus einer bedarfsgerechten Verkehrsinfrastruktur ableitet und bei den Verhandlungen zwischen den Fachverwaltungen von Bund und Sachsen Grundlage für die Aufstellung der Bedarfspläne war65, ist und weiterhin bleiben wird. Ebenso in Anlehnung an die Begriffe des Bundes ist hier vom „Vordringlichen Bedarf“ zu sprechen.

3. 2 Investitionsbedarf für die gesamte Verkehrsinfrastruktur Sachsens

Die Sächsische Staatsregierung legte im Jahr 1996 den ersten umfassenden Landesverkehrsplan vor, in dem die verkehrspolitischen Entwicklungsziele und damit die erforderlichen

63 Die Fragestellungen des Gutachtens bezogen sich nicht nur auf den Verkehrsbereich; vielmehr auf alle, in staatlicher Verantwortung befindlichen Infrastrukturen.

64 Preisstand 1999.

65 Im gesamtdeutschen Rahmen und damit einer Gleichbehandlung aller Länder.

39 Investitionsvorhaben für alle Verkehrsbereiche zusammengefasst waren. Mit der Verwirklichung der dort formulierten Ziele sollten (unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur auch in den alten Bundesländern) alle Defizite aufgeholt sein und das sächsische Verkehrsnetz vollständig gesamtdeutschen Maßstäben entsprechen.

Nach dem Kabinetts-Beschluss zur Realisierung des Plans wurde dieser dem Sächsischen Landtag zur Kenntnis gebracht. [24]

Der auf der Grundlage der damals möglichen Kostenschätzungen ermittelte Finanzbedarf für alle Verkehrsvorhaben, die in einer Zeitspanne von 15 bis 20 Jahren verwirklicht werden sollten, bezifferte sich auf einen Betrag in Höhe von ~ 40 Mrd. €.

Dieser Betrag setzte sich zusammen aus 21,75 Mrd. €66 zum Ausgleich des Nachholbedarfs Sachsens im Verhältnis zum Standard der Verkehrsanlagen der „alten Länder“ im Jahre 1990 und 18,25 Mrd. € für entwicklungsbedingt notwendigen Aus- und Neubau der Land- und Wasserverkehrswege im Freistaat. Diese 40 Mrd. € bildeten einen Summenwert über alle Baulastträger des Bundes, der Bahn67 des Freistaates, der Kommunen und anderer öffentlich-rechtlich finanzierten Unternehmen im Verkehrsbereich, soweit es sich um öffentlich zu finanzierende Projekte handelte (siehe Bild 6).

Im Jahr 1995 geschätzter Investitionsbedarf (in Mrd. €):

Bundesfernstraßen 7 Staatsstraßen 7,85 Kreis- u. 5,3 Kommunalstraßen Elbstrom und Elbhäfen 0,1 Güterverkehrszentren 0,35 Flugplätze DRS und LEJ 1,35 Verkehrslandeplätze 0,175 Öffentlicher 3,25 Personennahverkehr S-Bahn Dresden und 2,25 Leipzig SPNV und SPFV 11,5 KLV Terminals 0,75

66 Im Rahmen der Landesverkehrsplanung wurde die vom DIW durchgeführte Schätzung und Bewertung des Bestandes an Verkehrsanlagen innerhalb Sachsens kritisch überprüft. Die Ergebnisse dieser Prüfung führte zu dem etwas geringeren Bedarf von 21,75 Mrd. €. im Verhältnis zu den 25 Mrd. €. des DIW.

67 Soweit diese Eigenmittel zur Ergänzung der Bundesmittel für die Infrastruktur zu leisten hatte.

40 Bild 6 Geschätzter Investitionsbedarf in Mrd. € [24]

0,75 7 11,5

7,85 2,25 3,25 0,175 1,35 5,3 0,35 0,1 Bundesfernstraßen Staatsstraßen Kreis- u. Kommunalstraßen Elbstrom und Elbhäfen Güterverkehrszentren Flugplätze DRS und LEJ Verkehrslandeplätze Anlagen und Fahrzeuge des ÖPNV S-Bahnanlagen Dresden u.Leipzig Bahnanlagen (DB Netz) KLV Terminals

3. 3 Beabsichtigte Finanzierung der Vorhaben aus der Sicht Sachsens

Im Rahmen der Landesverkehrsplanung waren seitens des Freistaates Sachsen exakte Vorstellungen zur Finanzierung der Baumaßnahmen, die allein von Freistaat zu tragen waren, entwickelt und als Programme aufgelegt worden,. Damit konnte (langfristig angelegt) die Finanzierung der Staatsstraßen, der Flughäfen68 und der Häfen an der Oberelbe als gesichert angesehen werden. Innerhalb des gesamten Planungszeitraums standen bzw. stehen die Programme unter Haushaltsvorbehalt.

Ebenso formuliert der Landesverkehrsplan verlässliche Absichten zur Förderung von kommunalen Baulastträgern für Kommunalstraßen und Öffentlichen Verkehrsunternehmen in Sachsen, nachdem deren Planungen in den LVP eingeflossen waren. Die Realisierung und Bezuschussung der ÖPNV-Verkehrsprojekte sollte in einer mit den Begünstigten abzustimmenden Reihenfolge erfolgen, abhängig von der Bereitstellung der jeweiligen Eigenmittel und der Baureife (Planreife) einzelner Projekte.

Die projektgebundenen finanziellen Forderungen des Freistaates zur Finanzierung des Ausbaus der Bundesfernstraßen wurden dem Bund im Rahmen der Bund-Länder-Gespräche dargelegt. Sie fanden großenteils ihren Niederschlag in den Bundesverkehrswegeplänen 1992 und 2003, sodass die Baumaßnahmen im Rahmen der Auftragsverwaltung durch die Sächsische Straßenbauverwaltung vorbereitet, ausgeführt und in zukünftige Finanzierungsprogramme aufgenommen werden konnten.

Besondere Schwierigkeiten erzeugten die mit der Bahn abgestimmten oder abzustimmenden Projekte, da deren Realisierung und Finanzierung (soweit nicht allein vom Freistaat getragen)

68 Im Rahmen der Gesellschafterfunktion des Freistaates an den Flughäfen und Häfen.

41 immer unter dem Vorbehalt des Einvernehmens zwischen Bund und Bahn, der notwendigen Eigenmittel der Bahn und damit den jeweiligen Finanzierungs-Vereinbarungen Bund/Bahn standen. Zahlreiche Projekte des Nahverkehrs sollten aus Landesmitteln69 oder anderen Mischfinanzierungsmodellen gefördert werden.

Nicht alle Projekte, vor allem Bahnprojekte, fanden bisher ihre Berücksichtigung, weder in der Bundesverkehrs- und Finanzierungsplanung noch in den mit dem Bund abgestimmten Programmen der Deutschen Bahn AG. Das Aufschieben der Realisierung bestimmter Großprojekte bzw. von Teilen davon dauert bis heute an.

Ebenso konnte infolge stringenter Finanzplanung des Landes nach 1998 nur eine bestimmte Anzahl von verkehrspolitisch wichtigen Vorhaben in Angriff genommen werden.

Der ursprüngliche Optimismus, die von der Staatsregierung durch den LVP beschlossenen Verkehrsprojekte möglichst schnell zu verwirklichen, scheiterte Ende des vergangenen Jahrhunderts an den Grenzen der Bereitstellung öffentlicher Mittel durch den Bund und Sachsen.

Die Einzelheiten der Finanzierung abgeschlossener und in Bau befindlicher Projekte werden im Folgenden dargelegt.

4. Tatsächliche Investitionstätigkeit 1991 – 2006 in Sachsen – Halbzeitbilanz des Landesverkehrsplan

4. 1 Grundsätzliche Betrachtung

In den vorausgegangenen Teilen der Arbeit sind die Entwicklungsziele sächsischer Verkehrspolitik und die daraus erwachsenden wesentlichen Projekte zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur dargestellt worden, von deren Verwirklichung man sich wesentliche Schritte bei der Angleichung der Verkehrsverhältnisse in Sachsen an den Standard Westdeutschlands versprach. Innerhalb der Jahre 1991 bis heute konnte in dem möglichen finanziellen Rahmen eine ganze Reihe sächsischer Großprojekte verwirklicht werden. Innerhalb einer „Halbzeitbilanz“70 wird im Folgenden anhand der realisierten Vorhaben und investierten Mittel in den einzelnen Verkehrsbereichen deutlich gemacht, inwieweit welche Ziele bei der Bereitstellung neuer Verkehrsinfrastruktur erreicht wurden.

Es ist zu untersuchen, ob die Ziele der Landesverkehrspolitik durch eigenes Handeln, das Tätigwerden von Bund, Bahn, kommunalen Projektträgern und privaten Verkehrsbetrieben71

69 Bundesmittel, die dem Freistaat nach § 8(2) BSchwAG zur Verwendung bei der Bahn für Nahverkehrsprojekte zustanden bzw. zustehen.

70 Damit wird der Ablauf etwa der Hälfte des zeitlichen Planungsraums des LVP bezeichnet.

71 Die Einflussnahme sächsischer Verkehrspolitik auf das Handeln der im Wesentlichen in der Hand des Bundes oder kommunaler Träger befindlichen, vielfach auch privatwirtschaftlich organisierten Verkehrsunternehmen erfolgte in erster Linie durch die Förderung der Bau- und sonstigen Investitionsvorhaben mit Mitteln aus dem Sächsischen Staatshaushalt und durch die Weiterleitung von Investitionszuschüssen der Europäischen Union sowie des Bundes.

42 erreicht werden konnten und welchen Nutzen bzw. welchen Erfolg der Einsatz umfangreicher staatlicher Mittel erbringen konnte.

Aus dieser Prüfung werden Aussagen dazu abgeleitet, inwieweit die einzelnen Projekte tatsächlich der Zielsetzung der Landesverkehrspolitik/Landesverkehrsplanung dienten, ihren Zweck erfüllten, in ihrem Umfang richtig gefasst waren -, schließlich ob sie in ihrer Größenordnung richtig dimensioniert waren. Im Einzelfall wird eine kritische rückwirkende Nachfrage nach der grundsätzlichen Notwendigkeit von Vorhaben und der Art ihrer Ausführung gestellt werden.

An erster Stelle ergibt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der (rückwirkend betrachteten) Sinnfälligkeit der einzelnen Maßnahmen. Fügt sich das jeweils „ neue Element“ in das „Gesamtverkehrssystem Sachsens“72, in die bestehende Infrastruktur für Straße, Schiene, Wasserstraße und Flugverkehr sinnvoll ein? Oder wären andere Investitionen zielgerichteter gewesen?

Bei einem Gesamtumfang von mehr als 25 Mrd. investierter € (ca.60 % des geschätzten Gesamtbedarfs) innerhalb von mehr als 15 Jahren kann sich eine solche Prüfung nicht auf alle Projekte des Straßenbaus, der Baumaßnahmen im Bereich der Schiene und des kommunalen Verkehrswegebaus erstrecken. Sie soll vielmehr beispielhaft an etwa der Hälfte der investierten mittel und der damit finanzierten Projekte vorgenommen werden. Anhand der ausgewählten Beispiele wird ein Gesamtüberblick über den Nutzen und Erfolg aller Investitionen im Verkehrsbereich Sachsens gezogen werden können.

Misst man den Erfolg von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur nach Fertigstellung einzelner Projekte aus verkehrsfachlicher Sicht, so sind die Verkürzung der Reisezeit, die daraus erwachsende höhere Nutzungsfrequenz der neuen Anlagen73, die verkehrliche Leistungsfähigkeit und die Erhöhung der Verkehrssicherheit neben der Verbesserung des Umweltschutzes die wesentlichen Maßstäbe.

Die in der schon gestellten Frage nach der Sinnfälligkeit und dem Erfolg eines Projektes lassen sich nach volks- und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten am ehesten durch den Markt, d.h. die quantitative und qualitative Nutzung der neuen Infrastruktur durch die Verkehrsteilnehmer beantworten. Dazu gehört auch die Beurteilung des Erfolges, den die einzelnen Projekte der generellen wirtschaftlichen Entwicklung und der Ansiedlung neuer Strukturen erzeugt haben.

Bundesrechtliche und landesrechtliche Bestimmungen erfordern für jedes Projekt (als Voraussetzung zur Finanzierung) die Planfeststellung und den Nachweis der Wirtschaftlichkeit. Im Regelfall74 wird die Wirtschaftlichkeit durch Nutzen-Kosten-Untersuchungen (NKU)

72 Unter „Gesamtverkehrssystem“ werden alle Einzelelemente der Verkehrsinfrastruktur verstanden, die zu Luft, Land und Wasser zur Bewältigung der Gesamtverkehrsnachfrage beitragen.

73 Kürzerer Zeitbedarf (kürzere Reisezeit) für die einzelne Ortsveränderung; damit Zeitgewinn und „Marktvorteil“ im weiteren Sinn ist u.a. eine Voraussetzung für die Nutzungshäufigkeit und damit Wirtschaftlichkeit des behandelten Verkehrsmittels.

74 Zu unterscheiden ist hier zwischen einer Betrachtung nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten und nach betriebswirtschaftlichen vom jeweils betroffenen Verkehrsunternehmen zu definierenden Kriterien. Einzelne Unternehmen, beispielsweise die Deutsche Bahn AG, führen neben der vom Gesetzgeber geforderten 43 ermittelt, wobei sich für die verschiedenen Verkehrsträger unterschiedliche Prüfungs-Verfahren herausgebildet haben.

Die Verfahren für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit von ÖPNV Projekten sind in der Fachliteratur [26] ausführlich beschrieben. So stellen diese fest, wenn der Quotient aus dem volks- und betriebswirtschaftlichen Nutzen und den Kosten eines Projektes über 1,0 liegt, ist das Projekt förderfähig. Im Bereich von Infrastrukturprojekten der Bahn werden neben den Investitionskosten auch die Betriebskosten einbezogen.

Eine vertiefte Analyse und Prüfung der innerhalb Sachsens durchgeführten NKU-Verfahren75 [27] ist nicht Aufgabe dieser Arbeit; vielmehr sollen die Instrumentarien und die Ergebnisse einzelner Nutzen-Kosten-Untersuchungen als Maßstab für den Erfolg der behandelten Projekte herangezogen werden, und zwar vergleichsweise

 in der Vorausschau vor Beginn des Projektes,  während des Planungsprozesses (u.a. nach wesentlichen Projekt-Änderungen),  und in einer Rückschau nach mehrjähriger Betriebsführung.

Zu wiederholen ist in diesem Zusammenhang, dass Nutzen-Kosten-Untersuchungen in ihrem Ergebnis weitgehend von der Verlässlichkeit der ihnen zugrunde liegenden statistischen Angaben sowie von Wirtschafts- und Verkehrsprognosen abhängen. Vielfach wurde im Rahmen von Planungsprozessen der Fehler gemacht, die Ergebnisse und die Verlässlichkeit komplizierter Simulationen für bestimmte Projekte zu hoch einzuschätzen. Letztendlich entscheidet erst der Betrieb einer Anlage nach Fertigstellung des Projektes über dessen volks- und betriebswirtschaftlichen Nutzen.

Unter Beachtung dieser Thematik wird zusammenfassend nachgefragt, ob sich die verkehrspolitischen Ziele, die mit der jeweiligen Investition verbundenen waren, nach Inbetriebnahme und in heutiger Vorausschau auf das Prognoseziel 76 haben erreichen lassen.

Zunächst ist an dieser Stelle eine erste Gesamtschau auf die volkswirtschaftliche Entwicklung angezeigt, ehe die einzelnen Projekte beleuchtet werden. Diese präsentiert sich exemplarisch an Hand der jährlich nachgewiesenen volkswirtschaftlichen Leistungen, dargestellt am Bruttoinlandproduktes (BIP) Ein Blick auf die tatsächliche Entwicklung des BIP zeigt bis 2001 zwei unterschiedliche Phasen: In den Jahren 1991 bis 1996 war ein stetiger Zuwachs an gesamtwirtschaftlichen Leistungen von ca. 5 % jährlich zu erkennen77, danach brach die positive Entwicklung ab und

NK-Untersuchung eine eigene Wirtschaftlichkeitsprüfung mit dem Ziel durch, den unternehmerischen Erfolg des Projektes auszuloten. („Das Betriebsergebnis der Bahn darf sich durch die betreffende Maßnahme in keinem Fall verschlechtern“).

75 Als Beispiel sei genannt die NKU für das Projekt der Linie 16 in Leipzig, erstellt 1991/1992 von der Consulting- Gesellschaft der „Rheinbahn Düsseldorf“ im Auftrage der Leipziger Verkehrsbetriebe AG. (Siehe auch unter Punkt 4.5.2)

76 Der Prognosezeitpunkt wird im Regelfall auf einen Zielzeitpunkt, der 20 Jahre nach der beabsichtigten Inbetriebnahme der Maßnahme liegt, festgelegt. Bei den im Rahmen dieser Arbeit zu behandelnden Vorhaben wird dieser Zeitpunkt heute in keinem Fall erreicht. In einzelnen Fällen kann allerdings von einer „Halbzeit“ des Prognosezeitraums ausgegangen werden. Damit wird eine gewisse Vorausschau möglich, ob und in welcher Größenordnung die jeweiligen Ziele tatsächlich erreicht werden.

77 Die ersten Prognosen dafür lagen bei einem Zuwachs von 10% jährlich.

44 zeigte zwischen 1996 und 2001 eine deutliche Stagnation. In den Folgejahren verbesserte sich die wirtschaftliche Situation, sodass Sachsen den höchsten prozentualen Zuwachs des BIP in Deutschland erzielen konnte.

Die aktuelle Beurteilung der realisierten Verkehrsprojekte muss auch unter Beachtung der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung vorgenommen werden.

4. 2 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit

Unter dem Motto „Neue Wege braucht das Land“ legte der Bund im Januar 1992 die „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“[28] vor und stimmte sie im Einzelnen mit den Ländern ab. Der damalige Bundesverkehrsminister Prof. Dr. Günther Krause führte bei der Präsentation der 17 Großprojekte folgendes aus: „Eine entscheidende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung in Berlin Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind leistungsfähige und umweltgerechte Verkehrswege. Der zügige Ausbau der jahrzehntelang sträflich vernachlässigten Verkehrsinfrastruktur schafft dringend benötigte Arbeitsplätze und macht die neuen Bundesländer für Investoren aus dem In- und Ausland interessant. Ich habe deshalb im vorgriff auf den Bundesverkehrplan 1992, der gegenwärtig erarbeitet wird, die 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit vorgelegt. Diese wichtigsten Ost-West-Achsen haben eine Schlüsselfunktion für das Zusammenwachsen Deutschlands und den wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern“[28]. .. Das Programm der 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit für Schiene, Straße und Wasserstrasse als Teil des Bundesverkehrswegeplans 1992 umfasste  9 Schienenprojekte, vor allem von Berlin in die Ballungsgebiete Westdeutschlands führend;  8 Autobahnprojekte zum Neu- und Ausbau fehlender Ost-West- Verbindungen  1 Projekt Wasserstraßen Mittellandkanal Hannover – Berlin.78

78 Einschließlich des Wasserstraßenkreuzes zwischen Mittellandkanal und Elbe bei Magdeburg und Anbindung der Elbe über den Magdeburger Hafen.

45 Bild 7 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Schienenprojekte79 [28]

Quelle: Bundesministerium für Verkehr, 1992

Diese Verkehrsprojekte Deutsche Einheit repräsentierten 1991 ein vom Bund zu finanzierendes Investitionsvolumen von rund 28 Mrd. €. Davon waren 14,5 Mrd. €80 für die neun Schienenprojekte, 11,5 Mrd. € für die sieben Autobahnprojekte und 2 Mrd. € für die Herstellung der Wasserstraßenverbindung nach Berlin vorgesehen. Nach den verkehrspolitischen Zielen des Bundes und der Länder im Jahr 1992 sollten die VDE in 10 Jahren finanziert und fertig gestellt sein.81

79 Anmerkung zu den Bildern 7 und 8: Bei der Konzeptentwicklung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit konnte das Bundesministerium für Verkehr nur von Korridor-Überlegungen ausgehen, so dass die hier gewählten Abbildungen exakt denen des Jahres 1991 entsprechen.

80 Die aktuelle Einschätzung der Gesamtkosten der Schienenprojekte beliefen sich im Jahr 2006 auf 20,1 Mrd. €.

81 Beschluss der Konferenz der Verkehrsminister des Bundes und der Länder 1992.

46 Noch nie vorher war seit dem Ende des zweiten Weltkrieges in Deutschland ein so umfangreiches und anspruchsvolles staatliches Infrastruktur-Programm aufgelegt worden.

Weder die DB, die DR noch die Straßenbauverwaltungen des Bundes und der betroffenen Länder waren 1991 in der Lage, so umfangreiche neue Großprojekte auszuführen. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit lagen nach der Wiedervereinigung in der Sanierung der ostdeutschen Verkehrswege und deren Anpassung an die Qualitätsmaßstäbe Westdeutschlands,

Der Bund, die beiden deutschen Bahnen und die räumlich betroffenen Länder verständigten sich daher, zwei Projektgesellschaften zu gründen, deren Aufgabe die Realisierung der VDE innerhalb dieser 10 Jahre bestand.

PBDE – Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit, getragen vom Bund und den beiden Bahngesellschaften82, DEGES – Planungs- und Baugesellschaft für den Fernstraßenbau, getragen vom Bund und den Ländern . Die Realisierung des Wasserstraßenprojektes wurde der neu gegründeten Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost (WSO) des Bundes übertragen.

Beide Projektgesellschaften und die WSO wurden sehr schnell tätig, um das angestrebte Ziel, alle 17 Projekte innerhalb von 10 Jahren fertig zu stellen, zu erreichen. Trotz großer Bauleistungen muss heute festgestellt werden: Dieses Ziel war wegen der Kompliziertheit des Planungsprozesses83, des Umfangs der Projekte und der Finanzierbarkeit nicht erreichbar; auch dann nicht, wenn die Vergabe einzelner Projekte an Generalunternehmer erfolgt war.

Der Bundesminister für Verkehr, Bauwesen und Stadtentwicklung legte zu dieser Problematik am 1.Juli 2008 einen umfassenden Sachstandsbericht vor. [29]

Er führt zusammenfassend sinngemäß aus: In die VDE der Schiene, der Straße und der Wasserstraße wurden im Zeitraum von 1991 bis Ende 2007 rund 27,4 Mrd. € investiert. Davon entfallen auf den Bereich Schiene ca. 12,7 Mrd. € (Gesamtinvestitionen rd. 20,0 Mrd. €), den Bereich Straße ca. 13,4 Mrd. € (Gesamt- Investitionsvolumen rd. 16,6 Mrd. €) und den Bereich Wasserstraße ca. 1,3 Mrd. € (Gesamtinvestitionen rd. 2,3 Mrd. €).

Bei den VDE der Schiene wurden die Strecken – Büchen – Berlin (VDE Nr. 2), Helmstedt – Magdeburg – Berlin (VDE Nr. 5), Eichenberg – Halle (VDE Nr. 6), Bebra – Erfurt (VDE Nr. 7) und Uelzen– Stendal (VDE Nr. 3) sowie eine Reihe von einzelnen Streckenabschnitten des VDE Nr. 1 nach Ausbau und Elektrifizierung (Hagenow Land – Schwerin Hbf – Carlshöhe und Ribnitz-Damgarten West – Stralsund) dem Betrieb übergeben. Derzeit wird der Streckenabschnitt Blankenberg – Warnow auf 160 km/h ertüchtigt. Seit September 1998 ist die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen den alten und den neuen

82 Für das Projekt VDE 4, die Neubaustrecke Berlin – Hannover über Stendal, hatten die DB und die DR bereits früher eine eigene Baugesellschaft gegründet. Eine Vereinbarung über die Wiederherstellung dieser Strecke hatte es bereits 1990 zwischen der Bundesrepublik und der noch bestehenden DDR gegeben.

83 Trotz erheblicher Verfahrensvereinfachungen, die das von Bundestag beschlossene Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes brachte, waren und sind die Genehmigungsverfahren bis zur Planfeststellung in steigender Tendenz sehr langwierig.

47 Bundesländern zwischen Hannover und Berlin in Betrieb. Beim VDE Nr. 9, Leipzig – Dresden konnte durch die Fertigstellung des Abschnitts Leipzig – Riesa die Fahrzeit zwischen beiden Städten von zuvor über 1 ½ h auf rund eine Stunde verkürzt werden. Mitte Dezember 2004 wurde mit dem Ausbau der Strecke Hamburg – Büchen – Berlin für 230 km/h die zweite Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen den alten und den neuen Ländern in Betrieb genommen. Beim Projekt Nürnberg – Berlin, VDE Nr. 8, ist der Ausbau des Abschnitts Halle/Leipzig – Berlin (VDE Nr. 8.3) abgeschlossen und seit Fahrplanwechsel zum 28. Mai 2006 mit 200 km/h zwischen Leipzig und Berlin befahrbar. Beim Teilprojekt Nürnberg - Erfurt (VDE Nr. 8.1) wird der Neubauabschnitt Ebensfeld – Ilmenau – Wolfsberg (Überholbahnhof) – Erfurt derzeit hergestellt, der vierspurige Ausbau Nürnberg – Fürth wurde begonnen. Innerhalb des Teilprojektes Erfurt - Leipzig/Halle (VDE Nr. 8.2) konnte der Abschnitt Gröbers – Leipzig einschließlich des Flughafen-Bahnhofs Leipzig/Halle im Juni 2003 in Betrieb genommen. Die NBS befindet sich insgesamt im Bau.

Bei den VDE der Straße konnten bis Mitte 2008 zahlreiche Strecken für den Verkehr freigegeben werden. Insgesamt waren bis Mitte 2008 mehr als 1.770 km unter Verkehr und weitere ca. 130 km im Bau. Damit sind über 90 % des Gesamtvolumens realisiert oder in der Umsetzungsphase.

Mit der A 14, Halle – Magdeburg und der A 20, Lübeck – Stettin sind zwei VDE-Neubau- Projekte auf voller Länge für den Verkehr freigegeben. Bei zwei weiteren VDE sind die Neubaustrecken A 4, Weißenberg – Görlitz (Bundesgrenze) und A 71 Schweinfurt – Erfurt durchgehend unter Verkehr.

Das Neubauprojekt A 38, Göttingen – Halle / A 143, Westumfahrung Halle, steht dem Verkehr überwiegend zur Verfügung.

Die Neubaustrecke A 73, Lichtenfels – Suhl wurde ebenfalls im Jahr 2008 fertig gestellt. Auf der Neubaustrecke A 44, Kassel – Eisenach, die durch einen ökologisch und geologisch besonders schwierigen Planungsraum verläuft, ist ein Abschnitt für den Verkehr freigegeben, die übrigen Abschnitte befinden sich in der Planung. Und Bauvorbereitung.

Der Ausbauabschnitt der A 2 zwischen Kreuz Hannover-Ost und Dreieck Werder kann durchgehend sechsstreifig befahren werden. Im anschließenden Berliner Süd- und Ostring (A 10) ist die sechsstreifige Erweiterung außer im Bereich der Autobahndreiecke Nuthetal und Schwanebeck ebenfalls fertig gestellt.

Die Maßnahmen zum vier- bzw. sechsstreifigen Ausbau der A 4, Eisenach – Görlitz und der A 9, Nürnberg – Berlin, sind weitgehend abgeschlossen; restliche Abschnitte sind im Bau oder in der Planung.

48 Bild 8 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Autobahnprojekte [28]

Quelle: : Bundesministerium für Verkehr, 1992

49 4. 3 Bahnprojekte

4. 3. 1 Neu- und Ausbauten im Netz der Bundesschienenwege; Finanzierung und Förderung durch den Bund und die Länder; gesetzliche Grundlagen

Nach der Zusammenfügung von Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn zur Deutschen Bahn AG entstanden durch die Bundesgesetzgebung umfassende Finanzierungsmöglichkeiten für die Bundesschienenwege: a) - § 8(1) Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSchwAG) für den Neu– und Ausbau der Anlagen des Fernverkehrs, der Eisenbahnknoten und des Kombinierten Verkehrs.84 Hierzu wurden/werden Vereinbarungen zwischen dem Bund und der Bahn abgeschlossen.

- § 8 (2) BSchwAG für Nahverkehrsprojekte in Abstimmung mit den Ländern.

- § 11 BSchwAG für Ersatzinvestitionen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Netzes und zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit.

- § 22 DBGrG (Deutsche Bahn Gründungsgesetz) zum Abbau von investiven Altlasten im Bereich des ehemaligen Sondervermögens der Deutschen Reichsbahn.

- GVFG Förderung von Nahverkehrsanlagen nach den Bestimmungen des Gemeindeverkehrs- finanzierungsgesetzes.

Daneben stand bzw. steht die Finanzierung von „Vorhaben im internationalen Zusammenhang“ auf der Basis des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes nach Abschluss internationaler Vereinbarungen mit einem jeweiligen Nachbarland. b) Neben der Finanzierung der Bundesverkehrswege über den Bundeshaushalt fördert die Europäische Union Verkehrsprojekte in Deutschland, sowohl im Rahmen der Transeuropäischen Netze als auch ab 2000 über die Europäischen Fonds für die Regionale Entwicklung (EFRE-Mittel) in den „Ziel 1-Gebieten“.

Die Förderung aus diesem Strukturhilfefond der EU für die Regionale Entwicklung, kofinanziert durch Bundesmitteln, ermöglichte ab 200085 die Realisierung von Projekten, deren Verwirklichung mit den bisherigen Finanzierungsinstrumenten ohne EU-Beteiligung nur schwierig möglich gewesen wären. In Sachsens flossen/fließen die Mittel in den Straßenbau, in die Projekte „City-Tunnel Leipzig“ (S-Bahn Leipzig) und „Luftfrachtumschlagbahnhof Flughafen Leipzig/Halle“.

84 Die Bundesverkehrswegepläne 1992, 2003 und die daraus entwickelten Bedarfspläne für die Schienenwege des Bundes bildeten die politische Grundlage für die Zuordnung der Bundesmittel, die der Bahn im Wesentlichen als Baukostenzuschüsse, im Einzelfall auch als zinsgünstige Darlehen gewährt wurden/werden.

85 Der Europäische Fond für regionale Entwicklung gehört zu den vier Strukturfonds der EU. Hauptziel ist die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der EU. Der Fond besteht seit 1975 und diente bis 2000 nur der Wirtschaftsförderung, insbesondere der Ansiedlung von Gewerbebetrieben in Regionen der EU mit wirtschaftlichem Entwicklungsrückstand. Die Mittel standen zunächst unmittelbar den ostdeutschen Ländern zur Verfügung. Im Jahr 2000 legte der Bund erstmals ein EFRE–Bundesprogramm für die Verkehrsinfrastruktur dieser Länder auf.

50 c) Die Förderung einzelner Bahnprojekte des Regional- und Nahverkehrs durch die Länder u.a. mit Mitteln des Regionalisierungsgesetzes (RegG).

4. 3. 2 Bahnprojekte in Sachsen

Auf die ersten Schritte einer Investitionspolitik und – planung der Deutsche Reichsbahn86 wirkten im Jahr 1991 im Wesentlichen drei elementare Faktoren ein, die inhaltlich vergleichbare, im Detail hingegen unterschiedliche Zielsetzungen hatten:  Eigeninteressen der Deutschen Reichsbahn augrund deren Planungs- und Sanierungsvorstellungen,  Verkehrspolitischen Ziele des Bundes aus der Sicht des ersten gesamtdeutschen Bundesverkehrswegeplans und  Interessen der Länder, insbesondere des Freistaates Sachsen an einer schnellen Sanierung des ostdeutschen, speziell des sächsischen Bahnnetzes.

Danach standen sich, vor allem im Blick auf die verfügbaren Mittel des Bundes,  die Neubauabsichten für das Fernstreckennetz,  die Wiederherstellung eines zweiten Gleises an bestimmten Strecken und die Elektrifizierung,  die Sanierungsnotwendigkeiten aller stationären Bahnanlagen und die „Engpass-Beseitigungen“ innerhalb der Bahnknoten konkurrierend gegenüber.

Einen Überblick über das gesamte sächsische Eisenbahnnetz vermittelt die Anlage 3 am Schluss des Bandes.

Im Rahmen der Verkehrswegeplanung des Bundes und des Landes Sachsen verständigten sich die beiden staatlichen Partner 1992 mit der Bahn zwar grundsätzlich auf ein ausgewogenes Programm zur Anpassung der Verkehrsverhältnisse der Deutschen Reichsbahn an die der Deutschen Bundesbahn, sowohl für den (schnellen) Fernverkehr, den Güterverkehr als auch den Nahverkehr. Dieses Programm fand allerdings seinen tatsächlichen Niederschlag nur zum Teil in der Investitionsplanung der Deutschen Reichsbahn, später der Deutschen Bahn und den Bedarfsplänen des Bundes.

4. 3. 2. 1 Von Sachsen ausgehende internationale Vorhaben

Für Sachsen stehen die Ausbau-Vorhaben im Verlauf der Strecken noch vor der Inangriffnahme:

Dresden – Bad Schandau – Prag, Dresden – Görlitz – Breslau Hoyerswerda – Horka – Breslau

Wirkliche Fortschritte sind dabei bisher nicht erzielt worden.

86 Die Deutsche Reichsbahn war in den neuen Ländern bis zur Vereinigung beider Bahnen im Rahmen der Bahnreform (DB Gründungsgesetz) selbstständig und arbeitete in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbahn Westdeutschlands.

51 Die Strecke Dresden – Prag bildet die zentrale Achse zwischen Berlin, Prag und Wien und soll in Deutschland und der Tschechischen Republik für den Einsatz moderner Neigetechnik– Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten bis 160 km/h hergerichtet werden. Ein wesentlicher Rückschlag für den Ausbau der Strecke war das Elbhochwasser 2002; die Strecke musste zeitweise stillgelegt werden. Inzwischen sind die Flutschäden beseitigt, weitere Baumaßnahmen folgten bisher nicht. Die Elbtal-Strecke wird langfristig weder den schnellen Personen- noch den Güterverkehr zwischen Deutschland und Tschechien leistungsmäßig aufnehmen können. Erste Überlegungen für eine Neubaustrecke durch das Erzgebirge fanden daher ihren Niederschlag im Landesentwicklungsplan Sachsen [30] und im Fachlichen Entwicklungsplan Verkehr[31] als „Überregionale Verbindungsachsen“ bzw. als „Vorzugstrasse mit Untersuchungskorridor“ ihren Niederschlag.

Die Strecke Hoyerswerda – Horka-Grenze, vor allem wichtig für den Güter-Transit, soll zweispurig ausgebaut und elektrifiziert werden. Veranschlagt sind im Investitionsrahmenplan des Bundes bis 2013 erstmals 163 Mio. €.

Im Rahmen der „Halbzeitbilanz“ des LVP ist der Ausführungsstand dieser Projekte als offen einzuordnen. Der Stand aller drei Vorhaben macht generell die unterschiedliche Beurteilung und Bewertung einzelner Verkehrsprojekte durch den Bund, die Bahn und die Länder deutlich. Die Lasten der Verzögerung haben die betroffenen Länder allein zu tragen.

4. 3. 2. 2 Von Sachsen ausgehende Verkehrsprojekte Deutsche Einheit

Das Streckennetz der damaligen Deutschen Reichsbahn war nach 1990 den Anforderungen eines schnellen Fernverkehrs zwischen den Ballungszentren Deutschlands nicht gewachsen und entsprach nicht dem Standard der Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn. Insoweit bestand seitens des Bundes, des Freistaats Sachsen und der beiden deutschen Bahnen volles Einvernehmen bezüglich der Vordringlichkeit der Finanzierung und Fertigstellung dieser Vorhaben innerhalb der genannten 10 Jahre.

Folgende Schienen-Projekte berühren Sachsen:

 Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8, Nürnberg – Berlin mit den Projektteilen 8.1 Nürnberg – Erfurt 8.2 Erfurt – Leipzig/Halle und 8.3 Leipzig/Halle – Berlin

 Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 9 Dresden-Leipzig87

87 Die Bahnstrecke Leipzig - Dresden wurde als erste Eisenbahn-Fernstrecke im Jahr 1835 in Betrieb genommen; seit dem wurden die Bahnhöfe durch Umbauarbeiten mehrfach dem Verkehrsbedarf angepasst; die Streckenführung blieb unverändert.

52 Die Zielsetzungen der einzelnen, Sachsen berührenden Projektteile waren:

 VDE 8.2 Neubau Erfurt - Leipzig und Halle (für 250 km/h)  VDE 8.3 Ausbau Leipzig und Halle - Berlin (für 200 km/h)  VDE 9 Ausbau Dresden – Coswig88 und Wurzen – Leipzig (für 200 km/h); Coswig – Wurzen einschließlich „Umgehungsbahnen“ von Riesa, Oschatz und Wurzen ( für 250 km/h).

Die „Sachsen-Magistrale“, Fernverkehrsstrecke Dresden und Leipzig – Reichenbach – Hof, Nürnberg – München wurde trotz maßgeblicher Interventionen Sachsens nicht in die Projektreihe der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit aufgenommen. Intensive politische Initiativen der Sächsischen Staatsregierung waren erforderlich, um zumindest die Beauftragung der PBDE für dieses Projekt zu erreichen. Erst danach wurden Bundesmittel zur Sanierung der Strecke bereitgestellt. (Näheres zur Sachsenmagistrale unter 4. 3. 2. 4).

Als Neubauabschnitt des VDE 8.2 konnte, wie berichtet, bisher lediglich der Streckenabschnitt Leipzig Hbf – Flughafen Leipzig/Halle – Gröbers (mit Anbindung an die vorhandene Strecke nach Halle) in Betrieb genommen werden. Erreicht wurde damit die notwendige Schienenerschließung des Flughafens für den Personenverkehr und dessen Anbindung an die Zentren der Städte Leipzig und Halle. Die Strecke wird seit Sommer 2003 von 3 Zugpaaren pro Stunde befahren; ein wirtschaftlicher Erfolg89 dieses kleinen Neubauabschnitts wird, auch infolge der geringen Passagierzahlen des Flughafens für die Bahn bisher nicht gegeben sein.

Der Ausbau des Abschnitts VDE 8.3 Leipzig/Halle - Berliner Ring (für 200 km/h) ist abgeschlossen. Zwischen Leipzig und Berlin verkehren in beiden Richtungen stündlich Fernzüge der Relation München – Nürnberg – Berlin – Hamburg. Einen nachhaltigen Erfolg verzeichnet diese Schnellfahrtstrecke mit der Anbindung an den neuen Berliner Hauptbahnhof. Eine Reisezeit von weniger als 60 Minuten konnte erreicht werden und führte zu einem erheblichen Verkehrszuwachs.

Mit dem Vorhaben, die Reisezeit Berlin – München auf 3 ½ Stunden zu reduzieren, schätzte das Bundesverkehrsministerium für die 540 km Streckenlänge des gesamten VDE 8 (Kostenstand von 1991) einen Finanzbedarf von 6,2 Mrd. €. Im Investitionsrahmenplan bis 2010 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes [32] wird für das Projekt nach Fertigstellung der ersten Teilmaßnahmen mit weiterem Finanzbedarfs von 7,746 Mrd. € geführt. davon knapp 5 Mrd. € nach 2010. Der Neubauabschnitt Gröbers – Erfurt ist in Bau. Eine Inbetriebnahme dieses Abschnitts, damit der Gesamtstrecke rückt wegen der hohen Kosten in eine nicht absehbare Ferne. Das Projekt (als Element des europäischen Infrastrukturleitplans) dient - laut Begründung des BMV - der Anpassung der Bahnanlagen an die wachsende Bedeutung der Verbindung zwischen Süd-/Südwestdeutschland, den mitteldeutschen Industriegebieten und Berlin sowie der Entlastung der vorhandenen Hauptabfuhrstrecke Leipzig – Erfurt. Vor diesem Hintergrund sind die Verzögerungen zu beklagen; eine zügigere Realisierung ist zwingend erforderlich.

88 Beiderseits der Elbe.

89 Aus Wettbewerbsgründen betreibt DB Regio den Nahverkehr zum Flughafen bisher „eigenwirtschaftlich“, d.h. die Strecke wird bisher durch Eigenmittel der Bahn subventioniert. Sachsen leistet keine Betriebskostenzuschüsse.

53 Eine Bewertung des wirtschaftlichen Nutzens des Projektes ist heute noch nicht möglich. Weder liegen exakte Daten über die bisherigen Baukosten noch über die Entwicklung des Verkehrsaufkommens90 vor. Dennoch sind die fertig gestellten Abschnitte verkehrspolitisch positiv zu bewerten. Der Flughafenanschluss ist ein wesentlicher Beitrag zur Verknüpfung der Verkehrssysteme, die spürbare Verkürzung der Reisezeit zwischen Berlin und Leipzig bietet eine deutliche Alternative zur Fahrt mit dem PKW über die Autobahn A 9.

Erfolg oder Misserfolg im Sinne der Fragestellung der Arbeit werden sich ganzheitlich damit für das VDE 8 erst ziehen lassen, wenn das Projekt insgesamt fertig gestellt ist. Die volks- und betriebswirtschaftlichen Ergebnisse werden sich gesamtwirtschaftlich und für die Bahn erst nach Fertigstellung der Neubaustrecke Berlin – München, derzeit für das Jahr 2016 vorgesehen [33], einstellen.

Für das VDE 9, weitgehend als Neubaustrecke konzipiert, veranschlagte der Bund 1991 Kosten in Höhe von 1,3 Mrd. €. Die Strecke ist im Abschnitt Leipzig – Riesa weitgehend als Ausbaustrecke fertig gestellt und mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h befahrbar. Für den Streckenteil Riesa – Dresden Hbf wird von einem Finanzbedarf in Höhe von weiteren 743 Mio. € ausgegangen, allerdings sind bis 2010 im IRP lediglich 120 Mio. € vorgesehen. Die Fertigstellung des VDE 9 wird sich damit auch verzögern.

Das VDE 9 hat innerhalb seiner „Planungsgeschichte 1991 - 2006“ wesentliche Änderungen erfahren. Eine ursprünglich geplante „Umgehungsbahn“ um die Städte und Bahnhöfe von Riesa, Oschatz und Wurzen (zusammengefasst als durchgehende Neubaustrecke parallel zur Autobahn A 14) wurde aufgegeben. Vielmehr entschied sich die Deutsche Bahn, die Strecken- und Durchfahrtsgleise dieser Bahnhöfe für eine Streckengeschwindigkeit von 200 km/h auszubauen. Damit waren die Neubauabschnitte ohne wesentliche Reisezeitverluste entbehrlich. Der Bahnhof Riesa konnte somit „Systemhalt“ für die ICE-Züge Dresden - Frankfurt (Main) werden.

Der fertig gestellte Streckenabschnitt vermittelt im Blick auf die Zielsetzungen des Gesamtprojektes interessante Zwischenergebnisse.

Die Verkürzung der Reisezeit zwischen Leipzig Hbf und Dresden-Neustadt von knapp 2 Stunden auf weniger als 60 Minuten und der Einsatz moderner ICE-Fahrzeuge erbrachte bereits zwischen 1999 und 2001 eine Zunahme der Zahl der Fernreisenden um 6,25 %, d.h. von knapp 1,6 auf knapp 1,7 Mio. Fahrgäste pro Jahr91. Diese Entwicklung schreitet fort. Der zunehmenden Nachfrage folgend bietet die Deutsche Bahn darauf aufbauend einen stündlichen ICE-Fahrplantakt an.

Besonders nachhaltigen Erfolg zeigte der Streckenausbau für den Nahverkehr. Die Regional- Expresszüge konnten ebenso wesentlich beschleunigt werden; die Zahl der Reisenden stieg dementsprechend an.

Näheres dazu verdeutlicht die folgende Zusammenstellung92:

90 Interne Wirtschaftlichkeitsberechnungen legt die Bahn nicht offen.

91 Angaben der DB; neuere Daten stehen nicht zur Verfügung.

92 Ergebnisse der Verkehrszählungen durch DB Regio.

54 Tabelle 2 Beförderungsfälle im Nahverkehr Dresden – Leipzig (täglich)

Fahrplanjahr Beförderungsfälle Anmerkungen im Nahverkehr Juni 1995 - Mai 1996 353 027 keine durchgehende RE-Verbindung Dresden - Leipzig Juni 1996 - Mai 1997 450 883 Juni 1997 - Mai 1998 1 443 775 Einführung der RE-Verbindung Dresden - Leipzig Juni 1998 - Mai 1999 1 401 391 Juni 1999 - Mai 2000 1 064 618 Juni 2000 - Mai 2001 2 153 293 Wechsel vom zwei - zum einstündigen Fahrplan-Takt Juni 2001 - Mai 2002 2 768 293 Nach Fertigstellung der bisherigen Baustufen93 Mai 2003 - Mai 2005 steigend auf Nach Beseitigung 3 500 000 der Hochwasserschäden

Die relativ geringe Zahl der in den Jahren 1995 – 1997 beförderten Personen ist baubedingt, die ganz gewaltige Steigerung der Zahl der Reisenden bis heute ist beeindruckt. Neben der Verkürzung der Reisezeit zwischen Dresden und Leipzig bei gleicher Taktfolge (Stundentakt auch für RE-Züge) werden die Anlage von „Park and Ride – Plätzen“, System-Verknüpfungen zu den ÖPNV Strecken, die Einbindung der Strecke in die Tarifsysteme der Verkehrsverbünde Oberes Elbtal und Nahverkehrsraum Leipzig zu diesem Erfolg geführt haben.

Da die Reisendenzahlen im Fernverkehr ebenso gestiegen sind, wird ein Abwanderungseffekt von den Fern- auf die RE Züge ausgeschlossen. In Abhängigkeit vom Fortgang der Bauarbeiten werden weitere Fahrplan-Verbesserungen möglich sein und zu einem weiteren Verkehrswachstum führen.

Neben dem Personenverkehr ist diese Strecke für den Güterverkehr bedeutsam. Sie findet ihre Fortsetzung ab Dresden über Görlitz nach Polen und über Bad Schandau nach Tschechien. Die Strecken werden im Wesentlichen von durchgehenden Container-Zügen im internationalen Verkehr befahren.

Eine abschließende Beurteilung des VDE 9 ist vor der endgültigen Fertigstellung nicht möglich. Dennoch sind aus aktueller Sicht ganz klar Erfolge erkennbar, die großenordnungsmäßig den Erwartungen entsprechen. Zusammenfassend kann der 1991 zur Verwirklichung des VDE 9 gefassten verkehrspolitischen Entscheidung, auch nach Änderung des Projektes, Erfolg attestiert werden.

93 Mittel des Bundes (BSchwAG; GVFG) 254,9 Mio. €. 55 4. 3. 2. 3 Die S-Bahn-Systeme in Sachsen

Bereits im Jahre 1965 hat eine von der Bundesregierung berufene Sachverständigenkommission grundsätzliche Empfehlungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden ausgesprochen [34]. Diese Empfehlungen umfassten Maßnahmen der Raumordnung und des Städtebaus, der Verkehrsplanung, des Straßenbaus und des Ausbaus der Anlagen für den Öffentlichen Personennahverkehrs. Die Bundesregierung ist damals diesen Empfehlungen weitgehend gefolgt und hat das Gesetz zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden (GVFG) im Jahr 1967 dem Deutschen Bundestag zur Beschlussfassung vorgelegt. Seitdem stehen den Kommunen, der Bahn und den Öffentlichen Verkehrsbetrieben Fördermittel zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in Gemeinden und Ballungsräumen Deutschlands zur Verfügung. 94

In den Folgejahren setzte eine erhebliche Bautätigkeit in den Ballungszentren der alten Bundesländer ein. Die Gemeinden und die Deutsche Bundesbahn erhielten erhebliche Bundes- und Landesmittel, die sie in die Lage versetzten, kommunale Planungen zum Ausbau der Straßen- und ÖPNV-Netze zu verwirklichen.95 Der Bund hat im Rahmen der GVFG-Förderung bis 2005 den Ländern 58.529 Mrd. € zur Verfügung gestellt, davon 28.830 Mrd. € für den kommunalen Straßenbau und 31.547 Mrd. € für den Öffentlichen Nahverkehr [35].

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands stehen diese Mittel auch für die neuen Länder zur Verfügung, sodass ernsthaft über S-Bahn-Systeme in Dresden und Leipzig nachzudenken war.

In Sachsen wurde man sich bewusst, dass in den Ballungsräumen der alten Länder S-Bahnnetze entstanden waren, die zwischenzeitlich die Hauptlast des jeweils regionalen und kommunalen Verkehrs trugen. Städte wie Stuttgart, Frankfurt (Main), München und Hamburg hatten ihre Verkehrsprobleme zwar nicht abschließend gelöst, aber durch leistungsfähige unterirdische schienengebundene Nahverkehrssysteme wesentlich verbessert.

In Leipzig und Dresden hatten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges regionale Nahverkehrssysteme, betrieben durch die Deutsche Reichsbahn, bestanden. Nach dem Abbau der Nahverkehrsgleise infolge der ostdeutschen Reparationsleistungen an die Sowjetunion war ein geregelter Nahverkehr dort nicht mehr möglich. Die DDR versuchte, mit einfachen Mitteln einen S-Bahnverkehr aufzubauen, ohne den für S-Bahnen notwendigen Qualitätsstandard zu erreichen.

1991 war also auch für den Nahverkehr in den Räumen Dresden und Leipzig ein Neuanfang notwendig. Während in der Region Dresden der Ausbau vorhandener Strecken mit 4 Gleisen, insbesondere des Streckenabschnitts zwischen dem Hauptbahnhof und dem Neustädter

94 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz: Mai 1967.

95 Mit dem Steueränderungsgesetz 1966 wurde die Mineralölsteuer erstmals zweckgebunden um 3 Pf/Liter angehoben, danach mehrfach geändert. Bisher standen jährlich ca. 1,4 Mrd. € als Bundesfinanzhilfen zur Verfügung. Die Mittel waren für den kommunalen Straßenbau und den ÖPNV bestimmt. Zwischen 1967 und 2003 stellte der Bund auf diesem Wege > 55 Mrd. € Investitionsmittel zur Verfügung. Mit dem „Entflechtungsgesetz“ ist die bisherige GVFG Förderung ausgelaufen; die entsprechenden Bundesmittel werden unmittelbar an die Länder übertragen.

56 Bahnhof zum Kernstück eines leistungsfähigen S-Bahnnetz notwendig war, bedurfte die Region Leipzig wesentlich umfassender Neu- und Ausbaumaßnahmen.

Im Jahr 1993 legte das SMWA den S- und Stadtbahn-Bedarfsplan des Freistaats Sachsen [36] vor. Auf der Grundlage der Strukturentwicklungsziele des Jahres 1992 formulierte dieser Plan Erwartungen für eine Verkehrsnachfrage im Jahr 2010 in der Größenordnung von 75 000 Reisenden/Tag (Dresden) und 80 000 (Leipzig) nach Fertigstellung der notwendigen Infrastruktur.96

Ausgehend von Anstößen der Landesregierungen Sachsens, Sachsen-Anhalts und auf Grund der genannten Verkehrserwartungen beauftragte damals entsprechend dem notwendigen Verfahren der Bundesminister für Verkehr die Deutsche Reichsbahn97, die Vorplanung für die S-Bahnen Dresden - Pirna und Leipzig – Halle einzuleiten. Der aus der Vorplanung abgeleitet Investitionsbedarf für beide Projekte betrug 1,75 Mrd. €.

Nach der Projektgenehmigung konnten die Ausbauplanung begonnen und die Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Nach Baureife und Abschluss der Finanzierungsvereinbarungen für beide Strecken führte (nunmehr nach der Bahnreform) die Deutsche Bahn die notwendigen Baumaßnahmen zügig durch.

Die NK-Quotienten der damaligen NKU lagen deutlich über 1; Einzelheiten dazu behandelt die DB Netz vertraulich, sodass eine Kommentierung der Ergebnisse auch im Hinblick auf das Prognoseziel 2010 nicht möglich ist.

S-Bahn Dresden

Zwischenzeitlich ist ein viergleisiger Ausbau der Strecke Pirna – Dresden Hbf – Dresden Neustadt abgeschlossen. Der Abschnitt von Dresden Neustadt nach Coswig wird derzeit vierspurig mit zwei S-Bahn- und zwei Fernbahngleisen ausgebaut. Nach dem Verkehrsvertrag zwischen dem Aufgabenträger „Verkehrsverbund Oberelbe GmbH“ in Dresden und DB Regio betreibt letztere die S-Bahn mit „Lok-bespannten Doppelstockzügen“ zwischen Bad Schandau – Pirna/Heidenau und Dresden-Neustadt im 15 Minutentakt, von dort aus wechselweise im Abstand von 30 Minuten nach Coswig – Meißen und zum Flughafen Dresden.

Die Beförderungszahlen auf den Dresdner S-Bahnstrecken konnten sich nach Fertigstellung der Baumassnahmen Dresden Hbf – Pirna und Dresden Hbf – Flughafen98 stabilisieren. Zwischen 2004 und 2005 stieg die Zahl der Reisenden auf dem Abschnitt Dresden – Pirna um ca. 20 % auf durchschnittlich 10 000 pro Tag; die Belegung der S-Bahn-Strecke zum Flughafen stieg seit ihrer Eröffnung im Jahr 2001 bis 2005 von ca. 1000 auf knapp 3000 Reisende/Tag an. Die Tendenz auf beiden Strecken ist weiterhin steigend.

96 Planungsziel: 15 Min. bzw. 20 Minuten-Takt.

97 Die damaligen Reichsbahndirektionen Dresden und Halle.

98 Die Art der Anbindung des Dresdner Flughafens an ein Schnellbahnsystem war zunächst offen. DB Regio und die Dresdner Verkehrsbetriebe interessierten sich für das Projekt. Ein Gutachten von „Retzko + Topp und Partner“ empfahl dem Land, die S-Bahn zum Flughafen zu führen. Der Freistaat finanzierte daraufhin eine Neubaustrecke von Dresden-Klotsche zum Flughafen und die Elektrifizierung der Gesamtstrecke Dresden Neustadt – Flughafen. Eine ausführliche Darstellung dazu siehe in Kapitel 4. 6. 2 dieser Arbeit „Flughafen Dresden“.

57 Eine überschlägige Betrachtung dieser Entwicklung bestätigt den Erfolg der Investitionen für die Dresdner S-Bahn. Die Zahl der Reisenden im Abschnitt Dresden-Neustadt – Flughafen ist stark von der Entwicklung des Fluggastaufkommens in Dresden abhängig.99

Bild 9 S-Bahnnetz Region Dresden [36]

Quelle: Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit (SMWA), Dresden

S-Bahn Leipzig

Als ersten Schritt für das S-Bahnnetz in der Region Leipzig/Halle vereinbarten Sachsen, Sachsen-Anhalt und die Reichsbahndirektion Halle bereits im Jahr 1991 Planungen für eine neue Nahverkehrsstrecke zwischen Leipzig und Halle aufzunehmen. Nach Beauftragung durch das Bundesverkehrsministerium und Vorfinanzierung der Planungskosten durch die Länder nahm die Reichsbahn das Planungsverfahren auf. Während des Planungsprozesses setzten zwischen dem Bund und Sachsen/Sachsen-Anhalt erhebliche Diskussionen über die richtige Führung der Strecke ein.

99 Das Fluggastaufkommen am Flughafen Dresden ist in der letzten Jahren wesentlich angestiegen; mit knapp 2 Mio. ein- und aussteigenden Passagieren erreichte der Flughafen im Jahr 2007 sein bisher bestes Ergebnis.

58 Bild 10 S-Bahnnetz in der Region Leipzig/Halle [36]

Quelle: SMWA, Dresden

Der Bund forderte die Anbindung des Flughafens Leipzig/Halle an die geplante S-Bahn über eine nördlich des Flughafens gelegene Trasse, während die Länder den Flughafenbahnhof als Element des in Bau befindlichen Verkehrsprojektes Deutsche Einheit (VDE) 8.2 ansahen. Über die Neubaustrecke sollten sowohl Fern- als auch Regionalzüge geleitet werden und den Airport aus allen möglichen Richtungen bedienen, was die S-Bahn Leipzig - Halle nicht bieten konnte. Ziel der Länder war wegen eines erwarteten wesentlich höheren Verkehrsaufkommens eine südlichere Führung der S-Bahn durch ein dicht besiedeltes Wohngebiet100 Leipzigs und die Stadt Schkeuditz nach Halle.

In diesem Fall führte eine Variantenuntersuchung zur Entscheidung zugunsten der Trassenführung über Schkeuditz101. Das Verkehrsaufkommen auf der S-Bahn Leipzig – Halle bestätigt heute die Richtigkeit der damals getroffenen Entscheidung. Die S-Bahn Leipzig – Halle konnte im Jahr 2003 in Betrieb genommen werden.

Während des „Vorlaufbetriebes“ auf der vorhandenen Nahverkehrsstrecke Leipzig – Halle hatte sich eine nahezu konstante Belegung von 4000 bis 5000 Reisenden/Tag eingependelt. Nach Ausnahme des S-Bahn-Betriebes im Jahr 2003 stieg die Zahl der Reisenden unter den Bedingungen einer abnehmenden Einwohnerzahl um über 25 % an, obwohl zusätzlich zur S-Bahn Regionalexpress-Züge im Stundentakt zwischen Leipzig und Halle über den Flughafen verkehren. Die jüngsten Zählungen der S-Bahn belegen ca. 8 000 Reisende/Tag.

100 Reaktivierung einer ehemaligen Fernbahnstrecke innerhalb der Stadt Leipzig.

101 Die Verkehrsprognosen für die Südtrasse lagen mit ca. 45 000 Reisenden/Tag wesentlich höher als für die Nordtrasse.

59 Die Beurteilung der Investition erfolgt hier analog zur Dresdner S-Bahn und den dortigen Bewertungen. Sie fällt im Rahmen der unbekannten exakten Datenlage verkehrspolitisch positiv aus.102

Das gesamte Eisenbahnnetz im Raum Leipzig wurde nach der Fertigstellung des Leipziger Hauptbahnhofs zu Beginn des 20. Jahrhunderts, des neu entstandenen Zentralbahnhofs [37], nicht weiterentwickelt. Neben dem Hauptbahnhof im Norden der Innenstadt, an dem die Züge aus westlichen, nördlichen und östlichen Richtungen enden, gab es den Bayerischen Bahnhof für den Zugverkehr nach Süden, für Nahverkehrszüge nach Osten den Eilenburger Bahnhof. . Bereits vor der Fertigstellung des Leipziger Hauptbahnhofes, unmittelbar nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs, kamen Planungen auf, einen Verbindungstunnel zwischen dem Hauptbahnhof und dem Bayerischen Bahnhof in Leipzig zu bauen und im Bereich der Innenstadt unterirdische Stationen anzulegen. Die Kriegsereignisse des Ersten Weltkrieges verhinderten die Fertigstellung des Projektes; es blieb bei einem 710 m langen „Tunnel-Torso“.

Einen zweiten Anstoß zur Verwirklichung des Plans, allerdings ohne Erfolg, gab es in den 1930iger Jahren. Der Grundgedanke wurde dennoch in der Messestadt aufrechterhalten. Während der 1970er Jahre kam in Leipzig der Gedanke auf, die Verbindung u.a. mittels einer Hochbahn durch die Stadt herzustellen. Es bedarf keiner vertiefenden Begründung, dass ein solcher Plan städtebaulich nicht vertretbar war.

Unmittelbar nach dem Wiedererstehen des Freistaats Sachsen kamen in dem zuständigen Fachministerium in Dresden sowie bei der Stadt Leipzig Bestrebungen zur Realisierung einer S-Bahn-Strecke zwischen Leipzig Hbf und Leipzig Bayer. Bahnhof und damit zur Wiederbelebung des Tunnelprojektes auf.

Im Jahr 1993 stellte das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit ein verkehrspolitisches Programm „Verkehrliche Großprojekte für den Nordraum Leipzig [38] vor. Dort fand der sog. City-Tunnel unter der Leipziger Innenstadt als Herzstück eines zukünftigen S- Bahnnetzes in der Region Leipzig/Halle seine erste Fixierung.

Eine „Sensitivitätsbetrachtung“ des Projektes im Rahmen einer groben NKU postulierte 1993 eine (aus dem Bedarfsplan ÖPNV abgeleitete) Prognosebelastung für den City-Tunnel Leipzig von ca. 90 000 Beförderungsfällen pro Tag. Eine daraus entwickelte erste grobe Wirtschaftlichkeitsprüfung mit nunmehr vertretbaren Grundlagen führte zur Vermutung, dass der S-Bahn Betrieb durch einen Tunnel unterhalb der Leipziger City wirtschaftlich darstellbar sein würde.

Darauf hin verständigten sich Bund und Freistaat unter Einbindung der DB, das Projekt ernsthaft anzugehen und die Vorplanung einzuleiten. Ziel war die Aufnahme des Projektes in die GVFG-Finanzierungsprogramme des Bundes103 . Das Vorhaben wurde als Ziel der Raumordnung und Landesplanung in den Landesentwicklungsplan Sachsen [39] aufgenommen und damit innerhalb Sachsens mit einer sektoralen Rechtsverbindlichkeit ausgestattet.

102 Die Deutsche Bahn behandelt seit 2005 die Ergebnisse interner Verkehrserhebung aus Gründen des Wettbewerbes vertraulich.

103 Bei einer hochprozentigen Förderung durch den Bund nach damaligen Förderrichtlinien.

60 Im Vollzug der landespolitisch festgelegten Ziele stellte sich dem Freistaat, der Stadt Leipzig und der Bahn die Frage nach dem Planungsträger des Projektes. Vom Grundsatz her wäre die Bahn als Träger regionaler S-Bahnen in Deutschland aufgefordert gewesen, die Planungsaufgabe zu übernehmen. Vor der Bahnreform hätte noch der Bundesminister für Verkehr die Bahn unmittelbar beauftragen können, die Vorplanung für die Tunnelstrecke einzuleiten. Wegen vermuteter hoher Planungskosten und wegen Unkenntnis aller, auch der betriebswirtschaftlichen, Auswirkungen war die Deutsche Bahn 1995 nicht bereit, die weitere Projektplanung für das Tunnelvorhaben zu veranlassen. In Anbetracht des hohen verkehrspolitischen Interesses des Freistaates Sachsen und der Stadt Leipzig zeigte sie sich aber bereit, an dem Projekt mitzuwirken.

So vereinbarten die Partner Deutsche Bahn, Freistaat Sachsen und Stadt Leipzig (damals noch unter Mitwirkung der Leipziger Messegesellschaft) im Jahre 1996 die Gründung einer gemeinsam getragenen Planungsgesellschaft S-Bahn-Tunnel Leipzig GmbH (SBTL) [39].

Die Gesellschaft wurde rechtlich von den drei Partnern zu gleichen Teilen getragen und zunächst mit einem Planungsmittelfond in Höhe von 7,5 Mio. € ausgestattet. Im Verlauf des Projektes sind dann erheblich höhere Planungskosten angefallen, die der Freistaat Sachsen im Vorgriff auf die Gesamtfinanzierung vorfinanziert hat.

Die Arbeit der Planungsgesellschaft wurde von einem politisch besetzten Aufsichtrat begleitet und fachlich durch einen vom Autor geleiteten Beirat inhaltlich geprägt. Über die fachlichen Kompetenzen war der Beirat personell so zusammengesetzt, dass unmittelbare Kontakte zum Aufsichtsrat bestanden.

Die Gesellschafter formulierten die Zielsetzungen, denen das Projekt zu folgen hatte: Schaffung der Infrastruktur für eine Nord-Süd-Verbindung zwischen Hauptbahnhof und dem Bayerischen Bahnhof unter der Innenstadt von Leipzig zur Aufnahme des Eisenbahnfernverkehrs, des Regional- und des Nahverkehrs.

Großräumig ist Leipzig der zentrale Punkt im mitteldeutschen Eisenbahnnetz. Bereits vor 175 Jahren ordnete der Nationalökonom Friedrich List [40] Leipzig die Aufgabe eines Mittelpunktes des sich damals entwickelnden Bahnnetzes innerhalb der deutschen Länder zu. Mit der Fertigstellung des Leipziger Hauptbahnhofes 1917 war dieses Ziel weitgehend erreicht. Krieg, Zerstörung und Teilung Deutschlands brachten den Bahnknoten Leipzig in eine Randlage.

Mittels des Tunnels und weiterer, fest umrissener „Netzergänzenden Baumassnahmen“ im Raum Leipzig wird nach Fertigstellung erstmals eine, bereits 1918 angestrebt unmittelbare Fernverkehrsverbindung von Berlin über Leipzig Tiefbahnhof, Altenburg nach Süddeutschland hergestellt, mit der das großräumige Umfahren der Stadt entbehrlich wird.

Während die Planungen für den Fernverkehr eher nur qualitativer Art waren104 (notwendige Ausgestaltung des Tiefbahnhofs für Fernverkehrszüge), erforderte das Projekt für den Regional- und Nahverkehr eine differenzierte Betrachtung der einzelnen, Leipzig berührenden Verkehrsströme. Spezielle Verkehrsanalysen und Prognosen für alle Nahverkehrsverbindungen waren erforderlich und wurden erstellt. Nicht nur wegen der Fördervoraussetzungen für

104 Heute werden die Fernzüge von Berlin nach Süddeutschland zwar über Leipzig, dann aber über die „Saaletal- Bahn“ in Richtung Jena-Bamberg geführt. In Zukunft erwartet Sachsen ICE Verbindungen auf direktem Wege über Altenburg – Plauen – Hof nach Bayern.

61 Nahverkehrsprojekte wurde großer Wert auf die verkehrswirtschaftliche Grundlagenarbeit innerhalb des Planungsprozesses gelegt. Die datenmäßige Voraussetzung für die Erarbeitung qualifizierter Verkehrsprognosen und damit einer NKU waren 1997/1998 weitgehend gegeben. Bereits vor der Inangriffnahme einer vertiefenden Entwurfsplanung sollte die optimale Lösung für die notwendigen neuen Gleisverbindungen gefunden und eine langfristige Wirtschaftlichkeit des Projektes erkennbar sein. Die NKU für die Tunnelverbindung105 erbrachte eine gesamtwirtschaftliche Nutzenkomponente von 2,7, d.h. einen N/K-Quotient, der weit oberhalb des kritischen Wertes von 1,0, der maßgeblichen Fördervoraussetzung des Bundes für GVFG-Finanzierungen, liegt.

Ergänzend legte die Bahn 1998 die Ergebnisse ihrer eigenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vor. Diese besagte, dass das neue Verkehrskonzept aufgrund der zu erwartenden Mehreinnahmen und der Rationalisierungsimpulse wirtschaftlich sehr effizient sei. Damit war mit einer endgültigen Zustimmung der Bahn zu dem Projekt zu rechnen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Finanzierung im Wesentlichen durch Bund und Land garantiert würde.

Das Kernstück des Projektes, der Innenstadt-Tunnel, ist ca. 4 300 m lang. Er beginnt nördlich des Hauptbahnhofes und hat dort Verbindungsrampen (kreuzungsfreie Ein-Ausfädelung) an die Streckengleise in Richtung Norden (Bitterfeld, Dessau, Wittenberg und Berlin) und Westen (Halle, Magdeburg und Weißenfels, Erfurt).

Im Verlauf des Tunnels entstehen vier unterirdische Stationen: Der Tiefbahnhof Leipzig Hbf ist mit 265m langen Bahnsteigen (Option zur Verlängerung auf 400 m) zur Bedienung des Fern- und Nahverkehrs vorgesehen; zur Bewältigung des Regional und Nahverkehrs an den Stationen Markt, Wilhelm-Leuschner-Platz und Bayerischer Bahnhof werden Bahnsteige mit 130 m Länge als ausreichend erachtet.

An die unterirdische Station Bayerischer Bahnhof schließt sich die Südrampe an, die zunächst zum Haltepunkt Semmelweisstraße führt. Von dort aus teilt sich die oberirdisch geführte Strecke in Richtung Süden (Altenburg - Plauen, Zwickau und Süddeutschland) und in Richtung Norden/Osten.

Die Stadt Leipzig legte besonderen Wert auf die Gestaltung der Stationen und die Verknüpfung der künftigen S-Bahn mit den übrigen öffentlichen Verkehrsmitteln. Um optimale Lösungen für die Funktionalität und ästhetische Gestaltung der unterirdischen Bahnhöfe zu erlangen, entschied sich die Stadt Leipzig dafür, für die Stationen Wilhelm-Leuschner-Platz, Bayerischer Bahnhof und Markt Architekturwettbewerbe [42] auszuloben. Die Gestaltung der Station Hauptbahnhof wurde im Zuge der Neuplanungen des Hauptbahnhofes [43]106, die ebenfalls im

105 Trotz zunächst genereller Bedenken wegen nicht ausreichender Planungsdaten für eine verlässliche NKU forderte der Bund einen Nachweis der Wirtschaftlichkeit des Projektes als Voraussetzung für eine Mitfinanzierung. Aufgrund der Komplexität dieser Analyse und der Schwierigkeit bei der Erstellung der entsprechenden Verkehrsprognosen für einen Planungshorizont von 15 Jahren wurde eine Planungsgemeinschaft aus zwei namhaften Büros beauftragt, die eine langjährige Erfahrung vorweisen konnten: Intraplan München und Schlegel- Dr.Spiekermann Dresden. Die NKU wurde im Jahr 1998 nach mehrmaligen Überarbeitungen abgeschlossen und führte zu dem genannten Ergebnis.[41]

106 Ein Projekt der BME Bahnhof Management- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Frankfurt. BME hat bereits in den Jahren 1995 bis 1997 in Zusammenarbeit mit ECE Projektmanagement GmbH, Hamburg den Leipziger Hauptbahnhof zu einer modernen Verkehrsstation und zu einem Kommunikations-, Handels- und Dienstleistungszentrum umgestaltet. Im Rahmen dieses Projektes wurden bauliche Vorsorgemaßnahmen für einen zukünftigen Tunnelbahnhof getroffen. 62 Rahmen eines Wettbewerbes entschieden wurden, an den damaligen ersten Preisträger direkt vergeben.

Bild 11 City-Tunnel Leipzig Lageplan [Anlage zu 37]

Quelle: SMWA, Dresden

Innerhalb des Planungsprozesses stellte sich frühzeitig heraus, dass mit dem Neubau des Tunnels allein die verkehrlichen und daraus erwachsenden betrieblichen Anforderungen nicht erfüllt werden können. Somit wurde es notwendig, weitere Planungen zu betreiben, um ein in sich schlüssiges Infrastruktur- und Betriebssystem für die Infrastruktur des Knotens Leipzig zu erhalten. Dieses liegt vor und fügt drei Elemente zusammen:  den City-Tunnel,  die „Netzergänzenden Maßnahmen“, die gemeinsam mit dem Tunnel die notwendige Infrastruktur für den zukünftigen S-Bahn Betrieb bilden und Gegenstand der Finanzierungsvereinbarung sind, die von Bund, Bahn und Freistaat Sachsen 2002 geschlossen wurde,  die Planungen von DB Netz, die zum Ausbau des Knotens Leipzig in Angriff genommen wurden und unabhängig von Tunnelprojekt finanziert werden sollen.

Unter Beachtung der zukünftig beabsichtigten Mischnutzung des Tunnels durch Fern-, Regional- und S-Bahn-Züge und der dichtest möglichen Zugfolge wurde im Rahmen einer

63 betrieblichen Untersuchung eine Leistungsfähigkeit des Tunnels mit 14 Zugfahrten je Richtung und Stunde107 nachgewiesen.

1998 ergab sich ausgehend von der Verkehrsnachfrage und den Festlegungen in der NKU für 2006, den geplanten Termin der Betriebseröffnung folgendes Betriebsprogramm (Zugfolge je Linie) für den Tunnelverkehr (vorbehaltlich möglicher Änderungen bis zur Betriebseröffnung):

Berlin – Leipzig – Süddeutschland 1 Fernzug / Stunde

S 1 Miltitzer Allee – Wurzen 2 Züge / Stunde Miltitzer Allee – Stötteritz 2 Züge / Stunde zusätzlich

S 2 (Zwickau -) Altenburg – Neukieritzsch und Borna – Neukieritzsch – Delitzsch mit wechselweise Verlängerung über Bitterfeld nach Dessau und Lutherstadt Wittenberg 2 Züge / Stunde

S 3 Connewitz – Halle/Saale 3 Züge / Stunde

S 4 Gaschwitz – Taucha 2 Züge / Stunde

RE 7 Geithain – Halle/Saale über die Neubaustrecke Flughafen Leipzig/Halle 1 Zug / Stunde RE 8 bzw. RE 16 Plauen bzw. Zwickau - Altenburg – Halle/Saale über die Neubaustrecke Flughafen Leipzig / Halle 1 Zug / Stunde

Alle weiteren Fern-, Regional- und Nahverkehrszüge im Raum Leipzig berühren den City- Tunnel nicht.

Der symbolische Baubeginn für den Tunnel erfolgte am 9.Juli 2003, die wesentlichen Bauleistungen sollten bis 2008 abgeschlossen sein, sodass der Bauherr (die Deutsche Bahn AG) 2009 mit einer Betriebseröffnung im Jahr 2009 rechnete. Zwischenzeitlich gab es aus bautechnischen, organisatorischen und finanziellen Gründen erhebliche Verzögerungen, die auch aus einer getrennt verlaufenden Bauausführung durch zwei Partner erwachsen.108

Die bis zum Jahr 2012 (der nunmehr beabsichtigten Inbetriebnahme des Tunnels) eintretenden strukturellen Änderungen werden zu Abweichungen von dem 1998 der NKU zugrunde gelegten Verkehrsaufkommen führen. Dennoch wird die neue Bahnverbindung vom Hauptbahnhof zum Bayerischen Bahnhof in Leipzig die von Bund, Land, Stadt und Bahn an sie gestellten Erwartungen erfüllen und wesentlich zur Stabilisierung der Verkehrsverhältnisse im mitteldeutschen Raum beitragen. Nach Fertigstellung wird ein Vergleich zwischen Verkehrsprognose und tatsächlichem Verkehrsaufkommen, zwischen verkehrspolitischen Erwartungen der Jahre um 1995 und deren

107 Die sich aus der Mischung von Fern-, Regional- und S-Bahn-Zügen ergebende Fragestellung nach der Zahl notwendiger Gleise am Hauptbahnhof (tief) konnte nach einer umfassenden Prüfung beantwortet werden. Die dort für den Fernverkehr (1 Fernzug/h und Richtung), den Regional- und S-Bahn-Verkehr erforderlichen Haltezeiten können garantiert werden, so dass für die Abwicklung des Betriebsprogramms am Hauptbahnhof zwei Bahnsteiggleise ausreichen.

108 Die Durchführung der Tunnel-Rohbauarbeiten war der DEGES übertragen worden, während alle eisenbahntechnischen Anlagen von DB Netz ausgeführt werden.

64 Erfüllung nach Art und Maß von großem Interesse sein. Die daraus erwachsenden Erkenntnisse sollten zur Überprüfung des Bewertungsverfahrens beitragen, und zwar sowohl im Blick auf die allgemeinen Methode der NKU sowie ihrer Anwendung hier im Fall des City-Tunnels, zumal das Projekt Leipzig eines der aktuellen Großvorhaben für den Nahverkehr in Deutschland ist.109 Es muss heute davon ausgegangen werden, dass während eines 15 bis 20jährigen Planungs- und Bauprozesses ganz erhebliche Änderungen eintreten, über deren Auswirkungen heute kaum gesicherten Aussagen gemacht werden können.

Auf kritische Prüfung seitens der Bahn stieß die von der SBTL vorgelegte Kostenschätzung. Insbesondere die damalige PBDE110, der die Deutsche Bahn AG die Bauausführung übertragen wollte, hatte erhebliche Zweifel an den genannten Kosten in Höhe von ca. 500 Mio. €. Trotz vorgelegter externer Gutachten zur Kostenschätzung der SBTL verlangte der Bund von der Bahn (dem vorgesehenen Bauherren) eine klare Festlegung zu den Baukosten. Die Bahn selbst wollte sich in diesem Zusammenhang nicht auf eigene Mitarbeiter in der SBTL verlassen.

Der Ausweg war: Die Differenzen bei der kostenmäßigen Beurteilung einzelner Projektteile wurden durch veranschlagte „Chancen und Risiken“ bei der Kostenentwicklung während der Bauzeit zunächst neutralisiert, sodass die Verhandlungen zwischen dem Bundesminister für Verkehr, dem Freistaat Sachsen, der Stadt Leipzig und der Deutschen Bahn über die Finanzierung zum Erfolg geführt werden konnten. Der Vertrag unterstellt so die Einhaltung der veranschlagten Kosten. Die SBTL hat im Blick auf die hohen Projektkosten mehrere Gutachten zur technischen Einschätzung der Entwurfsplanung und zur Bewertung der Risiken zur Kostenentwicklung während der Bauzeit eingeholt. Die Gutachter kamen vom Grundsatz zu dem Ergebnis, dass sich Kostensteigerungen und Verminderungen größenordnungsmäßig ausgleichen werden. Die weitere Entwicklung während der Bauarbeiten zeigt eine andere Tendenz.

Im Interesse des Projektes verständigte man sich in einer Finanzierungsvereinbarung auf folgende Kostenteilung:

Tabelle 3 Finanzierung des City-Tunnels Leipzig (Stand 2002)

Mittel der Europäischen Kommission (EFRE – Strukturfördermittel) und des Bundes 382,5 Mio. € Eigenmittel der Deutschen Bahn AG (DB Netz AG und DB Station & Service AG) gemäß interner Wirtschaftlichkeitsrechnung 16,36 Mio. €

Mittel des Freistaates Sachsen und der Stadt Leipzig 194,80 Mio. €

Gesamtfinanzierung 593,66 Mio. €

109 Vergleichbar mit dem parallel laufenden Tunnelprojekt ähnlicher Größenordnung „Nord-Süd U-Bahn“ der Kölner Verkehrsbetriebe AG.

110 Die PBDE hat aus ihrem Projekt des Berliner Hauptbahnhofs und des Tunnels zum Pot6sdamer Platz große Erfahrungen im innerstädtischen Tunnelbau.

65 Bild 12 Betriebsprogramm der S-Bahn Leipzig nach Fertigstellung des Tunnels [37]

Quelle: SMWA, Dresden

Durch höhere Sicherungs-, Energie- und Stahlkosten erwartet man im Jahr 2008 zunächst ein Kostenvolumen von 705,00 Mio. €. Weitere Erhöhungen der Baukosten sind nicht auszuschließen. Als Teil der Finanzierungsvereinbarung zwischen allen Beteiligten übernahm der Freistaat Sachsen als „quasi Bauherr“ das gesamte Kostenrisiko und übertrug die Bauherrenverpflichtung für das gesamte Projekt an die Infrastrukturgesellschaften der DB Netz.

Das der NKU zugrunde liegende Betriebsprogramm sollte für die Gestaltung des Bahnverkehrs in der Region Leipzig/Halle verbindlich sein. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben im Freistaat Sachsen wird der Aufgabenträger Zweckverband SPNV der Region Leipzig in Zusammenarbeit mit den anderen betroffenen Aufgabenträgern111 zuständig sein für den Abschluss eines Verkehrsvertrages mit einem oder mehreren Eisenbahnverkehrsunternehmen.

111 In Sachsen-Anhalt und Thüringen. 66 Im August 2008 haben die Aufgabenträger für den SPNV Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens die Verkehrsleistungen auf dem mitteldeutschen S-Bahnnetzes europaweit ausgeschrieben. Die Vergabeentscheidung über die Nahverkehrsleistungen in der Größenordnung von 9,0 Mio. Zugkilometern pro Jahr soll im Oktober 2009 fallen.

Von der Bahn wird erwartet, dass sie die Fernverbindung Berlin – Leipzig – Hof – Nürnberg in ihren Fahrplan aufnimmt.

Als kritische Nachfragen zum Stand des Projektes ergeben sich im Jahr 2008, 6 Jahre nach Vertragsunterzeichnung und Baubeginn, folgende Problemstellungen:

 die Nachhaltigkeit der Nutzen-Kosten-Untersuchung bzw. deren Ergebnisse und damit der betrieblichen Wirtschaftlichkeit des Projektes,  die Einhaltung der veranschlagten Baukosten, die Finanzierung möglicher Mehrkosten (weitere Kostenerhöhungen sind erkennbar),  die tatsächliche Zweckmäßigkeit des vereinbarten Betriebsprogramms,  die Akzeptanz der neuen Verkehrsanlagen und damit des Betriebsprogramms durch die Bevölkerung der begünstigten Region Leipzig.

Diese Fragen werden sich nach der Inbetriebnahme sehr ernsthaft stellen und müssen beantwortet werden. Bereits heute zeichnet sich ab, dass trotz einer positiven Entwicklung der Wirtschaft im Umland der Stadt Leipzig die Einwohnerprognosen der Jahre um 1995 nicht haltbar sind und damit das damals für 2010 prognostizierte Verkehrsaufkommen kaum erreicht werden,

4. 3. 2. 4 Die Erzgebirgs- und Vogtland-Strecken

Sachsen hatte bis zum Zweiten Weltkrieg das dichteste Eisenbahnnetz Deutschlands [44]. Während in Westdeutschland noch im vergangenen Jahrhundert zahlreiche Eisenbahnstrecken aus betriebswirtschaftlichen Gründen stillgelegt wurden und das Kraftfahrzeug vielfach die Eisenbahn verdrängte, nutzte die DDR die vorhandene Schieneninfrastruktur zur Bewältigung des gesamtstaatlichen Verkehrsaufkommens.

Trotz der erheblichen verkehrspolitischen Bedeutung der Reichsbahn fehlten ihr die notwendigen Investitionsmittel zur Erhaltung des Schienennetzes. Somit musste sie zahlreiche Strecken „auf Verschleiß fahren“. Die Ausgangssituation für ein wirtschaftlich zu betreibendes Netz war für die Strecken der Deutschen Reichsbahn 1990 nicht gegeben. Die in der DDR übliche staatliche Vollfinanzierung der Betriebskosten war mit der Wiedervereinigung entfallen. Bis zur Bahnreform musste nunmehr der Bund den Bahnverkehr in Ostdeutschland finanziell tragen.

Mit dem Eintritt Polens und der Tschechischen Republik in die Europäische Union erwartete man eine noch weitergehende Nachfrage nach Verkehrsleistungen im Personen- und Güterverkehr innerhalb der Gemeinschaft. Somit entstand im Vorfeld der EU-Erweiterung bereits weit vor dem Beitritt Polens und der CR die Aufgabe, neben der Sanierung innerdeutscher Strecken ehemals vorhandene, aber infolge des Zweiten Weltkrieges unterbrochene Bahnverbindungen zwischen Sachsen, Böhmen und Schlesien wiederherzustellen und dem heute erforderlichen technischen Standard anzupassen. Dabei stellte sich die Frage, welche Bahnstrecken zukünftig erforderlich sein würden.

67 Zur Klärung dieser Frage legte die Sächsische Staatsregierung der Öffentlichkeit im Jahre 1997 die „Eisenbahnkonzeption Sachsen“ [45] vor und gab in diesem Zusammenhang die verkehrspolitische Garantie für den langfristigen SPNV-Betrieb auf den damals noch als„Kernnetzstrecken“ und „Ergänzungsnetzstrecken“ bezeichneten Bahnverbindungen ab. Für alle darüber hinausgehende Strecken des sog. „Nebennetzes“ fühlte sich Sachsen nicht zuständig.

Danach wurde in Sachsen Schienenpersonennahverkehr auf rund 2.153 km Streckenlänge staatlich garantiert. Diese Garantie bezog sich zunächst nur auf die Betriebskostenzuschüsse, die der Freistaat den Eisenbahnverkehrsunternehmen langfristig sichert. Darüber hinaus stellte Sachsen im Einzelfall Baukostenzuschüsse für die staatlicherseits garantierten Bahnstrecken in Aussicht.

Auf 407 km Regionalnetzstrecken mit sehr geringem Verkehrsaufkommen wurde der Bahnbetrieb eingestellt, weil er vom Freistaat nicht gefördert wurde. Der Bahnverkehr auf diesen Strecken widersprach den Kriterien eines wirtschaftlich akzeptablen Weiterbetriebs.

Vor diesem Hintergrund gewannen die Erzgebirgs- und Vogtlandbahnen besonderes Gewicht, zumal sie aus struktureller Sicht den wichtigsten Teil sächsischer Regionalbahnstrecken bilden und in ihrer historischen Bedeutung typische Bahnbauten der „Königlich-Sächsischen Staatseisenbahn“ sind. Sie verlaufen zudem durch dicht besiedelte Teile des Freistaates und waren bis 1945 notwendige Verbindungsachsen innerhalb eines zusammenhängenden Siedlungs- und Wirtschaftsgebiet beiderseits der deutsch (bis 1918 deutsch-böhmischen) - tschechischen Grenze. Sie sollen grenzüberschreitend wieder eine vergleichbare Rolle gewinnen. Sie können beispielhaft für das gesamte sächsische Bahnnetz mit Ausnahme der Fernstrecken angesehen werden.

„Historischer Exkurs“ - Ihre Bedeutung bis zum Zweiten Weltkrieg

Als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Eisenbahnsystem ausgehend von England aus seinen Einzug in Europa hielt, fand es im Königreich Sachsen „offene Türen“. Obwohl die Landschaftsstruktur, insbesondere das Erzgebirge, die damals bekannte Eisenbahntechnik vor geradezu unlösbare Probleme stellte, wurde hier mit großräumiger Planung begonnen [46].

Sachsen war aufgrund des weit entwickelten Erzbergbaus und seiner frühzeitigen Industrialisierung eines der wirtschaftlich und technisch fortschrittlichsten Länder innerhalb des damaligen Deutschland.

Im Interesse des Ausgleichs sozialer Unterschiede im Königreich, insbesondere zur Entwicklung von Handwerk und Gewerbe, betrieb die Sächsische Regierung Erschließungsprogramme, die der Erreichbarkeit auch entlegener Landesteile dienen sollte. Diese Zielsetzungen wurden durch bedeutsames privatwirtschaftliches Engagement nachhaltig unterstützt. Das neue Eisenbahnsystem, sowohl auf staatlicher wie privater Basis, bot dazu bessere Möglichkeiten als vordem der Wege- und Straßenbau. Auch waren die zum Einsatz bestimmten Eisenbahnfahrzeuge den Anforderungen des Personen- und Gütertransportes besser gewachsen als die herkömmlichen Fuhrwerke.

68 Bild 13 Eisenbahnverbindungen innerhalb von Sachsen und Böhmen um 1850

Quelle Hanseatische Spezialkarte „Eisenbahn-Verbindungen…“, Hamburg 1850

Bereits 1835 erhielt die „Leipzig-Dresdner-Eisenbahn-Companie“ die Konzession zum Bau und Betrieb der Leipzig-Dresdener Bahn, der sächsisch-bayerischen, sächsisch-schlesischen und der sächsisch-böhmischen Linie. 1839 konnte die erste deutsche Ferneisenbahn Leipzig - Dresden in Betrieb genommen werden.

Im Jahre 1841 schlossen die Königreiche Sachsen und Bayern sowie das Herzogtum Sachsen- Altenburg einen Staatsvertrag zum Bau der Strecke Leipzig – Hof , die im Jahr 1851 einschließlich einer Zweigbahn nach Zwickau in Betrieb genommen werden konnte.

Nachdem sich bereits im Jahr 1843 die „Regierung und Ständeversammlung“ in Sachsen mit einem technisch sehr anspruchsvollen Eisenbahnprojekt Dresden – Freiberg – Chemnitz – Zwickau befasst hatte, ließ die Staatsregierung technische Vorerörterungen über die Ausführung dieser Strecke entlang des nördlichen Fußes des Erzgebirges anstellen. Beabsichtigt war, die Bahnstrecke in Reichenbach an die in Bau befindliche Strecke Leipzig – Hof anzubinden und eine Verlängerung von Dresden nach Görlitz zu schaffen.

Die entlang der Strecke liegenden Städte waren bereits damals Bevölkerungsschwerpunkte, zudem Orte des Kohle- und Erzbergbaus und starker vorindustrieller Gewerbetätigkeit. Weiterer Grundgedanke war damals, eine Staatsbahn-Verbindung im Zuge der „Alten Heerstraße“ zwischen dem Osten und dem Westen Mitteldeutschlands herzustellen.

Im Jahre 1855 wurde unter dem Namen „Albert-Bahn“ der erste Abschnitt Dresden – Tharandt in Betrieb genommen. Weitere Projektteile folgten, nachdem genügend Erfahrungen im Bau von Gebirgsbahnen gemacht waren.

Diese Hauptstrecke Dresden – Reichenbach mit zahlreichen aufwendigen Ingenieurbauwerken konnte 1869 in ihrer gesamten Länge von 177 km fertig gestellt werden. An großartigen

69 Brückenbauwerken im Zuge des Streckenverlaufs sind beispielsweise die Göltzschtalbrücke112, die Viadukte bei Hetzdorf und bei Muldenhütten zur Überbrückung der quer verlaufenden Erzgebirgstäler zu nennen. Die Trasse wurde, mit für eine Hauptbahn ungewöhnlich engen Radien, weitgehend an die natürlichen Geländegegebenheiten des Erzgebirges angepasst.

Mit dem Bau der später „Sachsen-Magistrate“ genannten Strecke begann die Erschließung der Erzgebirgs- und Vogtland-Täler durch abzweigende Normal- und Schmalspurbahnen. Da die Erzgebirgs- und Vogtlandregion bis Mitte des 19.Jahrhunderts einer besonderen staatlichen Förderung bedurften, hatte der Bahnbau mit der Zielrichtung des Erzgebirgskammes besondere Priorität. Man war sich über die positiven Wirkungen neuer Erschließungssysteme, besonders über die Grenze hinweg, im Klaren.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden mehr als 15 Stichbahnen mit zahlreichen zusätzlichen Verästelungen, die von den Bahnhöfen Freital bei Dresden, Freiberg, Flöha, Chemnitz Zwickau und Plauen aus nach Süden zum Erzgebirgskamm führten und ihre Verlängerung in das damals habsburgische Böhmen fanden (vergl. Bild 13).

Sechs von diesen Strecken wurden in Zusammenarbeit mit böhmischen Privatbahnen konzipiert113 und erhielten in Eger, Falkenau, Karlsbad, Brüx und Kommotau unmittelbaren Anschluss an die hier als „Böhmische Nordbahn“ bezeichnete Strecke zwischen Eger, Aussig und Reichenberg, die zwischen Varnsdorf und Zittau wieder deutsches Gebiet berührt. Parallel zur Sachsen-Magistrale war diese in Nordböhmen zwischen 1855 und 1862 von zwei großen Privatbahngesellschaften, den Buschtehracher Bahnen (BEB) zwischen Eger und Kommotau (109 km) und der Aussig - Teplitzer Bahn (ATB) zwischen Kommotau, Aussig, Varnsdorf und Zittau - Reichenberg (209 km) gebaut worden.

112 Das ausgesprochen anspruchsvolle Bauwerk der Göltzschtalbrücke stellte im Jahr 1845 eine absolute Neuheit im Eisenbahnbau dar. Entworfen, berechnet wurde die 1846 bis 1851 erbaute, 74m hohe Brücke über das Engtal der Göltzsch von Johann Andreas Schubert, Professor an der Technischen. Bildungsanstalt in Dresden. Sch. baute 1837 – 1839 die erste deutsche Lokomotive (Saxonia) und den ersten Personen-Elbdampfer.

113 Grenzüberschreitende Erzgebirgs- und Vogtlandstrecken: ( 1 ) Freiberg (Erzgeb.) – Holzhau – Moldau 800 m ü. NN ( CR ) – Eichwald – Brüx 1945 von deutscher Seite zwischen Hermsdorf-Rehefeld und Moldau unterbrochen, dann bis Holzhau rückgebaut; Wiederherstellung beabsichtigt. ( 2 ) Chemnitz – Flöha – Pockau-Lengefeld - Marienberg – Reitzenhain 790 m ü. NN - Sebastiansberg ( CR ) – Kommotau 1945 von tschechischer Seite zwischen Reitzenhain und Sebastiansberg abgebaut; zwischen Marienberg und Reitzenhain stufenweise Stilllegung, zwischen Pockau-Lengefeld und Marienberg durch Hochwasserschäden unterbrochen, Wiederherstellung abgeschlossen.. ( 3 ) Chemnitz – Flöha – Annaberg – Weipert 713 m ü. NN (CR) – Kommotau 1945 Streckensperrung wegen Brückenschäden; 1992 Wiederaufnahme des grenzüberschreitenden Verkehrs nach der Sanierung der Brücke. ( 4 ) Chemnitz und Zwickau – Aue – Johann Georgenstadt (676 m ü. NN) – Breitenbach ( CR) - Scheitelhöhe im Verlaufe der Strecke bei 915 m ü NN – Neudeck – Karlsbad Kein Streckenabbau nach 1945; jedoch Einstellung des durchgehenden Regelzugbetriebes; Wiedereröffnung grenzüberschreitender Zugverbindungen 1992. ( 5 ) Zwickau – Falkenstein ( Vogtland ) – Klingenthal 553 m ü. NN – Graslitz ( CR ) – Falkenau – Karlsbad 1945 (oder später) Streckenabbau durch die DR; Wiederherstellung der Strecke durch DB Netz AG und Eröffnung des durchgehenden Zugbetriebes durch die Vogtlandbahn GmbH im Jahr 2001. ( 6 ) Plauen – Ölsnitz ( Vogtland ) – Bad Brambach 575 m ü. NN – Eger ( CR ) Keine Betriebsunterbrechung nach 1945. Anmerkung: kursive Stationsbegriffe weisen auf die Scheitelhöhe hin

70 Die beiden Hauptbahnen nördlich und südlich des Erzgebirges hatten und haben heute noch eine große Verkehrsbedeutung. Die Sachsen-Magistrale verband bis 1945 Schlesien mit Sachsen und Bayern; sie war eine der bedeutenden Bahnverbindungen innerhalb Deutschlands in Ost-West-Richtung mit stark ausgeprägtem Personenfern- und Güterverkehr.

Die hohe Auslastung auch nach dem Zweiten Weltkrieg erforderte die Elektrifizierung weiter Abschnitte beider Strecken.

Der Eisenbahnbau in Sachsen befand sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auf seinem Höhepunkt und führte bis zum Ersten Weltkrieg zu einem sehr dichten Bahnnetz, mit dem fast jeder Ort im Königreich unmittelbar oder mittelbar erreicht wurde114. Dank der hohen Bevölkerungsdichte in Sachsen konnte der Bahnverkehr, solange der Kraftverkehr noch kein Konkurrenzfaktor war, mit wirtschaftlich positiven Ergebnissen betrieben werden.

Eine nicht unbedeutende Rolle spielten dabei Schmalspurbahnen mit 750 mm Spurweitetand, die dort ihren Einsatz fanden, wo das erwartete Verkehrsaufkommen geringer war und die topographischen Gegebenheiten dem Bau von Normalspurstrecken (Spurweite1435 mm) erschwerten. In den Jahren 1881 bis 1921/23 entstand so das dichteste Schmalspurnetz in Deutschland, dessen Bedeutung Mitte des 20. Jahrhunderts allerdings zurückging. Heute hat das Schmalspursystem in Sachsen mit Ausnahme touristischer Funktionen keine Bedeutung mehr.

Infolge einer besonders starken Entwicklung des Verkehrsaufkommens wurden auch einige Schmalspurbahnen zur Normalspurbahn umgebaut. Als Beispiel ist hier die Müglitztalbahn115 Heidenau – Glashütte - Geising – Altenberg (754 m ü. NN) anzusprechen. Im Jahre 1927 durch eine der für die Erzgebirgstäler typischen Flutkatastrophen zerstört, wurde die Schmalspurbahn zunächst als solche wiederhergestellt, jedoch bis 1939 zu einer normalspurigen Gebirgsbahn ausgebaut, für deren Betrieb eine besonders leistungsstarke Tender- Dampflokomotive und erstmals Leichtbau-Personenwagen entwickelt wurden.

Rückwirkend kann die Bedeutung der Erzgebirgs- und Vogtlandstrecken für den beiderseits des Erzgebirgskamms bis Mitte des 20. Jahrhunderts entstandenen Wohlstand nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Eisenbahnen boten Handel und Gewerbe ausgezeichnete Entwicklungsmöglichkeiten, schufen zahlreiche Arbeitsplätze und verbanden das vormals abgelegen Erzgebirge mit den wirtschaftlichen Zentren in Sachsen und Deutschland sowie in Nordböhmen.

Die Verkehrsleistungen auf den grenzüberschreitenden Strecken waren nach dem Ersten Weltkrieg, nach der Verselbständigung der Tschechoslowakei, zurückgegangen, hatten sich aber schnell wieder auf den Stand von 1914 eingespielt. Als Beispiele dafür stehen besonders die Güterverkehrsleistungen im grenzüberschreitenden Verkehr, deren Umfang eine Statistik aus dem Jahre 1930 belegt.116 Diese Zahlen umfassen Gütertransporte im Regional- und.

114 Insgesamt hatte sich bis zum Ersten Weltkrieg in Sachsen das dichteste Eisenbahnnetz innerhalb von Deutschland entwickelt. Der Freistaat Sachsen hat auch heute noch einen Anteil von rund 3 100 km Streckenlänge am Netz der DB AG.

115 Im Jahr 2002 wurde die wesentlich höher gelegte Strecke erneut durch eine Flutkatastrophe heimgesucht und zerstört; zwischenzeitlich im Rahmen der Beseitigung der Hochwasserschäden wiederhergestellt.

116 Güterverkehr auf den grenzüberschreitenden Erzgebirgs- und Vogtlandstrecken im Jahre 1930: (vergl.: Bufe, Siegfried „Eisenbahnen in Sachsen“) 71 Kurzstreckenverkehr. Weitaus stärkere Güterströme im Fernverkehr zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei verliefen Zuge der Elbtalstrecke.

Eine wesentliche Steigerung der Verkehrsströme auf den grenzüberschreitenden Erzgebirgs- und Vogtlandbahnen brachte das Jahr 1938 nach dem Abschluss des Münchner Abkommens und der Einbindung des Sudentenlandes in das Deutsche Reich.

Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bahnbau in Sachsen und dessen positiver Entwicklung ist die begleitende Entstehung der Lokomotiv- und Fahrzeugindustrie in Dresden und dem Erzgebirge, insbesondere in Chemnitz zu sehen. In Dresden wurde 1835 die erste deutsche Dampflokomotiv „Saxonia“ (für die Strecke Dresden – Leipzig) gebaut.

Die Sächsische Maschinenfabrik AG (SMF) in Chemnitz, 1837 von Richard Hartmann (1809- 1876) als Gewerbebetrieb für Spinnereimaschinen gegründet, belieferte in den Jahren 1847 bis 1928 die Sächsische Staatsbahn, später die Deutsche Reichsbahn und zahllose Bahngesellschaften auf der ganzen Welt mit modernen Dampflokomotiven für nahezu alle Einsatzbereiche. Das vielfältige Programm des Lokomotivbaus im Chemnitz, die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der dort hergestellten Maschinen waren beispielgebend in und für Deutschland. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen auf den Weltausstellungen 1862 in London und 1867 in Paris bestätigten die Qualität der mehr als 4000 in Chemnitz hergestellten Dampf-Lokomotiven.

Ein erstes, erhaltenes Beispiel für den Lokomotivbau in Chemnitz ist die im Jahre 1861 gelieferte 1B–Tenderlokomotive „Muldenthal“, die nach einer nahezu 100jährigen Betriebszeit dem Fahrzeugbestand des Verkehrsmuseums Dresden beigestellt wurde. Der „Sächsische Rollwagen“117, ein Triebfahrzeug zum universellen Dienst auf nahezu allen Strecken des Freistaats und nach Gründung der Deutschen Reichsbahn überall in Deutschland, ist ein besonders markantes Beispiel für die aus Chemnitz stammenden Lokomotiven. Den Höhepunkt erreichte der Lokomotivbau in Chemnitz mit der 1’D1’h4v- Schnellzuglokomotive, die seinerzeit eine der stärksten Schnellzuglokomotiven Europas war. Diese und zahlreiche Lokomotiven anderer Bauarten aus Chemnitz waren auch nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Einstellung des Dampfbetriebes bei beiden deutschen Bahnen im Einsatz.

In enger Zusammenarbeit zwischen den für den Streckenbau und die Fahrzeugentwicklung tätigen Ingenieuren der Sächsischen Staatsbahn und der SMF entstanden Trassierungsempfehlungen für den Bahnbau und technische Standards für moderne Lokomotiven zum Einsatz in Sachsen.

( 1 ) Freiberg (Erzgeb.) – Moldau 800 m ü. NN ( CR ) – Brüx 11 300 Güterwagen im Grenzverkehr/Jahr ( 2 ) Chemnitz – Reitzenhain 790 m ü. NN - Kommotau 33 500 Güterwagen im Grenzverkehr/Jahr ( 3 ) Chemnitz – Weipert 713 m ü. NN (CR) – Kommotau 19 000 Güterwagen im Grenzverkehr/Jahr ( 4 ) Zwickau – Johann Georgenstadt 676 m ü. NN – Karlsbad offensichtlich wenig Güterverkehr wegen der Steilrampen auf böhmischer Seite ( 5 ) Zwickau – Klingenthal 553 m ü. NN – Falkenau 26 600 Güterwagen im Grenzverkehr/Jahr ( 6 ) Plauen – Bad Brambach 575 m ü. NN – Eger ( CR ) 30 800 Güterwagen im Grenzverkehr/Jahr

117 Sächsische Baugruppen-Bezeichnung XII’h’2, im DR-System später 38 2-3.

72 Einer der Schwerpunkte des sächsischen Lokomotivbaus galt auch den Lokomotiven für die Schmalspurstrecken, von denen einige noch heute in Betrieb sind.

Die Bedeutung der Erzgebirgs- und Vogtlandstrecken in der Ära der Deutschen Reichsbahn nach 1945

Die Ausgangslage für die Deutsche Reichsbahn war 1945 nicht nur in Sachsen durch Kriegsschäden und die Demontage zahlreicher Bahnanlagen seitens der Sowjetunion geprägt, was die Leistungsfähigkeit vor allem der Hauptstrecken stark einschränkte.

Im Jahr 1946, nach dem Transport der heimatvertriebenen Sudetendeutschen, der auch über diese Strecken erfolgte, brach der grenzüberschreitende Verkehr über das Erzgebirge völlig ab. Die Strecken wurden beiderseits bis zur Grenze genutzt, im unmittelbaren Grenzgebiet weitgehend abgebaut.

Das Bahnsystem hatte dennoch in Sachsen große Verkehrsleistungen im Personen- und Güterverkehr zu erbringen. Im Erzgebirge betrieb die deutsch-russische Wismut AG im sowjetischen Auftrag Uranabbau in einer Größenordnung, die umfangmäßig nicht darstellbar war. Sämtliche Transportleistungen hatte die Bahn zu bewältigen; die technischen Anlagen waren den an sie gestellten Anforderungen nicht gewachsen. Überlastungen, technische Störungen und fehlende Unterhaltung der Gleisanlagen führten zu zahlreichen folgenschweren Unfällen und langwierigen Störungen des Bahnbetriebes.118

Parallel dazu stellte der Steinkohle-Bergbau in Teilen des Erzgebirges eine weitere wesentliche Transportaufgabe, die von dem letztlich überalterten Lokomotiv- und Waggonpark auf den überlasteten Strecken nur schwer bewältigt werden konnte.

Anders als in Westdeutschland standen der Bevölkerung nur eingeschränkt private Pkw zur Verfügung, so dass die Bahn zunächst auch die Hauptlast des gesamten Personenverkehrs im Erzgebirge zu tragen hatte.

Mit einer ständigen Ausdehnung des regionalen Linienbusverkehrs und einer allmählich wachsen Motorisierung der Bevölkerung ging der Personenverkehr der Bahn zurück. Während in Sachsen die Ortschaften weitgehend auf den Höhen der Gebirgszüge liegen, waren die Bahnlinien durch die Täler geführt worden. Daraus folgten weite Zugangswege zu den Bahnhöfen. Diese siedlungsstrukturellen Gegebenheiten verstärkten den Trend von der Bahn zum Bus bzw. Pkw. Nach Abbau des im Erzgebirge vorhandenen radioaktiven Materials stellte sich ab Mitte der 1960ger Jahre eine wesentliche Verminderung der Güterverkehrsleistungen auf der Schiene ein. Diese Entwicklung hatte verstärkt Einschränkungen der Unterhaltungsarbeiten an den Strecken zur Folge, daraus ergaben sich die Verminderung der zugelassenen Strecken- Geschwindigkeiten und die Stilllegung einzelner Abschnitte. Das Normalspur-Streckennetz im Erzgebirge verminderte sich bis 1990 von vormals 725 km auf 550 km Streckenlänge. Einzelheiten dazu sind in der folgenden Tabelle dargestellt.

118 Die von der Wismut AG geführten Betriebe und die in ihrem Auftrag von der Deutschen Reichsbahn bewältigten Transporte unterlagen einer strengen Geheimhaltung. Angaben zu Transportmengen, zur Zahl der täglichen Güterzüge und weiteren Einzelheiten durften nicht festgehalten werden. Die Archive der Bahn schweigen sich dazu aus. Bekannt ist nur, dass die mit radioaktivem Material beladenen Güterwagen Ostdeutschland in Richtung Sowjetunion verließen. 73 Tabelle 4 Entwicklung der Erzgebirgs- und Vogtlandstrecken zwischen 1960 und 2008

Strecken Betriebslänge im Jahr

Normalspurbahnen 1960 1990 2008 Erzgebirgsstrecken Gesamtnetz 724,5 554,8 445,4

Pirna - Gottleuba 17,6 Pirna - Großcotta 8,2 Heidenau - Altenberg 37 37 37 Reichenbach - Lengenfeld 21,1 Flöha - Reitzenhain über Marienberg 56,5 39 Flöha - Bärenstein 61,4 61,4 61,4 Chemnitz - Stollberg (Erzgeb.) 23,5 23,5 23,5 Stollberg - St. Egidien und Wüstenbrand 32,5 32,5 20 Zwickau - Johann-Georgenstadt 55 55 55 Schwarzenberg - Annaberg-Buchholz 26,7 28,7 Oberschlema - Niederschlema 2,1 Waltherdorf - Crottendorf 5,2 Stollberg - Zwönitz 16,6 5,2 5,2 Chemnitz - über Aue 63 63 51 Blauenthal Blauenthal - Muldenberg 26,1 Siebenbrunn - Erlbach 4,7 Freiberg - Hermsdorf Rehefeld 36,7 30,7 30,7 Freiberg - Langenau und Grohartmannsdorf 21 12 Pockau Lengefeld - Neuhausen und 31,3 22,1 22,1 Deutschneudorf Vogtlandstrecken Herlasgrün - Klingenthal 53,1 53,1 53,1 Zwickau - Falkenstein 35,3 35,3 35,3 Plauen - Falkenstein 27,6 Plauen - Bad Brambach und Adorf – 62,3 62,3 62,3 Markneukirchen / Zwotental

Schmalspurbahnen 1960 1990 2008

Hainsberg - Kipsdorf 26,3 26,3 26,3119 Klingenberg Colmnitz - Frauenstein 19,7 Hetzdorf - Eppendorf 9,8 Schönfeld - Meinersdorf 29,8 Cranzahl - Oberwiesenthal 17,3 17,3 17,3 Wolkenstein - Jöhstadt 23 Grünstädtel - Oberrittersgrün 9,4 Wilkau-Haßlau - Carlsfeld 41,9 Klingenberg Colmnitz - Frauenstein 19,7 Reichenbach - Obereinsdorf 5,4 Mulda – Sayda 15,5 Thum – Wilischthal 13,5

Gesamtstreckennetz Schmalspurbahnen 231,3 43,6 43,6

119 Bis zur Beseitigung der Hochwasserschäden von 2002 findet auf dem Streckenabschnitt Dippoldiswalde- Kurort Kipsdorf kein Zugverkehr statt.

74 In erster Linie waren die Schmalspurbahnen betroffen, deren besonderer Nachteil der Systemwechsel für durchgehenden Güterverkehr (Rollbock-Verkehr) war. Somit verblieben von ca. 230 km Gesamtstreckenlänge im Jahr 1945 bis 1990 noch 5 Strecken mit einer Länge von nur 43,6 km.

Eine Ausnahme bildet allerdings die Strecke Plauen – Bad Brambach – Eger. Sie wurde zur Bewältigung des wachsenden Güteraustauschs zwischen der DDR und der CSSR notwendig. Die Tschechische Staatsbahn elektrifizierte den Streckenabschnitt zwischen der deutschen Grenze und Eger. Für den wachsenden Personenverkehr richtete die Deutsche Reichsbahn sogar eine Schnelltriebwagen-Verbindung zwischen Berlin und Karlsbad über Eger ein.

Neue Rahmenbedingungen für Fern- und Regionalverkehr; Zukunft der Bahnstrecken in Sachsen nach der Bahnreform

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands, der Bahnreform und der Bildung der Deutschen Bahn AG trat eine große Zahl von Änderungen im Eisenbahnrecht, in der Zuständigkeit für den Bestand und die Weiterentwicklung des Bahnsystems, vor allem aber für die Finanzierung ein.

Die Bemühungen der Sächsischen Staatsregierung, den Ausbau der Sachsen-Magistrale in das Programm „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ der Bundesregierung aufzunehmen, waren gescheitert. Dennoch stellte der Bund Mittel für das Projekt120 zur Verfügung, so dass nach dem unmittelbaren Lückenschluss [47] zwischen Plauen und Hof die Sanierung auch der Strecken Dresden - Reichenbach und Leipzig – Plauen in Angriff genommen werden konnten.[48]

Die PBDE bekam den Auftrag, die Baumaßnahmen durchzuführen. Planungs- und Ausbauziel war die Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit der Streckenteile in Sachsen, allerdings nur für eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h bzw. bis 160 km/h für Neigezug- Fahrzeuge.

Die 1993 begonnenen Baumaßnahmen sind aufgrund mangelnder Finanzierung und anderer Prioritäten der Deutschen Bahn AG nur teilweise abgeschlossen. Der Bund hat im Jahr 2006 die Kosten121 für die Gesamtstrecke mit 1.706 Mio. €, veranschlagt, von denen bis einschl. 2005 937 Mio. € verausgabt wurden. In den Jahren 2006 bis 2010 will der Bund weitere 125 Mio. € zur Verfügung stellen, so dass bei einem weiteren Bedarf von 642 Mio. € mit einer Fertigstellung des Gesamtprojektes nicht vor 2015 zu rechnen ist. Innerhalb von Sachsen wurde bisher der Abschnitt Leipzig – Zwickau zurückgestellt, so dass sich der bauliche Zustand der Strecke bei laufendem Betrieb ständig verschlechtert.

Der traditionsreiche Personenfernverkehr von Leipzig und Dresden über Hof nach Bayern ist eingestellt worden, nachdem ICE-Züge zwischen Berlin und Nürnberg die parallel verlaufende, modernisierte Strecke durch das Saaletal und den Thüringer Wald befahren. Die Streckenabschnitte der Sachsen-Magistrale zwischen Dresden, Leipzig und Nürnberg werden nur noch mit Regionalexpress-Zügen bedient.

Jüngste Studien des Internationalen Eisenbahnverbandes UIC zum Hochgeschwindigkeitsverkehr in Europa (unter besonderer Berücksichtigung Tschechiens)

120 Teile des Bahnprojektes Karlsruhe – Stuttgart – Nürnberg – Hof – Reichenbach - Leipzig/Dresden

121 Im Investitionsrahmenplan (IRP) des Bundes als „normalisierte“ Kosten bezeichnet.

75 beziehen in dortige Prognosen die beiden Hauptbahnen nördlich und südlich des Erzgebirges in Deutschland und Tschechien ein und kommen zu dem Ergebnis, dass auf beiden Strecken in Zukunft Personenverkehrsströme im Fernverkehr von mehr als 1 Million Reisenden/Jahr zu erwarten sind, woraus allerdings ein Ausbau zu Hochgeschwindigkeits-Strecken nicht zu folgern ist.

Die DB gestaltet seit der Zuständigkeit der Länder für den Nahverkehr die Unterhaltung und den Ausbau ihrer Strecken nach Trassenbestellungen der Eisenbahn-Verkehrsunternehmen (EVU), die letztere nach Abschluss von Verkehrsverträgen (für den Schienenpersonennahverkehr) mit den Aufgabenträgern vornehmen.

In Sachsen war nach dem Sächsischen ÖPNV-Gesetz122 zunächst das zuständige Ministerium Aufgabenträger und in dessen Auftrag die Landesverkehrsgesellschaft Sachsen. Im Jahr 2000 ging diese Zuständigkeit an regional organisierte, kommunale Zweckverbände123 über. Zielsetzung dabei war, dass diese für den gesamten ÖPNV, d.h. für den regionalen Omnibusverkehr und den Regionalverkehr der Bahn verantwortlich sein sollten.

Im Rahmen der Aufstellung des Landesverkehrsplans Sachsen legte die Sächsische Staatsregierung folgende Grundsätze fest, die für die Landesverkehrsgesellschaft Sachsen verbindlich waren:

(A) Voraussetzung für die Vereinbarung von Verkehrsverträgen mit Eisenbahn– Verkehrsunternehmen (1) sollen in der Regel verlässliche Aussagen über das Verkehrspotential der entsprechenden Strecke, damit über die Sinnfälligkeit dieser sein. (2) soll im Regelfall die Ausschreibung der Verkehrsleistungen sein, damit. eine Kalkulierbarkeit der erforderlichen Bestellerentgelte möglich ist. (B) (1) In Anlehnung an die abzuschließenden Verkehrsverträge kann das Land mit der DB Bau- und Investitionsverträge zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Strecken schließen. (2) Unabhängig davon führt die DB im eigenem wirtschaftlichen Interesse Baumaßnahmen durch, die der Verbesserung einzelner Strecken dienen und keiner Abstimmung bedürfen. (C) Dass Land kann die Beschaffung von neuen Fahrzeugen und im Einzelfall den Bau von neuen Werkstätten der Eisenbahn-Verkehrsunternehmen fördern“.

Darauf aufbauend ergaben sich in Sachsen fünf regionale Modellvorhaben124, mit denen die Zielsetzungen der Eisenbahnkonzeption zur qualitativen und quantitativen Verbesserung des SPNV realisiert werden sollten.

122 Gesetz über den Öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat Sachsen 1995.

123 Zweckverband Verkehrsverbund Oberelbe Dresden (VVO); ÖPNV-Zweckverband Niederschlesien/Oberlausitz Görlitz (ZWON), ÖPNV-Zweckverband Mittelsachsen Chemnitz (ZVMS); Zweckverband ÖPNV Vogtland Auerbach (ZVO) und Zweckverband SPNV Leipzig.

124 S-Bahnsysteme in Dresden und Leipzig/Halle; das „Chemnitzer–Modell“, das „Vogtland-Modell“ für den grenzüberschreitenden Verkehr in die CR und das System der „Erzgebirgsstrecken“.

76 Die Deutsche Bahn bekam mit den Modellvorhaben eine rechtlich verlässliche Planungsgrundlage für die Weiterentwicklung ihres Streckennetzes und die Übertragung von Strecken an Dritte. Sie konnte nun Finanzierungsvereinbarungen mit dem Bund und dem Freistaat Sachsen zum Ausbau der Strecken abschließen.

Das Modellvorhaben Erzgebirgsbahnen, mit dem die Sanierung der zum Erzgebirgskamm führenden Strecken beabsichtigt war, umfasst folgende Strecken:

Die Müglitztalbahn. Die Bahnstrecke durch das Müglitztal von Heidenau nach Altenberg wurde von der DB-Netz AG nach der Flutkatastrophe in den vergangenen Jahren grundlegend saniert und der aktuellen Verkehrsnachfrage125 folgend ausgebaut.

Die Bahnlinie im Verlauf der Freiberger Mulde. Die Strecke Freiberg – Holzhau wurde von der DB an die Eisenbahn-Infrastrukturgesellschaft „RP (Rheinland-Pfalz) Eisenbahn GmbH“ übertragen, von letzterer saniert und eisenbahntechnisch an den aktuellen Sicherungsstandard angepasst. Den Betrieb auf der Strecke hat vor drei Jahren die Freiberger Eisenbahngesellschaft mbH übernommen; sie bietet mit modernen Fahrzeugen Zugfahrten im Zwei-Stunden-Takt von der Kreisstadt Freiberg zum Erzgebirgskamm an. Die Züge haben in Freiberg unmittelbaren Anschluss an den Regionalverkehr auf der Sachsen-Magistrale in Richtung Dresden und Chemnitz.

Der SPNV-Aufgabenträger für diese Strecke, der Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen (ZVMS). prüft derzeit eine Wiederherstellung der durchgehenden Bahnverbindung von Freiberg über Holzhau, Hermsdorf/Rehefeld nach Moldau und Brüx (Most) in der Tschechischen Republik.

Die Erzgebirgsbahnen: Das Netz der von Chemnitz und Zwickau nach Süden verlaufenden Strecken umfasst:

(Chemnitz -) Flöha - Annaberg - Bärenstein (Chemnitz -) Flöha - Marienberg und Olbernhau – Neuhausen Chemnitz – Aue Zwickau – Aue – Johann Georgenstadt

Die Zuständigkeit für die von Flöha, Chemnitz und Zwickau ausgehenden Erzgebirgsstrecken wurde im Jahr 2000 im Rahmen der sog. „Mittelstandsoffensive“ der Bahn in die Verantwortung zweier Tochtergesellschaften, der DB RegioNetz Infrastruktur GmbH und für die Betriebsführung der DB RegioVerkehrs GmbH übertragen. Beide Gesellschaften, die eng zusammenarbeiten, tragen auch den Namen „Erzgebirgsbahn“. Seit dem war die in Chemnitz ansässige DB RegioNetz Infrastruktur GmbH damit betraut, die Strecken auf den Standard zu bringen, der für einen wirtschaftlichen Regionalbahn-Betrieb mit Dieseltriebwagen erforderlich ist. Um deutlich zu machen, welche Rolle den Erzgebirgs-Strecken in Zukunft zugedacht ist, wurde für die Fahrzeuge der Begriff „Erzgebirgssprinter“ eingeführt. Gemeint sind damit neue VT der Reihe 642, die auf dem Erzgebirgsnetz schnelle Verbindungen bieten.

Die Baumaßnahmen sind zügig vorangekommen, so dass Ende des Jahres 2007 die Fertigstellung aller Streckenabschnitte erfolgen konnte. Veranschlagt waren für die Investition

125 Zwei-Stunden-Takt mit Verdichtung zum Stunden-Takt in den Hauptverkehrszeiten. 77 in den Fahrweg 181 Mio. €. Die Kosten wurden vom Freistaat Sachsen, dem Bund und der DB getragen. Das Netz konnte vollständig saniert werden, was zu einer erheblichen Steigerung der Streckengeschwindigkeit, Verkürzung der Reisezeiten und damit der Passagierzahl zwischen 2002 und heute auf 5000 Reisende/Tag führte.

Bild 14 Streckennetz der Erzgebirgsbahnen (DB Regio Netz) Bauzustand im Jahr 2002

Quelle: DB RegioNetz Infrastruktur (ProfiCenter Erzgebirgsbahn)

Tabelle 5 Streckennetz der Erzgebirgsbahnen (DB Regio Netz)

Streckenlänge (insgesamt 216 km) km Reisezeit (min) Reisegeschwindigkeit (km/h) 2003 2008 2003 2008 (Chemnitz-)Flöha – Annaberg – Bärenstein 61 128 87 29 42 (Chemnitz-)Flöha – Pockau/L. – Neuhausen 49 139 72 21 41 Chemnitz – Aue 51 129 68 24 45 Zwickau –Schwarzenberg – Johann Georgenstadt 55 93 73 35 46

Auch der durch Hochwasserschäden zerstörte Abschnitt zwischen Pockau-Lengefeld und der Kreisstadt Marienberg konnte wiederhergestellt werden.

Grundlage für die Betriebsführung war der im März 2003 zwischen dem Zweckverband und DB RegioVerkehrs GmbH geschlossene Verkehrsvertrag mit einer Laufzeit von 15 Jahren. Er sieht einen Stunden-Takt auf allen 4 Erzgebirgsstrecken vor. Zum Einsatz kommen die genannten Dieseltriebwagen. Über Johann Georgenstadt und Bärenstein hinaus fahren durchgehende Züge nach Nordböhmen in Richtung Karlsbad und Kommotau.

78 Der ZVMS legte Ende 2007 ein neues „Integrales ÖPNV-Konzept 2020“ vor. Mit diesem sollen die Strecken Zwickau – Johann Georgenstadt, Chemnitz – Aue und Chemnitz – Flöha - Bärenstein als „Premium-Strecken“ im Stunden-Takt bedient und eine Anschlussgarantie zum straßengebundenen ÖPNV haben. Die Erzgebirgsstrecke Chemnitz - Flöha – Olbernhau, späterhin bis Neuhausen, wird danach (ebenso wie die Strecken des Chemnitzer Modells) als “Regio S-Bahn“ betrieben.

Bild 15 Streckennetz der Erzgebirgsbahnen (DB Regio Netz) Bauzustand 2008 nach Abschluss der Sanierungsarbeiten

Quelle: DB RegioNetz Infrastruktur (ProfiCenter Erzgebirgsbahn)

4. 3. 2. 5 Schmalspurbahnen

Grundsätzlich muss das Schmalspursystem126 mit seinen sehr komplizierten und aufwendigen Verknüpfungen zu den Normalspurbahnen und der eingesetzten Fahrzeugtechnik als überholt angesehen werden. Die Aufgabe, die die Bahnen in der Vergangenheit erfüllten, hat das Kraftfahrzeug übernommen. Somit blieb im Wesentlichen nur die touristische Attraktivität, die von diesen „technischen Denkmälern“ ausgeht und durch die Dampflokomotive vertieft wird. Eine verkehrswirtschaftliche Bedeutung haben die verbliebenen fünf Strecken127 nicht mehr. Ihre

126 In Sachsen entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Schmalspurbahnen. Die Schmalspur-Technik ermöglichte eine sehr wirtschaftliche Bauweise für Strecken, auf denen kein besonders hohes Verkehrsaufkommen zu erwarten war. Sie diensten vor allem als Zubringerlinien zum Normalspurnetz.

127 Im Erzgebirge verbliebene Schmalspurbahnen: Freital-Hainsberg - Kurort Kipsdorf (derzeit wegen Hochwasserschäden nur zwischen Freital-Hainsberg und Dippoldiswalde betriebsbereit) und Cranzahl – Oberwiesenthal.

79 Berechtigung erwächst ihrem emotional-traditionell geprägten Charakter, ihrer Bedeutung für den Tourismus und ihrem Denkmalwert.

Schmalspurbahnen sind heute seitens der Aufgabenträger in Sachsen nur mit Dampfbetrieb vorstellbar; die Bemühungen staatlicherseits, die Wirtschaftlichkeit durch den Einsatz von Schmalspur-Dieseltriebwagen zu erhöhen, fanden vor Ort keine Zustimmung.

Die BVO-Bahn (BVO-Bahn GmbH, Annaberg) betreibt bereits die Schmalspurbahnen Cranzahl (an der Erzgebirgsstrecke Flöha – Bärenstein gelegen) - Oberwiesenthal und Radebeul – Moritzburg - Radeburg.

Die vormals von der DB unterhaltene bzw. DB-Regio betriebene Strecke von Freital nach Kurort Kipsdorf wurde im Jahr 2002 während der Überschwemmungskatastrophe im Weißeritztal stark beschädigt. Die Deutsche Bahn wollte die Strecke stilllegen; eine Voraussetzung für die Wiederherstellung die Gleisanlagen war die Übernahme von Strecke und Fahrbetrieb durch die BVO-Bahn. 10 Mio. € sind veranschlagt für die notwendigen Baumaßnahmen, zunächst zwischen Freital und Dippoldiswalde. Am 14. September 2004 erfolgte der erste symbolische Spatenstich zur Wiederherstellung der Strecke. Die Gleisanlagen sind derzeit .nur beschränkt befahrbar. Die vollständige Wiederherstellung ist vereinbart.

Interessant ist der Tatbestand, dass sich die Betreiber der fünf in Sachsen verbliebenen Schmalspurbahnen gegenwärtig um die Beschaffung neuer, wirtschaftlicherer Dampflokomotiven (beispielsweise Schweizer Entwicklungen) bemühen. Nach ersten Voranschlägen dürfte es mit neuen ölgeheizten Dampflokomotiven möglich sein, den Kostendeckungsgrad des Bahnbetriebes von heute ca. 30 % auf bis zu 50 % zu steigern.

Zwischenzeitlich haben bürgerschaftlich organisierte Vereine Teilabschnitte anderer stillgelegter Schmalspurbahnen im Erzgebirge (beispielsweise im Raum Rittersgrün) reaktiviert und betreiben diese als Museumsbahnen128.

4. 3. 2. 6 Vogtlandmodell (EgroNet)

Ein weiteres Modellvorhaben Sachsens zur Verbesserung des Bahnverkehrs zielt auf das Zusammenwachsen der getrennten Bahnnetze des Vogtlandes und der Region Karlsbad/Eger in Tschechien.

Auf der Basis einer umfassenden technisch-betriebswirtschaftlichen Analyse, einem darauf aufbauenden neuen Betriebsprogramms für den Bahn- und Busverkehr wurde der SPNV im Vogtland vom Freistaat Sachsen europaweit ausgeschrieben. Diese Ausschreibung erfolgte zwar vor dem Beitritt der CR in die EU, ging aber von einer Entwicklung dahin aus.

Nach einer differenzierten Auswertung der vorgelegten Angebote und Prüfung deren Wirtschaftlichkeit kam es zur Beauftragung der in Bayern beheimateten damaligen Regeltalbahn AG. Zur Vorbereitung der Verkehrsbedienung des Vogtlandes durch diese landeseigene bayerische Bahn sanierte die DB Netz 129 im Auftrag Sachsens die Streckeninfrastruktur.

128 Die Schmalspurbahnen stehen in Sachsen unter Denkmalschutz. . 129 Auf Grund einer Vereinbarung mit dem Freistaat.

80 Die Regentalbahn, später ihre Tochtergesellschaft Vogtlandbahn, errichtete zur Vorbereitung ihrer Betriebsführung in Neumark (Vogtland) einen eigenen Betriebshof zur Wartung und Unterhaltung der mit Landesförderung neu beschafften Fahrzeuge Regionsprinter I und II.

Das Modell enthielt als wesentliche Neuerung die direkte Einbindung des Bahnverkehrs in die Zwickauer Innenstadt. Der Zwickauer Hauptbahnhof liegt außerhalb der Kernstadt. Mittels einer Verbindungsbahn zu einen Neubauabschnitt des Zwickauer Verkehrsbetriebes im Süden der Stadt wurde eine technisch interessante Lösung gefunden, die es ermöglicht, Eisenbahn- und Straßenbahnfahrzeuge auf gleicher Trasse in die Innenstadt Zwickaus zu führen. Wegen der unterschiedlichen Spurweiten, Regelspur der Vogtlandbahn mit 1435 mm und Schmalspur der Zwickauer Straßenbahn mit 1000mm Gleisabstand wurde eine doppelspurige innerstädtische Gleistrasse angelegt, deren Gleisquerschnitt aus jeweils 3 Schienen bestehen.130

Am 28. Mai 1999 eröffnete der sächsische Ministerpräsident Prof. Dr. Kurt Biedenkopf diese wichtige und innovativ gestaltete, 1,093 km lange Strecke. Seit dem verkehren elektrisch betriebene Züge der Zwickauer Straßenbahn und dieselgetriebene Triebwagen der Vogtlandbahn auf diesem Streckenabschnitt. Die gemeinsame Nutzung der Trasse durch beide Verkehrsunternehmen hat sich im Dauerbetrieb bewährt.

Eine ebenso große Beachtung fand das Vogtland-Projekt durch seine Erweiterung in das benachbarte Tschechien und später auch nach Bayern. Es wurde als „Dezentrales Vorhaben“ zur Weltausstellung Hannover im Jahr 2000 anerkannt und fand dadurch große internationale Beachtung. Unter der Bezeichnung „EgroNet“ [49] präsentierten Tschechien, Sachsen, Bayern, die DB, die Vogtlandbahn und die tschechische Viamont131 den grenzüberschreitenden „Öffentlichen Schienenpersonenverkehr zwischen Sachsen, Bayern und Böhmen“ mit großem Erfolg.

Merkmale des Projektes, die inzwischen zu dem Alltag des „Vogtland-Dreieck“ eingegangen sind, waren:

 Grenzüberschreitendes Mobilitätsangebot mit „europäischer Dimension“,  Durchgängiger, grenzüberschreitender Fahrplan; gemeinsames grenzüberschreitendes Tarifsystem für Bahn und Bus,  Optimierung des grenzüberschreitenden Bahnangebotes zwischen Bayern, Böhmen und Sachsen durch eine enge Zusammenarbeit der 4 beteiligten Bahnunternehmen,  Wiederherstellung grenzüberschreitender Bahnstrecken und damit eines durchgehenden Zugverkehrs von Zwickau über Johann Georgenstadt sowie von Plauen über Klingenthal nach Falkenau und Karlsbad,  Reduzierung der Reisezeiten durch moderne Sicherheitstechnik, Sanierung des Netzes und Einsatz moderner, kostengünstiger Nahverkehrstriebwagen,  Optimierte Betriebsführung durch ein rechnergesteuertes Betriebssystem,  Grenzüberschreitender Takt-Fahrplan, Fahrplanabstimmung zwischen den Eisenbahnverkehrs-Unternehmen und den regionalen Busgesellschaften,  bauliche Neugestaltung der Umsteigepunkte.

130 Weitere Einzelheiten zu dem nach EBO und BO Strab betriebenen Zwickauer Schienenverkehrssystem werden im Kapitel Zwickauer Verkehrsbetriebe behandelt.

131 In Tschechien war der Nahverkehr auf der Strecke Falkenau – Grasslitz ebenfalls ausgeschrieben worden; den Zuschlag erhielt die private Industriebahn Viamont .. 81 Der Betrieb des Vogtlandmodells, erweitert durch EgroNet, ist zwischenzeitlich zum Standard im bayerischen, böhmischen und sächsischen Grenzraum geworden und zeigt bei stabiler Nachfrage, wie wirtschaftlich und zukunftsträchtig SPNV gestaltbar sein kann.

Die Investitionskosten für den Streckenausbau und die Beschaffung neuer Fahrzeugen betrugen für Sachsen 110 Mio. €. Der Erfolg dieser Investitionen ist an der Entwicklung der Reisendenzahlen zwischen 1994 und 2003, mit weiterhin steigender Tendenz im Gesamtsystem EgroNet ablesbar.

Tabelle 6 Entwicklung des Verkehrsaufkommens der Vogtlandbahn

Zeitraum Reisende / Tag Reisende / Jahr 1994 4.068 1.485.000 1999 6.063 2.212.995 2000 7.738 2.824.370 2001 9.358 3.415.670 2002 8.563 3.125.495 2003 8.462 3.088.630 Prognose 2010 >9.500 >3.500.000

Bild 16 Nahverkehrstriebwagen der Vogtlandbahn in Marienbad

82 Bild 17 Netzplan EGRONET (Euroregionales Nahverkehrssystem) zwischen Sachsen, Bayern und Böhmen [49]

Quelle: Tschechischen Ministeriums für Verkehrs- und Fernmeldewesen, Prag

4. 3. 2. 7 Deutsch-tschechische „Rollende Landstrasse“ zwischen Dresden und Lobositz

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und den politischen Veränderungen in der Tschechischen Republik war der Warenverkehr zwischen beiden Ländern sprunghaft angestiegen; die Zahl der im grenzüberschreitenden Verkehr gezählten Lkw wuchs allein an den drei sächsischen Grenzübergangsstellen Neugersdorf, Zinnwald und Schönberg zwischen 1991 und 1994 auf 2150 Schwerlastfahrzeuge pro Tag und steigerte sich damit auf 285 % (1990 = 100%). Unkalkulierbar lange Wartezeiten bis zu 20 Stunden an den Grenzübergängen für den einzelnen Lkw folgten daraus.

83 Die Fernstraßen der ehemaligen DDR waren in ihrem Ausbauzustand 1990 dem enormen Verkehrszuwachs nicht gewachsen. Beispielhaft bestanden diese Mängel132 im Verlauf der Bundesstrasse 170133 zwischen Dresden und Zinnwald, vor allem im Zuge der Ortsdurchfahrten. Diese Bundesstraße hatte die Hauptlast des schweren grenzüberschreitenden Lkw-Verkehrs zu tragen hatte.

Vor diesem Hintergrund gab es ganz erhebliche Beschwerden entlang der B 170 von der betroffenen Bevölkerung über mangelnde Verkehrssicherheit und Verkehrslärm. Allein in Dresden waren 62 000 Anlieger entlang der Straßen von dem Schwerlastverkehr in Richtung Tschechien betroffen.

Die seit den 1930ger Jahren geplante Autobahn Dresden – Prag wurde dringend erforderlich, war aber seit Kriegsende nicht weiterverfolgt worden. Der Bund hatte die damals als A 13 bezeichnete Autobahnstrecke von Dresden bis zur tschechischen Grenze als „Neues Vorhaben“ in den Bundesverkehrswegeplan 1992 aufgenommen.

Um mindestens zeitweise, bis zur Fertigstellung der notwendigen Autobahnverbindung Dresden - Prag, Entlastungen zu schaffen, bot sich die Einrichtung einer „Rollenden Landstraße“ (ROLA) zwischen den Städten Dresden und Lobositz134 über die elektrifizierte Bahnstrecke durch das Elbtal an. Mindesten ein Teil des Schwerlastverkehrs könnte so verlagert werden und damit eine Alternative zur Fahrt über den mehr als 1.000 m hoch liegenden Erzgebirgskamm erhalten. Nach ersten Gesprächen zwischen dem Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit und dem Verkehrsministerium der Tschechischen Republik im Jahr 1993 wurde eine Regierungskommission gebildet, die gemeinsam mit der Deutschen Bahn, der Tschechischen Staatsbahn und der Kombiverkehr GmbH alle Vorbereitungen für die Einrichtung dieser ROLA treffen sollten.

Die Argumente, die für die Einrichtung dieses besonderen Transportweges sprachen, kamen neben dem Umwelt- und Lärmschutz vor allem aus dem Bereich der verladenden Wirtschaft selbst: Die Erschwernisse der Fahrten über das Gebirge (vor allem während der Wintermonate durch Schnee, Eis und starkem Nebel), die langen Wartezeiten an der Grenze könnten ausgeschlossen werden. Weiterhin könnte auf die sonst für den grenzüberschreitenden Güterfernverkehr erforderlichen straßenverkehrsrechtlichen „Erlaubnisse“ verzichtet werden. Sie wären bei Benutzung der ROLA innerhalb Deutschlands nicht erforderlich. Weiterhin könnte die Grenzabfertigung am Verladebahnhof und während der Zugfahrt erfolgen.

Innerhalb der Vorbereitungen stellte sich die Frage, ob einzelne Züge der ROLA bis Pressburg oder Wien geleitet werden sollten, da längere Laufwege zu einem wirtschaftlicheren Betrieb führen würden. Eine Analyse der Transport-Relationen von Dresden aus zeigte aber, dass hierfür nur geringer Bedarf bestand, so dass diese Zielsetzung entfiel. Der Bundesverkehrsminister und die Verkehrsministerkonferenz der Länder stimmten der Einführung der ROLA im Februar 1994 unter der Voraussetzung zu, dass Sachsen keine generelle Sperrung der B 170 für den Lkw – Verkehr vornimmt.

132 Starke Gefäll- und Steigungsstrecken, Straßenbreite 5m, begrenzte Belastbarkeit der Brücken, eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Knotenpunkte und fehlende Bürgersteige.

133 Zweistreifige Fernstraße zwischen Dresden, dem Grenzübergang Zinnwald und Lobositz (CR).

134 Nördlich des Erzgebirges bzw. südlich des Böhmischen Mittelgebirges gelegen.

84 Der erste Zug der ROLA startete am 25.09.1994 in Dresden für die 1994 erfolgte Realisierung der ROLA. Voraussetzungen waren  Investitionen in Höhe von 2,15 Mio. € für Baumaßnahmen an den Verladebahnhöfen Die Bereitstellung der bahneigenen Niederflurwagen der BR 690 durch die Kombiverkehr GmbH (Frankfurt/M),  die Betriebsführung durch Kombiverkehr und BohemiaKombi [50]

Da bei den Verladepreisen auf unterschiedliche Kostenniveaus in Deutschland und Tschechien Rücksicht genommen werden musste, stellte sich im Laufe der Verhandlungen die Notwendigkeit einer Subventionierung des ROLA Verkehrs in beiden Staaten heraus. Die dafür erforderliche Genehmigung der EU erteilten die Brüsseler Behörden nach einer eingehenden Prüfung.

Die Traktion der ROLA-Züge (sie bestanden aus jeweils 23 Spezialwaggons, wie sie von Kombiverkehr auch auf der Brenner-Strecke eingesetzt werden) übernahmen wechselseitig die Deutsche Bahn und die Tschechische Staatsbahn, jeweils mit Zweistromlokomotiven.135 Der Fahrplan der ROLA-Züge sah bei einer Fahrzeit von 3 Stunden werktags max. 12 und an Samstagen und Sonntagen 3 bis 5 Zugfahrten vor. Damit wurde eine Verladekapazität von 500 Lkw/Tag angeboten. An Samstagen und Sonntagen galt für die Zu- und Abfahrten zu bzw. von den Verladebahnhöfen in Deutschland eine Befreiung vom Sonntags-Fahrverbot.

Mit der Inbetriebnahme dieser Rollenden Landstraße durch das Elbtal halbierte sich der Lkw Verkehr auf der B 170 im Jahresdurchschnitt; bei ungünstigen Wetterverhältnissen im Erzgebirge drängte nahezu der gesamte Lkw Verkehr auf die „Schiene“; dabei kam es in seltenen Fällen zu Wartezeiten an den Verladebahnhöfen. Im Gegensatz zu den sehr zeitaufwendigen Grenzabfertigungen in Zinnwald beiderseits der Grenze gab es im Regelfall auf den Verladebahnhöfen in Deutschland und Tschechien keine Wartezeiten. Die Zugfahrt durch das Elbtal wurde den Lkw-Fahrern als Ruhezeit anerkannt.

Der Verladepreis entsprach größenordnungsmäßig den Kosten, die dem Transportunternehmen für eine Lkw Fahrt zwischen Dresden und Lobositz über das Erzgebirge entstanden wäre. Der Aufwand für den Transport der Fahrzeuge über die ROLA lag allerdings sowohl auf deutscher wie tschechische Seite höher. Während des Vorbereitungsprozesses spielte die Frage, in welcher Höhe staatliche Zuschüsse für das Projekt eingesetzt werden sollten, eine wesentliche Rolle. Abzuwägen war zwischen den Verbesserungen des Umweltschutzes, den Bedingungen für das Transportgewerbe und der Höhe einer finanziellen Stützung des Projektes im Rahmen einer andeutungsweise staatlichen Verpflichtung zur „Daseinsvorsorge“.

Letztendlich wurde in Dresden und Prag der Einsatz politisch entschieden, dass bis zur Fertigstellung der Autobahn Dresden – Prag staatlicher Mittel zu einem wirtschaftlichen Betrieb und Erfolg der ROLA führen sollte.

Die Höhe der aus dem Sächsischen Staatshaushalt gezahlten Subventionen für den ROLA- Betrieb lag während des 10jährigen Bestehens im Durchschnitt bei 5 Mio. € ./Jahr.

Der Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union änderte die Verhältnisse an den deutschen Ostgrenzen grundlegend. Die Zollgrenzen wurden faktisch aufgehoben, sodass für den Lkw-Verkehr an den bisherigen EU-Außengrenzen die Wartezeiten für die Abfertigung

135 Traktionssysteme: DB 15 kV, 16 2/3 Hz. Wechselstrom; CD 3 kV Gleichstrom. 85 entfielen. Damit waren der wesentliche Zeitvorteil und die terminmäßige Kalkulierbarkeit des Transports auf der B 170 im Verhältnis zur ROLA neutralisiert. Zudem war die Bundesstraße punktuell ausgebaut worden und südlich von Dresden an die in Bau befindliche Autobahn A 17 angeschlossen worden. Damit war die Belastung der Dresdner Wohnbevölkerung durch den Transitverkehr beseitigt.

Vor diesem Hintergrund sank die Zahl der monatlich beförderten Fahrzeuge zwischen März und Mai 2004 auf 500 Lkw und erreichte damit einen nicht mehr vertretbaren Zuschussbedarf. Im Einvernehmen zwischen allen Beteiligten wurde daher der Betrieb der „Rollenden Landstraße“ am 19. Juni 2004 eingestellt.

Bild 18 Rollende Landstraße Dresden-Lobositz Verladeleistungen 1992 bis 2004 [51]

120.000

100.000

80.000

60.000

40.000

20.000 LKW incl.Sattelschlepper/Jahrr LKW

0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Anzahl der verladenen Fahrzeuge/Jahr

Die Züge der ROLA waren während des 10jährigen Bestehens im Durchschnitt zu 68,5 % ausgelastet gewesen, insgesamt 833.531 Lkw wurden befördert. Die Auslastung eines einzelnen Zuges lag zwischen 60 und 75 %. Im Jahr 2002 kam es infolge des Elbhochwassers zur kurzzeitigen Betriebsunterbrechung.

Zurückgerechnet aus den tatsächlich geflossenen Zuschussmitteln ergab sich während des 10jährigen Betriebes bei exakt 52 875 ROLA-Zugfahrten ein durchschnittlicher Zuschuss von 1.000 € pro Zug oder 65 € pro verladenem Lkw für die innerhalb Deutschlands verlaufende Strecke. Die Zuschüsse des tschechischen Staates an die CD in Höhe von ca. 500 € pro Zug sind darin nicht enthalten.

Nach Einstellung des Betriebes stellt sich die Frage, inwieweit der Einsatz staatlicher Mittel in der genannten Höhe gerechtfertigt war und welchen volkswirtschaftlichen Nutzen diese Mitteln schufen. Zweifelsohne hat der Betrieb der ROLA ganz erheblich zur Beschleunigung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs zwischen Deutschland und Tschechien beigetragen. Im Durchschnitt hatte sich die Zahl der Zinnwald berührenden Schwerlastfahrzeuge halbiert, daraus ergab sich eine wesentliche Verminderung der Lärm- und Schadstoffbelastung entlang der B 170.

86 Bild 19 Auslastung der angebotenen Transportkapazität auf allen Zügen der Rollenden Landstraße während der einzelnen Jahre [51]

90

80

70

60

50

40

30 Auslastung in % 20

10

0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Auslastung der angebotenen Transportkapazität auf allen ROLA-Zügen (Jahreswerte)

Eine quantitative volks- und betriebswirtschaftliche Beurteilung der Frage des Nutzens der 50 Mio. € staatlicher Zuschüsse ist nur sehr schwer möglich, da eine zahlenmäßige Bewertung  des der Allgemeinheit dienenden Nutzens der ROLA für die Belange des Umweltschutzes und der Verkehrssicherheit,  des Nutzens für die verladende Wirtschaft und damit der  Sinnfälligkeit der staatlichen Daseinsvorsorge weder in der Vorausschau noch in der Rückschau widerspruchsfrei darstellbar sind.

Der Erfolg der Rollenden Landstraße zwischen Sachsen und Böhmen liegt auch darin, dass ein gemeinsames grenzüberschreitendes Handeln von Prag und Dresden schwerwiegende Verkehrs-Probleme milderte, die Bevölkerung und die Wirtschaft damit von dem politischen Handlungswillen zuständiger staatlicher Institutionen überzeugte.

Die mögliche ordnungspolitische Alternative zur Notwendigkeit der Subventionierung des ROLA-Transportes, eine generelle Sperrung der B 170 für den grenzüberschreitenden LKW- Verkehr136, war 1993 insbesondere durch Interventionen des Bundesverkehrsministeriums nicht durchsetzbar137. Gleichgeizig weigerte sich das BMV, das Projekt zu fördern, obwohl es um Probleme im Zuge einer unzureichend ausgebauten Bundesstraße ging.[51] Insoweit ist diese Rollende Landstraße mit vergleichbaren Modellen im kombinierten Verkehr bei kostendeckenden Tarifen, z.B. im Alpentransit durch die Schweiz nach Italien nicht vergleichbar.

136 Damit zwangsweise Verladung bei kostendeckenden Tarifen.

137 Sachsen legte ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch (Universität Tübingen) vor, nach dem eine generelle Sperrung der Bundesfernstraße 170 mit dem geltenden Straßenverkehrsrecht vereinbar sei.

87 4. 3. 2. 8 Hochwasserschäden im Eisenbahnbereich 2002

Die Auswirkungen des „Jahrhundert-Hochwassers“ der Elbe und der aus dem Erzgebirge kommenden Zuflüsse waren 2002 so groß, dass sie für die einzelnen Verkehrswege kurz dargestellt werden sollen.

Im Sommer 2002 kam es infolge einer extremen Wetterlage in weiten Teilen Sachsens zu Überschwemmungen in einer vorher kaum bekannten Dimension. „Sintflutartige“, lang anhaltende Regenmengen in den Kammlagen des Erzgebirges beiderseits der Grenze führten zum extrem schnellen Ansteigen der Fluss- und Wasserläufe. In zwei sich steigernden Phasen wurde das Elbtal und Dresden mit einer Hochflut überschwemmt: Phase 1: Abfluss der Wassermassen durch die nördlichen Erzgebirgstäler zur Elbe, (zeitversetzt ca. 24 Stunden später) Phase 2: Abfluss durch die Täler Tschechiens zur Eger, die die Wassermengen zur Elbe führte und in Sachsen die bereits aufgestauten Wassermengen zum Jahrhundert-Hochwasser eskalieren ließ.

Der bisher kaum bekannte Umfang der Überschwemmungen vom August 2002 hat im Freistaat Sachsen und in Tschechien erhebliche Schäden verursacht. Wohngebiete wurden überflutet, Brücken, Straßen und Bahnstrecken zerstört. Im Eisenbahn- und Straßenbereich waren Investitionsmittel in Höhe von 1,6 Mrd. € erforderlich, um die Schäden an den Verkehrsanlagen bis 2005 zu beheben. Vielfach waren Anlagen zerstört worden, die nur wenige Jahre vorher grundsaniert oder neu angelegt worden waren.

Allein im Eisenbahnbereich betrugen die Schäden an der Infrastruktur 1 025 Mio. €. 23 Strecken konnten nach der Flut nicht durchgehend befahrbaren werden; 100 Bahnhöfe und Haltepunkte waren beschädigt. Die größten Zerstörungen zeigten die Bahnhöfe Dresden Hbf, Bad Schandau, Pirna und Eilenburg.

Im Jahre 2005 waren alle Schäden bis auf wenige Restarbeiten behoben [52]. Die Finanzierung war weitestgehend vom Bund und Freistaat Sachsen übernommen worden.

4. 4 Straßenbauprojekte in Sachsen

4. 4. 1 Ausgangssituation nach der Wiedervereinigung

Die unterschiedlichen Bedingungen, unter denen sich der individuelle Kfz-Verkehr138 in beiden Teilen Deutschlands bis 1990 entwickeln konnte, waren symptomatisch für die verkehrspolitische Zielstellungen beider Wirtschafts-Systeme. Hier ein liberales, zum individuellen Handeln aufforderndes Wirtschaftssystem, dort Planwirtschaft, die vom Einzelnen eine Unterordnung unter ein staatlich vorgegebenes Planungssystem verlangte. Dazu waren Infrastrukturplanung und Fahrzeug-Industrie in der DDR allein den Zielen der ostdeutschen Volkswirtschaftspläne unterworfen. Die staatliche Planung präferierte (aus Gründen einer systemeigenen Mangelwirtschaft) die Massenverkehrsmittel, so dass Straßen- und Automobilbau volkswirtschaftlich keine besondere Rolle spielten. Ergänzt wurden die Restriktionen für den Kfz-Verkehr durch die Knappheit an

138 Sowohl Personen- wie Güterverkehr.

88 Treibstoffen wie Benzin und Dieselöl. Der Erhaltungs- und Ausbaustand der Straßenverkehrsanlagen war noch schlechter als derjenige der Schienenverkehrsanlagen.

Die Einführung der D-Mark brachte im Juli 1991 eine erste wesentliche Änderung in Ostdeutschland. In wenigen Jahren stieg die Motorisierung der Bevölkerung deutlich an, um im Jahr 2006 das Niveau Westdeutschlands zu erreichen.

In Erwartung einer solchen Entwicklung prognostizierte die Deutsche Shell AG [53] für das Jahr 2010 eine Sättigung der Motorisierung in Gesamtdeutschland in einer Größenordnung von 616 bis 700 Pkw pro 1.000 Einwohner.

Der im Aufbau begriffenen Sächsischen Straßenbauverwaltung erwuchsen somit im Planungs- Bau- und Unterhaltungsbereich ganz erhebliche neue Aufgaben. Diese waren nur mit der Berufung neuen Fachpersonals und der Unterstützung durch die bayrische Straßenbauverwaltung139 lösbar. Dazu erforderte die verfassungsmäßig föderativ geprägte Organisationsform des Straßenbaus innerhalb Deutschlands auch in Sachsen eine neue Struktur.

Diese neue Struktur umfasste dem Grundsatz nach vier Aufgabenbereiche zu gliedern:

 Wahrnehmung der Auftragsverwaltung für den Bund, damit für die Bundesautobahnen und Bundesstraßen,  eigenverantwortliche Prägung eines, das Netz der Bundesfernstraßen ergänzendes Staatsstraßennetzes,  Vorbereitung sächsischen Straßenrechts,  Förderung des kommunalen Straßenbaus.

Unter der politischen Verantwortung des zuständigen Fachministeriums entstand in Sachsen eine Straßenbauverwaltung, die seit 1992 aus einem Autobahnamt und acht regional tätigen Straßenbauämtern besteht. Parallel zu den Straßenbauverwaltungen der neuen Bundesländer schuf der Bund (wie bereits ausgeführt) im Einvernehmen mit diesen die Deutsche Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES). Die DEGES wurde zunächst nur mit der Ausführung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (Straße) betraut. Während alle hoheitsrechtlichen Aufgaben, insbesondere die Planfeststellungs-Verfahren, bei den Ländern verblieben, übernahm die DEGES alle Aufgaben von der Planung bis zur Bauausführung.

4. 4. 2 Sachsen berührende Verkehrsprojekte Deutsche Einheit

Der Ausbau der Autobahn A 4 zwischen Görlitz140 und Bad Hersfeld ist eines der sieben Fernstraßenprojekte des Bundes (VDE 15), die in das Programm der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit aufgenommen wurden.

Diese Autobahn gehört zu den Autobahnstrecken in Deutschland, die bis 1944 in einem den damaligen technischen Bestimmungen folgenden Standard141 ausgeführt wurden und nur zum

139 Im Vollzug der Partnerschaftsvereinbarung 1990 zwischen den Freistaaten Bayern und Sachsen.

140 Östliche Teilstrecke der A 4. Die Gesamtstrecke der Autobahn ist vom Bund als Ost-West Verbindung zwischen Görlitz und Aachen konzipiert. Der Abschnitt der A 4 zwischen Bad Hersfeld und Olpe fehlt.

89 Teil eine Fertigstellung erlangten. Die Abschnitte Görlitz – Bautzen und Eisenach – Gerstungen fehlten, einige Streckenabschnitte waren nur einbahnig mit zwei Fahrstreifen befahrbar. Die Straßenbauverwaltung der DDR hatte diese Autobahn-Teilstücke nur notdürftig unterhalten, sodass die A 4 innerhalb Sachsens und Thüringens im Jahr 1990 erhebliche Schäden aufwies. Lediglich die Strecke zwischen den Grenzabfertigungen bei Eisenach und Herleshausen (einschl. der Werra-Brücke) waren in den 1980er Jahren mit Bundesmitteln von der DDR ausgebaut worden.

Das VDE 15 umfasst den Neu- und Ausbau des vorhandenen 4streifigen Abschnitts Dresden – Eisenach auf 6 Fahrstreifen einschließlich grundhafter Erneuerung, den Anbau von Standstreifen, die Ergänzung der zweiten Fahrbahn zwischen Weißenberg und Dresden sowie den Neubau Görlitz Bundesgrenze (D/PL) bis Weißenberg. Weiterhin gehört der Neubau der A 44 zwischen Herleshausen und Kassel zum VDE 15.

Der gesamte Straßenzug der A 4 innerhalb Sachsens konnte bis auf wenige Ausnahmen142 bis 2006 fertig gestellt werden. Die im Jahr 1992 veranschlagten Gesamtkosten für das Projekt einschließlich der A 44 in Höhe von 3,5 Mrd. €. stiegen infolge von Planungs-Änderungen und Baukostensteigerungen auf 4,6 Mrd. €. Bis 2008 wurden für 329 km ca. 2,8 Mrd. € investiert. Nach 2008 sollen 1,8 Mrd. €. für weitere 63 km Aus- und Neubau ausgegeben werden [29].

Bemerkenswert ist die bisher relativ kurze Planungs- und Bauzeit von knapp 15 Jahren, in der wesentliche Teile der neuen Autobahn zwischen Görlitz und Hessen/Thüringen entstanden.

4. 4. 3 Weitere Autobahn-Projekte in Sachsen

Das Netz der Bundesautobahnen in Sachsen umfasste im Jahr 1991 neben den Teilstücken der A 4, dem Abschnitt Landesgrenze Brandenburg/Sachsen – Dresden der A 13 auch die Autobahn Dresden – Leipzig (A 14) und Teilstücke der A 72 zwischen Chemnitz und Plauen (Vogtland). Die A 72 zählt ebenso wir die A 4 zu den bis 1944 nicht fertig gestellten Fernstraßen. Sie war zudem durch die Zonengrenze nordöstlich von Hof unterbrochen.

Bis zum Jahr 2006 konnte die sächsische Straßenbauverwaltung mit Unterstützung durch Bayern die A 72 von der Landesgrenze bei Hof und Chemnitz grundhaft erneuern, weitgehend sechsstreifig ausbauen und für den Verkehr freigeben. Der Abschnitt zwischen Chemnitz und Leipzig hat sich wegen fehlenden Bundesmittel immer wieder verzögert. Die Kosten sind mit 437 Mio. €. veranschlagt. Ein Fertigstellungstermin kann auch im Jahr 2008 noch nicht verbindlich angegeben werden. Erwartet werden nach einer Verkehrsprognose der Straßenbauverwaltung 87 000 Kfz/24 h.

Verkehrspolitisch von großer Bedeutung war der Neubau der A 17 zwischen Dresden und Prag, d.h. von der A 4 bis zur Bundesgrenze D/CZ durch das Erzgebirge. Die Verkehrsverhältnisse auf den Straßen zwischen Sachsen und Böhmen waren infolge der starken Zunahme des Lkw- und Pkw-Verkehrs 1990 bis 1994 unzumutbar geworden. Sachsen hatte daher in Verbindung mit Tschechien zur Entlastung der B 170 und B 172 als Ausweichstrecke für den Schwerlastverkehr die „Rollende Landstraße“ zwischen Dresden und Lobositz eingerichtet.

141 Fehlende Rand- und Standstreifen; sehr enge Kurven-Radien und sehr starke Neigungen (bis zu 8%), überfahrbare Mittelstreifen.

142 Derzeit (2008) laufen Restbaumaßnahmen auf 17,7 km Länge im Abschnitt Limbach/Oberfrohna – Glauchau.

90 Trotz zahlreicher Einwendungen aus dem Bereich des Umweltschutzes konnte die A 17 mit erheblichen Auflagen auf ihre gesamte Länge bis 2006 fertig gestellt werden. Von Sachsen aus war damit die erste durchgehende Autobahn zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik für den Verkehr freigegeben worden, einer Verkehrsverbindung, deren Notwendigkeit bereits in den Jahren um 1936 (Reichsautobahn-Planungen) nachgewiesen worden war.

Die Strecke hat innerhalb Sachsens eine Länge von 44,6 km; die Baukosten betrugen 643,6 Mio. € . Während des Planungsprozesses war man von einer Prognose-Belastung von 82 000 Kfz/24 h ausgegangen.

Ein weiterer Autobahn-Neubau war die Südumgebung Leipzigs in Verlängerung der A 38143 zwischen Halle und der A 14. Die Strecke umfasst 36,8 km. Die Baukosten lagen wegen zwei Tagebauquerungen überdurchschnittlich hoch und beliefen sich auf 337 Mio. €. Erwartet wird auf der 2005 fertig gestellten Strecke ein DTV von 54 000 Kfz/24 h.

Die Verkehrsbelastung aller Autobahnstrecken in Sachsen hat infolge der wirtschaftlichen Entwicklung im mitteleuropäischen Raum seit 1995 und 50 % zugenommen. So stieg der DTV auf den sächsischen Autobahnen zwischen 1995 und 2006 von 30 000 Kfz/24 h auf 45 000 Kfz/24 h, während die Verkehrsbelastung auf allen Bundes- und Staatsstraßen in Sachsen (Verkehr außerorts) im gleichen Zeitraum bei einem DTV-Wert von 11 000 Kfz/24 h stagnierte.[54}

4. 4. 4 Neuordnung des Netzes der Bundes- und Staatsstraßen in Sachsen

Die Bezeichnung der ehemaligen Reichsstraßen war, ebenso wie in Westdeutschland, in der DDR (dort als F –Fernstraßen- benannt) dem Grunde nach übernommen und fortgeführt worden. Damit ergab sich nach der Wiedervereinigung ein einheitliches, zusammenhängendes Netz der Bundesstraßen, dessen Verwaltung und Entwicklung (im Rahmen der Auftragsverwaltung für den Bund) von der Straßenbauverwaltung Sachsens nach den Bestimmungen des Bundesfernstraßengesetzes übernommen wurde.

Ergänzt wurde das Netz der Bundesstraßen durch die neu geprägten Staatsstraßen (Begriff aus Bayern übernommen), die in anderen Bundesländern vielfach als Landstraßen (Landesstraßen) bezeichnet werden.

Parallel dazu erfolgte die Zuordnung des übrigen Außerorts-Straßennetzes an kommunale Baulastträger.

Im Ergebnis dieser neu definierten Baulastträgerschaft ergab sich ein Straßennetz mit 13.540 km Außerorts-Straßen.

143 Die A 38 ist ebenfalls ein Verkehrsprojekt Deutsche Einheit, allerdings nur im Abschnitt Göttingen – Halle. . 91 Bild 20 Netzlängen nach Straßenklassen [54]

Kreisstraßen

Staatsstraßen

Bundesstraßen

Autobahnen

0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 Streckenlängen in km

4. 4. 5 Investitionen im Straßenbau

Innerhalb der knapp 20 Jahre seit dem Wiedererstehen einer sächsischen Straßenbauverwaltung konnte diese im Rahmen der Auftragsverwaltung für den Bund und in eigener Zuständigkeit erhebliche Investitionen vornehmen.

Neben den Arbeiten der DEGES am VDE 15, an dem auch die Sächsische Straßenbauverwaltung mitwirkte, war ein erster Schwerpunkt der Aus- und Neubau der unter 4. 4. 3 genannten Autobahnprojekte. Die Federführung dazu hatte das neu gegründete Autobahnamt Sachsen.

Die Baumaßnahmen an Bundesstraßen und Staatsstraßen umfassten in den ersten Jahren nach 1991 Streckenbegradigungen und -sanierungen sowie Brückenerneuerungen. Sachsen hat traditionell ein dichtes Straßennetz, dessen baulicher Zustand dem technischen Standard und der erforderlichen Leistungsfähigkeit (insbesondere der Knotenpunkte) angepasst werden musste. Weitere Schwerpunktaufgaben waren die Planung und Bauausführung von Ortsumgehungen im Zuge von Bundes- und Staatsstraßen.

Bereits im Bundesverkehrswegeplan 1992 hatte der Bund einen Investitionsbedarf für die Bundesfernstraßen (Vordringlicher Bedarf) in Sachsen von knapp 4 Mrd. €. veranschlagt, der sich aus 1,7 Mrd. € „laufende Maßnahmen (Überhang und VDE)“ und 2,1 Mrd. € „Neue Vorhaben“ zusammensetzte.

Der Bundesverkehrsplan 2003 weist nach Abzug der bis 2002 vollzogenen Bauleistung für Sachsen noch einen Bedarf von 2.9 Mrd. € aus, der sich auf laufende und fest disponierte Vorhaben in Höhe von 1,9 Mrd. €. Sowie auf neue Vorhaben in Höhe von 1 Mrd. €. aufteilt.

92 Investiert werden konnte im Zeitraum von 1991 bis 2006 ein Gesamtbetrag von 12,6 Mrd. €. , dessen Aufteilung sich in dem folgenden Bild 21 zeigt.

Bild 21 Investitionen nach Straßenklassen 1991 bis 2006 [54]

7.000 5.911 6.000 4.638 5.000

4.000

3.000

Milliarden € 2.072 2.000

1.000

0 Bundesfernstraßen Staatsstraßen Kreis- und Kommunalstraßen Investitionen in den Straßenbau

Die Baumaßnahmen an Kreis- und Kommunalstraßen führten die zuständigen Kreise und kreisfreien Städte selbst aus. Finanziert wurden diese Maßnahmen weitgehend aus EU-, Bundes- und Landeszuschüssen144.

Die Erneuerung und Ergänzung des Straßennetzes kam zwischen 1991 und 2006 gut voran, so dass das sächsische Straßennetz denen der alten Bundesländer im Jahr 2006 im Wesentlich gleich steht. Kurze Planungszeiträume und schnelle Bauausführung waren die Schlüssel, die zu diesem Ergebnis führten.

Auf eine Ausnahme muss in diesem Zusammenhang hingewiesen werden. Bereits 1991 nahm die Stadt Dresden die seit den 1920er Jahren bestehende Planung für die Waldschlösschen- Brücke, einen Elbübergang in Dresden-Johannstadt wieder auf. Sie führte das Planfeststellungsverfahren durch und erhielt vom Freistaat Sachsen den Bewilligungsbescheid für die notwendigen Bundes- und Landeszuschüsse. Der Bau konnte Mitte der 1990er Jahre begonnen werden. Klagen, Baustopp, neue Planfeststellung, weiterer Widerstand eines kleinen Teils der Dresdner Bevölkerung führten immer wieder zu Verzögerungen. Nach einem Volksentscheid in Dresden, bei dem sich ein großer Teil der Dresdner für den Brückenbau entschieden, konnte der Bau fortgesetzt werden. Dennoch gibt es auch 2008 noch Bemühungen, den Weiterbau der Brücke zu behindern145. Die Stadt rechnet nun, nach einem Planungs- und Bauprozess, soweit keine weiteren Behinderungen eintreten, mit einer Fertigung im Jahr 2012.

Einen besonderen Höhepunkt im Straßenbau bilden die Jahre 2002 bis 2004, in denen die Hochwasserschäden des Elbhochwassers 2002 beseitigt wurden. Notwendig dafür waren

144 EU-Mittel (Strukturhilfe-Maßnahmen, GVFG-Mittel, Straßenbau-Mittel aus dem Sächs. Staatshaushalt, Landesmittel zur Gewerbeansiedlung (GA).

145 Die Gegner des Projektes schalteten die UNESCO ein, um Unterstützung für ihr Vorhaben, den Brückenbau zu verhindern, zu gewinnen.

93 390 Mio. €, die vor allem zur Beseitigung von Schäden an Kreis- und Kommunalstraßen, an Staatsstraßen und an Bundesstraßen benötigt wurden. Festzustellen ist, dass in Anbetracht der erheblichen Zerstörungen die Beseitigung aller Schäden innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden konnte.

Der Straßenbau ist in Sachsen, ebenso wie in anderen Ländern Ostdeutschlands [55] seit dem 19. Jahrhundert mit dem Begriff „Allee-Straßen“ eng verbunden. Traditionell gehörte daher die Baumpflanzung zu allen Neubauten. Am beliebtesten setzte man Obstbäume146, auch Buchen, Ahornbäumen und Linden. Dieser Grundsatz wurde stets beibehalten, so dass bei einer Bestandsaufnahme im Jahr 1991 ca. 65 km Bundesstraßen, 120 km Staatsstraßen und 77 km Landstraßen als Alleen-Straßen bezeichnet werden konnten. Neben diesem Bestand sollen im Rahmen eines besonderen Baumpflanzungsprogramms weitere 1 700 km klassifizierte Straßen als Alleen ausgestattet werden. Das Fach-Programm dafür wurde in enger Zusammenarbeit mit der „Schutzgemeinschaft deutscher Wald“ und der „Deutschen Gesellschaft für Allee-Straßen“ erarbeitet.

4. 4. 6 Grenzüberschreitende Straßenverbindungen nach Polen und in die Tschechische Republik

Infolge des geringen grenzüberschreitenden Kfz-Verkehrs waren bis zum Jahr 1990 nur zehn, von Sachsen ausgehende Grenzübergänge notwendig; zwei davon in Richtung Polen, acht in die damalige CSSR147.

Nach Öffnung der Grenzen im Jahr 1990 stieg der Kfz-Verkehr in die Nachbarländer stark an, so dass dringend weitere Straßenverbindungen in Richtung Schlesien und Böhmen notwendig waren Zunächst konnte die Öffnung weiterer Übergangsstellen relativ einfach und schnell erfolgen, da bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ein zusammenhängendes Straßennetz zwischen Sachsen, Schlesien und dem Sudetengau bestanden hatte. Im Jahr 1945 unterbrach man die meisten Straßenverbindungen nur unmittelbar an den Grenzen. Somit war es möglich, durch kleinere Baumaßnahmen alte Straßenverbindungen zunächst provisorisch wieder herzustellen.

Bis zum Beitritt Polens und der Tschechischen Republik (CR) zur Europäischen Gemeinschaft wurden im Rahmen von abgestimmten Baumaßnahmen von den beteiligten Straßenbauverwaltungen zehn Straßenverbindungen nach Polen und vierundzwanzig nach Tschechien geöffnet. In Abstimmung zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Nachbarstaaten und dem Freistaat Sachsen sollen bis nach 2010 bis zu sechzig Verbindungen im Zuge von Bundes- und Staatsstraßen, wie sie bis 1945 bestanden, für den Kfz-, Rad- und Fußgängerverkehr Verkehr in die Nachbarstaaten zur Verfügung stehen.

146 Für die Wärter der Staatsstraßen war es bis 1945 Dienstaufgabe, die Straßenbäume zu pflegen; dafür stand ihnen die Obsternte zu. Die Bäume an Kreis- und Kommunalstraßen wurden vielerorts zur Pflege und Nutzung verpachtet.

147 In Richtung VR Polen waren dies die Übergänge in Görlitz und in der Nähe von Zittau; zur CSSR die Grenzübergänge Neugersdorf, Schöna, Zinnwald, Reitzenhain, Oberwiesenthal und Bad Brambach. 94 4. 4. 7 Entwicklung des Straßenverkehrs

Infolge der stetig wachsenden Mobilitätsansprüche der Bevölkerung und der wachsenden Verladetätigkeit der Wirtschaft war nach 1991 eine starke Zunahme des Straßenverkehrs zu erwarten. Tatsächlich zeigte sich diese Tendenz in den Jahren 1991 bis 1995 deutlich, ohne dass darüber exakte Zahlen ermittelt und festgehalten wurden. Im Jahr 1995 konnte die systematische Erfassung des Straßenverkehrs nach den Bestimmungen des Bundes flächendeckend auf allen Außerortsstraßen des Freistaats begonnen werden. Die DTV-Werte belegen seit 1995 einen Verkehrszuwachs von 50 % im Wesentlichen nur auf die Autobahnen Der mittlere DTV auf den Bundes-, Staats- und Kommunalstraßen wuchs, soweit nachträglich feststellbar, nach einem Sprung in den Jahren 1990 bis 1994 nur unerheblich. Ab 2000 zeichnet sich sogar eine Stagnation der DTV-Werte ab. Ein Grund dafür ist der Rückgang der Bevölkerung und die Möglichkeit, für zahlreiche kürzere Fahrten das neu erstandene Autobahnnetz nutzen zu können.

Bild 22 Durchschnittlicher täglicher Verkehr auf Straßen Sachsens (DTV) 1995 bis 2005

50000 45000 40000 h 35000 30000 25000 20000 15000 DTV in Kfz/24 10000 5000 0 1995 1997 1999 2001 2003 2005

Bundesautobahnen Bundesstraßen Staatsstraßen

4. 5 Öffentlicher Personennahverkehr der kommunalen Verkehrsbetriebe Sachsens

4 .5. 1 Allgemeines

Das Personenbeförderungsgesetz (PBfG) und das sächsische ÖPNV-Gesetz bestimmen den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nicht als Leistung der Daseinsvorsorge, regeln aber seine Funktionsfähigkeit, Einzelheiten seiner Organisation und Förderung.

95 Beide Gesetze beeinflussen das Handeln aller kommunalen und privaten Anbieter von öffentlich nachgefragten Nahverkehrsleistungen, soweit die Reichweite des bedienten Linien- und Streckennetz in der Regel 50 km Länge nicht überschreitet.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands betrieben drei große staatliche, regional tätige Omnibusunternehmen und zahlreiche, im engeren kommunalen Bereich wirkende Nahverkehrsbetriebe den Öffentlichen Personennahverkehr in Sachsen. Alle Unternehmen waren nach dem Treuhand-Gesetz zum Zwecke der Rückgabe an ihre Alteigentümer zunächst in die Verwaltung der Treuhand GmbH gestellt worden.

Schwierigkeiten bereitete die Rückübertragung der drei ehemaligen „VEB Verkehrs- Kombinate“ an ihre Alteigentümer,148 die mittels landkreisbezogener und örtlicher Kraftverkehrsbetriebe den Regionalverkehr in den vormaligen Bezirken Dresden, Leipzig und Chemnitz betrieben.

Greifbare Alteigentümer und interessierte private Träger für diese Verkehrsunternehmen standen der Treuhand-Anstalt zur Übernahme nicht bereit, zumal der Omnibus- Regionalverkehr bis1990 nur mit erheblichen staatlichen Beihilfen149 betrieben worden war und Subventionsgarantien für den Bezirksomnibusverkehr zunächst von keiner Seite gegeben wurden..

Nach einer Übernahme der erforderlichen Betriebskostenzuschüsse, zunächst durch die Treuhand, später für einen begrenzten Zeitraum durch das Bundesverkehrsministerium, gelang die Auflösung der Kombinate durch Zuordnung und Übertragung der einzelnen Kraftverkehrsbetriebe an die Landkreise, in denen die Verkehrsbetriebe tätig waren. Aus der Sicht des Jahres 2008 war diese Auflösung und kleingliedrige Kommunalisierung falsch. Die Zergliederung brachte nicht den erwarteten Kostenvorteil. Der von den übernehmenden Landkreisen erhoffte Gestaltungsspielraum ergab sich trotz großzügiger Förderung der Fahrzeugbeschaffung faktisch nicht; der Omnibusverkehr wurde für die Landkreise nach dem Wegfall der Subventionierung durch den Bund ein finanziell kaum kalkulierbares Risiko. Die verschiedenen Nahverkehrsbetriebe mussten auf Betreiben ihrer Gewährsträger ihre Leistungen einschränken und auf ein Mindestmass reduzieren. Vielfach erfolgte in den Jahren nach 2000 ein Verkauf an private Busunternehmen, die aus betriebswirtschaftlichem Interesse den Linienverkehr vielfach weiter ausdünnten. Die verkehrspolitisch erwarteten Erfolge durch die Kommunalisierung des Bezirksomnibusverkehrs blieben aus.

1991 hätte der Freistaat Sachsen in Fortsetzung seines Handelns aus der Zeit vor 1933 auf diesem Gebiet die drei Großunternehmen gemeinsam mit der Deutschen Reichsbahn150 übernehmen sollen und so unter Beachtung dringender betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte seinen Gestaltungswillen für den regionalen Omnibusverkehr einbringen können. 1991 war das zuständige Staatsministerium für Finanzen Sachsens nicht bereit. Heute ist die DB Stadtverkehr GmbH, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, am Erwerb einzelner kreiseigenen Busbetriebe sehr interessiert. Ihr Ziel ist dabei, den gesamten regionalen

148 Diese existierten in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr.

149 Aus dem vormaligen Verkehrsministerium der DDR.

150 Im Jahr 1913 wurde die „Staatliche Kraftwagenverwaltung“ gegründet. Die Königlich Sächsische Staatsbahn betrieb bis 1913 den einsetzenden Linienbusverkehr auf Rechnung des Finanzministeriums. 1923 wurde die Betriebsführung mit ca. 200 Omnibussen der Kraftverkehrsgesellschaft Freistaat Sachsen GmbH übertragen.

96 Busbetrieb in Ergänzung und zur gemeinsamen Gestaltung mit dem regionalen Bahnverkehr in ihre Hand zu bekommen.

Anders bei den Verkehrsbetrieben der Großstädte Sachsens; diese gingen sehr schnell in das Eigentum der jeweiligen Kommune zurück.

Die Straßenbahnbetriebe in den Großstädten Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig, Plauen und Zwickau wurden nach ihrer zügigen Rückübertragung an ihre ehemaligen kommunalen Eigentümer sehr schnell aktiv, um wie in allen anderen Verkehrsbereichen auch, die desolaten Verhältnisse der Streckennetze und des Fahrzeugparks stufenweise zu verbessern. Notwendig war, die offensichtlichen baulichen Missstände innerhalb der Streckennetze, in den Betriebshöfen sowie an den Fahrzeugflotten schnell zu bereinigen.

Die Bereitstellung staatlicher Fördermitteln151 war die Voraussetzung dafür, Baumaßnahmen durchzuführen und Fahrzeug-Erneuerungsprogramme aufzulegen. Parallel zur sprunghaften Steigerung der Motorisierung der Bevölkerung nach 1991 war es notwendig, das Gesamtsystem des ÖPNV zu stabilisieren, um den Rückgang der Fahrgastzahlen zu bremsen.

Die Sanierung zahlreicher Langsamfahrstellen in den Streckennetzen (deren Zahl und Umfang im Einzelnen nicht dokumentiert wurde) sowie die Modernisierung der technisch überholten, aus tschechischer Produktion stammenden Tatra-Straßenbahn-Fahrzeuge152 waren besonders vordringlich. Für beide Maßnahmenpakete standen ausreichend Mittel aus einem Sonderprogramms zur Verfügung153, so dass sehr schnell eine vorläufige Stabilisierung der Betriebsverhältnisse im Straßenbahnbereich möglich wurde.

Neben diesen Sofortmaßnahmen, die weniger einer wirtschaftlichen Konsolidierung der Betriebe dienten, sondern vielfach allein zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig waren, kamen schnell Großprojekte in die Diskussion, mit denen der Ausbau von Straßenbahnstrecken zu Stadtbahnstrecken nach dem Vorbild westdeutscher Städte beabsichtigt war.

Im Rahmen der Landesverkehrsplanung war mittels der„Landesverkehrsprognose (Nachfrage Personennahverkehr) [56] der Investitionsbedarf der ÖPNV-Betriebe ermittelt und bis 2005 auf 3,25 Mrd. € geschätzt worden. Damit war die Basis für die Finanzierung notwendiger Bauprogramme konzeptionell gelegt. Im Jahr 2003 stellte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) für seine Mitgliedsunternehmen in Sachsen bis 2012 einen noch bestehenden Investitionsbedarf in Höhe von 1,536 Mrd. € [57] fest. Auch wenn die beiden Bedarfsangaben nicht unmittelbar vergleichbar sind, machen sie deutlich, dass im Jahr 2003 etwa die Hälfte der Planungsziele der ÖPNV-Betriebe erreicht war. Das SMWA teilt dazu mit, dass zwischen 1991 und 2004 in Sachsen 1.620 Mrd. € im Gesamtbereich des Öffentlichen Nahverkehrs investiert wurden.

Bis 2008 haben sich alle Nahverkehrsbetriebe in Sachsen wirtschaftlich stabilisiert

151 Zur Verfügung standen kurzfristig Mittel aus dem Programm „Aufbau Ost“ und aus den Bundes- und Landesprogrammen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) in ausreichender Höhe.

152 Die in allen 6 Städten eingesetzt wurden.

153 Die Fördertatbestände des GVFG waren um den Begriff der Fahrzeug-Erneuerung von Tatra-Fahrzeugen erweitert worden.

97 4. 5. 2 Verkehrsbetriebe der Stadt Leipzig

4. 5. 2. 1 Ausgangssituation nach Rückübertragung an die Stadt Leipzig

Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) sind mit einem Streckennetz Schiene von 148 km154 Straßenbahn und einem Liniennetz Omnibus mit 1.210 km Länge einer der großen Nahverkehrsbetriebe Deutschlands. Bis 1990 ein planwirtschaftlich betriebenes Kombinat, unterzog sich das Unternehmen einem umfassenden Wandlungsprozess. Die LVB gehörten unmittelbar bereits nach ihrer Neugründung als GmbH (im alleinigen Eigentum der Stadt Leipzig) zu den aktivsten Unternehmen des ÖPNV in Sachsen.

Neben der Modernisierung der Tatra-Fahrzeuge und der Behebung von erheblichen Schäden am Schienennetz zeigte sich besonders in Leipzig die Notwendigkeit zum Ausbau der herkömmlichen Straßenbahnstrecken zu Stadtbahnstrecken. Die explosionsartige Zunahme des Kfz-Verkehrs hatte zu starken Behinderungen des Straßenbahnbetriebes geführt. Die Überalterung des Fahrzeugparks erforderte Neufahrzeuge, wenn der Öffentliche Nahverkehr aus funktionellen und stadtstrukturellen Gründen seinen Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen der Stadt Leipzig halten und bewältigen sollte.

Rückblickend stellt sich die ab 1992 praktizierte aktive Investitionspolitik des Unternehmens als Erfolg dar. Sie bietet auch heute noch eine ausgezeichnete Grundlage für eine langfristig angelegte positive Entwicklung. in kommunalpolitischer wie betriebswirtschaftlichen Sicht.

Nach der deutlichen Änderung des Verkehrsmittel-Wahlverhaltens der Leipziger Bevölkerung nach 1990 musste das Unternehmen zunächst einen erheblichen Fahrgastrückgang hinnehmen, konnte diese Krise in den Folgejahren durch Streckenausbau und Fahrzeugbeschaffung, auch durch eine kundenorientierte Tarifpolitik und letztlich durch ein Mitwirken im MDV155 überwinden und alte Kundenstämme zurück gewinnen.

So investierten die Leipziger Verkehrsbetriebe zwischen 1991 und 2005 wie folgt:

Tabelle 7 Investitionen der Leipziger Verkehrsbetriebe 1991 - 2001 2002 – 2005

Investitionen in die Infrastruktur 294 Mio. € 110 Mio. € Investitionen in Fahrzeug-Modernisierung und neue Fahrzeuge 183 Mio. € 71Mio. €

1991 – 2005

Investitionen insgesamt 658 Mio. €

4. 5. 2. 2 Stadtbahnlinie 16

Als ein Beispiel für die Beurteilung der Investitionstätigkeit der LVB soll hier der Planungs- und Bau-Prozess für die Stadtbahnlinie 16 zum Neuen Messegelände dienen.

154 Linienlänge 211 km, Stand Ende 2006.

155 Mitteldeutscher Verkehrsverbund GmbH, Sitz Halle, Geschäftsstelle in Leipzig.

98 Da die Neu- und Ausbaustrecke der Linie 16 seit mehreren Jahren in Betrieb ist, bietet sie sich auch beispielhaft zur Überprüfung der Planungsgrundlagen aus den Jahren 1991 bis1992 an. Interessant ist vor allem, ob sich das prognostizierte Verkehrsaufkommen tatsächlich eingestellt hat.

Im Herbst 1991 trafen sich Vertreter der Sächsischen Staatsregierung und der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig in Kraischa bei Dresden, um eine grundsätzliche Entscheidung zum Neubau eines Messezentrums zu treffen. In der für die damalige Zeit charakteristischen pragmatischen Art verständigte man sich schnell auf den Standort Leipzig- Mockau. Die Grundstücke des ehemaligen Flughafens waren im Eigentum der Stadt Leipzig. Für das Vorhaben sollte ein europaweit auszuschreibender Städtebaulicher Ideenwettbewerb durchgeführt werden. Die straßenmäßige Erschließung dieses Geländes konnte durch eine Anbindung an die Autobahn 14 erfolgen; ebenso die Verkehrsanbindung für den Personenverkehr der Bahn durch die Bahnstrecke Leipzig – Berlin. Als Planungsziele vereinbarte den Neubau einer Autobahnanschlussstelle, die Verbesserung der vorhandenen Straßenverkehrsanlagen und den Bau eines neuen Bahnhofs Neuwiederitzsch. Zur stadträumlichen Bedienung des neuen Messegeländes war eine Verlängerung der Straßenbahnlinie 16 erforderlich.

Der Flughafen Leipzig-Mockau wurde in einem vereinfachten luftrechtlichen Verfahren stillgelegt und der Flugverkehr (allgemeine Luftfahrt) auf den nahe gelegenen Flughafen Schkeuditz verwiesen. Die Gebäude des neuen Messegeländes entstanden einschließlich der neuen Verkehrsanbindungen während einer Planungs- und Bauzeit von nur 3 ½ Jahren.

Letztlich aus Anlass der Standortentscheidung für das neue Messegelände im Norden der Stadt entschied sich Leipzig zum Ausbau der vorhandenen Straßenbahnstrecke der Linie 16 als erste Baustufe für ein zukünftiges Stadtbahnnetz. Die Strecke verläuft im Zuge der Eutritzscher Straße aus der Innenstadt kommend nach Neuwiederitzsch. Von dort war eine Verlängerung zum neuen Messegelände erforderlich. Das Projekt zur Anbindung des Messeneubaus wurde sofort in Angriff genommen.

Das Vorhaben der neuen Stadtbahnlinie 16 war wegen der angestrebten Finanzierung durch den Bund das erste Großprojekt156 Sachsens im Rahmen der GVFG-Förderung und sollte als Modell für die Anwendung der vom Bund eingeführten vereinfachten „Standardisierten Bewertung von ÖPNV Vorhaben in den neuen Bundesländern“[58] herangezogen werden.

Insoweit wird es auch hier im Einzelnen beleuchtet: Projektbeschreibung: Investitionsvorhaben Anbindung Neue Messe Leipzig an das Netz der Leipziger Verkehrsbetriebe und Verbesserung der Erschließung von Leipzig Nord, 6 km Ausbaustrecke mit eigenem Bahnkörper; alternativ: (1) unmittelbare Anbindung der Messe durch 5 km Streckenausbau und 1,5 km Streckenneubau („Mitfall“) 157 (2) Streckenausbau wie (1) und 1,5 km Bustrasse („Ohnefall“)

156 Investitionshöhe > 50 Mio. €.

157 Die Begriffe „Ohnefall“ und „Mitfall“ werden im Rahmen der „Nutzen-Kosten Untersuchung“ verwandt.

99 Investitionssumme 52 Mio. € (Mitfall) Investitionsziel Ausbau zur Stadtbahn; Verkürzung der Fahrzeit mittels eigenem Bahnkörper und signaltechnischer Vorrangschaltung an Kreuzungen; niveaufreier Zugang zu den Fahrzeugen durch Neubau der Bahnsteige. Planungsziel geplante Fahrzeitverkürzung : 18,5 % Steigerung der Reisegeschwindigkeit von 19,0 km/h auf 22,5 km/h. Fahrzeugeinsatz Ersatz der Hochflur Tatra-Fahrzeuge älterer Bauart durch Neufahrzeuge, Fahrplantakt 10 Minuten im Tagesverlauf; Verdichtung in Spitzenzeiten.

Die Durchführung der Nutzen-Kosten-Analyse nach den Bestimmungen des Bundes 158 gestaltete sich sehr schwierig, da (wie bereits mehrfach dargestellt) die erforderliche Datenbasis nicht vorhanden war. Dennoch mußte das Verfahren mit den bereitstell- und vertretbaren stadtstrukturellen, volks- und betriebswirtschaftlichen Zielwerten durchgeführt werden. Das Ergebnis der „Standardisierten Bewertung“ führte 1993 zu folgendem Ergebnis [59]:

Nutzen-Kosten-Indikator für den Mitfall159: Untergrenze 2,15, Obergrenze 4,00; Betriebswirtschaftlicher Indikator für den Mitfall: 0,04 1,05.

Damit war die Förderfähigkeit des Vorhabens160 „Streckenausbau bis Neuwiederitzsch und Neubaustrecke zur Messe“ gegeben und die Finanzierung aus Bundes- und Landesmitteln gesichert.161

158 Siehe [26].

159 Hinweis: Die „Standardisierte Bewertung für ÖPNV-Maßnahmen“ verlangt im Rahmen des Bewertungsverfahrens vom Antragsteller eine Vergleichsrechnung der Nutzen/Kosten Verhältnisse zwischen der Ausgangssituation (Ohnefall) und dem angestrebten Projekt (Mitfall); Das Beispiel Leipzig - Neue Messe zeigt die Angreifbarkeit der NKU -Bewertungsverfahren generell. Ohne hier im Einzelnen die Begründung zu liefern ist festzustellen, dass durch „Datenmanipulationen“ dem Grunde nach jedes gewünschte Ergebnis errechenbar war. Die vom Bund gewünschte Vergleichbarkeit des Großvorhabens mit anderen in Deutschland war wegen der unterschiedlichen Datenquellen und vor allem unterschiedlichster Verkehrsprognosen nach Auffassung des Verfassers nicht gegeben.

160 Voraussetzung: Quotient aus Nutzen und Kosten > 1.

161 Tabellarische Zusammenstellung von beispielhaften Einzelwerten der Standardisierten Bewertung der LVB für die Linie 16, erster Abschnitt: Innenstadt/Hauptbahnhof – Neue Messe Gegenüberstellung: („Ohnefall“) : Sanierung der vorhandenen Strecke und Bustrasse zur Neuen Messe („Mitfall“) Sanierung und Strecken-Neubau bis zur Neuen Messe Planungsziel 2010 Ohne Fall Mitfall

Unterhaltungskosten/a 3.2 Mio. DM 3,7 Mio. DM Kapitalkosten/a 3,5 Mio. DM 4,1 Mio. DM Gesamtkosten/a 6,7 Mio. DM 7,8 Mio. DM

Investitionskosten 86,0 Mio. DM 102,0 Mio. DM

Verkehrsleistung ÖV (Prognose) in Pers.-km je Werktag 513 645 515 507 bis 561 512 Mehrverkehrsleistung in Pers.-km je Werktag 1 863 bis 47 867 100 Die der NKU zugrunde liegenden, im Jahr 1993 vorgelegten Verkehrsprognosen für die Ausbaustrecke belegten die Zweckmäßigkeit des Vorhabens. Die erwartete Zunahme der Einwohner und Arbeitsplätze im Einzugsbereich der Strecke sollte bis zum Planungsziel im Jahr 2010 zu einer Steigerung des Fahrgastaufkommens in der Größenordnung von 100 % führen

Im Jahre 2002 führte der Autor mit Unterstützung der Leipziger Verkehrsbetriebe eine Auswertung der Entwicklung des Verkehrsaufkommens der Ausbaustrecke seit der Inbetriebnahme mit folgendem Ergebnis durch.

Hier zunächst die strukturelle Entwicklung:

Tabelle 8 Strukturentwicklung in Leipzig 1990 – 2002 – 2015, Vergleich „ist“ und Prognose

Istwerte Prognosen 1990 2002 Prognose 1993 Prognose 2002 für 2010 für 2015

Einwohner 540 000 494 000 580 000 480 000 (- 3 %)

Beschäftigte 250 000 238 000 310 000 271 000 (+14 %)

Schüler 55 000 58 350 40 900 (- 30 %)

Schulplätze 77 011 57 280 (- 26 %)

Quelle: Statistische Angaben der Stadt Leipzig und der LVB

Bewertung dieser Entwicklung:

Die Prognose geht von wesentlichen Einwohner- und Arbeitsplatzzuwächsen aus, die nicht eingetreten sind162.

Die Baumaßnahme zeigt trotzdem nicht nur Wirkung, sondern Erfolg. Bei rückläufigen Einwohner- und Beschäftigtenzahlen verzeichnet die Strecke einen bedeutsamen Zugewinn an Fahrgästen, wenn auch in unterschiedlicher Größe. Modernisierung der Anlagen, Verkürzung der Reisezeiten, neue Fahrzeuge und eine kundenfreundliche Betriebsführung bestätigen die Richtigkeit der Investitionsentscheidung des Jahres 1992.

Minderung PKW-Fahrleistung/Werktag 39 889 Pkw km Fahrleistung/ pro Jahr 11 966 788 Pkw Fahrzeit Bahn 19 Minuten, zusätzlich 10 Min. Bus Streckenlänge Bahn 6 km 7,5 km 6 km Um die 1992 durchgeführte Standardisierte Bewertung objektiv darzustellen werden DM Beträge zitiert.

162 Prognose: Einwohnerzuwachs 7 %; Zuwachs an Arbeitsplätzen 22%; gewichteter Summenwert: Zuwachs 13 %, tatsächliche Entwicklung: trotz Vergrößerung des Stadtgebietes durch Eingemeindungen Einwohner – 12 %;.Arbeitsplätze – 20 %.

101 Die Linie 16 bedient über ihre alltägliche Funktion hinaus an Messetagen in der konzeptionell beabsichtigten Form das neue Messegelände mit zusätzlichen Verkehrsangeboten. Wegen der sehr unterschiedlichen Besucherfrequenz der einzelnen Messeveranstaltungen lässt sich der daraus erwachsende Nutzen nicht einheitlich zahlenmäßig darstellen. Der Anteil der mit Öffentlichen Verkehrsmitteln anreisenden Messebesucher163 an der Gesamtzahl der Besucher belegt jedoch, dass die gedanklichen Zielsetzungen der Messeplanung zum Ziele führten und die Stadtbahnstrecke die mit ihr verbundenen Erwartungen erfüllt.

Tabelle 9 Verkehrsentwicklung 1989 bis 2006; Beförderungsfälle im Linienverkehr der Leipziger Verkehrsbetriebe ( in Millionen Fahrgästen pro Jahr)

. 1989 1991 1998 1999 2000 2001 2002 2006

LVB gesamt 302,0 182,1 79,0 91,1 95,9 99,4 104,1 125,3 davon Straßenbahn 247,2 145,4 63,7 73,4 72,1 74,7 78,2 101,6 Omnibus 15,3 18,2 25,7 26,4 27,6 23,5

Omnibus des Regionalverkehrs Leipzig 0,5 1,9 1,7 1,7 1,7

Betrachtet man speziell die Entwicklung der Beförderungsfälle auf der Stadtbahn zur Neuen Messe nach der Fertigstellung des Projektes, so ergibt sich folgendes Bild:

Tabelle 10 Tatsächliche und prognostizierte Entwicklung der Fahrgastzahlen der Linie 16 im untersuchten Abschnitt

1993 2001 2002 2006 Hochrechnung NKU-Prognose im Jahr 2006 für 2010 Fahrgäste/Tag 8.200 9.100 10 700 12.800 18.100 18.200 – 20.200

Der Planungshorizont für die Stadtbahnstrecke 16 wurde 1992 auf das Zieljahr 2010 ausgerichtet. Weit nach der Halbzeit dieses Zeitrahmens ist zu erkennen, dass trotz wesentlich veränderter Einflussgrößen, vor allem einen veränderten „Modal Split“164 bereits Streckenbelastungswerte erreicht wurden, die wesentlich höher liegen als vor Baubeginn.

Letztendlich wird der Erfolg einer Maßnahme durch die tatsächlich eingetretene Entwicklung deutlich. Betrachtet man die Spalten „Prognose 2010 der NKU“ und „ Hochrechnung 2010“, so zeigen sich bereits heute größenordnungsmäßig vergleichbare Streckenbelastungen für 2010. Damit kann 2006 konstatiert werden, dass das Planungsziel erreicht werden konnte, obwohl die 1992 erwarteten „verkehrs-erzeugenden Faktoren“ für diese Strecke nur zum Teil wirksam wurden.

163 Verkaufsstatistik (unveröffentlicht) des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes für Kombi-Tickes: Die Messe Eintrittskarte enthält auch das Ticket zur ÖPNV-Benutzung.

164 Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsträger genannt. (Eine andere gebräuchliche Bezeichnung im Personenverkehr ist Verkehrsmittelwahl.) Der Modal Split ist Folge des Mobilitätsverhaltens der Menschen und der wirtschaftlichen Entscheidungen von Unternehmen einerseits und des Verkehrsangebots andererseits.

102 Gerade daher kann das Projekt damit jener Gruppe von Verkehrsprojekten Sachsens zugeordnet werden, die als erfolgreiche anzusehen sind. Eine abschließende Bewertung der NKU des Jahres 1993 ist heute allerdings noch nicht möglich, da weitere Einflüsse auf die Entwicklung bis 2010 nicht bestimmbar sind. Offen bleibt deshalb, welchen Verlauf die Entwicklung des Verkehrsaufkommens der Strecke bis zum Zieljahr der NKU nehmen wird.

Anders fällt die Beurteilung des Standardisierten Bewertungsverfahrens, generell aller Verkehrsprognosen, aus. Fraglich ist grundsätzlich die Möglichkeit, überhaupt verlässliche und robuste Bevölkerungs- und Wirtschaftsprognosen als Grundlage für Verkehrsprognosen bereitstellen zu können. Soweit diese wirklich für die NKU vorgelegt werden, stellt sich die Problematik der tatsächlichen Entwicklung im Verhältnis zur theoretischen Vorschau. Bezieht man diese Betrachtung in die Auswertung vorgelegter Verkehrsprognosen ein, müssen deren Ergebnisse kritisch hinterfragt werden, ehe sie beispielsweise für die Bemessung von Verkehrsanlagen herangezogen werden können. Insoweit sind, wie auch in der Literatur mehrfach angesprochen, alle Verkehrsprognosen zur Projektbeurteilung nur bedingt anwendbar [17]165. Die in Sachsen gemachten Erfahrungen bestätigen diese Einschätzung in besonderem Maße.

Seit vielen Jahren wird vom BMVBS im Zusammenhang mit der Beantragung von Finanzierungen die Durchführung der „Standardisierten Bewertung“ gefordert. Deren Ergebnisse stellen die entscheidenden Beurteilungskriterien des jeweils zur Finanzierung beantragten Projektes dar. Untersuchungen und wissenschaftliche Nachprüfungen, in wie weit sich nach Fertigstellung der einzelnen ÖPNV- Baumaßnahmen die voraus gegangenen Verkehrsprognosen eingespielt haben und damit die Sinnfälligkeit, die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Investition tatsächlich eingestellt hat, sind in der verkehrswissenschaftlichen Literatur nicht auffindbar.

Es stellt sich daher die Frage, ob in Zukunft vom Bund und den Ländern nicht andere Förderungskriterien herangezogen werden sollten, wenn die Datenbasis für belastbare Verkehrsprognosen unbestimmbar ist und den Bestimmungen des Haushaltsrechts 166 Rechnung getragen werden muss. Der Deutsche Städtetag (DST) hatte bereits zum Zeitpunkt der Einführung der Standardisierten Bewertung durch den Bund auf diese Problematik hingewiesen, aber kein Gehöhr gefunden.167

Nach Fertigstellung und Inbetriebnahme des Nordastes der Stadtbahnstrecke Linie 16 stellten die Leipziger Verkehrsbetriebe den Antrag auf Finanzierung des Ausbaus des Südastes. Ohne

165 Prof. Dr. Dr. W. Leutzbach setzt sich in „Das Problem mit der Zukunft“ ausführlich mit Verkehrsprognosen und deren Verwendbarkeit auseinander. Vielfach wird auch Carl Benz zitiert, der im Jahr 1901 als betriebswirtschaftliches Ziel seines Unternehmens die Fertigung von max. 5000 Automobilen postulierte. Seine Begründung: In Deutschland wird es niemals mehr als 5000 Chauffeure geben.

166 Die gesetzliche Grundlage für volkswirtschaftliche Nutzen-Kostenanalysen bei Projekten der Öffentlichen Hand findet sich in § 6 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechtes des Bundes und der Länder.

167 Die Kommission leitender kommunaler Verkehrsplaner, ein Gremium des Bauausschusses des DST, hatte bereits 1975 dazu ein Grundsatzpapier vorgelegt, in dem auf die bereits damals erkennbaren Schwächen des Verfahrens hingewiesen wurde. Das Verfahren wurde mehrfach verändert und dadurch komplizierter. Die Analyse der NKU der Leipziger Verkehrsbetriebe 1993 für den Nordast der Linie 16 bringt einen Nachweis für die Fragwürdigkeit des Verfahrens. Die verkehrspolitischen- und betriebswirtschaftlichen Erfolge, die die Baumaßnahmen an der Linie 16 gebracht haben, wären auch bei einer Entscheidung der Bauherren ohne das Ergebnis des Bewerbungsverfahrens eingetreten. 103 förmliche Übertragung der NKU-Ergebnisse der Nordstrecke auf die Südstrecke konnten deren Ergebnisse für den südlichen Abschnitt der Linie 16 herangezogen werden. Der Nutzen- Kosten-Quotient wurde damit sinngemäß für den Abschnitt von Leipziger Hauptbahnhof nach Lösnig übernommen. Damit war die Förderfähigkeit des Projektes ohne großes Verfahren festgestellt. Diese pragmatische Behandlung des Projektteils bestätigt den empfohlenen Umgang mit Verkehrsprognosen. Die Gesamtstrecke konnte 2006 als Stadtbahn in Betrieb genommen werden.

4. 5. 2. 3 Die weitere Investitionstätigkeit der Leipziger Verkehrsbetriebe nach 1991

Die erfolgreichen Investitionen und der Verkehrszuwachs auf der Linie 16 ermunterten die Leipziger Verkehrsbetriebe, ein generelles Stadtbahn-Ausbauprogramm aufzulegen. In konsequenter Fortsetzung des begonnen Systemwechsels von der Straßenbahn zur Stadtbahn war es notwendig, besonders stark frequentierte Strecken nach den Planungsparametern der Linie 16 zu einem stabilen, stadtbahnmäßig ausgebauten Grundgerüst ihres Streckennetzes umzugestalten.

Mit einem Investitionsvolumen von 220 Mio. € beabsichtigten die Leipziger Verkehrsbetriebe Ende der 1990er Jahre wesentliche Streckenteile der Linien 7, 11 und 15 einschließlich einer neuen Zentralhaltestelle am Leipziger Hauptbahnhof zu Stadtbahnstrecken168 auszubauen.

Bild 23 Geplantes Stadtbahnnetz der Leipziger Verkehrsbetriebe

Quelle: Leipziger Verkehrsbetriebe

Die Finanzierung der ca. 40 km Ausbaustrecken sollte über Bundes- und Landesmittel sowie Komplementärmittel der LVB erfolgen. Grundvoraussetzung zur Förderung durch Bundesmittel war auch hier ein positiver Quotient nach den Kriterien der Standardisierten Bewertung.

168 Linie 7 Paunsdorf – Johannesplatz (5,5 km) Länge Linie 11 Markkleeberg Ost- Schkeuditz Gartenstadt (20,5 km) Länge Linie 15 Franzosenallee - Lütznerstraße/Luisenbrücke (12,7 km) Länge. 104 Bei einem Ansatz realistischerer Strukturwerte des Jahres 2003169 für das Planungsziel 2015 (die ebenso unter Vorbehalt stehen wie die Zielvorstellungen des Jahres 1993, die bisher einer abschließenden Überprüfung noch nicht unterzogen werden konnten) ergab sich ein Quotient aus Nutzen-Kosten (Ergebnis der NKU [60]) von 1,3. Damit war auch das anspruchsvolle Ausbauprogramm Leipzigs für zwei Durchmesserlinien und eine Radialstrecke auch förderfähig. Die Baumaßnahmen sind nach Bewilligung der Mittel im Jahr 2007 in großem Umfang angelaufen und sollen bis 2010 abgeschlossen sein.

Tabelle 11 Zusammenstellung der Investitionskosten für die Stadtbahnstrecken

Linie Ende Gesamtkosten Komplementäranteil der in Mio. € der LVB in Mio. € Baumaßnahmen 15 2008 77,3 33,0 11 2009 82,8 42,8 7 2010 42,2 19,3 zuzüglich Planungskosten 6,9 6,9 Haltestellenumbau 1,1 1,1 für 2,3m Gleisabstand Stromversorgung/Unterwerke 11,2 4,5 Investitionskosten für die 221,5 109,4 Anlage von Stadtbahn- Trassen Invest. In Betriebshöfe 40,8

Weitere strategisch angelegte Investitionen der Leipziger Verkehrsbetriebe betrafen den Fahrzeugpark. Bis zum Jahr 2000 verminderte sich der Fahrzeugbestand an Bahnfahrzeugen durch die Aussonderung alter Tatra-Wagen (Type T4D, B4D). Ergänzt wurde die Fahrzeugflotte durch die Neubeschaffung von 38 Niederflurfahrzeugen (Type NGT 8) und 14 Niederflurbeiwagen (NB 4).

Seit 2005 erweitern die LVB ihren Fahrzeugpark durch Eigenherstellung170 der Niederflugfahrzeuge „Leoliner“ und beschaffen Niederflur-Großraumfahrzeugen (Typ NGT 12 XXL)171 . Parallel dazu läuft weiterhin die Ausmusterung der Tatra-Fahrzeuge T6A2 (Triebwagen) und B6A2 (Beiwagen).

Fortgeführt wurde das Restrukturierungsprogramm der LVB durch Konzentration der Betriebshöfe auf drei Standorte und deren bauliche Sanierung. Ergänzend dazu planen die Leipziger Verkehrsbetriebe gegenwärtig das Technische Zentrum in Leipzig-Heiterblick als Zentralwerkstatt für Stadtbahnfahrzeuge, die Omnibus-Fahrzeugflotte und als betrieblichen

169 Rückgang der Einwohner Leipzigs von 494 000 auf 480 000; Steigerung der Arbeitsplätze von 238 000 auf 271 000 und wesentlicher Rückgang der Schülerzahl von 58 350 auf 40 900.

170 Leoliner Fahrzeug-Bau Leipzig GmbH; Geschäftsanteile LVB 49% .

171 Hersteller: Bombardier Fahrzeugwerke Bautzen.

105 Ausgangspunkt für das neue Geschäftsfeld „Schienengebundener Personennahverkehr“ (SPNV)172, sowohl in Eigeninitiative als auch in Zusammenarbeit mit der Fahrzeug-Industrie.

Die Erfolge dieses großen Erneuerungsprogramms zeigen sich bereits 1999 in der Zunahme der beförderten Personen (jährlich 4 bis 5 %, in stabilem Trend bis 2006) [61]. Diese Tendenz und die beabsichtigten weiteren geplanten Investitionen lassen den Schluss zu, dass auch bei stagnierenden Einwohnerzahlen in der Stadt und Region Leipzig die Beförderungsleistungen und damit das Verkehrsaufkommen der LVB wachsen wird.

Bild 24 Großraumwagen der Leipziger Verkehrsbetriebe NGT 12 XXL

Quelle: Leipziger Verkehrsbetriebe

Die Entwicklung der Fahrgastzahlen seit 1998 sowie der Investitionen in bauliche Anlagen, Fahrzeuge und sonstige betriebliche Einrichtungen zeigt keinen parallel laufenden Trend. Dennoch besteht zwischen beiden Entwicklungslinien ein mittelbarer Zusammenhang, der die Richtigkeit der Investitionspolitik des kommunalen Verkehrsbetriebes deutlich macht.

172 Die Leipziger Verkehrsbetriebe beabsichtigen, sich in Zukunft mit einer Tochtergesellschaft am regionalen Schienenpersonen-Nahverkehr zu beteiligen, beispielsweise nach Inbetriebnahme des Leipziger City-Tunnels.

106 Bild 25 Verkehrsentwicklung und Investitionen der LVB, 1991 bis 2005 [61]

350 90

80 300 70 250 60

200 50

150 40 30 100 Investitionen in Mio.€ Investitionen 20 automatisches Zählsystem) automatisches Beförderte Personen/Jahr Personen/Jahr Beförderte ( 50 10

0 0 1989 1991 1993 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Die Werte der Jahre 1989 bis 1993 stehen unter Vorbehalt

LVB gesamt Straßenbahn Omnibus Investitionen

Interessant ist hier folgender Vergleich: Die Baumaßnahmen und die Fahrzeugbeschaffung der Leipziger Verkehrsbetriebe haben bei einem Investitionsvolumen von ca. 440 Mio. € in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt zu einem jährlichen Verkehrszuwachs von 4,2 % geführt.

Die Investitionen der Kölner Verkehrsbetriebe, ebenso in Anlagen und Neufahrzeuge, lagen im gleichen Zeitraum (1996 bis 2005) bei 680 Mio. € [62] und führten zur jährlichen Steigerung der Fahrgastzahlen um durchschnittlich 2 %. Daraus wird auch deutlich, dass die LVB zwischenzeitlich einen vergleichbaren Standard im Verhältnis zu anderen ÖPNV-Großbetrieben in Deutschland erreicht haben.

Auch bei der Güterbeförderung können die LVB auf eine lange Tradition zurück blicken. Die Leipziger Verkehrsbetriebe haben seit August 1926 mit der Straßenbahnlinie 21 landwirtschaftliche Erzeugnisse zur Großmarkthalle transportiert. Wegen eines wachsenden Güteraufkommens richtete die Straßenbahn darüber hinaus „Gepäckwagen-Kurse“ auf mehreren Linien ein. Während des Zweiten Weltkrieges stieg die Beförderungsleistung im Markthallenverkehr bis auf 265 000 Tonnenkilometer/Jahr. Nach Kriegsende nahm der Güterstraßenbahn-Betrieb ab; allerdings blühte er mit der Erdölkrise wieder auf. Im Jahr 1991 wurde er endgültig eingestellt.[63]

4. 5. 3 Chemnitzer Verkehrsbetriebe AG

In Chemnitz begann der Öffentliche Personennahverkehr im Jahr 1880 mit der Inbetriebnahme einer Pferdeeisenbahn auf Schmalspur Gleisanlagen. Die damals gewählte (ungewöhnliche) Spurweite von 915 mm wurde bei der Einführung des elektrischen Betriebes beibehalten und war bei der weiteren Entwicklung des Netzes schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein technisches Hemmnis, insbesondere bei der Beschaffung moderner Straßenbahnwagen.

107 Die Ersatzbeschaffung von Fahrzeugen mit der Chemnitzer Spurweite war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Ostdeutschland nicht möglich.

Die Überalterung der Fahrzeuge173 und der schlechte Unterhaltungszustand der Gleisanlagen zwang die Chemnitzer Verkehrsbetriebe daher, sollte der Straßenbahn-Betrieb weiter bestehen, zur Umspurung des gesamten Streckennetzes auf die Normalspurweite 1.435 mm Schienenabstand und die Beschaffung neuer Fahrzeuge. Diese waren nur von der Tschechoslowakei lieferbar. Die Bewältigung des Verkehrsaufkommens allein mit Busbetrieb war kapazitätsmässig und wegen fehlender Straßenfahrzeuge nicht darstellbar.

Der Prozess der Umspurung sollte nach den ersten „Volkswirtschaftsplänen der DDR“ relativ schnell abgeschlossen werden, verlief infolge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten allerdings nur sehr schleppend. Lange Jahre wurden die wenigen neuen Strecken mit Tatra-Fahrzeugen betrieben, die alten schmalspurigen Teilstrecken jedoch mit Altfahrzeugen. An der letzten Schmalspurstrecke und den verbliebenen Schmalspurfahrzeugen waren Ende 1988 die technischen Mängel so erheblich, dass die Linie stillgelegt und auf Busbetrieb umgestellt werden musste. Bis 1990 hatten die voraus gegangenen Zielsetzungen der Chemnitzer Verkehrsbetriebe zur Umspurung, zur Wiederherstellung eines nachfragegerechten Straßenbahn-Netzes keine Chance, trotz erheblichem Handlungsbedarf.

Bereits im Laufe des Jahres 1991 verständigten sich im Interesse der Stadt Chemnitz die neu entstandenen Verkehrsbetriebe (CV AG) und der Freistaat Sachsen (in seiner Funktion als Zuschussgeber öffentlicher Fördermittel) auf die beschleunigte Fortführung und den Abschluss eines modifizierten Umspurungsprogramms. Für sieben stillgelegte Radialstrecken aus der Chemnitzer Innenstadt in die Vororte war eine Überprüfung der Neubauwürdigkeit notwendig. Als Maßstab für die „Schienenwürdigkeit“ wurde eine werktägliche Beförderungszahl von zukünftig mindestens 10 000 Fahrgästen174 pro Richtung und Tag festgelegt.

Die Überprüfung ergab 1993 eine „Schienenwürdigkeit“ für 25,8 km, verteilt auf vier neue und die Verlängerung einer bestehenden Strecke. Zur Basis für den Vollzug und die Finanzierung der Baumaßnahmen wurde eine Vereinbarung zwischen dem SMWA und der CV AG abgeschlossen. Die Bewilligung der Einzelmaßnahmen sollte von der tatsächlichen Entwicklung in Chemnitz, vor allem der Entwicklung des Verkehrsaufkommens auf den einzelnen Neubaustrecken und verbliebenen Buslinien abhängig gemacht werden.

Das SMWA nahm Neubaustrecken unter Vorbehalt in den Landesverkehrsplan Sachsens und den Bedarfsplan für den ÖPNV Sachsen auf.

173 Die Entwicklung und Produktion von Straßenbahnfahrzeugen in Gotha (Thüringen) war trotz eines dort neu geschaffenen Fahrzeugwerkes im Jahr 1960 eingestellt worden; die Lieferung neuer Fahrzeuge erfolgte innerhalb des osteuropäischen Wirtschaftsblockes nur durch die Tschechoslowakei. Die dortige Industrie war nicht in der Lage, Schmalspurfahrzeuge für Chemnitz zu liefern.

174 Der Maßstab wurde in Anlehnung an Vorgaben in Nordrhein-Westfahlen gewählt. Dort ging man von folgender Bemessungsgrundlage für den Stadtbahnbau aus: Mindestens 5000 Fahrgäste/Richtung und Tag bzw. 2500 Fahrgäste in einer Spitzenstundengruppe/Richtung begründen die Stadtbahn-Würdigkeit für eine Neubaustrecke.

108 Planungsziele der Chemnitzer Verkehrsbetriebe im Jahr 1993 für ein kommunal und regional ausgerichtetes Stadtbahnsystem

Generelle Zielsetzung Optimierung des ÖPNV in der Stadt und der Region Chemnitz Investitionsziele Stabilisierung des Öffentlichen Personenverkehrs als Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme der Stadt Chemnitz und der Region, Verbesserung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses der CV AG. Investitionsvorhaben Herstellung eines bedarfsgerechten Gleis- und Strecken- Netzes und modernen Zugangsstellen für einen Stadtbahnbetrieb mit Niederflurfahrzeugen, Erster Schwerpunkt: Wiederherstellung der Gleisanlagen im Zuge der Stollberger Straße. Entwicklung eines neuen Fahrzeuges mit Niederflurtechnik (getriebelosem Radnabenmotor), um einen niveaugleichen Zugang von Bahnsteigen mit einer Höhe von nur 20 bis 25 cm über SO zu erreichen. Bau zweier Hauptwerkstätten für Schienenfahrzeuge und Kraftomnibusse zur Wartung, Unterhaltung und Pflege der Schienen- und Straßen-Fahrzeuge Geplanter Investitionsumfang > 150 Mio. € (1992 bis 2004).

Der Schwerpunkt erster Investitionen wurde auf die besonders hoch belastete Strecke mit Busbetrieb im Zuge der Stollberger Straße konzentriert.

Neben dem Ausbau des Streckennetzes stand die Notwendigkeit zur Sanierung der völlig überalterten Betriebshöfe und Werkstätten. Der Beginn der Umspurung und die Beschaffung der Tatra-Fahrzeuge hätten einen Umbau der Werkstätten erforderlich gemacht, der aber nicht erfolgte. Die bereits 1992 beabsichtigte Beschaffung von Neufahrzeugen erforderte dringend den Neubau einer Hauptwerkstatt. So flossen, anders als in Dresden und Leipzig, zunächst erhebliche Fördermittel des Landes in den Neubau von Betriebshöfen.175

Neben den beiden Betriebshöfen Adelsberg (Hauptwerkstatt für Stadtbahn-Fahrzeuge) und Werner-Selenbinder-Straße (Omnibusse) konnte bis 2006 die Stadtbahn-Neubaustrecke im Zuge der Stollberger Straße in Betrieb genommen werden.

Dringend notwendig war auch noch im Jahr 2008 die Wiederherstellung der nach Norden gerichteten Strecke im Verlauf der Leipziger Straße 176 nach Röhrsdorf. Fehlende Eigenmittel der Stadt schlossen bisher (trotz zugesagter Landesförderung) eine zeitnahe Realisierung aus.

Weitere Strecken im Rahmen des Umspurungsprogramms sind zwischenzeitlich in Folge der schrumpfenden Einwohnerzahl der Stadt Chemnitz zunächst nicht mehr geplant, sodass bis auf den Neubau Leipziger Straße das Umspurprogramm abgeschlossen ist.

175 Schwerpunkte für diese Baumaßnahmen waren die Jahre 1997-1999.

176 Die Prognose-Belastung des innerstädtischen Streckenabschnitts der Strecke nach Röhrsdorf liegt bei ca. 32 000 Beförderungsfälle pro Tag. (Vorbehalt: Verwendbarkeit der Prognose im Jahr 2008).

109 Bereits Anfang der 1990er Jahre entstanden erste Pläne für ein regionales, von Chemnitz ausstrahlendes Stadtbahnsystems. Die guten Erfahrungen der Karlsruher Verkehrsbetriebe und ihre Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbahn177 boten einen planerischen Ansatz, Neubaustrecken in Chemnitz so anzulegen, dass ihre unmittelbare Verbindung mit Strecken der Bahn und damit ein Regionalverkehr der CV AG auf DB-Gleisen möglich würde. Bei der Entwicklung ihrer neuen Fahrzeug-Generation bezog die CVAG derartige Überlegungen bereits mit ein.

Folgende Projekte konnten bis zum Jahr 2006 in Chemnitz abgeschlossen werden:

1992/1993 Rekonstruktion und Erneuerung von 50 Straßenbahnwagen der Bauart Tatra, 1993/2004 Bauarbeiten an der Neubaustrecke im Zuge der Stollberger Straße, 1993 Inbetriebnahme des ersten Niederflur-Fahrzeugs (Prototyps) der „Variobahn“178; 1994 Fertigstellung des neuen Omnibusbetriebshofes Werner-Seelenbinder-Straße und der 1993/1994 Hauptwerkstatt und des Betriebshofs für Stadtbahnfahrzeuge in Adelsberg, 1998/2000 Lieferung von 23 Fahrzeugen des zwischenzeitlich erprobten Niederflurfahrzeuges, 2000 Fertigstellung der neuen Zentralhaltestelle der CV AG in der Chemnitzer Innenstadt, 2005/2006 Inbetriebnahme der Neubaustrecke im Zuge der Stollberger Straße bis nach Hutholz.

177 Die Entwicklung des „Karlsruher Modells“ geht weit in die „Zeit der Deutschen Bundesbahn“ zurück.

178 Erprobung des ersten Niederflurfahrzeuges in Deutschland mit der geforderten Einstieghöhe von 20 cm über Straßenniveau bzw. Schienenoberkante; nach der Erprobung seit 1994 Regeleinsatz (NGT 6 der Bauart Chemnitz).

110 Bild 26 Verkehrsentwicklung, Investitionen und Länge der Stadtbahnstrecken der Chemnitzer Verkehrsbetriebe 1995-2005 [64]

70 40

60 35

30 50 25 40 20 30 15 20 10 beförderte Personen/Jahr Personen/Jahr beförderte Investitionen in Mio. €/Jahr Mio. in Investitionen Streckenlänge Stadtbahn (km) Stadtbahn Streckenlänge 10 5

0 0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

beförderte Personen (Mio/Jahr) Streckenlänge Stadtbahn (km)

Investitionen (Mio.€ )

Zur volks- und betriebswirtschaftlichen Bewertung und Beurteilung dieser außerordentlich intensiven Bau- und Investitionstätigkeit und des entsprechend hohen Kapitaleinsatzes muss auch die stadtstrukturelle Entwicklung in Chemnitz zwischen 1991 und 2005 heran gezogen werden:

Die Einwohnerzahl der Stadt war und ist weiterhin rückläufig; Chemnitz verlor in dem Betrachtungszeitraum mehr als 20 % seiner Einwohner.

Die Mobilität der Bevölkerung war bereits zwischen 1987 und 1991 leicht gestiegen, danach auf dem höheren Niveau konstant geblieben. Sie liegt heute im Vergleich zu anderen deutschen Städten mit 3,15 Fahrten bzw. Wegen je Einwohner und Tag im Durchschnitt.

Die Motorisierung der Chemnitzer Bevölkerung hat sich der anderer deutscher Großstädte angeglichen und diese überholt. Sie liegt 2006 bei ca. 450 Pkw je1000 Einwohner. Trotz der bedeutenden Investitionsleistungen der CV AG ist deren Anteil am gesamten Chemnitzer Stadtverkehr ständig zurückgegangen.

Der Rückgang der jährlich beförderten Personen von 60 Mio. auf 40 Mio. Fahrgäste könnte zunächst zur Aussage verleiten, die staatlichen und kommunalen Investitionen seien eine Fehlleitung öffentlicher Mittel gewesen, da eine Zunahme des Fahrgastpotential auf einzelnen Strecken nur eingeschränkt zu beobachten war und eine Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses der CV AG kaum erkennbar ist.[64]

Dennoch kann nicht festgestellt werden, dass die Investitionen im Bereich des Öffentlichen Nahverkehrs in Chemnitz keine Wirkung zeigten. Geht man davon aus, dass das Verkehrssystem des ehemaligen „Karl-Marx-Stadt“ vor allem durch die Stilllegung von Schmalspurlinien und zeitlich verschleppten Umspurungen in einem

111 überdurchschnittlich schlechtem Zustand war (beispielsweise im Vergleich zu Dresden oder Leipzig), so ist der größte Teil der Investitionen der Bestandssicherung und dem dringenden Nachholbedarf zuzuordnen. Ohne diese Sanierungsmaßnahmen, vor allem die bislang fehlende Infrastruktur der Betriebshöfe, hätte das Verkehrsunternehmen CV AG als Straßenbahnbetrieb nach 1990 kaum Chancen zum Überleben gehabt.

Mit den neu geschaffenen Werkstätten zur Fahrzeugunterhaltung, den sanierten und neu gebauten Gleisanlagen und den neuen Fahrzeugen hat sich Chemnitz ein entwicklungsfähiges Nahverkehrssystem geschaffen, dessen Erfolg nach der Verwirklichung weiterer Planungen und deren regionaler Einbindung eintreten wird. Ein wesentliches Bauziel wird dabei die Fertigstellung der nach Norden gerichteten Neubaustrecke in der Leipziger Straße darstellen.

Chemnitz ist in seiner Entwicklung des Öffentlichen Nahverkehrs gegenwärtig an der Stelle, an der westdeutsche Städte etwa 1977 standen, 10 Jahre nach Einführung der Förderung des ÖPNV durch Mittel des GVFG.

Bis dahin waren in nahezu allen Städten des alten Bundesgebietes die Fahrgastzahlen im ÖPNV geschrumpft, einhergehend mit einem anhaltenden Wachstum der Motorisierung. Die GVFG- Mittel, ergänzt durch jeweilige Landesförderung, führten in Westdeutschland zu wesentlichen Ausbauten der Nahverkehrssysteme mit dem Ergebnis eines nachhaltigen Verkehrszuwachses179. Auf der Basis der getätigten Neubaumaßnahmen ist für Chemnitz eine ähnliche positive Entwicklung vorgezeichnet, wie sie anderenorts stattfand; allerdings mit der Einschränkung, dass sich die Einwohnerzahlen in der Region stabilisieren.

Erste Erfolge zeigt die seit 2002 in Betrieb befindliche City-Bahn Chemnitz – Stollberg, der ersten Baustufe des „Chemnitzer Modells“.

4. 5. 4 Chemnitzer Modell

Während in den sächsischen Ballungsräumen Dresden und Leipzig wegen der dortigen Konzentration von Einwohnern und Arbeitsplätzen180 die Wiederherstellung der 1945 abgebauten „Fernbahn-unabhängigen“ S-Bahn-Systeme zur Lösung der regionalen und kommunaler Verkehrsprobleme erforderlich war, musste für Chemnitz in Anbetracht des geringeren Verkehrsaufkommens ein anderer Weg gesucht werden. Während des Aufstellungsprozesses für den Landesverkehrsplan war zu erkennen, dass mit einem Regionalbahn- oder Stadtbahnsystem nach Karlsruher Muster die Verkehrsprobleme der Region am besten gelöst werden könnten. Diese Zielsetzung wurde nach einer umfangreichen Prüfung im Rahmen einer Machbarkeitsstudie [65] als geeignete Konzeption für die Region Chemnitz in den Bedarfsplan für den ÖPNV des Freistaates Sachsen aufgenommen.

In die Region Chemnitz leben heute noch ca. 500 000 Menschen; die Kernstadt beherbergt davon etwa die Hälfte.

179 Beispielsweise konnte Köln durch U- und Stadtbahnbau ein ÖPNV System schaffen, dessen Bedeutung für die Bewältigung des städtischen Verkehrsaufkommens seit 1976 ständig zunimmt. Zwischen 1978 und 2003 ist die Zahl jährlich beförderter Personen von ca. 175 Mio. auf 250 Mio. gestiegen.. (Quelle: Verkehrsstatistik der Kölner Verkehrsbetriebe).

180 Regionale Einzugsbereiche von jeweils mehr als 1 Mio. Einwohner,

112 Vom Chemnitzer Hauptbahnhof geht eine Vielzahl von Bahnstrecken mit regionaler Bedeutung in die Nachbargemeinden aus. Diese führen in die Kammlagen des Erzgebirges, nach Neuhausen, Marienberg, Annaberg-Buchholz, Bärenstein und Aue sowie in die nähere Umgebung nach Stollberg, Burgstädt, Limbach-Oberfrohna und Hainichen. . Mitte der 1990er Jahre fand in Chemnitz eine grundsätzliche Abstimmung über die Bedienungsbereiche auf den Strecken der Deutschen Bahn und der kommunalen Verkehrsbetriebe statt: Die Abstimmung zwischen Land, den Kommunen und den Verkehrsbetrieben führte zu folgendem Ergebnis: Die DB übernimmt die Sanierung und Betriebsführung für die Strecken, die durch die Erzgebirgstäler bis in die Kammlagen des Gebirges führen und überträgt Bau und Betrieb zwei Tochtergesellschaften, der DB RegioNetz Infrastruktur GmbH für die Bauleistungen und Netzverantwortung, der DB RegioVerkehrs GmbH für die Betriebsführung.

An der Entwicklung des von Chemnitz ausgehenden Nahverkehrs nach Stollberg, Hainichen, Burgstädt und Limbach-Oberfrohna hatte die Bahn kein Interesse. Über einen Weiterbetrieb dieser Strecken hatte daher die „kommunale Ebene“, also die Stadt Chemnitz und die umliegenden Landkreise zu entscheiden. Zunächst übernahmen die Chemnitzer Verkehrsbetriebe im Auftrag der Stadt die Betriebsführung für die Strecke nach Stollberg.

Einem Beschluss des ÖPNV-Zweckverbandes Mittelsachsen (ZVM) folgend gründeten die Träger des Öffentlichen Nahverkehrs, die CV AG und die Autobus Sachsen GmbH, die Chemnitzer „City-Bahn GmbH“. Diese sollte nach Lieferung der notwendigen Fahrzeuge181 die endgültige Betriebsführung auf den Strecken übernehmen, die die Bahn zur Betriebseinstellung vorgemerkt hatte. Die Verantwortung für die Infrastruktur wurde von der DB der zeitgleich mit der City-Bahn gegründeten „Regie-Infrastruktur-Service Sachsen“ (RISS) übertragen.182

Zentraler Verknüpfungspunkt zwischen beiden Systemen (den EBO Strecken von der DB und den BO-Strab Stadtbahnstrecken) sollte der Chemnitzer Hauptbahnhof werden, an dem beide Netze in enge Berührung kommen. Umfangsreiche bautechnische Untersuchungen wurden notwendig, um die Realisierungsfähigkeit dieser Idee zu erkunden. Neben der Prüfung geeigneter bautechnischer Konzepte für die Verbindung zwischen den Stadtbahngleisen und den Bahnanlagen des Hauptbahnhofs bedurften die Fragen der Stromsysteme, der Fahrzeug- und Signaltechnik einschließlich der gesamten Betriebstechnik einer Klärung.

Wegen des Zeitbedarfs für den Planungsprozess bot sich als kurzfristiges Provisorium für das Chemnitzer Modell eine erste Baustufe mit den Chancen einer kurzfristigen Realisierungsmöglichkeit an, dessen Betriebsergebnisse als Orientierungshilfen für das Gesamtvorhaben dienen sollten.

181 Niederflurfahrzeug vom Typ NGT 6 LDZR, angelehnt an das Niederflurfahrzeug der CV AG.

182 Diese Übertragung bedeutete nicht, dass der Rechtscharakter der „EBO Strecken“ verändert wurde. 113 Bild 27 Strecken des Chemnitzer Modells

Rot dargestellt: Pilotstrecke Chemnitz – Stolberg

Als Voraussetzung für eine Finanzierung des Gesamtprojektes war eine volks- und betriebswirtschaftliche Prüfung notwendig. Diese führte auf der Basis der zur Verfügung stehenden Daten und recht unsicheren Verkehrsprognosen zu folgenden Nutzen-Kosten- Quotienten183 für die einzelnen Strecken:

Erste Baustufe des Chemnitzer Modells, Burgstädt und Oberfrohnah – Chemnitz Hbf – Stollberg 1,63 Pilotstrecke Chemnitz – Stollberg (südlichen Ast der ersten Baustufe) a) bei Gleichstrom-Elektrifizierung, angepasst an das CV AG Stromsystem 1,26 b) bei Wechselstrom (Bahnstrom)-Elektrifizierung 184 (Betrieb mit Zweistrom-Hybridfahrzeugen) 1,12

183 Das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung führte zur Förderfähigkeit des Projektes, damit zur Finanzierungsmöglichkeit zunächst der Pilotstrecke nach Stollberg. Es machte auch deutlich, dass die Strecke nach Stollberg zu elektrifizieren sei. (Gleichstromsystem wie CV AG.) Diese belegte weiterhin die Notwendigkeit, das Projekt um die „Baustufe Nord“ zu erweitern. Die volle Wirtschaftlichkeit sollte erst nach Fertigstellung der beiden nördlichen Zweige nach Burgstädt und Oberfrohnah eintreten.

184 Für die Prüfung der „Wechselstrom-Alternative“ gab es folgende Begründung: DB Netz war nicht bereit, die Bahnstrecke nach Stollberg an die RISS zu veräußern. Sie wollte auch für den City- Bahn Betrieb die Infrastruktur darbieten. Die Bahn drängte daher, wenn die Strecke von der City-Bahn befahren werden sollte, auf eine Elektrifizierung ihrer Strecke mit Bahnstrom (15 KV; 16 2/3 Hz). Erst nach einer Verständigung über die Verpachtung der Strecke zwischen DB Netz und RISS wurde eine Gleichstrom Elektrifizierung möglich.

114 Diese Ergebnisse ermöglichten die Realisierung des Projektes. Dennoch sollte eine Pilotstrecke den Erfolg des Modells nachweisen. Ausgewählt wurde der Abschnitt Chemnitz Hbf – Stollberg der ersten Baustufe.

Bild 28 Niederflurwagen der City-Bahn Chemnitz NGT 6 LDZR

Pilotstrecke Chemnitz – Stollberg (Erzgeb.)

Innerhalb des 1967 begonnenen Umspurungsprogramms der Chemnitzer Straßenbahn waren die Gleisanlagen im Zuge der Annaberger Straße nach Altchemnitz mit Normalspur ausgebaut worden und standen damit für die Überlegungen zur Verknüpfung der beiden Bahnsysteme zur Verfügung. Diese Stadtbahnstrecke, die innerhalb von Chemnitz parallel zur Eisenbahnstrecke in Richtung Stollberg verläuft, bot sich an, in Altchemnitz mit der Bahnstrecke verbunden zu werden und damit Ausgangspunkt für das Pilotprojekt zu werden. . Die von Chemnitz-Süd ausgehende, parallel zur Annaberger Straße verlaufende eingleisige Bahnstrecke hatte innerhalb der Stadt keine Zugangsstellen mehr. Es bot sich somit an, am Stadtrand von Chemnitz beide Strecken zu verbinden und zukünftig die Fahrzeuge der City- Bahn von der Annaberger Straße in Altchemnitz (Zwönitz Brücke) auf die Bahnstrecke nach Stollberg zu leiten. Die zwischen Chemnitz Süd und Altchemnitz verbleibende Bahnstrecke sollte damit allein dem Güterverkehr zur Verfügung stehen.

115 Einzelheiten der Pilotstrecke Investitionsvorhaben Anpassung der Bahnstrecke von Altchemnitz nach Stollberg an die Erfordernisse des Stadtbahnverkehrs (23, 5 km) Investitionssumme 26,9 Mio. €, Projektträger und Betriebsführer Chemnitzer City-Bahn, Bauausführung RISS, Planungsziele Direktverkehr zwischen der Chemnitzer Innenstadt und Stollberg mit Stadtbahn Fahrzeugen, Anbindung der regionalen Buslinien an die Zugangsstellen der City-Bahn Erforderliche Baumassnahmen Ausbau der Strecke für 80 km/h, Elektrifizierung (Betriebsspannung 750 V. Gleichstrom185), Anpassung der Bahnsteige an das Niederflursystem der CV AG, Neukonzeption der Fahrzeug- und Fahrwegsicherungstechnik, ESTW-Technik; INDUSI; Ausstattung der Weichen mit beweglichen Herzstücken, Fahrzeug-Entwicklung Weiterentwicklung des bereits für Chemnitz konzipierten Niederflur-Stadtbahnfahrzeuges NGT 6 zum NGT 6 LDZR186, Ausstattung mit einem „Radmischprofil“ zum Einsatz des Fahrzeuges auf EBO- und BO-Strab Strecken;

Nach einer kurzfristigen Betriebsführung durch die Erfurter Industriebahn auf der noch nicht sanierten Strecke und einer mehrjährigen baubedingten Unterbrechung des Eisenbahnbetriebes insgesamt nahm die City-Bahn im Dezember 2002 den Betrieb auf der Pilotstrecke Chemnitz Hbf – Stollberg auf.

Im laufenden täglichen Betrieb bestätigten sich die berechneten Fahrzeiten.

Die wesentlich verkürzte Fahrzeit, der Einsatz der Niederflur-Triebwagen, die gleichzeitige Einführung des Tarifverbundes in der Region Chemnitz und eine weitgehende Fahrplananpassung mit Anschluss-Garantie führten dazu, dass sich die Pilotstrecke unmittelbar nach Betriebsaufnahme als großer Erfolg darstellte.

185 Das Stadtnetz der CV AG wird mit einer Betriebsspannung von 600 V. betrieben.

186 Hersteller: Firma Stadtler, Berlin.

116 Entwicklung der Fahrzeiten (in Minuten)

Chemnitz – Stollberg vor und nach dem Streckenausbau und der Elektrifizierung 1990187 2003188 Chemnitz Hbf – Stollberg 56 46 – 48 einschl. 5 Minuten zusätzlicher Fahrzeit 23,5 km zwischen Zentralhaltestelle und Hbf

Altchemnitz – Stollberg 43 24 16,6 km (Ausbau-Streckenabschnitt)

Tabelle 12 Fahrgastentwicklung auf der Pilotstrecke (Personenfahrten / Tag in beiden Fahrtrichtungen)

1993 1998 1998 2003 Prognose DB Regio DB Regio Erfurter City-Bahn 2010 Industriebahn

Chemnitz 311 666 953 Hbf – Altchemnitz alte Strecke Chemnitz 5 950 >8 900 Hbf – Altchemnitz neue Strecke Altchemnitz - 329 620 920 3 000 > 6 640 Stollberg

Die ganz erhebliche Steigerung der Fahrgastzahlen war ein deutliches Zeichen für den Erfolg des Projektes. Derzeit werden die Prognosen für die Zahl der Beförderungsfälle zwar noch nicht erreicht; ein zu erwartender weiterer Fahrgast-Zuwachs von jährlich 6 % bis 2010 würde unmittelbar zur Zielprognose der NKU führen. Damit wäre auch die im Rahmen der WU postulierte Verlagerung von Individualverkehr zum Öffentlichen Nahverkehr eingetreten. Diese Entwicklung der Verkehrsnachfrage auf der City-Bahn bis 2007 ist vor dem Hintergrund des Rückganges der Einwohner und Arbeitsplätze in der Stadt und Region Chemnitz (zwischen 8 und 15%) als Erfolg des Projektes zu beurteilen.

Dieser Erfolg, den die City-Bahn auf der Pilotstrecke einspielte, bestätigt die Richtigkeit des gewählten Planungsansatzes. Die gewählte, besondere Art der Regionalisierung des SPNV hat zur Stabilisierung des gesamten ÖPNV in der Region Chemnitz geführt.

Zu bemerken ist noch ergänzend: Die Grundstücke und Gleisanlagen der Strecke Altchemnitz – Stollberg blieb auch nach Inbetriebnahme der City-Bahn im Eigentum von DB Netz; sie sind an die RISS verpachtet und der zur Betriebsführung überlassen. Ebenso blieben die Zugangsstellen (die Bahnsteige an den Haltepunkten) in der Hand von DB Stationen und Service. Sie werden von dieser auf Kosten der City-Bahn unterhalten.

187 Vor der Streckensanierung mit herkömmlichen Fahrzeugen der Deutschen Reichsbahn.

188 Nach Streckensanierung (einschl. Elektrifizierung) und Einsatz des Niederflur-Gelenktriebwagens.

117 Anschlussstrecke Stollberg - St. Egidien (- Glauchau und Zwickau)

Nach der Anmietung der Gleistrasse Altchemnitz – Stollberg übernahm RISS auch die Strecke Stollberg - St. Egidien.

DB Regio hatte wegen Unwirtschaftlichkeit den Betrieb zwischen Stollberg und St. Ägidyen eingestellt. Nach dem wirtschaftlichen Erfolg Chemnitz – Stollberg stellte sich ein Interesse der City-Bahn ein, einen durchgehenden Verkehr von Chemnitz über Stollberg und St. Egidien nach Glauchau und Zwickau anzubieten. RISS führte eine Generalüberholung der Strecke durch189. Die City- Bahn konnte danach unter Mitbenutzung der Fernstrecke Dresden – Hof den Betrieb zwischen Stollberg und Glauchau mit Dieseltriebwagen aufnehmen.

Die vorausgegangene Prüfung des Vorhabens orientierte sich an Folgendem:

Investitionsziel Grunderneuerung der von DB Netz zu übernehmenden 20 km langen Strecke; Ausbau der vorhandenen und geplanten neuen Haltepunkte,

Planungsziel Integration der Strecke in das „Chemnitzer Modell“, Baukosten 13,5 Mio. €.

NKU wurde nicht durchgeführt; die Bahnunternehmen führten nur betriebsinterne Prüfungen durch,

Finanzierung sollte vom Aufgabenträger190 durch den Einsatz ihm zustehenden Regionalisierungsmitteln erfolgen.

Erwartetes Ergebnis der Investitions- und Bautätigkeit:

Die Verkürzung der Reisezeiten (in Minuten) ist in der folgenden Tabelle dargestellt:

189 Aus Wirtschaftlichkeitsgründen unterblieb eine Elektrifizierung, zumal die Fernstrecke der DB St. Egidien – Glauchau nach Bahnmaßstäben elektrifiziert ist und ein durchgehender Fahrbetrieb mit dem elektrischen Niederflurwagen der City-Bahn nicht möglich gewesen wäre. Es sei denn, man habe bereits 2002 auf Zweifrequenz-Fahrzeuge zurückgreifen wollen.

190 Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen, Chemnitz (ZVM).

118 Tabelle 13 Entwicklung der Reisezeiten zwischen Stollberg und St. Egidien

Reisezeiten in Min. 1990 2003 Stollberg – St. Egidien 38 34 St. Egidien – Stollberg 40 - 50 31

Steigerung der Zahl der Reisenden (Fahrgäste pro Tag) auf der Strecke Stolberg – St. Egidien

2000 - Zählung DB Regio AG 196 2003 - Zählung durch City-Bahn 455 2006 - Zählung durch City-Bahn 1100

Bewertung: Es stellt sich heute die Frage, ob diese Bahnstrecke mit weniger als 1000 Reisenden pro Tag191 ausbauwürdig und ein Einsatz von 13,5 Mio. € Baukosten wirtschaftlich vertretbar war. Weiterhin ist kritisch nachzufragen, von welchen erwarteten Betriebsergebnissen die CV AG und ihre Tochterunternehmen bei der Prüfung des Projektes ausgegangen waren.

Während der Bauzeit führte ein regional tätiger Busbetrieb die Verkehrsleistungen zur vollen Zufriedenheit durch. Die Beibehaltung dieser Buslinie (einschließlich der Beschaffung neuer Kraftomnibusse) wäre nach einer Beurteilung des Projektes aus dem Jahr 2003 für die langjährige Betriebsführung wirtschaftlicher gewesen.

Eine Elektrifizierung der Strecke und damit die Möglichkeit eines durchgehenden Zugbetriebes von Chemnitz über Stollberg, St. Egidien und Glauchau nach Zwickau als Alternative zu dem in Stollberg gebrochenen System wäre allerdings noch weitaus teurer geworden und war vom Aufgabenträger verworfen worden. Das Projekt macht deutlich, dass die Finanzierung eines, in Erwartung von Zuschüssen vom Betreiber gewünschten Vorhabens ohne vertiefte inhaltliche Prüfung nicht vertretbar ist. Bei aller Kritik, die an Prüfungs-Verfahren geübt wurde, hält der Verfasser eine Förderung von Bauvorhaben allein nach dem „Zugriffsverfahren“ für nicht vertretbar. Betriebswirtschaftliche Prüfungen, die letztlich auch einen Hinweis auf mögliche spätere Betriebskostendefizite geben, sind unerlässlich. Die langfristig folgenden Kosten des Eisenbahnbetriebes sind nahezu immer subventionsbedürftig, die Bestimmung ihrer Größenordnung ist unerlässlich. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um staatliche oder kommunale Subventionen handelt.

Die jüngste Entwicklung der Fahrgastzahlen lässt diese Bewertung etwas zurück treten.

Innerhalb der Jahre 2003 bis 2006 hat sich die Zahl der Reisenden auf dieser Strecke verdoppelt. Die City-Bahn rechnet weiterhin mit einem jährlichen Zuwachs von etwa 10%. Erklärbar ist eine solche Entwicklung nur durch strukturelle Änderungen an der Linienführung parallel laufender Buslinien. Das Unternehmen berichtet Mitte 2007, dass erneute Untersuchungen zur Abstimmung des Busangebotes laufen, so dass bei daraus folgenden Maßnahmen eine weitere Steigerung der Fahrgastzahlen zu erwarten sein kann.

191 Aus fachlicher Sicht wird eine Zahl von 3000 Reisenden/Tag als gute Grundlage für die Erhaltung und den wirtschaftlichen Betrieb einer nicht elektrifizierten Bahnstrecke angesehen.

119 Ob die zukünftige strukturelle Entwicklung in der Region Chemnitz der Strecke als Bestandteil des Chemnitzer Modells zu einem Erfolg verhelfen wird, ist nicht voraussehbar und aus aktueller Sicht eher unwahrscheinlich.

Weitere Regionalstreckendes Chemnitzer Modells: Chemnitz – Burgstädt-Oberfrohna und (Chemnitz -) Niederwiesa – Hainichen

Im gegenseitigen Einvernehmen und zur Abgrenzung der Interessenlagen zwischen dem Aufgabenträger ZVM, der CV AG und der DB wurde für die weitere Entwicklung des Chemnitzer Modells folgendes vereinbart: Die City-Bahn betreibt mit eigenen dieselgetriebenen Fahrzeugen vom Typ „Regio Shuttle“ und in Abgrenzung zur Erzgebirgsbahn der DB den Schienenpersonennahverkehr im Stundentakt auf den Strecken  Niederwiesa – Hainichen und  Chemnitz Hbf – Burgstädt, so lange in Chemnitz Hbf die Verbindungsbahn zwischen den Netzen der CV AG und der DB fehlt. Sie nutzt die bahnseitige Schieneninfrastruktur von Chemnitz nach Burgstädt. Der RISS wurde die Infrastruktur auf dem Abschnitt Niederwiesa – Hainichen zur Generalüberholung und Nutzung übertragen. Der Vorlaufbetrieb der City-Bahn auf diesen Strecken zeigt eine durchaus positive Entwicklung. Der Verkehrsbetrieb kann mit einer jährlichen Steigerung der Fahrgastzahlen um ca. 6% rechnen, wenn sich die Entwicklung der Jahre 2005 und 2006 fortsetzt.192

Mittel- und langfristig sollen durchgehende Zugverbindungen zwischen Stollberg und Burgstädt und Hainichen mit neu entwickelten Hybridfahrzeugen angeboten werden.193

Der Baubeginn am Hauptbahnhof Chemnitz ist im Jahr 2009 vorgesehen. Die Planungen sehen eine Fertigstellung bis 2012 vor, so dass von da an ein durchgehender Zugverkehr der City- Bahn auf Durchmesserlinien darstellbar ist.

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vergleich der Regionen Chemnitz und Kassel, in denen nahezu im gleichen Zeitraum vergleichbare Konzepte entwickelt und zur Realisierung freigegeben wurden und in anderen Regionen Deutschlands (beispielsweise Kiel) ähnliche Konzepte geprüft werden. Der Umbau des Kasseler Hauptbahnhofs für den durchgehenden Regionalbahn-Zugverkehr zwischen dem Kasseler Stadtnetz und den Nahverkehrsstrecken der Region konnte im Jahr 2008 abgeschlossen werden. Seit dem bieten die Kassler Verkehrsbetriebe einen durchgehenden Zugverkehr aus dem Stadtnetz in die Region an.

4. 5. 5 Verkehrsbetriebe der Stadt Dresden

Die Entwicklung der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) zwischen 1990 und 2006, nach Rückübertragung an die Stadt Dresden und der Umgründung zur Aktiengesellschaft zeigt einen

192 Auf beiden Strecken unter den gegebenen Vorlauf-Bedingungen jeweils > 1000 Fahrgäste/Tag; (Zählungen der City-Bahn Chemnitz).

193 Als Beispiel für das in Chemnitz notwendige Hybrid-Fahrzeug sieht die City-Bahn ein von den Kasseler Verkehrsbetrieben mit Erfolg eingesetztes Fahrzeug „RegioCitadis“. Es wurde in Chemnitz probeweise eingesetzt.

120 ähnlichen Verlauf wie die der Leipziger Verkehrsbetriebe. Beide Verkehrsunternehmen waren und sind auch in ihrem Leistungsspektrum und der Größe des kommunalen Ballungsraum, den sie bedienen, vergleichbar.

Altlasten

Im Jahre 1989 umfasste das Streckennetz der Straßenbahn ca. 300 km. Davon waren 60 km in so schlechtem Zustand, dass der Betrieb zahlreiche Langsamfahrstellen eingerichtet hatte. Der schlechte Gleiszustand führte zu einem enormen Verschleiß an den Fahrzeugen, für deren Instandsetzung die Ersatzteile aus der damaligen Tschechoslowakei eingeführt werden mussten. In der Außenhandelsbilanzierung der DDR waren allerdings nur 20% des Bedarfs an Ersatzteilen, der sich ebenso in allen anderen Verkehrsbetrieben der DDR ergab, vertraglich abgedeckt. So kam es zu der paradoxen Praxis, durchaus reparaturfähige Fahrzeuge zur Ersatzteilgewinnung stillzulegen und auszuschlachten.

Der Schadwagenbestand mit 250 Fahrzeugen überschritt 1988 bei einem Gesamtbestand von 548 Triebfahrzeugen das Fahrplan-Soll von 324 T4D Wagen um 26 Triebfahrzeuge, sodass ein regelmäßiger Fahrbetrieb nicht mehr gewährleistet werden konnte.[66]

Der Kostendeckungsgrad des VEB Verkehrsbetriebe der Stadt Dresden war auf 16,7 % gesunken. Zudem hatte der Betrieb eine Hypothek bei der Staatsbank der DDR von über 13 Mio. Mark aufgenommen und zu bedienen. Es ist kaum vorstellbar, wie der Verkehrsbetrieb in einer solchen Situation die von ihm geforderten Leistungen in Zukunft hätte erbringen können.

Vor diesem Hintergrund bekamen die damals ca. 4.000 Mitarbeiter des Betriebes für ihre besonderen Leistungen im „Sozialistischen Wettbewerb“ noch im Jahr 1989 die „Gemeinsame Wanderfahne der Bezirksleitung der SED, des Rates des Bezirkes und des Bezirksvorstandes des FDGB“. Eine Kommentierung dazu erübrigt sich.

Mit dem Neubeginn nach 1990 bestand die Chance für die DVB, den Ruf, den die „Dresdner Straßenbahn AG“ in Deutschland innerhalb des Verbandes Öffentlicher Verkehrsbetriebe Deutschlands (VÖV) bis 1945 innehatte, wieder herzustellen. Notwendig war, mit Unterstützung durch den Bund und den Freistaat Sachsen den gesamten Fuhrpark, das Liniennetz und die Werkstätten zu modernisieren und ein neues Unternehmenskonzept zu entwickeln.

Investitionen

Die Verkehrsbetriebe reagierten offensiv, nahmen Kontakt zum VDV auf und stellten sich schnell auf die neu gegebenen Möglichkeiten zur Gestaltung des Betriebes ein. Aus der Städtepartnerschaft zwischen Dresden und Hamburg hatte sich bereits 1989 eine Kooperation mit der Hamburger Hochbahn ergeben.

So konnte sehr schnell und planmäßig mit Investitionen in die Streckenausrüstung, Fahrzeuge und Betriebshöfe begonnen werden. Mit 36 Mio. € im Jahr 1992 beginnend steigerten sich die Investitionen auf maximal 95 Mio. € im Jahr 2001 und erreichten mit wesentlicher Bundes- und Landesförderung während dieser ersten zehn Jahre einen Gesamtbetrag von 645 Mio. €.

121 Die Mittel flossen zunächst in die Modernisierung der schadhaften Tatra-Fahrzeuge194, ab 1994 in die Beschaffung des neu entwickelten Fahrzeuges NGT 6 DD195. Knapp 500 Mio. € investierten die DVB bis 2001 allein in Gleisanlagen und Betriebshöfe.

Neben der Wiederherstellung schadhafter Streckengleise konzentrierten sich die Dresdner Verkehrsbetriebe bereits 1991 auf ein GVFG-Großprojekt, die Stadtbahnlinie 2, dessen Förderung zu 60 % vom Bund und zu 15 % vom Freistaat Sachsen zugesagt wurde.

Nach dem die „Standardisierte Bewertung für ÖPNV-Großvorhaben“ über einen ähnlichen Weg wie in Leipzig zu einem positiven Nutzen-Kosten-Quotienten geführt hatte, wurden die benötigten Bundes- und Landesmittel bewilligt und 1994 konnte mit dem Bau begonnen werden. Das Projekt ist fertig gestellt; bereits 2002 waren 85 % aller notwendigen Baumassnahmen abgeschlossen. Die Kosten beliefen sich auf 129 Mio. €; darüber hinaus wurde das Projekt „Stadtbahnlinie 2“ im Einvernehmen mit den Zuschussgebern um „Zulaufstrecken“ und „Achsenkreuzergänzungen“ mit Kosten von 34 Mio. €. erweitert. Bund und Land gewährten den Dresdner Verkehrsbetrieben für das Gesamtvorhaben knapp 115 Mio. € als Zuschüsse.

Investieren konnten die Dresdner Verkehrsbetriebe zwischen 1990 und 2005 insgesamt folgende Beträge, die sich aus Eigenmitteln, Zuschüssen der Stadt Dresden und Fördermitteln des Freistaats Sachsen sowie des Bundes zusammensetzten.196

Tabelle 14 Investitionen der Dresdner Verkehrsbetriebe zwischen 1990 und 2006

Investitionen in 1990/1991 1992 bis 2006 Sanierung überalterter Anlagen und der Tatra- 49,8 Mio. € Fahrzeuge Sanierung von Tatra-Fahrzeugen, neue Stadtbahnwagen und Kraftomnibusse 338,3 Mio. € Gleisanlagen und Streckenneu- und ausbau 298,5 Mio. € Betriebshöfe und Werkstätten 102,9 Mio. €

Gesamtinvestitionen in Sachanlagen 1990 bis 2006 789,5 Mio. €.

194 Der Bund hatte im Rahmen der GVFG-Finanzierung zugunsten der ostdeutschen Verkehrsbetriebe ein „Tatra- Fahrzeug Erneuerungsprogramm“ aufgelegt.

195 Bauart DWA (Deutsche Waggonbau AG, Werk Bautzen) später Bombardier.

196 Quelle: Angaben der Dresdner Verkehrsbetriebe in den Jahren 2002 und 2006.

122 Bild 29 Verkehrsentwicklung und Investitionen der Dresdner Verkehrsbetriebe197

140 90

80 138 70

136 60

50 134 40

132 30

20

130 Investitionen in Mio.€/Jahr beförderte Personen in Mio./Jahr in Personen beförderte 10

128 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Beförderte Personen Investitionen

Zwischenzeitlich ist das Dresdner Stadtbahnnetz weitgehend nach den derzeitigen technischen Standards ausgebaut; der Betrieb erfolgt weitgehend mit Niederflur-Neubaufahrzeugen vom Typ NGT 6 DD, NGT 8 DD und NGT 12 DD198, von denen bis 2006 insgesamt 145 Fahrzeuge neu beschafft worden sind.

Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den getätigten Investitionen in Sachanlagen und der Entwicklung der Fahrgastzahlen bei der DVB ist, wie das Diagramm zeigt, nicht klar erkennbar. Deutlich wird aber, ebenso wie in Leipzig, dass es dem Betrieb gelungen ist, mit einem neuen Betriebsprogramm, einer neuen Fahrzeugflotte auf erneuerten Stadtbahnstrecken mit benutzerfreundlichen Haltestellen und einem ausgereiften Fahrgast-Informationssystem das Fahrgastpotential aus der Dresdner Bevölkerung in wachsendem Umfang auszuschöpfen. Die Fahrgastzahlen waren in Dresden nach 1990 nicht in dem Umfang wie in Leipzig zurückgegangen. So war es möglich, auf relativ hohem Niveau die Stagnation des Verkehrsaufkommens der Jahre nach 1991 zu überwinden.

Das Diagramm zeigt, dass die Dresdner Verkehrsbetriebe bei einem stagnierenden Einwohnerpotenzial, allerdings auch bei weiter nahezu konstanten Investitionen in Fahrweg und Fahrzeuge ihre Beförderungsleistungen stabilisieren konnten. [67]

197 Anmerkung zum Bild 29: Für die hier dargestellten Einbrüche der Beförderungszahlen und Investitionen gibt es laut Geschäftsberichten der DVB folgende Erklärungen: Im Jahr 1998 nahm der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) seine Tätigkeit auf. Die Auswertung der Zählungen der Jahre 1998,1999,200 erbrachte eine falsche Zuordnung der Fahrausweise im Verbundgebiet zu Lasten der DVB im Verhältnis zu den anderen Partnern des VVO. Bis 2001 konnten diese Fehler bereinigt werden. Die geringen Investitionen im Jahr 2002 beruhen auf den erheblichen Störungen durch das Hochwasser der Elbe.

198 Das Fahrzeug NGT 12 DD der DVB ist nach deren Definition das längsten Straßenbahnfahrzeug Deutschlands.

123 Der Verband Deutscher Verkehrsbetriebe sieht auch für Dresden dennoch erheblichen weiteren Investitionsbedarf, wobei hier allerdings ein Gleichmaß zu großen westdeutschen Verkehrsbetrieben unterstellt wird. Alle deutschen ÖPNV-Betriebe streben für die nächsten Jahre erhebliche betriebliche Investitionen an. Dresden hat ebenso wie Leipzig trotz eines mit „U-Bahn bauenden Städten“ vergleichbarem Verkehrsaufkommen der Bundes- und Landesförderung gegenüber keinem Anspruch auf ein innerstädtische U-Bahn System angemeldet. Anlässlich des 75jährigen Jubiläums im Jahr 1947 trug sich die damalige Dresdner Verkehrsgesellschaft mit wesentlich weitergehenden Plänen, u.a. mit dem Einsatz zweigeschossiger Großraumfahrzeugen in einem unterirdischen Streckennetz.[68]

Die Erfolge der Betriebsführung nach 1991 brachten die DVB zwischenzeitlich in die „Oberliga“ der großstädtischen, deutschen Nahverkehrsbetriebe. Dieses emotionale Prädikat vermag das Unternehmen in seiner aktuellen Ausstattung am besten charakterisieren.

Hochwasserschäden aus dem Jahrhunderthochwasser der Elbe 2002 bei den Dresdner Verkehrsbetrieben [69]199

Einen besonderen Rückschlag für viele Öffentliche Verkehrsbetriebe in Sachsen, besonders die Dresdner Verkehrsbetriebe, brachte im Sommer 2002 das „100jährige Hochwasser“ von Elbe, Mulde und Weißeritz. Neben den DVB waren vor allem die ÖPNV-Betriebe in Pirna, Meißen und Eilenburg betroffen. Es entstanden Schäden in der Größenordnung von 90 Mio. €.

Die Überschwemmungen im Dresdner Stadtgebiet und die daraus erwachsenen Schäden an Gleisanlagen und Fahrzeugen waren so groß, dass auf einigen Linien der Straßenbahnbetrieb eingestellt werden musste. Die Beseitigung der Schäden begann noch im Herbst 2002 und erforderte bis in das Jahr 2005 Umleitungen, Streckensperrungen und Schienenersatzverkehre.

Im Rahmen der Beseitigung von Hochwasserschäden wurden nicht nur Gleise, sondern auch Haltestellen, Fahrleitungen, Geh- und Radwege sowie unterirdische Versorgungsleitungen erneuert. Die DVB nutzten die Beseitigung der Hochwasserschäden auch zur Forcierung ihres langfristig angelegten Strecken-Ausbauprogramms. Noch im Jahre 2005 wurden in diesem Rahmen 16,6 Mio. € investiert, so dass insgesamt 51,8 Mio. € für die Hochwasserschadensbeseitigung an der Straßenbahninfrastruktur erforderlich waren. Der Fahrgastschwund (in der Größenordnung von 0,73 % des Gesamtverkehrsaufkommens) durch die genannten Einschränkungen war kaum erkennbar.

Güterstraßenbahn

Der Gütertransport mit der Straßenbahn hat in Dresden eine lange Tradition. Im vorigen Jahrhundert wurden Lebensmittel, Wäsche, Maschinen und Baustoffe mit der Straßenbahn transportiert. Die Dresdner Straßenbahn stand als Transportunternehmen generell zur Verfügung und hielt für diese Zwecke einen eigenen Güterwagenpark bereit. Die Sparkassenorganisation Dresdens bediente sich bis 1989 der Straßenbahn zum Transport und zur Verteilung ihrer Dienstpost in dafür geeigneten Behältern.

Im Zusammenhang mit der Ansiedlung eines Automobilwerkes, der „Gläsernen Manufaktur“ des Volkswagen AG200 in Dresden am Rande des Großen Garten stellte sich die Transportfrage

199 Der Verkehrbericht 2004 des SMWA berichtet über 90 Mio. €. Schäden im Bereich des Öffentlichen Nahverkehrs innerhalb Sachsens, vor allem in Dresden, Pirna, Meißen und Eilenburg.

124 für alle Zulieferungen vom Logistikzentrum VW Dresden zum geplanten, innerstädtisch gelegenen Werk am Straßburger Platz. Der Transport mittels Lkw durch die Innenstadt schloss sich aus. Eine Ansiedlung von VW in Dresden war von der Lösung der Anlieferungsprobleme abhängig.

Für die DVB bot sich nach Prüfung damit ein neues Geschäftsfeld an. Der kommunale Verkehrsbetrieb gründete das in seiner Dimension in Deutschland einmalige Transport- und Logistik Unternehmen „CarGoTram Dresden GmbH“ und bot die Zulieferung zum geplanten Werksstandort am Straßburger Platz an. VW ging darauf ein. Damit konnte die Anlieferungsproblematik als gelöst angesehen werden und die VW-Ansiedlung wurde möglich.

Am 1.März 2001 konnte, noch vor der Fertigstellung des Dresdner VW-Werkes, der Güter- Straßenbahn-Betrieb201 mit neu entwickelten Spezialfahrzeugen zwischen dem VW Logistikzentrum in Dresden-Friedrichstadt und dem VW-Werk aufgenommen werden. Seit dem werden montags bis freitags etwa 10 Umläufe gefahren, die Transportkapazität liegt bei bis zu 30 Fahrten am Tag.

Die Anlieferung erfolgt „just in time“ über die ca. 6 km lange innerstädtische Strecke im Mischbetrieb mit dem öffentlichen Linienverkehr. Die Transportfahrzeuge sind annähernd 60 m lang und verfügen über 20 angetriebene Achsen. Ein Güterwagenzug hatte einen Anschaffungspreis von 1,8 Mio. €. Die Gesamtkosten für Fahrzeuge und die notwendige Infrastruktur (Anschlussgleise, Fahrleitung, Gleichrichter-Unterwerk und Signalanlagen) übernahm die Volkswagen AG.

Der Auslastungsgrad der Bahn beträgt nach Angabe von VW 80 %. Aufgrund der geringen Transportschäden, der Einhaltung abgestimmter Fahrpläne und flexibler Einsatzzeiten ist VW mit der Qualität der Versorgung zufrieden202

Die Fahrzeuge werden jeweils mit den Montage-Teilen für drei Pkw beladen; somit liefert die Güterbahn die Einzelteile zur Endmontage von 6 600 Volkswagen rechnerisch im Jahr an. Die tatsächlich beförderten Transportmengen werden weder von CarGoTram noch von VW bekannt gegeben.

200 Einem Montagewerk für Personenkraftwagen.

201 Innerhalb des Gleisnetzes der DVB waren einige Netzergänzungen vorgenommen worden.

202 Angaben des VW Werkes Dresden vom Oktober 2007.

125 Bild 30 CarGo-Tram Streckennetz

Quelle: Dresdner Verkehrsbetriebe

Bild 31 Cargo-Tram Fahrzeug

Quelle: Dresdner Verkehrsbetriebe

4. 5. 6 Verkehrsbetriebe der Stadt Zwickau

Die Stadt Zwickau gehört mit knapp 100 000 Einwohnern zu den bisher sieben kreisfreien Städten Sachsens203. Die Stadt liegt am Rande des Erzgebirgskamms und ist im Mittelalter durch den Bergbau zu ihrer heutigen Bedeutung herangewachsen. Im vergangenen Jahrhundert

203 Die Kommunalreform Sachsens 2008 gliedert die vier bisher kreisfreie Städte Görlitz, Hoyerswerda, Plauen und Zwickau in neue „Großkreise“ ein.

126 entwickelte sie sich zu einem bedeutenden Zentrum des Automobilbaus (Horch- und Audi- Werke, später Trabant-Werke, heute VW Sachsen).

Nach gescheiterten Versuchen, in Zwickau eine Pferdebahn zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt zu bauen, begannen 1892 Planungen zum Bau eines Elektrizitätswerkes und einer elektrischen Straßenbahn. Das Königlich-Sächsische Ministerium des Inneren und der Finanzen in Dresden genehmigte einen Teil dieser Planungen mit der Option auf eine spätere Erweiterung dieser Genehmigung.

Im Jahr 1894 wurde dann die erste elektrische Straßenbahn in Betrieb genommen. Vor dem Ersten Weltkrieg verfügte die Stadt über ein dichtes Streckennetz, für dessen Betrieb die „Städtische Straßenbahn Zwickau“ 1914 eine Verleihungsurkunde des Innenministeriums erhielt, mit der das Recht zum Betrieb der Straßenbahnen bis zum 31.Dezember 1999 verliehen wurde. In der Stadt begann damit eine strukturelle Entwicklung, die trotz des Automobilstandortes Zwickau wesentlich durch den Ausbau des Straßenbahnnetzes geprägt war.

In den 1920er Jahren baute der städtische Verkehrsbetrieb neben der Straßenbahn und dem Kraftomnibus (KOM) den Obus-Betrieb auf.

Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde als Reaktion auf Treibstoffzuteilungen der Obus- Betrieb verstärkt, bis er wegen überalterter Fahrzeuge 1977 still gelegt werden musste.

Nach schweren Kriegszerstörungen investierten die Zwickauer Verkehrsbetriebe (SVZ) erhebliche Mittel in die Funktionsfähigkeit des Linienverkehrs; neue Fahrzeuge (Straßenbahnfahrzeuge aus Gotha) und Kraftomnibusse wurden in Dienst gestellt und die Gleisanlagen rekonstruiert. Diese Entwicklung hielt wegen des bis dahin für die DDR wichtigen Steinkohleabbaus bis etwa 1975 an. Nach dessen Ende erhielt der Betrieb nur in beschränktem Umfang staatliche Mittel für Investitionen. So mussten aufgrund erheblicher Gleisschäden einzelne Streckenabschnitte stillgelegt werden. Ende der 1970er Jahre sollte der Straßenbahnbetrieb in Zwickau auf Initiative der SED Kreisleitung und daraus folgend des Rates der Stadt völlig eingestellt werden. Dieses Vorhaben scheiterte an der Gegenwehr der Öffentlichkeit, der Zwickauer Bevölkerung und der Verkehrsbetriebe sowie an der sich anbahnenden Ölkrise.[70]

Dennoch standen die Zwickauer Verkehrsbetriebe im Jahr 1989 kurz vor dem „Aus“. Die ortsfesten Anlagen der verbliebenen Strecken waren kaum noch betriebssicher. Das Neubaugebiet Eckersbach im Osten der Stadt bedurfte dringend einer geplanten Straßenbahnanbindung. Das Projekt kam wegen einer notwendigen, aber nicht beschaffbaren Stahlbrücke über die Mulde nicht zustande, obwohl Gleise für einige Kilometer bereits fertig verlegt waren.

In Vorbereitung des „S- und Stadtbahn-Bedarfsplan“ der Staatsregierung wurde Anfang der 1990iger Jahre im Rahmen der Kommunalaufsicht die Wirtschaftlichkeit eines Fortbestandes der Straßenbahn in Zwickau untersucht. Die Prüfung ergab, dass ein neu zu gestaltendes Straßenbahnsystem aus volks- und betriebswirtschaftlichen Erwägungen sinnvoll ist, auch wenn erhebliche Investitionen in Gleisanlagen, Unterwerke, den Betriebshof und eine neue Fahrzeugflotte notwendig sind. Die Stadt selbst sah im Ausbau ihrer Straßenbahn die Voraussetzung für die Lösung der innerstädtischen Verkehrsprobleme.

127 Die Planungsempfehlungen des Bedarfsplans, an die die Förderung der notwendigen Investitionen gebunden war, sahen für Zwickau neben der Sanierung der verbliebenen drei Strecken drei Neubaustrecken vor: - Wiederherstellung der stillgelegten Strecke durch die Innenstadt, - Fertigstellung der Linie nach Eckersbach, - Neubau einer Strecke nach Süden, in das weitere Neubaugebiet Neuplanitz.

Zwei weitere Neubauprojekte wurden aus verkehrswirtschaftlichen Gründen verworfen.

Die Inbetriebnahme der ersten Neubaustrecke mit 3,5 km Länge nach Eckersbach konnte bereits im Jahr 1992 erfolgen.

Zentrales Anliegen der Stadt war die Wiederherstellung der stillgelegten Linie durch die Innenstadt, um die zentralen Einrichtungen und das Einkaufszentrum besser erreichbar zu machen.

Trotz abnehmender Einwohnerzahlen betrieben die Stadt und ihr Verkehrsbetrieb die Entwicklungspolitik zugunsten der Innenstadt-Linie mit einer möglichen Verlängerung nach Süden voran, wenngleich die Verkehrsprognosen aus der Zeit unmittelbar nach der politischen Wende überholungsbedürftig geworden waren. Der Freistaat förderte das Projekt aus verkehrspolitischen Gründen auch weiterhin.

Die Strecke konnte mit neu beschafften Fahrzeugen im Jahr 1994 in Betrieb genommen werden.[70]

Hervorzuheben ist die technische Ausstattung des Neubauabschnittes zwischen den Stationen Zentrum im Zuge die Schneeberger Straße204 und „Glück auf“ Center.

Im Rahmen der Regionalisierung des Eisenbahnpersonennahverkehrs hatte der Freistaat Sachsen die Eisenbahnleistungen des von Zwickau ausgehenden Vogtland-Netzes europaweit ausgeschrieben und die Regentalbahn mit der Betriebsführung beauftragt.

Gegenstand der Ausschreibung war die Frage, wie die Stadt optimal in das sich entwickelnde Vogtlandnetz angebunden werden könne. Der Hauptbahnhof Zwickaus liegt weit außerhalb des Stadtzentrums, seine Anbindung an das Stadtzentrum entsprach nicht den Qualitätsansprüchen, die heute an den ÖPNV zu stellen sind. Darüber hinaus verlangte das Regionalisierungsmodell Vogtland eine überzeugende Konzeption für die Integration des Zentrums der Stadt in das Vogtland-Modell.

Die Regentalbahn bot an, eine vom Zwickauer Hauptbahnhof ausgehende ehemalige Industrie- anschlussbahn als Gleisverbindung vom Hauptbahnhof zum „Glück auf Center“ (einem großen Einkaufszentrum am Rande der Innenstadt) der Zwickauer Straßenbahn zu nutzen und von dort aus auf einer gemeinsamen Gleistrasse mit der Zwickauer Straßenbahn einen Fahrweg in die Innenstadt zu finden. Daraus folgte, dass zwischen dem „Glück auf Center“ und dem Zentrum der Stadt auf eine Länge von mehr als einem Kilometer zwei „Drei-Schienen-Gleise“ zu verlegen waren, auf denen sowohl die dieselgetriebenen Triebwagen der Vogtlandbahn (Spurweite 1.435 mm) als auch die elektrischen Straßenbahnwagen des SVZ (Spurweite 1.000 mm) fahren können.

204 Die früher mit Erfolg betriebene Straßenbahnstrecke im Verlauf der Schneeberger Straße war Ende der 70iger Jahre wegen großen Schäden am Gleiskörper stillgelegt worden

128 Für den ersten Abschnitt vom Hauptbahnhof zum Straßenbahnnetz war die Strecke nach den Kriterien der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung (EBO) herzurichten, für den zweiten Abschnitt mussten sich die Planungen an der EBO und der BO Strab205 orientieren.

Die Strecke wurde so angelegt, dass die Fahrzeuge beider Bahnsysteme die Bahnsteigkanten unmittelbar erreichten, während die unterschiedlichen Fahrzeugbreiten durch einen vergrößerten Gleisabstand garantiert werden konnten. Die Schneeberger Straße steht nach dem Bau einer Umgehungsstrasse neben der Bahn allein dem unmittelbaren Anliegerverkehr zur Verfügung.

Die technische Bahnaufsicht forderte für die Eisenbahn- und Straßenbahnfahrzeuge zahlreiche Sonderausstattungen206.

Bild 32 Querschnitt „Drei-Schienen-Gleis Zwickau“

Dargestellte Fahrzeuge: SVZ – GT 6M (AEG); Regio-Sprinter der Vogtlandbahn (Siemens) Quelle: „Die Stadt- und Regionalbahn – Neubaustrecke – Zwickau“, Zwickau 1999

Die Inbetriebnahme des Systems erfolgte am 28.Mai 1999. Zum gleichen Zeitpunkt konnte das grenzüberschreitende Regionalprojekt „EgroNet“ den Betrieb aufnehmen207; damit wurden durchgehende grenzüberschreitende Zugverbindungen aus der Zwickauer Innenstadt heraus über Klingenthal – Kraßlitz bis nach Karlsbad möglich.208

Das für Zwickau entwickelte „Zweisystem Modell“ 209 stellte eine Weltneuheit dar und stieß europaweit auf großes fachliches Interesse.

205 Bau- und Betriebsordnung für Straßenbahnen.

206 Der Regio-Sprinter der Vogtlandbahn musste mit umweltfreundlichen Dieselmotoren nach Euro-Norm II, mit besonderen Bremsleuchten, Transponder und Fahrtrichtungsanzeigern bestückt werden; für die Straßenbahnfahrzeuge war ein zusätzliches Bremssystem erforderlich.

207 Siehe auch Kapitel 4. 3. 2. 6 Vogtlandprojekt (EgroNet)

208 Beides, das grenzüberschreitende Regionalverkehrssystem EgroNet und die „Drei Schienen Technik“ wurden im Jahr 2000 als „dezentrale“ Projekte Deutschlands auf der Weltausstellung in Hannover vorgestellt.

209 Zweisystem Modell: unterschiedliche Antriebsarten der Fahrzeuge; ungleiche Spurweiten. 129 Erhebliche Investitionen in Anlagen und Fahrzeuge, die im Wesentlichen zwischen 1991 und 1997 getätigt wurden, stabilisierten die Verkehrsbetriebe in Zwickau in technischer wie betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Das Fahrzeug-Erneuerungsprogramm war 1995 abgeschlossen worden; die wesentlichen Strecken-Neubauten konnten bis 2000 abgeschlossen werden. Das letzte größere Nahverkehrsprojekt Zwickaus, die Neubaustrecke zwischen „Glück auf“ Center und Neuplanitz wurde 2005 in Betrieb genommen. Damit hatte sich die Stadt ein beispielhaftes, zukunftsorientiertes ÖPNV-System geschaffen, dessen Einzelelemente die weitere Stadtentwicklung von Zwickau wesentlich beeinflussen werden.

Das folgende Bild 33 zeigt die besonderen Schwerpunkte der Investitionen in den Jahren 1994 bis 1998 und die Entwicklung des Verkehrsaufkommens zwischen den Jahren 1993 und 2005..

Rückblickend ist festzuhalten, dass in der Zeit nahezu stagnierender Einwohnerzahlen zunächst die Beförderungsleistung (wie in allen Städten Sachsens) zurückging. Die Baumaßnahmen der Jahre bis 1997 und die wesentlich verbesserte Qualität der Betriebsleistungen bewirken eine nahezu konstante jährliche Beförderungsleistung. Der dennoch in dem Diagramm erkennbare geringfügige Rückgang der Zahl der beförderten Personen zeigt die sinkenden Einwohner- und Schülerzahlen der Stadt Zwickau deutlich an.

Bild 33 Verkehrsentwicklung und Investitionen der Zwickauer Verkehrsbetriebe 1993 bis 2005 [71]

45 30

40 25 35

30 20

25 15 20

15 10

Fahrgäste (Mio.) Fahrgäste (Mio.) / Jahr 10 5 5 Investitionen / (Mio.€) Jahr

0 0 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Fahrgäste Investitionen Infrastruktur (Mio.€) Investitionen in Fahrzeuge (Mio.€)

Nach Abschluss aller Großinvestitionen in die Fahrzeugflotte, das Gleisnetz und die Betriebshöfe Schlachthostraße (Straßenbahn) und Eggerbach (Kraftomnibusse) stellten sich die Zwickauer Verkehrsbetrieb als zukunftsträchtiges und leistungsfähiges Verkehrsunternehmen dar. Die bilanzmäßigen Ergebnisse des Unternehmens fordern von der Stadt einen nahezu konstanten Betriebskostenzuschuss in Höhe von 6 bis 7 Mio. € im Jahr [71]. Dieser Betrag erscheint im Vergleich zu Betriebskostendefiziten anderer vergleichbarer kommunaler Verkehrsunternehmen gering. Das Unternehmen konnte sich bis heute konsolidieren und leistet für die weitere Stadtentwicklung Zwickaus einen wesentlichen Beitrag

130 4. 5. 7 Exkurs: Zeitweiliger Obus-Betrieb in Hoyerswerda

Die Stadt Hoyerswerda im Norden Sachsens gehörte seit Mitte der 1950er Jahre zu den staatlich besonders geförderten Städten der DDR. Der Grund dafür lag in der Bedeutung des Braunkohlenabbaus in Niederschlesien210; die Braunkohle war die Energiequelle der DDR schlechthin.

Zur Steigerung des Braunkohleabbaus war nicht nur das Kombinat „Schwarze Pumpe“ zum Abbau und zur Veredelung der Braunkohle geschaffen worden; vielmehr folgte zur Aufnahme zuwandernder Arbeitskräfte die Gründung von „Hoyerswerda-Neustadt“, einer Entlastungsvorstadt der Stadt Hoyerswerda. Der letzte „Volkswirtschaftsplan der DDR“ formulierte für 2000 eine Einwohnerzahl von 75 000 Personen.

Die Stadt hatte keinen eigenen Verkehrsbetrieb. Die erforderlichen Nahverkehrsleistungen bot der staatliche „VEB Kraftverkehr Schwarze Pumpe“. Dessen Leistungen waren für die Stadt, für das wachsende Verkehrsaufkommen nicht ausreichend. Nach einer heutigen Beurteilung bot sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen der damaligen DDR als günstigstes neues Verkehrsmittel für den innerstädtischen Verkehr der Obus an. Als Bemessungs-Grundlage für das Projekt waren bis zu 2000 Beförderungsfälle pro Richtung und Tag im Stadtbereich prognostiziert worden211.

Im Vergleich zu einem auch denkbaren Straßenbahnsystem erforderte das Obus-System wesentlich geringere Anlagekosten und war einfacher zu realisieren. Andererseits bot ein elektrisches Betriebssystem die Einsparung von bisher notwendigem Dieselbetriebsstoff für den Kraftomnibusverkehr.

Nach einem langjährigen Planungsprozess konnte der Obus-Betrieb am 6.Oktober 1989, dem Vorabend des „40. Jubiläums der DDR“ auf einer ersten Linie aufgenommen werden212. Auch nach der politischen Wende setzte der Verkehrsbetrieb den Ausbau des Netzes fort, so dass im Jahr 1992 ein Obus-Netz mit drei Linien und einer Gesamtlänge von 11 km betrieben werden konnte.213 Zum Einsatz kamen 10 Gelenkfahrzeuge vom Typ Ikarus GANZ.

Der Stadtrat von Hoyerswerda stand 1990 nach seiner Neuwahl, seiner völlig veränderten politischen Zusammensetzung dem Obus-Projekt als Relikt der DDR-Verkehrspolitik skeptisch gegenüber. Zu dieser Einschätzung mögen neben politischen Gesichtspunkten auch Fragen der Stadtgestaltung (Oberleitungssystem innerhalb der Altstadt) geführt haben. Er beschloss im September 1990 einen Baustopp für weitere Fahrstrecken-Elektrifizierungen innerhalb der Altstadt.

Am 1.Juli 1992 übernahm die neu gegründete Verkehrsgesellschaft Spree-Elster mbH der damaligen Landkreise Hoyerswerda, Spremberg, Weißwasser sowie der Stadtwerke

210 Ehemaliges Braunkohlenabbaugebiet Lausitz.

211 Prognose des VEB Kraftverkehr für das Jahr 2000, nicht veröffentlicht.

212 Betriebsspannung : 0,3 kV Niederspannung.

213 Der Freistaat Sachsen hatte nach seiner Neugründung mit einer ersten Beurteilung des Obus-Systems dessen Weiterentwicklung empfohlen.

131 Hoyerswerda mit ihrer Zweigniederlassung Hoyerswerda den Nahverkehr der Stadt und damit auch Anlagen und Fahrzeuge des Obus-Betriebes.

Zwischenzeitlich hatte sich die Entwicklung der Stadt verändert. Der Braunkohleabbau verlor nach der Wiedervereinigung maßgeblich an Bedeutung; die Einwohnerzahl der Stadt ging bis 1991 auf 68 000 zurück mit weiter fallender Tendenz.

Unter dem Gesichtspunkt einer umweltfreundlichen Verkehrsbedienung durch den Obus förderte der Freistaat Sachsen das Projekt trotzdem und empfahl der Stadt, das Obus-Netz bedarfsgerecht weiter auszubauen.214 Im Verlauf der weiteren Entwicklung distanzierte sich der Stadtrat Hoyerswerdas gänzlich von dem Projekt. Nach einem Baustopp für die Erweiterung des elektrifizierten Netzes im Jahre 1993 beschloss der Stadtrat 1994, für den Obus-Betrieb keine Betriebskostenzuschüsse mehr zu zahlen, was trotz der neu angelegten Infrastruktur zur Einstellung des Obus-Verkehrs am 31.12.1994 führte.

In das Obus-Netz waren bis 1993 für 20,58 km Fahrdrahtleitungen sowie ergänzende notwendige elektrische Anlagen sieben Mio. DM investiert worden.215 Nach Einstellung des Betriebes wurden die Fahrzeuge an Verkehrsbetriebe in Estland und Litauen verkauft. Dort bestand Bedarf an weiteren Fahrzeugen. Die Fahrleitungen und das Streckenzubehör wurden abgebaut.

Der öffentliche Nahverkehr in Hoyerswerda wird seitdem mit Kraftomnibussen betrieben.

In den 5 Jahren Betriebsdauer konnten bei einer Fahrleistung von 1,5 Mio. Straßen-km auf drei Linien jährlich bis zu 5 Mio. Personen mit dem Obus befördert werden.

Eine ernsthafte Begründung für die Einstellung des Obus-Betriebes hat die Stadt Hoyerswerda der Sächsischen Staatsregierung gegenüber nicht vorgetragen. Wenn der Freistaat dennoch auf eine Rückzahlung der geleisteten Fördergelder der Jahre 1990 bis 1992 verzichtet hat, so kann dieser Tatbestand nur auf die außergewöhnliche landespolitische Situation kurz nach der Neugründung Sachsens zurückgeführt werden. Förderrichtlinien des Landes waren damals noch im Entstehen, so dass eine rechtliche Grundlage für eine Rückforderung nicht bestand.

So sind die 1990 bis 1992 zu Gunsten der Obus-Infrastruktur nach Hoyerswerda geflossenen Mittel aus dem „Aufbau Ost“ jenem Finanzierungsbereich zuzuordnen, der bei den Verhandlungen zwischen dem Bund und den neuen Bundesländern zur Fortführung der Ostförderung auf erhebliche Kritik stieß und als Verschwendung bisher geflossener öffentlicher Mittel bezeichnet wurde.

Aus der Sicht des Autors liegen zwei sachfremde Gründe außerhalb einer verkehrspolitischen Bewertung vor, die in Hoyerswerda zur Einstellung des Obus-Betriebes geführt haben: Die Stadt Hoyerswerda war nie von dem Obus-System begeistert,216 was letztlich zur politischen

214 Schriftwechsel des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit mit der Stadt Hoyerswerda und Entwurf des Landesverkehrsplans: „Die Staatsregierung unterstützt die Erhaltung und den Ausbau der Straßenbahnnetze in Sachsen. In diesem Zusammenhang ermuntert die Staatsregierung die Stadt Hoyerswerda, den vorhandenen Obus-Betrieb bei Förderung durch das Land langfristig weiter zu entwickeln…“

215 Einschl. „umgerechneter“ DM-Ost Beträge; Berichte des Vorstandes des örtlichen Verkehrsbetriebes.

216 Externe kommunalpolitische Berater aus Pforzheim hatten den Stadtrat auf Grund der dortigen Erfahrungen von einem Obussystem abgeraten.

132 Entscheidung gegen ein DDR-Verkehrsprojekt führte. Ein Gutachten der WIBERA aus dem Jahr 1994 zur Wirtschaftlichkeit des Obus-Systems in Hoyerswerda217 stellte auf lange Sicht den Kraftomnibusverkehr als wirtschaftlicher dar im Vergleich zum Obus-Betrieb. Der Obus- Betrieb sollte nach dem Gutachten dennoch bis zur völligen Abschreibung der Fahrzeuge (15 Jahre) und der Fahrweganlagen 20 Jahre Nutzungsdauer) bis 2009 bzw. 2010 fortgeführt werden.218

Im Rahmen einer aktuellen Bewertung ist die Einstellung des Obus-Betriebes in Hoyerswerda kritisch zu beurteilen. Selbst bei Anerkennung stadtgestalterischen Defizite, die sich für Teile der Innenstadt von Hoyerswerda ergeben, ist dem Obus im Verhältnis zum dieselbetriebenen Kraftomnibusverkehr aus folgenden Gründen der Vorzug einzuräumen: - Nutzung einer speziell für den Stadtverkehr geschaffener modernen Infrastruktur; - einfache Wartung der Obus-Fahrzeuge - abgasfreier Stadtverkehr, was insbesondere innerhalb der Innenstadt von Vorteil ist.

Den Aussagen des WIBERA Gutachtens ist entgegenzustellen, dass der elektrisch betriebene Bus als System zwischen Kraftomnibus und Straßenbahn für Hoyerswerda kapazitätsmässig besonders geeignet war, die kommunale Nachfrage nach Verkehrsleistungen für die Stadt optimal zu erfüllen, vor allem, nachdem weitere Infrastruktur-Investitionen nicht mehr erforderlich waren.

Es bedarf keiner besonderen Vertiefung, dass Obus-Systeme in zahlreichen deutschen219 und europäischen220 Städten der Größenordnung von Hoyerswerdas wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden könnten.

Bild 34 Moderner Obus in Marienbad

217 Das Gutachten wurde nicht veröffentlicht.

218 Einzelheiten zum zeitweiligen Obus-Betrieb in Hoyerswerda wurden nach Kenntnis des Autors bisher nicht veröffentlicht. Der Inhalt des „Exkurs“ geht weitgehend auf zahlreiche Gespräche mit dem damaligen Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Spree-Elster mbH, Herrn Wolfgang Lucas, Hoyerswerda zurück.

219 Beispielsweise in Solingen und Esslingen.

220 Beispielsweise in Prag und Marienbad (CR). 133 4. 5. 8 Tarif- und Verkehrsverbünde in Sachsen

Wirtschaftlichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Effizienz sind im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs nur erreichbar, wenn alle Beteiligten, die handelnden Verkehrsunternehmen einer Region und die kommunalen Aufgabenträger eng zusammenarbeiten.

Vielfach führten auch in Sachsen der Parallelbetrieb von Bahn und Bus zu staatlich subventionierten Parallelverkehren und damit Konkurrenzen zwischen den Unternehmen. Neben dem Tätigsein verschiedenster kommunaler und privater Busunternehmen und kommunaler Straßenbahnbetriebe bot auch die damalige Deutsche Reichsbahn im Nahverkehr Verkehrsleistungen an, die mit dem regionalen Busverkehr in keiner Weise abgestimmt waren Unnötiger Aufwand, höhere Kosten und nicht gerechtfertigte finanzielle Forderungen an die Aufgabenträger des ÖPNV machten eine Koordination zwischen den Aufgabenträgern und den Verkehrsbetrieben notwendig.

Parallel zu größeren Investitionsvorhaben im kommunalen Verkehrsbereich wurden in den alten Bundesländern bereits um das Jahr 1980 Organisationsformen geschaffen, die durch eine geeignete Koordination der Verkehrsleistungen aller beteiligten Unternehmen nach dem System „mehrere Verkehrsunternehmen - ein Fahrschein, ein Fahrpreis, ein Fahrplan - ein Verkehrsangebot für den Fahrgast“ boten. Es entstanden Tarif- und Verkehrsverbünde, deren weitere Aufgabe es war, der Wirtschaftlichkeit des ÖPNV regional zu verbessern. Die Verbünde wurden als kommunale Zweckverbände, in gemischter Trägerschaft Kommunen und Verkehrsbetriebe oder in alleiniger Verantwortung der beteiligten Verkehrsbetriebe organisiert.

Im Jahr 1992 gab das SMWA durch die Einrichtung eines zentralen Vorbereitungsbüros den Anstoß zur Gründung von regionalen Tarif- und Verkehrsverbünden auch in Sachsen. Die Empfehlungen des Vorbereitungsbüros führten zu dem Vorschlag, für Sachsen ein flächendeckendes System aus 5 Tarif- und Verkehrsverbünden für die Regionen Dresden, Ostsachsen, Mittelsachsen, Vogtland und Mitteldeutschland (Region Leipzig einschl. Halle) zu schaffen. Die Träger der Verbünde sollten Kommunen und Verkehrsbetriebe sein. Die genaue Organisation wurde den einzelnen Regionen überlassen.

Die Verbünde finanzieren sich durch Pflichtumlagen der jeweiligen Gesellschafter oder Zweckverbandsmitglieder; sie erhielten als Starthilfe Landeszuschüsse.

Die Rolle der Verkehrsverbünde wurde durch die Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs in Sachsen erheblich aufgewertet. Das sächsische ÖPNV-Gesetz bestimmte die Verkehrsverbünde (in der Form von kommunalen Zweckverbänden) zu den Aufgabenträgern für den Schienenpersonenverkehr im Freistaat221. Sie bekamen damit den entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Schienenpersonennahverkehrs. Ihnen standen damit auch Mittel nach dem Regionalisierungsgesetz (RegG) des Bundes zur Verfügung.

Vor dem Hintergrund beabsichtigter Investitionen der einzelnen Verkehrsbetriebe kommt den Tarif- und Verkehrsverbünden in Sachsen mit ihrer Koordinationspflicht zur Mittelverwendung weiterhin eine große vom Freistaat übertragene Aufgabe zu.

221 Da der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) länderübergreifend auch Teile von Sachsen-Anhalt und Thüringen umfasst, war für die Zwecke der Aufgabenträgerschaft für den SPNV in der Region Leipzig ein eigener „Zweckverband SPNV Leipzig“ erforderlich

134 Alle in Sachsen tätigen Verbünde haben bisher durch die einheitliche Tarifgestaltung in ihrem jeweiligen Verbundgebiet und ihre Vorgaben für abgestimmte Fahrpläne der einzelnen Unternehmen wesentlich zum Wachstum des regionalen Verkehrsaufkommens beigetragen. Seit ihrem Bestehen zeigen diese trotz zurückgehender Einwohnerzahlen wachsende Fahrgastzahlen.

Bild 35 Verbundfahrgäste im Verbundraum des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes

200 180 160 140 120 100 80 60 40

Verbundfahrgäste in Mio./Jahr in Verbundfahrgäste 20 0 2001/2002 2002/2003 2003/2004 2004/2005 2005/2006 2006/2007

Abrechnungszeitraum

Anmerkung: Erweiterungen des Verbundgebietes in den Jahren 2004 und 2005 innerhalb Sachsens und nach Thüringen

Quelle: Die in den Bildern 35 und 36 verarbeiteten Daten entstammen den statistischen Erhebungen des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes und des Verkehrsverbund Oberelbe.

Beispielhaft zeigt das Bild 35 die Entwicklung des Verkehrsaufkommens innerhalb der Region Leipzig.

In ähnlicher Weise stellt sich der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) mit Sitz in Dresden dar. Er ist Aufgabenträger für den SPNV und koordiniert die Verkehrsleistungen von DB Regio (einschl. S-Bahn), der Dresdner Verkehrsbetriebe, des Regionalverkehr Dresden (RVD) und zahlreicher anderer öffentlicher und privater Kraftverkehrsbetriebe.

135 Bild 36 Struktur-Entwicklungen des Verbundbereiches Oberelbe 1998 bis 2005

140

120

100

80 in % 60

40

20

0

Verkehrswirtschaftliche und soziographische Entwicklung Entwicklung und soziographische Verkehrswirtschaftliche 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Erfassungszeitraum

Fahrgeldeinnahmen Anzahl der Fahrgäste Einwohner Beschäftigte Schülerzahl

4. 6 Entwicklung und Ausbau der Verkehrsflughäfen Sachsens

4. 6. 1 Flughafen Leipzig/Halle

4. 6. 1. 1 Grundsätzliche politische Einschätzung der Funktion der Verkehrsflughäfen für die wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung und deren Bewertung durch die Sächsische Staatsregierung

Mit dem Bau von Flugzeugen, der Entwicklung der Luftfahrt und der Luftlandeplätze in den 1920er Jahren wurde den in Deutschland politisch Verantwortlichen sehr früh deutlich, welche wichtige Rolle der Luftfahrtindustrie für die allgemeine volkswirtschaftliche Entwicklung haben würde. Sowohl die damalige Reichsregierung als auch die Landesregierungen und Großstädte Deutschlands engagierten sich, indem sie Gründungen von Luftverkehrsgesellschaften förderten und die Verantwortung für die Infrastruktur, d.h. für die Flughäfen, übernahmen. Sachsen sah die Prägung einer landesweiten Flughafen-Infrastruktur als besondere Maßnahme der Wirtschaftsförderung an und verfolgte dementsprechend eine sehr freundliche Luftverkehrspolitik. Diese wirtschaftspolitische Einschätzung des Luftverkehrs hat sich in der gesamten Zeit bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges bestätigt. Es war ein dichtes Raster von Flugplätzen und Landeplätzen entstanden, in deren Umfeld die wirtschaftliche Entwicklung prosperierte. Zahlreiche der in den 1920er Jahren entstandenen Luftlandeplätze entwickelten sich zu Keimzellen für spätere Verkehrsflughäfen.

An dieser vor allem wirtschaftspolitischen Beurteilung hat sich auch in jüngerer und jüngster Zeit nichts geändert. Vielmehr ist in den vergangenen Jahren deutlich geworden, in welchem Umfang die Nähe von Verkehrsflughäfen ein wichtiges Kriterium für Standortentscheidungen von Investorengruppen war und ist. Beispiele sind zahlreiche Flughäfen in Westdeutschland, deren Entwicklung und großzügiger Ausbau in den vergangenen 40 Jahren zahlreiche Unternehmen in das Flughafenumfeld

136 angezogen hat, erzeugten eine Eigendynamik, der wiederum eine Weiterentwicklung der Flughäfen erzeugte. Zudem entwickelten sich die Flughäfen auch selbst zu bedeutenden Arbeitgebern.

Die Verkehrsflughäfen in Sachsen folgen seit der Wiedervereinigung Deutschlands dieser Entwicklung.

4. 6. 1. 2 Förderung des Flugverkehrs und Entwicklung der Verkehrsflughäfen vor dem zweiten Weltkrieg

Die Bedeutung, die Sachsen dem nationalen wie internationalen Luftverkehr und damit den Verkehrsflughäfen Dresden, Leipzig, Plauen und Chemnitz beigemessen hat, war in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts beispielgebend innerhalb Deutschlands. Der Freistaat Sachsen zählte zu jenen Ländern in Deutschland, in denen Wirtschaft und Industrie die Notwendigkeit und Möglichkeiten einer eigenständigen Luftverkehrspolitik postulierten.

Im Jahr 1922 etablierten sich mit Unterstützung der Sächsischen Regierung die „Sächsische Flughafen Betriebs GmbH“ und wenig später die „Sächsische Luftverkehrs AG“. Dahinter standen in erster Linie volks- und betriebswirtschaftliche Vorstellungen, die sowohl von Seiten des Staates, der Großstädte und vor allem der Wirtschaft vertreten wurden. Die Gründungen hatten den Zweck, die Entwicklung des Luftverkehrs in Sachsen voran zu bringen.

Erfolge stellten sich ein: Bereits im Jahr 1925 entfiel mit 4 764 Flugbewegungen, damit 10 740 Passagieren mehr als 10 % des gesamten zivilen Luftverkehrs in Deutschland auf die sächsischen Verkehrsflughäfen. Die Flughäfen wurden sowohl von der Deutschen als auch von ausländischen Gesellschaften bedient.

Der Ausbau orientierte sich am zunehmenden Bedarf und führte zwischen 1930 und 1938 zur Anlage von „Großflughäfen“ im damaligen Sinn. In Dresden entstand im Jahre 1935 der Flughafen Dresden-Klotzsche. Bereits vorher waren die Flugplätze Leipzig-Mockau (als sächsische Gründung) sowie zunächst Halle-Nietleben, später für Halle der Flughafen Schkeuditz (als preußische Gründungen) entstanden222. Die Verkehrsleistungen stiegen dort bis 1937 auf über 80 000 Fluggäste und knapp 12 000 Starts und Landungen im Jahr. Mitteldeutschland erlebte vor allem durch die wachsende Chemische Industrie einen beispielhaften Aufschwung. Auch die Flugplätze Chemnitz und Zwickau trugen dazu bei, dass ansässige Unternehmen in Sachsen kräftig expandierten oder neu angesiedelt wurden223 und damit die wirtschaftliche Entwicklung in ihrem Umfeld erfolgreich beeinflussten.

222 Hinzuweisen ist auf das „verkehrspolitische Spannungsfeld“ in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zwischen Sachsen und Preußen, damit Leipzig und Halle, bei denen es um Luftverkehrsrechte im mitteldeutschen Raum und einen dringend notwendigen Verkehrsflughafens ging. Die Flugplätze in Leipzig-Mockau und Halle-Nietleben entsprachen um 1936 nicht mehr dem schnell wachsenden Luftverkehr und den Erfordernissen der damals jüngsten Flugzeug- Generationen. Letztendlich verständigten sich das Reichsverkehrsministerium und die Stadt Halle gegen den Willen Sachsens und der Stadt Leipzig auf den Neubau des (damals) außerhalb von Sachsen liegenden Flugplatzes in Schkeuditz, der den Namen Halle (Leipzig) erhielt. Der Standort Leipzig-Mockau verlor dadurch wesentlich an Bedeutung.

223 Halle: Neuansiedlung der Flugzeugindustrie (spätere Flugzeugbau Schkeuditz); Chemnitz: Maschinenbau- Industrie; Zwickau: Automobilindustrie.

137 Nach Kriegsbeginn im Jahre 1939 wurde der zivile Flugverkehr innerhalb Deutschlands auf Berlin beschränkt.

4. 6. 1. 3 Rolle der Flughäfen im Raum Leipzig in den Jahren 1945 bis 1990

Die Flughäfen Leipzig-Moskau und Halle (Leipzig) in Schkeuditz waren zu Ende des Krieges Opfer britischer und amerikanischer Luftangriffe. Wesentliche Teile der Anlagen wurden zerstört. Unmittelbar nach Kriegsende übernahm zunächst die amerikanische, später die sowjetische Militärverwaltung224 die verbliebenen Anlagen.

Auch nach der Rückgabe in deutsches Eigentum spielten beide Flugplätze keine wesentliche Rolle innerhalb des Verkehrssystems und der wirtschaftspolitischen Aktivitäten der DDR. Die beiden Standorte wurden wechselweise an wenigen Tagen des Jahres als Messeflughäfen betrieben; Schkeuditz erhielt einen dazu notwendigen geringfügigen Ausbau seiner Start- und Landebahn. Einen neuen Anfang gab es am 10.August 1989, ein Vierteljahr vor der Öffnung der Mauer. An diesem Tag nahm die Deutsche Lufthansa den Linienflug zwischen Frankfurt und Leipzig/Halle auf. Im Gegenzug eröffnete die DDR Fluglinie „“ eine Flugverbindung Leipzig/Halle – Düsseldorf.225 Die Lufthansa bezeichnete diesen Erstflug später laut Presseberichten als „Ein Loch in die Mauer geflogen“.

Am Flugplatz Dresden hingegen boten militär- und industriepolitische Gesichtspunkte den wesentlichen Anlass für die Wiederherstellung und Erweiterung der zerstörten Anlagen. Neben der Stationierung der Nationalen Volksarmee siedelte die DDR ihre Flugzeugindustrie in Dresden-Klotzsche an. Es entstand dort in unmittelbarer Nähe des militärisch genutzten Flugplatzes ein für Dresden völlig neuer Wirtschaftszweig: die Flugzeugindustrie der DDR.

4. 6. 1. 4 Übernahme der verkehrs- und finanzpolitischen Verantwortung der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt für die Flughafeninfrastruktur im Raum Leipzig und Halle

In Anbetracht der Bedeutung leistungsfähiger Verkehrsinfrastrukturen für den wirtschaftlichen Neuaufbau nach der Wiedervereinigung Deutschlands in Mitteldeutschland erkannten die neu gebildeten Landesregierungen Sachsens und Sachsen-Anhalts sehr bald ihre gemeinsame Verantwortung auch für den Luftverkehr.

Grund dafür war die klare Einschätzung, dass Flughäfen einen außerordentlichen Einfluss auf die jeweilige regionale Entwicklung haben und damit wesentlich zur wirtschaftlichen Prosperität beitragen können. 1990 war man sich einig, dass das Bruttoinlandsprodukt in den neuen Ländern so schnell wie möglich dem der alten Bundesländer angepasst werden musste. Die Flughäfen sollten ihren Anteil dazu beitragen.

Zudem erforderte infolge fehlender Alternativen für den Fernverkehr auf Straße und Schiene der explosionsartige Anstieg der Passagierzahlen226 ein unmittelbares und schnelles Handeln.

224 Nach der endgültigen Festlegung der Grenzen zwischen den Besatzungszonen in Deutschland.

225 Die Flugverbindungen boten beide Gesellschaften zweimal wöchentlich an. Die Maschinen mussten große Umwege über Prag fliegen, da die alliierten Luftkorridore zwischen Berlin und Westdeutschland nicht zur Verfügung standen. 226 Vervierfachung der Fluggastzahlen in Leipzig von 1989 bis 1991, bei weiter stark wachsender Frequenz in den Folgejahren.

138 Die Sächsische Staatsregierung nahm ihre traditionell luftverkehrsfreundliche Haltung wieder ein. Bereits im Jahr 1991 beschloss das Kabinett die Übernahme der Flugplätze Schkeuditz bei Leipzig227 und Dresden-Klotzsche (von der Treuhandanstalt bzw. der Bundeswehr in Dresden)228 in die eigene, vor allem finanzpolitische Verantwortung. Die Übergabe des Flugplatzes in Schkeuditz von der Treuhand AG an die Gesellschaft erfolgte am 16.Juli 1991.229

Der Kabinettsentscheidung war eine Prüfung der Frage vorausgegangen, ob statt einer Entwicklung der Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden im Raum Riesa ein sächsischer Zentralflughafen mit zwei parallelen Start- und Landebahnen entstehen sollte. Obwohl die Infrastruktur der Flughäfen in Dresden und Leipzig auch von DIW230 (siehe Anlage 1.5) als außerordentlich schlecht bezeichnet worden war, entschied man sich aus strukturpolitischen Gründen für die Entwicklung beider Standorte.

Da ein neuer sächsischer Zentralflughafen mit neuem Standort nach dem Vorbild des Münchner Airports (mit einem unabhängigen Parallel Start- und Landesbahnsystem) nicht infrage gekommen war231, setzte der Freistaat Sachsen im Verhältnis zu Dresden die Priorität für Leipzig und erwarb sehr frühzeitig im Umfeld des Standortes Schkeuditz232 wesentliche Ländereien.

Bereits vor der Übernahme durch die neuen Gesellschafter war im Mai 1991 im Auftrag der Treuhandanstalt unter Federführung des Freistaates Sachsen ein Bauausschuss konstituiert worden, der den zukünftigen Planungs- und Baufortgang im Auftrage eines noch zu bildenden Aufsichtsrates vorbereiten sollte. Dieser Ausschuss befasste sich mit den damals vom Flughafen München [72] vorgelegten „Empfehlungen zur stufenweise Anpassung der Flughafenanlagen an den Luftverkehrsbedarf“. Schwerpunkte dieser Empfehlungen waren der Vorschlag zum Bau einer zweiten Start- und Landebahn sowie die Verlegung der in unmittelbarer Nähe zum Flughafen gelegenen.

Nach der Neugründung der “Flughafen Leipzig Halle GmbH“ (FLH) wurden bereits erste Vorschläge zur Planung dieser zweiten Start- und Landebahn nördlich der Autobahn aufgegriffen, die allerdings aus Gründen des Lärmschutzes nicht in Parallellage zu der vorhandenen Bahn zu liegen kommen sollte.

227 Sie erfolgte gemeinsam mit Sachsen-Anhalt

228 Die Zahl der Geschäftsanteile Sachsens, Sachsen-Anhalt und beteiligter Kreise und Gemeinden an der Flughafen GmbH variierte in den letzten Jahren mehrmals.

229 Die Gründung der „Flughafen Leipzig GmbH“ war am 17.September 1990 noch vor der Wiedervereinigung Deutschlands erfolgt; die notwendige Betriebsgenehmigung sprach noch das Verkehrsministerium der DDR aus.

230 Der Flughafen verfügte nur über eine sehr schlecht unterhaltene, 2000 m lange Start- und Landebahn, nur über 12 Flugzeug-Abstellplätze. Seine Kapazität betrug max. 550 000 Passagiere im Jahr bzw. Start- und Landemöglichkeiten für 12 Flugzeugbewegungen in der Stunde. Er war nur mit einem Instrumenten-Landessystem der Sicherheitsstufe CAT I (Einfachste Kategorie mit einer Entscheidungshöhe für das Flugpersonal von 60 m über Grund und einer Landebahnsicht von mindestens 550 m oder einer Bodensicht von 800 m) ausgestattet.

231 Wenige Jahre später entschieden sich die Gesellschaft, den Flughafen mit zwei parallel zu betreibenden Start- und Landebahnen auszubauen.

232 Durch eine veränderte Grenzziehung zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt war der Flugplatz in Schkeuditz zwischenzeitlich zum Freistaat gehörig.

139 Anlass war die Vorlage einer Verkehrsprognose [73] für den Flughafen Leipzig Halle, die in Abstimmung mit dem Bundesverkehrswegeplan im Jahr 1992 erarbeitet worden war. Dieses Gutachten prognostizierte für das Jahr 2000 eine Zahl von 2,94 bis 3,53 Mio. Passagiere bei 42 700 bis 52 100 Starts und Landungen im Jahr. Als Langfristpotential erwartete der Gutachter für Leipzig Halle mehr als 100 000 Starts und Landungen sowie 7,0 Mio. Passagiere jährlich.

Weder das vorhandene Terminal noch die bestehende Start- und Landebahn wurden als geeignet angesehen, das prognostizierte Verkehrsaufkommen bewältigen zu können. Unter Beachtung des Zeitbedarfs für den Planungs- und Bauprozess war Eile für Entscheidungen zur Entwicklung geboten. Im Interesse der Unabhängigkeit des Flugbetriebes vom schlechten Wetter musste die Anpassung der Befeuerungsanlagen an der vorhandenen Start- und Landebahn zur Gewährleistung von CAT III233 dringend erfolgen. Als Folgerung aus einer Bestandsaufnahme der Anlagen des Flughafens und der Prognose entschied sich der Aufsichtsrat 1992 langfristig zu folgenden Maßnahmen: Neben der bereits vorhandenen ist eine weitere Start- und Landebahn (mit 3 500 m Länge für den Intercontinentalstart) erforderlich, Zur Abfertigung der Passagiere bedarf es eines neuen Terminals mit unmittelbarem Anschluss an die Autobahn und einen Fernbahnhof234 Für den Frachtbereich sind ausreichende Entwicklungsflächen bereitzuhalten.

An der bestehenden Start- und Landebahn, dem Vorfeld und allen anderen ortsfesten Anlagen waren erhebliche Mängel festgestellt worden, die als erste Maßnahmen dringend behoben werden sollten. Der Aufwand dafür wurde im Jahr 1992 auf 250 Mio. € geschätzt. Die Gesellschafter übernahmen die Kosten für die Beseitigung dieser gröbsten Mängel, d.h. der Sanierung der vorhandenen Flughafen-Betriebsflächen und die dringend notwendige Erweiterung des alten Messe-Terminals (A) aus der DDR Zeit, eines „Kiosk an der Start- und Landebahn.“

Damit sollten die Voraussetzungen für die (Wieder-)Herstellung einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit des Flugbetriebes bis 1993 erfüllt werden, allerdings unter den erschwerten Bedingungen eines parallel verlaufenden starken Wachstums des Verkehrsaufkommens.

Der Flugbetrieb nach CAT III a konnte im Februar 1994 aufgenommen werden.

4. 6. 1. 5 Rolle der Bundesregierung bei der Entwicklung des Flughafens Leipzig Halle

Der Flughafenausbau und –betrieb liegt grundsätzlich in der Zuständigkeit der Länder. Die Aufsicht über die Verkehrsflughäfen durch die Länder ist Bundesauftragsverwaltung. Somit gelten die Grundsätze der Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 85 des Grundgesetzes (GG). Die Länder beaufsichtigen gem. Art. 87 GG in Verbindung mit § 31 Luftverkehrsgesetz die Flugplätze im Rahmen der Auftragsverwaltung. Daraus folgt, dass die Länder (wegen ihrer Sachnähe) die Sachkompetenz innehaben, so lange der Bund nicht durch Weisung eingreift. Zwischen Bund und Ländern besteht daher eine Kooperation. Folgerichtig liegt die Zuständigkeit für die Flughafenentwicklung, d.h. für das Raumordnungs- und weitere

233 CAT III a: Entscheidungshöhe für das Flugpersonal zwischen 50 ft und 100 ft über Grund und Landebahnsicht mindestens 200 m.

234 An dem VDE 8.2, (geplanten Neubaustrecke Berlin – Leipzig – Nürnberg – München).

140 erforderliche Genehmigungsverfahren, bei den Ländern. Aus dieser Rechtslage ist keine eindeutige Verpflichtung zur Finanzierung der Flughäfen ablesbar.

In der Praxis war der Bund 1991 als Gesellschafter der Flughäfen Berlin-Tegel, Hamburg, Köln/Bonn, Frankfurt und München finanziell für diese Standorte mitverantwortlich. Zu erwarten war, dass der Bund nach der Wiedervereinigung ein ähnliches Engagement an einem der Flughäfen in Ostdeutschland zeigen würde. Erste Gespräche mit dem Bundesverkehrsministerium im Jahr 1992 ließen eine positive Entscheidung zu Gunsten des Standortes Leipzig, des größten ostdeutschen Flughafens erwarten.

Mit dem Argument, der Bund ziehe sich aus allen Beteiligungen an Flughäfen nach deren Fertigstellung zurück, lehnte er letztlich eine Beteiligung und damit Mitfanzierung am Ausbau des Standorts Schkeuditz ab, obwohl gerade dort erwartungsgemäß der größte Finanzbedarf bestand. Dennoch berücksichtigte der Bund die landesseitigen Maßnahmen zur Entwicklung des Flughafens durch Aufnahme in die Systematik des Bundesverkehrswegeplans 1992. Dieser erste gesamtdeutsche Bundesverkehrswegeplan, der die verkehrspolitische Zielsetzung der Bundesregierung nach der Wiedervereinigung darstellte, formulierte für alle Verkehrsflughäfen in Deutschland deutlich (Zitat): „Es kann davon ausgegangen werden, dass bei Annahme von Engpassfreiheit im Luftraum und im Abfertigungsbereich… sowie nach Ausführung der laufenden und künftig erforderlichen Investitionsmaßnahmen… bis ins Jahr 2000 die Kapazitätsgrenzen der Flughäfen bis auf wenige Ausnahmen nicht überschritten werden. Danach wird sich allerdings diese Situation generell verschärfen. Notwendige Anpassungsmaßnahmen müssen daher im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten frühzeitig entwickelt werden“.

Eine ähnliche Darstellung ist auch im Bundesverkehrswegeplan 2003 als Zielsetzung der Bundesregierung formuliert.

In Anbetracht der bereits 1992 erkennbaren wenigen Möglichkeiten zur Erweiterung der gesamtdeutschen Flughafen-Infrastruktur wurde Leipzig/Halle auch vom Bund als bedeutender Luftverkehrsstandort in Deutschland angesehen, soweit das Verkehrsaufkommen dort den Erwartungen der Prognostiker entsprechen würde. Dennoch standen die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und die kommunalen Gesellschafter damit vor dem Problem, die finanziellen Lasten für Entwicklung und Ausbau selbst zu tragen.

Der Bund verstand sich generell nur zuständig und verantwortlich für die landseitige Anbindung der Verkehrsflughäfen an das Fernbahn- und Straßennetz.

In Folge dessen legte der Bundesverkehrswegeplan 1992 den Bau eines Fernbahnhofes235 an der Neubaustrecke Berlin – Leipzig – Erfurt – Nürnberg – München und den sechsstreifigen Ausbau der Autobahn A 14 zwischen Leipzig und Halle fest. Soweit diese Projekte bis 2003 nicht vollständig realisiert waren, sind sie im BVWP 2003 als laufende oder vordringliche Vorhaben übernommen worden.

235 Seitens der Länder wurde vom Bund eine Beteiligung an den Kosten erwartet, soweit es sich nicht um Anlagen für den Nahverkehr handelte.

141 4. 6. 1. 6 Verkehrspolitische Zielsetzungen des Freistaats Sachsen

Trotz der Absage des Bundes zur Mitwirkung an der Entwicklung des Flughafens entschieden die Gesellschafter, angestoßen von den beiden Ländern, den notwendigen Planungsprozess sofort fortzusetzen.

Zunächst wurden Gutachten für die landesverkehrspolitische Zielsetzungen eingeholt, die zu einem Masterplan für den Flughafen führen sollten. Das SMWA erteilte dazu am 4. 6. 1992 Aufträge an die Büros „AKT & Partner“, „Parsons/Senator“ und „Schlegel/Spiekermann“. Die Gutachter sollten Vorschläge für mittel- und langfristige Planungs- und Baukonzepte vorlegen, um daraus einen Masterplan für den Flughafen entwickeln zu können.

Die Gutachten [74] wurden am 16. 10. 1992 fristgerecht beim Auftraggeber vorgelegt. Nach einer Vorprüfung wurden die Pläne einem international besetzten Sachverständigenausschuss vorgetragen und dort diskutiert. Die Jury kam (kurz gefasst) zu folgenden Empfehlungen an den Aufsichtsrat der FLH.

 Die Notwendigkeit einer neuen Start- und Landebahn Nord wird bestätigt. Sie soll aus Lärmschutzgründen nicht parallel zur vorhandenen Bahn angelegt werden. Der Zukunft bleibt überlassen, wann die vorhandene Bahn in Parallellage zu der neuen Bahn Nord gedreht und damit neu angelegt wird.

 Nach dem Jahr 2000 wird diese Grundsanierung (Neubau) der alten Landebahn Süd angesichts der gewichtsmäßigen Belastung, der ständig steigenden Lastwechselzeiten der Bahn und einem dadurch erzeugten Verschleiß unausweichlich. Die Bahn soll dann in ausreichender Länge für den Interkontinentalverkehr ausgebaut werden.

 Der Neubau kann hinausgezögert und zu einem späteren Zeitpunkt ohne mehrmonatige Sperrung des gesamten Flughafens erfolgen, wenn die Bahn Nord bald möglich zur Verfügung steht.

 Eine Verlängerung der Südbahn, d.h. deren kurzfristige Sperrung, ist ohne Nordbahn nicht möglich, da die dafür notwendigen Baumaßnahmen zur Betriebseinstellung führen würden.

 Auf der Basis der positiven Ansätze aus den drei vorgelegten Gutachten zu den Start- und Landebahnen, zur Entwicklung der Abfertigungsbereiche, der Verkehrserschließung sowie der Ver- und Entsorgung sollte die weitere Erarbeitung des Masterplans von der Flughafengesellschaft selbst durchgeführt werden.

Der Aufsichtsrat der Gesellschaft befasste ich im Laufe des Jahres 1993 mehrfach mit der Masterplanung und nahm abschließend die Empfehlungen der Jury zustimmend zur Kenntnis. Er folgte den Empfehlungen der Sachverständigen und beauftragte die Geschäftsführung, die abschließende Bearbeitung des Masterplans auf der Basis der vorgelegten Gutachten zu übernehmen.

Damit waren die ersten Schritte für ein mittelfristiges Ausbauprogramm des Flughafens abgeschlossen; die Geschäftsführung hatte den Auftrag, die Planung für die Startbahn Nord einzuleiten, den Bau vorzubereiten und dabei eine spätere Drehung der Südbahn zu berücksichtigen.

142 Das Sächsische Staatsministerium für Finanzen unterstützte den Planungsprozess durch großräumigen Grunderwerb, um die Flächen für die folgenden Baumaßnahmen zu sichern.

Die Planungen fanden ihren Niederschlag in grundsätzlichen Planungsdokumenten der Staatsregierung zur Landesentwicklung. Der Sächsische Landtag befasste sich im Rahmen der Behandlung des Landesverkehrsplans Sachsen, des Landesentwicklungsplans Sachsen und späterhin der Verordnung der Staatsregierung zum Fachlichen Entwicklungsplan Verkehr [64] im weiteren Sinn mit den Entwicklungsabsichten des Flughafens Leipzig Halle und nahm diese zur Kenntnis.

4. 6. 1. 7 Bauliche Entwicklungsphase II des Flughafens

Die Passagierzahlen stiegen entsprechend den Erwartungen im Jahr 1993 auf 1,5 Mio. weiter an.

Voraussetzung für den möglichst schnellen Bau der Nordbahn war der Abschluss eines Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahrens (letzteres nach den Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes)236. Das Raumordnungsverfahren für die Nordbahn wurde in Abstimmung mit Sachsen-Anhalt bereits im Jahr 1993 eingeleitet. Im Jahr 1995 erging der Raumordnungsbeschluss. Damit war die Grundlage für das anschließende Planfeststellungsverfahren gelegt.

Parallel zur Erweiterung der Flughafen-Betriebsflächen war dringend ein provisorisches Terminal notwendig, um das Passagieraufkommen, vor allem im Charterverkehr, zu bewältigen. Der Flughafen nahm daher am 12.Mai 1993 das Terminal C als Provisorium für die Passagierabfertigung in Betrieb; als Gebäude diente eine kurzfristig erbaute Mehrzweckhalle, die nach Fertigstellung des Terminal B für innerbetriebliche Zwecke des Flughafens genutzt werden sollte.

Für das (neue) Terminal B hatte der Aufsichtsrat bereits Ende 1992 die Vorplanung in Auftrag gegeben. Im Februar 1993 erfolgte die Projektfreigabe, die Geschäftsführung bekam den Auftrag, Detail- und Ausführungsplanung zu betreiben und das neue Gebäude bis April 1995 fertig zu stellen. Der Kostenrahmen belief sich auf 35 Mio. €, wobei die Geschäftsführung eine Leasingfinanzierung vorschlug.

Unter diesen Voraussetzungen konnte der Planungs- und Bauprozess beginnen.

4. 6. 1. 8 Wirtschaftliche Entwicklung im Umfeld des Flughafens

Die Zielsetzungen der Sächsischen Landesregierung waren von 1991 an auf eine intensive gewerbliche Entwicklung des Nord-Raums im Umfeld des Flughafens ausgerichtet. Im Wechselspiel sollte sich der Flughafen durch ein wachsendes Verkehrsaufkommen im Passagier- und Luftfrachtverkehr, veranlasst durch gewerbliche Ansiedlungen, entwickeln. Von einer guten Verkehrsinfrastruktur versprach man sich erhebliche Entwicklungs-Chancen für die gewerbliche Wirtschaft.

236 In Verbindung mit den erleichternden Bestimmungen des Verkehrswegebau-Beschleunigungsgesetzes.

143 Die Voraussetzung dafür war neben den Standortentscheidungen der Wirtschaft wiederum die bereits laufende aktive Grunderwerbspolitik durch das Sächsische Finanzministerium im gesamten Leipziger Nordbereich.

Diese Handlungsweise der Staatsregierung zeitigte bald Erfolge. Die weltwirtschaftliche Vernetzung der Region Leipzig Halle schritt voran. Der Flughafen bot gute Voraussetzung für Exporte in die osteuropäischen Staaten, zu denen noch aus DDR-Zeiten enge Handelsbeziehungen bestanden.

Auf den Flächen des ehemaligen Flughafens Leipzig-Mockau237 entstanden in den Jahren 1991 bis 1993 das große Zentrallager der Firma Quelle und das neue Messezentrum. Die Entscheidung der Messegesellschaft für ihren neuen Standort beruhte im Wesentlichen auf der Nähe zum Flughafen.

Sehr bedeutende Schritte auf dem Wege zum „Multipot Leipzig“238 war die Ansiedlung des Güterverkehrszentrums Leipzig (GVZ) 239 unmittelbar neben dem Flugfeld. Es sollte der Bündelung der Frachtverkehre der Region dienen. Die Deutschen Post siedelte ihre neuen Brief- und Frachtzentren in unmittelbarer Nähe des Flughafens an.

Auch das im Entstehen begriffene „Chemiedreieck“ südlich von Halle benötigte gute Verbindungen per Luftverkehr und profitierte von der Flughafenentwicklung. Die Automobilhersteller Porsche und BMW fanden ihre gewünschten Standortbedingungen im Raum Leipzig durch die Nähe zum Flughafen bestätigt.

Mit dieser Aufzählung sind nur die großen Wirtschaftsunternehmen angesprochen; eine Vielzahl von neu angesiedelten mittelständigen Betrieben rundet das Bild des flughafenbedingten Ansiedlungsprozesses ab.

Die wirtschaftliche Entwicklung im Umfeld erforderte jedoch auch ein stärkeres Engagement des Flughafens im Frachtbereich. Mit der Gründung der Frachtentwicklungs- und Abfertigungsgesellschaft mbH als Tochter des Flughafens erfolgte ein erster wichtiger Schritt in dieser Richtung. Als weitere Voraussetzung für die Steigerung des Cargo Geschäfts erfolgte die Süderweiterung des Vorfeldes für den Frachtverkehr.

Die im Umfeld des Flughafens deutlich erkennbare wirtschaftliche Entwicklung, das nachhaltige Wirtschaftswachstum, das Entstehen von Arbeitsplätzen bestätigte die Richtigkeit des 1991 eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Weges der Staatsregierung, Flughäfen zu fördern und damit Standortentscheidungen von Investorengruppen positiv zu beeinflussen.

4. 6. 1. 9 Einzelheiten der verkehrlichen Anbindung des Flughafens Leipzig/Halle

In den Leitlinien der Europäischen Union (EU) für die „Transeuropäischen Verkehrsnetze“ wurde der Flughafen Leipzig Halle als „Gemeinschaftskomponente mit wachsender Bedeutung

237 Der Flugbetrieb des Flughafens Leipzig-Mockau war 1991 nach Schkeuditz verlegt worden.

238 Begriff der Flughafen Leipzig Halle GmbH. Er wurde mit Blick auf die enge Verknüpfung von Industrie, Gewerbe, Logistik und Flughafen geprägt.

239 Das GVZ umfasst in Leipzig 325 ha Bruttofläche für Lager- und Umschlagsbetriebe; unmittelbar zu ihm gehören auch die Module GVZ Südwestsachsen in Glauchau und der Logistikpark Plauen.

144 und Knotenpunkt für das Transeuropäische Verkehrsnetz“ ausgewiesen, erhielt damit einen Stellenwert in der europäischen Verkehrspolitik.

Im Einzelnen baute die EU damit auch auf den Entwicklungszielen des Flughafens auf, bezog sich aber darüber hinaus auf folgende Projekte des Bundes, des Freistaates Sachsen und anderer Baulastträger:

 Anbindung des Flughafens an die Bundesautobahnen A 9 Berlin - München, die A 14 Magdeburg - Dresden sowie deren Anbindung an die A 17 Dresden - Prag.

 viergleisiger Fernbahnhof Flughafen Leipzig Halle an der Neubaustrecke Berlin – Leipzig – Erfurt – München im Netz der Transeuropäischen Verkehrskorridore.

 Anbindung des Südbereichs des Flughafens an die B 6 sowie weitere Staats- und Kommunalstraßen, damit unmittelbare Verbindung zum Container-Umschlagbahnhof Leipzig-Wahren.

 Anbindung des Frachtzentrums Süd an den Güterbahnhof Schkeuditz und damit an das gesamte Fernstreckennetz der Deutschen Bahn.

Bis auf die Neubaustrecke sind diese Projekte zwischenzeitlich realisiert worden.

4. 6. 1. 10 Entwicklungsphase III; mittel- und langfristiger Ausbau des Flughafens

Das Terminal B konnte im Jahr 1995 fertig gestellt und im Februar 1996 eröffnet werden.

Im Jahr 1995 legte die Geschäftsführung 1995 ein Gutachten der Technischen Hochschule Aachen über den Zustand der Südbahn vor. Der Gutachter stellte fest, dass die Restnutzungsdauer geringer sei als bisher angenommen; die Bahn daraus folgend den betrieblichen Erfordernissen angepasst werden müsse. Ab 2000 wären weitere Schäden zu erwarten und im Jahr 2003 sei die Tragfähigkeit der Bahn vollkommen erschöpft.

Nach der Vorlage des Raumordnungsbeschlusses durch das Regierungspräsidium Leipzig für die Nordbahn im März 1995 begann für die Gesellschafter der schwierige Klärungsprozess zur Finanzierung der zweiten Start- und Landebahn.

Eine kurzfristig durchgeführte Nutzen-Kosten-Untersuchung des Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle (ISW) [75], mit der eine nachvollziehbare Bestimmung der volkswirtschaftlichen Effekte der Landebahn Nord beabsichtigt war, sollte die Flughafengesellschaft ermuntert werden, die Finanzierung schnell zu sichern. Das ISW führte aus:  Die Verbesserung des regionalen Infrastrukturpotentials ist eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung des mitteldeutschen Wirtschaftsraums. Das Anliegen einer potentialorientiert ausgerichteten Politik kann durch den Ausbau des Flughafens (im weitesten Sinn) nachhaltig befördert werden.

 Überproportionale Nachfragezuwächse lassen in der Prognose Kapazitätsgrenzen des Flughafens sichtbar werden.

145  Der Flughafenausbau – und damit der Bau der Nordbahn – stellt eine aktive, länderübergreifende Wirtschaftsfördernde Maßnahme dar, von der nachhaltig positive Effekte für die Standortattraktivität des Freistaates Sachsen und des Landes Sachsen- Anhalt ausgehen.

Die Regierungen Sachsens und Sachsen-Anhalts schlossen sich dieser Argumentation an, verwarfen zunächst die Vorschläge für eine Sanierung der alten Bahn240 und entschieden sich für den Bau der Nordbahn. Die Planung sollte so erfolgen, dass späterhin eine gedrehte und verlängerte Südbahn an die Nordbahn angebunden werden kann,. Anmerkung hierzu: Diese Aussagen des Institutes für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle e.V. aus dem Jahr 1996 haben während der vergangenen 10 Jahre nicht an Gewicht verloren; sie sind infolge der Wirtschaftsentwicklung in beiden betroffenen Ländern gegenwärtig weit wichtiger als zum Zeitpunkt der Vorlage des Gutachtens. Sie bildeten somit auch die wirtschaftspolitische Empfehlung für den in den Jahren 2003 bis 2006 erfolgten Neubau der Landebahn Süd. Während bei anderen Verkehrsprojekten vielfach aus Gründen knapper Finanzmittel zunächst nur die Freihaltung von Möglichkeiten landespolitisch anerkannt war, wurden im Vollzug der eingeschlagenen Luftverkehrspolitik auch bei einer angespannten Haushaltlage Wege zur Finanzierung gesucht und gefunden. Der Freistaat Sachsen war und ist im Rahmen seiner Flughafenpolitik immer davon ausgegangen, dass Luftverkehrs-Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren sind.

Im Jahr 1996 fanden Gespräche in Brüssel mit Vertretern der Europäischen Union über die Finanzierung der Leipziger Projekte statt, um eine Mitfinanzierung zu erhalten. Die EU sagte eine 10%ige Förderung241 zu. Diese Zusage erleichterte den Gesellschaftern die Finanzierungsgespräche. Die neue Einschätzung des Bauzustandes der Südbahn hatte dazu geführt, dass sich alle Gesellschafter im Juli 1996 über die Finanzierung der Nordbahn verständigen mussten, so dass im Januar 1997 für den Zeitpunkt der Planreife die Vorbereitungsarbeiten für den Bau einer ersten Baustufe genehmigt wurden. Im März 2000 konnte die Nordbahn eingeweiht werden. Der Planfeststellungsbeschluss trat im Juli 1997 in Kraft; somit konnte im Sommer 1997 mit den Baumaßnahmen für die Nordbahn begonnen werden.

Im Auftrag des SMWA wurde parallel dazu ein erster Vorentwurf für eine gedrehte und verlängerte Südbahn in Auftrag gegeben, dessen Vorlage im Aufsichtsrat zu Diskussionen über die rechtzeitige Inangriffnahme auch dieses Projektes führte. Im Ergebnis zog man einen Neubau der Südbahn, soweit sich ein weiterer Verkehrszuwachs im Passagier- und Frachtbereich ergeben würde, nach der Fertigstellung der Nordbahn in Erwägung. Der Vorentwurf für die Südbahn war auch Anlass, die Zukunft des Krankenhauses Schkeuditz242 zwischen den zuständigen Fachministerien Sachsens zu diskutieren. Das Krankenhaus stand

240 Eine Sanierung wäre nur während einer -nicht akzeptablen-, mehrere Monate dauernde Schließung des Flughafens möglich gewesen.

241 Als Element der „Transeuropäischen Netze“ leistete die EU Baukostenzuschüsse für den Fernbahnhof und die Nordbahn.

242 Das Krankenhaus lag südlich der Südbahn in unmittelbarer Nähe zur Grenze des Flughafens.

146 jeder flächenhaften Ausdehnung des südlichen Flughafenbereichs im Wege, vor allem dem dort geplanten Frachtbereich. Im Vollzug der mehrfach zitierten luftverkehrsfreundlichen Politik des Landes wurde das Krankenhaus verlegt.

Parallel waren die Planung und der Bau des Parkhauses und eines neuen Zentral-Terminals betrieben worden, dessen Finanzierung unmittelbar über die FLH erfolgen sollte, da Parkhaus und neues Zentralgebäude eigenwirtschaftliche Bauvorhaben der Gesellschaft waren. In das neue Zentralgebäude sollte der neue Fernbahnhof der Deutschen Bahn eingebunden werden.

Dieses neue Zentralgebäude war als großzügig angelegter Verbindungsbau zwischen Nord- und Südbereich des Flughafens vorgesehen. Der Bau musste im Süden unmittelbar an das Terminal B anschließen und die Neubaustrecke der Bahn sowie die Autobahn überbrücken. In Parallellage zum Terminal entstand das erforderliche Parkhaus. Flugreisende erreichen damit die Check-in Schalter unmittelbar von einer Vorfahrt unter dem Zentralgebäude aus, durch Treppenanlagen vom Bahnhof aus oder unmittelbar aus dem Parkhaus. Das Zentralgebäude und das Parkhaus konnten im Jahr 2002 fertig gestellt und in Betrieb genommen werden. Einer langfristigen Vorausschau folgend sollen die erforderlichen Flächen für einen unmittelbaren Anschluss eines weiteren neuen Terminals Nord frei gehalten werden.

4. 6. 1. 11 Jüngste Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle

Mit Gründung der Easternair-Cargo im Jahr 2001 als Tochtergesellschaft der zwischenzeitlich geschaffenen Mitteldeutschen Flughafen AG (MFG)243 erhielt das Frachtgeschäft am Flughafen Leipzig Halle eine neue Dimension.

Mit dem Beschluss des Aufsichtsrates zur Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für den Frachtbereich Süd im Jahr 1998 hatten die Gesellschafter der LHF den wirtschafts- und verkehrspolitischen Anstoß für eine weitere maßgebliche Entwicklung des Luftfrachtgeschäftes gegeben. Die neue Cargo-Gesellschaft brauchte erweitere Betriebsflächen für das Frachtgeschäft. Die Anteilseigner der MFG folgten damit weiterhin den Empfehlungen der ISW und berücksichtigten die tatsächliche Wirtschaftsentwicklung im Raum Mitteldeutschland. Die Plangenehmigung für den neuen, im Südwesten der vorhandenen Südbahn gelegenen Frachtbereich Süd konnte im Jahr 2003 erreicht werden. Die Maßnahme wurde unmittelbar in Angriff genommen; nach Fertigstellung konnte der erweiterte Frachtbereich mit mehr als 130 000 t pro Jahr Luftfracht-Kapazität der Easternair-Cargo und anderen Luftfrachtunternehmen zur Verfügung gestellt werden. Die Planungen für den erweiterten Frachtbereich hatten die vorhandene Südbahn ebenso berücksichtigt wie die Möglichkeit deren spätere Verlängerung und Drehung.

Die Entwicklung des Frachtaufkommens war seit der Fertigstellung des Frachtbereiches Süd erwartungsgemäß gut. Im Jahr 2005 wurden knapp 13 000 t Luftfracht umgeschlagen; die neueste Statistik weist für 2007 mehr als 100 000 t aus. Mit diesen Zahlen hat Leipzig/Halle bereits im Jahr 2007 einen wesentlichen Platz im europäischen Luftfrachtverkehr erreicht und steht nach Frankfurt, Köln und München an vierter Stelle in der Reihe der Frachtflughäfen Deutschlands.

243 Die Mitteldeutsche Flughafen AG wurde im Jahr 2002 gegründet. Sie umfasst die Flughäfen Leipzig Halle, Dresden, die Easternair-Cargo und eine neue Abfertigungsgesellschaft, die Portground. Gesellschafter der MFG sind der Freistaat Sachsen (76,64 %), das Land Sachsen-Anhalt (18,54 %), die Städte Dresden (2,52 %), Leipzig (2,1 %) und Halle (0,2 %).

147 Im Jahre 2003 musste der Vorstand dem Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen erneut über den Bauzustand der Südbahn berichten. Es war festgestellt worden, dass sich der Zustand der Bahn unerwartet schnell verschlechtert hat. Die Start- und Landebahn war nun grundsanierungsbedürftig244. Trotz der seit 2000 praktizierten Regelbeschränkung auf Flugzeuge mit einer Abflugmasse von unter 30 t zur Minimierung des Verschleißes potenzierten sich die seit Jahren registrierten Schäden wie Rissbildungen, Kantenabplatzungen und Verschiebungen. Die Sicherheit des Betriebes auf der Südbahn war damit nicht mehr garantiert. Neue baustatische Prüfungen belegten den fortschreitenden Verfall. Eine Grundsanierung in alter Lage kam aus flugbetrieblichen Gründen nicht in Betracht245. Die Vorhaltung zweier, voneinander unabhängigen Start- und Landebahnen drängte sich angesichts des Bedarfs am Markt246 auf. Der Planfeststellungsbeschluss für die Nordbahn hatte bereits auf die Notwendigkeit eines kapazitätsmässig hoch leistungsfähigen Flughafens Leipzig/Halle in Mitteldeutschland mit ständiger Verfügbarkeit für den Passagier- und Luftfrachtverkehr ohne Beschränkung der Betriebszeiten hingewiesen. Die Entwicklung der Nachfrage im Frachtflugverkehr in Deutschland hatte eine Größenordnung erreicht, die Aus- und Überlastungen der Frachtflughäfen Frankfurt und Köln Bonn erwarten ließ. Beide Standorte, die auch mittelfristig kaum Erweiterungsmöglichkeiten hatten, stießen an ihre Kapazitätsgrenze. Dem konnte Leipzig/Halle bei Ausbau der Südbahn freie Kapazität ohne Nachtflugverbot gegenüberstellen. Anfragen namhafter Frachtflugunternehmen lagen für eine zukünftige Nutzung als Frachtflughafen vor.

In Folge des konkreten Bedarfs am Markt sowie der Ersatzbedürftigkeit der Südbahn hatte der Flughafen bereits im November 2003 beim Regierungspräsidium Leipzig den Antrag auf Planfeststellung für die Südbahn mit erweitertem Vorfeld gestellt. Die Planfeststellungs- unterlagen sahen eine gedrehte S- u. L-Bahn von 3500 m Länge parallel zur Nordbahn vor, eine Anbindung dieser an die neuen Frachtabfertigungsanlagen, dazu ein erweitertes Abfertigungsvorfeld, landseitige Erschließung der neuen Frachtanlagen über die B 8 und einen Containerterminal an der Bahnstrecke Leipzig – Halle.

Der Beschluss zur Planfeststellung erreichte den Antragsteller im November 2004. Unmittelbar im Anschluss daran beauftragte der Aufsichtsrat die Geschäftsführung der MFG mit der Klärung der Finanzierung und der Einleitung vorbereitender Maßnahmen zur Ausführung des Großvorhabens.

244 Die Startbahn hatte 1960 der damalige Flughafenbetreiber, die Interflug der DDR, in Auftrag gegeben. Sie musste trotz des damals geringen Verschleißes 1983 saniert werden. Die 1960 gewählte Konstruktion, die Materialien und das 1983 gewählte Sanierungsverfahren waren nicht geeignet, die Anlage langfristig betriebsbereit und schadensfrei zu halten.

245 Die Beibehaltung der Ausrichtung der Südbahn wäre bei einer Grundsanierung wegen eingeschränktem Parallelverkehr auf beiden Start- und Landebahnen und zu erwarteten Fluglärm-Auflagen nicht zu vertreten gewesen; die bisherige Ausrichtung entsprach weiterhin nicht den wünschenswerten flugmeteorologischen Anforderungen.

246 Zwischenzeitlich waren die Verkehrsprognosen für den Luftverkehr aktualisiert worden. Für die Verkehrsflughäfen in Deutschland (Quelle: BMVBS) wurden Verkehrszuwächse bis zum Jahr 2020 um 85% im Passagierverkehr, im Frachtbereich noch größere prognostiziert. Diesen Erwartungen wollte sich der Aufsichtsrat der MFG nicht entziehen.

148 Nach dem Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung konnte der Aufsichtsrat der Geschäftsführung den Auftrag erteilen, sofort mit den Bauarbeiten für die neuen Anlagen zu beginnen.

Mit diesem Beschluss ging eine über 80jährige Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle in die entscheidende Phase ihrer Vollendung. Vom Landeplatz der „tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ über den „Kiosk mit Landebahn zu DDR-Zeiten“ für Messe-Sonderflüge bis 1989 mit einer Infrastruktur, die dem Entwicklungsstand westdeutscher Verkehrsflughäfen nicht vergleichbar war, zu einem Airport internationaler und interkontinentaler Maßstäbe war ein Weg beschritten worden, den keiner der Flughäfen in der Bundesrepublik in vergleichbarer Zeit geschafft hatte. Mit Fertigstellung der Anlagen ist Leipzig/Halle einer der großen deutschen Verkehrsflughäfen geworden, der dem nationalen und internationalen Passagier- und Frachtverkehr täglich über 24 Stunden lang zur Verfügung steht. [76]

Bild 37 Luftbild des Flughafens Leipzig Halle nach Fertigstellung der neuen Südbahn

Quelle: Flughafen Leipzig/Halle GmbH

4. 6. 1. 12 Abschließende Bewertung der Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle

Im Mai 1996 hatte das Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle in seiner gutachterlichen Prognose folgendes ausgeführt:

„Volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analysen basieren auf einer Gegenüberstellung von Aufwendungen und Nutzungseffekten. Lassen sich die Aufwendungen in einer gewissen Weise quantifizieren, so ist es bei den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Wirkungen weitaus komplizierter, sachgerechte Quantifizierungen vorzunehmen. Dies trifft u.a. auf die mit der Entwicklung des Flughafens verbundenen Effekte, wie Imagegewinn für die Region, Stärkung des Selbstverständnisses der Bevölkerung und der Unternehmerschaft, Erhöhung der Ausstrahlungskraft und Attraktivität des Mitteldeutschen Wirtschafts- und Kulturraums etc. zu.“Dieser Einschätzung sind247 die politisch

247 Grundsätzlich sind bei allen staatlichen Infrastrukturmaßnamen, insbesondere im Verkehrsbereich, positive Ergebnisse einer Nutzen-Kosten-Untersuchung Voraussetzung einer öffentlich rechtlichen Finanzierung. Vielfach sind diese theoretischen Betrachtungen einer erwarteten Wirtschaftlichkeit des entsprechenden Projektes ein bürokratisches Hemmnis bei den Anstrengungen zu seiner Verwirklichung. In einer Rückschau auf 149 Verantwortlichen im Fall des Leipziger Flughafens gefolgt. Sie, insbesondere die Landesregierungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt, haben trotz einer zwischenzeitlich eingetretenen Stagnation des Verkehrsaufkommens die Entwicklung und Förderung der Luftverkehrsinfrastruktur in besonderem Maß vor Augen gehabt. Sie sind der oben geschilderten, langfristig angelegten verkehrspolitischen Zielsetzung gefolgt und haben damit den Flughafen Leipzig Halle und sein wirtschaftliches Umfeld auf einen Erfolgsweg geführt, der innerhalb Deutschlands beispielgebend ist. [77] Im Rahmen der vielfach geführten Diskussionen über den geeigneten Einsatz von europäischen und deutschen Strukturhilfemitteln für die neuen Bundesländer ist der Raum Leipzig signifikant für eine überaus richtige und erfolgsorientierte Verwendung.

Bild 38 Flughafen Leipzig/Halle, Verkehrsaufkommen /Fluggäste, Starts und Landungen [76]

3 60000

2,5 50000

2 40000

1,5 30000

1 20000 Passagiere (Mio.)/Jahr Passagiere

0,5 10000 Flugzeugbewegungen/Jahr

0 0

5 6 7 8 9 0 1 7 9 9 0 0 991 9 9 0 0 002 003 1 1992 1993 1994 199 199 199 1 1 2 2 2 2 2004 2005 2006 200

Passagiere Starts und Landungen (in 1000)

Im Bereich des Flughafens werden bis 2009 von der Flughafengesellschaft und den privaten Investoren in seinem Umfeld einige Milliarden € für Infrastruktur im weiteren Sinn veranschlagt und ausgegeben sein. Die wirtschaftlichen Erfolge sind erkennbar. Auch die Zahl der Fluggäste stieg bis 2006 deutlich über 2 Millionen Passagiere pro Jahr.

Verkehrsprojekte, die einer NKU unterzogen worden waren, stellen sich nach Inbetriebnahme meistens völlig andere volks- oder betriebswirtschaftliche Ergebnisse heraus, als sie die NKU postulierte oder prognostizierte.

150 Tabelle 15 Prognose der Flugbewegungen und des Frachtaufkommens am Flughafens Leipzig Halle

Flugbewegungen gezählt 2006 40 000 2007 51 000 erwartet 2020 108 000 Frachtumschlag gezählt 2005 29 000 t 2007 100 000 t 2008 450 000 t erwartet 2010 bis 800 000 t 2020 1 140 000 t

Mit dieser Prognose zielt Leipzig/Halle im Kreise der deutschen Verkehrsflughäfen auf den zweiten Platz nach Frankfurt (Main) in der Luftfracht- und Postverladung. Diese Umschlagsmenge dürfte im Jahr 2020 mehr als 200 Flugbewegungen pro Tag erzeugen. Ein großer Teil davon konzentriert sich auf die aufkommensstarken Spitzenstunden zwischen 22.00 und 6.00 Uhr. In dieser Zeitspanne ist der Betrieb beider Start- und Landebahnen erforderlich und bis auf Ausnahmen genehmigt.

Namhafte Frachtfluggesellschaften haben einen Teil ihrer Flotte zwischenzeitlich in Leipzig stationiert und bedienen den Flughafen mit innereuropäischen und interkontinentalen Verbindungen nach den USA, Kanada und Fernost. Die Ansiedlung weiterer Gesellschaften wird in Leipzig erwartet.

Mit der DHL-Zentrale in Leipzig248 ist der Flughafen eine internationale Drehscheibe im Weltluftverkehr. Das Postunternehmen errichtete neben dem vom Flughafen bereitgestellten Frachtvorfeld ein eigenes „Cargo-Umschlagszentrum“ mit unmittelbarem Anschluss an den neuen Luftfracht-Umschlagbahnhof Flughafen Leipzig Halle. DHL investierte in diesem Zusammenhang 300 Mio. € für die Logistikanlagen; die DB weitere 32 Mio. €249 für den Luftfracht-Umschlagbahnhof.

Auch in den jüngsten Prognosen im Rahmen des „Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur“ [78] sowie in der „Gleitenden Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr“ des Bundes wird die Richtigkeit der Wirtschaftspolitik der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt bestätigt. Danach soll sich der Luftverkehr (Passagier- und Frachtverkehr) in Deutschland bis zum Jahr 2015 um 75% bis 85 % erhöhen. Die Verkehrsflughäfen in Deutschland werden bis dahin an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, gewaltige Anstrengungen für ihren Ausbau machen müssen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Leipzig/Halle ist auf einen fairen Wettbewerb unter den Flughäfen vorbereitet und bietet ausreichende Kapazitäten für den Weltluftverkehr.

248 DHL hatte die bisherigen Standorte am Flughafen Köln Bonn und Lüttich (Belgien) wegen der Nachtflug- Beschränkungen aufgeben müssen.

249 Einschl. 23,7 Mio. € EFRE-Mittel aus dem Europäischen Regionalfond.

151 „Logistics Letter Leipzig“ [79] zitiert die Industrie- und Handelskammer Leipzig mit folgendem Inhalt: „Die Wirtschaft im Kammerbezirk Leipzig hat im Jahr 2006 am stärksten vom Aufschwung in Deutschland profitiert und ein Umsatzwachstum von 38,5 % erreicht… Man erwarte künftig …von der Logistik einen anhaltenden Schub, verbunden mit einer wachsenden Nachfrage nach hochwertig entwickelten und optimal angebundenen Gewerbeflächen im Norden von Leipzig“.

Bild 39 Flughafen Leipzig Halle Fracht- und Postaufkommen. [76]

120000

100000

80000

60000

40000

20000 Fracht- und Postaufkommen (t) Postaufkommen und Fracht-

0

2 6 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 200 2003 2004 2005 200 2007

Fracht- und Postaufkommen (t)

Bild 40 Verladung eines neuen S-Bahn Fahrzeuges am Flughafen Leipzig Halle in eine Maschine vom Typ Antonov Quelle: Flughafen Leipzig/Halle

152 4. 6. 2 Flughafen Dresden

4. 6. 2. 1 Ausgangslage

Die Verkehrsstatistiken der internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland zeigen für die letzten 10 bis 15 Jahre sehr unterschiedliche Entwicklungsphasen. Während die Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) für die einzelnen Standorte in Westdeutschland eine vergleichbare, zunächst leicht, ab 2005 stark steigende Entwicklung der Passagierzahlen ausweisen, zeigt der Standort Dresden eine davon wesentlich abweichende Entwicklung.

Infolge fehlender oder schlecht ausgebauter Landverkehrswege erlebte der Luftverkehr in die Landeshauptstadt Sachsens in den Jahren 1990 bis 1995 eine boomartige Entwicklung, der die dortigen Abfertigungsanlagen250 kaum gewachsen waren. Die Flughafengesellschaft stand daher vor der großen Aufgabe, möglichst schnell verlässliche Grundlagen für den notwendigen Ausbau der Abfertigungsanlagen zu erarbeiten und die darauf folgenden Baumaßnahmen flexibel der tatsächlichen Bedarfsentwicklung anzupassen.

Erste grobe Kostenschätzungen aufgrund eines Zielplans, den die Lufthansa gemeinsam mit der ADV vorlegte, machten bereits 1991 deutlich, dass mittelfristig Investitionen in der Größenordnung von mehr als 500 Mio.€. getätigt werden müssten251. Die Aufsichtsgremien der Gesellschaft forderten darauf aufbauend von der Geschäftsführung Vorschläge für Sofortmaßnahmen, die zu einem mittelfristig angelegten Ausbau- und Finanzierungsprogramm führen und der tatsächlichen Verkehrsentwicklung Rechnung tragen sollten.

Ausgehend von 609 000 Fluggästen im Jahre 1991 erbrachte eine Schätzung des vermuteten zukünftigen Verkehrsaufkommens durch die Geschäftsführung folgende Werte:

Erste Prognosen zur Luftverkehrsnachfrage für das Jahr 2000: [80]

Verkehrsaufkommen Personenverkehr: 1,77 bis 3,0 Mio. Passagiere/Jahr, Starts- und Landungen252: 32 000 bis 36 500 Flugbewegungen/Jahr.

Zugrunde gelegt waren die mehrfach zitierten allgemeinen Wirtschaftsprognosen für die Jahre bis 2000, die einen jährlichen Zuwachs der Bruttowertschöpfung in Sachsen von 10 bis 15 % erwarten ließen. Aus diesen Zielwerten für das Jahr 2000 wurde gefolgert:

Dresden benötigt:

- ein neues Terminal zur Abfertigung des Passagieraufkommens, - eine ÖPNV- Verbindung zur Innenstadt, - ausreichende Parkflächen in einem Parkhaus,.

250 Aus dem Jahre 1936 stammend.

251 Ähnlich wie der Flughafen München ein Entwicklungskonzept für Leipzig/Halle vorlegte, präsentierte der Flughafen Frankfurt (M) dem Dresdner Airport ein fünfstufiges Entwicklungskonzept, in dessen Folge die Verlegung des Terminals an die Nordseite mit einem unmittelbaren Autobahnanschluss vorgeschlagen wurde.

252 In Abhängigkeit vom Einsatz verschiedener Flugzeuggrößen und Flugzeugtypen. . 153 - die vorhandene Start- und Landebahn ist in ihrer Lage und Dimension vorläufig ausreichend; - eine weitere Start- und Landebahn ist nicht erforderlich.

Unabhängig von diesen Ausbauzielen mussten die ganz erheblichen Schäden an nahezu allen baulichen Anlagen beseitigt werden. Der Sanierung der Start- und Landebahn, der Rollwege und Vorfeldflächen musste höchste Priorität eingeräumt werden.

Im Interesse der Unabhängigkeit des Flugbetriebes von schlechten Wetterbedingungen war die Anpassung des Befeuerungs- und Flugsicherungssystems der S/L-Bahn an die Bedingungen des ILS-Chat. III erforderlich.

Die Prognosen versprachen weiterhin ein Potential von 10.000 Arbeitsplätzen in verschiedenen Bereichen und Unternehmen im Umfeld des Flughafens Dresden.

Die weitergehende Vorausschau aus dem Jahr 1992 auf die Verkehrsentwicklung zielte auf ein

Langfristpotential des Flughafens Dresden [81] von:

Verkehrsaufkommen Personenverkehr: 4, 31 Mio. Passagiere/Jahr, Starts- und Landungen: 72 500 Flugbewegungen/Jahr.

Dieser sehr weit gegriffenen und überaus optimistischen Prognose konnten sich die für den Airport Verantwortlichen allerdings nicht anschließen, so dass man sich zunächst nur auf eine Baustufe 1 verständigte, mit der ein Fluggastaufkommen von max. 3 Mio. Fluggästen im Jahr beherrschbar sein sollte.

4. 6. 2. 2 Exkurs: Vertiefte Prüfung des ÖPNV-Anschlusses des Dresdner Flughafens

Die Auffassungen über die Art und Qualität einer ÖPNV-Anbindung des Flughafens waren 1994 sehr unterschiedlich. Während das Land aus Gründen einer regionalen Verkehrsanbindung einen S-Bahnanschluss bevorzugte sprach sich die Stadt Dresden (bestärkt durch die Dresdner Verkehrsbetriebe) für eine Straßenbahn- bzw. Stadtbahnanbindung aus, die als Abzweig von der Strecke Innenstadt – Weixdorf vorgeschlagen wurde.

Im Rahmen von Nutzen-Kosten-Betrachtungen waren mehrere Varianten untersucht worden [82], deren Ergebnisse aber keine Entscheidungsgrundlage boten. Es wurde der Weg nach einer pragmatischeren und von herkömmlichen Verkehrsprognosen unabhängigen Beurteilung der Alternativen zugunsten einer sachgerechten Entscheidung gesucht.

Um den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden, vor allem aber im Blick auf eine zukunftsorientierte tragfähige Lösung holte das SMWA ein weiteres Gutachten ein und beauftragte „Retzko+Topp und Partner“ mit einem Variantenvergleich, an dessen Schluss eine verkehrsfachlich und verkehrspolitisch begründete Empfehlung stehen sollte.

Der Gutachter bestätigte die bereits mehrfach angesprochenen Bedenken bestimmten „Grundannahmen“ gegenüber, auf deren Basis beispielsweise Kostenermittlungen durchgeführt worden waren. Er hielt es daher für erforderlich, weitere Indikatoren einzuführen, mit deren Hilfe die Wirkung der jeweiligen Investitionsmaßnahme beurteilt und abgeschätzt werden konnte.

154 I: Wie hoch sind die tatsächlichen Kosten? II Wie groß ist der verkehrliche Nutzen? III Wie zügig lässt sich das Projekt realisieren?

Vor dem Hintergrund der Interessen des Freistaats Sachsen, der Stadt Dresden, der Flughafen GmbH und verkehrsplanerischer Aspekte bewertet er folgende vier Planungsfälle.

 Flughafenanbindung mittels einer kurzen neuer Stichbahn von Dresden-Klotzsche aus(Eisenbahnshuttle) zum Empfangsgebäude,  Straßenbahnanbindung über die Karl-Marx-Straße,  Ausbau des Dresdner DB Netzes zugunsten einer S-Bahn zum Flughafen,  Ausbau der Straßenbahnstrecke Innenstadt - Weixdorf zu einer Stadtbahn mit Flughafen-Anschluss.

Die gutachterliche Sichtweise [83] führte zu folgendem Ergebnis: „Die Anbindung des Flughafens sollte mit einem zukunftssicheren Verkehrsmittel erfolgen. Entscheidend für die Systemwahl ist nicht, welcher verkehrliche Nutzen durch eine Minimallösung erzielt werden kann, sondern welche Chancen ein ÖV-Verkehrsmittel dem Flughafen und seinen Fluggästen in Zukunft eröffnet. Diese Chancen sind bei Erschließung durch das System S-Bahn am größten…“

Die Aufsichtsgremien des Flughafens folgten dieser Empfehlung, wonach das SMWA in Verhandlungen mit der Deutschen Bahn zur Realisierung des S-Bahn-Anschlusses trat.

Die Dresdner Verkehrsbetriebe gaben darauf hin ihr Projekt einer Stadtbahn-Neubaustrecke von Johannstadt über die Waldschlösschenbrücke zur Strecke nach Weixdorf auf.

4. 6. 2. 3 Tatsächliche Entwicklung

Die tatsächliche wirtschaftliche und verkehrliche Entwicklung Sachsens und des Flughafens zunächst bis 2000 gliedert sich rückwirkend in zwei Entwicklungsphasen:

In den Jahren 1991 bis 1995 ergab sich ein durchschnittlicher Zuwachs der Wertschöpfung in Sachsen von 10,475 % jährlich; 1996 bis 2000 sank dieser auf durchschnittlich 1,72 % jährlich. In den Folgejahren stellte sich eine wieder steigende, aber sehr unterschiedliche Tendenz für das Wachstum des Bruttosozialproduktes ein.

Die tatsächliche Entwicklung der Passagierzahlen in Dresden verlief während des betrachteten Zeitraums nahezu parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung Sachsens. Während sich die Zahl bis zum Jahr 1995 auf 1,7 Mio. steigerte, stagnierte sie bis nach 2000 und pendelte um den Wert von 1,7 bis 1,8 Mio. Fluggästen pro Jahr.

Die jüngste Entwicklung der Fluggastzahlen nach 2005 zeichnet sich positiver ab. In den Jahren 2007 und 2008 zählte der Flughafen Dresden trotz baubedingter Unterbrechungen der Betriebsbereitschaft 1,85 Mio. Fluggäste bei 367.151 Flugbewegungen und erreichte damit einen bisher nicht erreichten Spitzenwert.

Die in den ersten beiden Phasen getätigten bedeutsamen Investitionen am Flughafen Dresden in Höhe von 1991 bis 1995 173 Mio. € 1996 bis 2000 198 Mio. €

155 fanden über 1995 hinaus bis 2004 offensichtlich keinen erkennbaren Niederschlag in der Entwicklung des Verkehrsaufkommens. Daraus ergibt sich eine Bestätigung der vielfach vertretenen These eines engen Zusammenhangs zwischen der Bruttowertschöpfung Deutschland und der Reisebereitschaft, nicht aber eine Abhängigkeit von den Investitionen. Der Passagier- und Luftfrachtverkehr eines Flughafens, letztlich auch die Reisebereitschaft wird weniger vom baulichen und betrieblichen Standard eines speziellen Flughafens als von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bestimmt253.

Die Inbetriebnahme des neuen Terminals [84], die Fertigstellung einer leistungsfähigen Autobahn-Anbindung oder des S-Bahn-Anschlusses254 in den Jahren 1999 bis 2001 führten in Dresden somit nicht zu einer Steigerungen des Verkehrsaufkommens. Die Dresden anfliegenden Fluglinien folgten der verringerten Nachfrage und dünnten bis ins Jahr 2002 ihre Flugpläne aus.

Wie DB Regio, der Betreiber der im Jahr 2002 in Betrieb genommenen S-Bahn und der zuständige Verkehrsverbund Oberelbe berichten, wurden die Erwartungen zur Auslastung der S-Bahnstrecke dennoch übertroffen.

Zusammenfassend sind die „Baumaßnahmen der ersten Entwicklungsphase“ bis zum Jahr 2000 im volks- und betriebswirtschaftlichen Sinn als die Grundvoraussetzung für eine zukunfts- orientierte Entwicklung des Dresdner Flughafens anzusehen, auch wenn die 1991 für 2006 erwarteten Ziele nicht erreicht werden konnten.

Nachdem diese Ausbauphase abgeschlossen war, steckte die Flughafengesellschaft neue Ziele ab. Hierzu gehörte eine Verlängerung und leichte Verschwenkung der mehrfach sanierten Start- und Landebahn sowie die Bereitstellung von Transport- und Lagerraum für Logistik- Dienstleister am Flughafen. Ende September 2005 konnte der Flughafen eine große Logistikhalle fertig stellen und dem Unternehmen Schenker zur Verfügung stellen. Schenker hat darauf hin für die in Dresden angesiedelte Halbleiterindustrie weltweite Logistikleistungen übernommen.

Die unmittelbaren Flughafenanlieger255 „Elbe-Flugzeugwerke“, eine Tochtergesellschaft von EADS (damit der -Industrie) und IMA/IABG, ein weiteres Unternehmen der Branche Luft- und Raumfahrt, forderten von der Flughafengesellschaft auf ihre unternehmerischen Bedürfnisse ausgerichtete technische Start- und Landebedingungen, dazu Garantien für ihren langfristigen Verbleib am Flughafen..

Die Elbe-Flugzeugwerke sind letztlich ein Nachfolgeunternehmen der DDR Luftfahrtindustrie. Insoweit ist folgender Rückblick auf ein Segment der DDR Wirtschaftspolitik von Interesse.

253 Diese Entwicklung am Flughafen Dresden bestätigt den bekannten Tatbestand, dass zwischen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, d.h. der Bruttowertschöpfung und der Reisehäufigkeit im Luftverkehr ein enger Zusammenhang besteht, der verkehrspolitisch kaum zu beeinflussen ist. Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt stellt in ihrem Bericht 89-04 (Berlin, Juni 1989) für (West-)Deutschland den mathematischen Zusammenhang zwischen Verkehrsaufkommen, Bruttoinlandsprodukt und Erwerbstätigen im innerdeutschen Flugverkehr her.

254 Den Empfehlungen von Retzko+Topp und Partner war zwischenzeitlich neben der Verbindungsstrecke Klotzsche – Flughafen der zentrale Bereich des Dresdner S-Bahnnetzes ausgebaut und der gesamte Streckenverlauf von Dresden-Neustadt zum Flughafen elektrifiziert worden.

255 Die beiden Unternehmen haben unmittelbaren Zugang zum luftseitigen Vorfeld und zur Start- und Landebahn.

156 4. 6. 2. 4 Exkurs: Elbe-Flugzeugwerke am Flughafen Dresden

Zu Beginn der 1950er Jahre plante die DDR-Regierung den Aufbau eines eigenen Verkehrsflugzeugbaus. Als Standort für die Flugzeugproduktion wurde der (damals) Militärflughafen Dresden-Klotzsche ausgewählt, wo die Baulichkeiten der Luftkriegsschule von 1937 gute Voraussetzungen für eine rasche Produktionsaufnahme boten. Nach zähen Verhandlungen mit den sowjetischen Truppen, welche die Anlagen in Klotzsche nutzten und hier einen regen fliegerischen Ausbildungsbetrieb durchführten, konnte ab 1955 eines der größten Investitionsvorhaben der DDR-Volkswirtschaft beginnen.

Auf dem Gelände des 1935 eröffneten Flugplatzes und der Luftkriegsschule wurde eine 2.500m lange und 80 m breite Start- und Landebahn errichtet, die – mehrmals instand gesetzt – bis Mitte des Jahres 2007 in Betrieb war. Außerdem wurden zwei gewaltige Montagehallen und eine Vielzahl weiterer Gebäude und Anlagen errichtet. Aus dieser Zeit stammt auch die Montagehalle 219, die zwischen 1998 und 2001 zum neuen Flughafen Dresden-Terminal umgebaut wurde.

Der Dresdner Flugplatz befand sich ab 1954 (nach Abzug sowjetischer Truppen) im Besitz der DDR-Luftfahrtindustrie und es begann die Lizenzproduktion von IL-14-P Passagierflugzeugen. Das ehrgeizigste Projekt der Ingenieure war ein Düsen-Verkehrsflugzeug, die B 152, die zum Aushängeschild des DDR-Flugzeugbaus werden sollte. Allerdings kam es durch Materialmangel und Kapazitätsengpässe zu erheblichen Verzögerungen bei der Entwicklung und beim Bau dieses ersten ostdeutschen Düsenverkehrsflugzeugs.

Am Vorabend des 1. Mai 1958 wurde „nach langen Mühen“ die B 152 feierlich vor die Halle 222 gerollt. Die DDR-Staatsführung nutzte das Roll-out für eine große propagandistische Inszenierung. Auf den Bildern der Fernsehkameras war der mangelhafte Montagestand der Maschine nicht zu erkennen, die Reden verschwiegen die erheblichen Terminverzögerungen. Erst Ende des Jahres war die B 152 zum Erstflug bereit, der schließlich am 4. Dezember 1958 gelang.

Aber schon bald erlitten die Arbeiten an diesem engagierten Projekt einen tragischen Rückschlag. Am 4. März 1959, bei seinem zweiten Flug, stürzte der B 152-Prototyp im Anflug auf Dresden knapp sechs Kilometer vor der Landebahn ab. Die vierköpfige Besatzung kam ums Leben. Die Ursachen des Absturzes sind nie endgültig geklärt worden, die Untersuchungen blieben streng geheim.

Die Il-14-P Serienproduktion wurde Ende der 1950er Jahre beendet, wodurch die gesamte Kapazität des Flugzeugwerks für die Fertigung der B 152 zur Verfügung stand. Nach neuerlichen Verzögerungen wurde 1960 ein weiterer Prototyp der B 152 fertig gestellt, der zwei erfolgreiche Probeflüge absolvierte. Zu dieser Zeit fiel die Entscheidung, den eben erst aufgebauten DDR-Flugzeugbau einzustellen. Das Prestigeprojekt hatte bis dahin bereits 1,3 Milliarden Mark verschlungen. Es wäre noch auf Jahre hinaus unwirtschaftlich gewesen. Dies hätte die ökonomische Leistungsfähigkeit der (dem Westen gegenüber) international isoliert arbeitenden DDR-Volkswirtschaft überfordert. Ihr fehlten die Absatzmärkte sowohl im Westen als auch im Ostblock, wo vor allem die Sowjetunion ihre eigenen Flugzeuge verkaufen wollte

157 Bild 41 Prototyp des Flugzeuges B 152 am Flughafen Dresden

Quelle: Flughafen Dresden GmbH

Nach dem Ende der DDR-Flugzeugbaus übernahm 1960 die Nationale Volksarmee (NVA) den Flugplatz. Aus dem Flugzeugwerk wurde die Flugzeugwerft Dresden, die sich mit der Instandsetzung militärischen Fluggeräts beschäftigte, während im Gebäude, wo die B 152 statisch getestet worden war, ab 1961 das Institut für Leichtbau und ökonomische Verwendung von Werkstoffen angesiedelt war.

Die Dresdner Luftfahrtindustrie hat nach der politischen Wende an alte Traditionen angeknüpft und sich wieder zum Zentrum dieser Branche in Sachsen entwickelt. Die EADS Elbe Flugzeugwerke GmbH (EFW) rüstet hier als einziges Werk der Welt Passagiermaschinen der Airbus-Familie zu Frachtmaschinen um.

Die 1993 gegründete, aus dem Institut für Luftfahrttechnik hervorgegangene IMA Materialforschung und Anwendungstechnik GmbH (IMA) hat sich gemeinsam mit der IABG (Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH) auf dem Gebiet der Luftfahrtstrukturtests fest etabliert. In einer gemeinsam genutzten Halle führte die IMA-IABG Ermüdungsprüfungen am neuen Großraumflugzeug -800 durch. Im Zusammenwirken von der staatlichen Wirtschaftsförderung Sachsen und dem Flughafen konnte für IMA-IABG ein Grundstück für eine neue Werkhalle in unmittelbarer Nähe zum luftseitigen Vorfeld der Start- und Landebahn erwerben, diese finanziert und gebaut werden. In diesem Gebäude sollen die notwendigen Ermüdungsversuche für den Militärtransporter A 400 M stattfinden. Weitere Unternehmen am Flughafen Dresden fertigen, prüfen und warten Flugzeugkomponenten. Das Kompetenzzentrum für Luft- und Raumfahrttechnik Sachsen- Thüringen mit Sitz am Airport vereinigt luftfahrtaffine Firmen der Region.

4. 6. 2. 5 Jüngste Entwicklung des Dresdner Flughafens

Der Flughafen hatte nun für die verbesserten Start- und Landebedingungen zu sorgen. Die Planungen dafür wurden aufgenommen. Voraussetzung für die leichte Drehung und Verlängerung der Start- und Landebahn von 2.500m auf 2.850m war nicht nur die Klärung der

158 Finanzierung, sondern vor allem die Schaffung des Baurechts für die erforderlichen Baumaßnahmen. Der Flughafen beantragte daher beim Regierungspräsidium in Dresden die Planfeststellung für das Projekt und erhielt nach Abschluss des Verfahrens im Frühjahr 2006 den entsprechenden Beschluss. Die Finanzierung stellte der Gesellschafter (die Mitteldeutsche Flughafen A.G.) sicher.

Am 28.7.2006 konnte der erste Spatenstich erfolgen; nach einer Bauzeit von etwa 14 Monaten wurde die neue Landebahn dem Verkehr übergeben.

Mit der Inbetriebnahme der neuen luftseitigen Anlagen im September 2007 und Fertigstellung der neuen Flugzeughalle von IMA-IABG waren die Voraussetzungen für eine langjährige Standortsicherung der traditionellen Flugzeugindustrie in Dresden gegeben; ein sowohl wirtschaftspolitisch wie verkehrspolitisch wichtiger Schritt. Beide Wirtschaftsunternehmen tragen durch ihre Nähe zum Flughafen zur betriebswirtschaftlichen Stärkung der Flughafen- Gesellschaft bei.

In der jüngeren Vergangenheit sorgten die neu entstandenen „Low-Cost Carrier “ (LCC) mit einem erheblichen Anteil zum Aufschwung des Passagier-Flugverkehrs bei. Im Blick auf das Verkehrsaufkommen am Dresdner Flughafen war zunächst „Germanwings“256 von Bedeutung. Mit Übernahme der Fluglinien Dresden – Köln/Bonn und später Dresden – Stuttgart durch diese neu gegründete LCC-Gesellschaft konnte 2003 und in den Folgejahren das Verkehrsaufkommen auf diesen Relationen wesentlich gesteigert werden. Die Flugzeuge vom Typ Airbus 319 oder 320 bedienen derzeit weitere Strecken bei hoher Auslastung257 und trugen erheblich zum Wachstum des Passagieraufkommens bei.

Eine Weiterentwicklung dieses Segments der LCC im Linien- und Charterverkehr ist von Dresden aus in Richtung Mittelmeer Raum, Osteuropa und Baltikum denkbar. Der Beitritt zahlreicher osteuropäischer Staaten zur Europäischen Gemeinschaft und die daraus erwachsende zusätzliche Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen ist dafür eine gute Grundlage.

Die Flugverbindung von Germanwings war ursprünglich als Pilotprojekt konzipiert, um den Markt zu „testen“. Der Flughafen bot der Fluggesellschaft im Zusammenhang mit von dort geforderten geringeren Start- und Landegebühren nur die Nutzung des alten, still gelegten Terminal 1 ohne jeden Service an. Der Flughafen Dresden war damit auch Schrittmacher für andere deutsche Verkehrsflughäfen. Bisher wurde jeder Fluggast – unabhängig von seinem Ticket – von den Flughäfen nahezu „gleich behandelt“. Künftig werden sich die Flughäfen dem Beispiel Dresdens folgend auch hier kostenbewusster ausrichten und im Terminalbereich in Anhängigkeit von den gezahlten Start- und Landegebühren eine Produktdifferenzierung den Passagieren gegenüber vornehmen.

Das flexible Tarifangebot des „Billigfliegers“ und damit der Anreiz dürfte letztlich der Schlüssel zum Erfolg von Germanwings sein. Annegret Reinhardt-Lehmann berichtet im Internationalen Verkehrswesen [85] von generellen Zuwachs der Fluggäste bei den Low-Cost

256 Tochtergesellschaft der Lufthansa

257 Auf Nachfrage berichtete Germanwings von einer Auslastung der Linien Dresden – Köln und Dresden - Stuttgart von jeweils ca. 80 %, bei einem Angebot von 150 Plätzen pro Flug liegt das Streckenaufkommen damit bei ca. 14 000 Fluggästen im Monat. Der Flughafen Dresden fertigte damit bereits 2005 ca. 500 000 Germanwings-Fluggäste ab.

159 Airlines“; das Wachstum zwischen 2002 und 2003 in dieser Sparte betrug danach an den deutschen Flughäfen der ADV mehr als 100 %, die Zahl der „billig fliegenden Passagiere“ stieg in Jahresfrist von 8,2 auf 17 Mio. Fluggäste. Diese Entwicklung hat sich in den Folgejahren noch verstärkt.

Eine besondere Stellung nimmt in Dresden generell der Urlaubsreiseverkehr258, und damit der Verkehr der LCC Gesellschaften ein, dessen Anteil am Gesamtaufkommen im Jahr 2006 bereits mehr als 50 % betrug und damit eine Steigerung im Vergleich zu 2005 von 45 % erzielen konnte.

Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch eine von dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) 2007 vorgelegte Studie zur Nachfrage nach Flugurlaubsreisen.[86] Der Verfasser der Studie prognostiziert für die Raumordnungsregion Dresden unter Berücksichtigung einer deutschlandweiten Bevölkerungsprognose dem Flughafen Dresden bis zum Jahr 2020 eine weitere Zunahme der Flugurlaubsreisen von 30 bis 40 % bei einem Anteil von weiterhin ca. 50 % am Gesamtverkehrsaufkommen im Passagierbereich.

Innerhalb der Zeitspanne von 1991 bis 2007, (Fertigstellung der neuen Start- und Landebahn) hat der Flughafen Dresden einen Gesamtbetrag von ca. 500 Mio. € in bauliche Anlagen investiert. Durch die so bereitgestellte modernisierte und neu geschaffene Infrastruktur macht der Flughafen auch Fluglinien auf sich aufmerksam, mit deren Präsenz in Dresden Verkehrsnachfrage zusätzlich erzeugt werden konnte. [87]

Welche betriebswirtschaftlichen Folgen für den Flughafen aus den hohen Investitionen und daraus folgenden Abschreibungen entstehen werden, wird von der Verkehrsentwicklung in der Zukunft und der Gebührenpolitik des Unternehmens, aber vor allem von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen abhängen.

Bild 42 Flughafen Dresden Verkehrsaufkommen und Flugbewegungen [87]

2.000.000 60.000

1.800.000 50.000 1.600.000

1.400.000 40.000 1.200.000

1.000.000 30.000

800.000

Fluggäste/Jahr 20.000 600.000

400.000 Starts und Landungen/Jahr 10.000 200.000

0 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Passagiere (gesamt) Flugbewegungen (Starts- und Landungen

258 Als Urlaubsreisen werden hier Privatreisen, deren Ausgangspunkt in Deutschland liegt und die nach einer Dauer von mindestens 5 Tagen mit Aufenthalt im Ausland wieder zum Ausgangspunkt zurückführen. definiert.

160 4. 7 Güterverkehrszentren in Sachsen

Ein wesentliches Element sächsischer Verkehrspolitik war bereits im Jahre 1991 die Förderung der Anlage von Güterverkehrszentren (GVZ). Sachsen folgte damit generellen Entwicklungstendenzen und Wünschen des Transportgewerbes und Empfehlungen des Bundes an alle Länder der Bundesrepublik. Mittels staatlich geförderter intermodaler Lagerungs- und Umschlagseinrichtungen an verkehrsgünstigen Standorten von Straße und Schiene sollten leistungsfähige Umschlagsbetriebe und Anlagen des kombinierten Güterverkehrs mit dem Ziel einer engen betriebswirtschaftlichen Kooperation räumlich konzentriert werden. Infrastrukturelle Anlagen für Umschlag, Behandlung und Lagerung von Gütern an Schnittstellen zwischen verschiedenen Verkehrsträgern bzw. Verkehrsarten des Güterfern – und Nahverkehrs wurden ohnehin an geeigneten Standorten im Interesse eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums notwendig.

Sachsen sah sich mit diesen Zielsetzungen durch die Aussagen des Bundesverkehrswegeplans 1992 und des Masterplans zu Güterverkehrszentren der Deutschen Bahn bestätigt, die beide für Sachsen die Entwicklung von drei Standorten empfahlen. Die Landesverkehrsplanung legte in Abstimmung mit dem Bund nach einer Bedarfsprüfung die drei Standorte Dresden, Leipzig und Glauchau fest. Mit einem jeweiligen Einzugsradius von mehr als 100 km decken diese Standorte den Bedarf des Logistik- und Speditionsgewerbes ab. Die Standorte für die GVZ sollten in unmittelbarer Nähe zu Autobahnen und elektrifizierten Hauptverkehrsstrecken liegen, dazu möglichst in der Nähe von Flughäfen und Binnenhäfen. Ergänzend zur Entwicklung der GVZ, die in Federführung der Länder erfolgen sollte, stellte der Bund die Finanzierung von bahneigenen Umschlagterminals für den kombinierten Verkehr (KV-Terminals) innerhalb der Güterverkehrszentren in Aussicht.259

Eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklungsfähigkeit der Güterverkehrszentren war neben der Standortauswahl zunächst eine Klärung der Trägerschaft, da an eine unmittelbare staatliche Investitions- und Entwicklungstätigkeit nicht gedacht war. Drei unterschiedliche Wege wurden erwogen und auch an den drei Standorten begangen: a) unmittelbare Trägerschaft durch eine Kommune (Kommunale Entwicklungsgesellschaft) b) Trägerschaft „quasi“ in staatlichen Hand (Trägerschaft durch eine staatliche Einrichtung) c) privatwirtschaftliche Trägerschaft (Tochterunternehmen der DB AG oder unmittelbare private Trägerschaft)

Die Städte Dresden und Leipzig sahen sich Anfang der 1990ger Jahre nicht in der Lage, selbst unter der Voraussetzung einer staatlichen Förderung, entsprechende Projekte in Angriff zu nehmen. In unmittelbarer kommunaler Trägerschaft entstand nur das GVZ in Glauchau.

Ansiedler wurden dort vor allem Logistik-Unternehmen, die zwischenzeitlich Zulieferer- Aufgaben für die Automobilindustrie in Dresden, Zwickau und Leipzig übernommen haben.

259 Der Bundesverkehrswegeplan 1992 sah 44 Standorte innerhalb Deutschlands vor, die in Betrieb, in Aussicht genommen oder in Prüfung waren. Alle KLV-Anlagen sollten durch ein Containerzug-Netz der DB untereinander verbunden werden.

161 Tabelle 16 Zusammenstellung der Güterverkehrszentren in Sachsen (Stand 2007)

Fläche Investitionen Staatl. Förderung neu geschaffene ha in Mio. € in Mio. € Arbeitsplätze Dresden 50 33,0 5,0 410 Erweiterung beabsichtigt 10,0 2,7 Träger: GVZ-Entwicklungs- Ges. Dresden GmbH Leipzig 432 394,0260 36 3.500 Erweiterung beabsichtigt 70 Reserveflächen 136 Träger: GVZ-Entwicklungs- Ges. Leipzig als Tochter der Sachsen-LB Glauchau 250 51,0261 20,0 650 (Mittelsachsen) Erweiterung beabsichtigt 70 10,0 Träger: ursprünglich Stadt Glauchau; übergegangen in GVZ-Entwicklungs- Ges. Leipzig neue Arbeitsplätze in den 4.560 Güterverkehrszentren

4. 7. 1 GVZ Glauchau

Die Stadt Glauchau nahm den vom Freistaat gegebenen Anstoß auf, gründete die „Entwicklungsgesellschaft GVZ Mittelsachen mbH“262 (GVZ-E) und beauftragte diese mit Planung und Realisierung. Anlass für eine schnelle Verwirklichung war die beabsichtigte Ansiedlung einer Automobilfabrik der Volkswagen AG in Zwickau und der zugehörigen Motorenfabrik in Chemnitz, die für die „just in time“- Zulieferung über Straße und Schiene einen erheblichen Bedarf an logistischen Leistungen angemeldet hatten. In Glauchau lagen großräumig stillgelegte, vorbelastete Industrieflächen brach, die dringend der Sanierung bedurften. Die GVZ-E stellte sich dieser Aufgabe. Zwischen 1992 und 2002 konnten von ihr in drei Industrie- und Gewerbegebieten etwa 160 ha Ansiedlungsfläche für Logistikunternehmen renaturalisiert und nach einem Bodenaustausch bereitgestellt werden. Die Flächen sind zwischenzeitlich mit Unternehmen der Logistik-Branche sowie Zulieferbetrieben für den Automobil- und Motorenbau in Zwickau und Chemnitz besiedelt.

Das GVZ Glauchau263, später Südwestsachsen, gab der Stadt und ihrem Umland neue Chancen. Durch die Stilllegung einiger Industriebetriebe hatte sich eine hohe Arbeitslosigkeit eingestellt, die mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze im Logistikbereich abgefedert werden konnte.

260 Einschlich Ansiedlung der Firma Porsche Leipzig GmbH.

261 Ein wesentlicher Teil der notwendigen Investitionen war für die Sanierung kontaminierter ehemaliger Industrieflächen erforderlich.

262 Zwischenzeitlich hat sich der Standort Glauchau zu einem Modul der GVZ Entwicklungsgesellschaft Sachsen LB entwickelt.

263 Inhaltlich wesentlich durch das Unternehmen LOGPLAN geprägt, wurde im Dezember 1993 gegründet.

162 Für den kombinierten Verkehr entstand 2003 auf Initiative der Entwicklungsgesellschaft ein Containerbahnhof für den kombinierten Ladungsverkehr, sodass der Standort optimal auch für den schienengebundenen Güterverkehr zur Verfügung steht. Glauchau ist darüber hinaus mit zwei Anschlussstellen zur BAB A 4 an das Fernstraßennetz angebunden.

Die Investitionen in das GVZ Südwestsachsen wurden weitestgehend von der öffentlichen Hand getragen; Mittel wurden insbesondere zur Sanierung der stark vorbelasteten ehemaligen Industrieflächen, zur Erschließung der Ansiedlungsflächen, zum Neubau der KV-Anlage bereit gestellt. Der Bund finanzierte die Anbindung des GVZ an die Autobahn A 4 und das weitere übergeordnete Straßennetz (Bundesstrassen).

Die wirtschaftspolitischen und verkehrspolitischen Zielsetzungen des Freistaats sind im GVZ Südwestsachsen voll erfüllt worden.[88]264 Heute stellt das Güterverkehrszentrum Südwest-Sachsen einen Kristallisationspunkt für weitere Gewerbeansiedlungen dar.

4. 7. 2 GVZ Leipzig

Das Güterverkehrszentrum Leipzig war ebenso wie das GVZ Glauchau Gegenstand des Bundesverkehrswegeplans 1992.

Im Rahmen der Überlegungen für einen Standort zur Förderung und Entwicklung von wichtigen Großprojekten verkehrs- und wirtschaftspolitischer Art im Raum Leipzig entschied sich Sachsen für Flächen zwischen dem neuen Messegelände und dem Flughafen Leipzig/ Halle. Dieser Standortentscheidung folgte auch ein großräumiger Grunderwerb durch den Freistaat, um den Ausbau des GVZ, die Erweiterung des Flughafens und andere im landespolitischen Interesse stehende Ansiedlungen möglich zu machen.

Der Standort mit unmittelbarer Anbindung an die Autobahnen A 9 (Richtung Berlin und München) und A 14 (Richtung Dresden-Prag und Magdeburg) sowie an eine elektrifizierte Fernstrecke der Bahn erwies sich auch deshalb als besonders geeignet, weil er darüber hinaus einen unmittelbaren Zugang zum Flughafen Leipzig/Halle bot und überschaubare Verbindungen zum sächsischen Elb-Hafen Torgau herstellbar waren. Zur Vorbereitung der Planung berief Sachsen einen „Aufbaustab GVZ Leipzig“. Er hatte die Aufgabe, erste Planungen zu betreiben und die Gründung einer Entwicklungsgesellschaft vorzubereiten.

Als Entwicklungsträger für das GVZ konnte nach Vorlage der Grobplanung und ersten Finanzierungszusagen des Landes die Landesbank Sachsen (Sachsen LB) gewonnen werden, die für diese Aufgabe eine Tochtergesellschaft gründete. Die GVZ-Entwicklungsgesellschaft Sachsen-LB arbeitete in enger Zusammenarbeit mit dem SMWA und wurde durch einen Fachbeirat bei ihrer Arbeit verkehrspolitisch umfassend unterstützt.

Die konzeptionelle Rahmenplanung für das GVZ folgte den Ergebnissen eines städtebaulichen Wettbewerbs, aus denen die Bauleitplanung zu entwickeln war. Die Ansiedlungsflächen und damit die der Entwicklungsgesellschaft vom Freistaat übertragenen Grundstücke lagen allerdings auf den Territorien mehrer Gemeinden. Daraus ergab sich die besondere Schwierigkeit der Bauleitplanung für das GVZ. Jede, im Planungsprozess beteiligte Gemeinde stellte im Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit der GVZ-E, damit dem Freistaat

264 Einzelheiten dazu in: „Aufbruch im Umbruch-15 Jahre Deutsche Einheit“ – Stadt Glauchau: 2005.

163 gegenüber spezielle Forderungen, die vielfach mit dem eigentlichen Planungsziel kaum in Verbindung zu bringen waren. Im Interesse des Vorhabens ging Sachsen auf eine Vielzahl der Anliegen ein, um die Rechtskraft der Bebauungspläne und damit Baufreiheit für interessierte Logistikunternehmen zu erreichen.

Bild 43 Güterverkehrszentrum Leipzig und Flughafen Leipzig Halle

Quelle: GVZ Leipzig Logistikstandort Leipzig mit Flughafen; einschl. Cargo-Servicebereich (grau), GVZ (orange), KLV-Terminal (rot). Das Bild (Stand Ende 2007) zeigt südlich und östlich der Autobahnen A 9 und A 14 den Flughafen Leipzig Halle mit seinen beiden neuen Start- und Landebahnen.

Als erster Ausgangspunkt der verkehrlichen Erreichbarkeit des beabsichtigten GVZ-Standortes war die Sanierung und der Ausbau der vorhandenen Straßen und deren Anbindung an die Autobahn A 14 Dresden – Leipzig – Halle erforderlich. Obwohl das zu erwartende hohe zusätzliche Verkehrsaufkommen einen späteren Ausbau der Autobahn erforderlich machen würde, entschied sich die Straßenbauverwaltung kurzfristig dafür, die Realisierung einer neuen Anschlussstelle Radefeld-GVZ Leipzig zu betreiben. Die sehr kurze Zeit, in der dieser neue Knotenpunkt hergestellt werden konnte, spricht für das „zupackende“ Handeln in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung. Erfahrene Kenner der Materie führten nach der Fertigstellung aus, Planungen und Ausbau eines Knotenpunktes seien in einer Rekordzeit bewältigt worden, die das Bundesverkehrsministerium nicht erwartet habe.

Mit dieser neuen Anschlussstelle war die straßenmäßige Anbindung des Entwicklungsgeländes GVZ Leipzig sichergestellt und damit der Startschuss zur Realisierung gegeben. Die neue Anschlussstelle265 ermöglichte auch eine Standortentscheidung der Deutschen Post zur Ansiedlung ihrer Postfracht- und Briefverteilzentren für den Raum Leipzig nördlich des GVZ.

Erste Prüfungen zukünftiger Verkehrsströme im Rahmen der Landesverkehrsplanung belegten bereits 1994 für die Autobahn A 14 die Notwendigkeit zum Ausbau auf sechs Fahrstreifen. In

265 Die Anschlussstelle verbindet die A 14 mit der Hauptzufahrt zum GVZ und zum Postfrachtzentrum sowie einer aus dem Raum Leipzig kommenden Staatsstraße.

164 einem gemeinsamen Planfeststellungsverfahren für das Straßenbauprojekt und die parallel dazu geplante Neubaustrecke (VDE 8,2) Leipzig - Erfurt wurden die rechtlichen Grundlagen zum sechsstreifigen Ausbau geschaffen. Unmittelbar danach erfolgte die Bauausführung. Damit war für das GVZ Leipzig seit Mitte der 1990er Jahre eine komplette und leistungsfähige Verkehrsanbildung in alle Richtungen gegeben.

Zusätzlich sah die Planung für das GVZ eine Anbindung an die Umgehungsstraße Schkeuditz im Süden des Zentrums vor. Diese Verkehrsverbindung über die neue B 6 nach Leipzig und Halle konnte durch eine Vorfinanzierung des Freistaates wesentlich früher in Bau gehen, als es die Finanzierungsprogramme des Bundes möglich gemacht hätten. Über die zwischenzeitlich fertig gestellte B 6 ist neben das GVZ auch das neue DHL-Frachtzentrum am Flughafen erschlossen und im Bereich Leipzig-Wahren auch das Container-Terminal der DB AG erreichbar.

Güterverkehrszentren als Anlagen der Logistik und des kombinierten Ladungsverkehrs erfordern neben der Straße den unmittelbaren Bahnanschluss und eine Container- Umschlagsanlage. Für das GVZ in Leipzig konnte bereits 1992 zwischen Bund und Freistaat vereinbart werden, dass im Güterbahnhof Leipzig-Wahren eine entsprechende KV-Anlage durch die damalige Deutsche Reichsbahn erstellt werden sollte. Die Deutsche Bahn brauchte allerdings bis 2001, um die erste Baustufe des Terminals dem Speditionswesen im GVZ zur Verfügung zu stellen. Der starke Anstieg der Verladetätigkeit erforderte bald eine Erweiterung. Die zweite Baustufe konnte mit Mitteln aus der „Sammelvereinbahrung 2 zum kombinierten Verkehr“ zwischen Bund und Bahn finanziert und zwischenzeitlich auch fertig gestellt werden.

Die Rolle der Luftfracht im internationalen und interkontinentalen Warenverkehr nahm von Jahr zu Jahr zu. Der Flughafen Leipzig Halle, zwischenzeitlich internationales Frachtdrehkreuz Mitteldeutschlands, nahm die unmittelbare Nachbarschaft des GVZ zum Anlass, seine Infrastruktur für Luftfrachtaktivitäten dem Bedarf des GVZ anzupassen. Die multimediale Verkehrsanbindung des Güterverkehrszentrums Leipzig findet ihren Zugang zur Binnenschifffahrt im Elbhafen Torgau der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH. Hier bestehen Verlademöglichkeiten auf Binnenschiffe, die über die Elbe den Hamburger Hafen, über das neue „Wasserstraßenkreuz Magdeburg“ den Mittellandkanal und damit das Ruhrgebiet und die Rheinmündungshäfen erreichen können. Die von der Sächsischen Binnenhäfen GmbH dargebotene Elbe-Container-Linie bietet, soweit von Spediteuren nachgefragt, bei ausreichendem Wasserstand der Elbe tägliche Abfahrten.

Bis Anfang des Jahres 2008 konnten im GVZ Leipzig [89] 100 Unternehmen der Logistik, der Produktion, der Handels, verschiedener Service-Bereiche angesiedelt werden und damit ca. 3.500 neue Arbeitsplätze entstehen. Die aktuellen Entwicklungsdaten umfassen in sechs Quartieren eine Gesamtfläche von 638 ha und bieten in diesem Rahmen noch ausreichend Raum für weitere Ansiedlungen.

Die Gesamtanlage Flughafen, Güterverkehrszentrum, Postfracht- und Briefzentrum, KLV- Anlage, Neue Messe im Nordraum Leipzigs mit ihrer Ausstrahlung in die ganze Region Leipzig/Halle gehört zu den bedeutenden Entwicklungsmaßnahmen Sachsens, mit denen die landesplanerischen Zielsetzungen der ersten Jahre nach 1991 erfüllt werden konnten.

Die in großem Stil für die Strukturentwicklung und die Verkehrsinfrastruktur von der EU, dem Bund und dem Freistaat Sachsen bereitgestellten Mittel haben damit den erwarteten volkswirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Nutzen für den Nordwesten Sachsens

165 erbracht. Sie haben damit auch die Rahmenbedingungen für eine weitere wirtschafts- und beschäftigungspolitische Perspektive hergestellt.

Beide GVZ-Entwicklungsgesellschaften Leipzig und Glauchau konnten bis heute während ihrer mehr als 10 jährigen Tätigkeit nicht nur wesentlich expandieren, sondern zahlreichen mittelständischen Unternehmen zum wirtschaftlichen Erfolg verhelfen.

4. 7. 3 GVZ Dresden

Für den Standort Dresden engagierte sich nach langem Zögern das Transportgewerbe, insbesondere die Deutsche Bahn. Beide gründeten in Eigeninitiative die „Güterverkehrszentrum Entwicklungsgesellschaft Dresden mbH“. Diese übernahm die Planung für ein KLV-Terminal, dessen Realisierung dank umfangreicher Bundesförderung möglich wurde.

Eine vom Freistaat bevorzugte Organisationsform für das GVZ Dresden sah die unmittelbare Verknüpfung von Alberthafen Dresden, GVZ und KLV Terminal in einem gemeinsam getragenen Unternehmen vor. Der Hafen bot dafür eine moderne Infrastruktur an, die beiden Unternehmen nutzbar gewesen wäre. Eine Zusammenarbeit scheiterte am Willen der Gesellschafter des GVZ.

Beiden Unternehmen halten damit für die kommenden Jahre eine Überkapazität vor, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde, seitens des Hafens durch den Freistaat, seitens des GVZ durch den Bund.

Bis zum Bau des VW Logistik-Bahnhofs im Güterverkehrszentrum und der damit verbundenen Entscheidung für die Güterstraßenbahn als Transporteur für das VW-Werk war ein wirtschaftlicher Betrieb des GVZ nicht denkbar. Die verlässlichen und regelmäßigen Umschlagsleistungen zwischen Bahn und Güterstraßenbahn zur Anlieferung am VW-Werk stabilisierten die Wirtschaftlichkeit und dürften damit, sicher in Abhängigkeit von VW, in Zukunft eine belastbare Grundlage für das Unternehmen sein.

Die weitaus bessere technische Ausstattung und ein breites Angebot logistischer Leistungen des Dresdner Hafens verschaffen dem Alberthafen, einem Hafenbetrieb der den Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe (SBO) einen erheblichen wirtschaftlichen Vorsprung. Sie kann ihre Umschlags- und Transportleistungen vielgestaltiger über Schiene, Straße und Binnenschifffahrtsweg anbieten, als es dem GVZ möglich ist.

In der Bewertung der Förderung beider Infrastruktureinrichtungen durch Bund und Freistaat und damit der Finanzierung und Verwendung öffentlicher Mittel liegt hier ein nachhaltiger Kritikpunkt an der „Ost-Förderung“ vor, der weder erklär- noch entschuldbar ist. Mangelnde Koordination zwischen den Dienststellen des Bundes und des Freistaates, die für die Vergabe der Fördermittel zuständig waren, dazu mangelnde Kooperationsbereitschaft beider Unternehmen führten zu einem volkswirtschaftlich unverantwortlichen Investitionsaufwand, den die öffentliche Hand zu tragen hatte. Perspektivisch sollten SBO und GVZ Dresden aufeinander zugehen und sich dem ohnehin verstärkten Wettbewerbsdruck im Logistikbereich gemeinsam stellen.

166 4. 8 Binnenwasserstraße Elbe und Häfen an der Oberelbe

4. 8. 1 Einleitende Betrachtung

Vor gut 100 Jahren war die Elbe, (heute eine ca. 700 km lange Binnen -Wasserstraße266) zwischen Melnik (Tschechische Republik) und Hamburg, gemessen an der Zahl der Schiffe der verkehrsreichste Fluss Europas.[90] Schon 1834267, später 1837268 war in Dresden die Elbdampfschifffahrt eröffnet worden; im Jahr 1841 richtete man einen regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen Dresden und Prag ein.

Dem Angebot zur Kettenschifffahrt auf der Elbe (streckenweise zwischen 1866 bis 1885) folgte eine wesentliche Steigerung des Güterverkehrs. Moderne Radschleppdampfer verdrängten Anfang des 20sten Jahrhunderts die Kettenfahrtechnik269 und führten zu einem weiteren Ansteigen der Frachtmengen auf der Elbe, bis nach dem Ersten Weltkrieg allmählich mit dem Einsatz des Dieselmotors eine weitere Modernisierung der Binnenschifffahrt einsetzte. Mitte der 1960er Jahre wurde auf der Elbe die Schubschifffahrt eingeführt.

Aufgrund ihres charakteristischen Einzugsgebietes (Mittelgebirgslandschaften) gehört die Elbe zum sog. „Regen-Schnee-Typ“ eines frei fließenden Stroms mit schnellem Abfluss der Niederschlagswässer270, und erheblichen Wasserstandsschwankungen im Laufe des Jahres271, etwa im Gegensatz zum Rhein272, einem sog. „alpinen Typ“. Zur Gewährleistung eines

266 Quelle ( im Riesengebirge ) bis Talsperre Kralovstvi – Wildbach 56 km bis Moldau - -Mündung (Melnik) Zahlreiche Staustufen – Schiffbar ab Tynek n.L. 205 km Moldau – Mündung – Staatsgrenze; 6 Staustufen begünstigen die Schifffahrt 109 km Staatsgrenze – Neuhirschstein unterhalb Meißen 93 km Neuhirschstein – Havelmündung 341 km Havelmündung – Staustufe Geesthacht 147 km Untere Elbe bis Mündung 141 km

267 Als erstes Dampfboot auf der Elbe im Königreich Sachsen absolvierte ein Heckraddampfer seine erste Fahrt im Winter 1834/35. Das Boot war im Auftrag des Dresdner Zuckerfabrikanten Heinrich Wilhelm Calberla in Krippen bei Dresden gebaut und in Hamburg mit einer Dampfmaschine ausgestattet worden.

268 Im Sommer 1837 erfolgten die ersten Fahrten der „Königin Maria“, des ersten in Übigau bei Dresden gefertigten Dampfbootes im Namen der 1836 gegründeten „königlich - privilegierten Dampfschifffahrts- Gesellschaft“, die sich im März 1867 den Namen „Sächsisch-Böhmische Dampfschifffahrtsgesellschaft AG“ gab.

269 Die Kettenschifffahrt wurde letztlich erst im Jahr 1945 innerhalb Böhmens endgültig eingestellt.

270 Auswertung der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe, Bericht der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost, Magdeburg 1996.

271 Das „Abflussregime“ der Elbe ist durch hohen Abfluss im hydrologischen Winterhalbjahr (November – April) und durch geringen Abfluss im hydrologischen Sommerhalbjahr gekennzeichnet. - Im Vergleich zum mittleren Jahresabfluss beträgt an allen Pegeln der mittlere Abfluss des Winterhalbjahres über 120 %, der des Sommerhalbjahres unter 80 %.

272 Im Vergleich zum Rhein und zur Donau sind die Elbwerte untypisch, da bei diesen Strömen ein wesentlich kontinuierlicher Abfluss zu verzeichnen ist und die Höchstwerte des Abflusses in den Monaten Juni und Juli erreicht werden (allmähliches Abtauen der Gletscher und der Schneedecke im Alpenraum); lediglich unterhalb der Mündungen von Mosel, Main und Neckar sind die Abflusswerte im Winterhalbjahr (beispielsweise am Pegel Köln) etwas größer.

167 konstanten Pegels, Voraussetzung für einen regelmäßigen Schiffsverkehrs, besteht für die Elbe ein Bedarf an verhältnismäßig aufwendigen Unterhaltungsbaumaßnahmen im Bereich des schiffbaren Flussbettes. Das verhältnismäßig enge und flache Fahrwasser der Elbe ist wesentlich sensibler kleinen Veränderungen des Stromverlaufs gegenüber als die Fahrrinne des Rheins. Die der Elbe vergleichbare Wasserstraße Mosel und Saar erhielt nach dem Zweiten Weltkrieg durch die vollständige Kanalisierung stabile Fahrwasserverhältnisse.

Zur Regulierung der unregelmäßigen Wasserstände der Elbe begann bereits im späten Mittelalter ihr Ausbau. Aus dem Jahr 1422 sind erste Buhnenbauwerke und Uferbefestigungen bekannt. Ausgehend vom Wiener Kongress 1815 und der Elbschifffahrtsakte von 1821 erfolgte im Interesse der Schifffahrt der systematische Ausbau der Elbe in Böhmen, Sachsen und Preußen. In den Jahren 1847 bis 1892 wurde eine erste Mittelwasserregulierung (Mindestwassertiefe bei Niedrigwasser von 0,94 m) vorgenommen. Diese führte zur Festlegung von Normalbreiten der Fahrrinne und des Verlaufs des Gewässerbettes der Elbe.

Ende des 19. Jahrhunderts war somit die Umwandlung der Elbe vom verwilderten Naturstrom zum Kulturstrom vollendet. Parallel dazu entstanden leistungsfähige Hafenanlagen mit Bahnanschluss entlang des Stromverlaufs273 [91]. Von 1913 bis zum Zweiten Weltkrieg führten die staatlichen Wasserbauverwaltungen Sachsens und Preußens weitere Niedrigwasserregulierungen durch, die ganzjährig eine Mindestwassertiefe von 1,10 m von der deutschen Grenze bis zur Mündung der Saale, von dort bis Hamburg von 1,40 m garantieren sollten. Die Tschechoslowakische Republik legte wegen des erheblichen Stromgefälles von Elbe und Moldau mehrere Staustufen an, um die gleichen Fahrwasserverhältnisse wie in Deutschland zu erhalten. Sowohl die Befahrbarkeit des Flusses als auch die technische Ausstattung der Binnenschiffe entsprach bis zum Zweiten Weltkrieg regelmäßig dem aktuellen Stand der Technik und damit den Erfordernissen einer wirtschaftlichen Binnenschifffahrt. Nicht nur in Sachsen boten leistungsfähige Werften entlang der Elbe dem Schifffahrtsgewerbe moderne (früher dampf-, später dieselgetriebene) Binnenschiffe an, die für die Schifffahrtsbedingungen der Elbe entwickelt waren und damit einen nahezu ganzjährigen Schiffsverkehr möglich machten.

Die heute wieder geforderte „Anpassung der Schiffe an die Wasserführung der Elbe“ als Ersatz für Baumaßnahmen am Strom hat eine lange Tradition und führte bereits Mitte des 20. Jahrhunderts aus wirtschaftlichen Gründen zu flachgängigen Binnenschiffen274 [92], die auch bei extremen Wasserverhältnissen und voller Ausnutzung der Ladekapazität nur geringe Tauchtiefen benötigen. Voraussetzung für den Einsatz solcher Schiffseinheiten sind allerdings Fahrwasserverhältnisse, nach denen diese Schiffstypen entwickelt sind. Die Wirtschaftlichkeit eines solchen Güterschiffes wird maßgeblich durch die Tragfähigkeit beeinflusst, die wiederum abhängig ist von schiffsbedingten Parametern wie Länge, Breite, Tiefgang, Fixpunkthöhe, Antriebsleistung und Geschwindigkeit, aber ebenso von der Wasserstraßeninfrastruktur.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Elbe faktisch keine verkehrspolitische Bedeutung mehr. Lediglich die damalige CSSR wickelte ihren Übersee-Export zum Teil über die Elbe und eine

273 Die Häfen Dresden, Riesa und Torgau entstanden in ihrer heutigen Form in den Jahren 1888 und 1898.

274 Anhand einer 2005 vorgelegten schiffbaulicher Expertise der Versuchsanstalt für Binnenschiffbau (Duisburg) ist davon auszugehen, dass innovative Schiffstypen zwar helfen können, die gegebenen Rahmenbedingungen temporär besser zu nutzen. Sie sind jedoch nachweislich nicht in der Lage, die vorhandenen Ausbau- und Unterhaltungsdefizite an den Fahrrinnenverhältnissen der Elbe zu kompensieren.

168 eigene Niederlassung im Hamburger Hafen ab. In der Bundesrepublik Deutschland stellte der 1976 eingeweihte Elbe-Seitenkanal [93] eine kürzere Verbindung zwischen dem Rheinstromgebiet und dem Hafen Hamburg dar, so dass die Befahrung der Elbestrecke zwischen Magdeburg und Lauenburg für westdeutsche Reedereien nicht mehr notwendig war. Ostdeutschland verlegte nach 1961 seinen Überseetransport auf die Ostseehäfen und verzichtete somit weitestgehend auf die Nutzung der Elbe und den Hafen Hamburg.

4. 8. 2 Neue Konzepte für die Elbe, die Elbhäfen an der Oberelbe und die Anbildung an den Mittelland-Kanal

Es gab somit kein Interesse275 der DDR, die notwendigen Unterhaltungsarbeiten im Verlauf des Elbstroms oberhalb von Lauenburg durchzuführen. Eine zunehmende Verschlechterung der Schifffahrtsbedingungen war die Folge.

Die Wiedervereinigung Deutschlands brachte auch hier die entscheidende Wende. Die Häfen an der Elbe sollten wieder Hinterlandhäfen Hamburgs werden und die Elbe eine bedeutende europäische Wasserstraße. Sie stand 1991 in ihrem baulichen Zustand als Transportweg nur eingeschränkt zur Verfügung. Die moderner gewordene Binnenschifffahrt konnte somit im gesamtdeutschen Kontext ihre arteigenen Leistungsvorteile im Wettbewerb mit Schiene und Straße an der Mittel- und Oberelbe nur eingeschränkt zur Geltung bringen.

Vor diesem Hintergrund stellte die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost in Magdeburg) 1991 im Rahmen der Vorbereitung des ersten gesamtdeutschen Bundesverkehrswegeplans fest, dass auf 25 % der gesamten deutschen Elbstrecke die Strombauwerke (Buhnen, Deck- und Leitwerke) infolge unterbliebener Unterhaltung in einen Erhaltungsrückstand geraten waren, der eine auf Dauer ausgerichtete wirtschaftliche Binnenschifffahrt ernsthaft infrage stellt.[93]

275 Mit Ausnahme des Abschnitts Riesa – Dresden – Bad Schandau für die Personenschifffahrt der „Weißen Flotte“.

169 Bild 44 Zuständigkeitsbereich der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost

Quelle: Festschrift der Industrie- und Handelskammer Hamburg, „Die Elbe – eine unverzichtbare Wasserstraße“

Der Bundesverkehrswegeplan 1992 formulierte daraufhin (mit besonderem Blick auf die Elbe) das Ziel, alle deutschen Bundeswasserstraßen bis 2010 zur vollen Funktionsfähigkeit für die Binnenschifffahrt zu entwickeln. Für die Elbe wurden aufgrund eines vom Bund und den Elbanliegerländern gemeinsam erarbeiteten Verkehrskonzeptes für den Schiffsverkehr die folgenden Ausbaukriterien festgelegt, ihre zeitliche Umsetzung terminiert und die erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Investitionsmittel als „Überhang“ und „Vordringlicher Bedarf“ in den Bundesverkehrswegeplan 1992 eingestellt:.

 Gewährleistung einer Fahrrinnentiefe bei dem gleichwertigen Wasserstand 276 von mindestens 1,60 m bzw. damit korrespondierend eine Abladetiefe von mindestens 1,40 m an durchschnittlich 95 Prozent der Tage des Jahres.  Daraus resultierend die Gewährleistung einer Fahrrinnentiefe von mind. 2,60 m bei Mittelwasser an 50 Prozent der Tage des Jahres.  Fahrrinnenbreite von 50 m.

276 Dieser entspricht dem Wasserstand, der im statistischen Mittel nur an 20 eisfreien Tagen unterschritten wird.

170  Lichte Brückendurchfahrtshöhe von 7 m über einem festgelegten Hochwasserstand für den 3-lagigen Transport von Containern.

Diese Fahrwasserverhältnisse waren 1991 zwar auf 75% der gesamten deutschen Elbstrecke vorhanden, für die Schifffahrt bedeutete die Herstellung dieser Standards auf der gesamte Elbstrecke aber eine notwendige Verbesserung und die Kalkulierbarkeit eines wirtschaftlichen Binnenschiffsbetriebes während des ganzen Jahres. Der für die notwendigen Maßnahmen im Jahre 1992 veranschlagte Investitionsbedarf belief sich auf ca. 250 Mio. €.

Bild 45 Erforderliche Strombaumaßnahmen auf der Elbe

Quelle: siehe Bild 44

Alle beabsichtigten Baumaßnahmen für die Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse auf der Elbe waren im Rahmen der Aufstellung des BVWP 92 bewertet worden. Auf der Basis der Verkehrsprognosen von 1992 des Bundes führte diese Bewertung zu einem Nutzen-Kosten- Verhältnis von 9,3. Die im Jahre 1992 festgelegte verkehrspolitische Zielsetzung der

171 Bundesregierung begünstigte sowohl deutsche Interessen277 wie Interessen der Tschechischen Republik (CR).

Die Binnenschifffahrts-Betriebe und die Häfen orientierten ihre Investitionsentscheidungen an die Verbindlichkeit des Bundesverkehrsplans 1992. Sie entwickelten Planungen zum Ausbau ihrer Kai- und Umschlagsanlagen.

Die tschechische Regierung plante in damaliger Abstimmung mit Deutschland seit 1992 Strombaumaßnahmen zur Regulierung des Wasserabflusses und damit zur Verbesserung des Güter- und Personenverkehrs auf der Elbe278, um die gleichen Fahrwasserverhältnisse wie in Deutschland zu erreichen. Der Zeitplan der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost sah noch 1997 vor, der Schifffahrt die verbesserten Ablademöglichkeiten 2003 von Magdeburg aus bis Dessau-Rosslau, 2006 über Dresden bis Schöna (Bundesgrenze) zur Verfügung zu stellen.

Bild 46 Investitionsbedarf Bundeswasserstraße Elbe; Kostenschätzungen 1992 und 2001

300

250

200

150

in Milionen . €. 100

50

0 Nachholbedarf Nachholbedarf Verbesserung Verbesserung Summe 1992 Summe 2001 1992 2001 durch Ausbau durch Ausbau 1992 2001 Vergleich 1992 zu 2001

Im Verlauf der Arbeiten der WSD Ost an der Elbe stellte sich heraus, dass die Kostenschätzungen des Jahres 1992 zu hoch gegriffen waren. Durch differenziertere Berechnungen konnte der tatsächliche Investitionsbedarf numerisch verringert und damit der Bundeshaushalt entlastet werden. Parallel dazu überprüfte die WSD Ost ihre ursprünglichen Verkehrsprognosen und passte sie an die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung im Stromgebiet der Elbe an. Dennoch sind auch diese Verkehrserwartungen aus heutiger Sicht für das Jahr 2015 ausgesprochen optimistisch.

277 Mit dem Ausbau sollte eine Verbesserung der Wasserstraßen-Infrastruktur zwischen Berlin bzw. Magdeburg, der Oberelbe, den wichtigsten Nordseehäfen und den westdeutschen Induszentren für den Verkehr mit Motorgüterschiffen bis zu 2000 t Tragfähigkeit und Schubverbänden bis zu 3500 t Tragfähigkeit erreicht werden; damit verallgemeinert eine Verbesserung der Standortbedingungen in ganz Ostdeutschland.

278 Staustufen mit einer Hubhöhe von insgesamt 15 m, aufgeteilt auf drei Stauwehre zwischen Aussig (Usti Ladem) und Tetschen (Decin).

172 Zur Anbindung Berlins und der Elbe an das Wasserstraßennetz des Rheinstromgebietes sah der BWVP 1992 das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17“ als besonderen Schwerpunkt wasserbaulicher Investitionen vor:

Dieses VDE 17 umfasst den Ausbau der Wasserstraßen-West-Ost-Verbindung (Verlängerung des Mittelland-Kanals) aus dem Raum Hannover Braunschweig nach Berlin einschließlich der Nebenarme zur Havel und zur Elbe, dem Hafen Magdeburg. Ein wesentliches Element des Projektes ist die ständig fahrbare Elbquerung (Kanalbrücke über die Elbe) am Wasserstraßenkreuz Magdeburg. Der Ausbau sollte für Motorgüterschiffe mit 110 m Länge bzw. Schubverbände mit 185 m Länge, 11,4 m Breite und mit 2,8 m Abladetiefe erfolgen. Möglich wird dadurch der Verkehr mit Motorgüterschiffen bis zu 2.000 t sowie Schubverbänden bis zu 3.500 t Tragfähigkeit.279

Bild 47 Verkehrsprognosen für die Binnenschifffahrt auf der Elbe oberhalb und unterhalb von Magdeburg

Quelle: siehe Bild 44

Die Bundeswasserstraßenverwaltung führte ab 1993 beide Maßnahmen, Strombaumaßnahmen an der Elbe und das VDE 17 zügig aus.

Im Jahr 1998 prognostizierte Planco Consulting GmbH, Essen im Auftrage des BMVBS [94] für die Zeit zwischen 1997 und 2010 eine Zunahme des Containeraufkommens auf deutschen Wasserstraßen im Hinterlandverkehr der Seehäfen um etwa 100 %. Die laufenden Baumaßnahmen im Zuge der Elbe und des VDE 17 ließen erwarten, dass der Binnenschiffsverkehr mit Gütern auf der Elbe und in den Binnenhäfen einen noch höheren Zuwachs280 erreichen könnte. Beispielsweise von Hamburg aus war durch eine geplante Elbe- Container Linie ein erheblicher Anstieg der Containertransporte im Hinterlandverkehr zu erwarten. Bei einem relativ kleinen Anteil der Elbe am Gesamtverkehrsaufkommen auf

279 Im Jahr 1992 veranschlagte Kosten für den 280 km langen Bauabschnitt 2 Mrd. €.

280 Auf der Basis eines niedrigen Ausgangswertes (genauere Prognosen konnten wegen fehlender Strukturdaten damals nicht berechnet werden).

173 deutschen Binnenwasserstraßen rechnete die Planco Prognose zwischen 1997 und 2010 mit einem Zuwachs von 10.000 auf 603.000 Jahrestonnen im Elbe-Hinterlandverkehr Hamburgs.

Das Wasserstraßenkreuz Magdeburg als wesentlichstes Element des VDE 17 konnte in einer Bauzeit von ca. 10 Jahren fertig gestellt und 2003 dem Verkehr freigegeben werden. Damit waren für den Binnenschiffsverkehr von der Elbe in das gesamte übrige Wasserstraßennetz Deutschlands alle Voraussetzungen geschaffen. Aufbauend auf die beabsichtigten und angelaufenen Strombaumaßnahmen an der Elbe und dem VDE hatten die der Elbe anliegenden Länder und Gemeinden die Verantwortung für die Sanierung ihrer Häfen an der Oberelbe übernommen.

In Sachsen waren die drei sächsischen Häfen Dresden, Riesa und Torgau dem Freistaat rückübertragen worden. Er gründete die Sächsische Binnenhäfen Oberelbe, beauftrage diese mit der Betriebsführung und übertrug ihr die Liegenschaften und sonstigen Anlagen der Häfen.

Wie alle anderen Infrastrukturanlagen in Sachsen waren auch die Häfen in ihrem baulichen Zustand überaltert und dringend sanierungsbedürftig. Voraussetzung für die Finanzierung des notwendigen Hafenausbaus war eine überzeugende Planung für kurzfristig notwendige Baumassnahmen und eine langfristig angelegte bautechnische Gestaltung der Häfen.

Im Rahmen der Aufstellung des Landesverkehrsplans Sachsen entstanden in Zusammenarbeit zwischen der SBO und den zuständigen Ministerien Masterpläne für die Sanierung und den Ausbau der drei sächsischen Häfen. Die Masterpläne wurden als Entwicklungsziele der Häfen vom Aufsichtsrat der SBO beschlossen und zur Ausführung freigegeben. Der unmittelbare Finanzbedarf für die Infrastruktur innerhalb der Häfen und die notwendige landseitige Erschließung durch Straße und Schiene belief sich auf ca. 65 Mio. € Die Sächsische Staatsregierung genehmigte im Jahr 1995 ein Investitionsprogramm in dieser Höhe von 65 Mio. € und stellte als alleiniger Gesellschafter der GmbH die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung.

174 Tabelle 17 Investitionsprogramm der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH

Hafen Dresden Kaianlagenneubau und Sanierung 8 400 T€ Gleisbau 5 525 T€ Straßenbau – einschl. Wasser- und Entsorgungsanlagen 7 200 T€ Abriss- und Räumungsarbeiten 2 000 T€ Krananlagen 3 250 T€ Gebäude, Werkstätten 3 750 T€ insgesamt 30 125 T€

Hafen Riesa Kaianlagenneubau und –Sanierung 11 500 T€ Gleisbau 4 500 T€ Straßenbau u. Energieversorgungsanlagen 6 100 T€ Abriss- und Räumungsarbeiten 2 500 T€ Krananlagen 4 600 T€ Gebäude, Werkstätten 3 400 T€ Insgesamt 32 500 T€

Hafen Torgau

Abrissarbeiten, Vorbereitung von Ansiedlungsfläche 1 000 T€ Gebäudeinstandsetzung 500 T€ Gleis- und Straßenreparaturen 1 000 T€ insgesamt 2 500 T€

Investitionsvolumen der SBO insgesamt 65 125 T€

In den Jahren 1995 bis 2005 konnten somit von der SBO über 65 Mio. € in eine zukunftsorientierte Ausgestaltung der sächsischen Häfen investiert und diese mit modernsten Umschlagseinrichtungen ausgestattet werden [95]. In Sachsen-Anhalt verfuhr man ähnlich, nach dem die Bundesregierung mit dem Bau des VDE 17 begonnen und den Ausbau der Saale bis Halle in Aussicht gestellt hatte. Die dort wieder in kommunaler Hand befindlichen Häfen wurden dem erwarteten Bedarf folgenden ausgebaut.

Insgesamt investierten die Hafengesellschaften an der Oberelbe etwa 150 Mio. €, private Anlieger in den Häfen zusätzlich 225 Mio. €. Die land- und wasserseitigen Umschlagsleistungen in den Häfen an der Oberelbe nahmen nach 1992 etwa parallel zum Abschluss der einzelnen Baumaßnahmen an der Elbe und in Abhängigkeit von der Wasserführung der Elbe zu.

Im Interesse einer abgestimmten Hafen- und Umschlagspolitik an der Oberelbe übernahm die SBO im Jahr 2001 die beiden ehemaligen tschechischen Staatshäfen in Tetschen (Decin) und Lobositz (Lovosice), die nach ihrer Privatisierung in Konkurs geraten waren. Die Stadt Dessau bot der SBO die Einbeziehung ihres Hafens in Rosslau in die zwischenzeitlich entstandene Unternehmensgruppe SBO an. Der Aufsichtsrat der SBO folgte diesem Anliegen, so dass damit alle Häfen an der Oberelbe zwischen Dessau und Lobositz281 von einer Hand geführt werden.

281 Mit Ausnahme des Hafens der Stadt Aussig. 175 Einen großen Bruch in der erwarteten positiven Entwicklung des Schiffsverkehrs und der wasserseitigen Umschlagsleistungen der Häfen an der Oberelbe brachte das Sommerhochwasser im Jahre 2002. Mit der Wucht eines 100jährigen Hochwassers zerstörten die Wassermengen der Elbe erhebliche Teile der sanierten Strombauwerke. Vor diesem Hintergrund der Hochwasserschäden an der Elbe war die darauf folgende Kehrtwendung der Bundesregierung in der Infrastrukturpolitik für die Oberelbe nicht nachvollziehbar.

Das Elbhochwasser hatte die Schifffahrtsbedingungen auf der Elbe wieder nachhaltig verschlechtert. Bei Fortsetzung der bisherigen Verkehrspolitik wäre eine sofortige Beseitigung der Hochwasserschäden am Elbstrom notwendig gewesen, wie alle anderen Hochwasserschäden von den jeweils zuständigen Stellen behoben wurden. Vielmehr wies die Bundesregierung die handelnde WSO an, zunächst alle Baumaßnahmen im Zuge der Elbe zurückzustellen und eine Überprüfung der anstehenden Maßnahmen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Hochwasserschutz durchzuführen.

Ohne diese Überprüfungsergebnisse abzuwarten, ohne vorherige Abstimmung mit den Elb- Anliegerländern und der tschechischen Regierung verfügte die Bundesregierung noch im gleichen Jahr den endgültigen Abbruch aller Strombaumaßnahmen und diesen gleichkommenden Unterhaltungsarbeiten an der Oberelbe. Aufgrund dieses Baustopps mussten alle wasserbautechnischen Maßnahmen an der Elbe eingestellt werden. Die Investitionsmittel des Bundes für die Elbe wurden gesperrt. Die bisher beschlossenen Baumaßnahmen konnten damit nicht, wie vorgesehen, bis 2006 abgeschlossen werden.

Für Tschechien bedeutete diese politische Entscheidung Deutschlands die Zurückstellung der Strukturhilfemittel der EU, die von Prag für den Bau der Stauwerke in Tetschen und Aussig beantragt und in Aussicht gestellt worden waren.

Der im Jahre 2003 von der Bundesregierung verabschiedete Bundesverkehrswegeplan 2003 sah in Fortführung des eingeschlagenen verkehrspolitischen Weges für die Elbe daher auch keine Baumaßnahmen an der Elbe mehr vor.

Die Elbschifffahrt und alle Elbanlieger wurden von dieser politischen Entscheidung unerwartet hart getroffen. Es stand zu befürchten, dass die erheblichen öffentlichen und privaten Investitionen, sowie die ausgeführten Baumaßnahmen der Länder und Gemeinden in den Elbhäfen ohne den erwarteten wirtschaftlichen Erfolg verbleiben würden. Die Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für die einzelnen Baumaßnahmen waren hinfällig geworden, da der prognostizierte Güterverkehr auf der Elbe nunmehr nicht erreichbar sein würde.

Ohne die 1992 festgelegten wasserbautechnischen Maßnahmen bleibt die Schiffbarkeit der Elbe stark eingeschränkt. Im Zeitraum von August 2002 bis einschließlich Mai 2006, innerhalb von 46 Monaten war wegen der geringen Abflussmengen und der neuen Hindernisse im Strom nur 23 Monate eine wirtschaftliche Binnenschifffahrt mit der notwendigen Abladetiefe von 1,40 m möglich.282 Im mehrjährigen Durchschnitt ist die Elbe bei ihrem derzeitigen Zustand nur an 100 Tagen im Jahr voll schiffbar; an knapp 200 Tagen ist die Abladetiefe, damit die Schifffahrt stark eingeschränkt, so dass in dieser Zeitspanne ein wirtschaftlicher Schiffsverkehr kaum möglich ist. Einen Überblick dazu gibt das folgende Bild.

282 Dresdner Pegel: Wasserstände zwischen August 2002 und Mai 2006. (Angaben des WSA Wasser- und Schifffahrtsamtes Dresden)

176 Bild 48 Schiffbarkeit der Elbe unterhalb Dresdens 1992 bis 2002

250

200

150

100

50 an Tagen des Tagen Jahresan

0 100% 20-50 %

Hochwasser Schiffbarkeit SchiffbarkeitNiedrigwasser . Wasserstände

10jähriger Durchschnitt 2001 2002

Im Rahmen eines weiteren Gutachtens [96] empfahl Planco im Jahre 2003 dem Bundesverkehrsministerium 21 Maßnahmen zur Stärkung der Binnenschifffahrt, wenn das verkehrspolitische Ziel einer Umlenkung der Güterströme von der Straße auf die Wasserstraße erreicht werden solle. Als notwendige Voraussetzung erklärte der Gutachter die Sicherung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Binnenwasserstraßen und daraus die Empfehlung zur Aufstockung des Infrastrukturbudgets. Das Gutachten führt sinngemäß aus:

„Für notwendig wird vom Gutachter eine Erhöhung der verfügbaren Investitionsmittel im Verhältnis zu den Ansätzen des Bundesverkehrswegeplans 2003 um jährlich 300 Mio. € angesehen. Mit dieser Erhöhung könne eine weitere Verschlechterung der Infrastruktur vermieden, die Infrastrukturverbesserung beschleunigt werden, damit die verladende Wirtschaft nicht beginnt, ihre eigene Langfristplanung auf Dauerengpässe (wie an der Elbe) in der Infrastruktur auszurichten. Die ökonomischen Risiken der Infrastrukturverschlechterung seien nicht hinreichend bekannt, was die verkehrspolitische Diskussion erschwere. Daher sollte auf ausgewählten Wasserstraßen eine wirtschaftliche Risiko-Bewertung erfolgen“.

Für die Elbe galt letzteres besonders, zumal die Binnenhäfen an der Elbe mit erheblichem Aufwand als Beitrag zur Sicherung eines wirtschaftlichen Aufschwungs ausgebaut worden waren.

Deutlich wird dieser Tatbestand an den Verladeleistungen in den Elbhäfen, insbesondere am Anteil der Wasserverladung. Die Häfen in Dresden, Riesa und Torgau hatten sich als Umschlagplatz zur Bahn und Straße zwar etabliert; ihre Hauptaufgabe als Anlauf- und Umschlagplätze für umweltfreundliche Transporte auf dem Wasserweg nach Tschechien, zu den westdeutschen Binnenhäfen im Bereich des Rheins und des Mittellandkanals, zu den Rheinmündungshäfen und nach Hamburg konnte somit nicht erfüllt werden. Insbesondere die landseitige Infrastruktur lag vielfach still.

Die zeitliche und damit betriebswirtschaftliche Berechenbarkeit der Schifffahrt auf der Elbe blieb stark eingeschränkt. Der erwartete Erfolg einer Elbe-Containerlinie zwischen Hamburg und Prag, die probeweise eingeführt worden war, blieb aus.

Der Zielsetzung dieser Arbeit folgend muss hier eine Bewertung der politischen Entscheidungen des Bundes 1992 und 2003 im Zusammenhang mit den beiden

177 Bundesverkehrswegeplänen vorgenommen werden: Offensichtlich war sich die Bundesregierung in den Jahren 2002 und 2003 nicht darüber im Klaren, welchen wirtschaftlichen Schaden sie mit der Einstellung der Bauarbeiten am Elbstrom erzeugen würde.

Wenn es um die Realisierung abgestimmter verkehrspolitischer Programme zur Verkehrsinfrastruktur geht, deren verkehrsfachliche Zielsetzung sowohl wirtschaftspolitisch wie ökologisch vernünftig ist, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen, diese Ziele zu verwirklichen. Abbrüche, wie sie im Jahr 2002 in der Infrastrukturpolitik der Bundesregierung erfolgt waren, schaden der Kalkulierbarkeit wirtschaftlicher Prozesse. Infrastruktur-Ausbau ist ein langfristig angelegter Prozess. Das Herausbrechen einzelner Elementes aus einem bewusst auf das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands ausgerichteten Bundesverkehrswegeplan musste zu Brüchen in der Entwicklung führen, vor allem dazu, dass perspektivisch angelegte Ziele nicht erreicht werden konnten.

Wäre es bei der Entscheidung des Bundes zum Bundesverkehrswegeplans 2003 geblieben, hätten die Investitionen in die Häfen und deren landseitigen Anbindungen für Schiene und Straße, für Umschlagseinrichtungen teilweise als Fehlinvestitionen bezeichnet und abgeschrieben werden müssen. Von einer Fehlverwendung öffentlicher Haushaltsmittel des Freistaates wäre auszugehen gewesen. Betrachtet man heute die jährlich geleisteten Tonnenkilometer auf den Binnenwasserstraßen des Bundesgebietes, so wird zunächst der große Anteil der Schifffahrt im Rheingebiet283 deutlich. Der Anteil des Schiffsverkehrs auf anderen Bundeswasserstraßen (Mittellandkanal und Elbe) nimmt seit 2002 ab; eine Tendenz, die wesentlich auf die Schifffahrtshemmnisse im Elbebereich hinweist. Deutlich wird diese Tendenz auch am Rückgang der Wasserverladung in den Häfen der SBO bei wachsender Gesamtverladung284.

283 Rheingebiet: Rhein/Mosel/Saar/Neckar/Main/Lahn.

284 Der Umfang der landseitig umgeschlagenen Tonnage spiegelt auch die positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Sachsen wider.

178 Bild 49 Wirtschaftliche Entwicklung der Häfen an der Oberelbe; jährliche Umschlagsleistungen [99]

3

2,5

2

1,5

Mio. t /Jahr t Mio. 1

0,5

0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Gesamtverladung davon Wasserverladung

Bild 50 Containerverkehr der Sächsischen Binnenhäfen [99]

3

2,5

r 2

1,5

Mi o. t/ Jah 1

0,5

0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Gesamtverladung davon Wasserverladung

Der Container-Umschlag in den Häfen der SBO hat sich seit 2002 enorm entwickelt. Sicher ist ein Teil dieses Zuwachses auch der Wasserverladung zuzurechnen, der Großteil des Containerverkehrs erfolgt allerdings auf dem Landweg. Auch im Jahr 2007 setzte sich dieser Trend fort. Die Umschlagsleistung wuchs im ersten Halbjahr um 9% auch für die Wasserverladung, letzteres dank der witterungsbedingten sehr guten Wasserführung der Elbe285. Die wasserseitige Verladung stieg sogar um 22 %. Damit konnte das betriebswirtschaftlich beste Ergebnis der SBO Häfen seit 1991 erreicht werden.

285 Nahezu durchgehend 1,50 m Dresdner Pegel.

179 Bild 51 Wasserstände der Elbe 2005 bis 2007, Pegel Dresden

600

500

400

300

200 (Monatsdurchschnitt)

100 durchschnittlicher Wasserstand in cm / in cm Wasserstand durchschnittlicher

0 Jan Feb Mrz. Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Monat 2005 2006 2007

Die Unternehmensgruppe SBO verzeichnete im Jahr 2006 einen Gesamtumschlag von 2,45 Mio. t von denen 1,80 Mio. t. auf die Häfen in Sachsen entfielen.

Da während der vorausgegangenen Periode der schlechten Befahrbarkeit der Elbe Schiffsraum von der Elbe zum Rhein abgewandert war, sah sich die SBO in Anbetracht der aktuell guten Fahrwasserbedingungen zur Bedienung der Transportnachfragen aufgefordert, Schiffsladeraum anzumieten. Seit Anfang 2007 hat sie Schiffe fest gechartert. Seit Anfang des Jahres betreibt die SBO damit ein neues Geschäftsfeld, indem sie als Reeder und Frachtführer auf dem Markt für Binnenschiffstransporte agiert. Die Schiffe wurden zunächst für den Transport von Schrott und Flussspat zwischen Dresden und Magdeburg eingesetzt.

Das erfolgreiche Beispiel der Verlagerung von Straßentransporten auf die Binnenschifffahrt durch Eigencharter der SBO zeigt, wie mit Hilfe einer gut durchorganisierten Logistikkette den nach wie vor bestehenden Niedrigwasserrisiken der Elbe zeitweise entgegen getreten werden kann, so lange die Wasserführung der Elbe es zulässt.

Zur Erleichterung der Verladetätigkeit und Ausweitung der Kapazität des Alberthafens in Dresden wurde dort im Jahr 2007 eine „Roll On-Roll Off-Anlage“ am Stromkilometer 61,0 außerhalb der unmittelbaren Hafenanlagen in Betrieb genommen. Mit dieser RoRo-Anlage wird der Entwicklung Rechnung getragen, dass der Dresdner Universalhafen zunehmend in seiner Seehafenhinterland-Funktion gefordert ist. Die Verladung immer größerer und schwererer Transportgüter „seeverpackt“ wird verstärkt nachgefragt. Die neue Verladeanlage bietet vor allem dem sächsischen Schwermaschinenbau verbesserte Exportchancen.

Verdeutlicht wird die Notwendigkeit der Verbesserung der Fahrwasserbedingungen generell an der Rolle der Binnenschifffahrt im Seehafen-Hinterlandverkehr Hamburgs. Das folgende Bild zeigt, welche unbedeutende Rolle die Elbe als Zubringer zum Hamburger Hafen bis heute spielt und wie ihre zukünftige Entwicklung prognostisch beurteilt wird. Nach einer Schätzung des

180 Umweltbundesamtes[ 97] betrug der Zubringeranteil der Elbschifffahrt im Jahr 2005 gerade 5 % am Containerumschlag im Hamburger Hafen. Eine konservative Hochrechnung der HHLA286 lässt für 2012 einen seeseitigen Container-Umschlag von 12 Mio. TEU (Standard- Container) erwarten, von denen 600.000 TEU über die Elbe herangeführt werden könnten287. Eine Planco-Prognose unterstellt in ähnlicher Größenordnung einen jährlichen Zuwachs des Binnenschiff-Containerverkehrs um 10% auf der Elbe. Voraussetzung ist jedoch die Herstellung der mehrfach beschriebenen ganzjährigen Fahrwassertiefe von 1,60 m zwischen Geesthacht und der CR.

Bild 52 Prognose des Containerverkehrs im Hinterlandverkehr der Seehäfen per Binnenschiff von und nach Deutschland [96]

18.000

16.000

14.000 1.802 803 12.000 1.507 10.000 114 5.306 1.183 8.000 49 4.156 1.015 10 6.000 3.262 939 2.820 1 4.000 1.572 7.408 5.771 2.000 3.859 4.492 Containerverladung in 1.000 to Containerverladung 3.226 0 1995 1997 2000 2005 2010

Niederländische Häfen Belgische Häfen Hanburg Bremische Häfen

Die vorgenommene Negativbewertung der Investitionspolitik auf der Mittel- und Oberelbe kann aufgrund der jüngsten verkehrspolitischen Entscheidungen der Bundesregierung relativiert werden. Im Oktober 2006 legte das Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen und Städtebau einen neuen „Investitionsrahmenplan für die Bundesverkehrswege“, u.a. für den Ausbau der Bundeswasserstraßen 2006 bis 2010 vor [32].

Dieser Investitionsrahmenplan markiert (nicht nur für die Bundeswasserstraßen) eine deutliche Trendwende. Erfreulicherweise werden – unabhängig von den Zielen des Bundesverkehrswegeplan 2003 – Strombaumaßnahmen für die nächsten 5 Jahre in Höhe von 9 Mrd. €288 veranschlagt, davon 256 Mio. € für das Elbstromgebiet:

 Weiterbau des VDE 17 (Mittellandkanal nach Berlin) 1 084 Mio. €  Neubau Hafenschleuse Magdeburg 40 Mio. €

286 Bilanz-Pressekonferenz der Hamburger Hafen und Lagerhaus AG (HHLA) am 31.3.2008

287 Anmerkung 600 000 TEU entsprechen 600 000 LKW Fahrten auf der Straße oder 6 000 Schiffsbeladungen

288 Im Gegensatz zu bisher 4,7 Mrd. € für die Jahre 2002 bis 2015 – vergl. Bundesverkehrswegeplan 2003.

181  Ausbau der Mittel- und Oberelbe (einschl. Havel-Wasserstraße) 139 Mio. € 289  Schleusenkanal der Saale bei Tornitz 77 Mio. €

Deutschland folgt damit auch einem Aktionsprogramm der Europäischen Union für die Förderung der Binnenschifffahrt [98]. Die Kommission stellte 2006 ein Programm „Navigation and Inland Waterway Action and Development in Europe“ – kurz Naiades – vor. Nach Auffassung der EU habe die europäische Binnenschifffahrt ihre traditionelle Stärke in der Langstreckenbeförderung von Massengut und durch die Erschließung neuer Märkte (Containerverkehr) erfolgreich ergänzt. Es gelte aber, ungenutzte Kapazitäten auszuloten und auszubauen. Zentrales Thema des Aktionsprogramms ist daher die Entwicklung und Unterhaltung der Infrastruktur der Wasserstrassen und Umschlaganlagen.

Wenn Deutschland bei der Umsetzung dieses EU-Aktionsprogramm in dem erforderlichen Maß mitwirkt, müssten in Zukunft auch die Kapazitätsengpässe im Verlauf der Elbe behoben werden können.

Die Mittel für die Elbe sind jedoch noch nicht ausreichend. Zunächst ist die Finanzierung aller Baumaßnahmen gesichert, die zur Wiederherstellung des Zustandes vor dem Elbhochwasser führen. Im Fortgang der Maßnahmen muss das strukturpolitische Ziel für die Elbe von 1992 wieder aufgenommen und in den Folgejahren erreicht wird.

Zur Stabilisierung des Wasserstandes der Elbe in Ergänzung der Strombaumaßnahmen werden in jüngster Vergangenheit Gedanken aus der Zeit um 1930 wieder aufgegriffen, mittelfristig ein Seitenspeicherbecken der Elbe zwischen Pirna und Dresden-Pillnitz anzulegen. Wasserwirtschaftliche Erwägungen waren damals Anlass für entsprechende Planungen.[99] Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die langjährige Absicht der CR, im Interesse des Hochwasserschutzes und der Stabilisierung der Schifffahrt Staustufen im Oberlauf der Elbe anzulegen.

4. 8. 3 Binnenhafen Leipzig

Abschließend ein Wort zur Anbindung der Stadt Leipzig an das Wasserstraßensystem Saale/Elbe. Da Leipzig keinen Wasserstraßenanschluss hatte, galt die Stadt bis in das 20. Jahrhundert hinein als teurer Wirtschaftsstandort. Der sächsischen Kurfürsten Johann Georg III. befürwortete schon um 1706 eine Wasserverbindung Leipzigs zum Meer. Auch Kurfürst Friedrich August I. der Starke und Friedrich August III. (1763-1827) setzten sich dafür ein. Jedoch verhinderten immer wieder widrige Umstände wie die Napoleonischen Kriege (1805- 1815) und die darauf folgende Teilung Sachsens die praktische Umsetzung. Später erschien das Transportproblem über ein gut ausgebautes Eisenbahnnetz lösbar.

Im Jahre 1854 nahm der Unternehmer und Stadtverordnete Dr. Karl Erdmann Heine (1819- 1888) erneut die Planung eines Kanals von der Elster zur Saale auf. 1856 begann der Bau des Kanals an der Nonnenstrasse. Es wurden insgesamt 14 Bogenbrücken aus Naturstein für Strassen und Eisenbahnen gebaut, die seither Anziehungspunkte und Zeitzeugen der Geschichte sind. Schon um diese Zeit wurden grosse Teile des heutigen Hafenbeckens zur Kiesgewinnung genutzt.

289 Die Mittel für die Elbe sollen allerdings zunächst nur für die Beseitigung der Hochwasserschäden aus dem Jahr 2002 eingesetzt werden.

182 Zu dieser Zeit plante die Stadt Leipzig den weiteren Ausbau des Elster-Saal-Kanals mit einem Haupthafen auf dem Gebiet des heutigen Zentralstadions. Das heutige Hafengebiet sollte als Vorhafen ausgebaut werden, welcher als Umschlagplatz für größere Schiffe bis etwa 500 t geplant war. Jedoch waren die finanziellen Mittel der Stadt und des Landes durch den Ausbau der Eisenbahnverbindungen für den Hauptbahnhof gebunden. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges sowie die nachfolgenden Wirtschaftskrisen verhinderten die Realisierung des Hafenprojekts. 1920 sollte Leipzig mit Hilfe eines Stichkanals für Schiffe bis 1000 t als so genannter "Südflügel" an den Mittellandkanal angebunden werden. Der Ausbau wurde aber aufgrund_Geldmangels_nicht_begonnen.

1933 trieb der damalige Leipziger Oberbürgermeister Dr. Carl Goerdeler den Bau des Elster- Saal-Kanals voran. Nunmehr wechselte aufgrund der Nähe zum Industriegebiet Plagwitz- Lindenau, der schon vorhandenen Anbindung an die Elster über den Karl-Heine-Kanal und der Kürze der Verbindung zur Saale (20 km) der Haupthafenstandort nach Lindenau. Baubeginn für den Hafen war erst 1937. Er sollte gleichzeitig mit dem Kanal 1941/42 in Betrieb genommen werden. Vorgesehen waren ein Industriehafen für große Industriebetriebe und ein Umschlagshafen für das Wirtschaftsgebiet Leipzig. Das in der ersten Ausbaustufe gebaute Becken 1 des Umschlaghafens ist das heutige Hafenbecken, welches fast ausschließlich mit Grundwasser_gefüllt_ist.

Nachdem 1941 50 % der ersten Ausbaustufe fertig gestellt waren, wurden teilweise schon Speichergebäude gebaut. Diese Speichergebäude sind heute als denkmalsgeschützte Gebäude eine der Hauptattraktionen des Hafens. 1942 wurden die Bauarbeiten am Kanal eingestellt. Nur noch 6,5 km trennten Leipzig vom Anschluss an die Saale und damit vom Anschluss ans Meer. 1943 stellte die Stadt dann alle Bauarbeiten ein, da das Baumaterial für die Rüstung gebraucht wurde.

Nach 1945 wurde der Ausbau des Kanals sowie des Hafens von Sachsen und Sachsen-Anhalt befürwortet, von der Sowjetischen Militäradministration allerdings abgelehnt. Auch 1949 mit der Gründung der DDR wurde das Projekt ignoriert. Die halbfertigen Hafenanlagen wurden jahrelang von Volkeigenen Betrieben genutzt, aber nur ein 56 m hohes Gebäude, die 13- geschossige Futtermischanlage des VEB Getreidehandel, gebaut. [100] Da seitens des Bundes kein Interesse am Ausbau des Elster-Saal-Kanals bestand und ein Ausbau der Saale bis zur Elbe seitens der Sächsischen Staatsregierung für wenig wahrscheinlich angesehen wurde, verzichtete das SMWA in Abstimmung mit der Stadt Leipzig auf die Aufnahme des Hafens und seiner Anbindung an die Elbe in den Landesverkehrsplan.

Die Einschätzung Sachsens Mitte der 1990ger Jahre zu den Schwierigkeiten eines Ausbaus der Saale zur Elbe bestätigen sich seit dem.

Da die Saale sächsisches Gebiet nicht berührt, ist der Freistaat an den Diskussionen über den Bau des sieben Kilometer langen Schleusenkanals Tornitz für die Saale nicht beteiligt.

4. 9 Exkurs „Überlegene Magnetbahntechnik“; Betrachtungen dazu aus der Sicht Sachsens

Nach einer mehr als 20jährigen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit konnte im Jahr 1992 die technische Einsatzreife der Magnetbahntechnik vom Typ Transrapid erklärt werden. Dieser Erfolg reichte aber als Rechtfertigung für den Einsatz der neuen Spurführungstechnik auf einer bestimmten Strecke in Deutschland nicht aus. In fast allen Ländern wurden daher Einsatzfelder

183 für das neue System geprüft; in Nordrhein-Westfalen sogar für den Bereich des Nahverkehrs; in anderen Ländern für Fernverkehrsstrecken.

Als technisch innovatives Land stellte sich in Sachsen daher die Frage, ob und zu welchem verkehrspolitischen Zweck das Transrapid-System Anwendung finden könnte, zumal industrie- politisch großes Interesse an neuen Technologien bestand. Unter dieser Prämisse musste eine zunächst rein theoretische Streckenführung gefunden werden, mittels derer eine grobmaschige Prüfung erfolgen konnte.

In Erwägung wurde die Verbindung Berlin – Dresden, ggfs. mit Verlängerung nach Prag gezogen. Nach dem sich aber weder die Industrie noch die Bahn auch finanziell an einer vertieften Prüfung beteiligen wollten, ließ das Interesse Sachsens erheblich nach. Zudem musste festgestellt werden, dass die Zahl der Bahnreisenden auf dieser Fernstrecke nach 1991 erheblich zurück gegangen war; die Intercity-Züge, im 2 Stunden Takt, waren kaum zu 50% ausgelastet. Ein besonders hohes Verkehrsaufkommen konnte somit nicht erwartet werden.

Einen neuen Anstoß gab die EU-Kommission. [101] Im Rahmen der Planungen für die „Transeuropäischen Netze“ erhielt die Transrapid-Planungsgesellschaft den Auftrag für eine Machbarkeitsstudie zur Verbindung von Hamburg nach Budapest über Berlin, Dresden, Prag und Wien. [102] Sachsen wurde in den Planungsprozess einbezogen.

Die Ergebnisse dieser Studie (siehe Bild 53) waren u.a. folgende; Prognostizierte Verkehrsleistungen Berlin – Budapest: 10 bis 15 Mrd. Personen - km jährlich 290 ..

Das Gutachten sollte das Projekt voranbringen. Die Prüfung der einzelnen Ergebnisse, z.B. der Prognosen für die Belegung der Strecke, legte wesentliche Fehleinschätzungen des Gutachters offen. Die für 2020 ausgewiesene Querschnittsbelastung war in ihrer Größenordnung nicht nachvollziehbar. Die Magnetbahn sollte in Parallellage und damit im Wettbewerb zur DB Fernstrecke geführt werden. Ergänzend wurde deutlich, dass eine Finanzierung des Streckenteils Berlin – Dresden in der Größenordnung von ca. 2,5 Mrd. € weder durch die EU noch den Bund erwartet werden konnte.

Folgende Gesichtspunkte führten letztlich dazu, dass sich Sachsen ganz von dem Vorschlag der Magnetbahn Gesellschaft distanzierte und damit alle Überlegungen zu Transrapid abgeschlossen wurden:

 Aufgabe des MSB-Projektes Berlin – Hamburg durch die Deutsche Bahn.  Fehlender Verantwortungsträger: Die MSB konnte kein Projekt eines Landes sein; die Zuständigkeit hätte beim Bund oder der Bahn liegen müssen.  Keine Bereitschaft der EU, das Projekt in die Transeuropäischen Netze zu übernehmen.

290 Die Gutachter begründen diese hohe prognostizierte Verkehrsleistung mit den konkurrenzlosen niedrigen Fahrzeiten und kurzen Umsteigezeiten zwischen der Magnetschnellbahn und anderen Verkehrsmitteln.

184 Bild 53 Transrapid-Projekt Hamburg- Berlin-Budapest Verkehrsprognose

2500

2000

1500

1000

500 Querschnittsbelastung für die die für Querschnittsbelastung

Bemessungsstunde (Passagiere/Richtung) 0

rg in n ag n en g r li r ün i er P r apest B B W ssbur d Dresden e Hambu Schwe Pr Bu Streckenabschnitte

Reisende/Stunde u. Richtung Sitzplätze der Züge/Bemessungsstunde

Tabelle 18 Geschätzte Investitionskosten für das Transrapid-Projekt ( Mio. €)

Berlin – Berlin – Prag Berlin – Wien Berlin – Dresden Budapest Infrastruktur 2,403 3,909 9,749 13,788 Fahrzeuge und Instandhaltungsanlagen 147 217 625 797

Datenquelle zu Bild 53 und Tabelle 18: Verkehrsprognose der Transrapid-Planungsgesellschaft

Inwieweit der Transrapid in Deutschland überhaupt noch eine Chance hat, sollte die nahe Zukunft mit der Entwicklung der MSB zum Flughafen München zeigen. Nach den jüngst bekannt gewordenen erheblichen Kostensteigerungen des Vorhabens und dessen Aufgabe in Bayern [103] ist diese Frage klar (wenn auch leider) negativ beschieden. [104]

(Ausführlich vergleicht Rudolf Breimeier aus Anlass der Inbetriebnahme des Magnetschnellbahn in China die Transrapid Technik mit der traditionellen Rad Schiene Technik.)

4. 10 Einordnung der behandelten Projekte in den Gesamtzusammenhang aller getätigten Investitionen

Der Landesverkehrsplan Sachsen wies im Jahr 1995 in Verbindung mit dem Bundesverkehrsplan 1992 für Sachsen einen Investitionsbedarf unabhängig von der Baulastträgerschaft von ca. 40 Mrd. € für alle Infrastrukturmaßnahmen aus. Ein Großteil der in beiden Plänen enthaltenen Projekte war bereits vor 1995 begonnen worden und konnte zwischenzeitlich in Betrieb genommen werden. Innerhalb der Einzelplanung für die

185 Vielzahl der geplanten Projekte stellten sich notwendige Projekt-Änderungen ein, die zur Modifizierung und damit Korrektur der Kostenansätze führen mussten.

Nach einer mehr als 15jährigen Phase des „Aufbau Ost“ stellt sich folgendes Bild dar: Grundsätzlich konnte die Verkehrsinfrastruktur Sachsens weitestgehend saniert und der der westdeutscher Länder angepasst werden. Zahlreiche neue Projekte für Schiene, Straße, Wasserstrasse und Flughäfen sollten die vorhandenen und überalterten Anlagen ergänzen und konnten ab 1995 in Angriff genommen werden. Die Situation, die sich 2006 ergab, ist folgende:

4. 10. 1 Eisenbahnen

Eine Bilanz hierzu ist leider ernüchternd. Die im Jahr 1991 formulierten, wenn auch sehr anspruchsvollen Ziele wurden bisher nicht erreicht.

Für den Bereich des Fernverkehrs auf der Schiene waren nach 1992 die „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ für Sachsen von großer Wichtigkeit. Sie sollten vor allem der schnellen Erreichbarkeit Sachsens dienen und das Netz der Hochgeschwindigkeitsstrecken nach Leipzig und Dresden erweitern. Die Sachsen-Magistrale Leipzig und Dresden – Plauen – Hof war politisch in ihrer Bedeutung den VDE gleichgestellt worden.

Eine Zuordnung der Fernverkehrsprojekte auf die einzelnen Länder wurde von der Bahn und dem Bund nicht vorgenommen, so dass dazu eine unmittelbare und exakte Ausweisung von getätigten Investitionen in Sachsen nicht möglich ist. Dennoch ist der Vergleich zwischen Investitionsplanung und getätigten Investitionen auch projektbezogen von Interesse.

Die folgende Tabelle weist daher größenordnungsmäßig die getätigten Investitionen der Fernstrecken innerhalb Sachsens aus. Bemerkenswert sind die erforderlichen Restmittel, die bis zur Fertigstellung noch bereitgestellt werden müssen. Die im Jahr 1992 ausgesprochene Absicht des Bundes, die VDE innerhalb von etwa 10 Jahren zu vollenden, war von der Größenordnung der Aufgabenstellung her zu optimistisch. Auch heute noch wäre die Angabe eines Zeitpunktes dafür reine Spekulation.[91]

186 Tabelle 19 Investitionen des Bundes bzw. der Deutschen Bahn in das Fernstreckennetz Sachsens

Projekt Investitionsplanung Investierte Beträge Erforderliche 1991 bzw. 1995/96 Restmittel zur Fertigstellung des Projektes° VDE 8 VDE 8.1 5.080 Mrd. €. 0.697 Mrd. € 4.382 Mrd. €. VDE 8,2 2.666 Mrd. € 0.546 Mrd. € 2.119 Mrd. € VDE 8.3 fertig gestellt nicht veröffentlicht VDE 9 1.451 Mrd. € 0.707 Mrd. €. 0.743 Mrd. € Sachsen-Magistrale 291 1.706 Mrd. € 0.900 Mrd. €. 0.806 Mrd. €. Gesamtbetrag 10,903 Mrd. € 2.850 Mrd. € 8.050 Mrd. €

Neben den Mitteln für den Fernverkehr förderte der Bund zwischen 1992 und 2005 weitere Projekte zur Verbesserung der Schieneninfrastruktur, insbesondere für Nahverkehrsstrecken.

Nach dem „Deutsche Bahn Gründungsgesetz“ (DBGrG) standen damit der Bahn zur Beseitigung „investiver Altlasten“ innerhalb von Sachsen 4,2 Mrd. € zur Verfügung, die in erster Linie für den Nachholbedarf zu verwenden waren bzw. worden sind.292 Der Abfluss der auf 10 Jahre befristeten Mittel erfolgte nur zögerlich. Bahninterne Schwierigkeiten in den Planungs- und Bewilligungsverfahren waren die Ursache. Im Jahr 2005 war293 zweckgebunden noch ein Betrag von 575 Mio. € abrufbar, so dass auch im sächsischen Bahnnetz weiterhin einige Strecken auf die Sanierung warten.

Das Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSchwAG) verpflichtet die DB, einen Anteil von 10 % der Investitionsmittel, die ihr jährlich ohne Projektbindung zufliesen, zur Verbesserung an Nahverkehrsstrecken (Projektbindung in Abstimmung mit den Ländern) zu verwenden.294 Bis zum Jahr 2005 wurden diese Mittel in Höhe von 163 Mio. € für die Sanierung der Strecke Chemnitz – Leipzig eingesetzt. Das Projekt wurde bis 2005 abgeschlossen, die Fahrzeit der Regionalexpress-Züge verminderte sich auf weniger als 60 Minuten.

Weitere 78 Mio. €. stellte der Bund zwischen 2002 und 2005 der Bahn zur Beseitigung der Hochwasserschäden zur Verfügung.

DB Netz investierte bis 2005 insgesamt 6,6 Mrd. € in ihr sächsisches Streckennetz; eine bedeutende Leistung, wenngleich die Mittel weitgehend durch den Bund zur Verfügung gestellt

291 Gesamtprojekt Leipzig und Dresden – Plauen – Hof – Nürnberg – Stuttgart – Karlsruhe; wesentliche Baumaßnahmen nur innerhalb Sachsens.

292 Zur Finanzierung einer großen Zahl von baulichen und betriebstechnischen Einzelmaßnahmen im gesamten Streckennetz.

293 Nach einer mehrmaligen Verlängerung der Abruffrist durch den Bund.

294 Innerhalb von 10 Jahren bis 2005.

187 worden waren. Dieser Betrag umfasst allerdings nur reichlich die Hälfte der ca. 11 Mrd. € im Landesverkehrsplan veranschlagten Kosten für die Eisenbahninfrastruktur.

Aus aktueller Sicht zum Landesverkehrsplan Sachsen wird erkennbar, dass die seiner Zeit formulierten verkehrspolitischen Zielsetzungen für die Bahn verfolgt worden sind und damit der Prozess der Anpassung des Bahnnetzes an das der „alten“ Bundesbahn, wenn auch sehr zögerlich, erkennbar wird.

4. 10. 2 Straße

Im Bereich des Straßenwesens zeigt die Gegenüberstellung von Planung und Realisierung ein wesentlich erfreulicheres Bild Während im Bereich der Bahn die notwendigen Abstimmungen zwischen Bund und DB immer wieder verzögernd wirkten, konnte die Sächsische Straßenbauverwaltung im Rahmen der Auftragsverwaltung und in eigener Zuständigkeit das Straßennetz in Sachsen vom Grund auf erneuern.

Veranschlagt waren in den Plänen des Bundes und Landes für den Neubau und die Sanierung der Bundesstraßen, Staatsstraßen und kommunale Straßen 20 Mrd. €. Für 13,5 Mrd. € konnten Projekte baulich fertig gestellt werden. Die Einzelbeträge sind der folgenden Tabelle 9 zu entnehmen:295

Tabelle 20 Investitionen in das Straßennetz des Bundes, des Freistaats und der Kommunen Sachsens

Investitions-Planung Investierte Mittel aller 1995/1996 Baulassträger „Straße“ Bundesfernstraßen 7,000 Mrd. €. 5,911 Mrd. €. Staatsstraßen 7,700 Mrd. €. 2,072 Mrd. €. Kommunale Straßen 5,300 Mrd. €. 4,638 Mrd. €.

Die wesentlichen Projekte des Bundesfernstraßenbaus waren

BAB A 4 Neubau Bautzen – Görlitz – Landesgrenze Polen BAB A 4 6-streifiger Ausbau Dresden – Landesgrenze Thüringen BAB A 14 6-streifiger Ausbau im Bereich Leipzig BAB A 17 Neubau Dresden – Landesgrenze Tschechien BAB A 38 Neubau Südumgehung Leipzig BAB A 72 Fertigstellung Chemnitz – Landesgrenze Bayern und abschnittsweise Chemnitz – Leipzig.

Zahlreiche Bundesstrassen wurden saniert, zum Teil 4-streifig ausgebaut und durch Ortsumgehungsabschnitte ergänzt. Heute zeichnet sich ein weitgehend funktionstüchtiges und leistungsfähiges Netz der übergeordneten Straßen in Sachsen ab. Die Verkehrsberuhigung stark belasteter Ortslagen, damit die Entlastung von zahlreichen unzulänglichen dörflich geprägten Ortsdurchfahrten ermöglichte das Bauprogramm für Ortsumgehungen. Dieses Programm muss im Interesse zahlreicher kleinerer Gemeinden fortgesetzt werden.

295 Angaben der Sächsischen Straßenbauverwaltung.

188 Die Baukostenzuschüsse für den Staats- und Kommunalstraßenbau flossen in zahlreiche Vorhaben die der Sanierung, Erneuerung und dem bedarfsgerechten Ausbau dienten.

Die Tabelle 9 macht deutlich, welch großer Bedarf an Finanzmitteln für Kreis- und Stadtstraßen bestand und noch besteht, da deren Zustand vergleichsweise zu den Bundes- und Staatsstrassen besonders erneuerungsbedürftig war und vielerorts noch ist.

Anzumerken bleibt allerdings, dass in Einzelfällen Investitionen in den Straßen- und Brückenbau auch für zweifelhafte Projekte bewilligt wurden. Die zeitweise ausgezeichnete Finanzausstattung der Straßenbauverwaltung führte wegen fehlender Baureife dringender Straßenbauten Maßnahmen durch, deren Zweck und Ziel zumindest zweifelhaft waren. Ein Beispiel ist die Elbbrücke bei Mühlberg. Als Ersatz für eine Elbfähre wird eine Brücke über den Strom gebaut, wobei im Durchschnitt täglich lediglich 100 Pkw und 10 Lkw die Elbe queren296. Ob die Erwartungen für die Nutzung des Bauwerkes erfüllt werden, bleibt im Jahr 2008 offen.

Bild 54 Elbbrücke Mühlberg (in Bau)

4. 10. 3 Öffentlicher Personennahverkehr

Innerhalb des Öffentlichen Personennahverkehrs ist von grundsätzlichen zwei Quellen der Förderung auszugehen::

(a) durch den Bund über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) für den Bereich der S-Bahnen in den Ballungsräumen Dresden, Leipzig/Halle und (ausnahmsweise) für SPNV-Projekte die Deutsche Bahn, sowie für GVFG-Großprojekte297 im kommunalen Bereich (unter Einbindung von Zuschüssen der Länder)

296 Erhebungen des Fährbetriebes Mühlberg.

297 Im Umfang von mehr als 50 Mio. €.

189 (b) durch die Länder für die Bereiche Fahrzeugförderung an die DB AG, an kommunale und private Verkehrsbetriebe weiterhin für die Infrastruktur (Strecken, Betriebshöfe, Betriebsleitsysteme) an nicht bundeseigene Nahverkehrsbetriebe.

Innerhalb Sachsens sind 1991 bis 2005 mehr als 2,725 Mrd. €. staatliche Finanzhilfen für den SPNV und ÖPNV geleistet worden; 2,425 Mrd. € durch den Bund, 0,3 Mrd. €298 als ergänzende Landesmittel aus dem Sächsischen Staatshaushalt. Diese Beträge unterschreiten bei weitem die im Landesverkehrsplan als erforderlich veranschlagten Mittel in Höhe von 5,5 Mrd. € für alle Bereiche des Öffentlichen Nahverkehrs.

Nach Fertigstellung des City-Tunnels in Leipzig und der GVFG-Großprojekte der Verkehrsbetriebe in Dresden und Leipzig werden in Sachsen Investitionen in die Infrastruktur und die Fahrzeugparks der öffentlichen Verkehrsmittel in Höhe von knapp 4 Mrd. € getätigt worden sein. Erhebliche Mittel sind noch für die beiden S-Bahn-Netze in Dresden und Leipzig bis zu deren voller Funktionsfähigkeit notwendig, ebenso für die Modernisierung des sehr engmaschigen Schienennetzes der Leipziger Verkehrsbetriebe.

Die öffentlichen Verkehrsbetriebe Sachsens konnten sich durch die erhebliche staatliche Förderung weitgehend dem Standard der VDV-Betriebe Westdeutschlands anpassen, sodass trotz weiteren Investitionsbedarfs grundsätzlich alle deutschen Nahverkehrsbetriebe in gleichem Sinn zur Lösung der kommunalen Verkehrsprobleme wesentlich beitragen konnten.

Vielfach steht die Infrastruktur westdeutscher Verkehrsbetriebe technisch weit hinter dem Standard der neuen Anlagen in ostdeutschen Städten.

4. 10. 4 Flughäfen

Die internationalen Verkehrsflughäfen in Leipzig und Dresden genossen aus wirtschaftspolitischen Gründen eine besondere Förderung. Die allein aus Gesellschaftermitteln der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt299 finanzierten Großinvestitionen für neue Start- und Landebahnen, Terminals und sonstige technische Einrichtungen galten als Maßnahmen der Wirtschaftsförderung und haben zur Verbesserung der Erreichbarkeit Sachsens und damit indirekt zur Ansiedlung von neuen Industrien, zur Steigerung der sächsischen Wirtschaftskraft und Bereitstellung neuer Arbeitsplätze in den Regionen Dresden und Leipzig Halle wesentlich beigetragen.

Eine besondere Rolle spielte in Leipzig die Ansiedlung von DHL und anderer, international agierender Frachtfluggesellschaften. Für deren Funktions- und Expansionsfähigkeit waren umfangreiche bauliche Anlagen erforderlich, deren Baukosten die Länder übernahmen.

298 Ohne die zusätzlichen Mittel für die Schadensbeseitigung nach dem Elbe-Hochwasser 2002,

299 Die finanziellen Beiträge der kommunalen Gesellschafter sind in ihrer Größenordnung im Vergleich zu den Landesbeiträgen unerheblich.

190 Tabelle 21 Investitionen an den Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden

veranschlagter 1991 bis 2005 Investitionen der Investitionsbedarf getätigte Jahre 2006 und 2007 Investitionen Flughafen 1.000 Mrd. €. 1.020 Mrd. €. 0.380 Mrd. €. 300 Leipzig/Halle 0.300 Mrd. €. 301 0.032 Mrd. €. 302 Flughafen Dresden 0.350 Mrd. €. 0.446 Mrd. €. 0.054 Mrd. €. 303

1.350 Mrd. € 1.466 Mrd. € 0.766 Mrd. €

Investitionen in beide Flughäfen 1991 bis einschl. 2007 2.232 Mrd. €

Die Ausbauziele beider Flughäfen konnten voll erreicht werden. Der technische Standard beider Standorte übertrifft den zahlreicher Flugplätze in Westdeutschland bei weitem.

Die Notwendigkeit eines weiteren Ausbaus ist nicht erkennbar.

4. 10. 5 Wasserstraßensystem Elbe und Saale sowie Häfen an der Oberelbe

In die Häfen der SBO in Dresden, Riesa und Torgau wurden in den Jahren 1991 bis 2005 65 Mio. € investiert. Der Infrastruktur-Ausbau konnte damit abgeschlossen werden.

Wie berichtet, fehlt nach wie vor die Anpassung der Schifffahrtsbedingungen auf der Elbe an die Erfordernisse einer wirtschaftlich handelnden Binnenschifffahrt. Die politischen Absichten zur Verlagerung von Gütertransporten vom der Straße auf die Wasserstraße Elbe waren bisher nicht erreichbar.

4. 10.6 Zusammenfassung und Vergleich zwischen beabsichtigten und vollzogenen Investitionen

Eine größenordnungsmäßige Gegenüberstellung der veranschlagten und getätigten Investitionen im Verkehrsbereich Sachsens 1991 - 2006 bieten die folgenden Tabellen und Abbildungen:

Beide machen deutlich, dass ein großer Teil der vordringlichen und bedeutenden Verkehrsprojekte vollendet werden konnte.

Bestehende Lücken sind durchaus mit solchen in Westdeutschland zu vergleichen.

300 Für den Neubau (Drehung) der südlichen (alten) Start- und Landebahn.

301 Investitionen von DHL für Umschlags- und Logistikanlagen.

302 Investitionen für einen neuen Verladebahnhof im Frachtgelände des Flughafens durch die DB; davon 23,7 Mio. €. EFRE-Mittel.

303 Abriss der alten, Neubau einer neuen, um 350 m verlängerten Start- und Landebahn.

191 Tabelle 22 Vergleich zwischen veranschlagten und getätigten Investitionen im Verkehrsbereich Sachsens

Beträge in Mrd. €. Elbe, Elbhäfen Güterverkehrszentren und KV Anlagen Straße Eisenbahn ÖPNV,SPNV Flughäfen im LVP veranschlagter Investitionsbedarf 1.2 20.000 11.000 8.500 1.350 getätigte Investitionen 1991 bis 2005 1.0 13.500 6.640 2.725 2.323

Zur Kommentierung der Tabelle 11 ist folgendes anzumerken: Bei aller, immer wieder geäußerten Kritik an den Bewertungsverfahren ist auch für Sachsen festzustellen, dass die Landesverkehrsplanung im Blick auf eine wachsende Bevölkerungszahl und eine expansivere Wirtschaftsentwicklung betrieben wurde. Beide Strukturentwicklungen sind in der erwarteten Größe nicht eingetreten.

Eine aktuelle Überarbeitung des Landesverkehrsplans ist daher geboten. Auf der Basis heute gesicherter Strukturwerte und darauf aufbauender Verkehrsprognosen ist die Gesamtkonzeption des sächsischen Verkehrssystems zu überprüfen. Eine neue, auf die Gegenwart und die heute erkennbare Zukunft hin gerichtete Verkehrspolitik, orientiert auch an den Zwängen ökologischer und energiepolitischer Sachfragen, ist für Sachsen notwendig, um getroffene Entscheidungen zu überprüfen und neue Schwerpunkte zu setzen. Die Ergebnisse eines solchen Prozesses werden zu anderen Investitionszielen- und Kosten führen. Insoweit steht die aktuelle Bbilanz des Landesverkehrsplans unter dem Zeichen notwendiger Veränderungen für die Folgejahre.

Maßstab für eine fortgeschriebene Verkehrspolitik in Sachsen wird zudem die Frage sein, in wie weit die Infrastruktur Sachsens tatsächlich ehemals westdeutsche Maßstäbe erreicht, übertroffen hat und in welchem Umfang sich diese seit 1990 auch weiterentwickelt haben.

192 Bild 55 Veranschlagte und investierte Mittel für die Verkehrsinfrastruktur in Sachsen 1991 bis 2005

25.000

20.000

15.000

10.000

Milliarden € Milliarden 5.000

0 im LVP veranschlagter getätigte Investitionen 1991 Investitionsbedarf bis 2005

Straße Eisenbahn ÖPNV Flughäfen

5. Bewertung der gesellschafts- und verkehrspolitischen Entwicklung Sachsens nach 1991

5. 1 Generelle wirtschaftspolitische Bewertung

Rückblickend muss festgestellt werden, dass der Prozess der wirtschaftlichen Anpassung Ostdeutschlands an das Wirtschafts- und Wertesystem noch schwieriger war, als alle Beteiligten im Jahr 1990 eingeschätzt hatten. Paque [105] führt 2009 dazu folgendes aus: „Die Deutsche Einheit ist nicht gescheitert. Ein Blick auf die mitteleuropäischen Nachbarn hilft, die Leistung des „Aufbau Ost“ zu ermessen. Der Aufholprozess kam und kommt voran. Der Osten hat einen flexiblen Arbeitsmarkt. Was noch fehlt, ist Innovationskraft“.

Die Hauptlast der Erneuerung der ostdeutschen Industrie hatte im Rahmen der Privatisierung der „volkseigenen“, staatlichen Betriebe die vom Bund speziell für diese Aufgabe gegründete „Treuhand GmbH“ zu leisten. Ihr Handeln war ein gewaltiger Kraftakt, nicht ohne Erfolg. Es gelang ihr, industrielle Kerne zu schaffen, die zukunftsträchtig waren und in ihrem Umfeld als „Leuchttürme“ für die Entwicklung der industriellen und gewerblichen Wirtschaft wirken sollten.

Der Aufholprozess der ostdeutschen Wirtschaft verlief bis in die 1990ger Jahre den Erwartungen folgend positiv. Danach gab es Rückschläge.

Das Privatisierungsprogramm der ehemals volkseigenen Betriebe wurde nach Meinung des Verfassers aus bundespolitischen Gründen viel zu schnell vollzogen. Die Treuhand hatte den Auftrag, binnen zweier Jahre ab 1990/1991 das Privatisierungsverfahren abzuschließen. In Bonn war man sich 1990 nicht im Klaren darüber, welche Folgen dieser viel zu schnell angelegte Kurs für die gesellschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland haben würde.

193 In diesem Rahmen wurde über manchen überlebensfähigen Betrieb viel zu schnell entschieden, wenn sich kein Käufer oder Interessent fand.

Dazu kamen die Spätfolgen des Umstellungsverhältnisses der Ostmark zur Deutschen Mark und ein überstürztes Handeln der Treuhand bei der Privatisierung ehemaligen „Volkseigentums“ der DDR. Beide Fakten führten zum Zusammenbruch industrielle Schwerpunkte. Die Produktivität vieler ehemaliger VEB war weit unter westdeutschem Niveau gewesen, so dass zahlreiche Gewerbe- und Industriebetriebe nach der Währungsumstellung zu Marktpreisen nicht produzieren konnten und damit faktisch automatisch in Konkurs gingen. Staatliche Stützungen und Kreditgarantien, die der sächsischen Wirtschaft zunächst sehr großzügig gewährt wurden, konnten die Differenz zwischen Herstellungskosten und erzielbaren Marktpreisen nicht auf Dauer ausgleichen, so dass zahlreiche Unternehmen auch aus diesen Gründen keine langfristige Chance hatten.

Bild 56 Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in Sachsen 1991 bis 2007 [112]

100000 € 90000 80000 ilionen. ilionen. 70000 60000 50000 40000 30000 20000 10000

Bruttoinlandsprodukt. in M in Bruttoinlandsprodukt. 0 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007

Bruttoinlandsprodukt

Um dies aufzufangen lief parallel zur Treuhandaktivität eine starke Wirtschaftsförderung durch die Länder an: Ausbau und Renovierung der Infrastruktur sowie Förderung von Neuansiedlungen der Industrie Die Förderung wirkte. Es gab zunächst eine Blüte der Bauindustrie, die zügig zu besseren Straßen führte, weshalb die Förderung immer stärker auf das verarbeitende Gewerbe konzentriert werden sollte.

Paque formuliert als seine aktuelle Auffassung zur Situation der ostdeutschen Wirtschaft: „Was kann die Wirtschaftspolitik tun, um Ostdeutschland weiter voranzubringen? Sie muss die Industrie im Osten stärken, in Größe und Produktivität. Dabei bedarf es einer Umschichtung der Mittel weg von der Infrastruktur, hin zu Maßnahmen, die der ostdeutschen Industrie zu mehr Innovationskraft verhelfen.“

In ähnlicher Weise äußern sich sinngemäß auch das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in „Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Fortschritte im Osten Deutschlands 1989 bis 2008“ [106] und das DIW „Der Osten hängt weiter am Tropf“[107].

Die Aufforderung zur Umschichtung, die vielfach postuliert wird, bedarf der Überprüfung. Sie soll verkehrspolitisch global und exemplarisch vorgenommen werden.

194 Um ein hierzu breiter getragenes Bild zu erhalten, um die Frage nach der Anpassung der Verkehrsinfrastruktur an die Westdeutschlands, damit nach der Möglichkeit einer Verminderung der Förderung der Verkehrs-Infrastruktur zu Gunsten der Industrie zu beantworten, hat der Autor eine Reihe von hochrangigen Experten aus allen Verkehrssektoren befragt, die alle nach 1991 einen wesentlichen Einfluss auf den „Aufbau Ost“ hatten. Ihre Antworten sind im Anhang 1 zusammengefasst. Gerade daraus ergibt sich eine klare Position zu den gestellten verkehrsfachlichen Fragen, wie sie im Folgenden zusammenfasst ist. (siehe Anhang 1)

5. 2 Generelle verkehrs- und investitionspolitische Bewertung

Stellt man dieser volkswirtschaftlichen Bewertung das Urteil der Verkehrspolitik gegenüber, ist dort eine gewisse Unentschiedenheit zu erkennen. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands haben die öffentlichen Baulastträger mehr als 25 Mrd. € mit sehr unterschiedlichen Jahresleistungen in alle Sparten der Verkehrsinfrastruktur der neuen Länder investiert.

Beispielhaft werden dazu die Straßenbauinvestitionen herangezogen. Sie machen deutlich, dass bedeutende Investitionen in die Verbesserung der Verkehrswege nicht zu einem deutlichen und dauerhaften Anstieg der Beschäftigung und des Bruttoinlandproduktes führen oder beitragen konnten. Zwar boten neue und verbesserte Straßen dem Personen- und Güterverkehr mehr Bewegungsfreiheit; dem Grunde nach kann heute (mit Ausnahme von Baustellen) von einem „stau-freien Sachsen“ gesprochen werden. Die erheblichen Verkehrsbehinderungen zwischen 1991 und 1995 auf den Autobahnen Sachsens gehören der Vergangenheit an.

Einerseits kann daraus geschlossen werden, dass die erforderliche Verkehrsinfrastruktur weitgehend herstellt ist, andererseits fordern Verbände der Autoindustrie (VdA) und des Öffentlichen Nahverkehrs (VDV) bei jeder Gelegenheit höhere staatliche Investitionsmittel für Straße und Schiene.

Bild 57 Investitionen im Straßenbau in Sachsen 1991 bis 2006

1.200

1.000

800

600

400

200 und der kommunalen Baulastträger der und in kommunalen €. Mio. Investitionen de Bundes, des Freistaates Sachsen Freistaates des Bundes, de Investitionen 0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

195 5. 2. 1 Bewertung der Bauleistungen

Die positive Erwartungshaltung der Bevölkerung Sachsens zahlreichen Verkehrsbauten gegenüber ermöglichte kurze Planverfahren und danach einen schnellen Vollzug der Planung. Trotz der konjunkturellen Schwankungen konnten zahlreiche Projekte, soweit die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung standen, ungleich schneller und ohne Widerstände der Bevölkerung verwirklicht werden304. Im Vollzug der geplanten Maßnahmen waren der Flughafenausbau in Leipzig/Halle und Dresden, die Häfen an der Oberelbe sowie der Ausbau der Bundesfern- und Staatsstraßen am erfolgreichsten, gefolgt von den öffentlichen Nahverkehrsbetrieben.

Von Bedeutung für das „schnelle Vorankommen“ zahlreicher Verkehrsprojekte war die unbürokratische Verfolgung der einzelnen Vorhaben im Rahmen der Planfeststellung und Finanzierung. Die Landespolitik erwartete nach der Bereitstellung des finanziellen Rahmens ein zügiges Handeln der Baulastträger. Soweit sich Projekte nach einer pragmatischen Überprüfung als vernünftig und bedarfsgerecht heraus stellten, wurde auf komplizierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen verzichtet.

Somit stellte die Bautätigkeit ein Gegengewicht zum allgemeinen Trend in der Volkswirtschaft dar. Sie war durchaus erfolgreicher als die jüngere gewerbliche Entwicklung in Sachsen.

Unabhängig von der Diskussion über die Schwerpunkte der Förderpolitik in den neuen Ländern ist die Frage nach deren Umfang und Bereitstellung ein vielfach in Westdeutschland diskutiertes Thema. Eine Beurteilung der neuen Verkehrsinfrastruktur in Sachsen, etwa aus der Sicht des Rheinlands kommt zu dem folgendem Ergebnis: Nach 1991 habe man großes Interesse an den gewaltigen Investitionen, vor allem in den Autobahnbau, gehabt. Die Sanierung vorhandener Verkehrswege sei eine gewaltige und notwendige Aufgabe, auch im Interesse Westdeutschlands gewesen.

Die Aufgabe, die ostdeutsche Verkehrsinfrastruktur der Westdeutschlands anzupassen, wäre die bisher größte Herausforderung des Bundesverkehrsministeriums gewesen, allerdings hätten die eingesetzten Mittel noch stärker auf den Straßenbau konzentriert werden müssen. Die erhofften Anstöße für die Industrie- und Gewerbeansiedlung durch den Straßenbau hätte es nur bedingt gegeben. Mit dem Verkehrsbau waren (leider) die wirtschaftspolitischen Ziele nicht oder nur zum Teil erreichbar.

Die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit hätten 1991 eine weitaus größere Ausrichtung in Richtung Westdeutschland haben müssen. Als Beispiel dafür wird die Autobahn A 4, deren westlicher Abschnitt zwischen Bad Hersfeld und Olpe nach wie vor fehlt, genannt..

Heute sei das Ziel erreicht. Die Infrastruktur sei ausreichend hergestellt. Bereits im Jahr 2005 hätte „umgesteuert“ werden müssen, um den „Verfall“ der Autobahnen in den westdeutschen Ballungsräumen einzudämmen.

Die Qualität der Infrastruktur, beispielsweise Sachsens, habe Maßstäbe erreicht, die mit denen Nordrhein-Westfalens in keiner Weise mehr vergleichbar seien. Die Notwendigkeit. einer Verbreiterung der Autobahn Dresden – Leipzig auf 6 Fahrspuren stehe in keinem Verhältnis zu den dringendsten Bauvorhaben im Rheinland, für die der Bund im Verhältnis zu Sachsen viel

304 Markantestes Beispiel dafür ist das Planfesthellungsverfahren und der Neubau zweier Start- und Landebahnen am Flughafen Leipzig/Halle innerhalb von jeweils zwei Jahren. 196 zu wenig Finanzmittel zur Verfügung stelle. Der heute „falsche Geldweg“ habe zu einem Spannungsfeld West – Ost geführt.

Lueg305 kritisierte auch einzelne Straßenbaumaßnahmen „auf dem flachen Lande“ Ostdeutschlands, für deren Notwendigkeit kein Nachweis getroffen werde. Offensichtlich sei eine Verteilung nach dem Gießkannenprinzip erkennbar. Eine stärkere Konzentration auf die Ballungsräume sei notwendig gewesen.

Die Bahn habe die an sie gestellten Forderungen zum Netzausbau nicht in dem notwendigen Umfang erfüllt.

Der Argumentation von Lueg schließt sich Nowack an. Er sieht die Ergebnisse der Infrastruktur-Anpassung in Sachsen als großartige Leistung an, auch im Verhältnis zu den Maßnahmen in anderen ostdeutschen Ländern.

Der Weg für den Ausbau Ostdeutschlands sei durch die alten Länder vorgezeichnet gewesen. Eine Alternative gab es nicht. Er war richtig. Allerdings fehlten die gewerblichen Anschlussansiedlungen.

Im Bahnbereich habe es an vielen Stellen an der notwendigen Initiative gefehlt, die bewilligten Investitionsmittel abzurufen, weil Entscheidungen dazu vom Bahnvorstand fehlten oder der Planungsprozess zu bürokratisch war.

Nach seiner Bewertung konnten die Elbhäfen die an sie gestellten Transport-Anforderungen nicht bedienen, da der Bund die ganzjährige Befahrung der Elbe nicht gewährleistet. Er kritisiert das verkehrspolitische Handeln der Bundesregierung und sieht darin auch sehr negative Folgen für die deutschen Nordsee Häfen, insbesondere für Hamburg.

Für den Bereich des Straßennetzes sieht er punktuell Überkapazitäten, deren Entstehung offensichtlich durch falsche Verkehrsprognosen begründet sei.

Nowack fasst zusammen: Die Entwicklung ist rückblickend als positiv zu bezeichnen; wesentliche Fehlentscheidungen seien dem Spannungsfeld zwischen Politik, Wirtschaft und Verkehrswesen zuzuordnen.

5. 2. 2 Bewertung der Bahn-Projekte

Die Bewertung der Bahnprojekte erfolgt aus drei verschiedenen Blickwinkeln, aus der Sicht des Bundes, der Deutschen Bahn und der PBDE.

Die hierzu Befragten, aus dem politischen und verkehrsfachlichen Bereich kommenden Persönlichkeiten Nitsch, Huber und Klimke stellen einvernehmlich fest:

Mit dem Beschluss der Bundesregierung zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit und der Absicht einer Finanzierung innerhalb von 10 Jahren hatte sie eine eindeutige politische Entscheidung für ein gesamtdeutsches „Schnellverkehrsnetz Schiene“ getroffen. Die neun Bahn-Projekte sollten bis zum Jahr 2000 fertig gestellt werden.

305 Auf die genannten Experten wird in Anlage 1 näher eingegangen. 197 Bauherr sollten die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn sein. Zu deren Unterstützung wurde, vom Bund die Gründung der PBDE angestoßen..

Dieser richtige Ansatz des Bundes wurde von beiden Bahnen verhalten aufgenommen. Bereits in den ersten Jahren nach 1990 zeichneten sich Spannung in der Umsetzung der Projekte ab. Die Bahn unterwarf alle neun VDE einer internen wirtschaftlichen Prüfung, deren Ergebnisse zu Abweichungen von den politischen Beschlüssen und Spannungen zu den Ländern führten.

Zwar wird eingeräumt, dass eine fortlaufende Anpassung der Planungsinhalte notwendig ist, aber unter Beachtung der festgelegten Ziele.

Besonders verzögernd wirkten sich die jährlich an den Bund zurückfließenden Mittel, die die Bahnen infolge von Planungsverzögerungen nicht hatten investieren können.

Für Sachsen bedeuteten die Entscheidungen der Bahn ein sehr zögerliches Angehen des Abschnitts Leipzig – Zwickau der Sachsen-Magistrale und eine Rückstufung der Neubaustrecke Dresden – Leipzig (VDE 9) zur Ausbaustrecke.

Die verkehrspolitischen Differenzen auch zwischen dem Bund und der Bahn führten zur Rücknahme von Finanzierungszusagen, woraus wiederum folgte, dass der Abschnitt Leipzig – Zwickau bis heute noch nicht begonnen wurde.

Anerkannt wird die Fertigstellung des Projektteils Berlin – Leipzig des VDE 8.

Besonders bemängelt wird durch Klimke, dass die bis 1993 auf Kosten des Bundes grundsanierte Strecke Berlin – Dresden wieder für eine Generalüberholung ansteht Offensichtlich war die Bauausführung damals fehlerhaft

Lücking stellt dem entgegen, dass der Planungs-, Bewilligungs- und Bauprozess im Schienenbau sehr differenziert ist. Die Investitionsmittel seien nach politischen Entscheidungen und verspätet der Bahn zugewiesen worden, was zu den genannten Verzögerungen geführt habe.

Die mit dem Freistaat abgestimmten Zielsetzungen der Bahn für die Fertigstellung der betroffenen VDE seien klar gewesen, die Finanzierung verzögere sich auch heute noch. Dennoch sei die Entwicklung der Schieneninfrastruktur in Sachsen seit 1995 ein Beispiel für die wirtschaftliche Möglichkeit, Schienenverkehr im Personen- wie Güterverkehr zu betreiben.

Abschließend stellt Lücking fest, dass die Ergebnisse einer gemeinsamen Arbeit mit Bund und Sachsen ausgezeichnet gewesen seien, auch wenn Verbesserungen möglich wären.

Aus der wissenschaftlichen Betrachtung der Infrastrukturentwicklung Schiene ergibt sich zunächst eine grundsätzliche Aussage. Zschweigert führt aus: Straßenbau und Kurzstreckenflug wurden nach der Wende schneller wirksam als der Ausbau des Schienennetzes

Die Planung zum Ausbau der Hochleistungs-Strecken war für Sachsen außerordentlich wichtig. Die Realität (Finanzierung) zwang zu Abstrichen gegenüber der Konzeption. Trotzdem sieht Zschweigert hervorragende Leistungen im Infrastruktur-Bereich Bahn.

198 Bezüglich der umfassenden Realisierung kommt er zu gleichen Schlussfolgerungen wie die Vertreter des Bundes. Er kommentiert kritisch, dass die VDE frühestens nach 2015 vollständig in Betrieb gehen könnten und damit ein verkehrspolitischer Erfolg sehr spät zu erwarten ist.

Ein gewisses Verständnis bringt Zschweigert für die Verzögerungen auf und begründet dies mit dem außerordentlich schlechten Zustand der Bahnanlagen bis 1989.

Begrüßt wird der Ausbau der großen Bahnknoten in Dresden, Chemnitz und Leipzig. Besonders betont er die Verwirklichung des seit 100 Jahren geplanten City-Tunnels. Er hält diese Entscheidung für epochal. Die Planung einer Neubaustrecke Dresden – Prag durch das Erzgebirge306 muss nach Auffassung von Zschweigert [108] ab 2020 in der Umsetzung sein, da die bestehende Elbtalstrecke dann die Kapazitätsgrenze erreicht hat.

Besonders kritisch äußert sich Mängel aus der Sicht der Geschäftsführung der PBDE zur zögerlichen Verwirklichung der VDE.

Die Initiativen der PDBE führten nach 1991 zu ersten großen Erfolgen im Bahn-Neubau. Ihre Arbeit war auf die Vollendung aller VDE bis zum Jahr 2000 ausgerichtet.

Dem folgend setzt sich Mängel außerordentlich kritisch mit dem Verhältnis zwischen Bahn und der Planungsgesellschaft auseinander. In den ersten Jahren des Handelns der Gesellschaft seien maßgebliche Erfolge bei der Verwirklichung von Teilabschnitten der VDE erzielt worden, als eine weitgehende Unabhängigkeit von den beiden deutschen Bahnen bestand.

Die Schienenverkehrsprojekte Deutsche Einheit, vom Bundestag einmal als vorrangige Vorhaben vor allem für die Sanierung und Verbesserung der ostdeutschen Infrastruktur definiert und beschlossen erlebten ab 1994 eine Korrektur nach der anderen. Die ursprünglich zugesagte 1 Milliarde DM/Jahr verminderte sich von Jahr zu Jahr. Während die Autobahn- Projekte vorangetrieben wurden, kaum Abstriche erlitten, standen die Schienenprojekte permanent in der Debatte.

Der schwindende Einfluss auf die Finanzierung und damit auch der Handlungsspielraum der PDBE, schnell Projekte realisieren zu können, sank ab Mitte der 1990er Jahre, bis letztlich die Projektgesellschaft von der Bahn aufgelöst wurde. Die Deutsche Bahn hatte die PBDE als Konkurrenten eingeordnet.

Die PDBE hatte ihre Erfolge in der schnellen Realisierung durch einen unbürokratischen Planungsablauf und die Einschaltung von Generalunternehmen, die ihrerseits mittelständige Bauunternehmen zur Ausführung engagierten.

Aus der Sicht Sachsens stimmt Mängel dem Vorwurf zu, die Realisierung der VDE sei vom Bund aus zu Gunsten Berlins und zu Lasten neuer Bundesländer betrieben worden. Insoweit kritisiert er vor allem die schleppende Verwirklichung der Abschnitt 1 und 2 des VDE 8 sowie die inhaltlose Zusage des Bundes, den Ausbau der Sachsen-Magistrale parallel zu den VDE zu finanzieren.

Zu den Finanzierungs-Vereinbarungen mit dem Bund kommt er zu dem Schluss, der Neubau von Bahnhöfen an VDE-Strecken sei fälschlicherweise bewusst ausgelassen worden, um

306 Unter wissenschaftlicher Leitung von Zschweigert hat die Technische Universität Dresden erste bautechnische Entwürfe für diese Strecke entwickelt. 199 Finanzmittel zu sparen. Ein Beispiel dafür ist der Flughafenbahnhof am VDE 8. Obwohl die Verknüpfung von „Bahn und Airport“ ein bundespolitisches Anliegen war und ist, konnte der Flughafenbahnhof Leipzig/Halle nur auf Anstoß von den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt realisiert und musste von diesen finanziert werden.

5. 2. 3 Bewertung der Straßenbauprojekte

Die Experten aus dem Bereich des Bundesverkehrsministeriums (siehe 5. 2. 2) bestätigen einvernehmlich, dass die Realisierung der acht Verkehrsprojekte Deutsche Einheit des Fernstraßen-Neubaus bis heute ein ausgesprochen großer Erfolg war.

Huber informierte über die Vorlage eines Konzeptes der Bundesregierung zur Wiederherstellung eines gesamtdeutschen Fernstraßennetzes bereits kurz nach der Wiedervereinigung. Dessen Inhalt stellte sich im Frühjahr 1991 im dem Paket der Großvorhaben der VDE als zentraler Bestandteil dar.

Der Bund folgte im Einvernehmen mit den Ländern damit dem dringenden Bedarf der ostdeutschen Bevölkerung nach modernen Fahrzeugen und einem leistungsfähigen Straßennetz.

Die Größe der Vorhaben schloss eine Realisierung durch die im Entstehen begriffenen Straßenbauverwaltungen der neuen Länder aus. Bund und Länder waren sich einig, dass zur Bewältigung der Großvorhaben eine eigene leistungsfähige Baugesellschaft war. Die neuen Länder waren zunächst damit gefordert, ihre eigenen Straßenbauverwaltungen aufzubauen.

Die Konzentration aller VDE-Vorhaben auf eine Gesellschaft scheiterte am Widerstand der Bahn, was zur Gründung von DEGES und der PBDE führte.

DEGES war schnell handlungsfähig und bestrebt, in der festgelegten 10 Jahresfrist die acht Autobahn-Vorhaben fertig zu stellen. Ihr stand zunächst ebenso wie der PBDE ein jährlicher Investitionsbetrag von 1 Mrd. DM zur Verfügung.

Eine leise Kritik an der damaligen, sehr groben Kostschätzung wird geübt; vor allem in Zusammenhang mit den erheblichen Kostensteigerungen, die sich nach 1995 ergaben.

Im Vollzug ihrer Aufgaben legte DEGES frühzeitig baureife Pläne vor. Damit wurde es möglich, von der PBDE bzw. der Bahn nicht abgerufene Mittel zur weiteren Beschleunigung des Fernstraßenbaus einzusetzen.

Sachsen war mit der BAB A 4 bzw. dem VDE 15 betroffen. Das Vorhaben umfasste den sechs- streifigen Ausbau zwischen der Landesgrenze nach Thüringen und Dresden, die Sanierung des Abschnitts Dresden - Bautzen und den Neubau der Autobahn bis Görlitz.. Alle Maßnahmen an der A 4 waren bereits im Jahr 2002 abgeschlossen.

Weidelehner bemerkt dazu im Detail, wie schwierig die Planfeststellung für den Neubau in Richtung Görlitz war. Starke Einwirkungen aus dem Bereich des Umweltschutzes führten dazu, einen Tunnel durch die Königshainer Berge in der Nähe von Görlitz zu bauen. Aus heutiger Sicht ist die Notwendigkeit dieser Umweltschutzmaßnahme durch das sehr dünn besiedelte West-Schlesien infrage zu stellen. Seine Realisierung war möglich, da in den 1990ger Jahren Bundesmittel in großem Umfang zur Verfügung standen.

200 Weidelehner bewertet die Bauleistungen im Netz der Bundesstraßen Sachsens ausdrücklich positiv. Er würdigt damit auch die vielfach kurzfristig mögliche Planfeststellung durch ein sehr aktives Engagement aller Beteiligten.

Negativ bewertet er die Zusammenarbeit mit der polnischen Straßenbauverwaltung. Große Schwierigkeiten gab es bei der Neiße-Brücke im Zuge der A 4 bei Görlitz und dem geplanten gemeinsamen Grenzübergang bei Zittau nach Polen und Tschechien (B 178).

Kritisch zu beurteilen sei auch der zähe Planungsfortschritt für die A 17 im Bereich Dresdens. Obwohl die Finanzierung des Projektes gesichert gewesen sei, hätten schwierige politische Mehrheiten im Dresdner Stadtrat immer wieder zu Verzögerungen und extremen Forderungen an die Straßenbauverwaltung geführt.

Besonders wichtig ist Weidelehner sein Kommentar zur Waldschlösschen-Brücke in Dresden. Die widersprüchlichen Auffassungen bei der Stadt Dresden und einigen Bürgervereinigungen zu dieser führten zu einer 10jährigen Verzögerung. Trotz Planfeststellung und einem positiven Volksentscheid der Dresdner Bevölkerung gab es immer wieder Rückschläge für den Baubeginn. Letztlich ermöglichte erst eine Gerichtsentscheidung den Bau der Elbquerung. Der nun laufende Bau der Brücke führte zu einer Streichung Dresdens von der Weltkultur-Liste der UNESCO, was offensichtlich von breiten Kreisen der städtischen Bevölkerung nicht sonderlich negativ beurteilt wird.

Zusammenfassend ergibt sich ein überaus positives Bild von den Ergebnissen des Fernstraßenbaus in Sachsen. Die Bereitstellung von weiteren Mitteln aus dem Solidar-Pakt (neben der unmittelbaren Straßenbau-Finanzierung) für den Bau von Staats- und Kommunalstrassen wird von allen Befragten einvernehmlich nicht für erforderlich gehalten.

5. 2. 4 Bewertung der Projekte des Öffentlichen Personennahverkehrs

Die Bewertung der Entwicklung der Infrastruktur und der Fahrzeug-Flotten der kommunalen Verkehrsbetriebe stellt sich vielschichtiger dar als die Projekte der vorausgegangenen Abschnitte.

Eine Betrachtung zu den Kraftomnibusbetrieben ist nicht notwendig, da die für sie notwendige Infrastruktur vom Straßenbau bereitgestellt wird und eine Diskussion der Beschaffung neuer Fahrzeuge einer internen, rein betriebswirtschaftlichen Disposition unterliegt.

Aus der Sicht des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen stellt Müller-Hellman zunächst fest: Die Straßenbahn-Netze in allen sechs „Straßenbahn-Städten“ Sachsens waren 1991 in einem miserablen, kaum betriebsfähigen Zustand. Besonders markant war die Unzulänglichkeit der Gleisanlagen in Leipzig und Dresden. Die zahlreichen Schienenbrüche und andere Gleisschäden führten fortlaufend zu Wagenschäden, die in den überalterten Werkstätten nicht termingerecht behoben werden konnten und somit vielfach den betriebsbedingt notwendigen Fahrzeugeinsatz infrage stellten.

Der Neuanfang nach 1991 bot die einmale Chance, bei der Sanierung der Streckennetze und Beschaffung von Neufahrzeugen innovative, neue technische Ansätze zu wählen.

Er begrüßt, dass im Vergleich zu gleichgroßen Städten Westdeutschlands in Dresden und Leipzig ein Gedanke zum U-Bahnbau nicht aufkam.

201 Dank der GVFG-Förderung war es den Verkehrsbetrieben in den neuen Ländern schnell möglich, neue Systeme der Stadtbahntechnik anzuwenden und „bundesdeutscher Vorreiter“ für den Niederflur-Betrieb zu werden und so machen westdeutschen Straßenbahn-Betrieb zu überholen.

Müller-Hellmann würdigt die Förderschwerpunkte Sachsens für den Öffentlichen Nahverkehr, die Pilotprojekte in Leipzig (Messe-Linie) und Dresden (Strecken der Linien 1 und 2), deren Finanzierung nur durch Bundes- und Landesmittel möglich war.

Kritisch bewertet er die Auflagen des Bundes für die GVFG-Förderung im Rahmen einer besonders für die neuen Länder entworfenen Förderrichtlinie. Er begrüßt, dass Sachsen bei deren Anwendung sehr großzügig verfahren habe.

Der Technische Vorstand der Dresdner Verkehrsbetriebe Müller-Eberstein betrachtet rückwirkend die staatlichen Planungsgrundlagen für die Öffentlichen Verkehrsbetriebe als richtig.

Am Beispiel der Dresdner Verkehrsbetriebe führt er aus, dass sich die Fahrgastzahlen trotz starker Zunahme des Individualverkehrs positiv entwickelt haben. Bei den DVB stiegen die Fahrgastzahlen seit der Wende von ca. 120 Mio. auf fast 150 Mio. beförderte Personen pro Jahr.

Er betont, dank der möglichen Modernisierung aller technischen Anlagen, dank des Austauschs der Tatra-Fahrzeuge konnte eine umfassende Rationalisierung erfolgen, die zur Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV in Dresden wesentlich beitrug.

Die Mitarbeiterzahl sank von 4200 auf ca. 1650 Personen, der Kostendeckungsgrad stieg von 16,8 % auf über 75 % und das jährliche Defizit verminderte sich von 100 Mio. € auf derzeit deutlich unter 40 Mio. €.

Die DVB gelten für viele Städte und Verkehrsbetriebe zwischenzeitlich als Muster für einen gut funktionierenden ÖPNV. Eine gemeinsame Consultig-Firma mit den Berliner Verkehrsbetrieben arbeitet in mehreren osteuropäischen Städten an einer positiven Weiterentwicklung des dortigen ÖPNV.

Die Verkehrsverhältnisse in Dresden entsprechen heute dem Standard eines funktionsgerechten Stadtverkehrs. Müller-Eberstein bedauert dennoch abschließend, einige Projekte konnten in Dresden wegen der Unschlüssigkeit der Kommune noch nicht angepackt werden.

5. 2. 5 Bewertung des Flughafen-Ausbaus Leipzig/Halle und Dresden

Die für den Ausbau der Verkehrsflughäfen in Sachsen zuständigen und verantwortlichen Vorstände und Geschäftsführer beurteilen die bauliche Entwicklung beider Flughäfen als außerordentlich erfolgreich. Sie postulieren: Beide Standorte hätten bis heute einen Infrastruktur-Ausbaustandart erreicht, der sich mit westdeutschen Flughäfen nicht nur vergleichen ließe, vielmehr diese zum Teil. überholt habe. Eine solche Entwicklung war nur durch sehr großzügige Förderung durch die Gesellschafter und Mittel der EU möglich.

Stein sieht vor allem den Erfolg am Flughafen Leipzig/Halle auf der Basis einer ausgezeichneten Infrastruktur. Es sei gelungen, gemeinsam mit weltweit agierenden Logistik-

202 Unternehmen Leipzig/Halle zu einem westlichen Element des Cargo-Weltluftverkehrs zu entwickeln.

Er setzt sich kritisch mit den Einwirkungen der EU auf den Flughafen-Ausbau auseinander. So habe die Mitteldeutsche Flughafen gemeinsam mit dem Bund, den Ländern Sachsen, Sachsen- Anhalt und der ADV die Europäischen Gerichte angerufen, um der Kommission ihre Grenzen bei der Einmischung in hoheitliche Fragen beim Infrastrukturausbau und dessen Finanzierung deutlich zu machen.

Stein berichtet weiter: Für einen möglichen späteren, weiteren Ausbau der Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden, deren Abfertigungsanlagen sowie Start- und Landebahnsysteme werden von der MFG aktuell Masterpläne erarbeitet. Die Masterplanung erfolgt losgelöst von prognostischen Betrachtungen. Sie ordnet Flächenpotentiale und deren Nutzungsmöglichkeiten und bestimmt für die bestehenden Funktionsbereiche die Belastungsgrenzen, um auf der Grundlage dieser Planungen rechtzeitig geordnet handeln zu können. Der Horizont dafür zielt auf eine 20jährige Entwicklung.

Kommentarlos bleibt die jüngere und jüngste Entwicklung der Fluggastzahlen und der Umschlagsvolumen. Die rückläufige Entwicklung wird der aktuellen Weltwirtschaftskrise zugeordnet. Er erwartet mittelfristig eine weitere Wachstumsphase des Luftverkehrs in Deutschland, für die an nur wenigen Verkehrsflughäfen genügend Raum zur Verfügung stände. Sein Bericht ist im Blick auf die zukünftige Entwicklung außerordentlich positiv.

5. 2. 6 Bewertung der Infrastruktur für die Elbe und Elbhäfen

Klimke, Nitsch und Nowack stellen einvernehmlich fest, welche Nachteile durch die Hemmnisse politischer Art dem Projekt „Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen der Elbe“ und damit der Elbschifffahrt entstanden sind. Sie vermissen eine Handlungswilligkeit vor allem der Bundesregierung und beurteilen dies als wesentlichen verkehrspolitischen Fehler. Die Binnenschifffahrt auf der Elbe könne, wenn sie in die Lage versetzt würde, zur Entlastung der Bundesfernstraßen beitragen.

Nowak würdigt das aktive Handeln der SBO zum Ausbau der Häfen im Dresden, Riesa und Torgau sowie zum Erwerb der Hafenanlagen in Tetschen (Decin) und Lobositz (Lovosice) innerhalb Tschechiens. Alle hafenbautechnischen Anlagen an diesen Standorten sind zwischenzeitlich voll leistungsfähig, wasserseitig wegen der heute noch schwierigen Fahrwasserverhältnisse der Elbe nicht voll ausgelastet.

Er sieht wie Klimke und Nitsch auch heute noch eine fehlende Handlungsbereitschaft bundespolitischer Art zum Ausbau der Elbe, deren Folge große Nachteile für den Seehafen- Hinterlandverkehr der norddeutschen Seehäfen bringt.

Begrüßt werden die Versuche der tschechischen Strombauverwaltung, die für die Schifffahrt notwendige Staustufe der Elbe bei Tetschen in der Nähe der deutschen Grenze herzustellen. Umweltbehörden beiderseits der Grenze und der Sächsische Landtag haben das Projekt bisher jedoch verhindert.

Auch beim Ausbau des Dresdner Hafens war die Stadtverwaltung nicht förderlich. Die Stadt beabsichtigte (Weidelehner) Anfang der 1990er Jahre den Albert-Hafen unter Denkmalschutz zu stellen.

203 Die Kommunalaufsicht konnte dieses Ansinnen verhindern und den Weg für die Sanierung und den Ausbau des Hafens ermöglichen.

Klimke mahnt rückwirkend eine größere Dienstleistungsbereitschaft der Binnenschifffahrt ein. Er bedauert, dass offensichtlich wegen der unregelmäßigen Fahrwasserverhältnisse die Binnenschifffahrtsbetriebe ihre Flotten von der Elbe in das Flussgebiet des Rheins verlegt haben.

5. 3 Gesamtschau

Die Verkehrsinfrastruktur zeigt sich nach einhelliger Auffassung der Befragten heute den Erfordernissen und den Ansprüchen der Verkehrsnachfrage aus Wirtschaft und Bevölkerung weitgehend gewachsen.

Zusammenfassend ergibt sich aus den Voten der Experten ein überaus positives Bild von den Ergebnissen des Infrastrukturausbaus in Sachsen, damit sinngemäß die Feststellung, dass der „Nachholprozess“ gegenüber Westdeutschland weitgehend abgeschlossen werden konnte. Die Bereitstellung von weiteren Mitteln aus dem Solidar-Pakt (neben der unmittelbaren Verkehrs-Finanzierung) wird von allen Befragten einvernehmlich nicht für erforderlich gehalten.

Eine Angleichung der Motorisierung der Bevölkerung und deren Mobilität, insbesondere des Verkehrsmittel-Wahlverhaltens folgten dem Ausbau der Verkehrswege. Die langjährigen Erhebungen der TU Dresden im Rahmen der SrV-Erhebungen (vergl. I.2) machen deutlich, dass zwischen der Mobilität west- und ostdeutscher Städte kaum noch Unterschiede bestehen. Bereits im Jahr 2002 stellten Chlond, Lipps und Zumkeller [108] dass der Anpassungsprozess von Ost an West schnell, aber nicht homogen verlaufen ist bzw. auch in Zukunft wegen der unterschiedlichen demographischen Ausstattung verschieden verlaufen wird.

Die dazu erforderliche Finanzausstattung war größenordnungsmäßig, wie die Vertreter des BMV erklärten, regelmäßig gesichert. Einen wesentlichen Beitrag dazu lieferten auch die Mittel des Solidarpakts und des Freistaats Sachsen.

Die Verkehrsinfrastruktur Sachsens ist damit nach mehr als 15 Jahren deutscher Wiedervereinigung der Westdeutschlands vergleichbar.

Insoweit kann der These von Paque [105] gefolgt werden. Die Infrastruktur der neuen Länder ist an die Westdeutschlands weitgehend angeglichen. Zur Stärkung der Wirtschaftskraft bedarf einer Umschichtung von Mitteln weg von der Infrastruktur, hin zu Maßnahmen, die der ostdeutschen Industrie zu mehr Innovationskraft verhelfen.

Zitiert werden kann in diesem Zusammenhang der Fortschrittsbericht Sachsens zum Solidarpakt [111]. Das Sächsische Staatsministerium der Finanzen (SMF) berichtet dort für die Jahre bis 2008 ausführlich über die (weitgehende) Schließung der Infrastrukturlücke vor allem für die Bereiche Verkehrs- und Nachrichtenwesen, speziell für die Flughäfen und Häfen.

204 Dort genannte „Lücken“ in den Verkehrsnetzen beziehen sich auf Maßnahmen des Bundesverkehrsplans, der ohnehin auf eine Weiterentwicklung des gesamtdeutschen Verkehrsnetzes zielt307.

Die in den ersten 1990er Jahren erarbeiteten Planungen für eine Neukonzeption des Verkehrsnetzes in Sachsen bedürfen aus dieser Sicht auch daher eine Modifizierung und Neubewertung. Grundlage dafür muss eine aktuelle Bestandsaufnahme der Infrastruktur, deren Auslastung und die Einbindung der gegenwärtigen Einschätzung der Bevölkerungsentwicklung.

5. 4 Eigene abschließende Bewertung

Der Bundesverkehrswegeplan 1992 [16] und der Landesverkehrplan Sachsen [24] postulieren generell die Zielsetzung, innerhalb von 15 bis 20 Jahren ein leistungsfähiges und umweltgerechtes Verkehrssystems innerhalb Deutschlands, damit auch in Sachsen, zu schaffen.

Unter wirtschafts- und verkehrspolitischen Gesichtspunkten ist meiner Auffassung nach für Sachsen dieses Ziel heute erreicht. Die Verkehrsinfrastruktur Sachsens ist mit der westdeutscher Flächenländer nicht nur vergleichbar, in vielen Bereichen konnte die Infrastruktur für Straße, Schiene, Wasserstraße und Luftverkehr technisch und organisatorisch nach modernsten Gesichtspunkten ausgestaltet werden, wodurch Vorteile Westdeutschland gegenüber deutlich werden.

Ein Nachweis dafür ist statistisch nicht darstellbar. Vielmehr vermitteln die zahlreichen fertig gestellten Projekte einen Überblick über den Zustand, die Ausstattung und Qualität der Infrastruktur insgesamt und bestätigen die vorgenommene Beurteilung. Die im Jahr 1991 sehr deutlich erkennbaren Defizite bei Straße, Schiene, Wasserstraße und Flughäfen sind ausgeglichen. Einzelheiten dazu sind in den vorangestellten Artikeln dargelegt.

Die wirtschaftspolitische Zielsetzung, mit einer neuen und leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur Wirtschaftsförderung zu betreiben, konnten hingegen nicht voll erfüllt werden, wie anhand der unterschiedlichen Bruttowertschöpfung, der Erwerbstätigkeit und der Bevölkerungsentwicklung im Westen und Osten Deutschlands erkennbar ist.

Im Rahmen der Arbeit spielte die Frage eine Rolle, ob mit der Verkehrspolitik Sachsens wesentliche Ziele des Umweltschutzes in dem notwendigen Maße erreicht worden wären. Haben die Verkehrsinvestitionen während der vergangenen 20 Jahre einer solchen Programmierung gedient; kann auch hier eine Erfolgsbilanz innerhalb Sachsens gezogen werden? Der Autor stellt dazu fest, dass das gesamte Verkehrs- Investitionsprogramm unter Beachtung der Ziele des Umweltschutzes und in Abstimmung mit dem für Umweltschutz zuständigen Ministerium ausgeführt wurde und damit auch den im Landesverkehrsplan postulierten Zielen grundsätzlich gefolgt worden sei.

Eine vertiefte Behandlung dieser Fragestellung durch den Autor hätte allerdings den Rahmen dieser Arbeit weit gesprengt. Vielmehr sollte es das Ziel weitergehenden Untersuchungen sein, eine umfassende Wertung vorzunehmen.

307 Eine Ausnahme in diesem Zusammenhang bildet der City-Tunnel Leipzig. Der Finanzbedarf für das Projekt hat sich in den letzten Jahren im Verhältnis zu den veranschlagten Kosten wesentlich erhöht.

205 Eine Behandlung dieser Frage müsste an Beispielen erfolgen; aus deren Bewertung wäre eine Gesamtschau aufzubauen. Die Beurteilung der einzelnen Projekte würde unterschiedlich ausfallen, sodass abschließend eine summarische Antwort möglich sein sollte.

Ohne den Ergebnissen einer solchen Überprüfung vorgreifen zu wollen (soweit sie durchgeführt wird) bleibt dennoch festzustellen, dass alle in Sachsen realisierten Projekte in Übereinstimmung mit der Umweltgesetzgebung stehen.

Im Spannungsfeld zwischen wirtschafts- und umweltpolitischen Zielen innerhalb eines Aufbau- und Anpassungsprozesses nach der Wiedervereinigung Deutschlands unter dem Verfassungsgebot der Herstellung gleicher Lebensbedingung in allen Ländern der Bundesrepublik konnte der Umweltschutz nicht alleinige Richtschnur für staatliches Handeln sein. Dennoch sind wichtige umweltpolitische Ziele in Sachsen erreicht worden, wenngleich vor dem heute verstärkt erkennbaren Hintergrund der Notwendigkeit zur Verminderung von CO² Emissionen eine Beschränkung der Kfz-Mobilität notwendig gewesen wäre.

Daraus folgt, dass nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa eine stärker auf den Umweltschutz gerichtete Verkehrpolitik zwingend notwendig ist. Die dafür notwendigen Maßnahmen sind bekannt und liegen bereit; es geht heute um ihre Umsetzung.

6. Empfehlungen für die weitere Investitionstätigkeit im Verkehrsbereich

Die Wiedervereinigung Deutschlands, die Einbindung der 1990 wieder gegründeten Länder der ehemaligen DDR in das Wirtschafts- und Staatsgefüge der Bundesrepublik war ein weltgeschichtlich einmaliges Ereignis und forderte einen gesellschaftlichen Integrations- Prozess, für den es bisher kein Beispiel gibt und der weltweit nur mit einer möglichen Wiedervereinigung des geteilten Korea308 vergleichbar wäre.

Die Änderung der Wirtschafts- und Sozialordnung in den osteuropäischen Ländern, die sich aus dem Herrschaftssystem der untergegangenen Sowjetunion befreien konnten und daraus folgend dem planwirtschaftlichen Wirtschaftssystem den Rücken kehrten, verläuft unter wesentlich anderen Bedingungen, als sie in Deutschland bestanden.

Der Übergang zur Marktwirtschaft verläuft dort allmählicher. Größere innere Spannungen und damit verbunden falsche Entscheidungen können von diesen Ländern vermieden werden, da es dort keinen ummittelbaren Anpassungsdruck nach deutschem Vorbild gibt. Der Prozess ihrer Eingliederung in die Europäische Gemeinschaft verläuft zeitlich gestreckt unter Beachtung der inneren Probleme der Länder; Brüssel bietet eine gewisse Eingliederungshilfe. Den Weg zur marktwirtschaftlichen Ordnung Westeuropas müssen sie nach landesspezifischen Gesichtspunkten selbst gestalten.

Ein solcher Weg wäre in Deutschland nicht möglich gewesen; die ostdeutsche Bevölkerung forderte nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze und der Einführung der Deutschen Mark ein unverzüglich schnelles Handeln zur völligen Angleichung Lebensverhältnisse.

308 In Nordkorea bilden sich, trotz der strengen Trennung vom Süden, aktuell mit Unterstützung Südkoreas „marktwirtschaftliche Inseln“, die im Falle einer Vereinigung des geteilten Landes eine Vorreiterrolle übernehmen könnten. In Deutschland hat es vor 1989 derartige Kooperationen nicht gegeben. 206 Beispielhaft dafür steht die Verkehrsinfrastruktur, deren Funktionsfähigkeit eine wesentliche Voraussetzung für das Zusammenwachsen beider deutscher Teilstaaten war. Die Bundesregierung, das zuständige Bundesministerium für Verkehr, stellten sich schnell auf die außergewöhnlichen Anforderungen ein und trugen vorbildlich zum Zusammenwachsen der beiderseitigen Verkehrsnetze bei. Das gesamte staatliche Handeln im wieder errichteten Freistaat Sachsen musste ohne Beispiele und Orientierungsgrundlagen erfolgen.

Vor dem Hintergrund der Einmaligkeit dieses gesellschaftspolitischen Prozesses haben sich Arbeitsprozesse entwickelt, die möglicherweise beispielhaft für vergleichbare Situationen in Gesamtdeutschland und den ehemaligen Ostblock-Ländern dienen können. Daher sollten die Erfahrungen und Handlungsweisen der ersten Jahre nach 1991 in Sachsen als Wege zur Abkehr von den bürokratisierten Verfahrensweisen bundesdeutschen Rechts herangezogen werden.

Bei genauer Betrachtung der Entwicklung 1991 bis 2000 schälen sich Elemente heraus, die nicht nur der Erwähnung bedürfen, sondern in das weitere verkehrspolitische Handeln des Bundes und aller Länder Eingang finden sollten. Ohne eine Handlungsweise im Sinne der folgenden Prämissen hätte Sachsen die Erfolge im Infrastrukturausbau kaum erzielen können:

Es geht dabei vor allem um Empfehlungen, die zwar gelegentlich im allgemeinen Gebrauch sind, aber in Deutschland nicht in dem notwendigen Maße angewandt oder praktiziert werden:

Entbürokratisierung des Verwaltungshandelns (Dieser Grundsatz wird vielfach genannt, Folgerungen daraus werden nicht gezogen): In Sachsen wurden beispielsweise nach 1991 drei kommunale Gebietsreformen durchgeführt, deren Ziel die Verminderung der Kreise und kreisfreien Städten war. Die letzte Reform fand 2008 ihren Abschluss. Danach sind nur Leipzig, Dresden und Chemnitz kreisfreie Städte, die Zahl der Kreise wurde auf acht vermindert. Die Straßenbauverwaltung wurde auf wenige Straßenbauämter konzentriert. Empfehlenswert ist die Zusammenfassung der Straßenbauverwaltungen Sachsens, Sachsen- Anhalts und Thüringens zu einer schlagkräftigen Einheit mit einer Dimension, die westdeutschen Ländern vergleichbar ist.

Weitere Entrümpelung des Planungs- und Bauchrechtes; Verzicht auf zahlreiche unnötige Verordnungen und vor allem Beschleunigung der Verfahren, Verkürzung des Rechtsweges. Die Zahl der Verordnungen und verpflichtenden Vorschriften ist in Deutschland viel zu hoch. Eigenverantwortliches Handeln ist gefragt.

Vereinfachte Erhebungsverfahren, weniger Vertrauen in Wirtschafts-, Struktur- und Verkehrsprognosen, Vereinfachung der Prognose- und Bewertungsprozesse: Praktische Beurteilung von Großprojekten ohne theoretische Prüfungen, Stärkung der kommunalen Entscheidungsfreiheit bei der Auswahl von Projekten. (Die Begutachtung der ÖPNV-Anbindung des Flughafen Dresdens, die darauf aufbauenden Entscheidungen und die tatsächlich eingetretene Entwicklung sind ein Beispiel für den Erfolg vereinfachter und praxisbezogener Planungsprozesse)

Delegation von zahlreichen Entscheidungsbefugnissen von staatlichen auf kommunale Dienststellen..

Vereinfachung der Finanzierungs- und Bewilligungsverfahren in allen Bereichen staatlicher Förderung, nicht nur im Verkehrswesen.

207 Kooperatives Verwaltungshandeln zwischen beteiligten Behörden, insbesondere zwischen Bundes- und, Landesverwaltungen.

Sechs weitere Problemkreise bedürfen der Erwähnung: (1) Infolge der nach wie vor aktuellen Entvölkerung in ländlich strukturierten Gebieten Sachsens ergibt sich ein besonderes Problem, dessen Auswirkungen auf die Verkehrspolitik beachtet werden müssen. Durch diese Ausdünnung und Überalterung bestimmter Landesteile Ostdeutschlands, aber auch bestimmter Regionen Westdeutschlands, prägte die Verkehrswissenschaft dem Begriff der „Entvölkernde Stadt“ als Planungsgrundlage. Im Rahmen der Eingliederung Polens und Tschechiens in die Europäische Union gibt es bereits heute dort Abwanderungen in westeuropäische Staaten. Diese Tendenz dürfte sich verstärken.

Daraus ergeben sich für die Verkehrsplanung notwendigerweise neue Gesichtspunkte, die bisher gepflegte Kapazitäts- und Leistungsfähigkeitbetrachtungen verändern müssen. Insoweit sollte die Dimensionierung neuer Verkehrsanlagen sorgfältiger abgewogen werden. Zukünftige Rückbauten sind nicht auszuschließen.

(2) Die Betriebssysteme der Bahnen in Europa, ihre Technik, ihre elektrischen Anlagen und Signalsysteme sind außerordentlich unterschiedlich. Die Kompliziertheit der Organisation der „Rollenden Landstraße“ zwischen Sachsen und Böhmen war ein Bespiel dafür, wie groß die technischen Unterschiede zwischen der Deutschen und Tschechischen Bahn sind. Zwar lassen sich viele Systemunterschiede durch Mehrfrequenz-Triebfahrzeuge überbrücken309, wie schwierig ein durchgehender Zugbetrieb zwischen Deutschland und Frankreich war, zeigen allerdings auch die notwendigen Anpassungen in beiden Ländern, um den durchgehenden ICE bzw. TGV zwischen Frankfurt (Main) und Paris möglich zu machen.

Unter dem Gesichtspunkt eines ungehinderten grenzüberschreitenden Schienenverkehrs sollte die EU einheitliche Kriterien für die Bahntechnik vorlegen, die mittelfristig zu einheitlichen technischen Ausstattungen der Strecken und Fahrzeuge führen muss. Die vielfach durch Landesförderung mögliche Neubeschaffung von Fahrzeugen muss mit der Auflage an die Bahngesellschaften verbunden werden, einheitliche europäische Standards einzuhalten.

Im Rahmen der Fahrzeugentwicklung für die Straße sollte ebenso auf einheitliche europäische Normen, Gewichtsklassen und definierte Maximalgrößen gedrungen werden.

(3) Auf die Schwierigkeiten beim erforderlichen Nachweis der Wirtschaftlichkeit einer geplanten Verkehrsanlage wurde ausführlich eingegangen. Die Auflagen und Maßstäbe, die staatliche Förderungsprogramme setzen, sind vielfach mit bürokratischen Prüfungen und Berechnungsmethoden verbunden, die an der Realität vorbei gehen. Theoretische Zukunftsbetrachtungen werden vielfach im Zusammenhang mit Verkehrsprognosen gefordert, deren Sinnfälligkeit sehr infrage steht und oftmals der Realisierung eines Projektes behindernd im Wege steht.

309 Beispiele: Auf der Strecke Dresden – Prag bestehen unterschiedliche Stromsysteme, die Bespannung der Züge erfolgt mit deutschen und tschechische, wenn auch technisch sehr unterschiedlichen Zweifrequenzlokomotiven. Für die Strecke Köln – Brüssel – Paris beschaffte ein Betreiber (Thalis) Mehrfrequenz-Triebwagen zum Betrieb auf den unterschiedlichen, nationalen Bahnsystemen in Deutschland, Belgien und Frankreich. 208 (4) Meine Empfehlungen enden mit dem Ratschlag an staatliche und nichtstaatliche Dienststellen, der Planung einzelner Baulastträger mehr Spiel- und Freiraum einzuräumen. Nicht die finanzierenden Organisationen, sondern die beantragenden Einrichtungen haben nach der Inbetriebnahme einer Anlage deren Betriebskosten zu tragen. Sie müssen in erster Linie für eine spätere Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens Sorge tragen, nicht die Zuschussgeber. Dieser Tatbestand sollte bei der Förderung stärker berücksichtigt werden.

(5) Der Verfasser sieht die ernormen Verkehrsprobleme, die sich 1991 in Sachsen darstellten, weitgehend als gelöst an. Fehlende Elemente einer Anfang der 1990er Jahre entwickelten Konzeption sollten heute im Kontext zu auch in Westdeutschland sehr notwendigen Straßen- oder auch Bahnbauvorhaben gesehen werden.

(6) Die aktuellen Erkenntnisse über die globale klimatischen Entwicklung, die notwendige Einschränkung des CO² Ausstoßes auch im Verkehrswesen sollte zu deutlicheren Überlegungen führen, wie die Kfz-Mobilität von Personen und Gütern erfolgreich auf umweltfreundliche Verkehrssysteme gelenkt werden kann.

7. Zusammenfassung

(1) In Folge des Zweiten Weltkrieges war es zur Teilung Deutschlands und zur Herausbildung zweier völlig unterschiedlicher Gesellschaftssysteme in den beiden deutschen Staaten gekommen. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die ganz erheblichen Defizite und Mängel der Verkehrsinfrastruktur in Ostdeutschland deutlich. Das dortige planwirtschaftlich geprägte Wirtschaftssystem war zusammengebrochen; die DDR war nicht in der Lage gewesen, das Straßen- und Schienennetz zu unterhalten und auszubauen, wie es westeuropäischen Standards entsprochen hätte. Im Interesse einer möglichst schnellen Integration Ostdeutschlands in die Wirtschafts- und Sozialordnung Westdeutschlands war die Herstellung leistungsfähiger Verkehrsverbindungen zwischen West- und Ostdeutschlands sowie innerhalb Ostdeutschlands dringend geboten.

(2) Die Verantwortlichkeit für die Herstellung leistungsfähiger Fernverkehrsverbindungen zwischen West und Ost sowie die Sanierung der Bundesfernstraßen und Bahnstrecken (der Deutschen Reichsbahn) lag beim Bundesverkehrsministerium.

Als zentrale Aufgabe entwarf das BMV daher die achtzehn „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“, im einzelnen neun Schienenprojekte (VDE 1 bis 9), acht Autobahnprojekte (VDE 10 bis 17) und das Projekt „Ausbau und Verlängerung des Mittelland-Kanals nach Berlin“ (VDE 18). Dem Drängen Sachsens folgend stellte der Bund die Erneuerung der Sachsen-Magistrale den VDE gleich.

Die VDE sollten innerhalb von zehn Jahren realisiert werden; sie wurden 1991 auf Grund einer überschlägigen Kostenermittlung mit ca. 28 Mrd. € (56 Mrd. DM) ausgestattet.

209 Die Bundesstraßenbauverwaltung, die Straßenbauverwaltungen der westdeutschen Länder und die im Aufbau begriffenen Verwaltungen der neuen Länder waren ebenso wie die beiden deutschen Bahnen auf die VDE nicht vorbereitet und somit nicht in der Lage, die erforderlichen Planungs- und Bauaufgaben zu erfüllen. Daher gründete der Bund für den Autobahnbau gemeinsam mit den betroffenen Ländern die DEGES; für die Verwirklichung der Bahnprojekte unter Beteiligung beider deutscher Bahnen die PBDE. Die neu berufene Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost erhielt den Auftrag, das VDE 18 zu verwirklichen.

Die Gesellschaften begannen ohne Verzug mit der Erfüllung der Bauaufgaben.

(3) Den neuen Bundesländern, damit auch Sachsen, stellten sich die Aufgaben Flughafen- Infrastruktur, Staatsstraßen und Hafenanlagen an der Elbe; weiterhin die Förderung des Kommunalstraßenbaus und der Öffentlichen Nahverkehrsbetriebe.

Sachsen übernahm kurzfristig von der Treuhand-Anstalt die beiden Flughäfen Dresden und Leipzig/Halle sowie die Häfen an der Elbe. Es installierte die Sächsische Straßenbauverwaltung und betraute die Flughäfen und Häfen mit der Vorlage von Ausbauprogrammen.

Die Förderung des kommunalen Straßenbaus und des ÖPNV wurde im zuständigen SMWA und bei den drei Regierungsbezirken Chemnitz, Dresden und Leipzig angesiedelt.

(4) Die Landkreise, kreisfreien und kreisangehörigen Städte bauten ihre Straßenbauämter bedarfsgerecht auf und übernahmen von der Treuhand-Anstalt die öffentlichen Verkehrsbetriebe.

(5) Der Freistaat schätzte im Einvernehmen mit dem Bund einen Investitionsbedarf für alle Verkehrsanlagen innerhalb Sachsens von ca. 40 Mrd. €; die Hälfte davon war als Bedarf des Straßenbaus ermittelt worden.

(6) Die „VDE Straße“ konnten bis 2007 weitgehend fertig gestellt werden. Die DEGES hat in dieser Zeitspanne ca. 13,4 Mrd. € in den Autobahnbau investiert. Die acht Vorhaben sind weitgehend fertig gestellt. Sie hat zwischenzeitlich auch andere Projekte übernommen; beispielsweise die Rohbauarbeiten am City-Tunnel Leipzig.

Das Netz der Bundesstraßen in Sachsen konnte weitgehend saniert werden, die notwendigen Ortsumgehungen stehen dem Kfz-Verkehr zur Verfügung oder sind noch in der Planung.

(7) Die vom Bund zu finanzierenden „VDE-Schiene“ konnten von der Deutschen Bahn bisher nicht in dem 1991 festgelegten Umfang aus- und neu gebaut werden. Die Bahn stellte zahlreiche Projektteile immer wieder zurück; Sachsen berührenden Strecken unterlagen wesentlichen Planungs-Änderungen. Ein Zeitpunkt der Fertigstellung aller „VDE-Schiene“ Vorhaben ist nicht bekannt.

210 Einen wesentlichen Rückschlag für die Verwirklichung der Vorhaben brachte die Auflösung der PBDE und die darauf folgende Übernahme der Planungs- und Bauaufgaben durch die Bahn selbst.

Neben den mit dem Bund vereinbarten Bahnprojekten hält Sachsen zur Entlastung der Elbtal- Strecke eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke Dresden – Prag durch das Erzgebirge für erforderlich. Wissenschaftliche Untersuchungen für das Projekt liegen vor.

(8) Eine besondere Förderung durch Sachsen galt den S-Bahn-Systemen in Dresden und Leipzig; beide sind zwischenzeitlich funktionstüchtig. Der City-Tunnel für die S-Bahn Leipzig ist in Bau. Regionalnetze der Bahn, vor allem das Erzgebirgs- und Vogtlandnetz sind nach bau-bedingten Stilllegungen wieder voll betriebsfähig. DB Regio Verkehrs GmbH und Vogtlandbahn haben die Verkehrsleistungen übernommen.

(9) Der Ausbau der in der Verantwortung Sachsens liegenden Flughäfen und Binnenhäfen an der Elbe konnte abgeschlossen werden. Die Erweiterung des Flughafens Leipzig/Halle durch zwei neue Start- und Landebahnen ermöglichte die Ansiedlung namhafter weltweit agierender Logistik-Unternehmen.

Eine Beteiligung des Bundes am LEJ war nicht erreichbar.

Das erwartete Fluggastaufkommen wurde in Folge globaler und nationaler Entwicklungen verfehlt. Im Gegensatz dazu übertrifft der Cargo-Verkehr in Leipzig/Halle alle Erwartungen.

Die nachhaltigen Investitionen des Freistaats in die Landeshäfen Dresden, Riesa und Torgau führten wegen der bisher unterbliebenen Verbesserung der Fahrwasserbedingungen der Elbe noch nicht zu dem erwarteten Erfolg. Die angestrebte Verlagerung von Güterströmen von der Straße auf die Wasserstraße, das Binnenschiff, war bisher nicht erreichbar.

(10) Das Gesamtnetz der überörtlichen Straßen in Sachsen konnte westdeutschen Standards angepasst werden. In Einzelfällen führten die rückläufigen Einwohnerzahlen und überhöhte Verkehrsprognosen zu „Über-Kapazitäten“ im Straßennetz.

Letzteres gilt auch für die städtischen Hauptverkehrsstraßen, vor allem in den Großstädten.

Erhebliche Planungs- und Bauhindernisse verzögerten lange Jahre den Bau der neuen Dresdner Elbquerung (Waldschlösschen-Brücke).

(11) Die Öffentlichen Verkehrsbetriebe in den Großstädten Sachsens erneuerten ihre technischen Anlagen, Streckennetze, Betriebshöfe. Der Neuanfang 1991 bot für alle Straßenbahnbetriebe die Chance zur generellen Einführung der Niederflurtechnik. Dem folgend wurden auch die Fahrzeugflotten ausgetauscht.

Die Verkehrsbetriebe in Sachsen konnten weitgehend das Niveau der Vorkriegszeit erreichen. Die DVB und LVB gehörten bis Kriegsende zu den modernsten Nahverkehrsbetrieben Deutschlands und haben diesen Status wieder erreicht.

211 Die Unternehmen in Chemnitz und Zwickau führten völlig neue Betriebssysteme ein. Erstmals eingesetzte innovative Bahntechnik ermöglicht den Übergang von Stadtbahnfahrzeugen auf EBO Strecken bzw. von Eisenbahnfahrzeugen auf die Stadtbahn-Gleisnetze im Regelbetrieb.

Die fünf Tarif- und Verkehrsverbünde in Sachsen konnten durch eine effiziente Fahrplan- und Tarifgestaltung trotz zurückgehender Einwohnerzahlen die Beförderungszahlen und damit Betriebskosten stabil halten.

(12) Für externe Gutachter aus allen Verkehrsbereichen stellt sich der Ausbau der Infrastruktur in Sachsen als Erfolg dar. Insbesondere die „VDE-Straße“, der Ausbau des Straßennetzes in Sachsen insgesamt, die völlige Neugestaltung der Flughäfen und die Neuorientierung des Öffentlichen Personennahverkehrs werden als beispielgebend innerhalb Deutschlands bewertet.

(13) Abschließend stellt sich die Frage, ob die über dem Bundesdurchschnitt laufende Förderung ostdeutscher Projekte, nicht nur in Sachsen, weiterhin notwendig ist. Vielmehr, so betonen Experten, sei die Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern der Westdeutschlands angepasst. Mittel aus dem Solidarpakt sollten in Zukunft in größerem Umfang in die Wirtschaftsförderung fließen.

Es ist erkennbar, dass Straßen- und Bahnverbindungen in den alten Ländern mancherorts nicht den Ausbaustatus ostdeutscher neuer Verkehrsanlagen haben.

(14) Das 1991 vermutete sehr schnelle Anwachsen des Bruttoinlandsproduktes von jährlich 10 % in den neuen Ländern konnte nicht erreicht werden. In dessen Folge mussten die auf der erwarteten strukturellen Entwicklung aufgebauten Verkehrsprognosen, soweit sie überhaupt schlüssig waren, zurückgenommen werden.

Die Erwartungen Anfang der 1990er Jahre, mit dem Ausbau der Verkehrssysteme würde ein nachhaltiges Wachsen von Industrie und Gewerbe in Sachsen beflügelt bzw. folge aus ihm, haben sich bisher nicht erfüllt.

212 Anhang 1 Darstellung der Ergebnisse der Experten-Interviews

Teil 1 Expertenbefragungen

Die Befragung der Experten aus allen Verkehrsbereichen, die während der Betrachtungszeit 1991 bis 2006 in Sachsen tätig waren, erfolgte nach einem vom Autor vorgegebenen Muster. Der diesbezügliche Befragungsbogen ist im Anhang 2 unter Anlage 2 beigefügt Die Expertenkontakte erfolgten großenteils in Interviews, in Einzelfällen auf schriftlichen Weg. Die Ergebnisse sind in internen Aktenvermerken zusammengefasst festgehalten bzw. liegen als schriftliche Antworten vor. Die Aktualität der Aussagen folgt aus dem Befragungszeitraum in den Monaten Juli und September 2009. Wie sich im Folgenden darstellt, bezogen sich die Aussagen vielfach nur auf bestimmte Verkehrsbereiche; die Ergebnisse sind vielfach vergleichbar.

Im Einzelnen kontaktierte der Autor folgende Persönlichkeiten:

(1) Herström, Erhard, Prokurist Kombiverkehr GmbH & Co KG, Frankfurt (M) und Geschäftsführer Bohemiakombi GmbH Prag bis 2005 (Schriftliche Stellungnahme vom 14.9.2009)

Herström beleuchtet ein Sonderthema im Eisenbahnbereich, die Rollende Landstrasse Dresden – Lobositz.

Die zehn Jahre bestehende Rollende Landstrasse (ROLA) war ein Erfolg und mit bis zu 12 Zugfahrten pro Richtung beispielgebend für andere vergleichbare Verkehre in Europa. Der Erfolg ergab sich auch aus dem optimalen Zusammenspiel zwischen den beiden betreibenden Kombi-Gesellschaften, Kombiverkehr Frankfurt und Bohemiakombi, dem Zoll und den Veterinärdienststellen Deutschlands und Tschechiens.

Die gegen den Widerstand des Sächsischen Staatsministeriums für Finanzen durchgesetzte Maßnahme wird von Kombiverkehr auch deshalb sehr positiv eingeordnet, weil sie beispielgebend für die Zusammenarbeit der Verkehrsressorts der CR und Sachsens gewesen sei.

Die Entwicklung der ROLA war eine politische Aufgabe, (die B 170 zwischen Dresden und Zinnwald sollte vom Lkw-Fernverkehr entlastet werden.310), die nur mit finanzieller Unterstützung des Freistaats zu erfüllen war. Sehr schnell konnte im Rahmen der bilateralen Regierungskommission die Mitwirkung der tschechischen Seite erreicht werden.

Den verkehrspolitischen Vorgaben zur Entlastung der Bundesstraße konnte 1994 bis 2004 entsprochen werden. Es wurden 833.531 Strassen-Lkw mit 52.885 speziellen Ganzzügen der Bahn reibungslos und ohne schienenspezifische Unfälle transportiert werden.

Durch den EU-Beitritt Tschechiens trat der erwartete Rückgang der Auslastung311 drastisch ein. Auf Grund einer nur 10%igen Auslastung der Züge war der Fortbestand des Angebotes allein finanziell nicht mehr zu verantworten, sodass innerhalb von 6 Wochen die Einstellung erfolgte.

310 Auch im Vorgriff auf die geplante Autobahn 17 zwischen Dresden und Prag durch das Erzgebirge.

311 Mit Beitritt Tschechiens wurde der Straßengüterverkehr liberalisiert; bei Benutzung der RO-LA entfiel die sonst notwendige sraßenverkehrsrechtliche Einzelgenehmigung in internationalen Güterfernverkehr, was zum Erfolg des Projektes beitrug. 213 Derartige dramatische Folgen hatte die andere Sparte des kombinierten Verkehrs, der unbegleitete Verkehr, nicht. Die starke Überlastung der Bundesstraße hatte sich danach wieder eingestellt. Sie hielt an, bis die BAB A 17 in Betrieb genommen werden konnte. An Stelle des ROLA Verkehrs bemüht sich Kombiverkehr und Bohemiakombi nun um den unbegleiteten kontinentalen Verkehr mit Containern und Wechselbrücken.

(2) Huber, Hans Jürgen, Dr.-Ing, Dr.-Ing.E.h., Ministerialdirektor, Abteilungsleiter Straßenbau im BMV, BMVBW und BMVBS a.D. (Gespräch am 22.9.2209 in Köln)

Huber informierte über die Vorlage eines von ihm 1990 erarbeiteten Konzeptes für die Bundesregierung zur Wiederherstellung eines gesamtdeutschen Eisenbahn- und Fernstraßennetzes.. Dessen Inhalt stellte sich im Frühjahr 1991 im dem Paket der Großvorhaben der VDE als zentraler Bestandteil dar.

Der Bund folgte im Einvernehmen mit den Ländern damit dem dringenden Bedarf nach einem leistungsfähigen Straßennetz in Ostdeutschland, um auch der enormen Motorisierung der ostdeutschen Bevölkerung gerecht zu werden.

Die Größe der Vorhaben schloss eine Realisierung durch die im Entstehen begriffenen Straßenbauverwaltungen der neuen Länder und der Bahn aus. Bund und Länder waren sich einig, dass zur Bewältigung der Großvorhaben leistungsfähige Baugesellschaften nötig waren. Die neuen Länder waren zunächst damit gefordert, ihre eigenen Straßenbauverwaltungen aufzubauen.

Die Konzentration aller VDE-Vorhaben auf eine Planungs- und Baugesellschaft scheiterte am Widerstand der Bahn, was zur Gründung von DEGES und der PBDE führte.

DEGES war schnell handlungsfähig und bestrebt, in der festgelegten 10 Jahresfrist die acht Autobahn-Vorhaben fertig zu stellen. Ihr stand zunächst ebenso wie der PBDE ein jährlicher Investitionsbetrag von 1 Mrd. DM zur Verfügung.

Eine leise Kritik an der damaligen, sehr groben Kostschätzung wird geübt; vor allem in Zusammenhang mit den erheblichen Kostensteigerungen, die sich nach 1995 ergaben.

Im Vollzug ihrer Aufgaben legte DEGES frühzeitig baureife Pläne vor. Damit wurde es möglich, von der PBDE bzw. der Bahn nicht abgerufene Mittel zur weiteren Beschleunigung des Fernstraßenbaus einzusetzen. Die Arbeit der DEGES erbrachte große Erfolge im Fernstraßenbau.

Sachsen war straßenmäßig mit der BAB A 4 (VDE 15) betroffen. Das Vorhaben umfasste den sechs-streifigen Ausbau zwischen der Landesgrenze nach Thüringen und Dresden, die Sanierung des Abschnitts Dresden - Bautzen und den Neubau der Autobahn bis Görlitz. Alle Maßnahmen an der A 4 waren bereits im Jahr 2002 abgeschlossen.

Bis auf Teilmaßnahmen im Bereich der VDE-Schiene sieht er die Verkehrsinfrastruktur Sachsen der Westdeutschlands angepasst..

214 (3) Jähnichen, Wolfgang, Abteilungs-Direktor und Betriebsleiter Verkehr Oberfläche in Berlin bis 1994, 1994-2004 Vorstand Technik der Leipziger Verkehrsbetriebe (schriftliche Stellungnahme vom 18.11.2009)

Jähnichen unternimmt im Gegensatz zu anderen Beiträgen die Gelegenheit, sich über den Öffentlichen Personennahverkehr hinaus zu verkehrspolitischen Fragens Sachsen zu äußern:

„Der Landesverkehrsplan Sachsen enthält Aussagen zur Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur von Straße, Eisenbahn-Fernverkehr, ÖPNV / SPNV, Binnenhäfen und Elbausbau, Flughäfen / Landeplätze sowie Güterverkehrszentren / Kombinierter Verkehr. Die Priorität genießt dabei der Straßenbau.1993 wurden 25 Mrd. DM (50 % der gesamten Verkehrsinvestitionen bis 2012) für den Straßenbau veranschlagt. Die restlichen 50 % sollten vornehmlich in die Bahn, die Flughäfen und den ÖPNV fließen. Darüber zu philosophieren, ob die Prioritätensetzung damals richtig war, halte ich für müßig. Im Straßenbau wurden die gesteckten Ziele im Wesentlichen erreicht, was man bei den übrigen Schwerpunkten nur punktuell bestätigen kann.

Die Ziele Sachsens für den Flughafen-Ausbau, für den Luftverkehr von und nach Dresden bzw. Leipzig/Halle waren zu hoch gesteckt. Hinsichtlich des Frachtaufkommens scheinen sie mit der Zeit erreichbar zu werden, zumindest was Leipzig/Halle betrifft. Inwieweit der Flughafen Dresden so großzügig bemessen werden musste, scheint mir eher eine Prestige-Frage der Landeshauptstadt zu sein.

Der Flughafen Leipzig/Halle hat es trotz hervorragender Anbindung über Schiene und Straße, eine Betriebszeit rund um die Uhr, nicht geschafft, für den wirklich erst langsam entstehenden Zentralflughafen „Berlin-Brandenburg-International“ auch nur annähernd eine Konkurrenz, wenigstens in dessen Entstehungszeit, zu werden.

Im Eisenbahn-Fernverkehr wurden (unabhängig von der Flutkatastrophe) die gesteckten Ziele, die ich für vertretbar halte, in den meisten Fällen verfehlt. Dabei denke ich insbesondere an die durchgehende Elektrifizierung der Sachsen-Magistrale und die Strecke nach Berlin über Elsterwerda. Für letztere Strecke liegt die Schuld eindeutig beim Land Berlin (viel zu später Ausbau der dortigen "Dresdner Bahn") und bei der DB AG. Für eine Übergangszeit wäre es möglich gewesen, durch den Ausbau der Röderauer Kurve (bei Riesa) Teile der Hochgeschwindigkeitsstrecken Dresden - Leipzig und Leipzig - Berlin zu nutzen und damit erhebliche Reisezeit-Vorteile zu erzielen. (ICE-Verkehr über Jüterbog, Regional- und Güterverkehr für diese Zeit über Elsterwerda)

Die Verbindung über Görlitz nach Breslau wurde zwar spät, aber doch für den derzeitigen Fahrplan erheblich verbessert. Der Ausbau der Strecke Dresden - Leipzig ist infolge der Flutkatastrophe im Jahr 2002 ein Sonderfall und soll deshalb nicht kritisiert werden. Die nur von Regionalzügen befahrene Strecke Leipzig - Chemnitz wurde erheblich verbessert.

Der Leipziger City-Tunnel ist ein „Jahrhundert-Bauwerk“. Nach seiner Inbetriebnahme wird der regionale Personenverkehr der Bahn eine neue Dimension erreichen. Unverständlich ist nur, dass sich die DB nicht in der Lage sah, das Tunnelbauwerk selbst zu errichten, sodass Sachsen die DEGES mit dem Tunnelrohbau beauftragen musste.

Sachsen ist mit 3 großen und 4 mittleren Straßenbahnbetrieben das klassische Straßenbahnland innerhalb Deutschlands. Die Infrastruktur, die Fahrzeugflotten dieser kommunalen Unternehmen bedarf (ggfs. zu Lasten des Straßenbaus) künftig einer höheren Förderung, um die örtlichen Betriebsverhältnisse auch weiterhin zu verbessern.

215 Mit der sog. "sächsischen Lösung" in Leipzig und Dresden wurde ein Modell entwickelt, was ob seiner Wirtschaftlichkeit (niveaugleiche gesicherte Kreuzungen mit dem IV) beispielgebend für Deutschland sein sollte, betragen doch die Baukosten/Strecken-km nur etwa 10 % des vielerorts in den alten Bundesländern übertriebenen niveaufreien Ausbaues in den Innenstädten (Bielefeld als krassestes Beispiel von verschwendeten Baukosten für Bauwerke, die heute wirtschaftlich nicht zu unterhalten sind). Zur Vollendung der Stadtbahnnetze in Sachsen fehlen dennoch erhebliche Mittel, die sächsischen Ziele für den OPNV zu verwirklichen. Mithin hinkt der Stadtbahnausbau vor allem in Leipzig den Bedürfnissen noch nach.

Empfohlen wird, im Sächsischen Staatshaushalt den Aufteilungsschlüssel der Mittel des Verkehrshaushaltes künftig zu Gunsten des ÖPNV. zu verschieben, da die wesentlichen Aufgaben des Straßenbaus erfüllt sind..

Inwieweit der beträchtliche Ausbau der Nebenbahnen und der parallele Ausbau des Straßennetzes sinnvoll waren, müssen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nach Fertigstellung der Netze erst noch ergeben.

Bei aller Kritik an Einzelheiten muss der sächsischen Verkehrspolitik insgesamt bestätigt werden, dass sie gesamtgesellschaftlich und ökonomisch bewertet erfolgreich war. Der Freistaat ermöglichte mit dieser Wirtschafts- und Verkehrspolitik seinen Kommunen, auch im EU-Maßstab, sich gut aufzustellen. Ich denke dabei vornehmlich an die Industrieansiedlungen in Dresden und Leipzig (VW, BMW, Porsche, DHL, um nur einige zu nennen). Verschätzt hat man sich allerdings mit dem Ausbau der Leipziger Messe, der trotz ausgezeichneter Randbedingungen nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hat. Früher gab es beispielsweise zwischen den beiden Messe-Städten Leipzig und Dresden zwar Wettbewerb, aber keine angespannte Konkurrenzsituation, was heute dazu führt, dass beide Städte im Messewesen innerhalb Deutschlands bestenfalls einen Mittelplatz einnehmen. Hier scheint mir die koordinierende Einflussnahme der sächsischen Wirtschaftspolitik erforderlich.

Kritik ist an Bestimmungen des Nahverkehrsgesetzes des Freistaats zu äußern. Die Auflösung der Landesverkehrsgesellschaft Sachsen im Jahr 2000, die für die Ausschreibung der SPNV- Leistungen zuständig war, brachte nicht den Erfolg, den sich das Land mit der Kommunalisierung der Aufgabenträgerschaft für den SPNV hat erhoffen können. Die Zersplitterung auf fünf kommunale SPNV Zweckverbünde und parallel dazu in Leipzig den Mitteldeutschen Verkehrsverbund führte zu erheblichen Schwierigkeiten der Gremien untereinander und damit zur unwirtschaftlichen Verwendung und Verteilung der Regionalisierungsmittel des Bundes. Ich schlage vor, die Landesverkehrsgesellschaft Sachsen neu zu beleben, sie wieder mit der Zuständigkeit für den SPNV zu betrauen und der kommunalen Hand zu empfehlen, die fünf Verkehrsverbünde auf drei zu reduzieren und diese nur als Tarif- und Verkehrsverbünde zu führen.“.

(4) Klimke, Ulrich, Ministerialdirigent a.D., 1990 Leiter der Berliner Dienststelle des BMV, (Gespräch am 8.9.2009 in Köln)

Klimke betont, dass der im Jahr 1991 festgelegte verkehrspolitische Weg, der Planungsansatz der richtige war. Er wurde von allen Beteiligten konsequent verfolgt, wenn gleich im Einzelnen fortlaufend Anpassungen notwendig waren. Das Ziel war die Bedienung des Nachholbedarfs im Verhältnis zum Westen.

216 Eine leichte Fehlentwicklung sieht er im Öffentlichen Nahverkehr und im kommunalen Straßenbau, da man in diesen Bereichen die sich abzeichnende Abwanderung der Bevölkerung und daraus folgend dem Stadtumbau Ost nicht ausreichende berücksichtigt habe.

Erhebliche Mängel sieht er im Bahnbereich: Neben dem Streckenausbau seien die Bahnhofserneuerungen ausgeklammert worden, wären Baumaßnahmen nicht mit der notwendigen Qualität ausgeführt worden. Als Beispiel dafür nennt er die Strecke Berlin – Dresden, die 1993 saniert worden sei, heute aber wieder zur Erneuerung anstehe.

Neben den fehlenden Baumaßnahmen des Bundes an der Elbe fehlt ihm die Leistungsbereitschaft des Schifffahrtsgewerbes, wenn es um die stärkere Einbindung des Binnenschiff-Verkehrs zur Entlastung der Straße gehe. Die von den Ländern ausgebauten Binnenhäfen an der Elbe könnten ihre „Drehscheiben-Funktion“ nicht voll erfüllen.

Der Ausgleich zwischen West und Ost im Verkehrsbereich ist für ihn hergestellt. Es sei ein „Meilenstein“ bei der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur bei Bund, Ländern und Gemeinden gesetzt worden. Für die Zukunft sieht Klimke weniger den Bedarf an weiteren Straßenbauten, vielmehr gehe es um die Vernetzung der Verkehrswege und Verkehrssysteme.

(5) Lücking, Jürgen, Präsident der Reichsbahndirektion Dresden bis zur Bahnreform, danach Konzernbeauftragter für Sachsen, später Konzernbevollmächtigter für Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen der Deutschen Bahn bis 2008 (Schriftliche Stellungnahme vom 4.8.2009)

Die Konsolidierung des Schienenverkehrs im Freistaat Sachsen war, so führt er aus, nach der politischen Wende und nach der Bahnreform für das tief strukturierte Unternehmen Bahn von existentieller Bedeutung. Die Ergebnisse der 1991 gefassten verkehrspolitischen Grundsatzentscheidungen sind auch heute noch positiv zu beurteilen. Lücking stellt sich der vielfach der Bahn gegenüber geäußerten Kritik Er betont, dass der Planungs-, Bewilligungs- und Bauprozess im Schienenbau wesentlich differenzierter und damit zeitaufwendiger ist als im Straßenbau. Die Investitionsmittel für die Bahn seien nach politischen Entscheidungen des Bundes getroffen und vielfach verspätet der Bahn zugewiesen worden, was zu den genannten Verzögerungen geführt habe.

Die mit dem Freistaat abgestimmten Zielsetzungen der Bahn für die Fertigstellung der betroffenen VDE seien klar gewesen, die Finanzierung verzögere sich allerdings auch heute noch. Dennoch sei die Entwicklung der Schieneninfrastruktur in Sachsen seit 1995 die Grundlage dafür gewesen, dass heute Schienenverkehr im Personen- wie Güterbereich in Sachsen wirtschaftlich zu betreiben ist. Bei der Regionalnetz-Entwicklung galt als erste Planungsgrundlage die Frage nach der Art und Möglichkeit, einen betriebs- und volkswirtschaftlich vertretbaren Verkehr darzubieten. Daraus musste eine Verringerung des infrastrukturellen Angebots folgen.

Als Erfolg ist die Bildung von Regionalnetzen, besonders des Erzgebirgsnetzes, zu bezeichnen.

217 Besonders betont Lücking den Einsatz moderner Fahrzeuge im Fern- und Regionalverkehr. DB Regio verfügt in Sachsen (Dank der Landesförderung) über eine der modernsten Fahrzeugflotten in Deutschland. Der in Sachsen traditionell bewährte Regionalverkehr mit Doppelstockwagen aus Görlitz eröffnete dem Weg für den Einsatz dieses Fahrzeuges in ganz Deutschland.

Den stetig wachsenden spezifischen Anforderungen der Kunden des Güterverkehrs wird DB Schenker Rail durch die Neugestaltung des Fahrzeugparks gerecht.

Abschließend stellt Lücking fest, dass die Ergebnisse einer gemeinsamen Arbeit mit Bund und Sachsen ausgezeichnet gewesen seien, auch wenn im Einzelfall Verbesserungen möglich wären. Einen erheblichen Investitionsbedarf sieht er nach wie vor im Infrastrukturbereich.

(6) Lueg, Clemens; seit 1994 Geschäftsführer Verkehr in der Industrie- und Handelskammer zu Köln (Gespräch am 30.7.2009 in Köln)

Er sieht die Ergebnisse der Infrastruktur-Anpassung in Sachsen als großartige Leistung an, auch im Verhältnis zu den Maßnahmen in anderen ostdeutschen Ländern.

Der Weg für den Aufbau Ostdeutschlands sei durch die alten Länder vorgezeichnet gewesen. Eine Alternative gab es nicht. Er war richtig. Allerdings fehlten die gewerblichen Anschluss- Ansiedlungen.

Im Bahnbereich habe es an vielen Stellen an der notwendigen Initiative gefehlt, die bewilligten Investitionsmittel abzurufen, weil Entscheidungen dazu vom Bahnvorstand fehlten oder der Planungsprozess zu bürokratisch war. Die Bahn habe die an sie gestellten Forderungen zum Netzausbau nicht in dem notwendigen Umfang erfüllt.

Nach seiner Bewertung konnten die Elbhäfen die an sie gestellten Transport-Anforderungen nicht bedienen, da der Bund die ganzjährige Befahrung der Elbe nicht gewährleistet. Er kritisiert das verkehrspolitische Handeln der Bundesregierung und sieht darin auch sehr negative Folgen für die deutschen Nordsee Häfen, insbesondere für Hamburg.

Für den Bereich des Straßennetzes sieht er punktuell Überkapazitäten, deren Entstehung offensichtlich durch falsche Verkehrsprognosen begründet sei.

Nach 1991 habe man großes Interesse an den gewaltigen Investitionen, vor allem am Autobahnbau, gehabt. Die Sanierung vorhandener Verkehrswege sei eine gewaltige und notwendige Aufgabe, auch im Interesse Westdeutschlands gewesen.

Die Aufgabe, die ostdeutsche Verkehrsinfrastruktur der Westdeutschlands anzupassen, wäre die bisher größte Herausforderung des Bundesverkehrsministeriums gewesen, allerdings hätten die eingesetzten Mittel noch stärker auf den Straßenbau konzentriert werden müssen. Die erhofften Anstöße für die Industrie- und Gewerbeansiedlung durch den Straßenbau hätte es nur bedingt gegeben. Mit dem Verkehrsbau waren (leider) die wirtschaftspolitischen Ziele nicht oder nur zum Teil erreichbar.

218 Die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit hätten 1991 eine weitaus größere Ausrichtung in Richtung Westdeutschland haben müssen. Als Beispiel dafür nennt er die Autobahn A 4, deren westlicher Abschnitt zwischen Bad Hersfeld und Olpe nach wie vor fehlt.

Heute sei das Ziel erreicht. Die Infrastruktur sei ausreichend hergestellt. Bereits im Jahr 2005 hätte „umgesteuert“ werden müssen, um den „Verfall“ der Autobahnen in den westdeutschen Ballungsräumen einzudämmen.

Die Qualität der Infrastruktur, beispielsweise Sachsens, habe Maßstäbe erreicht, die mit denen Nordrhein-Westfalens nicht mehr vergleichbar seien. Die Notwendigkeit. einer Verbreiterung der Autobahn Dresden – Leipzig auf 6 Fahrspuren stehe in keinem Verhältnis zu den dringendsten Bauvorhaben im Rheinland, für die der Bund im Verhältnis zu Sachsen viel zu wenig Finanzmittel zur Verfügung stelle. Der heute „falsche Geldweg“ habe zu einem Spannungsfeld West – Ost geführt.

Lueg kritisierte auch einzelne Straßenbaumaßnahmen „auf dem flachen Lande“ Ostdeutschlands, für deren Notwendigkeit kein Nachweis getroffen werde. Offensichtlich sei eine Verteilung nach dem Gießkannenprinzip erkennbar. Eine stärkere Konzentration auf die Ballungsräume sei notwendig gewesen.

(7) Mängel, Siegfried, Prof. Dr.-Ing., Sprecher der Geschäftsführung der PBDE 1992 bis 1996; Honorarprofessor an der TH Aachen (Gespräch am 3.8.2009)

Mängel äußert sich besonders kritisch zum Vorankommen des Bahnbaus, zur zögerlichen Verwirklichung der VDE in den Jahren nach 1995.

Die Initiativen der PDBE führten nach 1991 zu ersten großen Erfolgen im Bahn-Neubau. Ihre Arbeit war auf die Vollendung aller VDE bis zum Jahr 2000 ausgerichtet.

Dem folgend setzt sich Mängel außerordentlich kritisch mit dem Verhältnis zwischen Bahn und der Planungsgesellschaft auseinander. In den ersten Jahren des Handelns der Gesellschaft seien maßgebliche Erfolge bei der Verwirklichung von Teilabschnitten der VDE erzielt worden, als eine weitgehende Unabhängigkeit von den beiden deutschen Bahnen bestand.

Die Schienenverkehrsprojekte Deutsche Einheit, vom Bundestag einmal als vorrangige Vorhaben vor allem für die Sanierung und Verbesserung der ostdeutschen Infrastruktur definiert und beschlossen, erlebten ab 1994 eine Korrektur nach der anderen. Die ursprünglich zugesagte 1 Milliarde DM/Jahr verminderte sich von Jahr zu Jahr. Während die Autobahn- Projekte vorangetrieben wurden, kaum Abstriche erlitten, standen die Schienenprojekte permanent in der Debatte.

Der schwindende Einfluss auf die Finanzierung und damit auch der Handlungsspielraum der PDBE, schnell Projekte realisieren zu können, sank ab Mitte der 1990er Jahre, bis letztlich die Projektgesellschaft von der Bahn aufgelöst wurde. Die Deutsche Bahn hatte die PBDE als Konkurrenten eingeordnet.

Unterschiedliche „Planungs- und Realisierungsphilosophien“ zwischen PBDE, DEGES waren letztlich auch der Grund, warum der Bund der Auflösung der PBDE mit zustimmte.

219 Die PDBE hatte ihre Erfolge in der schnellen Realisierung durch einen unbürokratischen Planungsablauf und die Einschaltung von Generalunternehmen, die ihrerseits mittelständige Bauunternehmen zur Ausführung engagierten.

Aus der Sicht Sachsens stimmt Mängel dem Vorwurf zu, die Realisierung der VDE sei vom Bund aus zu Gunsten Berlins und zu Lasten der neuen Bundesländer betrieben worden. Insoweit kritisiert er vor allem die schleppende Verwirklichung der Abschnitt 1 und 2 des VDE 8 sowie die inhaltlose Zusage des Bundes, den Ausbau der Sachsen-Magistrale parallel zu den VDE zu finanzieren.

Zu den Finanzierungs-Vereinbarungen mit dem Bund kommt er zu dem Schluss, der Neubau von Bahnhöfen an VDE-Strecken sei fälschlicherweise bewusst ausgelassen worden, um Finanzmittel zu sparen. Ein Beispiel dafür ist der Flughafenbahnhof am VDE 8. Obwohl die Verknüpfung von „Bahn und Airport“ ein bundespolitisches Anliegen war und ist, konnte der Flughafenbahnhof Leipzig/Halle nur auf Anstoß von den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt realisiert und musste von diesen finanziert werden.

(8) Müller-Eberstein, Frank, 1994 bis 2005 Sprecher der Geschäftsführung der Dresdner Verkehrsbetriebe AG (Schriftliche Stellungnahme vom 12.8.2009)

Der Technische Vorstand der Dresdner Verkehrsbetriebe betrachtet rückwirkend die staatlichen Planungsgrundlagen für die Öffentlichen Verkehrsbetriebe als richtig.

Am Beispiel der Dresdner Verkehrsbetriebe führt er aus, dass sich die Fahrgastzahlen trotz starker Zunahme des Individualverkehrs positiv entwickelt haben. Bei den DVB stiegen die Fahrgastzahlen seit der Wende von ca. 120 Mio. auf fast 150 Mio. beförderte Personen pro Jahr.

Er betont, dank der möglichen Modernisierung aller technischen Anlagen, dank des Austauschs der Tatra-Fahrzeuge und des Neubaus von Betriebshöfen eine umfassende Rationalisierung erfolgen konnte, die zur Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV in Dresden wesentlich beitrug.

Die Mitarbeiterzahl sank von 4200 auf ca. 1650 Personen, der Kostendeckungsgrad stieg von 16,8 % auf über 75 % und das jährliche Defizit verminderte sich von 100 Mio. € auf derzeit deutlich unter 40 Mio. €.

Die DVB gelten für viele Städte und Verkehrsbetriebe zwischenzeitlich als Muster für einen gut funktionierenden ÖPNV. Eine gemeinsame Consultig-Firma mit den Berliner Verkehrsbetrieben arbeitet unter Nutzung der Erfahrungen der letzten Jahre in mehreren osteuropäischen Städten an einer positiven Weiterentwicklung des dortigen ÖPNV.

Die Verkehrsverhältnisse in Dresden entsprechen heute dem Standard eines funktionsgerechten Stadtverkehrs. Müller-Eberstein bedauert dennoch abschließend, einige Projekte konnten in Dresden wegen der Unschlüssigkeit der Kommune noch nicht angepackt werden.

(9) Müller-Hellmann, Adolf, Prof. Dr.-Ing., Technischer Geschäftsführer und Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen bis 2006, (Gespräch am 6.8.2009; schriftliche Stellungnahmen vom 28.10, und 7.11.2009)

220 Aus der Sicht des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen stellt Müller-Hellman zunächst fest: Die Straßenbahn-Netze in allen sechs „Straßenbahn-Städten“ Sachsens waren 1991 in einem miserablen, kaum betriebsfähigen Zustand. Besonders markant war die Unzulänglichkeit der Gleisanlagen in Leipzig und Dresden. Die zahlreichen Schienenbrüche und andere Gleisschäden führten fortlaufend zu Wagenschäden, die in den überalterten Werkstätten nicht termingerecht behoben werden konnten und somit vielfach den betriebsbedingt notwendigen Fahrzeugeinsatz infrage stellten.

Der Neuanfang nach 1991 bot die einmale Chance, bei der Sanierung der Streckennetze und Beschaffung von Neufahrzeugen innovative, neue technische Ansätze zu wählen.

Er begrüßt, dass im Vergleich zu gleichgroßen Städten Westdeutschlands in Dresden und Leipzig ein Gedanke zum U-Bahnbau nicht aufkam.

Dank der GVFG-Förderung war es den Verkehrsbetrieben in den neuen Ländern schnell möglich, neue Systeme der Stadtbahntechnik anzuwenden und „bundesdeutscher Vorreiter“ für den Niederflur-Betrieb zu werden und so machen westdeutschen Straßenbahn-Betrieb zu überholen.

Müller-Hellmann würdigt die Förderschwerpunkte Sachsens für den Öffentlichen Nahverkehr, die Pilotprojekte in Leipzig (Messe-Linie) und Dresden (Strecken der Linien 1 und 2), deren Finanzierung nur durch Bundes- und Landesmittel möglich war.

Kritisch bewertet er die Auflagen des Bundes für die GVFG-Förderung im Rahmen einer besonders für die neuen Länder entworfenen Förderrichtlinie. Er begrüßt, dass Sachsen bei deren Anwendung sehr großzügig verfahren habe.

Er führt im Einzelnen aus: „Meine Erfahrungen mit dem Zuständigkeitsbereiches ÖPNV im Ministerium waren insbesondere geprägt durch die Bereitschaft, sich mit Innovationen engagiert auseinander zu setzen und deren Umsetzung auch zu realisieren. Diesen Arbeitsstiel habe ich während meiner langjährigen Tätigkeit als Technischer Geschäftsführer und als Hauptgeschäftsführer des VDV nicht oft vorgefunden. Beispielhaft möchte ich vier Projekte erwähnen. Mit dem Vogtlandprojekt demonstrierte Sachsen die Machbarkeit und die erzielbaren Erfolge bei einer konsequenten Anwendung der Regionalisierung im schienengebundenen Nahverkehr in der Region. Sachsen stellte damit die Weichen für die heute selbstverständliche Ausgestaltung und Vergabe dieser Verkehrsleistungen..

Der keineswegs risikolose Einsatz von leichten, schienengebundenen Regionalfahrzeugen überzeugte durch einen kostengünstigen, kundenorientierten Betrieb und durch den hohen Sicherheitsstandard, bedingt durch das sehr hohe Bremsvermögen dieser Fahrzeuge, das sich insbesondere bei den vielen Bahnübergängen im Regionalverkehr Unfall verhindernd auswirkte.

Mit dem Chemnitzer Modell förderte das Land die Verknüpfung der Innenstadtverkehre der Chemnitzer Verkehrs AG mit Orten in der Region unter Ausnutzung von nach EBO ausgelegten und zugelassenen Regionalstrecken, ohne das dafür Zweisystemfahrzeuge angeschafft werden mussten, weil eine Elektrifizierung dieser Strecken mit Gleichspannung entsprechend dem städtischen 750V-Netz möglich war. Von dem Erfolg dieser Projektes kann ich mich als langjähriges Mitglied des Aufsichtsrats der CVAG immer wieder überzeugen.

221 Die Weiterführung des schienengebundenen Regionalverkehrs vom Zwickauer Bahnhof in die Innenstadt zur Optimierung der Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger bescherten Zwickau eine europaweite Aufmerksamkeit durch die Anwendung eines Dreischienengleises für den Mischbetrieb der Regio-Sprinter mit einem meterspurigen Straßenbahnsystems.

Bei den Chemnitzer Verkehrsbetrieben bleibt auch per Juli 2009 die Zahl der beförderten Personen bei der CVAG deutlich hinter dem Plan 2009 zurück. Damit setzt sich die Entwicklung der Jahre 2007 und 2008 fort. Der neue Vorstand weist in seinem Bericht zur Lage des Unternehmens ausdrücklich auf dieses Problem hin. Er kündigt verstärkte Anstrengungen an, dieses zu ändern. Während in Jena 199 Fahrten je Einwohner und in Halle 193 erreicht würden, seien es in Chemnitz nur 161. Allerdings sei die Motorisierungsdichte in Chemnitz deutlich höher als in den beiden anderen Städten“.

(10) Nitsch, Johannis, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im BMV 1993 bis 1997 (Gespräch am 11.9.2009 in Dresden)

Nitsch bezieht sich im Wesentlichen auf die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit. Mit dem Beschluss der Bundesregierung zu diesen und der Absicht zur Finanzierung innerhalb von 10 Jahren hatte sie eine eindeutige politische Entscheidung für ein gesamtdeutsches „Schnellverkehrsnetz Schiene“, ein zusammenhängendes Fernstraßennetz sowie die Anbindung Ostdeutschlands an das westdeutsche Wasserstraßennetz getroffen. Die achtzehn Groß-Projekte sollten bis zum Jahr 2000 fertig gestellt werden.

Es stand außer Zweifel, dass die vorhandenen Strukturen in West- und Ostdeutschland diese enorme Bauaufgabe nicht leisten konnten. Der Bund bestimmte daher die Gründung der PBDE und der DEGES sowie der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost.

Die drei Planungs- und Baugesellschaften stellten sich sehr schnell ihren Aufgaben; es wurde aber bald deutlich, dass die Bauaufgaben sowohl kapazitätsmässig sowie finanziell innerhalb von 10 Jahren nicht erfüllt werden konnten. Er würdigt den Fernstraßenbau in Sachsen und sieht auch Kritik am zögerlichen Handeln der Bahn.

Nitsch begrüßt im kommunalen Bereich besonders die Leistungen der Öffentlichen Nahverkehrsbetriebe, die Dank der erheblichen Bundesförderung ihre Anlagen an die westdeutscher Verkehrsbetriebe angepasst bzw. sie übertroffen haben. Allerdings hätten die bürokratischen Bewilligungsverfahren zu der einen oder anderen Verzögerung geführt.

Kritik äußert er am Handeln einzelner Kommunen in Sachsen, die infolge unklarer politischer Mehrheiten Entscheidungen hinausgezogen und damit die Aufbauphase in ihrem örtlichen Bereich verzögert haben. Als besonders markantes Beispiel nennt er die Waldschlösschenbrücke in Dresden.

Er stellt im Einvernehmlich mit Klimke fest, welche Nachteile durch die Hemmnisse politischer Art dem Projekt „Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen der Elbe“ und damit der Elbschifffahrt entstanden sind. Beide vermissen eine Handlungswilligkeit vor allem der Bundesregierung und beurteilen dies als wesentlichen verkehrspolitischen Fehler. Die Binnenschifffahrt auf der Elbe könne, wenn sie in die Lage versetzt würde, zur Entlastung der Bundesfernstraßen beitragen.

222 Dringenden Handlungsbedarf sieht er heute bei der Mitteldeutschen Flughafengesellschaft. Nach der Ansiedlung von Cargo-Gesellschaften in Leipzig sei dringend Bedarf, die neu geschaffenen Terminals in Dresden und Leipzig für den Personenverkehr auszulasten, d.h. er vermisst ein stärkeres Engagement für die Gewinnung neuer Fluglinien nach Dresden und Leipzig.

(11) Nowack, Herwig, bis 1996 Geschäftsführer Verkehr in der Industrie- und Handelskammer zu Köln, 1994 bis 2000 Geschäftsführer der Landesverkehrsgesellschaft Sachsen, danach bis 2002 Beauftragter Sachsens für die Europäischen Verkehrskorridore 3 + 4 (Berlin - Prag- Budapest - Balkan und Berlin/Dresden – Breslau – Krakau - Lemberg), 2003 bis 2006 Beauftragter Nordrhein-Westfalens für den Korridor 4. (Gespräche am 29.7.2009 und danach in Köln)

Er betont, dass die technischen Planungsinstrumentarien 1991 für den Aufbau Ost gegeben waren, die strukturell-gesellschaftlichen aber fehlten, was zu falschen Verkehrsprognosen führen musste. Nowak zitiert im Blick auf die Verlässlichkeit von Verkehrsprognosen Horion, preußischer Landeshauptmann in der Rheinprovinz bis 1933, wie folgt: „Völlig verkannt wird bei diesen Bestrebungen zum Bau der Kraftwagenstraße Köln – Bonn, dass der Landstraßenverkehr auch in der Zeit des Automobils niemals in der selben Weise wie Eisenbahn und Luftverkehr oder wie die jetzt neu geplante Luftschwebeschnellbahn der Überwindung großer Entfernungen dienen kann, vielmehr stets einen mehr lokalen Charakter behalten wird“. Er bezieht sich dabei auf den Artikel von Gabriel und Wirth „80 Jahre deutsche Autobahn“[109]

Die Argumentation von Nowack schließt sich der von Lueg an. Er sieht die Ergebnisse der Infrastruktur-Anpassung in Sachsen als großartige Leistung an, auch im Verhältnis zu den Maßnahmen in anderen ostdeutschen Ländern.

Leider sei die industrielle und gewerbliche Anschlussentwicklung ausgeblieben, was auch am nicht ausreichenden Engagement der westdeutschen Industrie gelegen habe.

Im Bahnbereich habe es an vielen Stellen an der notwendigen Initiative gefehlt, die bewilligten Investitionsmittel abzurufen, weil Entscheidungen dazu vom Bahnvorstand fehlten oder der Planungsprozess zu bürokratisch war.

Auch nach seiner Bewertung konnten die Elbhäfen die an sie gestellten Transport- Anforderungen nicht bedienen, da der Bund die ganzjährige Befahrung der Elbe nicht gewährleistet. Er kritisiert das verkehrspolitische Handeln der Bundesregierung und sieht darin auch sehr negative Folgen für die deutschen Nordsee Häfen, insbesondere für Hamburg.

Besonders würdigt er die Leistungen der Straßenbauverwaltung. Sie habe das Straßennetz in Sachsen in Ordnung gebracht, allerdings punktuell Überkapazitäten geschaffen.

Soweit er dazu ein Urteil abgeben könne, bezeichnet er die Zusammenarbeit mit Tschechien als ausgezeichnet, während die Kontaktnahme zu Polen außerordentlich schwer sei.

Nowack fasst zusammen: Die Entwicklung ist rückblickend als positiv zu bezeichnen; wesentliche Fehlentscheidungen seien dem Spannungsfeld zwischen Politik, Wirtschaft und Verkehrswesen zuzuordnen.

223 (12) Stein, Volkmar, 1992 bis 2007 Sprecher der Geschäftsführung des Flughafens Leipzig/Halle und der Mitteldeutschen Flughafen AG_(schriftliche_Stellungnahme vom 13.9.2009)

Stein sieht vor allem den Erfolg am Flughafen Leipzig/Halle auf der Basis einer ausgezeichneten Infrastruktur. Es sei gelungen, gemeinsam mit weltweit agierenden Logistik- Unternehmen Leipzig/Halle zu einem wesentlichen Element des Cargo-Weltluftverkehrs zu entwickeln.

Er setzt sich kritisch mit den Einwirkungen der EU auf den Flughafen-Ausbau auseinander. So habe die Mitteldeutsche Flughafen AG gemeinsam mit dem Bund, den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und der ADV die Europäischen Gerichte angerufen, um der Kommission ihre Grenzen bei der Einmischung in hoheitliche Fragen beim Infrastrukturausbau und dessen Finanzierung deutlich zu machen.

Stein berichtet weiter: Für einen möglichen späteren, weiteren Ausbau der Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden, deren Abfertigungsanlagen sowie Start- und Landebahnsysteme werden von der MFG aktuell Masterpläne erarbeitet. Die Masterplanung erfolgt losgelöst von prognostischen Betrachtungen. Sie ordnet Flächenpotentiale und deren Nutzungsmöglichkeiten und bestimmt für die bestehenden Funktionsbereiche die Belastungsgrenzen, um auf der Grundlage dieser Planungen rechtzeitig geordnet handeln zu können. Der Horizont dafür zielt auf eine 20jährige Entwicklung.

(13) Weidelehner, Dr. Wolfgang, Regierungspräsident (RP Dresden), damit auch Leiter des Luftverkehrsamtes Sachsen 1991 – 2002 (Gespräch am 11.9.2009 in Dresden)

Weidelehner sieht im Straßenbau Sachsen große Erfolge. Besonders hebt er den Abschnitt Bautzen – Görlitz der Autobahn 4 hervor, der mittels des Tunnels Königshainer Berge in einer ganz besonders landschaftspflegerischen Form gebaut wurde. Allerdings habe es mit Polen im Bereich des Grenzüberganges bei Görlitz erhebliche Schwierigkeiten gegeben.

Für den Straßenbau habe bis 1998 genügend Geld für alle erforderlichen Projekte zur Verfügung gestanden; allerdings ohne den vielerorts erhofften wirtschaftlichen Erfolg der gewerblichen „Anlieger“ an den neuen Straßen. Man habe bis 1995 „überdimensional“ gedacht.

Er betont die erheblichen Verzögerungen beim Bau der A 17 nach Prag, die durch Handlungsunwilligkeit der Stadt Dresden entstanden seien. Gleiches gelte für die Waldschlösschenbrücke.

Besonders markant waren die Hemmnisse, die die Stadt Dresden dem Hafenausbau bereitete. Zweitweise beabsichtigte die Stadt, den Alberthafen unter Denkmalschutz zu stellen, um so einen Ausbau zu erschweren.312 Er erläutert, dass die schwierigen politischen Mehrheiten im Dresdner Stadtrat Grund dafür waren.

312 Der ursprünglich noch vom Königreich Sachsen angelegte Alberthafen war gegen den Widerstand der Stadt Dresden errichtet worden. 224 Den beiden Verkehrsflughäfen Leipzig/Halle und Dresden billigt er eine gewisse Schonfrist zu, bis sich das erwartete Verkehrsaufkommen im Personenverkehr einspielt. Der großzügige Ausbau der Terminals sei richtig gewesen.

Seine Zusammenarbeit mit den Öffentlichen Verkehrsbetrieben in seinem Regierungsbezirk sein erfolgreich gewesen: allerdings habe es immer wieder Verzögerungen durch die Vorlage schlechter Pläne im Genehmigungsverfahren gegeben habe.

Alles in allem sieht Weidelehner die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur rückwirkend als einmalige Leistung innerhalb von 15 Jahren, damit als großen Erfolg an.

(14) Zschweigerd, Manfred, Prof. em. Dr.-Ing, Dr.-Ing. E.h., Leiter des Institutes für Verkehrswegebau, zunächst Hochschule für Verkehrswesen, danach Technische Universität Dresden (schriftliche Stellungnahmen vom 13.8. und 15.10.09)

Zschweigerd führt wörtlich aus: „Die Bahn hat als energieeffizientes, umweltfreundliches Verkehrsmittel die zentrale Bedeutung gegenüber Straße und Kurzstreckenflug. Der Widerspruch besteht darin, dass Straßenbau und Kurzstrecken-Flugverkehr schneller nach der Wende wirksam waren als der Ausbau des Schienennetzes. Fahrgäste und Güter zurück zu holen ist äußerst schwer. Schlussfolgernd war die Planung zum Ausbau der Hochleistungsbahn-Strecken in Ost-West- und Nord-Süd-Richtung in Sachsen sehr wichtig, um vor allem im Reiseverkehr den Bereich zwischen Kurzstreckenflug und aufwendigen Straßenfernfahrten und den künftigen Güterverkehr über längere Strecken in Europa effizient bewältigen zu können.

Die ABS Berlin – Leipzig/Halle stand zeitig zur Verfügung, die Fortsetzung als NBS bis Erfurt kommt sehr spät, ebenso die Fortführung nach Nürnberg. Insbesondere die bestehende Strecke Leipzig/Halle – Erfurt wirkt schon lange als Engpass und drosselt das Verkehrsaufkommen.

Die ABS Leipzig – Dresden ist zwischen Leipzig und Riesa planmäßig in Betrieb, der Ausbau Riesa – Dresden mit der Vereinigung der Strecke Berlin – Dresden (Böhla) kommt erst in Gang, wird aber nicht vor 2015 in Betrieb gehen können; dass ist leider sehr spät. Zudem ist zu bedauern, dass die ursprünglich beabsichtige Fahrzeit von ca. 30 Minuten zwischen Leipzig und Dresden unter Umgehung von Wurzen und Riesa nicht umgesetzt werden konnte, was dem ursprünglichen Ziel zuwider läuft.

Die Strecke Berlin – Dresden ist nach der Wende für bis zu 160 km/h ertüchtigt worden, zurzeit aber von LA gekennzeichnet.

Eine NBS Dresden – Prag [110] muss nach Prognosewerten ab 2020 in der Umsetzung sein, da die bestehende Elbtalstrecke dann die Kapazitätsgrenze erreicht hat. Die Landesregierung versucht nach wie vor, das Projekt voran zu bringen.

Der Ausbau der großen Bahnknoten Leipzig und Dresden (und auch Chemnitz) erfolgt seit Jahren. Die Entscheidung für den City-Tunnel in Leipzig ist epochal.

Nach meiner Auffassung haben sich auf dem Eisenbahnsektor die 1995 herangezogenen Planungsunterlagen und die formulierten Ziele als richtig erwiesen. Die in den voran stehenden

225 Punkten genannten Maßnahmen hätten eine schnellere Umsetzung verdient. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, in welchem schlechten Zustand sich vor der Wende und noch danach die meisten Bahnanlagen befanden.

Die Realität (Finanzierung) zwang zu Abstrichen gegenüber der ursprünglichen Konzeption. Trotzdem ist infrastrukturell Hervorragendes geleistet worden.“

226 Teil 2 Zusammenfassung der Beurteilungs- und Kritikpunkte sowie deren Bewertung

Das Resümee aus den 14 Expertenbefragungen stellt sich wie folgt dar:

(A) Zusammenfassend folgt aus den Expertenbefragungen eine weitgehend einvernehmliche positive Beurteilung des wirtschafts- und verkehrspolitischen Aufbauprozesses in Sachsen nach dem Wiedererstehen des Freistaats im Jahre 1990 und der darauf folgenden Wiedervereinigung Deutschlands.

Die Finanzausstattung für alle Maßnahmen des „Aufbau Ost“ in den neuen Ländern war völlig ausreichend.

Die positive Erwartungshaltung der Bevölkerung Sachsens gegenüber zahlreichen Verkehrsprojekten ermöglichte kurze Planverfahren und danach einen schnellen Vollzug der Planung. Trotz der konjunkturellen Schwankungen konnten zahlreiche Projekte, soweit die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung standen, ungleich schneller und ohne Widerstände der Bevölkerung verwirklicht werden.

Zu diesem Ergebnis trägt sicher bei, dass die befragten Experten weitgehend an dem Aufbauprozess selbst beteiligt und der Zielsetzung verpflichtet waren, ihren jeweiligen Teil zur Anpassung der Verkehrsverhältnisse in Sachsen an die Westdeutschlands zu leisten.

(B) Mit dem Beschluss der Bundesregierung zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit war eine solide Grundlage für den Bau der notwendigen Fernverkehrsverbindungen zwischen „Ost und West“ gegeben.

Kritik wird an den Kostenschätzungen 1990 für die VDE laut. Die erforderlichen Finanzmittel wurden weit unterschätzt, was zu einem weit größeren Finanzbedarf als veranschlagt war und daraus folgend zu Verzögerungen führte. Für die Schienenprojekte war die ebenfalls notwendige Sanierung der Bahnhöfe nicht berücksichtigt.

(C) Der Ansatz, für die notwendigen Baumaßnahmen für die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit eigene Planungs- und Baugesellschaften zu gründen, war richtig. Dennoch wäre die Zusammenfassung von Bahn- und Fernstraßenbau in einer Gesellschaft der bessere Weg gewesen. Kritisch wird die sehr frühzeitige Auflösung der PBDE und die Verlagerung deren Aufgaben unmittelbar in die beiden deutschen Bahnen gesehen.

(D) Die verkehrspolitischen Handlungsansätze Sachsens werden als richtig eingeschätzt. Es besteht weitgehend Einvernehmen, dass der Investitionsprozess fast aller Bereiche erfolgreich verlaufen ist.

Dennoch zeichnen sich Widersprüche ab:

(E) Die Auslegung der Sachsen berührenden VDE weit bis nach Bayern, nicht aber bis in das Rhein-Main und das Rhein-Ruhr Gebiet erzeugt heute Erstaunen. Nach einer Kenntnis der sehr beschränkten Realisierungsmöglichkeiten beispielsweise der BAB A 4 aus Gründen des

227 Landschaftsschutzes westlich von Fulda wird allerdings klar, dass der Bund hier – auch in Anbetracht der erforderlichen Zustimmung der Verkehrsministerkonferenz – pragmatische Vorschläge vorgelegt hat.

(F) Erkennbar ist die verständliche, nicht ganz unberechtigte Kritik aus Westdeutschland, der Bund hätte die neuen Länder mindestens ab Mitte der 1990er Jahre bei den Verkehrsinvestitionen (beispielsweise dem Rheinland gegenüber) bevorzugt. In Abwägung zwischen dem Infrastrukturbedarf Sachsens (bei einer unklaren wirtschaftlichen Entwicklung und einem vergleichsweise geringen Verkehrsaufkommen) einerseits und der Überlastung der Bundesfernstrassen im Rhein-Main und Rhein-Ruhr Gebiet, einem daraus folgenden dringenden Investitionsbedarf andererseits kann einer solchen These nicht unbedingt widersprochen werden.

(G) Die Bauleitungen der DEGES und anfänglich der PBDE werden weitgehend gewürdigt. Sie waren als planende und bauende Gesellschaften erfolgreich. Leider führten die Auflösung der PBDE und die Übernahme der Bauleistungen durch die Bahn zu erheblichen Verzögerungen. Die DEGES hingegen war in der Lage, regelmäßig Mittel des Bundes die der Bahnbau nicht verausgaben konnte, zu übernehmen und damit das eigene Bauprogramm zu beschleunigen.

(H) Damit vergleichbar wird die Straßenbauverwaltung Sachsens beurteilt. Ihr gelang es, ihre zugewiesenen Haushaltsmittel des Freistaats nicht nur vollständig auszuschöpfen, sondern auch Restmittel aus den Haushaltsplänen Sachsens zu übernehmen und somit den Straßenbau zu beschleunigen. Als Kritikpunkt hierzu wird vorgetragen, dass der Straßenbau (infolge der ausgezeichneten Finanzausstattung) mancherorts überzogen und nicht bedarfsrecht tätig war. . Andererseits verzögert sich der Neubau der Autobahn zwischen Chemnitz und Leipzig auch heute noch.

(J) Vermisst wird im Planungsprozess die Berücksichtigung weitläufiger Verbindungen von Sachsen ausgehend in die osteuropäischen EU – Nachbarländer.

(K) Nahezu einheitlich ist die Kritik am zögerlichen Handeln der Bahn. Nach einem außerordentlich positiven Start der PBDE, wesentlichen Baumaßnahmen an VDE – Strecken und der Sachsen-Magistrale, fiel der Bahnbau Mitte der 1990ger Jahre auf ein „Gleichmaß“ zurück. Der Tatbestand, dass die DB auch Mitte der 2000er Jahre weit von der Vollendung der VDE steht, gerechtfertigt die generell geäußerte Kritik. Die Bahn betont hingegen, dass die Planungs-, Finanzierungs- und Bauprozesse im Vergleich zum Straßenbau viel schwieriger und komplizierter sind und somit die anerkannten Verzögerungen begründbar sind.

(L) Die Sanierung der Regional- und Nahverkehrsstrecken der Bahn in Sachsen erfolgte dank einer weitgehenden Förderung Sachsens zügiger als die der Fernstrecken.

228 Die sehr frühzeitige Ausschreibung von Eisenbahn-Verkehrleistungen führte zu Beginn des Wettbewerbes im SPNV zur positiven Entwicklung des Verkehrsaufkommens. Tochtergesellschaften der DB trugen zu diesem Erfolg bei.

(M) Auf Kritik stößt die politische Entscheidung der Sächsischen Staatsregierung, die für den Zweck geschaffene Landeseisenbahngesellschaft Sachsen nur kurzfristig mit der Organisation des Regionalverkehrs zu betrauen und die Aufgabe viel zu frühzeitig an fünf, zunächst kaum handlungsfähige kommunale Zweckverbände weiterzugeben. In einem Land wie Sachsen führt die Zersplitterung des SPNV ins Abseits. Daraus folgen faktisch die aktuellen Bemühungen, die Zweckverbände wieder zu einer Organisationseinheit zusammen zu führen.

(N) Erhebliche Kritik wird an der Prognosestellung generell geäußert. Nur unzureichende, meistens überhöhte Strukturprognosen für die Landesentwicklung führten zu ebenso überhöhten Verkehrsprognosen mit der Folge einer Anfang der 1990er Jahre zu großzügig angelegten Verkehrsplanung für Straße und Schiene. Im Zusammenhang mit den Richtlinien des Bundes für die Förderung des Öffentlichen Nahverkehrs führten bürokratische Bewertungsverfahren vielfach zur Verzögerung von Bewilligungen. Das gesamte System der Standardisierten Bewertung von ÖPNV-Maßnahmen des Bundes hat sich in Sachsen nicht bewährt.

(O) Die Beurteilung des Handelns der Öffentlichen Verkehrsbetriebe ist dennoch einvernehmlich anerkennend positiv. Die kommunalen Verkehrsbetriebe konnten moderne Stadtbahnsysteme aufbauen. Besonders gewürdigt wird der Einsatz modernster technischer Systeme im Fahrzeugbau, beispielgebend für ganz Deutschland. Hier setzt auch die Kritik westdeutscher Verkehrsunternehmen ein, die im Verhältnis zu Dresden und Leipzig einen erheblichen, auch finanziellen Nachholbedarf – z.B. in der Niederflurtechnik – haben.

Zu würdigen sind in diesem Zusammenhang auch die innovativen technischen Leistungen der in Sachsen tätigen Unternehmen des Fahrzeugbaus.

Kritik wird an der staatlicherseits vorgenommenen langjährigen Bevorzugung des Straßenbaus im Verhältnis zum ÖPNV bei der Aufteilung der GFVG – Mittel geübt. Der Anteil von 90% der Bundesmittel aus dem (ehemaligen) GVFG für den kommunalen Straßenbau wird als völlig unangemessen angesehen.

In Einzelfällen führten, unabhängig davon, kommunalpolitische Einwirkungen auf die Verkehrsbetriebe zu Verzögerungen innerhalb der Planungsprozesse.

(P) Deutlich wird die Kritik an der fehlenden Bereitschaft zu einer gemeinsamen Handlungsweise von Bund und den Ländern zur Infrastrukturinvestitionen für die Elbe, die Binnenschifffahrt geübt. Die befragten Experten schließen sich der Kritik des Autor an: Die immer wieder geforderte Verlagerung von Güterverkehr (auch) auf die Binnenschifffahrt hätte von Sachsen ausgehend zu größeren Erfolgen führen können, wenn der Bund bezüglich der Verbesserung der Tauchtiefen der Elbe und damit der Ladefähigkeit von Binnenschiffen die Zusagen aus dem Jahr 1992 eingehalten hätte.

229 Die fahrwasserabhängigen ungünstigen Transportbedingungen für die Binnenschifffahrt führten zur Abwanderung sächsischer Binnenreedereien. (Q) Allgemeine Anerkennung wird dem sehr schnellen Ausbau der Verkehrsflughäfen in Sachsen ausgesprochen. Den hohen Erwartungen nach steigendem Verkehrsaufkommen für die geschaffenen Kapazitäten stellen sich nun die Folgen der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung in ganz Europa, so auch in Sachsen gegenüber.

Der Handlungsfähigkeit der Mitteldeutschen Flughafen AG ist zu verdanken, dass sich der Airport Leipzig/Halle zu einem der großen Güterverkehrszentren entwickelt. Bedauert werden die hemmenden Einflüsse der EU innerhalb des Planungsprozesses.

(R) Eine Angleichung des Mobilitätsverhaltens und der Motorisierung der Bevölkerung, (insbesondere des Verkehrsmittel-Wahlverhaltens) folgten dem Ausbau der Verkehrswege. Die langjährigen Erhebungen der TU Dresden im Rahmen der SrV-Erhebungen machen deutlich, dass zwischen der Mobilität west- und ostdeutscher Städte kaum noch Unterschiede bestehen. Die Verkehrsinfrastruktur zeigt sich nach einhelliger Auffassung der Befragten heute den Erfordernissen und den Ansprüchen der Verkehrsnachfrage aus Wirtschaft und Bevölkerung weitgehend gewachsen.

Die dazu erforderliche Finanzausstattung war größenordnungsmäßig, regelmäßig gesichert. Einen wesentlichen Beitrag dazu lieferten auch die Mittel aus den Solidarpakten I + II.

Die Verkehrsinfrastruktur Sachsens ist damit nach mehr als 15 Jahren deutscher Wiedervereinigung westdeutschen Flächenländern vergleichbar. Die Wirtschaftsstruktur noch nicht in dem erforderlichen Umfang.

Insoweit kann der vielfach geäußerten These gefolgt werden: Die Infrastruktur der neuen Länder, insbesondere Sachsens ist an die Westdeutschlands angeglichen. Zur Stärkung der Innovationskraft der Wirtschaft bedarf es weiteren großen Anstrengungen des Staates, der Industrie und des Gewerbes. Die dafür erforderlichen Mittel können durch Umschichtung (Mittel der EU und des Solidarpaktes II) gewonnen werden.

Das wirtschaftspolitische Ziel der Anfang 1990er Jahre, mit Hilfe der Verkehrsinfrastruktur erfolgreiche Wirtschaftsförderung betreiben zu können, wurde nicht voll erreicht. Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen klaffen innerhalb Deutschlands auseinander. Hier sind weitergehende wirtschaftspolitische Maßnahmen erforderlich.

230 Anhang 2 Anlagen und Verzeichnisse

Anlagen Anlage 1. 1 Bestand und Anlagevermögen am 31.12.1990 : Eisenbahnen in Deutschland

Unternehmen Gleislänge (km) Streckenlänge (km) Brutto – Anlagevermögen ²)

insgesamt je Gleis – km Mrd. DM Mrd. DM

Gesamtnetz 43 989 185,7

Deutsche 60 549 29 949 156,2 2,6 Bundesbahn

Anteil DB 68 % 84 %

Deutsche Reichsbahn 25 600 14 040 29,5 1,1

Anteil DR 32 % 16 %

²) zu Preisen von 1990 – Quelle : Der Bundesminister für Verkehr, Berechnungen des DIW

Anlage 1. 2 Bestand und Anlagevermögen am 31 12.1990: Straßen in Deutschland

Länge (km) km -Anteil durchschnittliche Brutto – Anlagevermögen (%) Straßenbreite ( Mrd. DM - 1991 ) (m) Bundesautobahnen

Gesamtnetz 10 810

ABL313 8 960 83 26,8 118 NBL 314 1 850 17 15,7 11

Bundesstraßen

Gesamtnetz 42 300

ABL 31 000 73 8,9 97 NBL 11 300 27 7,2 16

Landes-315 Kreis- und Gemeindestraßen

ABL 461 000 400 NBL 115 000 37

313 ABL: Länder der Bundesrepublik Deutschland bis 1991

314 Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Ost-Berlin

231 Anlage 1. 3 Bestand und Anlagevermögen am 31.12.1990 Wasserstraßen und Binnenhäfen in Deutschland

Länge (km)316 Brutto – Anlagevermögen °)

Mrd. DM Mill. DM / km

ABL317 4 600 41,0 8,9

Nord-Ostsee-Kanal 100 6,3 63

NBL 2 500 10,4 4,2 °) zu Preisen von 1990 - Quelle : Der Bundesminister für Verkehr, Berechnungen des DIW

Anlage 1. 4 Anlagevermögen der Betriebe des Öffentlichen Nahverkehrs am 31.12.1990

Brutto – Anlagevermögen Brutto – Anlagevermögen (Mrd. DM)°) ( Mio.DM je km Strecke )

NBL 1990 1,9 1,9

Streckennetz: Straßenbahn : 948 km O Bus 13 km Stadtschnellbahnen 26 km

Netzdichte in km/1000 km² 9,1 km/ 1000 Einwohner 0,06

ABL 1960 10,4 2,7 1990 *) 47,2 24,6

°) zu Preisen von 1990 - Quelle : Der Bundesminister für Verkehr, Berechnungen des DIW *) Steigerung im wesentlichen in der Zeit des Wirksamwerdens des GVFG zwischen 1960 und 1990 durch GVFG – Zuschüsse in Höhe von 25 Mrd. DM

315 Landes- bzw. Staatsstraßen

316 schiffbare Länge bis zur Seegrenze, Flüsse und Kanäle, ohne Seen

317 ohne Nord-Ostsee-Kanal 232 Anlage 1. 5 Anlagebestand der ostdeutschen Verkehrsflughäfen am 31.12.1990

Berlin – Dresden Leipzig Erfurt Schönefeld

Länge der Start - und SLB I 3 000 2 500 °) 2 500 °) 2 000 Landebahnen (m) II 2 700

Rollwege (Anzahl) 11 9 10 5

Flugzeugabstellplätze 30 – 42 ^) 11 12 6 Kapazität der Abfertigungsgebäude (Mio. Passagiere/Jahr) 2,3 0,4 0,55

Kategorie der Anflugbefeuerung SBL I Cat II *) II I Cat I Cat I Cat I Max. Flughafenkapazität (Anzahl der Flugbewegungen/Stunde) 40 10 12

Quelle: DM – Eröffnungsbilanzen der Flughäfen; Berechnungen des DIW °) mit erheblichen Unterhaltungsmängeln ^) abhängig vom Flugzeugtyp; *) im internationalen Luftverkehr übliche Kategorie ist Cat. III

233 Anlage 2 Umfragebogen

Planungsziele

Die Sächsische Staatsregierung hat im Jahr 1995 den Landesverkehrsplan Sachsen (LVP) beschlossen, dessen Zielsetzungen folgende waren:

 Angleichung der Verkehrsinfrastruktur Sachsens an die der „alten“ Bundesländer“

 Bereitstellung einer Verkehrsinfrastruktur für Schiene, Straße, Häfen und Flughäfen innerhalb von 10 bis 15 Jahren mit dem Ziel, die (damals) prognostizierten Mobilitätsansprüche von Gesellschaft und Wirtschaft zu erfüllen.

 Der Neu- und Ausbau sollte ökologischen Ansprüchen gerecht werden und parallel zu den generellen Zielen der Landesentwicklung verlaufen.

Die im LVP festgelegten Projektplanungen waren mit den Zielen der Bundesverkehrswegeplanung sowie den Aus- und Neubauabsichten der Nachbarländer Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen abgestimmt worden. Den Gemeinden in Sachsen wurde empfohlen, bei ihrer eigenen Planung dem Empfehlungen der sächsischen Landesverkehrsplanung zu folgen.

Die einzelnen Vorhaben des Bundes, des Freistaates und der Gemeinden sollten zu einem zusammenhängenden Gesamtverkehrssystem führen, dessen Kapazität auf einem ausgewogenen und angemessenen Aufteilungsverhältnis zwischen Kfz-, Bahn-, Luftverkehr sowie der Binnenschifffahrt ausgerichtet ist,

Voraussetzung für den Vollzug der Verkehrsprojekte war neben dem Baurecht vor allem die Finanzierung.

Vollzug der Planung

Die jeweils erforderlichen Mittel konnten in großem Umfang vom Bund, aus dem sächsischen Staatshaushalt und in kleinem Rahmen von der EU zur Verfügung gestellt werden. Die Gemeinden erhielten für ihre Projekte erhebliche Bundes- und Landeszuschüsse.

Nach einer 15jährigen Realisierungszeit stellen sich heute folgende e Fragen:

 Haben sich die 1995 herangezogenen Planungsgrundlagen als richtig erwiesen?

 Waren demzufolge die 1995 formulierten Ziele richtig und führten sie zu dem gewünschten Ergebnis?

 Haben die sehr wesentlichen Baumaßnahmen aller Baulastträger in allen Bereichen der Verkehrsinfrastruktur zu einer von Gesellschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit vorgenommenen positiven Bewertung staatlichen und kommunalen Handelns geführt?

 Gibt es Bestätigungen für die Richtigkeit des damals gewählten Weges?

234  Welche grundsätzlichen Fehlentwicklungen sind zu erkennen??

 Gibt es aus den im Verkehrsbereich gemachten Erfahrungen der vergangenen Jahre Erkenntnisse, die zu Empfehlungen für das staatliche Handeln in der Zukunft führen können?

Die Beantwortung der gestellten Fragen bzw. eine Bewertung kann sich an den verschiedenen Verkehrsbereiche bzw. Verkehrsmittel orientieren.

Beispielsweise (auch auf einzelne Projekte bezogen):

 Wie sind die Ergebnisse des Handelns der Straßenbauverwaltung Sachsen (unter Einbeziehung der Auftragsverwaltung für den Bund) einzuschätzen?

 Hat die Deutsche Bahn ihr Netz in Sachsen auf den Standard moderner Bahntechnik gebracht, wie er für einen kundengerechten Eisenbahnfern- und Nahverkehr erforderlich ist?

 Entsprechen die Verkehrsflughäfen in Dresden und Leipzig den Ansprüchen eines modernen Weltluftverkehrs?

 Entsprechen die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden dem Standard eines funktionsgerechten Stadtverkehrs?

 Konnte die Binnenschifffahrt die Transportaufgaben übernehmen, die zur Entlastung von Straßen und Schienenwegen vom Güterfernverkehr beitragen können?

Zusammenfassend:

 Wurden im Blick auf den unerwarteten Rückgang der Bevölkerung an bestimmbaren Stellen Überkapazitäten geschaffen?

 Waren die handelnden Institutionen in der Lage, die an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen?

 Welches Resümee ist aus dem Aufbauprozess und dem Handeln der zuständigen Institutionen zu ziehen?

 Bitte nehmen Sie nur zu den Fragen Stellung, die auf Ihr Interesse stoßen

235 Quellenverzeichnis

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[1] Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (DVWG), Heft B 139 „Regionale Verkehrsentwicklung als Element der Wirtschaftspolitik“, Bergisch-Gladbach 1991.

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[32] BMVBS, „Investitionsrahmenplan (IRP) von 2006 bis 2010 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes, Internet-Veröffentlichung

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[80] Flughafen Frankfurt/M., und Weidle-Plan, in Zusammenarbeit mit Greiner Inc. Orlando „Entwicklungskonzept Flughafen Dresden“, 1991;und „Gutachten zur landesverkehrspolitischen Zielsetzung für die Entwicklung des Flughafens Dresden, 1992 (beide unveröffentlicht)

[81] Flughafen Dresden, „Luftverkehrsprognose für Dresden“, Gutachten von Infos Wirtschaftsberatungsgesellschaft München, 1992

[82] SMWA, „Überschlägige Nutzen-Kosten-Untersuchung für eine Eisenbahnanbindung zum Flughafen Dresden“, Gutachten von Schlegel-Spiekermann Dresden 1996 unveröffentlicht

[83] SMWA, „Variantenvergleich ÖPNV-Anbindung Flughafen Dresden“, Gutachten von Retzko+Topp und Partner 1996 Dresden 1997

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[85] Reinhardt-Lehmann, Annegret, in Internationalen Verkehrswesen . 4/2004

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Weiterführend Literatur

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Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Verkehrsbericht 2000, Berlin 2002

Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, Schlussbericht 2000

Deutsche Bahn AG, „Handbuch für den neuen Nahverkehr“, Frankfurt (M) (ohne Datum)

Deutsches Verkehrsforum, „Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Verkehrsentwicklung“, Bonn 1997

Europäischen Kommission für Energie und Transport, „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010, Weichenstellung für die Zukunft“, Brüssel 2001

Europäische Kommission für Energie und Transport, Brüssel 2002, Trans-European Transport Network

Flughafen Dresden, „Flughafen Dresden, Geschichte und Gegenwart der Dresdner Luftfahrt“, 2000.

242 Flughafen Leipzig/Halle, „Der neue Flughafen Leipzig/Halle“, Ausgaben 1999, 2000 und 2001,

Flughafen Leipzig/Halle, „ 70 Jahre Flughafen Leipzig/Halle“, 1997

Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen, „Straßen- und Verkehrsgeschichte deutscher Städte nach 1945“, Heft 16 des Archivs für die Geschichte des Strassen- und Verkehrswesens. 2001

Frey, Rene „Infrastruktur“ Tübingen 1970

Initiative Luftverkehr für Deutschland, Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur zur Stärkung des Luftverkehrsstandortes Deutschland im internationalen Wettbewerb, Frankfurt 2006

Jansen, Paul Günther „Infrastrukturinvestitionen als Mittel der Regionalpolitik“, 1970

Jochimsen, Reimut „Theorie der Infrastruktur (Grundlagen der marktwirtschaftlichen Entwicklung)“, 1966

Krug, Günther „Auf den Schienen des Erfolgs“ Die Geschichte der DWA 1989 bis 1998, Bombardier Transpotation/Deutsche Waggonbau GmbH, Berlin 1998

Röhl, Klaus-Heiner „Der Aufbau der ostdeutschen Infrastruktur und sein Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen“, TU Dresden 2001

Rothengatter, Werner „Grundlagenpapier zur Verkehrsentwicklung im Zuge der EU- Osterweiterung“, Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden- Württemberg, Stuttgart 2001

Seifert, Klaus-Dieter „Weg und Absturz der Interflug; Geschichte des Unternehmens“, herausgegeben von Nickel, Heinz Zweibrücken, 2008.

Stauch, Günter „ Das große Buch der Lufthansa. Von der ‚Tante Ju‘ bis zum Super-Jumbo“, Verlag: Geramond 2002

Theurich, Wolfgang „150 Jahre Waggonbau in Görlitz 1849 bis 1999“,

Verkehrsbetriebe der Stadt Dresden, „135 Jahre Straßenbahn in Dresden 1872 – 2007“, 2007

Wasserstraßendirektion Ost, Magdeburg „Wasserstraßenkreuz Magdeburg“, 2003

Wink, Rüdiger „Verkehrsinfrastrukturpolitik in der Marktwirtschaft“, Köln 1995

243 Verzeichnis der Bilder

Bild 1 Spezifisches Verkehrsaufkommen (Fahrten und Wege) in den Städten des Städtepegels der DDR 1972 bis 1991

Bild 2 Entwicklung der Bevölkerung und der Motorisierung in Sachsen 1990 bis 2005

Bild 3 Entwicklung der Pkw-Verfügbarkeit in Deutschland _Vergleich alte und neue Bundesländer

Bild 4 Mobilität in ausgewählten deutschen Städten; Ergebnisse der SrV Erhebungen

Bild 5 Wirtschaftsprognosen für die neuen Bundesländer 1991; geschätzte Entwicklung des Bruttoinlandproduktes

Bild 6 Geschätzter Investitionsbedarf in Mrd. €

Bild 7 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Schienenprojekte

Bild 8 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Autobahnprojekte

Bild 9 S-Bahnnetz Region Dresden

Bild 10 S-Bahnnetz in der Region Leipzig/Halle

Bild 11 City-Tunnel Leipzig Lageplan

Bild 12 Betriebsprogramm der S-Bahn Leipzig nach Fertigstellung des Tunnels

Bild 13 Eisenbahnverbindungen innerhalb von Sachsen und Böhmen um 1850

Bild 14 Streckennetz der Erzgebirgsbahnen (DB Regio Netz) Bauzustand im Jahr 2002

Bild 15 Streckennetz der Erzgebirgsbahnen (DB Regio Netz) Bauzustand 2008 nach Abschluss der Sanierungsarbeiten

Bild 16 Nahverkehrstriebwagen der Vogtlandbahn in Marienbad

Bild 17 Netzplan EGRONET (Euroregionales Nahverkehrssystem) zwischen Bayern, Böhmen und Sachsen

Bild 18 Rollende Landstraße Dresden-Lobositz Verladeleistungen 1992 bis 2004

Bild 19 Auslastung der angebotenen Transportkapazität auf allen Zügen der Rollenden Landstraße während der einzelnen Jahre

Bild 20 Netzlängen nach Straßenklassen

Bild 21 Investitionen nach Straßenklassen 1991 bis 2006

Bild 22 Durchschnittlicher täglicher Verkehr auf Straßen Sachsens (DTV) 1995 bis 2005

244 Bild 23 Geplantes Stadtbahnnetz der Leipziger Verkehrsbetriebe

Bild 24 Großraumwagen der Leipziger Verkehrsbetriebe NGT 12 XXL

Bild 25 Verkehrsentwicklung und Investitionen der Leipziger Verkehrsbetriebe, 1991 bis 2005

Bild 26 Verkehrsentwicklung, Investitionen und Länge der Stadtbahnstrecken der Chemnitzer Verkehrsbetriebe 1995-2005

Bild 27 Strecken des Chemnitzer Modells

Bild 28 Niederflurwagen der City-Bahn Chemnitz NGT 6 LDZR

Bild 29 Verkehrsentwicklung und Investitionen der Dresdner Verkehrsbetriebe

Bild 30 Cargo-Tram Streckennetz

Bild 31 Cargo-Tram Fahrzeug

Bild 32 Querschnitt „Drei-Schienen-Gleis Zwickau“

Bild 33 Verkehrsentwicklung und Investitionen der Zwickauer Verkehrsbetriebe 1993 bis 2005

Bild 34 Moderner Obus in Marienbad

Bild 35 Verbundfahrgäste im Verbundraum des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes

Bild 36 Struktur-Entwicklungen des Verbundbereiches Oberelbe 1998 bis 2005

Bild 37 Luftbild des Flughafens Leipzig Halle nach Fertigstellung der neuen Südbahn

Bild 38 Flughafen Leipzig Halle Verkehrsaufkommen (Fluggäste, Starts und Landungen)

Bild 39 Flughafen Leipzig Halle Fracht- und Postaufkommen

Bild 40 Verladung eine neuen S-Bahn Fahrzeuges am Flughafen Leipzig Halle in eine Maschine vom Typ Antonov

Bild 41 Prototyp des Flugzeuges B 152 am Flughafen Dresden

Bild 42 Flughafen Dresden Verkehrsaufkommen und Flugbewegungen

Bild 43 Güterverkehrszentrum Leipzig und Flughafen Leipzig Halle

Bild 44 Zuständigkeitsbereiche der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost

Bild 45 Erforderliche Strombaumaßnahmen auf der Elbe

Bild 46 Investitionsbedarf Bundeswasserstraße Elbe Kostenschätzungen 1992 und 2001

245 Bild 47 Verkehrsprognosen für die Binnenschifffahrt auf der Elbe oberhalb und unterhalb von Magdeburg

Bild 48 Schiffbarkeit der Elbe unterhalb Dresdens 1992 bis 2002

Bild 49 Wirtschaftliche Entwicklung der Häfen an der Oberelbe; jährliche Umschlagsleistungen

Bild 50 Containerverkehr der Sächsischen Binnenhäfen

Bild 51 Wasserstände der Elbe 2005 bis 2007, Pegel Dresden

Bild 52 Prognose des Containerverkehrs im Hinterlandverkehr der Seehäfen per Binnenschiff von und nach Deutschland

Bild 53 Transrapid-Projekt Hamburg- Berlin-Budapest Verkehrsprognose

Bild 54 Elbbrücke Mühlberg (in Bau)

Bild 55 Veranschlagte und investierte Mittel für die Verkehrsinfrastruktur in Sachsen 1991 bis 2005

Bild 56 Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in Sachsen 1991 bis 2007

Bild 57 Investitionen im Straßenbau in Sachsen 1991 bis 2006

Quellenangabe für die Bilder:

Soweit nicht bei jedem Bild die Quelle angegeben ist, entstammen die Graphiken der eigenen Bearbeitung; die Fotos sind Aufnahmen des Autor.

246 Abkürzungsverzeichnis

ABS Ausbaustrecke im Netz der DB

ADV Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsflughäfen Deutschlands

BBR Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

BMV, BMVBW und BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, später … und Stadtentwicklung

BO Strab. Bau- und Betriebsordnung für Straßenbahnen

BSchwAG Bundesschienenwegeausbaugesetz

BVWP Bundesverkehrswegeplan

CVAG Chemnitzer Verkehrsbetriebe AG

DB Deutsche Bundesbahn

DB AG Deutsche Bahn AG

DBGrG Deutsche Bahn Gründungsgesetz

DDR Deutsche Demokratische Republik

DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und –bau Gesellschaft

DHL Dienstleister für alle Express, Kurier und Logistikdienstleistungen der Deutschen Post

DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.

DR Deutsche Reichsbahn

DRS luftfahrttechnische Bezeichnung für den Verkehrsflughafen Dresden International

DST Deutscher Städtetag

DVB Dresdner Verkehrsbetriebe AG

DTV Durchschnittlich täglicher Verkehr

DVWG Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft

EBO Eisenbahnbau- und Betriebsordnung

247 EFRE Europäischer Fond für regionale Entwicklung

EFW Elbe-Flugzeugwerke

EU Europäische Union

FLH Flughafen Leipzig Halle

GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

GST Gesellschaft für Sport und Technik

GVFG Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz

GVZ Güterverkehrszentrum

GVZ-E Güterverkehrszentrum-Entwicklungsgesellschaft

IRP Investitionsrahmenplan bis 2010 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes

ILS Instrumentenlandungssystem

IV Internationales Verkehrswesen, Zeitschrift der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft, Berlin

IMA Institut für Materialprüfung, Dresden

ISW Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle- Leipzig e.V.

KLV Kombinierter Ladungsverkehr

KOM Kraftomnibus

LA Langsamfahrstellen im Bahnnetz

LEJ luftfahrttechnische Bezeichnung für den Verkehrsflughafen Leipzig/Halle

Lkw Lastkraftwagen

LVB Leipziger Verkehrsbetriebe

MDV Mitteldeutsche Verkehrsverbund Halle Leipzig

MFG Mitteldeutsche Flughafengesellschaft Leipzig

NBS Neubaustrecke im Netz der DB

NKU Nutzen-Kosten-Untersuchung

248 NVA Nationale Volksarmee (der DDR)

ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr

PBDE Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit

PbfG Personenbeförderungsgesetz

Pkw Personenkraftwagen

RAB Reichsautobahn

RBD Reichsbahndirektion

RegG Regionalisierungsgesetz

RO-LA Rollende Landstraße

RVD Regionalverkehr Dresden

RVL Regionalverkehr Leipzig

RISS Regie-Infrastruktur-Service Sachsen

S Staatsstraßen innerhalb Sachsens

SBO Sächsische Binnenhäfen Dresden

SBTL S-Bahn Tunnel Leipzig Gesellschaft

SMF Sächsisches Staatsministerium für Finanzen

SMWA Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit

SPFV Schienenpersonenfernverkehr

SPNV Schienenpersonennahverkehr

StBA Statistisches Bundesamt

SVZ Städtische Verkehrsbetriebe Zwickau

VDE Verkehrsprojekt Deutsche Einheit

VDV und VÖV Verband Öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV); nach seiner Vereinigung mit dem „Verband nicht bundeseigener Eisenbahnen“ neu gegründet als Verband Deutscher Verkehrsbetriebe (VDV)

VEB Volkseigener Betrieb der DDR

249 VVO Verkehrsverbund Oberelbe

VW Volkswagen

WIBERA Wirtschaftsberatung AG

WSD Wasser- und Schifffahrtsdirektion

WSO Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost

ZVM Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen Chemnitz

Verzeichnis der Tabellen

Tabelle 1 Anteil Sachsens am teilungsbedingten Infrastrukturdefizit der neuen Länder

Tabelle 2 Beförderungsfälle im Nahverkehr Dresden – Leipzig

Tabelle 3 Finanzierung des City-Tunnels Leipzig (Stand 2002)

Tabelle 4 Entwicklung der Erzgebirgs- und Vogtlandstrecken zwischen 1960 und 2008

Tabelle 5 Streckennetz der Erzgebirgsbahnen (DB Regio Netz)

Tabelle 6 Entwicklung des Verkehrsaufkommens der Vogtlandbahn

Tabelle 7 Investitionen der Leipziger Verkehrsbetriebe

Tabelle 8 Strukturentwicklung in Leipzig 1990 – 2002 – 2015, Vergleich „ist“ und Prognose

Tabelle 9 Verkehrsentwicklung 1989 bis 2006; Beförderungsfälle im Linienverkehr der Leipziger Verkehrsbetriebe ( in Millionen Fahrgästen pro Jahr)

Tabelle 10 Tatsächliche und prognostizierte Entwicklung der Fahrgastzahlen der Linie 16 im untersuchten Abschnitt

Tabelle 11 Zusammenstellung der Investitionskosten für die Stadtbahnstrecken

Tabelle 12 Fahrgastentwicklung auf der Pilotstrecke

Tabelle 13 Entwicklung der Reisezeiten zwischen Stollberg und St. Egidien

Tabelle 14 Investitionen der Dresdner Verkehrsbetriebe zwischen 1990 und 2006

Tabelle 15 Prognose der Flugbewegungen und des Frachtaufkommens am Flughafens Leipzig Halle

Tabelle 16 Zusammenstellung der Güterverkehrszentren in Sachsen (Stand 2007)

Tabelle 17 Investitionsprogramm der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH

250 Tabelle 18 Geschätzte Investitionskosten für das Transrapid-Projekt ( Mio. €)

Tabelle 19 Investitionen des Bundes bzw. der Deutschen Bahn in das Fernstreckennetz Sachsens

Tabelle 20 Investitionen in das Straßennetz des Bundes, des Freistaats und der Kommunen Sachsens

Tabelle 21 Investitionen an den Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden

Tabelle 22 Vergleich zwischen veranschlagten und getätigten Investitionen im Verkehrsbereich Sachsens

Verzeichnis der Anlagen

Anlage 1. 1 Bestand und Anlagevermögen am 31.12.1990 : Eisenbahnen in Deutschland

Anlage 1. 2 Bestand und Anlagevermögen am 31 12.1990: Straßen in Deutschland

Anlage 1. 3 Bestand und Anlagevermögen am 31.12.1990 Wasserstraßen und Binnenhäfen in Deutschland

Anlage 1. 4 Anlagevermögen der Betriebe des Öffentlichen Nahverkehrs am 31.12.1990

Anlage 1. 5 Anlagebestand der ostdeutschen Verkehrsflughäfen am 31.12.1990

Anlage 2 Befragungsborgen (vergl. Anhang 1)

251 Reinhard Wolfgang Heinemann

Dokumentation und Bewertung der Infrastruktur-Investitionen Sachsens im Verkehrsbereich 1991 bis 2006 Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für eine weitere Verkehrs-Infrastruktur-Finanzierung und Förderung DokumentationBewertungund 2006 bis Infrastruktur-Investitionen der Sachsens Verkehrsbereichim 1991

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978-3-89958-932-0 Heinemann Reinhard Wolfgang press