Die Entstehung Der Modernen Synthese Im Deutschen Sprachraum
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ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Stapfia Jahr/Year: 1998 Band/Volume: 0056 Autor(en)/Author(s): Hossfeld Uwe Artikel/Article: Die Entstehung der Moderen Synthese im deutschen Sprachraum 185- 226 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Die Entstehung der Modernen Synthese im deutschen Sprachraum U. HOSSFELD Herrn em. o. Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil. h.c. Dietrich STARCK, Frankfurt am Main, zum 90. Geburtstag (am 29. September) in dankbarer Verehrung gewidmet. Abstract 186 1 Vorbemerkungen 186 1.1 Die Konsensfindung 187 1.2 Probleme der Rezeption 188 2 Etappen auf dem Weg zur Modernen Synthese im deutschen Sprachraum 190 2.1 Genetik versus Paläontologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 190 2.2 Die Sunda-Expedition RENSCH 1927 191 3 Ein verlorenes Jahrzehnt (1929-1938) 194 3.1 Die Tübinger-Tagung 1929 194 3.2 Die Würzburger-Tagung 1938 196 4 Der Wendepunkt 197 5 Die Protagonisten 198 5.1 Bernhard RENSCH (1900-1990) 198 5.2 Gerhard HEBERER (1901-1973) 198 5.3 Walter ZIMMERMANN (1892-1980) 199 5.4 Nikolaj Wladimirowitsch TIMOFEEFF-RESSOVSKY (1900-1981) 200 6 Bedeutende Publikationen 203 6.1 Vererbung erworbener Eigenschaften und Auslese (1938) 203 6.2 Die genetischen Grundlagen der Artbildung (1939) 204 6.3 Die Evolution der Organismen (1943) 205 6.4 Neuere Probleme der Abstammungslehre (1947) 208 6.5 Auswahl an Zeitschriftenartikeln 209 7 Ausblick 210 8 Dank 211 9 Zusammenfassung 212 Stapfia 56, 10 Literatur 213 zugleich Kataloge des OÖ. Landes- museums, Neue Folge Nr. 131 (1998), Anmerkungen 220 185-226 185 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abstract das Beweisen der Evolution und die Erstellung von Stammbäumen gegangen, der Schwer- The Modern Synthesis in the German punkt lag in der phylogenetischen Forschung. Speaking Countries and its Context. In der Zeit danach, etwa bis zur Begründung der Modernen Synthese Mitte der 30er Jahre, From 1935 to 1947 a modern synthe- standen hingegen Kausalfragen der Evolution, sis in evolutionary biology took place in wie z. B. nach der direkten bzw. indirekten Germany which resembled the similar Vererbung, der Rolle von Mutation, Isolation movements in Russia and USA/UK. The und Selektion im Evolutionsprozeß bzw. über historical and scientific context of the den Verlauf der Evolution (graduell oder sal- modern synthesis in Germany are analy- tationistisch) im Vordergrund der kontrovers geführten Diskussionen und Auseinanderset- sed, its architects and major publications zungen zwischen den Forschungstraditionen presented and a summary of the latest (SENGLAUB 1982; MAYR 1984). Die mannigfa- research is given. chen Fragestellungen und verschiedenen Her- angehensweisen bereiteten aber den Evoluti- onsforschern zunächst Probleme. Da der Evo- lutionsgedanke nun in den meisten biologi- schen Teildisziplinen diskutiert wurde und 1 deren einzelne Vertreter sich mit unterschied- Vorbemerkungen lichem Erfolg an diesen Debatten beteiligten, schien eine Synthese des Gedankengutes Obwohl noch acht Jahrzehnte nach der nahezu unmöglich und in weite Ferne 3 Veröffentlichung von DARWINS „Origin of gerückt. Auch die Wiederentdeckung der species" (1859) der Widerstand einzelner Bio- MENDELschen Gesetze im Jahre 1900 durch logen in verschiedenen Ländern gegen die Carl CORRENS (1864-1933), Erich von natürliche Auslese andauerte, hatte der deut- TSCHERMAK SEYSENEGG (1871-1962) und sche Sprachraum bei der Popularisierung und Hugo DE VRIES (1848-1935) brachte bei den Übernahme der Evolutionstheorie von Char- meisten Biologen vorerst keine Änderung der les DARWIN (1809-1882) eine entscheidende Einstellung zur natürlichen Auslese, denn die 1 Rolle gespielt. Es war insbesondere dem Jena- MENDELschen Gesetze waren statischer Natur er Zoologen Ernst HAECKEL (1834-1919) zu und gaben keine Antwort auf die kausalen verdanken, diese Theorie in Deutschland Mechanismen der Evolution (SENGLAUB ziemlich schnell rezipiert, weiterverbreitet 1982: 558; JAHN 1957/58). Die Mehrzahl der und popularisiert zu haben (USCHMANN 1958, Biologen wollte und konnte aus unterschied- 1984; KRAUSSE 1984). Jedes Land und jeder lichen Gründen daher keineswegs die Tatsa- einzelne Zweig der Biologie hatte aber che akzeptieren, daß es sich bei der natürli- während der Übernahme des Darwinismus chen Auslese um die eigentliche Ursache der seine Eigenheiten und Spezifika entwickelt, Anpassung handelte. Infolge dieser Entwick- die sich zum Teil hemmend, zum Teil för- lung kamen im ersten Drittel des 20. Jahrhun- dernd, auf die jeweilige nationale wissen- derts experimentell arbeitende Genetiker und schaftliche Entwicklung der Naturwissen- Naturbeobachter (Systematiker, Paläontolo- schaften auswirkten, so auch im deutschen gen) bei der Beurteilung von evolutionsbiolo- 2 Sprachraum. gischen Prozessen zu sehr verschiedenen und Mit dem Tod DARWINS im Jahre 1882 war kontroversen Auffassungen. Diese sich unver- es zu einer Spaliung unter den Evoluiionisten söhnlich gegenüberstehenden Farschungsua- gekommen; seitdem hatten die Anhänger des ditionen unterschieden sich in ihrer Sprache, Evolutionsgedankens vielfältige Auseinander- wissenschaftlichen Interpretation und Metho- setzungen, die bis ins nächste Jahrhundert dologie derart stark, daß es aussah, ab sei ein hinüberreichen sollten, zu bestehen gehabt. Kompromiß in weite Ferne gerückt: „Die Von 1859 bis zur Jahrhundertwende war es Unfähigkeit, die Argumente der Gegner zu den Evolutionsforschern in erster Linie um verstehen, wurde noch durch die Tatsache 186 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at verschärft, daß experimentell arbeitende Bio- wickeln, die möglichst umfassend die Phä- logen und Naturalisten es im großen und nomene der Evolution, sowohl die Transfor- ganzen mit verschiedenen Ebenen in der Hier- mation von Arten als auch ihre Aufspaltung, archie der Naturerscheinungen zu tun hatten. sowie die Mikro- als auch die Makroevolution, Die Genetiker befaßten sich mit Genen, die in einer Weise zu erklären versucht, die konsi- 6 Naturforscher dagegen mit Populationen, stent mit den Ergebnissen der Genetik ist. Arten und höheren Taxa" (MAYR 1984: 435). Die internationale „scientific community" der Darwinisten stand somit um 1930 vor der 1.1 Lösung zweier zentraler Probleme: Zum einen Die Konsensfindung mußte ein Konsens zwischen den Forschungs- Der erzielte Kompromiß zwischen den traditionen gefunden und die Mißverständnis- stark divergierenden Forschungsrichtungen se in den eigenen Fachdisziplinen überwun- Mitte der 30er Jahre verlangte von den Natur- den, zum anderen der Kampf gegen die noch beobachtern, daß diese ihre lamarekistischen immer bestehenden antidarwinistischen Evo- und saltationistischen Vorstellungen über den lutionstheorien (Orthogenese, Saltationis- Ablauf der Evolution und die experimentell mus, Lamarekismus, Idealistische Morpholo- arbeitenden Biologen das typologische Den- gie) fortgeführt werden. ken beiseite ließen. Der zukünftige wissen- Zwischen 1937 und 1950 gelang dann eine schaftliche Zugang richtete sich von nun an Synthese im Evolutionsdenken zwischen verstärkt auf die Vielgestaltigkeit des Evolu- Genetikern, Systematikern und Paläontolo- tionsprozesses und die Herausarbeitung der 4 gen. Eine Mehrheit von Wissenschaftlern aus Bedeutung der natürlichen Auslese; der Gene- den unterschiedlichsten Bereichen der Biolo- tik kam innerhalb dieses Prozesses eine gie hatte zu diesem Zeitpunkt erkannt, daß die Schlüsselrolle zu. Somit verwundert nicht, Annahme von einer allmählich fortschreiten- wenn ein Genetiker als erster diesen konkre- den Evolution richtig war, die zusätzlich mit ten Schritt der Umsetzung vollzog und eine den Wirkfaktoren der Evolution (Rekombina- Synthese des Gedankengutes zwischen den tion, Variation, Isolation und natürlichen einzelnen biologischen Disziplinen propagier- Auslese) bestätigt werden konnte. Zudem te. Dieser Wissenschaftler war Theodosius wurde in Ergänzung zu den damals bekannten DOBZHANSKY (1900-1975), der 1937 bei genetischen Mechanismen und dem bisher Columbia University Press sein Buch „Gene- vorgelegten Beweismaterial der Naturbeob- tics and the origin of species" veröffentlicht achter mit der Einführung des Populations- hatte. Bereits zwei Jahre später lag dieses Buch konzeptes ein Weg aufgezeigt, die organismi- in einer deutschen Übersetzung (Witta LER- sche Vielgestaltigkeit und den Ursprung höhe- CHE, Berlin) mit dem Titel „Die genetischen rer Taxa durch „Betrachten der Arten als fort- Grundlagen der Artbildung" (1939) vor: „... pflanzungsmäßig isolierte Gruppen von Popu- DOBZHANSKYvs book signalizes very clearly lationen und durch die Analyse der Wirkung something which can only be called the Back ökologischer Faktoren" (MAYR 1984: 455) zu - to - Nature Movement. The methods learned erklären. Der englische Zoologe Julian in the laboratory are good enough now to be HUXLEY (1887-1975) war es 1942, der diesen put to the test in the open and applied in that Konsens schließlich als „Moderne [Evolu- ultimate laboratory of biology, free nature its- tionäre] Synthese" in seinem Buch „Evoluti- elf. Throughout this book we are reminded 5 on. The modern synthesis" bezeichnete. Da that the problems of evolution are given not dieser Begriff von den Fachwissenschaftlern by academic discussion and speculation, but und in der biologischen Literatur sehr unter- by the existence of the great variety of living schiedlich gebraucht wird, sei