EDITORIAL Unprogrammed Spaces

In der vergangenen BuB-Ausgabe sagte die Journalistin Kathrin Passig: »Es sollte gar keine zentrale Bibliothek mehr gebaut wer- den.« Doch werden Metropolbibliotheken nicht doch benötigt? Sie werden benötigt, nicht nur als Magnet oder Frequenzbringer, son- dern federführend für die bibliothekarischen Organisationsabläufe. Durch ein gesamtstädtisches Bibliothekskonzept und Kooperatio- nen, nicht nur mit den Stadtteilbibliotheken, sondern zahlreichen Bildungs- und Kultureinrichtungen, bilden sie ein Bildungs- und Kulturzentrum. Die Stadtteilbibliotheken sind dagegen die bürger- nahen Pole. Die zentrale Bibliothek hat unter anderem die Funktion, Verwaltungseinrichtung zu sein, ein Fundament für die historischen Sammlungen zu bieten und den Auftrag, zukunftsorientierte Inno- vationen für das Gesamtsystem zu entwickeln. Konzeptionell sollte hierbei auf die interkulturellen Struktu- ren und Milieus flexibel und mit altersgerechten Bildungs- und Kulturangeboten reagiert werden. Darüber hinaus sollte das Bib- liothekskonzept auch Anforderungsprofile zum demografischen Wandel und Integrationsprogramme entsprechend der Flüchtlings- entwicklung beinhalten. Best-Practice-Beispiele bieten hier die Ur- ban Mediaspaces, wie zum Beispiel in Stuttgart die Bibliothek 21 oder das Dokk1 im dänischen Aarhus beziehungsweise die Open- bare in Amsterdam. Eines haben solche neu konzipierten Zentralen gemein: Sie erzeugen eine Aufwertung, nicht nur ihrer näheren Um- gebung oder des Bezirks, sondern für die gesamte Stadt. Die Qualität einer Bibliothek zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht nur bestimmte Interessengruppen oder bestimmte Stadtbe- zirke bedient, sondern in ihrer Angebotsvielfalt für alle Altersgrup- pen und Bildungsschichten etwas zu bieten hat, getreu dem Motto »Zuerst der Mensch, dann die Medien«. Doch dies erfordert ein gu- tes und fortwährend weiterqualifiziertes Personal, das für gesell- schaftliche und technische Entwicklungen offen sowie lernwillig ist und für die Integration von Kreuzqualifikationen zugänglich, um diese in das Bibliotheksteam zu integrieren. All dies böte Zukunft für eine Metropolenbibliothek und deren Stadt. Darüber hinaus sollte eine solche Bibliothek Service bieten, welchen das Internet nicht bieten kann, wie zum Beispiel räumliche Atmosphäre, per- sönliche Kontakte, haptische Angebote bis hin zu »Unprogrammed Spaces«. Diese und viele weitere neue Aspekte und Trends bei der Architektur und Gestaltung von Bibliotheken zeigt der Schwerpunkt der aktuellen BuB-Ausgabe ab Seite 466.

Dr. Dirk Wissen, BuB-Herausgeber

BuB 68 08-09/2016 449 Forum Bibliothek und Information BuB 08-09 / 2016

FOYER LESESAAL

BIBLIOTHEKARTAG SCHWERPUNKT: RÄUME DER ZUKUNFT 453 Call for Papers 466 Nach dem Funktionalismus Neue Wege in der Planung und AUSBILDUNG Gestaltung von Bibliotheken (Olaf Eigenbrodt) 454 Ausbildungszahlen bleiben stabil SCHWERPUNKT Jahrestagung der Zuständigen Stellen für den FaMI-Beruf in 472 Het Eemhuis: Ein Bibliothekskon- Potsdam (Karin Holste-Flinspach) RÄUME DER zept für die nächste Generation Entwicklung der Schriftkultur ZUKUNFT – informierte Bürger – sozialer TAGUNG Zusammenhalt (Erno de Groot) Sowohl Öffentliche als auch 456 »Grenzenlose Bibliothek – gren- Wissenschaftliche Bibliothe- zenlose KinderbibliothekarIn« ken sind dabei, sich räumlich, Rückblick auf das 3. Forum technisch und funktional funda- Bibliothekspädagogik / Die Sicht einer Studentin (Sophia Becker) mental zu verändern. Dies hat sichtbare und entscheidende Auswirkungen auf die Art, wie ÖFFENTLICHE BIBLIOTHEK Bibliotheken gebaut werden. 458 »handverlesen« Der BuB-Schwerpunkt ab Seite Stadtbibliothek Osnabrück bezieht mit neuem Buchempfehlungs- 466 zeigt aktuelle Konzepte, 478 Ein Ort für Kreativität, system die Leser ein Trends und aufsehenerregende Mitgestaltung, Inspiration (Michael Meyer-Spinner) Projekte aus der Praxis. Würzburg plant mithilfe der Methode »Desgin Thinking« eine Zum Beispiel aus dem nieder- neue Stadtteilbibliothek ländischen Amersfoort: Dort (Julia Bergmann, Anja Flicker) wird die Bibliothek zum Zent- rum für informelle Bildung und 482 Neue Wege der Bürgerbeteiligung persönliche Entwicklung, deren in Bibliotheken Aktivitäten den sozialen Aspekt Erarbeitung der Stakeholder- Bedürfnisse mit der Methode der Gemeinschaft in den Mittel- LEGO Serious Play / Ein Praxis- punkt stellen (Seite 472). Eine projekt in der Stadtbibliothek 459 NACHRICHTEN immer wichtigere Rolle spielt Tübingen (Tobias Seidl, Cornelia allerorts die ökologische Aus- 460 Fotoausstellung zum 20-jährigen Vonhof) Bestehen / MIZ Biberach richtung. Strategien zur neuen 462 Integration, Inklusion, Partizipa- Nachhaltigkeit von Bibliotheken 488 Beyond »Greenwashing« tion – Miteinander voneinander finden Sie ab Seite 488. Strategien der neuen Nach- lernen / Zweite Fachkonferenz haltigkeit für Bibliotheksbauten Kinder- und Jugendbibliotheken Foto: Marco_Heyda (Nils Beese)

464 MARKT Foto Titelseite: scagliolabrakkee ©neute- 494 Zutritt für Erwachsene verboten! lings riedijk architects Biblo Tøyen – die Bibliothek für Fotos Inhaltsverzeichnis: Michael 10- bis 15-Jährige in Oslo Meyer-Spinner, scagliolabrakkee ©neute- (Beate Detlefs) lings riedijk architects, Petra Hauke

450 AUS DEM BERUFSVERBAND 500 »Reise durch das Bermudadreieck« KINDER- UND Planung und Realisierung der JUGENDBIBLIOTHEK 532 Aus den Landesgruppen Bibliothek Design Medien Infor- 520 Bildung bewegt mation (DMI) im Erweiterungsbau 533 VorgeMERKT Die Kinderuni Brilon vermittelt auf des Kunst und Mediencampus ungewöhnliche Weise Wissen in der Hochschule für Angewandte Theorie und Praxis / Kooperation Wissenschaften Hamburg mit heimischer Wirtschaft (Holger Wendt) (Ute Hachmann) 449 EDITORIAL 504 Der Organismus des Bibliotheks- BAU 457 IMPRESSUM wesens – geheimnisvoll, rätsel- haft und labyrinthisch 524 Die Feuerwache und die Biblio- 534 SUMMARY / RESUME Auf einen Espresso mit dem thek – eine dauerhafte Beziehung 536 KONTAKT / INSERENTEN- österreichischen Baukünstler und »Alte Feuerwache« Treptow- VERZEICHNIS Hochschullehrer Manfred Ortner Köpenick: ein neuer Bibliotheksbau zur »Atmosphäre von Bibliothe- in Berlin (Jürgen Radzkowski) ken« (Dirk Wissen)

507 »un-commercial space« – »un-programmed space« – AB IN DIE APP! »un-precedented axis« MAGAZIN Auf einen weiteren Espresso mit dem australischen Architekten Peter Wilson zur »Atmosphäre von FACHLITERATUR Bibliotheken« (Dirk Wissen) 528 Bibliotheksbau 496 Rundgang durch Biblo Tøyen Geschichte und Trends, Entwurf, Ein Video bietet Einblicke in Oslos Technik und Innenraum spektakuläre Jugendbibliothek PRAXIS (Jonas Fansa) 519 Hongkong, Guangzhou, Peking 510 Kulturinstitutionen im ländlichen Eine Karte und viele Fotos Raum – Förderungsoptionen dokumentieren die ökologischen Viele Förderprogramme vorhan- 530 Aktueller Einblick in Archive Anstrengungen chinesischer den, aber nicht alle greifen für Laien Bibliotheken (Julia Borries) Handbuch komplettiert die Reihe zu Gedächtnisinstitutionen 527 Fotogalerie zeigt Stilwechsel (Konrad Umlauf) Das Zusammenspiel von Alt und AUSLAND Neu in der »Alten Feuerwache« Treptow-Köpenick 516 China auf dem grünen Weg?! Eindrücke einer Vortragsreise nach Hongkong, Peking und Guangzhou (Petra Hauke)

BuB 68 08-09/2016 451 ANZEIGE

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452

BuB-Heft 2-2016.indd 1 18.01.2016 09:56:40 FOYER BIBLIOTHEKARTAG Call for Papers

Vom 30. Mai bis zum 2. Juni 2017 findet Alternative Raumkonzepte, Aufent- Forschungsdaten, Hochschulverlage, in am Main der 106. Deutsche haltsort Bibliothek, Auskunft im Wandel, Open Access, Open Educational Resources Bibliothekartag statt. Veranstalter sind Bestandspräsentation, Bibliothekspäda- der Verein Deutscher Bibliothekare gogik und Informationskompetenz, Blen- • Themenkreis 6: Medien | Fokus (VDB) und der Berufsverband Informa- ded Library, Flächenplanung für kollabo- Erschließung & Bewahrung tion Bibliothek (BIB). Das Motto der rative und räumlich verteilte Szenarien, Digitale Editionen, Erschließungs- größten und zentralen Fortbildungs- Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit, standards, Geschäftsgänge für die veranstaltung für das deutsche und Kundenforen, Kundensegmentierung, hybride Bibliothek, historische Bestände, europäische Bibliothekswesen lautet Lernzentren, Lesegewohnheiten, Me- Langzeitarchivierung, Linked Open Data, 2017 »Medien – Menschen – Märkte«. dienerziehung, neue Informationsdienst- Netzwerke der Bestandserhaltung, Prove- leistungen von Spezialbibliotheken und nienzforschung, Retro-Digitalisierung, Auch 2017 werden wieder eine Poster-Ses- für spezifische Kundengruppen, Nicht- Sammlungen, semantische Technologien sion sowie die »Invited Sessions« stattfin- kundenbefragungen, Nutzungsstruktu- den – Veranstaltungen, zu denen die aus- ren, Öffnungszeiten, Schulbibliotheken, • Themenkreis 7: Märkte | Fokus Ma- richtenden Verbände gezielt einladen. Die Sprach- und Leseförderung, Stadtentwick- nagement, Marketing, Innovationen 2016 auf dem BID-Kongress in Leipzig lung, Teaching Library, Umfeldanalysen, Bibliothekscontrolling, Bibliotheks- erstmals durchgeführte Präsentation von zielgruppenorientierte Bibliotheksarbeit konzepte, Bibliotheksmanagement, Clips soll auch in Frankfurt Teil des Bib- Bibliotheksstatistik, In- und Outsour- liothekartags sein. Neu werden die soge- • Themenkreis 3: Menschen & Medien | cing, Innovationsmanagement, Koope- nannten »Hands-On Labs« sein. Sie sollen Fokus Teams, Talente, Leadership rationen, Organisationsformen, Pro- in Form von Open Space Learning direkte Arbeitszeitmodelle, Ausbildung und gramm- und Veranstaltungsarbeit, Qua- Praxiserfahrungen ermöglichen. Studium, Berufsbild, Berufseinstieg, litätsmanagement, Trendforschung, Mit zehn Themenkreisen fokussiert Ehrenamt, Fortbildung, organisationa- Veränderungsprozesse, Verbünde der Bibliothekartag auf unterschiedli- les Lernen, Organisationspsychologie, che Zielgruppen und Interessengebiete Personalentwicklung, Tarifsituation, • Themenkreis 8: Invited Sessions – rund um Medien, Menschen, Märkte. Weiterbildung, Wissensmanagement • Themenkreis 9: Hands-On Labs Die Veranstalter rufen dazu auf, Vor- Special Topic: Neue Gesichter – Fri- • Themenkreis 10: Podium der schläge für Vorträge, Podiumsdiskussio- sche Ideen: Forum für Bibliothekar- Verbände nen, Workshops und Hands-On Labs zu tags-Einsteigerinnen und -Einsteiger folgenden Themenkreisen einzureichen: und alle, die kreative Unterstützung und Die Programmkommission lädt alle Kol- frische Ideen bieten leginnen und Kollegen, Fachleute aus • Themenkreis 1: Medien – Menschen Wissenschaftlichen und Öffentlichen – Märkte | Fokus Politik & Gesellschaft • Themenkreis 4: Medien & Märkte 1 | Bibliotheken und Informationseinrich- Bibliotheks- und Informationsethik, Fokus Dienstleistungen & Produkte tungen sowie Vertreterinnen und Ver- Bibliotheks- und Urheberrecht, Bib- Cloud-Umgebungen, E-Books, Elec- treter von einschlägigen Verbänden und liothekspolitik, Bildungslandschaften, tronic Resource Management, Erwer- Firmen ein, Vorträge zu diesen Themen- Citizen Science, demografischer Wan- bung, Discovery, Fachinformations- kreisen einzureichen. Anmeldeschluss del, digitale Teilhabe, Diversity, inter- dienste, Gamification, Geräteabhän- für die Vorträge, Podiumsdiskussionen, kommunale Zusammenarbeit, interkul- gigkeit, Geschäfts- und Lizenzmodelle, Workshops und Hands-On Labs ist der turelle Bibliotheksarbeit, internationale Hosting, infrastrukturelle Dienstleis- 18. November 2016. Wissenschafts- und Förderpolitik, Inter- tungen, Marktsituation, nationale Infra- nationalisierung, Kompetenzzentren, strukturen, PDA, RFID kulturelle Bildung, Lobbying, Recht, Wissenschaftsnetzwerke • Themenkreis 5: Medien & Märkte 2 | Den vollständigen Call Fokus Lehre & Forschung for Papers gibt es in der • Themenkreis 2: Menschen & Märkte | Campusmanagementsysteme, Di- BuB-App und online unter: Fokus Bürgerschaft, Kundschaft, gitalisierung der Lehre, E-Learning, http://b-u-b.de/cfp-bibliothekartag Partnerschaft elektronisches Publizieren, E-Science,

BuB 68 08-09/2016 453 FOYER AUSBILDUNG Ausbildungszahlen bleiben stabil  Jahrestagung der Zuständigen Stellen für den FaMI-Beruf in Potsdam

Bei der 18. Tagung der Zuständi- die praxisorientierte Ausbildung in 30 Begleitende Fachdienste bieten Un- gen Stellen für die Fachangestellten- Berufen. Seit 2002 werden hier Fach- terstützung bei der Arbeitsplatzsuche an. ausbildung im Öffentlichen Dienst kräfte für Medien- und Informations- Spätere Einsatzschwerpunkte der Fach- im April 2016 waren die Bundes- dienste basierend auf Paragraf 66 des kräfte sind hauptsächlich Magazin-, Re- länder Hamburg, Rheinland-Pfalz, Berufsbildungsgesetzes in der Fachrich- gistratur - oder Verwaltungstätigkeiten. Niedersachsen, Schleswig-Holstein, tung Archiv ausgebildet. Dieser thematische Einstieg der Mecklenburg-Vorpommern, Nord- Nach (mindestens) einem erfolgrei- Tagung wurde durch ein Kurzreferat des rhein-Westfalen, Berlin, Hessen und chen Hausschulabschluss absolvieren Integrationsfachdienstes im Land Bran- Brandenburg sowie die Bundesver- die Nachwuchskräfte ihre dreijährige denburg / Standort Potsdam ergänzt. waltung und Bayern für den Bereich Ausbildungszeit überwiegend im haus- Als Ansprechpartner sowohl für Men- Archive vertreten. Tagungsort war eigenen Lehrarchiv und der Sonderpäd- schen mit Behinderungen als auch (po- wie im Vorjahr Potsdam, damit lag agogischen Berufsschule, ergänzt durch tenzielle) Ausbildungsplatzanbieter und auch die Vorortplanung folgerichtig einen Einsatz in der Bibliothek im Ober- Arbeitgeber werden hier Hilfestellungen wieder beim Land Brandenburg, in linhaus sowie durch ein dreimonatiges bei der Umsetzung im Betrieb, Prüfung Person von Susanne Taege. Die Vor- externes Archivpraktikum. Zwischen- von Förderleistungen und beim Umgang feldorganisation erfolgte zusammen und Abschlussprüfung werden vor der mit Ämtern und Behörden angeboten.1 mit Astrid Schulz (Bezirksregierung IHK Potsdam abgelegt. Köln) und Oliver Voigt (Zentrum für Derzeit befinden sich im ersten Aus- Aus- und Fortbildung Hamburg). bildungsjahr 14, im zweiten Jahr 9 und Ausbildung nebenher 2017 wird die Jahrestagung erstma- im dritten Jahr 15 Auszubildende. Da- lig in Schleswig-Holstein stattfinden. bei ist auch die direkte Ablegung der Das Tagungsprogramm wartete zudem Fachangestelltenprüfung bei entspre- mit interessanten Zahlenwerten zum Wie im vergangenen Jahr eingeführt, chender Eignung möglich, ferner kann Thema »Ausbildung nebenher?« auf. begann auch die diesjährige Konferenz die Fachkraftqualifizierung bei einer Daniela Töllner, im Hauptberuf Aus- bereits am Nachmittag des Anreisetages Anschlussausbildung zum FaMI mit ei- bildungsbeauftragte in Niedersachsen, mit einem Sachthema. Eberhard Pom- nem Jahr angerechnet werden. stellte die Ergebnisse ihrer im Rahmen plitz und Ines Stegemann vom Berufsbil- dungswerk Oberlinhaus stellten die Aus- bildung zur Fachkraft für Medien- und Informationsdienste (FaMI) vor. Das Oberlinhaus, dessen ursprüngliche Ge- schichte bis ins Jahr 1871 zurückreicht, beherbergt heute Kliniken, Werkstätten, Wohngruppen, das Berufsbildungswerk sowie die Sonderpädagogische Berufs- schule »Theodor Hoppe«. Das Berufsbildungswerk bemüht sich um die Rehabilitation und beruf- liche Qualifizierung von Menschen mit speziellem Unterstützungsbedarf auf- grund körperlicher oder psychischer Beeinträchtigungen und bietet neben Möglichkeiten der Arbeitserprobun- gen und berufsvorbereitenden Maß- nahmen breit aufgestellt 480 Plätze für Abbildung 1. Im Jahr 2015 neu begonnene FaMI-Ausbildungen im Öffentlichen Dienst

454 FOYER AUSBILDUNG

des berufsbegleitenden Studiums an der Hochschule Hannover entstandenen Bachelorarbeit2 vor. Mittels einer Online-Umfrage bei 120 (Bibliotheks-)Ausbildern in Nieder- sachsen sollte der tatsächliche Zeitauf- wand für die praktische Ausbildungs- tätigkeit ermittelt werden. Demnach wurden für den Verlauf der gesamten FaMI-Ausbildung3, beginnend mit dem Auswahlverfahren über die Erstellung eines individuellen Ausbildungsplans, betriebsinterner Unterweisungen, Kon- trolle der Ausbildungsnachweise bis zum Ausbildungsende 389,5 Stunden für die Ausbildung aufgewendet, in der Woche sind das circa 13 Stunden. Allein für das Abbildung 2. Prozentuale Verteilung der 2015 neu geschlossenen Ausbildungsverträge auf Auswahlverfahren wurden im Durch- die einzelnen Fachrichtungen schnitt 18,85 Stunden, für die Ausbil- dungsplanung 26,1 Stunden benötigt. fehlen, die Möglichkeiten von Praktika Scheinbar rückläufig ist der Bedarf aber aufgrund der auch hier inzwischen an Nachqualifizierungen. Aktuelle Ange- Ein weiteres wichtiges Thema geltenden Mindestlohnregelung einge- bote gibt es derzeit nur in Brandenburg war die Anerkennung auslän- schränkt sind. (Archiv) und Berlin (Bibliothek). discher Bildungsabschlüsse, Ebenfalls um Anerkennung bezie- Von den insgesamt knapp 640 Aus- auch in Bezug auf Flüchtlinge. hungsweise die Anrechnung von Prak- bildungsbeginnern im vergangenen Jahr tika oder eines Anfangssemesters ging fand fast jeder dritte einen Ausbildungs- es danach in Bezug auf die FaMI-Aus- platz entweder in Baden-Württemberg In deutlichem Gegensatz dazu steht, bildung für ein Bachelorstudium Biblio- oder Nordrhein-Westfalen, die gerings- dass die Ausbildungstätigkeit der thekswesen. Hier wurde eine Sammlung ten Ausbildungszahlen weisen die Nord- Befragten mit eindeutig zu niedrigen der Regelungen der einzelnen Hoch- lichter Mecklenburg-Vorpommern und Zeitkontingenten angesetzt war – sofern schulen angeregt. Schleswig-Holstein auf. sie überhaupt in der Stellenbeschrei- Zudem befasste sich die Tagung Abzuwarten bleiben die Auswirkun- bung enthalten war. mit Prüfungsentschädigungen, der gen der Tendenz der Bundesverwaltun- Ein weiteres wichtiges Thema Abprüfung von RDA in Zwischen- und gen, nur noch nach Bedarf auszubilden. war die Anerkennung ausländischer Abschlussprüfungen, der Aufführung Bei der Verteilung auf die ein- Bildungsabschlüsse4, auch in Bezug auf des erreichten EQR-Niveaus in den Ab- zelnen Fachrichtungen dominieren Flüchtlinge. Zusätzliche Schwierigkei- schlusszeugnissen, den Fristen der Auf- Bibliotheken mit 83 Prozent den Be- ten treten hier oftmals auf, wenn wie bewahrung von Prüfungsakten und Nie- ruf (siehe Abbildung 2), sogar noch mit bei Studienabschlüssen Praxisanteile derschriften sowie der der Möglichkeit einer wenn auch sehr geringen Steige- digitaler Ausbildungsnachweise. rungsrate zu 2014 – gleiches gilt folge- richtig für die bundesweit anerkannten 1 Vgl. dazu auch Kirsten Vollmer und Clau- Ausbildungsstätten. dia Frohnenberg: Nachteilsausgleich für Und die aktuelle Entwicklung? Bemerkenswert bei der Fachrich- behinderte Auszubildende: Handbuch tungsverteilung ist zudem, dass der frü- für die Ausbildungs- und Prüfungspraxis, Die bundesweiten Ausbildungszah- her zu verzeichnende ungefähre prozen- Bonn: BiBB 2014 – Inklusion Unterneh- men: Ausbildung und Beschäftigung von len haben sich unter Herausrechnung tuale Gleichstand zwischen Information Menschen mit Behinderung. Berlin: BDA von aktuellen Verschiebungen bei der und Dokumentation sowie Archiven 2014 Zuständigkeit zwischen Industrie- und sich zunehmend zugunsten letzterer 2 Daniela Töllner: Zeitaufwand der prak- Handelskammern und Öffentlichem verschiebt. Medizinische Dokumenta- tischen FaMI-Ausbildung in Nieder- Dienst bundesweit im Verhältnis zum tion und Bildagenturen hingegen sind sachsen. Bachelorarbeit Hochschule Vorjahr so gut wie nicht verändert (siehe als Fachrichtungen kaum noch existent, Hannover, Januar 2016 Abbildung 1), leichte Rückgänge einiger zumindest im Öffentlichen Dienst, und 3 Ausgehend von 30 Wochen jährlicher Anwesenheit im Betrieb Bundesländer (Mecklenburg-Vorpom- auch in der hier nicht erfassten freien mern, Nordrhein-Westfalen) werden Wirtschaft sind die Zahlen ausgespro- 4 Die beiden wichtigsten Datenbanken dazu sind www.bq-portal.de sowie durch Steigerungen in Bayern und Ba- chen gering. anabin.kmk.org. den-Württemberg aufgehoben . Karin Holste-Flinspach

BuB 68 08-09/2016 455 FOYER TAGUNG

Thema Bildungspartnerschaft: Eine gemeinsame Podiumsdiskussion ergänzte das Forum Bibliothekspädagogik in Stuttgart. Foto: Meike Jung

»Grenzenlose Bibliothek – grenzenlose KinderbibliothekarIn?«

Rückblick auf das 3. Forum Bibliothekspädagogik / Die Sicht einer Studentin

Anfang Juli hat das 3. Forum Biblio- Tischgruppen besprechen die von den Wodurch zeichnet sich der Beruf aus thekspädagogik in Stuttgart statt- Referenten formulierten provokanten und wie grenzt er sich von anderen Be- gefunden. Die 18 Kleinveranstal- Thesen zur Kinderbibliotheksarbeit, rufen ab? Oder ist eben diese Grenzen- tungen, genannt »Tracks«, luden die so wie beispielsweise »Weniger Bla Bla losigkeit eine Chance, den Beruf im be- zahlreichen Teilnehmer ein, sich mit für mehr AHA«, mit der die Studentin ständigen Wandel neu zu definieren? Themen wie Gaming, digitalem Nadine Kneer für eine wortfreiere Kom- Der erste Track »update. jung. er- Storytelling und weiteren konzepti- munikation mit Flüchtlingskindern plä- wachsen.« nutzt das Zeitalter der di- onellen Ausarbeitungen der Kinder- diert. Eine weitere These stammt von gitalen Alltagsmedien und startet mit bibliotheksarbeit auseinanderzuset- Melanie Padilla, einer Fragerunde zen. Ein Thema zog sich wie ein roter Leiterin des Teams Wie jugendlich ist die Schar – via App. »Was be- Faden durch die von mir besuchten Kinder in der Stadt- der KinderbibliothekarInnen deutet der Aus- Tracks: Ist der Bibliothekar noch Bib- bibliothek Stuttgart, tatsächlich und wer kennt druck YOLO?«. Wie liothekar? Wie wichtig ist die »biblio- die mit der »völlig sich gut genug aus, um jugendlich ist die thekarische Kernarbeit« im Kinder- virtuellen« Kinder- Schar der Kinder- Jugendliche zu verstehen und Jugendbereich in Zeiten der voll- bibliothek provo- bibliothekarInnen beschäftigten Alleinerziehenden, der ziert. Moment. Völ- und abzuholen? tatsächlich und wer digital Natives und der bestehenden lig virtuell? Aber kennt sich gut ge- Flüchtlingssituation? was ist mit den von Bibliothekaren ge- nug aus, um Jugendliche zu verstehen liebten Bilderbüchern, Astrid Lindgren, und abzuholen? Aber noch wichtiger: Nach der Begrüßung der Teilnehmer Michael Ende, »Greg’s Tagebuch« und Wie holen wir sie in einem Beruf ab, beginnt bereits das World Café. Die DVDs in Schutzhüllen? Was ist die Kin- in dem der »Pscht«-Laut in der Öffent- sich im Zehn-Minuten-Takt ändernden derbibliothekarIn ohne ihren Bestand? lichkeit als Wiedererkennungsmerkmal

456 FOYER TAGUNG

gilt? Ganz einfach. Indem wir keine vermittelten Kompetenzen kommen Forum Bibliothek ausgebildeten, fehlerfreien Lehrer mi- tatsächlich zum Einsatz? Die abendli- BuB und Information men, sondern Fragen stellen. So lautet che Podiumsdiskussion mit dem zen- jedenfalls das Statement von Raphaela tralen Thema Bildungspartnerschaft Müller, Leiterin des Programmange- verdeutlicht, dass es alle sind, von der Fachzeitschrift des BIB Berufsverband Information Bibliothek e.V. bots »update. jung. erwachsen.« in der Informations- zur Kommunikationskom- 68. Jahrgang, Nr. 8-9, August-September 2016 Münchner Stadtbibliothek. petenz, von der Medien- bis zur sozialen ISSN 1869-1137 Fragen sollen wir nach der Nutzung Kompetenz finden alle einen Platz im bi- von Tablet-PCs, dem Leistungsumfang bliothekarischen Alltag. Herausgeber (institutionell) / Eigenverlag von Smartphones und dem Social Media Berufsverband Information Bibliothek (BIB) Gartenstraße 18 · 72764 Reutlingen Lifestyle. Hierzu sollen keine erwachse- Solange eine Kinderbiblio- nen Referenten die Gefahren von Face- thekarIn für ihren Beruf und Herausgeber (fachlich) book und den systematischen Aufbau ihre Zielgruppe brennt, ist sie Olaf Eigenbrodt, Hamburg Dr. Carola Schelle-Wolff, Hannover einer Youtube-Karriere erläutern, son- grenzenlos! dern Youtuber selbst. Der Austausch soll Dr. Dirk Wissen, Berlin innerhalb der Zielgruppe stattfinden, Redaktionsbeirat nicht an ihr vorbei. Aber was kann der Eine weitere Frage bezieht sich auf die Dale S. Askey, Mc Master Univ. Library, Hamil- Bibliothekar von heute, der vielleicht im bibliothekarischen Alltag am schwie- ton, Ontario · Dr. Jan-Pieter Barbian, Stadtbiblio- thek Duisburg · Dr. Jürgen Lodemann, Schriftstel- nicht mehr 35 ist, dazu beitragen? Eine rigsten zu erreichende Zielgruppe, die ler, Freiburg im Breisgau und Essen · Dr. Gerhard Menge, so lange er das bereits erwähnte Jugendlichen. Wie kann man es schaf- W. Matter, Kantonsbibliothek Baselland, Liestal · »Pscht« und das lehrerhafte Verhalten fen, sie nach einer bibliotheksnahen Walburgis Fehners, Bibliothek der FH Oldenburg/ Ostfriesland/Wilhelmshaven · Barbara Schleiha- ablegt, um mit den Jugendlichen auf Au- Kindheit zu halten? Auch hier lautet die gen, Deutscher Bibliotheksverband, Berlin · Prof. genhöhe zu agieren, so wie es Betreuer Antwort: indem man sie da abholt, wo Cornelia Vonhof, Hochschule der Medien, Stuttgart in Jugendeinrichtungen tun. Aber ist das sie sind. Wenn sie in der neunten Klasse · Dr. Harald Weigel, Vorarlberger Landesbibliothek, Bregenz die Zukunft, die soziale Arbeit? kommen, um Facharbeiten zu schrei- Dass es eine Option ist, beweist ben, kann man sie durch den Einsatz von Redaktion Bettina Twrsnick, Leiterin der Phantas- Medien, bevorzugt digital, zum Wieder- Postfach 13 24 · 72703 Reutlingen tischen Bibliothek in Wetzlar und aktive kommen animieren. Telefon (07121) 34 91-0 / E-Mail: [email protected] Redaktion: Bernd Schleh (verantwortlich, slh) Begleiterin des Projektes »Vorlesen in und Steffen Heizereder (hei) Familien«, das bereits zehnjähriges Ju- Rezensionen: Dr. Jürgen Plieninger biläum gefeiert hat. Im ersten Track mit Die passende Antwort Aus dem Berufsverband: Katrin Lück dem Namen »Grenzenlose Bibliothek« stellte sie ihr Konzept und auch die Rol- Doch wie schafft man die Brücke Anzeigen Annegret Kopecki, Tel: 07121/3491-15 len vor, die sie darin einnimmt: Fund- zwischen bibliothekarischen Tätigkei- Miriam Stotz, Tel: 0711/781988-34 raiserin, Vermittlerin, Sozialarbeiterin, ten wie Erschließung, Erwerbung, Kata- E-Mail: [email protected] Personalmanagerin und vieles mehr. logisierung und adäquater, innovativer Kinderbibliotheksarbeit? »Ich brenne Druck und Vertrieb Winkhardt Print & Mail dafür«, sagt Studentin Marina Strohm Ernsthaldenstraße 53, 70565 Stuttgart Grenzen rechtzeitig erkennen am zweiten und letzten Tag des 3. Fo- rums Bibliothekspädagogik. Sie hat be- verbreitete Auflage Jedoch hat auch sie ihre Grenzen früh- reits mehrere konzeptionelle Ausarbei- 7448 Exemplare (2. Quartal 2016) zeitig erkannt und vermittelt besondere tungen geplant, umgesetzt und ausge- Datenschutzbeauftragte Fälle, beispielsweise aus bildungsbe- wertet. Und dies scheint für mich die Regina Störk nachteiligten Familien, zu denen sie die passende Antwort auf die Frage zu sein, Vorleser für eine Wochenstunde schickt, ob KinderbibliothekarInnen grenzenlos Erscheinungsweise an Familientherapeuten, Sozialarbeiter sind. Man sieht, dass es egal ist, ob man zehn Hefte jährlich (Doppelhefte: Februar/März und August/September) oder gar an die gefürchteteren Ämter Grundzüge des Sozialarbeiters, des Ani- und Behörden. Doch das muss sie nicht mateurs, des Fundraisers, des Erzählers, Preis alleine meistern, da ihre Vorleser, die des Vermittlers oder von 100 weiteren je Heft € 14, jährlich € 94, print+digital € 109, entsprechend geschult sind, diese Auf- Berufsbezeichnungen aufweist, solange ermäßigt € 47 gabe nach umfangreicher Ausbildung eine KinderbibliothekarIn für ihren Preise einschließlich MwSt. und zzgl. Versand- gebühr. Für Mitglieder des BIB ist der Bezug im auch erfüllen können. Beruf und ihre Zielgruppe brennt, ist sie Mitgliedsbeitrag enthalten. Aber was kann die nächste Genera- grenzenlos! tion, die Studenten von heute und die Redaktionsschluss für Heft 11/2016: 23. September Bibliothekare von morgen, nach ihrem Sophia Becker, Studentin der Anzeigenschluss für Heft 11/2016: 4. Oktober Studium erfüllen? Welche der zahlreich Bibliothekswissenschaft an der TH Köln

BuB 68 08-09/2016 457 FOYER ÖFFENTLICHE BIBLIOTHEK

»handverlesen«  Stadtbibliothek Osnabrück bezieht mit neuem Buchemp- fehlungssystem die Leser ein

Häufig sieht man in der Bibliothek, wie Leserinnen und Leser zwischen den Regalen ins Gespräch kommen und sich gegenseitig Büchertipps ge- ben. Das sind schöne Momente, wenn ein geteiltes Interesse verbindet. Nur gehört auch immer Glück dazu: Man muss zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein und sich dann auch noch für Kommt in Osnabrück gut an: Buchempfehlungen von Lesern. Foto: Meyer-Spinner die gleichen Bücher interessieren. Die Stadtbibliothek Osnabrück hat sich Leserinnen und Leser, die von dass die Karten dabei helfen können, den deshalb ein System ausgedacht, mit einem Buch so begeistert, gerührt oder richtigen Titel für sich im großen Ange- dem dem Zufall ein Schnippchen ge- erschüttert sind, dass sie anderen davon bot der Stadtbibliothek zu finden. Auch schlagen wird: »handverlesen«. unbedingt erzählen wollen, können zu die Leserinnen und Leser, die »handver- einer »handverlesen«-Karte greifen und lesen«-Karten ausfüllen, haben sichtlich In der Bibliothek liegen seit März Post- damit ihren Tipp direkt im Buch für all Spaß daran. Ein Leser hat sich sogar ein karten mit einer ungewöhnlichen Aus- die hinterlassen, die später in die Biblio- eigenes Punkte-Bewertungssystem aus- sparung aus. Dies sind »handverle- thek kommen und denen sie diese Emp- gedacht. Die von ihm per »handverlesen« sen«-Karten. Auf ihnen kann jeder fehlung nicht am Regal zuflüstern konn- rezensierten Bücher erhalten null bis einen Buchtipp schreiben und sie dann ten. Gleichzeitig werden sie selbst beim hundert Punkte und eine kurze Rezen- – dank der Aussparung – so in das Buch Stöbern auf »handverlesen«-Karten sion. Buchbesprechungen auf den »hand- einlegen, dass die Karte für alle sicht- anderer Leserinnen und Leser stoßen verlesen«-Karten sind mal kurz, mal wird bar ist. Das Buch wird dann einfach mit und so gute Bücher entdecken, die sie der Platz auf den Karten in Postkarten- eingelegter Karte zurückgegeben und sonst vielleicht übersehen hätten. größe voll ausgenutzt. von den Mitarbeitern wie gewohnt ins Es ist auch möglich, seinen Namen Oft findet man eine Zusammen­ Regal gestellt, wo es von allen ande- auf die Karte zu schreiben und sich so fassung des Inhalts des Buchs mit einer ren dann samt dem Buchtipp gefunden vielleicht nach und nach einen Ruf als abschließenden persönlichen Empfeh- werden kann. guter Tipp-Geber zu erwerben. Durch lung, wie zum Beispiel zum Titel »Ein- die Erlaubnis, den Buchtipp auf der mal ist Keinmal« von Janet Evanovich: Bibliotheks-Homepage und Face- »In diesem Buch geht es um eine Frau, book-Seite zu verwenden, können auch die Kopfgeldjägerin werden will, aber Leserinnen und Leser von den Empfeh- nicht die geringste Ahnung davon hat. lungen profitieren, die gerade nicht in Super lustig und spannend.« Ein Titel der Bibliothek sind, aber über PC, Smart- aus der Roman-Reihe von Clive Cussler phone oder Tablet verbunden sind. wird einem hingegen kurz und knapp Natürlich eignet sich das System ans Herz gelegt: »Clive Cussler ist der auch sehr gut für Buchtipps von Mit- Beste!« Meist finden sich die Karten in arbeiterinnen und Mitarbeitern der Romanen, aber auch in anderen Grup- Bibliothek. Wenn beispielsweise eine pen wie Geschichte oder Technik wur- Initiator von »handverlesen« ist Lektorin oder ein Lektor ein ganz be- den schon Karten gesichtet. Michael Meyer-Spinner, Lek- sonderes Buch für den Bestand erwirbt, Übrigens: Auch Kinder haben bereits tor für Belletristik und Litera- kann es durch eine entsprechende Karte »handverlesen«-Karten beschrieben. Ein turwissenschaft und Verant- im Regal hervorgehoben werden. Junge verkündete nach dem Ausfüllen wortlicher für E-Medien, Tele- Nach einigen Monaten kann ein erstes stolz: »Mama hat gesagt, wir sind jetzt fon 0541/323-4116. – E-Mail Resümee gezogen werden: Die Reaktio- Rezensenten!« [email protected]. nen der Bibliotheksbesucher sind durch- Michael Meyer-Spinner, weg positiv. Ihnen gefällt besonders, Stadtbibliothek Osnabrück

458 FOYER NACHRICHTEN

Auswirkungen wurde in der Juniaus- Nachrichten gabe von BuB unter dem Titel »Zusam- Liebe Abonnentinnen, menarbeit wird komplizierter« (Seite liebe Abonnenten, 318) berichtet. Inzwischen hat der Ver- lag C.H. Beck Verfassungsbeschwerde seit mehr als fünf Jahren sind die gegen das BGH-Urteil eingelegt. Preise für das BuB-Abo stabil. Kostenloses Werbematerial Nun erfordern Kostensteigerungen unter anderem bei Druck, Papier- Berlin. Anlässlich der bundesweiten Ak- Mitarbeit bei UN-Agenda 2030 beschaffung und Personal eine tionswoche der Bibliotheken vom 24. Anpassung. Ab Januar 2017 wird bis 31. Oktober bietet der Deutsche Bib- Den Haag (Niederlande). Im September das reguläre Abonnement des- liotheksverband (dbv) erneut kostenlo- 2015 verabschiedeten die Mitgliedstaa- halb 100 Euro im Jahr kosten, das ses Werbematerial für Bibliotheken an. ten der Vereinten Nationen die Agenda ermäßigte Abo erhöht sich auf 50 Diese können auf der Kampagnen-Web- 2030 für nachhaltige Entwicklung. Euro, ein Einzelheft wird für 15 site Netzwerk Bibliothek bis zum 31. Au- Auch Bibliotheken spielen eine wesent- Euro zu haben sein. Mit dieser mo- gust über das Online-Formular bestellt liche Rolle bei der Erfüllung der Ziele. deraten Anpassung können wir werden. Mit den Plakatmotiven und Sti- Zur Unterstützung der politischen Ar- die hohe Qualität Ihrer Fachzeit- cker-Postkarten im offiziellen »Netzwerk beit hat die IFLA eine Broschüre »Das schrift auch in den nächsten Jah- Bibliothek«-Design können Bibliotheken Recht auf Zugang zu Informationen und ren erhalten. Wir freuen uns, Sie ihre Bibliothekshelden auszeichnen. Au- Chancen für alle« sowie ein Handout weiterhin mit aktuellen Nachrich- ßerdem können die Bibliotheken ihre »Die Ziele für nachhaltige Entwick- ten, spannenden Interviews und Veranstaltungen und Angebote auf der lung der Vereinten Nationen« veröffent- hintergründigen Berichten aus der Kampagnenseite eintragen und so sicht- licht, die den Beitrag der Bibliotheken Welt der Bibliotheken unterhalten bar machen. Weitere Informationen un- an den UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG) und fachlich weiterbilden zu kön- ter: www.netzwerk-bibliothek.de/ demonstriert. nen. Weitere Informationen und die Allgemeinen Geschäftsbedingun- Beide Publikationen ste- gen zum BuB-Abo finden Sie unter Wahlprüfsteine für Berlin hen in der BuB-App zur http://b-u-b.de/abobedingungen/ Verfügung. Die BuB-Redaktion Berlin. Für die Wahl zum Abgeordneten- haus von Berlin am 18. September ha- ben der Landesverband Berlin des Deut- schen Bibliotheksverbands (dbv) und Positionspapier zur Juni den Bericht »Bildung in Deutsch- die Landesgruppe Berlin des Berufs- Sonntagsöffnung land 2016« vorgelegt. Die empirisch verbands Information Bibliothek (BIB) fundierte Bestandsaufnahme informiert Wahlprüfsteine definiert und am 1. Juni Düsseldorf. Der Verband der Bibliothe- über aktuelle Entwicklungen und Her- an die Fraktionsvorsitzenden der im Ab- ken des Landes Nordrhein-Westfalen ausforderungen im gesamten Bildungs- geordnetenhaus von Berlin vertretenen (vbnw) hat Mitte Juni ein Positionspapier system. Der alle zwei Jahre herausgege- Parteien geschickt, um deren Positio- zur Sonntagsöffnung von Bibliotheken bene Bildungsbericht beleuchtet außer- nen, Konzepte und Zielvorstellungen zu veröffentlicht und damit die Diskussion dem in jeder Ausgabe ein ausgewähltes verschiedenen Aspekten und Entwick- um das umstrittene Thema wieder ange- Schwerpunktthema. 2016 ist dies »Bil- lungen der Berliner Bibliotheken zu er- facht. Der vbnw fordert die Änderung des dung und Migration«. Mit Blick auf den fahren. Die Parteien wurden bis Ende Arbeitszeitgesetzes und setzt sich für ein derzeitigen Stand des Bildungswesens Juli um Rückantworten gebeten. moderneres, zeitgemäßes und kunden- hält Professor Kai Maaz vom Deutschen orientiertes Servicedenken ein. Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), der Sprecher der Verlage wehren sich Das Positionspapier des Autorengruppe, fest: »Der Trend zu vbnw finden Sie ebenfalls mehr Bildung ist ungebrochen. Wir erle- Berlin. Ende April hat der Bundesge- in der neuen BuB-App. ben weiterhin eine wachsende Bildungs- richtshof (BGH) letztinstanzlich ent- beteiligung und Bildungsnachfrage.« schieden, dass die Verwertungsgesell- Gleichzeitig gibt Professor Maaz zu be- schaft Wort nicht berechtigt ist, ei- denken: »Der Zugang zu Bildung erfolgt nen pauschalen Betrag in Höhe von Bildungsbericht 2016 nach wie vor unter sehr ungleichen Vor- grundsätzlich der Hälfte ihrer Einnah- aussetzungen. Soziale Herkunft, Migra- men aus Urheberrechten an die Ver- Frankfurt am Main. Eine unabhängige tionshintergrund und zunehmend auch lage auszuzahlen. Über die möglichen Gruppe von Wissenschaftlern hat Mitte regionale Rahmenbedingungen üben

BuB 68 08-09/2016 459 FOYER NACHRICHTEN

Fotoausstellung zum 20-jährigen Bestehen

Das Medien- und Informationszentrum Stadtbücherei Biberach residiert seit 20 Jahren im eigens für diesen Zweck renovierten historischen »Neuen Bau« auf dem Viehmarktplatz. Das denk- malgeschützte Gebäude aus dem frühen 16. Jahrhundert bietet seit 1996 moderne Medienvielfalt in einem außergewöhnlichen Ambiente mitten in der Biberacher Altstadt. In diesen 20 Jah- ren haben mehr als 3,6 Millionen Menschen das Medien- und Informationszentrum besucht und rund 9,4 Millionen Medien ausgeliehen. Das Jubiläum wird nun mit einer ungewöhnlichen Fotoaus- stellung am zentralen Aufzugsturm begangen: »20 Jahre. 20 Botschafter. 20 Statements.« Dazu waren 20 Leserinnen und Leser als Büchereibotschafter ausgewählt und zum professio- nellen Fotoshooting mit dem überregional bekannten Fotogra- fen Steffen Dietze eingeladen worden. 20 großformatige, künst- lerische Schwarz-Weiß-Fotos sagen, warum ihnen die Stadt- bücherei so wichtig ist. Die Gründe sind so vielseitig wie die Angebote der Stadtbücherei selbst und zeigen, dass die Litera- tur und die Informationen aus der Stadtbücherei, aber auch die Bücherei als Treffpunkt eine große Rolle für die Menschen spie- len. Die Ausstellung wird bis Ende des Jahres zu sehen sein.

einen starken Einfluss auf den Bildungs- www.ub.uni-frankfurt.de/tagung/ weltweit eine umfangreiche Datenbank erfolg aus.« Ausführliche Informationen wiwi2016/ bieten. Unter anderem ermöglicht es die gibt es unter www.bildungsbericht.de Plattform, nach dem Liedanfang, aber auch nach Refrain und Melodienver- Hits von der Renaissance bis zum weisen sowie Strophen- und Zeilenzahl VDB-Fachreferententagung 20. Jahrhundert zu suchen. Zusätzlich können Interes- Wirtschaftswissenschaften sierte über eine Volltextsuche in allen im Freiburg. Ein zentrales Online-Por- Projekt erfassten Daten recherchieren. Frankfurt am Main. Die VDB-Fachrefe- tal für 14 000 historische Lieddrucke: rententagung Wirtschaftswissenschaf- Das Zentrum für Populäre Kultur und ten findet vom 19. bis zum 20. Septem- Musik der Universität Freiburg (ZPKM), Treffen des OPL-Kreises ber an der Goethe-Universität Frankfurt das Archiv des Österreichischen Volks- Bodensee statt. Die Universitätsbibliothek Johann liedwerks und die Staatsbibliothek zu Christian Senckenberg in Kooperation Berlin – Preußischer Kulturbesitz hat Friedrichshafen. Das 33. Treffen des mit der VDB-Kommission für Fachrefe- das Projekt »VD Lied – Das Verzeichnis OPL-Kreises Bodensee fand am 13. ratsarbeit präsentiert das Thema »Virtu- der deutschsprachigen Liedflugdrucke« Juni in der Bodenseebibliothek statt. Es elle Forschungsumgebung/Forschungs- (www.vd-lied.de) abgeschlossen. Die kamen Vertreter aus 13 Institutio- datenmanagement: Was erwarten Wis- Plattform macht erstmals ein musika- nen und 3 Ländern. Diskutiert wurde senschaftlerinnen/Wissenschaftler von lisches und kulturelles Repertoire, das unter anderem die Integration von Neu- uns – Was brauchen Wissenschaftlerin- sich vom 16. bis zum 20. Jahrhundert zugängen aus Nachlässen und Spen- nen/Wissenschaftler?« Weitere Informa- erstreckt, einem breiten Publikum zu- den in den Bestand, das Vorgehen bei tionen gibt es auf der Tagungshomepage: gänglich. Das Portal soll Forschern Platzmangel und die Notwendigkeit

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der Aussonderung von Dubletten, die Agenten für die neue Ausschreibungen erfolgen in den Jahren Umwandlung von Zettelkatalogen in Stadtgesellschaft 2017 und 2018. Weitere Informationen: elektronische Kataloge, die Vermittlung https://ksb-cms-edit-live.mcon.net/ von und der Umgang mit elektronischen Halle an der Saale. Die Kulturstiftung cms/de/projekte/nachhaltigkeit_und_ Medien sowie der sachgemäße Umgang des Bundes möchte mit dem bundes- zukunft/agenten_stadtgesellschaft.html mit Exponenten aus dem Dritten Reich weiten Modellvorhaben »Agenten für in öffentlichen Ausstellungen. Darüber die neue Stadtgesellschaft« Kultur­ hinaus wurde der aktuelle Stand der einrichtungen, das heißt auch Biblio- Bibliothek des Ärztlichen Anwendung von RDA (Resource theken, dabei unterstützen, dem de- Vereins bedroht Description and Access) besprochen. mografischen Wandel konstruktiv zu Nur vier der Anwesenden haben bisher begegnen. Im Kern geht es darum, dass Hamburg. In der Januarausgabe 2016 Fortbildungen zum neuen Regelwerk sogenannte Agenten Wege und Formen (Seite 52 ff.) berichtete BuB ausführ- besucht und arbeiten im Alltag mit RDA. aufzeigen, wie kulturelle Institutionen lich über die Bibliothek des Ärztlichen Es sei an sich nicht kompliziert, geklagt das Thema Zuwanderung wirksam in Vereins in Hamburg. Der Vorstand der wurde jedoch über die mangelhafte ihren eigenen Häusern umsetzen kön- Ärztekammer Hamburg hat nun be- Recherchierbarkeit der elektronischen nen. Die geförderten Institutionen schlossen, die Einrichtung zum 31. De- Unterlagen, die als Hilfestellung dienen sollen mit ihrem Agenten über einen zember 2017 zu schließen. Die bishe- sollen. Es fehle vor allem eine gute Bei- Zeitraum von vier Jahren Vorschläge rigen Serviceleistungen Literaturre- spielsammlung. Zwei langjährige Mit- und Maßnahmen erarbeiten, wie sie cherche und Literaturbestellung für glieder wurden ins neue Koordinierungs- ihren Beitrag zu einer selbstbewuss- Mitglieder der Ärztekammer sollen dann team des OPL-Kreises gewählt: Benjamin ten, Einwanderern gegenüber offe- eingestellt werden. Neuanschaffungen Wieser und Ulrike Siegmund. Sie lösen nen Gesellschaft so gestalten können, von Fachliteratur wird es nicht mehr die bisherigen Koordinatorinnen Gudrun dass das gesamte urbane Umfeld – die geben. Ein Teil des historischen Bestan- Witzler und Martha Baker ab. Stadtgesellschaft – davon profitiert. des soll an die Hamburger Staats- und

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BuB 68 08-09/2016 461 FOYER NACHRICHTEN

Integration, Inklusion, Partizipation – Miteinander voneinander lernen  Zweite Fachkonferenz Kinder- und Jugendbibliotheken in der Akademie Remscheid

Kinder- und Jugendbibliothe- angemessen? Wie kann Partizipation Platz im Programm – damit der Blick ken stehen täglich vor neuen He- und Inklusion Realität werden? über den Tellerrand hinausgehen kann. rausforderungen: Medienwandel, • Können die digitalen Medien Die Veranstaltung findet auf Ini- mobile Endgeräte, Schulreformen, helfen, Barrieren abzubauen? Und tiative der Kommission Kinder- und Willkommensklassen, Inklusion – wie setzt man sie im Bibliotheksalltag Jugendbibliotheken des Deutschen Bib- all dies erfordert flexible Vermitt- wirkungsvoll ein? liotheksverbands (dbv) in Kooperation lungsangebote für sehr heterogene In Vorträgen und Workshops will mit der Akademie Remscheid statt. Lei- Zielgruppen. die Zweite Fachkonferenz Kinder- und tung: Meike Betzold und Anika Schmidt Jugendbibliotheken vom 15. bis 18. (Kommission Kinder- und Jugendbi- • Wie kann es gelingen, diese Februar 2017 in der Akademie Rem- bliotheken des dbv), Kathrin Hart- unterschiedlichen Nutzergruppen scheid gemeinsam diesen und anderen mann (dbv) und Stephanie Jentgens anzusprechen und ihnen passgenaue Fragen nachgehen und nach Antwor- (Akademie Remscheid). Die Anmel- Angebote zu machen? ten suchen, die einen starken Bezug dung ist ab September möglich unter • Wie erkennen und berück- zur Praxis haben. Erfahrungsaustausch http://akademieremscheid.de/ sichtigen wir ihre Voraussetzungen und Ideenbörse finden ebenfalls ihren fortbildung/anmeldung/

Universitätsbibliothek übergeben mit dem Themenschwerpunkt Technik beschlossen, dass die Bund-Länder- werden. Die geplante Schließung be- und Naturwissenschaften gesammelt Förderung für ZB MED zum 31. De- deutet das Aus für die bisherige ser- und automatisiert ausgewertet werden. zember 2016 beendet wird. Sie hat sich viceorientierte Literaturversorgung der Das Besondere daran: All dies findet auf damit der Empfehlung des Senates der Hamburger Ärzteschaft. Auch Studie- Plattformen rund um die Online-Enzy- Leibniz-Gemeinschaft angeschlossen. rende, Lehrende, Forscher und Ange- klopädie Wikipedia statt: Artikeltexte Zugleich hat die GWK es aber begrüßt, höriger medizinischer Berufe verlieren werden auf Wikisource gespeichert, dass das Wissenschaftsministerium NRW damit eine wichtige Fachbibliothek. Bilder auf Wikimedia Commons und die (MIWF) und das Bundesgesundheits- Wer gegen die Schließung protestie- Metadaten in Wikidata. »Das NOA-Pro- ministerium (BMG) sich gemeinsam ren möchte, kann seine Stimme in ei- jekt ist das erste DFG-geförderte Pro- bemühen wollen, den Erhalt der über- ner Online-Petition abgeben unter jekt, das derart eng verzahnt ist mit der regionalen Informationsversorgung www.openpetition.de/petition/online/ Infrastruktur von Wikipedia und insbe- in den Lebenswissenschaften sicher- fuer-den-erhalt-der-bibliothek-des-ae sondere mit der neuen kollaborativen zustellen. Dass die GWK dieses Vorha- rztlichen-vereins-in-hamburg. Datenbank Wikidata«, sagt Lydia Pint- ben nicht nur zur Kenntnis nimmt, son- scher, Projektleiterin von Wikidata. »Mit dern ausdrücklich begrüßt, ist nach dem dem Projekt lässt sich schrittweise die Beschluss zum Ausscheiden aus der Leib- Bessere Nachnutzung von Vision verwirklichen, dass mit Open-Ac- niz-Gemeinschaft ungewöhnlich und da- Open-Access-Abbildungen cess-Materialien aus der Wissenschaft her für die ZB MED ein entscheidendes sozusagen auf einer gemeinschaftlichen und positives Signal. Konkret heißt das Hannover. Die Deutsche Forschungs- virtuellen Werkbank gearbeitet werden für ZB MED, dass BMG und MIWF die ZB gemeinschaft (DFG) hat das Projekt kann«, erklärt Lambert Heller. Heller ist MED dabei unterstützen wollen, einen »Nachnutzung von Open-Access-Abbil- Leiter des Open Science Lab der TIB, wo Transformationsprozess durchzuführen, dungen« (NOA) der Hochschule Hanno- die Projektidee entstanden ist. aus dem die Einrichtung als »modernes ver (HsH) und der Technischen Informa- Fachinformationszentrum« hervorge- tionsbibliothek (TIB) bewilligt. In dem hen soll. Am Ende dieses Prozesses hofft mit fast 270 000 Euro über die Dauer ZB MED mit neuer Perspektive die ZB MED auf die Wiederaufnahme in von drei Jahren geförderten Projekt die reguläre Bund-Länder-Förderung. In sollen Millionen von Artikeln und Abbil- Köln. Die Gemeinsame Wissenschafts- der Zwischenzeit – also bis Ende 2019 dungen aus Open-Access-Zeitschriften konferenz (GWK) hat Ende Juni – erhält die ZB MED eine sogenannte

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Auslauffinanzierung, die zunächst in theksverband (dbv) vergibt in Ko- Bayerische Staatsregierung Höhe der bisherigen Förderung bereitge- operation mit der mittelständischen beschließt Bibliotheksplan stellt wird. Mit diesem nun aufgezeigten Wirtschaft des Landes den diesjähri- Weg ist der Erhalt der ZB MED als zentra- gen Bibliothekspreis. Prämiert werden München. Der Ministerrat des Freistaats lem Servicezentrum für Fachinformatio- Konzepte, die auf die gegenwärtigen Bayern hat bei seiner Kabinettssitzung nen und Forschungsunterstützung in den Herausforderungen im Bildungswe- am 21. Juni erstmals einen Bayerischen Lebenswissenschaften in Deutschland sen reagieren, mögliche zukünftige Bibliotheksplan nach dem Vorbild des in Sichtweite. Weitere Informationen: Entwicklungen einbeziehen beziehungs- Bayerischen Musikplans beschlossen. http://zbmedblog.de/?p=323 weise gar mit beeinflussen und die Die Initiative hierzu ging von Bildungs- Aspekte des lebenslangen Lernens minister Ludwig Spaenle und Staatsse- besonders berücksichtigen. In diesem kretär Bernd Sibler (beide CSU) aus. Wie Planungswettbewerb für Jahr ist ein Schwerpunkt die Ange- die Bayerische Staatskanzlei mitteilt, Neugestaltung entschieden bote von Bibliotheken zur Integration sollen darin die wesentlichen Leistungs- von Flüchtlingen. Die Bewerbungsfrist felder der bayerischen Bibliotheken aller Köln. Die Zentralbibliothek muss tech- endet am 9. September. Fachrichtungen dargestellt werden. Zu- nisch und baulich saniert werden. dem gehe es darum, Zukunftsperspekti- Deshalb ist in den nächsten Jahren eine ven, Stärken und Entwicklungsbedarfe Generalsanierung geplant. In diesem Ausstellung: Das bewegte Buch aufzuzeigen. »Mit dem Bayerischen Bi- Kontext soll auch die Innenausstattung bliotheksplan haben wir nun ein her- dem zeitgemäßen Erscheinungsbild Marbach am Neckar. Die große Ausstel- vorragendes Konzept, das die zentralen einer innovativen Öffentlichen lung »Das bewegte Buch« zeigt im Li- Aufgabenfelder der bayerischen Biblio- Bibliothek angepasst werden. Zu die- teraturmuseum der Moderne noch bis theken identifiziert und richtungswei- sem Zweck wurde 2015 ein europawei- zum 9. Oktober die einmaligen Buchbe- send für die Weiterentwicklung der ter Planungswettbewerb ausgeschrie- stände des Deutschen Literaturarchivs: bayerischen Bibliothekslandschaft ist«, ben und mit einer internationalen Jury Autorenbibliotheken wie jene von Gott- sagte Spaenle. Bayern besitze im bun- besetzt. An einer ersten Wettbewerb- fried Benn, Paul Celan, Martin Heideg- desweiten Vergleich eine äußerst leis- sphase hatten sich 18 Innenarchitektur- ger, Peter Rühmkorf und W.G. Sebald, tungsstarke Bibliothekslandschaft, fuhr und Architekturbüros beteiligt. Be- historische Leihbüchereien, eine Fund- der Bildungsminister fort. reits Anfang Juni hat das Preisgericht bibliothek der Deutschen Bahn und die entschieden und folgende Büros ausge- von und Eckhart Nickel zeichnet: Mit dem ersten Preis wurde aufgebaute »Kathmandu Library«, eine Buchlieferdienst per Post das Büro UKW Innenarchitekten GbR Lazarett-Bibliothek sowie Auszüge einer aus Krefeld bedacht. Der zweite Preis Gefangenenbücherei, die eigens für die Otorohanga (Neuseeland). Die Otoro- ging an Marina Stankovic Architekten Ausstellung gestiftet worden sind. hanga Dictrict Library hat im Juli einen BDA, Berlin, und der dritte Preis an das Bücher-Kurierdienst gestartet. Benutzer Büro Mecanoo International aus dem können Bücher online auswählen oder niederländischen Delft. Der Juryvorsit- Sparen mit LED-Belechtung ihre Bestellung per Telefon oder E-Mail zende, Prof. Andreas Meck, zeigte sich durchgeben. Die Bibliotheksmitarbeiter erfreut von dem Wettbewerbsergeb- Metzingen. Die Stadtbücherei Kalebskel- verpacken das Ganze und senden das nis: »Der Siegerentwurf besticht durch ter hat ihre Beleuchtung auf LED-Tech- Bücherpaket per Post. Es darf maximal eine gleichermaßen einfache wie klare nik umgestellt. Wie der »Reutlinger Ge- 25 Kilo wiegen und kostet den Biblio- und überzeugende Konzeption. Durch neralanzeiger« am 3. Juni berichtete, thekskunden sieben Dollar. Bei dieser Regalblöcke werden die vorhandenen konnte dadurch in den ersten fünf Mona- Art der Ausleihe wird die normale Ab- Bibliotheksflächen so geschickt zoniert, ten 50 Prozent des Stromverbrauchs ein- gabefrist von drei auf sechs bis acht Wo- dass gut nutzbare Bereiche für unter- gespart werden. Die Verantwortlichen chen verlängert. Das Bibliotheksteam in schiedlichste Nutzungen, das heißt Mög- gehen davon aus, dass sich die Investiti- der ländlich geprägten Region erhofft lichkeitsräume für eine lebendige Biblio- onskosten von 5 000 Euro in zweieinhalb sich dadurch mehr Kunden und mehr thek entstehen. Es ist die Idee einer offe- Jahren amortisieren. Bei der Behaglich- Ausleihen. nen, demokratischen Bibliothek, die das keit mussten, so der Bericht, keine Ab- Außen mit dem Innen verbindet.« striche gemacht werden. Zusammen mit Experten wählte das Bibliotheksteam Laube wird neuer Direktor der passende LED-Bausteine und -Farben aus Herzogin Anna Amalia Bibliothek Bibliothekspreis Sachsen-Anhalt – dann wurde Probe gelesen. Bücherei- leiter Ulrich Koch sagte: »Das Licht ist so Weimar. Reinhard Laube, Direktor der Magdeburg. Der Landesverband Sach- warm, dass die Besucher keinen Unter- Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, sen-Anhalt im Deutschen Biblio- schied zu vorher feststellen.« wird neuer Direktor der Herzogin Anna

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Amalia Bibliothek. Das teilte die Klassik »André Malraux« passe. Charrier hofft, Stiftung Weimar Ende Juni mit. »Rein- Markt nicht nur die bestehenden Nutzer mit hard Laube ist eine ausgezeichnete dem neuen digitalen Angebot zu begeis- Wahl. Ich bin überzeugt, dass die Klas- tern, sondern damit auch weitere Men- sik Stiftung von seinen enormen Fach- schen für die Bibliothek zu gewinnen. kenntnissen und seinem reichen Erfah- rungsschatz profitieren wird«, sagte ekz.bibliotheksservice GmbH Benjamin-Immanuel Hoff, der Chef der Erste französische Onleihe FOLIO thüringischen Staatskanzlei und Vor- gestartet Neue Kooperation zur Förderung sitzender des Stiftungsrates der Klassik von Innovationen Stiftung Weimar. »Insbesondere seine Pr. – In deutschen Bibliotheken hat realistische Herangehensweise an das sich der eCircle der divibib bereits als Pr. – Bibliotheken und Dienstleis- Thema Digitalisierung und seine Be- Präsentationssystem für digitale Me- ter haben sich zusammengeschlos- geisterung für den Forschungsverbund dien aus der Onleihe etabliert. Nun sen, um die Zukunft von Bibliotheken sind für die Weiterentwicklung der Her- wurde Mitte Juni in der Stadtbiblio- neu zu gestalten und neue Technolo- zogin Anna Amalia Bibliothek von ho- thek Straßburg das erste französi- gien zu entwickeln. Die neue Initiative hem Wert«. Reinhard Laube tritt sein sche Portal zur E-Medien-Ausleihe FOLIO bietet eine Plattform für Bib- Amt am 1. Oktober 2016 an. Michael auch gleich mit einem dieser eCircles liotheken, Dienstleister und andere Knoche, der seit 1991 Direktor der Her- gestartet. Organisationen, um die Bibliothek- zogin Anna Amalia Bibliothek ist, wird sautomatisierung über Open Source- am 30. September im Rahmen des Fest- In Frankreich heißt das Gerät zur Re- Projekte gemeinsam voranzutreiben. akts zum 325-jährigen Jubiläum der Bi- cherche und Ausleihe von E-Books ei- Ziel ist es, Interessensgruppen zu eta- bliothek verabschiedet. gentlich »ebiblio«. Die Onleihe in Straß- blieren, Partnerschaften einzugehen burg und ihr Präsentationsmöbel tra- und sich über neue Serviceleistungen gen jedoch den individuellen Namen: und Technologien für Bibliotheken Luther-Koffer zum Ausleihen »l@ppli Books«. Mit der Onleihe ist es auszutauschen. nun möglich, E-Books aus der Biblio- Wittenberg. Im Jahr 2017 feiert die Re- thek direkt mit eigenen Endgeräten aus- FOLIO steht für Future of Libraries is formation ihr 500-jähriges Jubiläum. zuleihen und zu nutzen – erstmals in Open und ist eine neue Community, die In diesem Zusammenhang wurde von ganz Frankreich! Die Technik und Soft- das gemeinsame Ziel verfolgt, eine neue der Staatlichen Geschäftsstelle »Luther ware dazu liefert die ekz-Gruppe aus Bibliotheksserviceplattform (LSP) zu 2017« in Wittenberg ein Koffer mit Un- Reutlingen, die entsprechenden E-Me- entwickeln. Eine Plattform, die traditi- terrichtsmaterialien erstellt. Unter dem dien bietet das ekz-Partnerunternehmen onelle Anforderungen und Funktionali- Titel »Auf gut Teutsch – Luther und die BIBLIOTHECA aus Paris an. täten an die Ressourcenverwaltung un- deutsche Sprache« sind verschiedene Philippe Charrier, Direktor des Bi- terstützt und darüber hinaus bereit ist Materialien zusammengestellt und mit bliotheksverbundes Médiathèques de für Innovation und Wachstum durch die einer Arbeitshilfe versehen worden. l‘Eurométropole de , gratu- Zusammenarbeit mit der Industrie. Im In mehreren Modulen können unter- lierte zu diesem Pilotprojekt, das der Kern wird FOLIO die Erweiterbarkeit in schiedliche Themen im Rahmen der Bibliothek landesweit eine Vorreiter- vielen neuen Servicebereichen für Bib- schulischen Arbeit oder auch in außer- rolle im Bereich der digitalen Medien- liotheken ermöglichen und das Techno- schulischen Projekten mit Kindern und ausleihe verschaffe. Überdies lobte er logie-System, das Bibliotheken, Dienst- Jugendlichen erarbeitet werden. Ziel ist den rot-weißen Look des von der ekz leistern und Technologieentwicklern zur es, spielerisch und anschaulich die Be- gelieferten »l@appli Books«-Präsenta- Verfügung steht, erheblich verändern. deutung der Reformation für die Ent- tionsmöbels, das perfekt zur geradlini- Der erste Code für die Basisplattform, wicklung der deutschen Sprache sowie gen Einrichtung der Zentralbibliothek die Features für die Integration von mo- die Bedeutung von Sprache und Sprach- dularen Services anbietet, ist für August fähigkeit allgemein zu vermitteln. Der auf GitHub geplant. Dabei wird es sich Luther-Koffer ist vor allem für die Ar- um eine technische Plattform-Vorschau beit mit Kindern der Schuljahrgänge 3 In der Rubrik »Markt« werden speziell für Entwickler handeln, damit bis 7 konzipiert und wurde im Bundes- Presse­mitteilungen von Unterneh- diese sich mit den APIs vertraut machen land Sachsen-Anhalt bereits an mehre- men und Dienstleistern – ohne und früh Feedback geben können. ren Schulen getestet. Nähere Informa- redaktionelle Bearbeitung – ver- EBSCO stellt die Primärfinanzie- tionen zur Erprobung und zu den di- öffentlicht. Die Redaktion behält rung bereit für die Entwicklung von FO- gitalen Inhalten des Koffers liefert die sich vor, Beiträge auszuwählen und LIO mit Index Data, um die Ausgangs- Geschäftsstelle »Luther 2017« unter zu kürzen. plattform zu entwickeln. Wie man der www.luther2017.de. Community beitreten kann? Seit Beginn

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der öffentlichen Gespräche über das API-Transaktionen bieten Kunden Zu- Access verfügbar machen zu können. Open Source-LSP-Projekt auf Konfe- gang zu Diensten an, die von den Die Monografien werden, unterschie- renzen wie der Code4Lib im März sind Entwicklern der Bibliotheken er- den in Novitäten und Backlist-Titel, für schon über 1 000 Mitglieder aus Dut- stellt wurden, und automatisieren jedermann nutzbar und unter einer Cre- zenden Ländern beigetreten. Die Mit- viele der alltäglichen Aufgaben der ative Commons-Lizenz publiziert. Auf glieder können auf verschiedene Art an Bibliotheksmitarbeiter. den Plattformen von OAPEN und Hathi- der Community teilnehmen: »Mit den Alma REST APIs können Bi- Trust können sie als PDF heruntergela- • als »Functionalist« – er bringt sein bliotheken ihre Dienste für Kunden er- den werden. Wissen über spezifische Arbeitsabläufe weitern und die Arbeit der Bibliothekare Bisher konnten durch die Teilnahme und Funktionsbereiche ein vereinfachen«, so Mehmet Celik von KU von weltweit über 300 Bibliotheken, die • als »Strategist« – er bringt seine Leuven LIBIS. jeweils knapp 4 000 US-Dollar gezahlt Vision zur Weiterentwicklung der Bib- haben, mehr als 100 Frontlist-Mono- liothekstechnologie in den kommenden grafien über Knowledge Unlatched frei- Jahren ein Schweitzer Fachinformation geschaltet werden. Im nächsten Schritt • als »Developer« – er steuert Code Exklusive Kooperation mit wird Knowledge Unlatched auch Back- bei und hilft, Applikationen für eine neue Knowledge Unlatched list-Titel im Open Access verfügbar erweiterbare Plattform zu erstellen. machen. Interessierte Teilnehmer können sich Pr. – Der Medienhändler und Infor- Noch mehr aktiv teilnehmende Bib- anmelden unter www.folio.org. mationsdienstleister Schweitzer Fa- liotheken und eine Ausweitung der In- chinformationen und das in Berlin halte im Bereich der Geistes- und So- ansässige Unternehmen Knowledge zialwissenschaften – das sind die Eck- Ex Libris Unlatched GmbH kooperieren, um punkte für die künftige Kooperation Eine Million API-Transaktionen Knowledge Unlatched (KU) – eine der von Schweitzer Fachinformationen und pro Tag innovativsten und zugleich wirksams- Knowledge Unlatched (KU). ten Initiativen rund um Open Access – Pr. – Ex Libris, ein ProQuest-Unter- künftig beim Ausbau der Aktivitäten nehmen, gibt bekannt, dass der Bi- gemeinsam zu unterstützen. OCLC GmbH bliotheksmanagementdienst Alma Andreas Schmidt ist neuer nun regelmäßig über eine Million Die Vereinbarung, die Dr. Sven Fund General Manager API-Transaktionen pro Tag von Hun- (Knowledge Unlatched, Berlin) und derten Institutionen auf der ganzen Jörg Pieper (Schweitzer Fachinfor- PR. – Zum 1. Juli hat Andreas Schmidt Welt verarbeitet. mationen, München), unterzeichne- die Funktion des General Managers ten, sieht eine enge Zusammenarbeit der OCLC GmbH in Deutschland über- Im Laufe der letzten zwei Jahre hat Ex vor: So ist Schweitzer Fachinformatio- nommen. Er übernimmt diese Posi- Libris mehr als 120 Alma REST APIs für nen seit dem 1. Juni für Knowledge Un- tion von Helmut Kimmling, der bis wichtige Bereiche des Bibliotheksma- latched (KU) als exklusiver Handelspart- Ende 2016 das deutsche und europä- nagements erstellt, wie Erwerb, Benut- ner in Deutschland, Österreich und der ische OCLC-Management als Senior zerverwaltung und -anfrage sowie Res- Schweiz sowie den Benelux-Ländern Advisor weiterhin beratend unterstüt- sourcenmanagement. Die Entwickler tätig. Ziel ist es, künftig noch mehr Bi- zen wird und sich dann in den Ruhe- der Bibliotheken rufen die APIs über das bliotheken in diesen Ländern für die stand verabschiedet. Ex Libris Developer Network auf – eine Crowdfunding-Plattform Knowledge offene Umgebung, in der Bibliotheks- Unlatched zu gewinnen. Bibliotheken, In seiner bisherigen Funktion als Sales mitarbeiter und Entwickler weltweit zu- die an KU teilnehmen, leisten damit ei- & Marketing-Direktor für die Region sammenarbeiten und mit Ex Libris ko- nen aktiven, weltweiten Beitrag zur Um- Deutschland, Österreich und Schweiz operieren können. In Übereinstimmung stellung möglichst vieler englischspra- war Schmidt bereits im OCLC-Manage- mit der bewährten Offenheitsrichtlinie chiger Monografien in den Geistes- und ment aktiv und hat Gespür sowohl für von Ex Libris stellt das Developer Net- Sozialwissenschaften aus dem traditi- die Herausforderungen des Bibliotheks- work alle Ressourcen zur Entwicklung onellen Kaufmodell in ein modernes, marktes als auch für die Erwartungen von Anwendungen und Erweiterungen effizientes und kostensparendes Open der OCLC-Mitgliedsbibliotheken bewie- für die Produkte von Ex Libris bereit. Access-Modell. sen. Als Diplom-Ingenieur für Luft- und Darüber hinaus haben Entwickler von Ex Knowledge Unlatched ist als Crowd- Raumfahrttechnik und ergänzendem Libris und Mitarbeiter von Kundenbib- funding-Modell auf die Teilnahme vie- Wirtschaftsingenieurstudium bringt er liotheken mehr als 100 Blog-Einträge ler Bibliotheken in aller Welt angewie- für die neue Aufgabe ein umfangreiches zum Teilen von Anwendungen, Ideen, sen. Sie alle teilen sich die Kosten, um Wissen und Verständnis sowohl im tech- Tipps und Tricks veröffentlicht. Titel, die von renommierten Verlagen nischen als auch im kaufmännischen Be- Die von Alma täglich verarbeiteten zur Verfügung gestellt werden, für Open reich mit.

BuB 68 08-09/2016 465 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Olaf Eigenbrodt Nach dem Funktionalismus  Neue Wege in der Planung und Gestaltung von Bibliotheken

»Das darf und soll natürlich nicht heißen, daß die Funktion, die Nutzbarmachung eines Gebäudes, das Maß aller Dinge sein kann. Eine solche Deutung des Begriffs der Funktion stellt eine Perversion dar...«1

Dass der Funktionalismus in seiner missverstandenen Ausprägung der 1960er- bis 1980er- Jahre den Bibliotheksbau in eine Sackgasse geführt hat, ist schon im Eingangszitat dieses Beitrages erkennbar. Und spätestens seit den 1980er-Jahren erleben wir, zunächst im Bereich der Öffentlichen Bibliotheken, dort wesentlich inspiriert durch skandinavische Vorbilder, später aber auch im Bereich der Wissenschaftlichen Bibliotheken, hier mit der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen von Eckhard Gerber als wichtigem und nachwirkendem Meilenstein, eine Wende im Bibliotheksbau. Schon Fuhlrott et al beschrieben im oben zitier- ten Text eine Hinwendung zum Nutzer, insbesondere in Form von Freihandbeständen und mehr Arbeitsplätzen in der Bibliothek. Sie beklagen aber auch das strenge Rastermaß als eine der funktio- nalistischen Einschränkungen in Planung und Bau Wissenschaft- licher Bibliotheken.2

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat allerdings ein Paradig- menwechsel im Bibliotheksbau stattgefunden, der die Überlegun- gen, die Fuhlrott und seine Kollegen vor über 30 Jahren angestellt haben, in den Schatten stellt. Sowohl Öffentliche als auch Wissen- schaftliche Bibliotheken sind dabei, sich räumlich, technisch und funktional fundamental zu verändern. Dies hat sichtbare und ent- scheidende Auswirkungen auf die Art, wie Bibliotheken gebaut werden. In diesem Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, ob der sich entwickelnde neue Typus der Bibliothek mit den alten Metho- den und Prozessen der Bedarfsermittlung und Planung überhaupt darstellbar ist, oder ob wir nicht gemeinsam mit Architekten, Un- terhaltsträgern und unseren lokalen Gemeinschaften in Kommu- nen und Hochschulen neue Wege für eine erfolgreiche und nach- haltige Bibliotheksplanung beschreiten müssen.

466 Universitätsbib- liothek Freiburg: Bibliotheken sind Räume, die sich immer auch im Kontext realisieren. Foto: Olaf Eigenbrodt

Kurze Anmerkungen zum Paradigmenwechsel im Bedürfnisse im jeweiligen sozialen und kulturellen Kontext das Bibliotheksbau Bauen. Bibliotheken werden heute als städtebauliche Akzente ge- Man kann nicht behaupten, dass der im Folgenden skizzierte sehen, die mit anderen Kultur-, Bildungs- und Serviceeinrich- Paradigmenwechsel im Bibliotheksbau im Stillen und von der tungen nicht nur Gebäude teilen, sondern auch kooperieren. Fachöffentlichkeit unbemerkt stattfände. Schon seit den frühen Die wichtigsten, wenn auch nicht einzigen Flächen von Biblio- 2000er-Jahren ist die Literatur voll von Überlegungen, wie Bib- theken sind multifacettierte, hochflexible Bereiche ohne dauer- liotheken räumlich auf die sich verändernden technischen, so- hafte Funktionszuschreibung. Sie werden wahlweise als Lern- ziologischen und kulturellen Rahmenbedingungen reagieren und Arbeitsumgebungen, Kreativbereiche (Makerspace et ce- sollten. In der Praxis haben sich kreative Kollegen und Planer, tera), Veranstaltungsorte und Servicebereiche genutzt, wobei immer auch gestützt auf das Studium schon vorhandener Best diese unterschiedlichen Facetten gleichzeitig oder in zeitlicher Practice, in Richtung neuer räumlicher Lösungen vorgetastet. Abfolge aufgerufen werden. Konkret kann man den Paradigmenwechsel am allmähli- Diese neuen Raumarrangements sind eine besondere ge- chen Wandel von der Bestands- und Geschäftsgangszentrie- stalterische Herausforderung, sind hochtechnisiert, auf ver- rung zunächst zur Nutzerorientierung und im weiteren Ver- schiedene Weise vernetzt und spiegeln den grundlegenden lauf zur Fokussierung auf soziale Aspekte der Kommunikation Wandel von Arbeits- und Lernkultur, sozialer Interaktion und und Vernetzung festmachen. War die Bibliothek früher baulich Technik wider. Die Konvergenz materieller und digitaler Ange- einseitig auf ihre Rolle als Anbieterin publizierter Information bote, die sich unter anderem in multiplen Interfaces und einer ausgerichtet, wird der Bibliotheksraum heute als interaktiver Dynamisierung der Bestandspräsentation ausdrückt, soll darü- Ort der zufälligen sowie gesteuerten Begegnung gesehen.3 Als ber hinaus im physischen Raum erlebbar werden, ohne traditi- Raum, der immer eine Facette verschiedener Funktionen eröff- onelle räumliche Qualitäten von Bibliotheken komplett zu ver- net, ist er nicht mehr mit einem Begriff allein zu erfassen, son- drängen. Dazu sind jedoch neue Typologien erforderlich, die dern bedarf einer differenzierten Betrachtung.4 mit den herkömmlichen architektonischen Auffassungen des Dies spiegelt ein insgesamt neues Raumverständnis, das Bibliotheksraums brechen.5 in den Sozial- und Kulturwissenschaften auch als Spatial Turn bezeichnet wird. Bezogen auf den Raum der Bibliothek be- deutet dies, dass nicht mehr der gebaute Raum der Bibliothek Mit den alten Werkzeugen neue Bibliotheken planen? allein das Geschehen in und die Funktion der Bibliothek de- finiert, sondern dass die Beziehungen von Menschen im und Die von Unterhaltsträgern, Verwaltungen und auch Planern zum Raum, ihre Erwartungen und ihre Verhältnisse unterei- präferierten herkömmlichen Planungsinstrumente sind insbe- nander, gleichwertige Konstituenten des Bibliotheksraumes sondere aus Perspektive der Wirtschaftlichkeit, Effizienz und sind. Verkürzt könnte man sagen, dass nicht mehr die Archi- Transparenz für das öffentliche Bauen fundamental. Sie sind tektur die Menschen verändern soll, sondern die individuellen allerdings nicht geeignet, die politisch erwünschten Ziele von

BuB 68 08-09/2016 467 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Dokk1, Aarhus: Nutzerbeteiligung ist kein Alibi, sondern Vorausset- zung für nachhal- tige Planung. Foto: Olaf Eigenbrodt

mehr Partizipation, Nachhaltigkeit und Flexibilität zu errei- wirtschaftlichen Grundlagen für die Bedarfsplanung von Biblio- chen, die heute für öffentliche Bauvorhaben postuliert werden. theken. Im Kontext der damaligen Idee eines nach rein rationa- Dies gilt insbesondere auch für Bibliotheken, die zusätzlich die len Kriterien steuerbaren öffentlichen Sektors, der den Anspruch oben beschriebenen architektonischen Herausforderungen zu hatte, überall in der Bundesrepublik vergleichbare Lebensver- meistern haben.6 hältnisse und Standards zu erreichen, war dies nachvollziehbar. Der klassische Ausgangspunkt der Bibliotheksplanung war Insbesondere für die damaligen Neubauaktivitäten im Hoch- und ist die kennzahlengestützte, geschäftsgangorientierte Ab- schulbereich wäre man ohne die Kennzahlen und zugrunde ge- fassung von Bedarfsprogrammen. Ausgehend von der Vorstel- legten Rastermaße wohl auch nicht so schnell vorangekommen. lung, jede Bibliothek ließe sich aus den seit dem 19. Jahrhun- dert im Kern unveränderten Modulen Bestandsaufstellung, Pu- Planung muss zukünftig als ein Prozess blikumsbereich und Administration zusammensetzen, wurde gesehen werden, der unter Beteiligung der für jeden dieser Bereiche ein Set von Kennzahlen entwickelt. verschiedenen Interessengruppen über Auch wenn die von Fuhlrott et al beschriebene Nutzerorientie- verschiedene Zwischenschritte zu einem rung eine Durchmischung der strengen räumlichen Dreiteilung mit sich brachte, hat sich das Prinzip bis heute erhalten. Ergebnis kommt, das individuell auf den Im Kern haben sich weder der DIN-Fachbericht 137 – trotz jeweiligen Bibliotheksraum in seinem seiner diversen Erweiterungen in Fokus und Zielgruppen – städtebaulichen, sozialen und kulturellen noch die vom heutigen Deutschen Zentrum für Hochschul- Kontext zugeschnitten ist. und Wissenschaftsforschung (DZHW) aus Hannover8 oder den Fachstellen9 vorgelegten Kennzahlen von diesem Paradigma entfernt. Dies ist auch von dem in Arbeit befindlichen Norm­ Das Ergebnis waren im Wesentlichen austauschbare, aus den entwurf einer DIN 67700 zu erwarten. Im Gegenteil, da eine immer gleichen Modulen zusammengesetzte Gebäude, die Norm beansprucht, den Stand der Technik abzubilden, wird sie zwar in sich als Bibliothek identifizierbar, aber nicht kontext- weit starrer im Umgang mit den Kennzahlen sein müssen als ihr bezogen waren. Hinzu kommt, dass die Kennzahlen sich teil- Vorgänger, der DIN Fachbericht 13. Dies geschieht genau zu ei- weise untereinander widersprechen beziehungsweise in Wider- ner Zeit, in der die Menge und Breite der normativen Regulie- spruch zu Kennzahlen aus anderen Bereichen (etwa Verwal- rung im Bauwesen unter anderem aus Gründen der Wirtschaft- tungsbauten der öffentlichen Hand) stehen, sodass es selbst für lichkeit und Praktikabilität infrage gestellt wird.10 Experten schwierig wird, den Überblick zu behalten. Die Entwicklung der Kennzahlen, die seit den 1960er-Jahren Während die vorliegenden Kennzahlen einerseits über- forciert wurde, beruhte auf dem Bedarf nach verlässlichen und regulieren, kommen neuere Raumkonzepte und Funktionen

468 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

gar nicht vor und haben damit keine Planungsgrundlage, was Diese Unsicherheit und die wachsende Kluft zwischen wirk- sich in der Prüfung von Raumprogrammen immer wieder ne- lichem Bedürfnis und ermitteltem Bedarf haben schon in den gativ bemerkbar macht. Unterhaltsträger und Aufsichtsbe- letzten Jahren dazu geführt, dass geprüfte Bedarfsprogramme hörden werden durch die Kennzahlen in der falschen Sicher- und Konzepte mehr und mehr zum Ergebnis von Aushand- heit gewogen, alles Notwendige sei abgedeckt. Die verbrei- lungsprozessen wurden. Unterhaltsträger entscheiden, welche tete Reaktion der Bibliotheksplaner darauf ist wiederum das Bibliothek sie sich in welcher räumlichen Aufstellung leisten Spiel mit Bestands- und Bedarfszahlen und ein Kampf um können oder wollen. Dabei spielen dann weniger Flächenbe- jeden Quadratmeter, auf dem man dann später innovative, rechnungen für einzelne Module eine Rolle als wirtschaftliche normativ nicht existente, Flächen verwirklichen kann. Dies und politische Erwägungen.11 Letztendlich wächst der einzel- wird dann im weiteren Planungsprozess stillschweigend ge- nen Kommune oder Hochschule die Verantwortung zu, eine duldet, da die Unterhaltsträger den Bedarf anerkennen und Entscheidung über die räumliche Qualität ihrer zukünftigen das Dilemma nachvollziehen können, in das die Fixierung auf Bibliotheksversorgung zu treffen. Dabei spielen Beratung, Be- Kennzahlen in der Bedarfsermittlung den Planungsprozess teiligung und ein neues Planungsverständnis eine entschei- bringt. Die kennzahlengestützte Bedarfsplanung von Biblio- dende Rolle. theken bedarf daher einer dringenden kritischen Überprü- fung und Revision. Ein weiterer wichtiger Faktor im Planungs- Planung muss zukünftig als ein Prozess gesehen werden, prozess ist die Nutzerbeteiligung geworden. der unter Beteiligung der verschiedenen Interessengruppen über verschiedene Zwischenschritte zu einem Ergebnis kommt, das individuell auf den jeweiligen Bibliotheksraum in seinem Die Schwierigkeit liegt dabei in der Übertragung von Ideen aus städtebaulichen, sozialen und kulturellen Kontext zugeschnit- Literatur oder konkreter Praxis auf die individuelle Situation. ten ist. Dies gilt sowohl für Öffentliche als auch für wissen- In Ländern mit weniger starren Planungsabläufen wie etwa den schaftliche Bibliotheken. USA ist es etablierte Praxis, dass sich Unterhaltsträger und Bib- liotheken Berater an ihre Seite holen, die den Planungsprozess begleiten. Auch in Deutschland ist aufgrund der beschriebenen Neue Wege der Bibliotheksbauplanung Veränderungen ein zunehmender Schulungs- und Beratungs- bedarf zu erkennen. Die Fachstellen leisten von jeher wertvolle Auch wenn die normative Verwendung von Kennzahlen als sta- Unterstützung bei der Konzeption und Planung von Bauvorha- tisches Gerüst der Bedarfsermittlung kritisch revidiert werden ben, aber auch der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) und der muss, bedeutet dies nicht, dass Kennzahlen in der praktischen Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB) Verwendung für die Planung obsolet wären. Da sie aber neue haben darauf bereits mit der Einrichtung einer gemeinsamen Flächenbedarfe und Einrichtungsformen nicht berücksichti- Baukommission reagiert.12 gen, muss in der individualisierten Bedarfsermittlung anhand Ein weiterer wichtiger Faktor im Planungsprozess ist die von Best Practice und Kennzahlen aus anderen Bereichen ein Nutzerbeteiligung geworden. Allmählich setzt sich die Er- dem Konzept angepasstes Raumprogramm entwickelt werden. kenntnis durch, dass an der Gestaltung interaktiver und

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BuB 68 08-09/2016 469 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

kreativen Prozesses verschiebt, in denen nicht mehr exklusiv den Architekten ge- stalterische und den Bibliothekaren kon- zeptionelle Aufgaben zukommen. Sie sind vielmehr spezifisch und individuell auf das jeweilige Projekt zugeschnitten, da sie auf den Kontext und die Interaktion der Be- teiligten reagieren müssen. Die Einbezie- hung von Laien und die Gestaltung und Konzeption offener, interaktiver Räume erfordert Ansätze, die unter dem Begriff Design Thinking zusammengefasst wer- den können. Dazu gehören wiederholte Folgen von Inspiration und Ideenbildung, aus denen versuchsweise Entwürfe und Prototypen resultieren, die sich entweder in der Dis- kussion mit den Beteiligten bewähren oder wieder verworfen und neu überdacht wer- Universitätsbibliothek Konstanz: Multifacettierte Flächen lassen sich nicht mit herkömmli- den. Als kreative Gestalter sind Architekten chen Kennzahlen darstellen. Foto: Olaf Eigenbrodt von Haus aus mit solchen Prozessen ver- traut, sind es aber in klassischen Abläufen partizipativer Räume auch die Nutzer dieser Räume beteiligt öffentlichen Planens und Bauens in der Regel nicht gewohnt, werden sollten.13 jenseits von Expertenkontakten ihre Entwürfe zur Diskussion zu stellen. Bibliotheken fangen gerade erst an, sich mit Design Partizipation setzt voraus, dass nicht eine Thinking auseinanderzusetzen. So wurde unter anderem in abgeschlossene Planung durch kosmetische Zusammenarbeit mit der schon erwähnten Bibliothek von Aar- Maßnahmen in Richtung der Nutzer- hus ein Toolkit entwickelt, mit dem Bibliothekare Design Thin- 14 erwartungen verschoben wird, sondern dass king-Prozesse selbst konzipieren und durchführen können. die artikulierten Bedürfnisse bis hin zu einer grundlegenden Revision der Planung Fazit ernstgenommen werden. Die Abwendung von einer rein funktionalistischen Auffassung der Bauaufgabe Bibliothek, die im Übrigen auch nie von allen Prominentestes Beispiel eines solchen partizipativen Pla- Bibliothekaren und Architekten vertreten wurde, war zunächst nungs- und Bauprozesses ist das Dokk1 im dä- nischen Arhus. Vom ersten Konzept bis in die Realisierungsphase hat die Bibliothek ein um- fangreiches, wissenschaftlich und fachlich beglei- tetes Beteiligungskonzept realisiert und damit im Bibliotheksbau neue Wege beschritten. Die mitt- lerweile etablierten und sich weiter entwickeln- den Methoden der reinen Nutzerforschung wer- den durch aktive Beteiligung in kreativen Forma- ten ergänzt. Partizipation in diesem Sinne setzt jedoch voraus, dass nicht eine abgeschlossene Planung durch kosmetische Maßnahmen in Rich- tung der Nutzererwartungen verschoben wird, sondern dass die artikulierten Bedürfnisse bis hin zu einer grundlegenden Revision der Planung ernst genommen werden. Beratung und Partizipation sind wichtige Werkzeuge in einem Gesamtprozess, der sich ins- gesamt von einem statischen, genauen Regularien Kreative und partizipative Prozesse sind Voraussetzung für neue Wege der Planung. folgenden Ablauf in Richtung von dynamischen, Foto: Olaf Eigenbrodt

470 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

durch eine Verschiebung in Richtung der Nutzerinteressen be- dingt. In den letzten zwei Jahrzehnten haben wir jedoch einen Olaf Eigenbrodt ist Leiter der Paradigmenwechsel im Bibliotheksbau erlebt, der viel tiefgrei- Hauptabteilung Benutzungs- fender die Definition der Bibliothek selbst und ihres materiel- dienste, Beauftragter für Bau len Raums betrifft. Damit einher geht ein allgemeiner Wandel und Sicherheit sowie Vertre- in der Auffassung vom Raum als Teil eines sozialen Gefüges. ter der Fachaufsicht an der Staats- und Universitätsbib- Es müssen alle Beteiligten, also auch die liothek Hamburg Carl von Os- Bibliotheken selber, daran arbeiten, sich aus sietzky. Er forscht zu Fragen von teilweise selbst auferlegten Kennzahlen, Bibliotheksbau und -technik, Bi- Richtlinien und Normen zu befreien, wo diese bliothekssoziologie, Konvergenz materieller und digitaler Angebote sowie zum Innovations- einen zeitgemäßen Planungsprozess eher management in Bibliotheken. Als Lehrbeauftragter unter- behindern als befördern. richtet er an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie an der Bayerischen Bibliotheksakademie in München. Er ist Mitglied nationaler und internationaler Beiräte und Kom- Ungeachtet des Fortbestehens klassischer Elemente ist insge- missionen und ist einer der Herausgeber dieser Zeitschrift. samt die Typologie von Bibliotheksräumen infrage gestellt. Bi- bliotheken und ihre Räume werden dynamischer und interak- tiver. Dies stellt die traditionelle Planung von Bibliotheken mit ihren starren, kennzahlengestützten und geschäftsgangorien- den einschlägigen Länderverordnungen geregelt sind, noch zur tierten Abläufen vor unlösbare Probleme. Wie auch in anderen herkömmlichen Arbeitsweise von Architekten nach der Hono- Bereichen des öffentlichen Bauens werden politische Aushand- rarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) passen. lungs- und Entscheidungsverfahren, partizipative Planungsan- Hier ist nicht nur die Politik gefordert, kreative Freiräume zu sätze und kreative Prozesse unter Einbeziehung von Experten eröffnen, ohne auf geordnete und wirtschaftliche Verfahren zu und interessierten Nutzern immer wichtiger. verzichten. Vielmehr müssen alle Beteiligten, also auch die Bi- Dadurch entstehen einige Herausforderungen, da die bliotheken selber, daran arbeiten, sich aus teilweise selbst auf- neuen Planungsansätze weder zu den Regularien des öffentli- erlegten Kennzahlen, Richtlinien und Normen zu befreien, wo chen Bauens, wie sie etwa in den Richtlinien für die Durchfüh- diese einen zeitgemäßen Planungsprozess eher behindern als rung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) beziehungsweise befördern.

1 Rolf Fuhlrott, Gerhard Liebers, Franz-Heinrich Philipp: Einige Handreichung zu Bau und Ausstattung Öffentlicher Bibliotheken, Gedanken zum Bibliotheksbau der siebziger Jahre in der Bundes- Neustadt/Weinstraße, 2012 republik Deutschland. In: Dies. (Hrsg.): Bibliotheksneubauten in 10 So kritisiert die Baukostensenkungskommission des Bündnisses der Bundesrepublik Deutschland 1968-1983, Frankfurt a.M., 1983 bezahlbares Wohnen und Bauen beim BMUB ein zu umfang- (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderheft reiches und nicht überschaubares Regelwerk im Baubereich. 39), S. XVII-XXII, S. XX Siehe dazu Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau 2 Ebd. und Reaktorsicherheit: Bündnis für bezahlbares Wohnen und 3 Helen Niegaard: Digital Drive and Room for Contemplation: Bauen: Bericht der Baukostensenkungskommission, 2015, S. 80 Library Transformation – International Tendencies. In: Dies., Jens – www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/ Lauridsen, Knud Schulz (Hrsg.): Library Space: Inspiration for Wohnungswirtschaft/buendnis_baukostensenkungskommission_ Buildings and Design, Kopenhagen, 2009, S. 14-22, S. 16 bf.pdf (letzter Zugriff 21.7.2016) 4 Vgl. zuletzt in dieser Zeitschrift etwa Corinna Haas: Ein komple- 11 Zu den aufwendigen Abstimmungsprozessen, die schon in einem xes Ganzes: Bibliotheken sind mehr als Dritte Orte; Plädoyer für klassischen Planungsprozess notwendig sind, um ein neues Kon- eine differenzierte Betrachtung. In: BuB - Forum Bibliothek und zept umzusetzen vgl. Felicitas Hundhausen: Verfahrensschritte Information 67/7 (2015), S. 440-443 zur Realisierung eines innovativen Bauvorhabens: Das Beispiel des Gemeinsamen Bibliotheksgebäudes von Universität und 5 Vgl. Olaf Eigenbrodt: Veränderte Kontexte und Funktionen: Ansätze Hochschule Osnabrück auf dem Campus Westerberg. In: Petra einer neuen Typologie für Wissensräume. In: ders., Richard Stang Hauke, Klaus-Ulrich Werner (Hrsg.): Praxishandbuch Biblio- (Hrsg.): Formierungen von Wissensräumen - Optionen des Zugangs theksbau: Planung – Gestaltung – Betrieb, Berlin; Boston, 2016, zu Information und Bildung, Berlin; Boston, 2014, S. 22-3. S. 72-100 6 Nebenbei bemerkt erleben wir im Hochschulbau allgemein und im 12 www.bibliotheksverband.de/fachgruppen/kommissionen/bau- Museumsbau eine ähnliche Entwicklung. kommission.html (letzter Zugriff 21.7.2016) 7 DIN Fachbericht 13: Bau- und Nutzungsplanung von Bibliotheken 13 Vgl. Jens Ilg, Robert Zepf: Partizipatives Gestalten. In: Petra und Archiven, Berlin, 2009 Hauke, Klaus-Ulrich Werner (Hrsg.): Praxishandbuch Biblio- 8 Bernd Vogel; Silke Cordes: Bibliotheken an Universitäten und theksbau: Planung – Gestaltung – Betrieb, Berlin; Boston, 2016, Fachhochschulen: Organisation und Ressourcenplanung, Hanno- S. 295-307 ver, 2005 [Hochschulplanung 179] 14 Im Internet auf der Seite http://designthinkingforlibraries.com/ 9 Fachkonferenz der Bibliotheksfachstellen in Deutschland (Hrsg.): abrufbar (letzter Zugriff 21.7.2016)

BuB 68 08-09/2016 471 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Erno de Groot Het Eemhuis: Ein Bibliothekskonzept für die nächste Generation

Entwicklung der Schriftkultur – informierte Bürger – sozialer Zusammenhalt

Der Beitrag stellt am Beispiel des Het Eemhuis die Biblio- unter dem Titel »Bibliothek in der Schule« ein sehr effizientes thekslandschaft der Stadt Amersfoort und ihrer Umgebung und aus Sicht der Bibliotheken wichtiges Programm für die vor. Hier lässt sich anschaulich zeigen, auf welche Art und Grundschulen entwickelt. Die Schriftkultur spielt natürlich Weise sich niederländische Bibliotheken von der traditio- auch für alle anderen Literaturliebhaber eine entscheidende nellen Funktion der Buchausleihe zu Einrichtungen gewan- Rolle. Dies wird unter anderem durch Leseclubs und Autoren- delt haben, die Zentren für informelle Bildung und persön- treffen gefördert, die allerdings nicht kostenlos sind. Das Lesen liche Entwicklung sind, deren Aktivitäten den sozialen steht im Mittelpunkt. Aspekt der Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellen. Die Vermittlung von Informationen ist eine der Hauptfunk- tionen Öffentlicher Bibliotheken. Die Fülle an Daten und Infor- Das Bibliothekssystem Eemland besteht aus sieben Biblio- mationen ist enorm, und immer mehr Menschen fühlen sich theken, fünf sogenannten Wohnzimmerbibliotheken, einem angesichts dieser Menge überfordert. In den Niederlanden ha- Servicepunkt und einer öffentlichen Schulbibliothek. Es ver- ben wir zum Beispiel ein Programm für den Umgang mit elekt- sorgt fünf kooperierende Gemeinden im Nordwesten der ronischen Behördendiensten (E-Government) entwickelt. Wie Provinz Utrecht zwischen Utrecht und Amsterdam. Die Ge- beantragt man eine Baugenehmigung, ein Zahlungsverfahren meinden gehören zu einer der am schnellsten wachsenden oder andere Dienste, die nur digital zur Verfügung stehen? Die Regionen in der Niederlanden mit einer sehr jungen Bevöl- Öffentlichen Bibliotheken haben eine Lizenz für die Ausfüh- kerung und derzeit circa 250 000 Einwohnern (siehe auch: rung dieses Programms. www.bibliotheekeemland.nl/over-ons/wie-zijn-we.html). Dies ist nur ein Beispiel für die neuen Funktionen einer Öf- fentlichen Bibliothek. Jüngst wurde ein ähnlicher Service für Steuerangelegenheiten eingerichtet. Für lokale Informationen Strategische Voraussetzungen arbeiten wir mit einem regionalen Sender und dem Herausge- ber einer Lokalzeitung über deren Internetseiten zusammen. Die Strategie des Bibliothekssystems Eemland verfolgt für die Mit dem »lokalen Medienzentrum« haben die Partner eine nächsten drei Jahre drei Hauptziele: Entwicklung der Schrift- Plattform geschaffen, auf der regelmäßig alle zwei Wochen dis- kultur, informierte Bürger, sozialer Zusammenhalt. kutiert wird, welche Themen Medienaufmerksamkeit bekom- In der Leseförderung stehen das Lesen mit Kindern schon men und in welcher Form sie präsentiert werden sollen. im Vorschulalter und das Geschichtenerzählen der Eltern auch Die Einbeziehung der Bibliotheken in den sozialen Sektor für größere Kinder im Mittelpunkt. Das Bibliothekssystem hat ist relativ neu. In den Niederlanden erfolgt das durch einen

472 Futuristische Architektur: Die Außenansicht des Gemeinschaftsprojekts Het Eemhuis. Fotos: scagliolabrakkee ©neutelings riedijk architects

Prozess der Deregulierung. Die Zentralregierung überträgt Quadratmetern, das auch eine Kunstschule, ein Museum für Aufgaben an die Kommunalverwaltungen. Um diese zu erfül- moderne Kunst und ein Archiv sowie ein Restaurant, einen Mu- len, bitten die Gemeinden die Bibliotheken um Unterstützung. seumsshop und die Büros von vier Organisationen beherbergt. Bei diesen Aufgaben geht es zum Beispiel um Seniorenbetreu- Entworfen wurde das Gebäude von dem Architekten Michiel ung, etwa um die Organisation von Kaffeestunden in der Bib- Riedijk des Architekturbüros Neutelings Riedijk aus Rotterdam. liothek, die sowohl als geselliger sozialer Treffpunkt als auch Bei unserem Bibliothekskonzept haben wir unsere Zielgruppen zur Auswahl von Medien genutzt werden können. Auch die Ju- in den Mittelpunkt gestellt. gendarbeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Programmar- Die Bibliothek soll ein Zentrum für informelles Lernen, ge- beit. Die Bibliotheken bieten Hausaufgabenhilfe und außer- meinsame Aktivitäten sowie sozialer Treffpunkt sein. Der Be- schulische Aktivitäten an. stand wird nach den Grundsätzen des Einzelhandels präsen- Den Medienbestand als Fundament aller Aktivitäten darf tiert. Durch ihre Gestaltung steht der Besucher im Mittelpunkt. man keinesfalls vernachlässigen. Daher sind wir ständig um Beim Betreten des Gebäudes soll man sich sofort willkommen dessen hohe Qualität bemüht, zum Beispiel durch die Opti- fühlen in einer Umgebung des Lesens, Lernens und Studierens, mierung der Bestandsvermittlung und dessen attraktive und in der man sich gerne aufhält. abwechslungsreiche Präsentation. Angesichts dieser Schwer- punktverlagerungen wird das Gebäude als solches scheinbar Das Zentrum der Stadt Amersfoort wächst immer unwichtiger. Teilweise stimmt das, denn die Bibliothek und gedeiht, und dieses Projekt ist tritt aus dem Gebäude heraus und geht auf Zielgruppen vor Ort Bestandteil der Stadtentwicklung. zu, aber nicht in jeder Hinsicht. Daher fiel der Entschluss zum Neubau einer Zentralbibliothek für Amersfoort und die umlie- genden Gemeinden. Die Bibliothek ist etwa 5 000 Quadratmeter groß. Planmäßig beantragten wir damals 200 Nutzerarbeitsplätze, aber das war vor der Einführung von WLAN. Laptops waren zu jener Zeit Het Eemhuis sehr teuer und Tablets waren noch nicht serienreif. Im Laufe der Jahre passten wir uns den Neuerungen an: weniger PC-Ar- Die neue Zentralbibliothek wurde 2014 nach zehnjähriger beitsplätze (circa 60), dafür aber sehr schnelles WLAN im gan- Planung und Entwicklung eröffnet. Sie befindet sich im »Het zen Gebäude. Jeder Arbeitsplatz hat einen eigenen 220V-An- Eemhuis«, einem Gebäude mit einer Grundfläche von 16 000 schluss – genau das, was Lernende brauchen.

BuB 68 08-09/2016 473 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Blick in das ...

... stufenförmig angelegte ...

474 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

... Innere der Bibliothek ...

... und auf die darüber liegende Dachterrasse.

BuB 68 08-09/2016 475 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Auf Wunsch der Bibliothek befinden sich die zentralen übergangslos in das Gebäude integriert. Im Erdgeschoss wird Funktionsbereiche wie Abholung vorgemerkter Medien, Medi- der städtische Platz zu einer überdachten Plaza, die sich zu ei- enrückgabe und Selbstverbuchung im Eingangsbereich der Bi- ner stufenförmig angelegten Bibliothek erweitert. Oben mündet bliothek im Erdgeschoss. Dies geschah insbesondere unter dem der Raum in eine offene Galerie mit Blick über die Stadt. Darü- Aspekt der Zugänglichkeit. ber befindet sich das Archiv, das die scheinbar schwebende Raum- decke bildet. Im Dachgeschoss des Gebäudes ist die Kunstschule untergebracht. Die drei separaten Kunstabteilungen finden Aus- Kooperation mit den Architekten druck in den drei würfelförmigen Vorbauten, die über dem Kom- plex thronen.« Der Entwurf für Het Eemhuis stammt von dem Architektur- büro Neutelings Riedijk. Das Rotterdamer Büro genießt insbe- sondere in den Niederlanden ein hohes Ansehen unter anderem Einrichtung für Entwürfe und Bauten aus dem Kultur- und Bildungsbereich. Amersfoort war allerdings die erste Bibliothek, die sie gestal- Der Architekt sollte sich nach Vorgabe der Kommune auch ten sollten, also wurden in vielen Gesprächen die Aufgaben und um das Innendesign kümmern. Es ist nicht selbstverständlich, die Funktionen einer Öffentlichen Bibliothek thematisiert und dass der Architekt eines Gebäudes auch alles über die zweck- andere, bereits fertiggestellte Bibliotheken wurden gemeinsam mäßige Innengestaltung von Bibliotheken weiß. Wir beschlos- besucht. In jenen Jahren von 2005 bis 2008 waren die Öffent- sen daher, einen Experten für Bibliotheksdesign und -technik liche Bibliothek in Amsterdam und die des niederländischen zur Unterstützung des Architekten zu beauftragen. Eine gute Architekten Rem Koolhaas (OMA) in Seattle Beispiele für eine Entscheidung, denn in vielen Fragen spielte dieser Berater eine neue Denkweise. Anschließend entwarfen Neutelings Riedijk wichtige Rolle. Dennoch mussten wir später noch einige Pro- auch die Bibliothek in Arnheim. Heute sind sie weltbekannt, bleme lösen. Die Sammlung ist nach Interessenkreisen geord- das renommierte Magazin El Croquis gab zwei Sonderausga- net. Wichtig bei der Präsentation sind die sogenannten Ausstel- ben zu ihren Bauwerken heraus. lungstische, allerdings waren diese für eine gute Präsentation zu hoch. Die Bücherregale hingegen waren zu niedrig. Da die Wir können 1,5 Millionen Buchrückgaben pro gesamte Innenausstattung aus Holz ist, konnten wir die Prob- Jahr mit relativ geringem Personaleinsatz leme aber lösen. abwickeln. Ein besonders wichtiger Teil der Bibliothek ist die Buchsor- tieranlage. Sie muss in der Lage sein, 17 verschiedene Gruppen auf drei Ebenen zu sortieren. Folglich waren in dieser Anlage Das Büro musste vier verschiedene Funktionen und einen all- sowohl ein horizontaler als auch ein vertikaler Transport vor- gemein zugänglichen Bereich miteinander in Einklang bringen. zusehen. Die Konstruktionsfirma musste daher eine Spezialan- Nicht ganz einfach war auch die Tatsache, dass die Kommune lage anfertigen und eine ganz neue Technologie einsetzen. Das Kunde und Bauherr war. So waren mindestens fünf Parteien ist ihnen gut gelungen: Wir können 1,5 Millionen Rückgaben involviert. Het Eemhuis ist auch Teil eines neuen urbanen Plat- pro Jahr mit relativ geringem Personaleinsatz abwickeln. zes. Das Zentrum der Stadt Amersfoort wächst und gedeiht, und dieses Projekt ist Bestandteil der Stadtentwicklung. So nahm nicht zuletzt die Leitung der Stadtentwicklung gewissen Zusammenarbeiten Einfluss auf Planung und Ausführung. Das Ergebnis dieses Prozesses beschreiben die Architekten Het Eemhuis soll ein kultureller Hotspot sein. Daher sind ge- wie folgt: meinsame Planung und Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Ein »Das Gebäude ist wie ein vertikaler Stapel der einzelnen schwieriges Unterfangen, da die vier beteiligten Institutionen Funktionen konzipiert, das öffentliche Leben wird scheinbar unterschiedliche Zielgruppen und Interessen haben. Diese

Het Eemhuis

Stadt Amersfoort: 150 000 Einwohner Region Eemland: 250 000 Einwohner Eröffnung: 2014 Architekten: Neutelings Riedijk Architekten, Rotterdam Nutzfläche Bibliothek: 5 000 Quadratmeter Arbeitsplätze: 200, davon 60 PC-Arbeitsplätze Medienbestand: 210 000, davon 180 000 Bücher

476 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Herausforderung wurde durch die Erarbeitung eines gemein- samen Leitbildes gelöst, das von allen mitgetragen wird. So Erno de Groot ist seit 1982 auf verschiedenen Positionen konnten die einzelnen Beteiligten mit der Zusammenarbeit be- im Bibliothekswesen tätig. Von 1998 bis 2002 war er für ginnen. Wir kooperieren bei der Planung, bei Ausstellungen, die Öffentlichen Bibliotheken der Provinz Nord-Brabant im Marketing und Kommunikationsbereich, in Personalfra- zuständig. 2002 bis 2007 war er Direktor der Bibliothek gen und in vielen anderen Dingen. Das Ergebnis ist ein Joint Amersfoort. Seit 2008 leitet er das Bibliothekssystem Venture, dessen Führung die vier Leiter in einem monatlichen Eemland und ist in dieser Position seit 2014 Direktor der Meeting übernehmen. Bibliothek in Het Eemhuis.

Seit der Eröffnung im Mai 2014 besuchten mehr als zwei Millionen Menschen die und so weiter) wurde eine spezielle Beratungsfirma beauftragt. Bibliothek im Het Eemhuis. Das Gebäude ist Das Budget musste aufgeteilt werden; ein Schlüssel für die Ver- das Aushängeschild und von großer Bedeutung teilung ist die Raumnutzung. Die Bibliothek nimmt etwa 36 Prozent des Gebäudes in Anspruch. Dies alles kostete viel Zeit. für den Erfolg der Bibliothek. Die größten Probleme stellten die Raumaufteilung und die Fi- nanzierung dar.

Planung und Konstruktion des Gebäudes waren für die vier be- teiligten Institutionen sehr aufwendig. Sie mussten sich über Epilog viele Punkte einigen, und die Interessen stimmten nicht immer überein. Durch ihre Lage im Erdgeschoss liegt die Bibliothek Seit der Eröffnung im Mai 2014 besuchten mehr als zwei Mil- im Fokus der Aufmerksamkeit der Besucher, aber andere woll- lionen Menschen die Bibliothek im Het Eemhuis. Eine Million ten ebenfalls ins Blickfeld geraten. Es gab einige Meinungsver- pro Jahr. Das Feedback ist positiv, das Publikum begeistert. Seit schiedenheiten über die Räumlichkeiten für allgemeine Zwe- die Bibliothek im Het Eemhuis eröffnet hat, ist sie in das Blick- cke und natürlich über die Finanzierung. Mit der Budgetpla- feld vieler Organisationen geraten, die die Zusammenarbeit bei nung für das Nutzungsmanagement (Energieversorgung, Projekten suchen. Das Gebäude ist das Aushängeschild und von Steuern, Versicherungen, Reinigung, Gebäudemanagement großer Bedeutung für den Erfolg der Bibliothek.

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BuB 68 08-09/2016 477 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Julia Bergmann, Anja Flicker Ein Ort für • Kreativität, • Mitgestaltung, • Inspiration  Würzburg plant mithilfe der Methode »Design Thinking« eine neue Stadtteilbibliothek

Aarhus in Dänemark hat gezeigt, wie gut »Design Thinking« Sie dient als Netzwerkzentrum für die unterschiedlichen Al- funktioniert. Dort hat man mit diesem Ansatz eine Biblio- ters- und Interessengruppen, als Begegnungsort und Informa- thek entwickelt, die den Bedarf der Menschen trifft, weil sie tionsknotenpunkt. Die »Bücherei« ist ein Ort der Medien und gemeinsam mit den Menschen entwickelt wurde. In Würz- der Medienkompetenz – analog und digital. Als Aufenthalts- burg wird das partizipative Planungsinstrument nun beim und Veranstaltungsort unterstützt sie die Kommunikation im Aufbau einer neuen Stadtteilbibliothek angewendet. Stadtteil, wirkt dadurch identitätsstiftend und fördert die Ent- wicklung einer lebendigen Stadtteil-Gesellschaft. In Würzburg gibt es zurzeit eine Gelegenheit, wie sie die meis- Soweit die Vision, an der wir im Team der Stadtbücherei ten Stadtplaner nur einmal im Leben bekommen: Neben der Würzburg schon seit einigen Jahren gedanklich basteln: Uni am Hubland können sie einen ganz neuen Stadtteil schaf- • 2010: Gelände »Am Hubland« geht in den Besitz der fen. Seit den Fünfzigerjahren wurde das Areal vom US Militär Stadt Würzburg über. Die Idee eines neuen Standorts der Stadt- als Airbase genutzt und war für die Würz- bücherei keimt auf. In Abstimmung mit den burger Bevölkerung gesperrt. Bereits vor Stadtplanern wird der »Tower« als mög- dieser Zeit war auf dem Gelände ein Flug- licherweise geeignetes Gebäude identifi- feld für militärische Zwecke. Jetzt entsteht ziert. Der »Tower« wurde in den 1920er-Jah- dort, am östlichen Rand Würzburgs, ein ren zur Überwachung des Flugbetriebes ge- nagelneuer Stadtteil, der im Süden direkt baut; er ist eines der wenigen bestehenden an den Uni-Campus grenzt. Gebäude, die erhalten bleiben werden. Auch für die Stadtbücherei Würzburg • 2011: Das Team der Stadtbücherei ist es eine Chance, von Anfang an mitzuge- erarbeitet Funktionen und Angebote einer stalten. Unser Ziel ist ein neuer Standort für möglichen neuen Stadtteilbücherei und setzt die Stadtbücherei. Wir sind der Überzeu- diese in ein konkretes Raumprogramm für die gung, dass eine Bibliothek gerade für eine Flächen im Erdgeschoss und Basement (je- neu entstehende soziale Gemeinschaft we- weils circa 200 Quadratmeter) des Tower um. sentliche Funktionen übernehmen kann. • 2011 bis 2015: Diverse Aktivitä- Wenn sich ein komplettes Quartier ganz ten der Stadtplaner zur »Konversion« des neu bildet, sind Infrastrukturen notwen- Geländes und Vorbereitung für die Nach- dig, damit Menschen dort gerne leben. Die nutzung. Unter anderem fällt die Entschei- Bibliothek ist dabei der Garant, dass dies in dung für die Durchführung der »Landes- einer überschaubaren Zeit gelingen kann. Foto: Stadtbücherei Würzburg gartenschau 2018«.

478 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Work in Progress während des Workshops: visualisiertes Zwischenergebnis. Abbildung: Aat Vos

• Ende 2015/Anfang 2016: Architektenwettbewerb zur Warum die Methode »Design Thinking«? Erweiterung, Umnutzung und künftigem Erscheinungsbild des Tower 1. Hier fließt ganz konkret das für eine mögliche Stadtteil- Wir haben erkannt, dass wir die Herausforderungen von heute bibliothek entwickelte Raumprogramm mit ein. Die Nutzungs- nicht mit den Methoden von gestern lösen können. Das wurde möglichkeiten des Gebäudes sollen möglichst vielfältig und fle- uns besonders deutlich auf der »next library«-Konferenz in Aar- xibel bleiben. Der Zuschlag geht an das Architekturbüro Florian hus im September 2015. Bereits damals haben wir entschieden, Nagler Architekten, München. die Konzeption des neuen Standorts nicht mehr ausschließlich im • Juni 2016: Die Entscheidung für ein »Gründerzent- eigenen Team zu entwickeln, sondern einen zeitgemäßen Weg zu rum für Digitale Innovation« am Hubland fällt. Ein Teil des Zen- gehen. Gerade die Teilnahme am »INELI-Programm« der Bill & trums wird in das erste Obergeschoss des Tower einziehen. Melinda Gates Stiftung2 hat diese Erkenntnis gefördert. Die Ex- Stark bestimmende Faktoren des Geländes sind seine be- kursionen im Rahmen dieses internationalen Projekts und weitere sondere Historie sowie die Nähe zur Universität und dem Grün- Reisen ins Ausland haben den Austausch mit Kolleginnen und Kol- derzentrum. Daraus erwächst auch die Idee, dass vielfältige legen ermöglicht und uns viele neue Ideen und Konzepte gezeigt. Themen der Digitalisierung priorisiert werden. Parallel müs- Die Kolleginnen aus Aarhus berichteten von der Methode sen eine Landesgartenschau geplant werden sowie eine neue »Design Thinking«, die sie zur Konzeptentwicklung für ihr vielfältige Wohnbebauung, die das Gesicht des Stadtteils, das neues Haus seit Jahren anwenden. Und auch uns ist schon Leben und Wohnen der Zukunft prägen wird. lange klar, dass ein modernes Bibliothekskonzept, wie wir es Die projektierte Stadtteilbücherei wird eine Schnittmenge praktizieren, die Menschen noch enger einbeziehen muss. Hier aus den klassischen Aufgaben einer Bücherei darstellen. Ihre erscheint uns »Design Thinking« mit seiner konsequenten Aus- Funktion beschreiben wir als die eines »öffentlichen Wohn- richtung auf die Kundenbedürfnisse und seinem stark experi- zimmers« für die Community mit Bühne und einem »Open mentellen und interdisziplinären Handeln genau richtig. Des- Library«-Konzept. In Verbindung mit den »Digitalen Gründern« wegen holen wir diese Methode jetzt nach Deutschland und werden die digitalen Innovationen in der Bücherei eine Heimat nutzen sie für die weitere Planung des projektierten neuen finden. Das sind wichtige und langfristige Themen im neuen Standorts der Stadtteilbücherei am Hubland. Stadtteil und große Herausforderungen.

1 www.wuerzburg.de/de/aktuelles/411590.Hubland-Tower- Was ist »Design Thinking« und wie funktioniert es? bekommt-neues-Gesicht-Ausbau-und-Sanierung-bis-2018.html 2 INELI = International Network of Emerging Library Innovators »Design Thinking« stammt aus der Wirtschaft. Es beschreibt (www.libraryinnovators2.com) eine methodische Herangehensweise an Innovationprozesse.

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und Überarbeiten von Prototypen eine hohe Treffsicherheit unserer Angebote erreichen. Besser als es direkte Befra- gungen unserer Kunden nach ihren Wünschen ermöglichen könnten.

Was sind unsere Ziele?

Mit der Bibliotheksconsultant Julia Bergmann konnten wir eine Beraterin für die Stadtbücherei Würzburg gewinnen, die genau diese Methodenkompetenz »Design Thinking für Bibliotheken« mitbringt. Seit unserem ersten gemeinsamen Workshop zum Kennenlernen der Methode sind wir vom Potenzial des Ansat- zes überzeugt und sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Methode ist zuerst einmal anders: Sie öffnet den Kopf und zeigt die Vielfalt der Möglichkeiten, ist dabei zielführend und effizient. Sie macht Spaß, schafft Gemeinschaft und Kunden- beziehungsweise Bürgerbindung durch Beteiligung. Zwar ist die Methode in Verwaltung und Bibliotheken im Wesentlichen (noch) unbekannt und vielleicht suspekt. In der Wirtschaft und in der Kreativbranche allerdings – und nicht zuletzt bei unse- ren Bibliothekskolleginnen und -kollegen im Ausland – bereits erprobt und etabliert. Die erste Phase hat bereits begonnen: Erste Treffen mit den »Digitalen Gründern«, unseren »Nachbarn« im Tower, haben stattgefunden. Den Prozess steuert Julia Bergmann. Idealer- weise geht es so weiter: Innenarchitekt und Creative Guide Aat Vos beim Workshop in Würzburg. Anfang 2017 werden wir die Planung und die »Design Thin- Foto: Stadtbücherei Würzburg king«-Workshops intensivieren. Unser Ziel ist, bereits im Ap- ril 2018 zum Start der Landesgartenschau den Bürgern eine In diesem Ansatz werden Probleme oder Herausforderungen erste Version unserer Bücherei im Tower zu präsentieren, be- aus der Sicht von Kunden formuliert und gelöst. Das Verfahren wusst als Betaversion und mit Raum für Entwicklungen und funktioniert branchenunabhängig. weitere Ideen. Um einen lebendigen Austausch zwischen dem Durch die Zusammenarbeit der Design Thinking Schule von Ort »Bücherei« und den Bürgern zu unterstützen, werden wir IDEO (USA) mit der Chicago Public Library und dem DOKK1 in Workshops mit den Menschen vor Ort durchführen. Dann kön- Aarhus ist ein Leitfaden für Design Thinking in Bibliotheken3 nen wir unseren ersten Entwurf überprüfen, verbessern und entstanden, den wir in unserem Projekt verwenden. ihn den Bedarfen der Menschen in diesem neuen Stadtteil »Design Thinking« lebt unter anderem von interdisziplinä- anpassen. ren Teams von vier bis sieben Personen. Sie bringen die ver- Das Mindset des »Design Thinking« wird die Arbeit in der schiedenen Sichtweisen in den Innovations- und Lösungspro- neuen Stadtteilbücherei auch über die Zeit der endgültigen Er- zess ein. Der Ansatz gliedert sich in sechs Phasen: öffnung Anfang 2019 hinaus begleiten: Es soll uns unterstützen • Die Phasen 1 bis 3 dienen der Formulierung der Her- und unsere Flexibilität in der Gestaltung von Raum und Ser- ausforderung/des Themas sowie dem genauen Verständnis der vices sicherstellen. So wird ein innovativer, lebendiger Ort des Bedürfnisse der Zielgruppe. Dazu werden verschiedene Metho- Austausches von Informationen, Wissen und Ideen entstehen den der Beobachtung (Ethnografische Methoden) und Befra- mit allen Vorzügen und Qualitäten einer modernen Bücherei. gungen sowie Kreativmethoden angewandt. Das Prinzip Design Thinking ist zudem eines der star- • Die Phasen 4 bis 6 beschäftigen sich mit der Lösung ken Bindeglieder der »Tower Community«, wie wir uns heute der Herausforderung/der Bearbeitung des Themas in mehreren schon nennen: Denn auch für das Zentrum für Digitale Inno- Schleifen von Prototyping und Feedback. Auf Basis der analy- vation ist Design Thinking fester methodischer Bestandteil der sierten Bedürfnisse baut das Projektteam in einem ersten Schritt Gründerberatung. Prototypen (zum Beispiel aus Pappe, Lego et cetera). Im zweiten Schritt werden diese Vertretern der Zielgruppe präsentiert. Nach deren kritischem Feedback folgen Änderungen am Prototyp und Mit dabei: Aat Vos, Designer moderner Bibliotheken erneutes Feedback – so lange, bis ein stimmiges Ergebnis vorliegt. Wir sind davon überzeugt, dass wir durch diese Analyse Wir empfinden es als großes Glück, dass wir Aat Vos, Innen- der Bedarfe und Bedürfnisse sowie das Vorstellen, Kritisieren architekt und Creative Guide aus den Niederlanden, für unser

480 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Projekt gewinnen konnten. Schon bei seinem letzten Projekt in Oslo in der »Biblo Toyen«4, einer reinen Kinder und Jugend- Julia Bergmann bibliothek (siehe hierzu den Beitrag auf Seite 494), hat er eng ist seit 2003 als mit den Jugendlichen zusammengearbeitet, um die Räume ge- Trainerin, Vortra- meinsam zu gestalten. Das Ergebnis zeigt einen Paradigmen- gende und Bera- wechsel: eine Bibliothek, in der sich die Präsentation der Me- terin im Bereich dien und die Services dem Wohlbefinden der Besucher unter- Bibliotheken und ordnen – nicht umgekehrt. Das gefällt anfangs nicht jedem… Bildungsein- Wir sind uns allerdings sicher, dass Öffentliche Bibliotheken richtungen national und international tätig. Sie ist Grün- in Zukunft genauso sein sollen, so nah an den Menschen wie dungsmitglied des Vereins Zukunftswerkstatt Kultur- und möglich. Wissensvermittlung e.V. und Mitglied des EU Think Tanks Aat Vos’ Verständnis von Bibliothek und seine Offenheit für Library Avengers. die kooperative Herangehensweise passen perfekt zu unserem »Design Thinking«-Ansatz. Der erste Workshop mit Aat Vos hat, gemeinsam mit Kolle- gen des »Zentrums für Digitale Innovation«, im Juni 2016 statt- gefunden. Bereits bei diesem ersten Termin haben sich neue Anja Flicker (Foto: Laura Perspektiven gezeigt, und wir haben überraschende Ergebnisse Markert) ist Diplom-Biblio- gefunden. All dies in Übereinstimmung, den Tower für die Men- thekarin (FHBD Köln, 1992). schen im neuen Stadtteil zu ihrem zentralen Ort zu machen. Ab 1993 arbeitete sie in der Denn Aat Vos ließ uns zuerst über das »Warum« nachdenken, Münchner Stadtbibliothek. über die Motivation, die wir am Standort verfolgen, danach Von 1998 bis 2001 war sie über das »Wie«. Das »Was« – also die konkreten Angebote und die stellvertretende Leiterin Services der Bücherei – entwickeln wir auf dieser Basis in der der Stadtteilbibliothek Mün- Fortsetzung des Prozesses. chen-Bogenhausen. 2002 Wir sind überzeugt, dass wir mit »Design Thinking«, unter- verließ sie den öffentlichen stützt von Julia Bergmann und Aat Vos, etwas Besonderes für Dienst, um sich in der freien Wirtschaft mit dem Thema die Menschen am Hubland schaffen können: einen Ort, der al- »Wissensmanagement« zu beschäftigen: Sie wurde zu- len Generationen und Gruppen im neuen Stadtteil die Chance nächst Referentin für Wissensmanagement bei der LHI bietet, sich wohlzufühlen und sich Begegnungspunkte zu schaf- Leasing GmbH in München. Auch für Flickers Arbeit er- fen. Einen Ort, an dem wir Menschen unterstützen möchten, hielt die Firma die Auszeichnung »Wissensmanager des den Wandel der Gesellschaft und die Herausforderungen der Jahres«. 2005 konnte sie den Bereich »Wissenslogistik« Digitalisierung für sich persönlich zu gestalten und an ihre der reinisch AG in Karlsruhe übernehmen. Als Leiterin der individuellen Möglichkeiten anzupassen. Einen Ort, der aus- Stadtbücherei Würzburg bringt Anja Flicker seit Januar drücklich der Kreativität, dem Mitgestalten und der Inspiration 2010 ihre Erfahrungen aus der Wirtschaft, vor allem Me- Raum gibt. thoden und Prinzipien des Wissensmanagements und die »Wissensbilanz«, sowie ihre Erkenntnisse und Erfahrun- 3 designthinkingforlibraries.com / Die deutschsprachige Version gen aus nationalen und internationalen Netzwerken in die des Leitfadens wird momentan von Julia Bergmann erarbeitet. Bibliotheksarbeit ein. 4 www.youtube.com/watch?v=qsB-V1VX7LI

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Tobias Seidl, Cornelia Vonhof Neue Wege der Bürgerbeteiligung in Bibliotheken  Erarbeitung der Stakeholder-Bedürfnisse mit der Methode LEGO Serious Play / Ein Praxisprojekt in der Stadtbibliothek Tübingen

Alle paar Jahre ein Kreuzchen bei Wahlen zu machen, ist 81 und Traditionen ab. So sind zum Beispiel in Baden-Württem- Prozent der Deutschen zu wenig, so hat es 2011 TNS Emnid berg bereits seit 1956 direktdemokratische Elemente in den im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in einer repräsenta- Gemeindeordnungen verankert. Zudem befördert die aktuelle tiven Befragung ermittelt. 60 Prozent der Befragten sind parteipolitische Konstellation auf Landesebene einen Ausbau demnach bereit, sich über den Gang zur Wahlurne hinaus von Elementen der Bürgerbeteiligung auf Landesebene, aber in Form von Bürgerbegehren, Diskussionsforen oder Anhö- auch im kommunalen Bereich.4 rungen aktiv in Entscheidungen einzubringen.1

Diese Bereitschaft, sich in Entscheidungsprozesse einzubrin- Das Beispiel Tübingen gen, drückt sich häufig in der Forderung nach einem Ausbau direktdemokratischer Elemente, vor allem aber auch in der For- In der Universitätsstadt Tübingen (Baden-Württemberg) geht derung nach konkreter Beteiligung in den unterschiedlichsten Bürgerbeteiligung bereits seit vielen Jahren weit über die ge- Projekten aus. Engagierte Bürger wollen mitreden. Sie »pochen setzlich vorgeschriebenen Verfahren hinaus. Seit Ende der darauf, ihre Ideen und Meinungen zu einem Vorhaben einbrin- 1990er-Jahre werden Bürgerinnen und Bürger konsequent gen zu können und über alle Aspekte eines Entscheidungspro- an der politischen Entscheidungsfindung beteiligt. So hat die zesses informiert zu werden«.2 Dies gilt vor allem für Angele- Stadt Tübingen eine Beauftragte für Bürgerengagement ins- genheiten, die sie in ihrem unmittel- talliert, die als »zentrale Koordinie- baren Lebensumfeld betreffen. rungs- und Anlaufstelle in der Stadt- Es sind aber keineswegs immer verwaltung für Bürgerinnen und Bür- nur die Bürger, die »auf Beteiligung ger, Vereine, Gruppen, Initiativen pochen«. Zunehmend geht die Initi- und Verbände [fungiert]. […] Sie ist ative auch von Gemeinderäten und Schnittstelle zwischen Bürgerschaft, Kommunalverwaltungen aus, die Be- Verwaltung und Politik.«5 teiligungsprozesse bewusst ansto- ßen, sie moderieren und sich letztlich mit den Ergebnissen auseinanderset- Und die Bibliothek? zen. Viele politische Entscheidungs- träger sehen durch die Zusammenar- Vor diesem Hintergrund war es offen- beit mit der Bürgerschaft die Chance, sichtlich, dass die Stadtbücherei nicht konkrete Einblicke in die Bedürfnisse beiseite stehen konnte. Die Entwick- und Meinungen der Einwohner zu er- lung einer Bibliothekskonzeption sollte halten und durch das Wissen der Men- daher nicht nur als interner Strategie- schen vor Ort etwaige Probleme früh- entwicklungsprozess angelegt, sondern zeitig zu erkennen und zu vermeiden.3 bewusst als Anlass genutzt werden, um Die Intensität, mit der Bürgerbeteili- eigene Akzente in die Beteiligungsland- gung als Option kommunalen Han- schaft der Stadt einzuspielen. delns verfolgt wird, hängt nicht zu- Die Bibliothekarin als Lego-Minifigur. So war es das Ziel der Stadt­ letzt von politischen Konstellationen Foto: Hochschule der Medien Stuttgart (2016) bücherei, mit Kunden wie auch mit

482 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Abbildung 1: Stufen der Beteiligungsintensität9

Nicht-Kunden über die inhaltliche Ausrichtung und die Ziel- Wie lässt sich Bürgerbeteiligung erfolgreich und setzung der Stadtbücherei ins Gespräch zu kommen. Ver- zielgerichtet gestalten? knüpft damit war die Absicht, sich als kommunale Einrich- tung offensiv und aktiv einzubinden in die Beteiligungskultur Bürgerbeteiligung ist ein unscharfer Begriff und umfasst alle und damit zugleich die anstehende Diskussion um eine Sanie- Formen der Partizipation an politischen Willensbildungs- und rung, Erweiterung oder auch einen Neubau der Stadtbüche- Entscheidungsprozessen. Diese reichen von Wahlen über for- rei zu befördern. melle, rechtlich verankerte Formen der Beteiligung wie Bür- Das Team der Stadtbücherei plante ein Programm mit ver- gerbegehren oder Bürgerentscheide bis hin zu informellen, ju- schiedenen Bausteinen, um die Bürgerbeteiligung zu realisie- ristisch nicht geregelten Verfahren. Auf diese letzte Form der ren: So sollte als Auftakt ein »Langer Samstag« zum Thema informellen Bürgerbeteiligung konzentrierten sich die Überle- »Ihre Ideen für die Stadtbibliothek von morgen!« stattfinden, gungen für die Stadtbücherei Tübingen. Formen der informel- der durch verschiedene Formate Beteiligungs- und Kommuni- len Bürgerbeteiligung werden regelmäßig nach der Intensität kationsgelegenheiten initiierte, drei Fokusgruppengespräche der Beteiligung, der sich daraus ergebenden Rolle der Bürge- sollten den intensiven und vertieften Austausch mit wichtigen rinnen und Bürger sowie des Nutzens unterschieden. Die Pro- Zielgruppen ermöglichen und mit einer Reihe von Podiumsge- jektgruppe hat sich entschieden, sich am Modell der Interna- sprächen6 wollte man das Thema »Bibliothek der Zukunft« in tional Association for Public Participation8 zu orientieren, das die Stadtgesellschaft tragen. fünf Stufen der Beteiligungsintensität unterscheidet. Es liegen eine Reihe von Methodensammlungen10 vor, die dabei helfen, je nach Zielsetzung geeignete Formate für die un- Unterstützung durch die Hochschule der Medien in Stuttgart terschiedlichen Stufen der Beteiligungsintensität auszuwählen. Im Projekt mit der Stadtbücherei Tübingen wurden von den Vor diesem Hintergrund wurde eine Seminargruppe7 des Stu- Studierenden bewährte Methoden eingesetzt und für die Stadt- diengangs Bibliotheks- und Informationsmanagement an der bücherei adaptiert. So wurden den Besucherinnen und Besu- Hochschule der Medien Stuttgart, unter der Leitung von Prof. chern der Stadtbücherei zum Beispiel mögliche Angebote und Cornelia Vonhof, beauftragt, den »Langen Samstag« zu konzi- Dienstleistungen der Stadtbücherei visuell präsentiert mit der pieren und durchzuführen, die Fokusgruppengespräche zu be- Bitte, deren Wichtigkeit durch ein Ranking festzulegen. Ebenso gleiten und zu dokumentieren sowie weitere Ideen und For- wurden die Besucherinnen gebeten, über vier von der Stadt- mate zu entwickeln, um über einzelne Events hinaus, Bürger- bücherei Tübingen festgelegte mögliche Handlungsfelder einer beteiligung dauerhaft in der Bibliotheksarbeit zu verankern. Bibliothek abzustimmen:

BuB 68 08-09/2016 483 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

»Wichtige Erkenntnisse und eine wunder- bare Motivation für die weitere Arbeit«  Die Tübinger Bibliotheksleiterin Martina Schuler zur Bürgerbeteiligung mit LEGO Serious Play

Im folgenden Gespräch mit den beiden Autoren äußert sich die Tübinger Bibliotheksleiterin, Martina Schuler, zum Projekt Bürgerbeteiligung:

Was hat Sie veranlasst, das Thema Bürgerbeteiligung für die Stadtbücherei Tübingen aufzugreifen? Martina Schuler: In der Stadtbücherei Tübingen stehen grundlegende bauliche Entscheidungen über die Zukunft der Hauptstelle an. 30 Jahre nach der Eröffnung sind die Räume nicht nur sanierungsbedürftig, sondern inzwischen auch viel zu klein. Mit einer Bibliothekskonzeption wollen wir die inhaltliche Schwerpunktsetzung unter den gegebe- nen Rahmenbedingungen der nächsten Jahre klären und Perspektiven für eine sanierte und erweiterte zukünftige Stadtbibliothek aufzeigen. Martina Schuler leitet seit 2011 die Stadtbücherei Tübingen. Neben der methodischen Begleitung der Konzepterstel- Nach ihrem Abschluss als Diplom-Bibliothekarin 1994 war sie lung durch eine Schreibgruppe und der inhaltlichen Diskus- nach ersten beruflichen Stationen in Stuttgart und Aurich von 1996 bis 2011 in der Stadtbücherei Waiblingen als Lektorin, sionen im Bibliotheksteam war für uns die Beteiligung der IT-Koordinatorin und zuletzt als stellvertretende Bibliothekslei- Bürgerinnen und Bürger von Beginn an ein wichtiges Ele- tung tätig. Foto: Reiner Pfisterer ment der Konzeptentwicklung. Zum einen, weil der Erfolg der Tübinger Stadtbücherei auf die große Verbundenheit der Nutzerinnen und Nutzer mit »ihrer« Bibliothek beruht. Zum auch Kritik erregt. Einigen Interessenten erschien diese Art anderen aber auch, weil wir den Einstieg in die Bürgerbetei- der Bürgerbeteiligung zu wenig sachorientiert. Das hat sich ligung zu einem so frühen Zeitpunkt auch für eine gute Mög- in der Durchführung absolut nicht bestätigt. Eine sehr inho- lichkeit halten, um erste Erfahrungen für einen späteren Pla- mogene Teilnehmergruppe, die unterschiedlichen Bezug zur nungs- und Bauprozess zu sammeln. Stadtbibliothek hatte und sich untereinander vorher nicht kannte, erarbeitete in einem intensiven Austausch ein weit- Im Rahmen des Projektes wurden ganz verschiedene Me- gehend einstimmiges, innovatives Bild für eine zukünftige thoden der Bürgerbeteiligung eingesetzt und Sie haben Stadtbücherei. Für unsere Bibliothekskonzeption konnten auch Lego Serious Play kennengelernt. Was war denn Ihr wir daraus wichtige Erkenntnisse ziehen – und nebenbei war persönlicher Eindruck? es eine wunderbare Motivation für die weitere Arbeit. Wir führen in der Stadtbücherei Tübingen alle zwei Jahre eine Besucherbefragung durch und wissen so ganz gut da- Wie sieht Ihr geplantes weiteres Umgehen mit den Er- rüber Bescheid, was unsere Nutzerinnen und Nutzer über gebnissen aus? unser konkretes Angebot denken und wo sie sich Verbesse- Die Anregungen aus dem bisherigen Bürgerbeteiligungs- rungen wünschen. Allerdings ist diese Befragung stark an prozess sind in die Bibliothekskonzeption eingeflossen. Sie den vorhanden Angeboten ausgerichtet. Für die Bibliotheks- haben die Gewichtung der Zielsetzungen und Maßnahmen konzeption war es uns wichtig, in einen Dialog über die zu- deutlich verschoben. Nach der politischen Beschlussfas- künftige Ausrichtung zu treten. Mit dem von den Studieren- sung der Bibliothekskonzeption möchten wir erste Maßnah- den gestalteten Aktionstag konnten wir viele Personen an- men kurzfristig umsetzen. Unter anderem werden wir einen sprechen. Trotz der kreativen Methoden orientierten sich die Gruppenraum einrichten und ruhige und kommunikative Aussagen und Statements allerdings sehr am bekannten und Zonen in der Bibliothek deutlicher definieren. Weitere Be- klassischen Bibliotheksbild. teiligungsformate werden wir in Zukunft mutiger und häu- Mit dem LEGO Serious Play-Workshop haben wir alleine figer anwenden – erst recht wenn die Sanierung und Erwei- über die Methode sehr viel Aufmerksamkeit, aber durchaus terung näher rückt.

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• Anbieter von aktuellen Medien für Bildung, Informa- tion und Freizeit • Nicht-kommerzieller Aufenthalts- und Begegnungsort zum konzentrierten Lesen und Lernen, zum gemeinsamen Ar- beiten und um die Freizeit zu verbringen • Bildungsort und Vermittlerin von Lese-, Medien- und Informationskompetenz • Ort der Kultur mit einem vielfältigen Veranstal- tungsangebot Das »Voting« erfolgte für die Teilnehmenden sehr nieder- schwellig, indem die Bedeutung der visualisierten Handlungs- felder aus Sicht der Tübinger mit Haselnüssen in Glasgefäßen markiert wurde. Die Aktion »Wünsch Dir was« eröffnete die Voting-Station beim »Langen Samstag«. Foto: Hochschule der Möglichkeit, im Gespräch oder auf Wunschkarten Ideen und Medien Stuttgart (2016) Meinungen zur Bibliothek der Zukunft einzubringen. aktuelle Erkenntnisse der Managementwissenschaften mit Theorien der Lern- und Entwicklungspsychologie. Seit der Ein- LEGO Serious Play – eine innovative Methode der führung 1996 hat sie mehrere Weiterentwicklungen durchlau- Bürgerbeteiligung fen und findet heute sowohl im Bereich Organisations- und Per- sonalentwicklung als auch im Bildungsbereich Anwendung.13 Bewusst wurde aber auch über ganz neue, innovative Metho- Im Rahmen von Bürgerbeteiligungsverfahren wurde LSP, nach den der Bürgerbeteiligung nachgedacht. Aufgrund des Pla- Kenntnisstand der Autoren, bis zum hier beschriebenen Projekt nungsstandes bei der Stadtbibliothek Tübingen standen ins- noch nie eingesetzt. besondere Methoden für die Beteiligungsstufe »Konsultation« (vgl. Abbildung 1) im Fokus des Interesses. Bei konsultativen Verfahren werden die Anregungen und Vorschläge der Bürge- Wie funktioniert LEGO Serious Play? rinnen und Bürger erhoben. Ziel ist es, sowohl Problemstellun- gen als auch neue Lösungswege, Alternativen und Folgewir- Grundlage von LSP ist ein strukturierter Arbeitsprozess, der kungen zu identifizieren.11 Dies gelingt am besten, wenn: in zwei Phasen gegliedert ist: Zunächst dem »Skill building« • die Teilnehmenden sich aktiv in den Prozess einbrin- und anschließend der inhaltlichen Arbeit. Das »Skill building« gen und hohes persönliches Engagement zeigen dient dazu, die Teilnehmenden arbeitsfähig zu machen, das • das träge, unbewusste Wissen und persönliche Erfah- heißt sie mit dem LEGO-Arbeitsmaterial (zum Beispiel wie man rungen der Teilnehmenden für den Arbeitsprozess nutzbar ge- verschiedene LEGO-Teile verbinden kann), dem Denken und macht werden können (Modell-)Bauen mit Metaphern sowie mit dem für die inhalt- • die Teilnehmenden aus festen (Denk-)Bahnen ausbre- liche Arbeit notwendigen Storytelling-Prozess vertraut zu ma- chen und (einzeln und in der Gruppe) neue Ideen generieren chen. Dafür werden unter Anleitung verschiedene, aufeinander • die eingesetzte Methode eine gleichberechtigte Betei- aufbauende Übungen durchgeführt, in denen die Anforderun- ligung aller Teilnehmenden am Arbeitsprozess (zum Beispiel gen an die Teilnehmenden in den unterschiedlichen Bereichen ähnliche Redeanteile und die Möglichkeit für alle, Beiträge zu langsam gesteigert werden. äußern) ermöglicht Das Vorgehen in der inhaltlich orientierten Arbeitsphase • die Methode Bürger motiviert, sich am Verfahren zu folgt immer den vier gleichen Schritten14: beteiligen 1. Bauauftrag: Zunächst wird den Teilnehmenden eine Ausgehend von diesen Überlegungen wurde, in Ergänzung Frage gestellt, die den Bauauftrag enthält. zu den Aktionen der Studierenden, von Tobias Seidl und Cor- 2. Bauen: Die Antwort auf die Frage wird durch das nelia Vonhof, beide Lehrende12 der Fakultät Information und Bauen eines LEGO-Modells gegeben. Dabei bestehen die Mo- Kommunikation an der HdM Stuttgart, die Methode LEGO delle zu einem großen Teil aus Metaphern. Dies ermöglicht Serious Play (LSP) für den Einsatz im Projekt mit der Stadtbib- es, mit einer begrenzten Zahl, Form und Farbe an Bauteilen liothek Tübingen ausgewählt. Aus Sicht der Autoren ist sie op- nahezu unbegrenzt Informationen, Zusammenhänge und Ge- timal geeignet, die genannten Bedingungen für ein Gelingen danken auszudrücken. Neben dem Mitteilen der eigenen Pers- des Projekts zu schaffen. pektive werden durch das haptische »Erschaffen« der Antwort LSP ist eine Moderationsmethode, die die Vorzüge des Denkprozesse angeregt und dokumentiert sowie neue Einsich- Spiels und des Modellierens mit Legosteinen in einem ziel­ ten gewonnen. orientieren Prozess verbindet. Die Methode wurde ursprüng- 3. Teilen: Da das Modell nicht selbsterklärend ist, wird lich in Kooperation zwischen dem dänischen Spielzeugherstel- es im nächsten Schritt von der Person, die es gebaut hat, der ler LEGO und dem Schweizer International Institute for Ma- Gruppe erläutert. Die Teilnehmenden werden angeregt die nagement Development Lausanne entwickelt. Sie verbindet »Geschichte ihres Modells« zu erzählen. Dabei findet zumeist

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nicht nur eine Präsentation des Modells für die anderen Teil- Aus Sicht der Autoren hat sich LEGO Serious Play als nehmenden, sondern auch eine vertiefte Auseinandersetzung Methode zur Bürgerbeteiligung in diesem Pilotprojekt als sehr des Erbauenden mit dem Modell statt. Letzteres führt in der geeignet erwiesen: Praxis dazu, dass auch der Erzählende selbst durch den Prozess • Die Beobachtung und Rückmeldungen der Teilneh- des Erzählens neue Einsichten gewinnt. menden lassen auf eine hohe Beteiligung und hohes individu- 4. Reflektieren: Alle Teilnehmenden beteiligen sich elles Engagement schließen: So äußerte eine Teilnehmerin: durch Nachfragen zum Modell beziehungsweise der erzählten »Die Erfahrungen im Gruppenprozess mit der Moderation und Geschichte am Prozess. Dadurch können bislang vernachläs- auch meine eigenen Erfahrungen sind für mich eine wertvolle sigte Bedeutungen herausgearbeitet und ein geteiltes Verständ- Grundlage für die Weiterarbeit mit der Methode!« oder »Und nis der Perspektive der Person, die das Modell erschaffen hat, nicht zuletzt haben die Diskussionen gezeigt, dass alle Beteilig- erreicht werden. ten wirklich mit ›Herzblut‹ involviert waren.« • Die Methode stellte eine gleichberechtigte und aktive Beteiligung aller Teilnehmenden am Arbeitsprozess sicher. Ablauf und Ergebnisse des Workshops in Tübingen Dabei konnten die unterschiedlichsten biografischen Hinter- gründe und Altersgruppen integriert werden (die Altersspanne Ziel der inhaltlich orientierten Arbeitsphase des LEGO Serious betrug 28 bis 69 Jahre). Play-Workshops war es, mit den anwesenden Bürgerinnen und • Die Methode ermöglichte es, unbewusste Ideen und Bürgern ins Gespräch zu Erwartungen bewusst zu kommen und ihre Gedan- machen und in den Ar- ken und Überlegungen zu beitsprozess einzubringen einer zukünftigen Biblio- (Beispiel hierfür ist etwa thekskonzeption zu erfas- die Erwartung, dass die Bi- sen. Folgerichtig lautete bliothek als Artikulation der Auftrag, eine Antwort des bürgerlichen Selbstver- auf die Frage »Welche Er- ständnisses – als Gegenpol wartungen oder Wünsche zur Tübinger Universität – habe ich an meine Traum- verstanden werden sollte). bibliothek« zu bauen. Dies • Die Methode taten die Anwesenden im motivierte Teilnehmende ersten Schritt in Einzel- sich überhaupt am Kon- arbeit. Dabei konnten sie sultationsprozess zu auf eine üppige Auswahl beteiligen. an Lego-Materialien zu- • Die LSP zeichnet greifen, die ihnen wie auf sich damit gegenüber vie- einem Buffet präsentiert len anderen Methoden, die worden waren. Nach einer üblicherweise in Bürgerbe- intensiven, individuellen Lego-Modell einer Traumbibliothek. Foto: Hochschule der Medien teiligungsprozessen einge- Bauzeit von circa 30 Minu- Stuttgart (2016) setzt werden, aus, weil sie ten folgte die Vorstellung - auf eine inhalt- der entstandenen Modelle im Plenum. lich-thematische Steuerung durch die Moderatoren völlig ver- Durch die metaphernreichen Modelle und den Austausch zichtet und damit eine große Offenheit für alle Themen bietet, zwischen den Teilnehmenden wurden unterschiedliche Er- die für die Teilnehmenden aus ihrer jeweils individuellen Sicht wartungen und Anforderungen an eine Tübinger »Traumbib- wichtig sind, liothek« herausgearbeitet, unter anderem: - neben der kognitiven Ebene auch die emotionale • Die Angebote der Bibliothek sollen anregen und Un- Ebene anspricht erwartetes entdecken lassen. - und in sehr kurzer Zeit zu greifbaren Ergebnisse führt. • Die Bibliothek soll ein Ort der Ruhe, Entspannung und zugleich der Anregung und Begegnung sein. • Sie soll Transparenz und Offenheit ausstrahlen und Wie geht es mit dem Thema weiter? ein Statement des Bürgertums in der Stadt sein. • Bücher spielen eine sehr wichtige Rolle, aber auch an- Die Autoren setzen seit zwei Jahren LEGO Serious Play sowohl dere Medien sollen zugänglich sein. in der Hochschullehre15, zum Beispiel zur Reflexion von Lern- • Räume ohne festgelegte Funktion sollen als Freiräume prozessen oder zur Anreicherung von Planspielen als auch im für Aktivitäten der Besucherinnen und Besucher zur Verfügung Rahmen von Personal- und Organisationsentwicklungsmaß- stehen. nahmen innerhalb und außerhalb der Hochschule ein (zum • Gastronomie spielt eine wichtige Rolle. Beispiel bei der Entwicklung von Studiengangskonzepten oder

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Teamcoachings). Dabei reichen die Partner von Kindergärten bis zum Bankensektor. Erste eigene Forschungen zeigen, dass Cornelia Vonhof (Foto: der Erfolg der Methode weder von Alter und Geschlecht noch privat) ist Professorin von der individuellen »Spielerfahrung« mit LEGO abhängig ist. für Public Management Neu für die beiden Autoren war der Einsatz in einem Bür- an der Hochschule der gerbeteiligungsprozess. Die geschilderten Erfahrungen und die Medien Stuttgart. Ihr Reaktionen der Teilnehmenden am Tübinger Workshop machen Arbeitsschwerpunkt jedoch Mut, diese Methode auch in anderen Bibliotheken einzu- liegt auf Managementinstrumenten in Bibliotheken und setzen. Das Einsatzfeld ließe sich dabei natürlich auch in Biblio- Informationseinrichtungen, insbesondere Qualitätsma- theken auf Prozesse der Organisationsentwicklung ausdehnen. nagement, Organisationsentwicklung, Prozessmanage- Denkbare Themen, die sich mit LSP bearbeiten lassen, sind Stra- ment und strategische Steuerung. Sie ist derzeit Prodeka- tegieentwicklungsprozesse, Projektplanungen oder die Analyse nin der Fakultät Information und Kommunikation. – Kon- und Bearbeitung von Kommunikationsmustern in einem Team. takt: [email protected] Im Rahmen des BibCamp 2016 in Stuttgart wurde der Arbeits- ansatz bereits der Bibliothekscommunity vorgestellt und traf auf großes Interesse. Die Rahmenbedingungen für den Einsatz sind klar zu benennen und leicht zu erfüllen: Raum, Tische, LE- GO-Steine, experimentierfreudige Teilnehmende und ein/eine Dr. Tobias Seidl (Foto: in der Methode geschulte ModeratorIn. Bibliotheken und Biblio- privat) ist Professor für thekarinnen sind zwar als Institutionen und Personen durchaus Schlüssel- und Selbst- schon seit längerem LEGO-Objekte16, es wird jedoch aus Sicht kompetenzen Studie- der Autoren Zeit, dass Bibliotheken ihrerseits LEGO zielgerich- render an der Hoch- tet nutzen, um die eigene Entwicklung voranzutreiben. schule der Medien Stuttgart. Er ist ausgebildeter LEGO Serious Play-Mode- rator und systemischer Coach. Zu seinen Lehr- und For- Videoausschnitte aus den Tübinger Podiumsge- schungsschwerpunkten gehören Kreativität und Innova- sprächen für eine »Bibliothek der Zukunft« fin- tion, zwischenmenschliche Kommunikation und Hoch- den Sie auch in der neuen BuB-App. schuldidaktik. – Kontakt: [email protected]

1 Bertelsmann Stiftung: Pressemitteilung, 20. März 2011 (21.7.2016) – www.bertelsmann-stiftung.de/de/presse/pressemitteilungen/ 10 Zum Beispiel: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Politik beleben, pressemitteilung/pid/umfrage-buerger-wollen-sich-an-politik-be Bürger beteiligen: Charakteristika neuer Beteiligungsmodelle. 2. teiligen/ (21.7.2016) Aufl. Gütersloh: Bertelsmann, 2012; Nanz, Fritsche (wie Anm. 2) 2 Patrizia Nanz, Miriam Fritsche: Handbuch Bürgerbeteiligung. Ver- 11 Vgl. Führungsakademie Baden-Württemberg (Hrsg): Leitfaden fahren und Akteure, Chancen und Grenzen. Bonn: Bundeszentrale Bürgerbeteiligung, Karlsruhe: Eigenverlag, 2012, S. 33 für politische Bildung, 2012, S. 10 12 Die Durchführung des Workshops in der Stadtbücherei Tübingen 3 Vgl. Nanz, Fritsche (wie Anm. 2), S.10 lag in der Hand von Tobias Seidl, Professor für Schlüssel- und 4 Eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik untersucht Selbstkompetenzen an der Fakultät Information und Kommu- vergleichend die Entwicklung aktueller Formen der Bürgerbetei- nikation der HdM, und Cornelia Vonhof, Professorin für Public ligung in deutschen Kommunen. Detlef Landua, Stephanie Bock, Management im Studiengang Bibliotheks- und Informationsma- Bettina Reimann, Klaus J. Beckmann: Auf dem Weg, nicht am Ziel: nagement an der HdM. Aktuelle Formen der Bürgerbeteiligung, Ergebnisse einer Kommu- 13 Vgl. etwa LEGO Serious Play in Lehre Forschung und Organisati- nalbefragung. Berlin, Difu, 2013 onsentwicklung (www.LEGOinHE.de) 5 Universitätsstadt Tübingen: Bürgerengagement – 14 Vgl. Per Kristiansen, Robert Rasmussen: Building a Better Busi- www.tuebingen.de/buergerengagement#1083 (21.7.2016); Uni- ness Using the Lego Serious Play Method. Hoboken (NJ): Wiley, versitätsstadt Tübingen: Tübingen gemeinsam gestalten. Tübinger 2014 Grundsätze der Bürgerbeteiligung – www.tuebingen.de/Dateien/ 15 So wurden zum Beispiel auch die Studierenden der Seminar- grundsaetze_buergerbeteiligung.pdf (21.7.2016) gruppe in einem internen Workshop mit der Methode bekannt 6 Videomitschnitte der Podiumsgespräche sind hier zu finden: und vertraut gemacht. Für weitere Beispiele vgl. www.tuebingen.de/stadtbuecherei/16325.html (21.7.2016) www.LEGOinHE.de/anwendungsmoeglichkeiten (21.7.2016) 7 Die Studierendengruppe bestand aus: Nicola Dewosch, Sonja 16 Die Bibliothekarin als Lego-Minifigur (www.lego.com/de-de/ Fakler, Sanda Keller, Sina Salzmann, Hannes Schlenk, Anna minifigures/characters/librarian-d353defa36864646882c Szazko, Michelle Voland, Elodie Wenger cad3185c4d24); Der Vorschlag einer Bibliothek als Lego-Bausatz 8 International Association for Public Participation: P2 Practitioner konnte zwar 10 000 Supporter gewinnen (https://ideas.lego. Tools – www.iap2.org/?page=A5 (21.7.2016) com/projects/64145 – 21.7.2016), sich aber dennoch bei den 9 Eigene Darstellung in Anlehnung an: International Association Lego-Entscheidern nicht durchsetzen (https://ideas.lego.com/ for Public Participation (wie Anm. 8) – www.iap2.org/?page=A5 projects/64145/official_comments – 21.7.2016).

BuB 68 08-09/2016 487 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Nils Beese Beyond »Greenwashing«  Strategien der neuen Nachhaltigkeit für Bibliotheksbauten

Nachhaltigkeit im Bibliothekskontext sollte konsequent Zwei neue Beispiele der Nachhaltigkeitsdebatte im ganzheitlich gedacht werden: als gesellschaftlich-kultu- Bibliothekswesen reller Auftrag, der das soziale Miteinander, die Wissens- symbiose und das Demokratieverständnis unterstützt, und Zwei Beispiele neuen Datums, die hier kurz beschrieben wer- gleichzeitig als kontinuierlicher Katalysator der Verände- den sollen, stehen exemplarisch für diese Problematik. Im ers- rung im Bibliothekswesen. Was das genau bedeutet, erklärt ten Beispiel geht es um Bemühungen um ein grünes Zertifikat Nils Beese im folgenden Beitrag. an deutschen Bibliotheken, im zweiten um eine Lokalisierung der jüngsten Nachhaltigkeitsausrichtung des bibliothekari- schen Weltverbands IFLA. Seit einiger Zeit gibt es Bestrebungen, ein grünes Zertifi- Die Problematik des Begriffs »Nachhaltigkeit« kat für Bibliotheken zu etablieren.4 So skizziert Melanie Padilla Segarra in ihrer Masterabeit »›Let’s go green‹: Entwicklung ei- Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der seit Jahren jedwede Sparte nes Zertifikats für ›Grüne Bibliotheken‹ am Praxisbeispiel der des öffentlichen Lebens berührt. War Nachhaltigkeit zuerst vor Stadtbibliothek Stuttgart« die Parameter einer bibliotheksspe- allem »ein wirtschaftliches Prinzip«1, das primär der Existenz- zifischen grünen Zertifizierung.5 Zwar zielt ihre Kriterienliste sicherung diente, breitete es sich seit Anfang der 1970er-Jahre auf mannigfaltige Aspekte wie Bau, Wasser, Transport, Abläufe, auch in anderen Diskursen aus. Einhergehend mit einer stei- Angebote und Management ab6, doch scheinen insbesondere genden Akzeptanz des Wortes lassen sich jedoch auch der in- Marketingaspekte im Zentrum der Überlegung zu stehen: Bi- flationäre Gebrauch und somit auch eine Begriffsdefinitions- bliotheken, so Padilla Segarra, sollen »ihr Umweltengagement unschärfe feststellen. Nachhaltigkeit scheint en vogue zu sein, als Marketinginstrument nutzen«7 und könnten, nach erfolg- ein Modebegriff, der zu einem sinnentleerten »buzzword« im reicher Zertifizierung, »einen größeren Marketingeffekt ihres Dienste eines kulturpolitisch- und ökonomisch-opportunem nachhaltigen Managements erwarten«8. »Greenwashing« verkommen ist. Padilla Segarras Bemühungen um ein Zertifikat, dessen Diese Entwicklung und das Bewusstsein bezüglich der Pro- Ausrichtung auf »ökologische Nachhaltigkeit als Wow-Fak- blematik des Begriffs lassen sich auf ähnliche Weise im Biblio- tor«9 angelegt ist, lassen Rückschlüsse auf den Status Quo thekswesen nachverfolgen. Bei einer Lektüre kürzlich veröffent- der Nachhaltigkeitsdebatte im Bibliotheksdiskurs zu: So lichter Publikationen sind zwei Aspekte offensichtlich: Obwohl lange die Vermarktung eines nachhaltigen Engagements, a) die meisten Äußerungen zu diesem Thema sich hauptsäch- das heißt die Instrumentalisierung von Nachhaltigkeit für lich verkürzt auf ökologisch-bauliche Aspekte beschränken2 und die Außenwirkung, das zentrale Argument für Bibliotheken auf Best-Practice-Beispiele konzentrieren, deren universale An- ist, scheint gelebte Nachhaltigkeit keine Realität im Biblio- wendbarkeit infrage zu stellen sei3, ist der Bibliotheksdiskurs b) theksdiskurs zu sein. seit Kurzem darauf bedacht, die Nachhaltigkeitsdebatte selbst Die Ausrichtung der IFLA ist nicht geprägt von Marketin- richtungsweisend mit Inhalt zu füllen. Dies scheint mit Hin- gideen, jedoch zeigt auch diese einen verkürzten Nachhaltig- blick auf Tendenzen des allgemeinen »Greenwashing« notwen- keitsansatz: den der Angleichung an die Nachhaltigkeitsper- dig, birgt aber gleichzeitig auch die Gefahr, bestimmte Gesichts- spektiven der UN. Die Ziele nachhaltiger Entwicklung der Ver- punkte entweder auszublenden oder zu stark zu betonen. einten Nationen10 sprechen lediglich von »the three dimensions

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of sustainable development: the economic, social and environ- Die Notwendigkeit für einen ganzheitlichen Ansatz mental«.11 Die vierte Säule, Kultur, obgleich schon 2004 in der Agenda 21 for Culture12 genannt13, finden sich dort nur sche- Vor dem Hintergrund des von der UN deklarierten »integra- menhaft an einige der 17 »Sustainable Development Goals« ted policy framework«20, dem jedoch nur die Nachhaltigkeits- (SDGs) mit insgesamt 169 »Targets« angegliedert. Folglich dreifaltigkeit ökologischer, ökonomischer und sozialer Krite- sind auch Bibliotheken nur indirekt in der UN-Nachhaltigkeits- rien zugrunde liegt, und das Kultur als eigenständigen, wichti- agenda berücksichtigt worden. gen Bereich außen vor lässt, ist eine neuerliche Diskussion um Umso energischer stellt die designierte IFLA-Präsidentin von Nachhaltigkeit von/in und durch Bibliotheken nicht nur aktu- 2017 bis 2019, Glòria Pérez-Salmerón, die Aufnahme des Tar- ell, sondern essenziell. gets 16.10 (»Ensure public access to information...«)14 unter SDG Es ist erfreulich, dass im Bibliotheksdiskurs bereits einige 16 (»Promote peaceful and inclusive societies for sustainable de- Denkansätze bezüglich einer Verlagerung von entweder rein velopment...«)15 in die Agenda kürzlich in ihrem Vortrag bei der ökologisch-baulich perspektivierten oder, wie oben beschrie- Konferenz »Chancen 2016« in München als Erfolg dar. Diese einer ben, eventuell ideologisierten oder festgefahrenen Positionen Missachtung gleichkommende, enttäuschend indirekte Nennung auf ein wirklich integrativ-ganzheitliches Fundament existie- von Kultur und somit von Bibliotheken war mutmaßlich einer der ren. So schreibt George L Aulisio: »[A] green library does not Hauptgründe für die Zusammenstellung des IFLA »Toolkit[s]: necessarily entail a green building, but it does involve a green Libraries and implementation of the UN 2030 Agenda«16. Die- mission«21 und schlägt in diesem Sinne vor, den Begriff »green ses Toolkit reflektiert die Sorge, dass Bibliotheken in einer library« von einem rein architektonischen Verständnis abzu- Nachhaltig­keitsagenda von politischen Instanzen übergangen koppeln, sodass dieser auf »any library that promotes sustain- werden könnten und hält sich somit in seiner Nachhaltigkeitsaus- ability through education, operations, and outreach bezogen richtung der Bibliotheken strikt an den in Target 16.10 gewünsch- werden kann.22 Für Aulisio steht die Bibliothek also durch An- ten Informationszugang.17 In Übereinstimmung damit lautet das gebot, Struktur und Öffentlichkeitsarbeit als nachhaltige Vor- präsidiale Motto von Pérez-Salmerón »libraries of change for a zeigeinstitution, als eine Art ‚»knowledge hub for sustainabi- sustainable development«18, welches sie wie folgt erklärt: lity« im Mittelpunkt.23 Our aim is to keep libraries relevant in a fast changing Durch sein Plädoyer für eine ganzheitliche »Mission« wird environment and to give citizens equal access to knowledge, deutlich, dass Nachhaltigkeit viele Lebensbereiche durchdringt information and cultural heritage as well as to extensive und dass Bibliotheken als Einrichtung aktiv und ganzheitlich library services to stay informed and to actively promote a well Nachhaltigkeit fördern müssen. Ein jüngstes Beispiel aus dem informed and strong society. Libraries are motors of change for ÖB-Bereich ist zum Beispiel die Lawrence Public Library in Kan- society to achieve sustainable development.19 sas, die ihren Nutzern in Kooperation mit verschiedenen Stif- An diesem Beispiel bibliothekspolitischer Arbeit wird deut- tungen, Forschungszentren und privaten Unternehmen kos- lich, dass Bibliotheken begriffen haben, dass sich Nachhaltig- tenlos Saatgut zu Verfügung stellt und unter anderem Kurse keit im Bibliothekskontext nicht mehr lediglich über ökologi- zu Themen rund um »green spaces« und »green living« anbie- sche und bauliche Aspekte definieren darf, sondern dass die tet.24 Die Bibliothek etabliert sich in diesem Beispiel als Wis- Notwendigkeit einer produktiven Neuaufstellung besteht, um sensraum für die Community, als Dreh- und Angelpunkt für ein Teil der Nachhaltigkeitsdebatte zu bleiben. Es ist verständlich, Thema, das viele interessiert und fast jeden betrifft. In Deutsch- dass die Arbeit der IFLA auf kulturpolitisch höchster Ebene im land scheint dieses Verständnis von Bibliotheken als aktive Pro- Einklang mit der UN erfolgen muss. Gleichzeitig ist aber auch moter von holistischer Nachhaltigkeit noch sehr zaghaft ange- hier offensichtlich, dass Nachhaltigkeit lediglich zu einem Füll- gangen zu werden und wenn, lässt es sich am ehesten im ÖB- wort verkommen ist, welches im Kontext einer Nachhaltigkeits- Sektor erkennen.25 lokalisierung Zweifel an der ernsthaften Auseinandersetzung Nachhaltigkeit »beyond Greenwashing« beinhaltet also mit dem Thema aufkommen lässt. So scheint die Ausrichtung ganzheitliche Verantwortung, die soziale, ökonomische, um- der IFLA allein im Sinne von »Access of Information« lediglich welttechnische und kulturelle Dimensionen umfasst. Als Kon- ein weiterer Ansatz zu sein, Nachhaltigkeit eingeschränkt auf sequenz heißt dies, dass Nachhaltigkeit essenzieller Bestand- einen kulturpolitischen oder bestimmten ideologischen Rah- teil des Diskurses über eine gesellschaftliche Zukunft ist. Bezo- men zu definieren. gen auf Bibliotheken impliziert dies, dass eine Diskussion über

BuB 68 08-09/2016 489 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

die Zukunft von Bibliotheken Nachhaltigkeit als integrativ-not- demokratischen Parametern entworfenes Informations- und wendigen Bestandteil sehen müsste. Dabei lohnt es sich zu fra- Kommunikationszentrum, welches das öffentliche Leben mit- gen, ob die Bibliothek nicht geradezu prädestiniert dafür ist, bestimmt und vom öffentlichen Leben bestimmt wird, wird so der Ort nachhaltigen Lebens per se zu sein. funktional, aktiv und passiv zugleich, als Symbol einer sozio- kulturellen, gesellschaftlichen Nachhaltigkeit. Zugleich wächst die soziale Verantwortung der Bibliothek Anforderungen an Bibliotheksräume auch dadurch, dass sie unter anderem politisch und kulturell identitätsstiftend wirkt und eine »Förderung des sozialen Zu- Bibliotheken werden heutzutage nicht nur als Orte der geisti- sammenhalts der Gesellschaft«33 unterstützen kann. Dies un- gen Arbeit wie des Forschens oder Lernens aufgefasst26, son- terstreicht den Auftrag der Bibliothek, eine demokratische dern wandeln sich mehr und mehr zu Begegnungsstätten für gesellschaftliche Entwicklung ganzheitlich und nachhaltig sozialen und (inter-)kulturellen Austausch und für Kommuni- zu (unter-)stützen. Meunier und Eigenbrodt haben in diesem kation.27 Der Bibliotheksraum wird zu einer Art agora, einem Sinne einen Paradigmenwechsel von einem »top-down process Marktplatz demokratischer Ideale. Ulrich Johannes Schnei- to a participatory approach«34 festgestellt und dies gleichzeitig der charakterisiert auf ähnliche Weise den »Lesesaal zu ei- als Notwendigkeit für ein erfolgreiches Überleben von Bib- nem Verschiebebahnhof für Ideen«28, welcher die Bibliothek liotheken interpretiert. Nur wenn die Bibliothek als »a pub- »zu einem sozialen, öffentlichen Raum für Kreative«29 werden lic arena and a societal space«35 wahrgenommen wird, kann lässt.30 In Bezug auf die Nutzerbedürfnisse betont Hannelore sie ihre gewünschte Position als Anlaufstelle und Mittelpunkt Vogt, »durch die Gestaltung der Räume muss sich für die Nut- der gesellschaftlichen Diskussion wahren. Hier wird deutlich, zer die Funktionalität erschließen«.31 Ein flexibles, anpassungs- dass nachhaltige Entwicklung nicht nur den Kern der Debat- fähiges Raumkonzept kann den Nutzern somit die Idee der Bib- ten über die Existenzberechtigung von Bibliotheken berührt, liothek als heterogener Kreativraum, als sondern auch Möglichkeiten der Refle- demokratischer, soziokultureller »Hub« xion über eine zukunftsorientierte Posi- signalisieren, dessen Funktionalität kon- Schwerpunkt tionierung bietet. Es ist also notwendig, tinuierlich neu bestimmt wird. Dieses das Verständnis der Bibliothek als »Hort Potenzial, diese Wandlungsfähigkeit32 des Wissens« radikal infrage zu stellen und Multifunktionalität weisen die Nut- Themenschwerpunkte in BuB und sie als Hort der holistischen Nach- zer auf die Attraktivität von Bibliotheks­ haltigkeit zu etablieren. räumen, da diese sich affirmativ auf Nut- Heft 06/2016 zerbedürfnisse und neue Technologie- Konflikte in Bibliotheken veränderungen ausrichten (müssen). Ganzheitliche Nachhaltigkeit in Heft 07/2016 Präsentation und bei Bestandsschutz Digitalisierung Das Demokratische im Weil gesellschaftliche Reibungen, Bibliotheksraum Heft 08-09/2016 Widersprüche und Veränderungen kon- Räume der Zukunft tinuierlich im Bibliotheksraum verhan- Die oben genannte Raum-Anpassungs- delt werden, zeichnet sich der Status fähigkeit sollte eines von vielen Kernstü- Heft 10/2016 der Bibliothek als Hort der Nachhaltig- cken einer ganzheitlichen Nachhaltig- Frankfurter Buchmesse keit dadurch aus, kontinuierlich infrage keitsstrategie sein, da diese nur dadurch gestellt zu werden. Dies sollte in einem ihrer idealen Funktion eines demokrati- Heft 11/2016 produktiven Spannungsverhältnis zum schen (das heißt mitunter von Nutzern Mobile Bibliotheksangebote Medienwandel stehen und sich im bes- mitbestimmten und mitdefinierten) ten Fall sowohl in baulichen Aspekten Raums gerecht wird. Der Bibliotheks- Heft 12/2016 der Bibliothek als auch in der Funktio- raum als multifunktionales, anpassungs- NS-Raubgut nalität der räumlichen Gestaltung wider- fähiges, unter Berücksichtigung von spiegeln. Dabei rücken unter anderem

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zwei wichtige Aspekte in den Vordergrund: die Präsentation und der Bestandsschutz der Medien. Dr. Nils Beese studierte Anglis- Ein Beispiel für ersteres, für eine ästhetisch gelungene, mul- tik und Geschichte an der Uni- tifunktionale und multimediale Raumkonzeption und Präsen- versität zu Köln, am Trinity Col- tation ist hier das Learning Center der UB Mannheim, in dem lege Dublin, an der University of »verschiedene Zonen geschaffen [wurden], die funktional zu- Rochester, NY, und wurde an der sammenspielen«36. Dabei hat sich die UB Mannheim bewusst LMU München in Literaturwis- gegen ein »bestandsorientiertes Selbstverständnis«37 und für senschaft promoviert. Seit Ok- eine ganzheitliche Flexibilität entschieden, die sich unter ande- tober 2014 ist er Bibliotheks­ rem durch eine räumliche Anpassungsfähigkeit, das Verständ- referendar an der UB Mainz und nis der Bibliotheksmitarbeiter als »roving librarians« ohne sta- absolviert zurzeit das theoretische Jahr seiner Ausbildung tisches Desk, aber mit umfassenden Servicedienstleistungen an der Bayerischen Bibliotheksakademie in München. und durch verschiedene innovative technologische Möglich- – Kontakt: [email protected] keiten auszeichnet. Der zweite Aspekt, Bestandsschutz, steht im engen Verhält- nis zum ersten, da der Bestand durch eine gelungene Präsen- Standort Bibliothek zuträglich ist, da dadurch eine positive tation, zum Beispiel durch Einbindung neuer medialer Prä- Profilausbildung und engere Nutzerbindung stattfindet. sentationsformen in Bibliotheksbauten, entlastet wird. Ein erfolgreicher Ansatz dafür findet sich zum Beispiel im bava- rikon-Projekt, dessen Ziel unter anderem »die 3D-Digitalisie- Weiterführende Gedanken rung und Bereitstellung von Kulturobjekten«38 ist. Als eine Art Vorreiterprojekt kann hier die 3D-Vermessung des Himmels- Man kann diese Nutzeraufwertung im und Nutzerbindung an globus von Heinrich Arboreus und der beiden Globen von Phi- den Bibliotheksraum, also diesen partizipatorischen/Stand- lipp Apian gelten, die »interaktiv über verschiedene Zugangs- ort-identifikatorischen Ansatz, und die Idee der Bibliothek als möglichkeiten«39 erkundet werden können – nicht nur digital demokratischen und örtlichen »catalyst for urban develop- aus einer 360°-Perspektive im 3D-Viewer40, sondern auch mit ment«, weiterdenken:41 Müsste man folglich nicht die strikte dem »BSB-Globen-Explorer«, einem großen halbrunden Touch- Trennung zwischen WBs und ÖBs, die vor allem im deutschen Screen, mit dem die Globen haptisch erkundet werden können. Bibliothekswesen besteht, und zwischen Bibliotheken und Bestandsschonend, tast-sensorisch-anregend, den Biblio- anderen Bildungseinrichtungen infrage stellen? Eine konse- theksraum aufwertend und die Nutzer näher an die Objekte quente Durchsetzung von gesellschaftlicher Nachhaltigkeit bringend: Dieses Beispiel der Digitalisierungsbestrebung, ver- würde somit Recycling im umfassenden Sinne (den Bau, ge- knüpft mit technologischen Innovationen und neuen Ansätzen sellschaftliche Interaktion und Wissen betreffend) in den Blick der schonenden Bestandserkundung im Bibliotheksraum, ist nehmen. Für Bibliotheken könnte dies eine Integration mit an- nicht nur eine kluge Strategie der Nachhaltigkeit mit Hinblick deren Bildungseinrichtungen bedeuten.42 Folgerichtig müsste auf den Bestand, sondern kann als Teil einer ganzheitlichen man auch über eine Art Symbiosenschaffung von Wissen nach- Nachhaltigkeit angesehen werden. Dies liegt insbesondere da- denken, zum Beispiel durch eine verstärkte Forcierung von ran, dass durch das oben genannte Beispiel mitunter eine Art Citizen Science-Projekten, die einen »sense of community« »community spirit« evoziert wird und somit eine Identifizie- unterstützen und gleichzeitig eine Aufwertung und Identifika- rung mit dem Lokalen gefördert wird. Im Falle der interaktiven tion mit der Bibliothek zur Folge haben. BSB-Globen also eine Bindung an die Einzigartigkeit des Be- Diese Ideen sind einige von vielen, die aufzeigen, dass es standes, die sich durch adäquate räumliche Implementierung Sinn macht, Nachhaltigkeit im Bibliothekskontext konsequent auf die Besonderheit des jeweiligen Bibliotheksraums nieder- ganzheitlich zu denken: als einen gesellschaftlichen, kulturel- schlägt. Eine erfolgreiche Umsetzungen ist für Nutzer und Bib- len Auftrag, der das soziale Miteinander, die Wissenssymbiose liothek gleichermaßen gewinnbringend: Der Nutzer erhält die und das Demokratieverständnis unterstützt und gleichzeitig als Möglichkeit, sich mit dem Lokalen und der Community im Bi- etwas, das als kontinuierlicher Katalysator der Veränderung im bliotheksraum stärker zu identifizieren, was gleichzeitig dem Bibliothekswesen gelten kann.

BuB 68 08-09/2016 491 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

1 Eigenbrodt, Olaf. »Nachhaltige Missverständnisse: zum Stand der Institutions Toolkit: Libraries and implementation of the UN 2030 Nachhaltigkeitsdebatte im Bibliotheksbau«. ZfBB. Zeitschrift für Agenda« – www.ifla.org/files/assets/hq/topics/libraries- Bibliothekswesen und Bibliographie 60/3-4 (2013). S. 123 development/documents/libraries-un-2030-agenda-toolkit.pdf 2 Siehe zum Beispiel Mary M. Carr: The Green Library Planner, Sam (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2016) McBane Mulford: How Green is My Library oder Richard A. Pe- 17 »Access to information is a cross-cutting issue that supports all terson: »Going Green: One Library’s Journey Toward Sustainabi- areas of development. If access to information and libraries are not lity«. Diese Liste könnte beliebig erweitert werden. Jedoch sollte included in National Development Plans, it’s more than a missed hier auch die löbliche Ausnahme des Sammelbands Greening opportunity. Governments may overlook libraries and fund other Libraries von Monika Antonelli genannt werden, der zwar auch organisations to provide public access, information and skills, or das Hauptaugenmerk auf »Green Buildings« legt, aber gleichzeitig they may not recognize the need for public access at all.« Ibid. S. 5 zum Beispiel »Green Services & Programs« und »Green Resources 18 Das Motto stellte Pérez-Salmerón im Rahmen der ekz-Tagung & Reflections« beachtet. »Chancen 2016« am 28. Januar in München vor. 3 Jede Bibliothek ist einzigartig. So müssen jeweils monetäre, kultu- 19 Pérez-Salmerón, Glòria. »The Need to Change: The IFLA Trend relle, einrichtungsspezifische, historisch-bedingte, räumlich Fakto- Report and the Shift of Paradigms in Libraries« – www.ekz.de/ ren (und viele weitere) konstant miteinbezogen werden. Als Folge fileadmin/ekz-media/downloads/skripte/2016/chancen2016/ dessen lassen sich Best-Practice-Bespiele nur bedingt anwenden. Chancen2016_Perez-Salmeron.pdf 4 Hauke, Petra. »Die Grüne Bibliothek« in: Büchereiperspektiven (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2016) 2 (2015). S. 4 – www.bvoe.at/epaper/2_15/index.html (zuletzt 20 »Summary: UNDESA Expert Group Meeting in Preparation for the abgerufen am 21. Juli 2016) 2015 and 2016 cycles of the United Nations Economic and Social 5 Padilla Segarra, Melanie (2015). »›Let’s go green‹: Entwicklung Council (ECOSOC)« – www.un.org/en/ecosoc/egm/pdf/summary.pdf eines Zertifikats für ›Grüne Bibliotheken‹ am Praxisbeispiel der (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2016) Stadtbibliothek Stuttgart«. Masterarbeit im Studiengang Bib- 21 Aulisio, George J. »Green Libraries are more than just buildings« liotheks- und Informationsmanagement an der Hochschule der in: Electronic Green Journal 35/1 (2013). S. 1 – http://escholar Medien Stuttgart. 2015 ship.org/uc/item/3x11862z (abgerufen am 7. Juni 2016) 6 Ibid. S. 40-44 22 Ibid. S. 1 7 Ibid. S. 33 23 Ibid. S. 2 8 Ibid. S. 9 24 »LPL Seed Library« – www.lawrence.lib.ks.us/lplseedlibrary/ 9 Stankovic, Marina und Tobias Jortzick. »Die Verantwortung (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2016); siehe auch »USA: Saatgutbiblio- nicht der Industrie und der Politik uberlassen ... Interview mit thek in Lawrence« – www.bibliotheksportal.de/service/nachrichten/ der Architektin Marina Stankovic und dem Diplom-Ingenieur einzelansicht/article/usa-saatgutbibliothek-in-lawrence.html Tobias Jortzick, Berlin« in: The Green Library: The challenge of (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2016) environmental sustainability / Die Grüne Bibliothek: Ökologische 25 Zum Beispiel die Stadtbibliothek Tiergarten-Süd. Siehe hierzu Nachhaltigkeit in der Praxis. Hauke, Petra et al. (Hrsg.). Berlin; Koll, Gabriele. »Die Grüne Bibliothek der Nachbarschaft« in: Bü- Boston: De Gruyter (IFLA Publications 161). S. 76 chereiperspektiven 2 (2015). S. 20-21 – www.bvoe.at/epaper/ 10 Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable 2_15/index.html (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2016). Selbstver- Development, ehemals Post-2015 Development Agenda ständlich unterscheidet sich die generelle gesellschaftliche Aus- 11 »Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable richtung von ÖBs und WBs. Nichtsdestotrotz könnte ein Loslösen Development« – https://sustainabledevelopment.un.org/ von festgefahrenen Positionen einen Mehrwert zum Beispiel für post2015/transformingourworld (abgerufen am 21. Juli 2016) WBs darstellen. 12 United Cities and Local Governments. »Culture: Fourth Pillar of 26 Für diesen Aspekt der »Bibliothek als ganzheitlichen Lern- und Ar- Sustainable Development« – www.agenda21culture.net/index. beitsort« siehe Wittenauer, Volker und Marlene Neumann. »Von der php/docman/-1/393-zzculture4pillarsden/file (abgerufen am 21. Bibliothek zum Lernort – Ganzheitliche Konzepte für studentische Juli 2016) Lernräume« in: Bibliotheksdienst 49/10-11 (2015). S. 1053-63 13 Hier siehe auch Sommer, Dorothea. »Preface« in: The Green Library: 27 Hellen Niegaard fasst dies als einen Wandel »from collection to The challenge of environmental sustainability / Die Grüne Biblio- access and from preservation to communication« zusammen. thek: Ökologische Nachhaltigkeit in der Praxis. Hauke, Petra et al. Niegaard, Hellen. »Digital Drive and Room for Contemplation. (Hrsg.). Berlin; Boston: De Gruyter (IFLA Publications 161). S. 2 Library Transformation – International Tendencies« in: Library Space: Inspiration for Buildings and Design. Niegaard, Hellen et 14 »Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable De- al. (Hrsg.). Kopenhagen: Danish Library Association. 2009. S. 14 velopment« – https://sustainabledevelopment.un.org/post2015/ transformingourworld 28 Schneider, Ulrich Johannes in »Die Zukunft der Wissensspeicher: Forschen, Sammeln und Vermitteln im 21. Jahrhundert. Düs- 15 Ibid. seldorf, 5.-6. März 2015«. Beese, Nils und Brandtner, Andreas. 16 »International Federation of Library Associations and ABI-Technik 35/2 (2015). S. 128

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29 Ibid. S. 128 35 Ibid. S. 225 30 Ibid. S. 129 36 Klein, Annette in: »Ab in die Koje«. Koch, Roland. b.i.t.online 31 Hannelore Vogt während ihres Vortrags »Wie gestaltet man 18/1 (2015). S. 45 Veränderungsprozesse in Bibliotheken?« auf der ekz-Tagung 37 Ibid. S. 45 »Chancen 2016« am 28. Januar in München 38 Horn, Felix und Markus Brantl. »Hochauflosende 3D-Digita- 32 Die amerikanische Architektin Traci Engel Lesneski beschreibt die lisierung von Kulturerbe: Die praktischen Erfahrungen an der Möglichkeit des Raum-Recyclings von modernen Bibliotheksgebäu- Bayerischen Staatsbibliothek« in: Bibliotheken: Innovation aus den (egal ob alt oder neu) folgendermaßen: »The best 21st-century Tradition: Rolf Griebel zum 65. Geburtstag. Ceynowa, Klaus et al. library building designs allow that balance [between print versus (Hrsg.). Berlin: De Gruyter. S. 302 people spaces] to continually evolve.« Lesneski, Traci Engel. »Trans- 39 Ibid. S. 302 forming Mid 20th-Century Libraries to Meet 21st-Century Needs«. 40 bavarikon: Arboreus, Heinrich: Himmelsglobus – BSB Cod. Präsentation auf dem IFLA World Congress in Kapstadt, Südafrika. icon. 186 – http://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-DDD- hier: Skript S. 5 – http://library.ifla.org/1170/1/075-lesneski-en.pdf 0000000000GLO002 (abgerufen am 7. Juni 2016) (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2016) 41 Helle Juul in: »More than Bricks and Mortar«. S. 228 33 Eigenbrodt, Olaf. »Nachhaltige Missverständnisse« S. 127 42 Zum Beispiel mit Volkshochschulen, Bürgerämtern wie im 34 Eigenbrodt, Olaf und Benjamin Meunier. »More than Bricks and dänischen Arhus oder Stadtarchiven wie an der Stadtbibliothek Mortar: Building a Community of Users Through Library Design« Bielefeld in: Journal of Library Administration 54/3 (2014). S. 225

BuB 68 08-09/2016 493 Foto: Marco_Heyda

Beate Detlefs Zutritt für Erwachsene verboten!

 Biblo Tøyen – die Bibliothek für 10- bis 15-Jährige in Oslo

»Biblo Tøyen« ist die jüngste Ergänzung der Deichmansken Bibliothe- ken, des Netzes der Öffentlichen Bibliotheken in Oslo. Die Kinder- und Jugendbibliothek ist die erste Bibliothek in Norwegen, die nur für die spezielle Zielgruppe der 10- bis 15-Jährigen geschaffen wurde.

494 Foto: Marco_Heyda

Tøyen ist der am dichtesten bevölkerte Stadtteil Oslos. Oslo-Be- der 10- bis 15-Jährigen an, die nicht mehr nach der Schule in sucher erinnern diesen Teil der Stadt oft durch das Munch- den Hort gehen können, da hier nur Schüler bis zur vierten Museum, das dort liegt. Nun wird diese Touristenattraktion Klasse betreut werden. mit dem Stenersen-Museum für Gegenwartskunst zusammen- gelegt und zieht 2018 in den innovativen Stadtteil Bjørvika- Hafen um. Der multikulturelle Stadtbezirk Tøyen sollte des- Mitbestimmung halb kulturpolitisch wieder aufgewertet werden – unter ande- rem mit einem neuen Bibliothekskonzept. Die erste Bibliothek ausschließlich für Jugendliche wurde un- Die Kinder- und Jugendbibliothek »Biblo Tøyen« liegt in ter ihrer Mitarbeit nach ihren Wünschen gestaltet. Es wur- einem kleinen Einkaufszentrum neben der U-Bahn-Station den Workshops durchgeführt um herauszufinden, wie sie sich Tøyen, circa 70 Meter von der anderen Bibliotheksfiliale des ihre Bibliothek vorstellen und was sie in bisherigen Bibliothe- Stadtteils entfernt – einer »normalen« Öffentlichen Bibliothek, ken vermissen. Die Frage war: Wie sähe die Bibliothek Eurer die allerdings umgestaltet wurde und mit recycelten Holzmö- Träume aus? beln aus Paletten und Kisten sowie einer bunten Kinderabtei- Die geäußerten Wünsche beschrieben einen Ort, an dem lung Erwachsenen und kleineren Kinder ein attraktives Ange- man »chillen« und »abhängen« kann und Ruhe vor Eltern und bot mit täglichen Öffnungszeiten von 7 bis 23 Uhr macht. Geschwistern hat. Auch Bücher, Medien und Computer kamen »Biblo Tøyen« (»Biblo« ist Slang für Bibliothek) ist von 14 vor. Man wünschte sich das Zusammensein mit anderen und bis 19 Uhr für Kinder und Jugendliche von 10 bis 15 Jahren die Möglichkeit kreativ zu sein. Gemütlich sollte es sein, und geöffnet. In dem früheren Ladenlokal mit circa 600 Quadrat- der Ort sollte Geborgenheit vermitteln. Die Bibliothek ist dem meter Fläche wird man von der Teppich-Inschrift »Erwachsene nachgekommen und hat einen coolen und gemütlichen »drit- und Schuhe müssen draußen bleiben« empfangen. Zum Glück ten Ort« geschaffen, zwischen Schule und Zuhause, wo die 10 hatte ich mit dem Leiter beider Bibliotheken, Reinert Mithassel, bis 15-Jährigen lernen, forschen und sie selbst sein können. einen Termin ausgemacht und durfte über die Schwelle treten. Die Jugendlichen waren eine wichtige Inspirationsquelle Seit der Eröffnung Ende März besuchen jeden Tag 300 bis für die Einrichtung und die Konzeption der neuen Bibliothek. 400 Kinder und Jugendliche die Bibliothek. Der Vormittag ge- Sie werden auch zukünftig mitbestimmen, welche Autoren hört den Schulklassen. Während die Lehrer der entsprechenden und Akteure für Veranstaltungen eingeladen werden und was Klasse gegenüber in einem Café warten, arbeiten die Schülerin- in »Biblo Tøyen« wichtig ist und sein wird. Eine ähnlich kon- nen und Schüler in der Bibliothek an Projekten oder vertiefen zipierte Bibliothek gibt es bereits in Stockholm. Mit den Mit- sich in ihre Lektüre. Ab 14 Uhr bietet die Bibliothek den »dritten arbeitern der Bibliothek Tio Tretten (10-13) fand im Zuge der Ort« für die sonst eher vernachlässigte Bibliothekszielgruppe Entwicklung von »Biblo Tøyen« ein Erfahrungsaustausch statt.

BuB 68 08-09/2016 495 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

Spektakuläre Einrichtung Ein 3D-Drucker kann ausprobiert werden, und es gibt eine große PC-Station. Um die Einrichtung des ehemaligen Ladenlokals nach den Die Gondeln einer alten Seilbahn aus der Schweiz bieten Wünschen der Zielgruppe zu gestalten, waren viele verschie- kleine Räume für Hausarbeiten und Gruppenarbeit. Hier kann dene Akteure involviert. Neben dem niederländischen Innen- man auch in Ruhe eine Partie Schach zusammen spielen. Die architekten Aat Vos war die Firma Artisan Tech beteiligt, die Kabinen können an der Decke verschoben werden, sodass ein normalerweise Filme und TV-Sets ausstattet. Die Deichmanske großer freier Raum entsteht, beispielsweise für Versammlun- Bibliothek und ein Architekturpsychologe stellten sicher, dass gen oder Konzerte. die Ergebnisse der Workshops mit den Jugendlichen in kon- Die deutsche Graffiti-Künstlergruppe Herakut aus Ham- krete Inneneinrichtungsvorschläge umgesetzt wurden. burg hat die Wände hinter der Bühne dekoriert. Es gibt Spie- Vom Stadtrat bis zum Elektriker haben alle enthusiastisch gelwände und eine Wand, die mit Legosteinen gestaltet werden an der Verwirklichung des Projekts mitgearbeitet. Das Ergebnis kann. Jede Ecke bietet Neues, und alles kann auch verändert ist sehens- und erlebenswert. Marianne Borgen, die Kulturbür- werden – auch die Buchregale, die an Laufschienen im ganzen germeisterin von Oslo, sagte bei der Eröffnung: »Ich wünschte, Raum von der Decke hängen. ich wäre nochmal zehn Jahre alt, um hier zu lesen.« Begrüßt wird man von einem Elch aus Holz in Echtgröße, der als Garderobe mit Schuhfächern im Bauch gestaltet ist, Chips und Drohnen denn alle ziehen ihre Schuhe aus, wenn sie den Raum betre- ten. Die Infotheke der Bibliothekarin besteht aus einem Flippe- In der neuen Jugendbibliothek sind die Medien nach Themen rautomaten mit seitlichem Holzbrett, auf dem ein Laptop steht. angeordnet. Die Regale tragen Nummern und Überschriften Zwei englische Telefonzellen bieten Durchgänge zum Büro und mit Kreide auf kleinen Tafeln und können immer wieder neu in einen Ankleide- und Medienraum hinter der Bühne, deren beschriftet werden. Ein Buch, das »falsch« weggestellt wurde, Holzfußboden aus einer Turn- ist in einer normalen Biblio- halle in Schottland stammt thek erst mal verschwunden. und bunt neu zusammenge- Das kann in »Biblo Tøyen« setzt wurde – ein liebevoll ge- Zahlen und Fakten nicht passieren – hier haben staltetes Detail reiht sich an die Bücher nämlich überhaupt das andere. • Neue Filiale der Deichmannsken Bibliotheken in Tøyen für keinen festen Platz. Die Wände sind voller Kinder und Jugendliche von 10 bis15 Jahre Die Jugendlichen schaf- Rückzugsmöglichkeiten ge- • 600 Quadratmeter Fläche fen sich ihr eigenes Klassifika­ staltet. Mit Samtkissen ausge- • 300 bis 400 Besucher pro Tag tionssystem. Die Regale tragen polsterte Höhlen und kleine • 5 festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Überschriften wie »Unheim- Räume in Meeresfarben mit • Open Source-Bibliothekssoftware KOHA; RFID lich«, »Kurz und Gut«, »Tiere« Bullaugen, hinter denen • Kommunale Initiative, Kosten circa 10 Millionen NOK oder auch »Diese Bücher wer- Riesenkraken und Taucher (1 Million Euro) den dein Leben verändern«. schwimmen, erwecken den • Der Umbau dauerte 14 Monate Assoziativ wird der Bestand Eindruck, man läse in Gesell- • Die Produktionsgesellschaft Artisan Tech hat zusammen mit immer wieder neu aufgestellt schaft von Captain Nemo. dem niederländischen Innenarchitekten Aat Vos die Einrich- und benutzergesteuert in ei- Im Zentrum der Biblio- tung übernommen, die deutschen Graffitikünstler Herakut ner Weise geordnet, die die haben die Wände dekoriert. thek steht ein alter Volvo-Last- Erlebniswelt der Kinder wi- wagen, der den Kosenamen • Biblo Tøyen hat seit 31. März 2016 geöffnet derspiegelt. Nicht die Nutzer Bamse (Teddy) trägt. Im Mo- müssen sich dem Bibliotheks- torraum unter der Kühler- system anpassen, sondern das haube lädt ein Sofa zum Lesen Links System wird den Bedürfnis- zu zweit ein. Die Ladefläche ist sen und Wünschen der Kinder in eine Küche umgebaut, die • http://theoslobook.no/2016/05/28/biblo-toyen/ – (englisch) angepasst. Man stellt die Me- für Ernährungskurse genutzt • www.aftenposten.no/osloby/--Her-har-kidsa-fatt-lage-sitt- dien dort ins Regal, wo man werden kann oder wo man eget-bibliotek-55990b.html – (norwegisch) meint, dass es am besten zur lernt, wie man Brötchen backt. • www.dagsavisen.no/oslo/her-pa-toyen-skal-biblioteket- Regalüberschrift passt. Die Zwei alte Piaggio Lastwa- vere-et-trygt-og-kult-sted-1.706157 – (norwegisch) Buchregale können ihren Platz gen der Marke Ape (kleine, jeden Tag verändern. dreirädrige Lieferwagen) wur- RFID vereinfacht es, die den zu Mini-Werkstätten um- Video: Einen virtuellen Rundgang durch die spekta- Aufstellung in den Rega- gebaut, an denen man basteln, kuläre Bibliothek finden Sie in der BuB-App. len variabel zu halten. Wenn das Mobiltelefon reparieren man ein Buch sucht, hat das oder Gedichte schreiben kann. Bibliothekssystem die volle

496 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

In der Lesehöhle. Foto: Beate Detlefs

Wie im U-Boot – Leselandschaft. Foto: Beate Detlefs

BuB 68 08-09/2016 497 Theaterbühne mit Graffiti aus Hamburg. Foto: Beate Detlefs

Kontrolle. Jede Nacht fliegt eine Drohne in der Bibliothek he- Probleme gibt es bisher wenige. Die Nutzer fühlen sich rum und scannt die Bücher. Das dauert nur wenige Minuten. sehr wohl, und nur fünf Prozent schlagen gelegentlich über die Ein kleiner Chip erzählt dem System, wo sich das Buch gerade Stränge und ziehen damit viel Aufmerksamkeit auf sich, die befindet. So behalten die Bibliothekare und die Nutzer, auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für geplante Aktivitä- durch die Open Source-Software KOHA, den Überblick. ten mit den anderen Kindern fehlt. Deshalb werden nun Frei- Für die Ausleihe werden die Kinder und Jugendlichen re- willige eingesetzt, die sich speziell mit den aktiveren Jugend- gistriert und bekommen eine Art Chipkarte. Man braucht kei- lichen beschäftigen. nen Ausleihvorgang wie in einer normalen Bibliothek, um et- In der Fachwelt löst die neue Filiale Begeisterung aus. Die was mitzunehmen: Die Chipkarte und ein Chip im Buch sorgen ganze Bibliothek macht Mut und ruft zu Kreativität und Phan- dafür, dass Kind und Medium beim Verlassen der Bibliothek tasie auf. Alle bisherigen Bibliotheksregeln und Gesetze wer- automatisch zusammen verbucht werden und die Ausleihe re- den an diesem einzigartigen Ort gebrochen, und der Blick da- gistriert wird. rauf, was eine Bibliothek ist und sein kann, wird von »Biblo Tøyen« herausgefordert und verändert.

Ausblick

Die Bibliothekarin Karen Tømte erzählt, dass viele neue Besu- Beate Detlefs (Foto: privat) gebo- cher die Bibliothek zuerst für eine Art Jugendclub halten. Es ren 1960 in Hamburg, ist Master- sei dann die Aufgabe der Mitarbeiter, die Balance zwischen absolventin in Bibliotheks- und Spielen, Lesen und Lernen zu finden. Schreibkurse mit Auto- Informationswissenschaft. Sie ren, Schriftstellerbesuche und Vorlesestunden betonen die lite- hat seit 1985 Bibliotheken im In- rarische Wissens- und Kulturvermittlung. Lesekompetenz und und Ausland geleitet, auch für das Lese-Enthusiasmus in der Zielgruppe sollen gefördert werden, Goethe-Institut. Sie lebt in Berlin. weil Lesen der Schlüssel zu allem ist.

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Holger Wendt »Reise durch das Bermudadreieck«

Planung und Realisierung der Bibliothek Design Medien Information (DMI) im Erweiterungsbau des Kunst- und Medien- campus der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

Der Hochschulinformations- und Bibliotheksservice (HIBS) anderen Hochschulen – ideal für einen neuen Kunst- und Me- versorgt die vier Fakultäten der Hochschule für Angewandte diencampus schien. Für eine Fakultätsbibliothek war in dem Wissenschaften (HAW) Hamburg mit fünf Bibliotheken an Gebäude aber kein Platz. Da zu der Fakultät DMI auch das den drei Standorten der HAW. Historisch bestand der »Bi- Department Information gehört, also die Ausbildung der Bib- bliotheksverbund«, wie der Zusammenschluss der Biblio- liothekare, war ein Standort ohne Bibliothek zuletzt deswegen theken früher hieß, aus sieben Bibliotheken, die an den da- nicht denkbar. Mit gemeinsamen Kräften konnte die zuständige maligen Standorten der HAW Hamburg (früher Fachhoch- Behörde von der Hochschule überzeugt werden, dass eine Lö- schule Hamburg) beheimatet waren. Nach Gründung der sung her müsse. Hilfreich bei der Überzeugungsarbeit war, dass Fakultät DMI sollten die bis dahin an verstreuten Orten be- »in der Finkenau« auch keine Mensa vorgesehen war. Hungrige heimateten Departments Design, Medien und Information Studierende – im Magen und »im Kopf« – konnte auch die Be- einen gemeinsamen neuen Standort erhalten. HIBS-Leiter hörde nicht verantworten und hatte ein Einsehen: Ein Neubau Holger Wendt berichtet über das Neubau-Projekt. durfte geplant und gebaut werden. Nun begann der Prozess und das Tauziehen um den Raum: Wie viele Quadratmeter darf beziehungsweise muss eine Biblio- thek heute haben? DIN-Fachbericht und die Studien des HIS in Die Geschichte der Schriftenreihe Forum Hochschule: Das eine ist veraltet, das andere wird von Bibliotheken und Hochschulen nicht geliebt. Nach längerer Planungs- und Umbauphase fand sich 2010 mit Und: Versteht eine Behörde, dass Bibliotheken heute weit mehr der 1914 erbauten ehemaligen »Frauenklinik Finkenau« für die sind und sein müssen als ein Aufbewahrungsort für Bücher Fakultät ein neuer Ort, der – auch wegen der Nachbarschaft zu und dass ein Campus einen Mittelpunkt und Begegnungsort

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braucht und eine Bibliothek dafür genau das Richtige ist? Die Beteiligten Wir haben uns dann auf knapp 1 000 Quadratmeter für circa 2 900 Studierende geeinigt. Dabei wurde zwar noch immer von Die drei wichtigsten Player bei einem Neubau, Bauherr – Ar- Regalmetern und »wie viele Bücher da jetzt rein sollen« gespro- chitekt – Nutzer, bilden eine Art »Bermudadreieck«. In diesem chen, aber sowohl der notwendige Platz für Medien als auch Spannungsdreieck kann manche Idee oder Vorgabe verschwin- ausreichend Raum für einen Lern- und Kommunikationsort Bi- den, da die Interessen der beteiligten Parteien unterschiedlich bliothek konnten berücksichtigt werden. oder gar gegenläufig sein können. Der Architekt möchte seinen Stil verwirklichen, der im besten Fall dem Prinzip »form follows function« folgt, aber manchmal kann die Form dann auch ei- Der Wettbewerb gene Wege gehen. Die Nutzer des fertigen Gebäudes entdecken manche Kanten oft erst nach längerem Nutzen der Bibliothek. Nachdem die zuständige Behörde 2008 einen Architekturwett- Und selbst wenn Architekt und Nutzer eine für beide stimmige bewerb für den Neubau ausgelobt hatte, nahmen zwei Vertreter Form gefunden haben, kann es passieren, dass der Bauherr sein des HIBS als Sachverständige an dem Verfahren teil. In dieser Veto einlegt: »Schön, aber zu teuer.« Funktion konnten wir unsere Bewertungen aus der Sicht der Bi- bliothek für die mehr als 20 Entwürfe abgeben. Obwohl dies für Ein wichtiges Grundkonzept für die Bibliothek mich Neuland war, haben mich viele der eingereichten Entwürfe war die Aufteilung in eine eher kommunikati- angesprochen, und ich fragte mich zwischendurch, warum es ve, lebendige Zone, in der es auch turbulenter bei so vielen tollen Ideen überhaupt langweilige Bibliotheksbau- zugehen kann, und einen leisen Bereich, der ten gibt? Unsere Anforderungen konnten in die Wettbewerbsaus- schreibung einfließen, wobei unser Augenmerk dabei auf einer konzentriertes Arbeiten ermöglicht. einladenden Situation im Eingangsbereich, den Bereichen für die Nutzer, aber auch auf den Mitarbeiterarbeitsplätzen lag. Und natürlich treten im Laufe des jahrelangen Prozesses fast alle Hindernisse auf, die auftreten können. Sehr spürbar war Unsere Hauptkriterien waren: für mich, dass einige wichtige Schlüsselpositionen während des Bauprozesses wechselten: Die Position der Bibliotheksleitung • Übersichtlichkeit: Klarheit, leichte Orientierungsmög- musste neu besetzt und eine Person gefunden werden, die be- lichkeit, sinnvolles Ineinandergreifen der reit war, in den bereits begonnen Planungsprozess einzusteigen Funktionsbereiche. und eine gemeinsame Haltung mit der HIBS-Leitung bezüglich des Bibliothekskonzeptes einzunehmen. Die Architektin, die • Kompaktheit: Erleichterung der Bewegung von für die Hochschule den Bauprozess betreut hatte und damit Besuchern, Personal und Buchbeständen. eine wichtige Ansprechpartnerin für uns gewesen war, da sie die Mittlerin zwischen den Nutzerinteressen und den Architek- • Zugänglichkeit: Nur ein Zugang mit einem leicht ten darstellt, ging in Elternzeit. Die Innenarchitektin des Archi- verständlichen Übersichtsplan, der nur ein Mindest- tekturbüros wurde im Laufe des Prozesses für eine andere Auf- maß an ergänzenden Hinweisen benötigt und kein gabe abgeordnet und durch eine Kollegin ersetzt. Das Problem kompliziertes Leitsystem erfordert. in allen drei Fällen war nicht, dass »die Neuen« ihre Aufgaben nicht auch gut machten, es wurde aber deutlich, wie wichtig • Veränderbarkeit: Um in der Anpassung an die eine kontinuierliche Kommunikation in einem solchen Prozess Lerngewohnheiten, der Anordnung der Einrichtung ist. Und bei jeder neu beteiligten Person muss man sich auf ei- und bei der Unterbringung von Medien flexibel zu sein. nen neuen Dialog einstellen. Das kostet Zeit, erzeugt Reibungs- verluste und irgendetwas ist hinterher doch anders als zuvor. • Bequemlichkeit: Zum Beispiel gute Lichtverhältnisse, Innerhalb und neben den vielen formalen Baubesprechungen wenig Geräusche, um eine hohe Akzeptanz der Biblio- ist es sehr hilfreich, mit den Architekten und den weiteren Fach- thek und deren Benutzung zu fördern. planern eine gemeinsame Sprachebene zu finden. Die Kommu- nikation sollte in einem Planungsprozess so persönlich und in- • Barrierefreiheit: Guter Zugang auch für Studierende tensiv wie möglich sein! mit Rollstuhl, z.B. Wege ohne Stufen, breite Türrahmen. Sehr hilfreich und im Rückblick unbedingt notwendig war die Möglichkeit, die innenarchitektonische Betreuung bei Ger- Gewonnen hat den Wettbewerb ein Entwurf des Architektur- ber Architekten gesondert beauftragen zu können. Hier war büros Gerber Architekten, den wir auch als Vertreter des HIBS der HIBS Auftraggeber, wodurch wir viel mehr Mitsprache- befürwortet haben, da er unsere Kriterien sehr weitgehend er- möglichkeiten bei der von uns selbst finanzierten Innenaus- füllt hat. Vor allem die Aufteilung der Bibliotheksfläche in zwei stattung hatten als im Bereich der festen Einbauten. Trotz aller Bereiche deutete an, dass die von uns gewünschte Zonierung in Planungen, Baubesprechungen, Vorüberlegungen, Erfahrun- unterschiedlich lebhafte Bereiche der Bibliothek sich hier gut gen und der Einbeziehung von Fachleuten zum Thema Lern- würde realisieren lassen. ort bleibt vieles in einem Bauprojekt aber letztlich auch Zufall,

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Die Rückwand des Ausleihtresens fungiert als Raumtrenner zum Mehrzweckbereich der Bibliothek.

oder anders ausgedrückt: kreativer Umgang mit Problemsi- Lernsituation benötigen. Daher haben wir Möbel angeschafft, tuationen. Ein Bauprojekt ist so komplex, dass immer wieder die leicht sind und ohne Aufwand verschoben werden kön- Lücken während der Planung sichtbar werden, die man dann nen und möglichst auch dazu einladen, dies zu tun, wie zum mit neuen Ideen füllen muss. Glück war für uns in diesem Fall Beispiel Sitzsäcke, Sitzmöbel aus Schaumstoff in unterschied- auch, dass sich zwei Professorinnen des Departments Infor- lichen Formen, mobile Whiteboards oder Klapptische. Dabei mation mit dem Thema »Lernort Bibliothek« befassten: Ur- machen wir die Erfahrung, dass die Nutzer mit ihren Freihei- sula Schulz und Christine Gläser führten in ihren Lehrveran- ten verantwortlich umgehen und wir sie selten zu »Ruhe und staltungen Untersuchungen durch, wie die Studierenden und Ordnung« ermahnen müssen. Flexibilität bleibt überhaupt ein Lehrenden der Fakultät heutzutage arbeiten und was sie von wichtiges Motto. Wir probieren verschiedene Dinge einfach aus einer Bibliothek erwarten. Dabei wurde sehr deutlich, dass ge- und sehen dann, was ankommt und was nicht und organisieren rade die künstlerischen Departments eine Bib- gegebenenfalls um. Wir nehmen uns als ler- liothek ganz anders wahrnehmen und nutzen, Ein großer Raum war nende Bibliothek wahr und versuchen flexibel als wir das erwarten würden. Christine Gläser ursprünglich als PC-Pool und dynamisch auf aktuelle Bedarfe zu reagie- hat uns daher einige Bücherregale gestrichen geplant, aber während ren. Wir beobachten die Nutzung unserer An- und sattdessen Chillzones und »Wohnzimmer« der Bauphase haben wir gebote und ändern, wenn nötig, unsere Pläne. bis hin zu »Haifischbecken« eingefordert1, und In der einen (kommunikativen) Zone be- uns gefragt, ob ein sol- Ursula Schulz hat uns aufgefordert, einmal »in finden sich der Eingangsbereich und der in den Schuhen unser Nutzer« durch die Biblio- cher Raum überhaupt unserer Bibliothek immer noch zentrale Ort thek zu gehen2. noch notwendig ist, da des Ausleih- und Informationstresens. Aber die Studierenden meist vor allem liegen dort die von Christine Glä- eigene Notebooks mit- ser so benannten Bereiche Interaktion/Pro- Die Bibliothek bringen. duktion sowie Relax/Kommunikation, die einerseits einen Wohnzimmercharakter ha- Ein wichtiges Grundkonzept für die Bibliothek war die Auftei- ben können, andererseits aber auch offene Arbeitsbereiche für lung in eine eher kommunikative, lebendige Zone, in der es kleine bis mittelgroße Gruppen bieten sollen. Die Idee ist, dass auch turbulenter zugehen kann und einen leisen Bereich, der sich in einer entspannten Ruhesituation Ideen und Diskussi- konzentriertes Arbeiten ermöglicht. Der Entwurf von Gerber onen entwickeln, die dann möglichst nahtlos in eine Arbeits- Architekten hat dies gut ermöglicht, da er zwei, durch einen und Planungssituation münden können. Diese Bereiche sind Gang getrennte Bereiche vorgesehen hat. Ein weiteres Kon- in der Ausführung dann auch so flexibel geraten, dass sie gut zept war, den Nutzern soweit dies möglich ist, selbst die Ge- für verschiedenste Veranstaltungen der Bibliothek genutzt wer- staltung und Nutzung der Flächen und Räume zu ermöglichen. den können. Ein großer Raum war ursprünglich als PC-Pool Die Studierenden wissen selbst am besten, was sie für eine gute geplant, aber während der Bauphase haben wir uns gefragt, ob

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ein solcher Raum überhaupt noch notwendig ist, da die Stu- wir uns stellen, indem wir Entspannungs- und Rückzugsmög- dierenden meist eigene Notebooks mitbringen. Wir haben die lichkeiten bieten. Bibliotheken müssen also ein Lernort sein, letztendliche Nutzung dieses Raumes daher bis heute offen ge- der den breiten Anforderungen des Studiums gerecht wird! lassen und stellen ihn erst einmal als Gruppenarbeitsraum bzw. für Workshops oder Veranstaltungen zur Verfügung. 1 Gläser, Christine und Ursula Schulz: Bibliotheken als Schmelztie- Die für Bibliotheken bisher »klassische«, weil ruhige Zone gel der Kulturen – ein Bericht aus der Werkstatt ethnographischer Methoden der Kundenforschung. In: Bibliothek, Forschung und befindet sich im hinteren Bereich der Bibliothek, der durch ei- Praxis. 38(2014), H.2, S. 1-9 nen Gang akustisch und optisch vom vorderen Teil getrennt ist. 2 Schulz, Ursula (2013): Service nach Maß: eine Bibliothek für die Dort sind Einzelarbeitsplätze und Gruppenarbeitsräume behei- Informationskultur der Studierenden am Department Design – matet. Zudem befindet sich dort ein Kreativraum, der von den Projektbericht aus dem angeschlossenen Projekt InfoKult. Ham- Nutzern komplett frei gestaltet und genutzt werden kann, bis burg, HAW Hamburg. www2.bui.haw-hamburg.de/pers/ursula. hin zu der Möglichkeit, Graffiti an die Wände zu malen. In den schulz/publikationen/ethnographie_infokult.pdf Gruppenarbeitsräumen arbeiten wir derzeit mit den Lichtge- staltern des Departments Medientechnik an verschiedenen Lichtkonzepten und Lichttemperaturen, um eine angenehme, Holger Wendt (Foto: privat) ist seit 2006 ermüdungsfreie und produktive Arbeitssituation zu kreieren. Leiter des Hochschulinformations- und Den größten der Gruppenarbeitsräume stellen wir auch als Bibliotheksservice (HIBS) der Hoch- Raum für Lehrveranstaltungen zur Verfügung. Uns ist dabei schule für Angewandte Wissenschaf- wichtig, die Verbindung zwischen der Lehre und der Biblio- ten Hamburg. Er hat für die Bibliothe- thek zu stärken und auch dadurch Studierende wie Lehrende ken des HIBS zwei Neubauprojekte und in die Bibliothek zu holen. Fast alle Räume haben bodentiefe den Umbau und Einzug in ein bereits Glaswände, sodass eine gute Einsicht gegeben ist und auch die bestehendes Gebäude betreut sowie Büros sind so ausgestattet, dass die Mitarbeiterinnen jederzeit mehrere Machbarkeitsstudien für Bibliotheksplanungen einen Blick in die Bibliothek haben können und für die Nutzer mit verschiedenen Architekturbüros durchgeführt. sichtbar und ansprechbar sind. Ach ja, und die Bücher? Auch wenn viele Stimmen gemahnt haben, wir hätten immer noch zu viele Regalmeter stehen ge- lassen: Eine Bibliothek mit dem Thema Design braucht auch ANZEIGE heute noch Printbücher, da vieles in diesem Bereich nach wie vor nicht in elektronischer Form vorhanden ist beziehungs- weise die Studierenden auch gerne vor Ort in großformatigen Bildbänden blättern.

angewandte Systemtechnik GmbH Und nun…?

Was würde man gerne anders gemacht haben? Bei den meisten Lösungen für Bibliotheken und Archiv Problemen steckt der Teufel eher im Detail der täglichen Routi- ● nenutzung: Die automatisierte Klimatechnik ist auch nach über aDIS/BMS – das integrierte Bibliothekssystem - für Großstadt-, Universitäts-, Hochschul-, Behörden- einem Jahr noch nicht wirklich eingependelt, während sich das und Parlamentsbibliotheken zentral gesteuerte Schließsystem inzwischen gut nutzen lässt. - als Cloud-fähiges Mandanten-, Verbund- oder Für die stark nachgefragten und fast immer vollen Gruppen- Lokalsystem in Verbünden arbeitsräume benötigt man ein Raumbuchungssystem, um ● aDIS/Wissen sich Arbeit wie Ärger zu ersparen und Ungerechtigkeiten zu - für die personalisierte Informationsbündelung vermeiden. Auch der Ausbau der technischen Ausstattung ist ● aDIS/Portal noch nicht abgeschlossen, zum Beispiel im Bereich Präsenta- - für Fremddatennutzung mit Catalogue enrichment tions- und Veranstaltungstechnik. Es gibt immer wieder neue ● aDIS/Archiv Situationen, auf die wir flexibel reagieren wollen. - für konventionelle und elektronische Sammlungen Heute sehen wir uns folgender Situation gegenüber: Studie- Neu in 2016: ren setzt Gruppenarbeit voraus, kreative Prozesse müssen statt- - Bezahlen von Gebühren im OPAC finden können, es werden Notebooks, Tablets und Smartpho- - Regelkonforme Umsetzung von „Resource Description nes genutzt, das Buch aus dem Regal zu nehmen reicht nicht and Access“ (RDA) aus, auch E-Medien müssen ins Lernen eingebunden werden können. Studierende verhalten sich in der Bibliothek entspre- |a|S|tec| GmbH Tel.: (030) 617 939-0 Paul-Lincke-Ufer 7c chend anders. Sie wollen und sollen kommunizieren. Auch län- [email protected] 10999 Berlin www.astec.de geren täglichen Aufenthaltszeiten in der Hochschule müssen

BuB 68 08-09/2016 503 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT Wissen? fragt? ? ...? ? Der Organismus des Biblio- ? ? ? ? thekswesens – geheimnisvoll, ? ? rätselhaft und labyrinthisch ?  ? ? Auf einen Espresso mit dem österreichischen Baukünstler und Hoch- Staats- und Universitätsbibliothek Dresden schullehrer Manfred Ortner zur »Atmosphäre von Bibliotheken«

Manfred Ortner studierte an der Universität Wien Malerei, Kunsterziehung und Geschichte. Nach seinem Abschluss war er zunächst als Kunsterzieher tätig und stieß 1970 zur Architekten- und Künstlergemeinschaft »Haus-Rucker-Co«, die mehr- mals zur documenta in Kassel eingeladen wurde. Ende der 1980er-Jahre gründete er mit seinem Bruder Laurids das Archi- tekturbüro »Ortner & Ortner Baukunst«, das unter anderem das Museumsquartier Wien, das Schauspielhaus Schiffbau in Zürich und die SLUB in Dresden baute. Seit 1994 ist Ortner Professor an der Architekturfakultät der Fachhochschule Pots- dam. Im aktuellen Interview der Reihe »Wissen fragt ...«, erzählt er vom Herzen und der Lunge von Bibliotheken.

umblätterte, sich etwas aus den Regalen holte und zu lesen begann. Dies war ein ganz intensives Mitei- nander, auch wenn man in diesen ruhigen Bereichen so gut wie nicht miteinander spricht. Heute gibt es Bibliotheken vor der Bibliothek und diese Vorzonen sind äußerst kommunikativ ausgerichtet.

In der Stuttgarter Stadtbibliothek wird ein Raum ganz ohne Bücher das »Herz« genannt. Wie se- hen sie das? Für mich erscheinen die Bücher als ein ganz Auf einen Espresso mit Manfred Ortner. wichtiges Element einer Bibliothek. Je mehr Bücher die Wände bedecken, umso mehr stellt sich so et- Dirk Wissen: Wie würden Sie als Architekt die At- was wie eine Atmosphäre ein. Denn die Bücher bie- mosphäre einer Bibliothek beschreiben? ten eine eigene physische Akustik, bieten einen ei- Manfred Ortner: Die Atmosphäre ist das »Herz genen Geruch. Und dann gibt es natürlich das Licht. einer Bibliothek« und der Architekt muss sich fragen, Alles was zu hell ist, ist abträglich für eine Biblio- wie er diese Atmosphäre vermitteln kann. Wenn die thek. Darum gibt es in vorbildlich guten Bibliothe- Die alte Bib- Atmosphäre gut ist, bietet sie eine Art von »medita- ken diese kleinen Leselampen, damit das Licht ganz liothèque de tivem Zustand«, in den man beim Eintauchen in die spezifisch konzentriert werden kann. Wir hatten in France ist wahr- Bibliothek immer weiter versinkt. Das ist, wie wenn der Dresdener Bibliothek ein großes Glasdach, das scheinlich das man in ein Buch hineinschaut. Mit dem Eintauchen ganz ungehindert viel Licht hineinlassen würde und in das Buch verschwinden die Geräusche ringshe- alle waren zunächst davon begeistert. Und dann ha- Juwel schlecht- rum. So müsste im Idealfall auch eine Bibliothek ben wir gesagt: »Nichts da. Da kommt eine Folie als hin mit diesem funktionieren. Je mehr man in das »Herz« einer Bi- Schicht dazwischen, die das Licht dimmt, damit es grandiosen bliothek eindringt, umso ruhiger wird es. Wichtige nicht zu ganz eklatanten Lichtspielen kommt, die großen Lesesaal Ingredienzien für diese Art von Ruhe sind zum Bei- die Konzentration oder die Intimität stören.« und gleichzei- spiel die Bücher selbst. Bücher, die als Bekleidung tig auch diesen der Bibliothekswände dienen, werden vom Architek- Welche »vorbildlich guten« Bibliotheken fallen unglaublichen ten als Material verstanden. Doch für einen der liest Ihnen zur Aufenthaltsqualität zuerst ein? oder lernt, sind diese Bücher nicht nur einfach da. Die alte Bibliothèque de France. Diese ist wahr- Magazinen. Nein, derjenige filtert die Bücher, saugt sie in sich scheinlich das Juwel schlechthin mit diesem gran- auf und verschwindet in ihnen. Was mich hierbei diosen großen Lesesaal und gleichzeitig auch diesen früher am meisten in Stimmung versetzt hat, war, unglaublichen Magazinen. Sie präzisiert mit ihren in die alten Lesesäle zu gehen, dort diese leise Mu- unterschiedlichen Räumen das »Bibliothekswesen«. sik des Papiers zu hören, wenn irgendjemand etwas Ich meine Bibliothekswesen in dem Sinne, dass eine

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Für Architekt Manfred Ortner ist er ein Juwel: der Lesesaal der alten Bibliothèque de France.

Der Lesesaal der SLUB Dresden: Der Lichteinfall soll Konzentration und Intimität fördern.

gesamte Bibliothek wie eine Art von Organismus Was ist in Ihren Augen das Besondere, was Hans funktioniert. Das ist hoffentlich auch in unserer Dres- Scharoun mit dieser Bibliothek geschaffen hat? dener Bibliothek so. Eine Bibliothek ist immer ein Or- Diese Bibliothek ist zunächst ein Vorbild für ganismus, der verschiedene Teile, wie zum Beispiel ganz viele andere Bauten gewesen. Nicht für un- ein »Herz«, eine »Lunge«, hat. Architektonisch be- sere in Dresden, denn diese haben wir als eine der trachtet muss man fragen, wo die Luft zum Atmen Ersten in diesem Jahrtausend wieder mit einem Le- herkommt und was das Herz der Bibliothek ist? sesaal versehen. Danach wurden wieder viele an- Ich liebe Biblio- dere Bibliotheken mit einem Lesesaal gebaut, wie theken! Wenn Bedarf es heute noch Lesesälen? Wie ist das mit die von Max Dudler oder die in Stuttgart. Davor gab ich könnte, wür- der voranschreitenden Digitalisierung vereinbar? es aber eine Zeit, in der solche zentralen Lesesäle de ich selber, Unbedingt, Lesesäle stellen in unserer unheim- verpönt waren. Doch das ist falsch. Schauen Sie sich lich lauten, hektischen und betriebsamen Zeit, Scharouns Lesesaal an. Scharoun hat das großar- wie Karl Lager- Rückzugsorte dar. Wenn man sich zum Beispiel tig gemacht, mit diesem offenen Raum, der sich in feld, eine eigene in einen Computer statt in ein Buch versetzt oder alle Richtungen hin, zu allen Seiten hin, öffnet und Bibliothek mit versenkt, ist man ja irgendwie auch in einer Sache verspringt. Das hat selbst heute noch etwas Utopi- 500 000 Büchern versunken und dafür braucht es ganz gezielt Orte. sches. Diese Bibliothek ist zwar nicht meine Lieb- haben wollen. Orte, um dieses Bewusstsein, dass hier Wissen ge- lingsbibliothek, aber sie ist schön und spannend wie speichert ist und ich hier in einem Speicher der Bi- eine Geschichte. Die Bibliothek, die mich am meis- bliothek sitze. Wenn ich stattdessen in einem leeren ten beeinflusst hat hingegen ist für mich die Natio- abstrakten Raum sitzen würde, dann hätte ich nicht nalbibliothek in Wien, weil ich dort studiert habe. das Gefühl dieser Konzentration, egal, ob ich ein di- Wenn man oft in dieselbe Bibliothek geht, bleibt es gitales Medium oder ein Buch benutze. nicht aus, dass man sagt, das ist ein ganz wunder- bares Gebäude, mit einem wunderbaren Lesesaal. Sie schwärmen von Lesesälen, sie bauen Archive und Bibliotheken: Nutzen Sie diese auch? Braucht es heute noch einen musealen Prunk- Ich liebe Bibliotheken! Wenn ich könnte, würde saal wie in Wien? ich selber, wie Karl Lagerfeld, eine eigene Bibliothek Ja, wir brauchen das, wir brauchen dies nicht mit 500 000 Büchern haben wollen. Ich benutze öf- nur als Geschichtsmonument oder als Monument fentliche Bibliotheken aber selten, das gebe ich einer kaiserlich-königlichen Tradition. Nein, wir gerne zu, aber ich bin gerne in Bibliotheken. Ich bin brauchen es einfach, damit wir heute wissen, womit zum Beispiel gerne in der Staatsbibliothek in Berlin. die Leute früher ihre Art von Verankerung fanden,

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wie hoch der Stellenwert ihres Wissens war. Heute Die Bibliothek ein Massenspeicher – da bieten ist das Wikipedia, die mittlerweile von dreiviertel manche Internetanbieter einen größeren Infor- der Schüler genutzt wird. Dabei ist eine Bibliothek mationsspeicher an. als Quelle doch besser geeignet. Im Internet ist die Masse nicht erfassbar, nicht dreidimensional und nicht zum Anfassen. Das In- Worin liegt der Unterschied bei der Nutzung ei- ternet bietet viele Qualitäten Schnelligkeit, Zu- Ich frage mich ner städtischen Bibliothek gegenüber einer his- griff für jeden von überall. Aber dieses physische schon, ob eine torischen Bibliothek? Erleben ist das, was uns dann grundsätzlich ir- Zentralbiblio- Ich glaube, dass sich Stadtbibliotheken viel stär- gendwann einmal fehlen wird, sollte es Bibliothe- thek, wie sie in ker in die didaktische Richtung entwickeln müs- ken nicht mehr geben. sen. Die Unterhaltungsbibliotheken, wie es diese Berlin geplant zu meiner Kindheit gab, in der man sich Bücher Unter Ihrem Klingelschild steht »Libri«, die Ver- ist, nötig ist. ausgeborgte, weil man diese anders nicht bekom- waltung eines Buchhandelsgrossisten mit riesi- Wenn dies zu men konnte, weil sie vielleicht zu teuer waren, ist gen Hallen von Medien, die zum nächsten Tag Lasten der Be- heute nicht mehr die primäre Funktion. Ich glaube, lieferbar sind ... zirksbibliothe- dass dieser Aspekt im Wesentlichen zurückgedrängt Stimmt, diese Großbuchhandlungen haben ken geht, dann wird hin zugunsten einer erzieherisch didaktischen durchaus eine kommunikative Basis, die auch Fas- wäre es falsch. Bibliothek, eines Lernraums für Problematiken, um zination bietet. Doch im Normalfall ist eine Buch- zum Beispiel Deutsch oder unsere Kultur zu erler- handlung immer auf Verkauf ausgerichtet und eine nen und zu erfahren. Ich frage mich schon, ob eine Bibliothek verkauft keine Bücher. Im Gegenteil, man Zentralbibliothek, wie sie in Berlin geplant ist, nö- kommt mitunter nur herein, wenn man weiße Hand- tig ist. Wenn dies zu Lasten der Bezirksbibliotheken schuhe anzieht und jemand vom Personal mitkommt. geht, dann wäre es falsch. Wenn diese kleineren Bi- Alleine das ist schon aus meiner Sicht wohltuend. bliotheken nicht beschnitten werden, dann wäre das in Ordnung und auch ein tolles Vehikel, um eine Was können sich Bibliotheken von Buchhand- Stadt voranzubringen. lungen abschauen? Bibliotheken sollten sich das Kommerzielle Vergleichen Sie einen Bibliothkeksbau bei der Pla- nicht abschauen. Museen machen das ja bereits, in- nung beispielsweise mit Großbuchhandlungen? dem sie zunehmend mehr Bereiche haben, die kom- Nein, man sollte sich da ganz auf die Funk- merziell orientiert sind. Dort gibt es zum Beispiel tion der Bibliothek konzentrieren. Da gibt es die eine Buchhandlung und einen Souvenirshop. So et- drei großen Themen: Der Ort des Lernens, der Ort was böte natürlich Bibliotheken die Chance, sich fi- des Speicherns und der Ort der Erinnerung. Und nanziell auf die Sprünge zu helfen. Ich glaube aber, wenn ich es vergleichen müsste, dann würde ich dafür besteht gar kein Bedarf. Sehen Sie sich die Die Präsenta- mich fragen: Was erwarte ich von einer Bibliothek? Zahlen der SLUB an. Meine Tochter geht dort oft hin tion der Bü- Was kann sie besser als Großbuchhandlungen? Was und bestätigt, dass es da keine Lese- und Arbeits- chermengen, können wir von diesen lernen? Ist es vielleicht et- plätze mehr gibt, obwohl diese ein paar tausend der sichtbaren was, das nach außen hin ausstrahlend eine gewisse Plätze hat. Wenn es überhaupt etwas von den Buch- Speichermasse bzw. eine Speicherkraft darstellt handlungen zu lernen gibt, ist es das: Die Präsenta- Masse von Wis- und weniger einen kommunikativen Ort, wie es tion der Büchermengen, der sichtbaren Masse von sen und Infor- Bibliotheken beispielsweise in Skandinavien oder Wissen und Informationen regt an. Das haben gute mationen regt in Amerika sind. Dort sind es quasi zweite Kauf- Buchhandlungen von alten Bibliotheken gelernt. an. Das haben häuser, in denen man auch lesen kann. Das würde gute Buch- ich für das Image unserer Bibliotheken absolut ab- Herr Ortner, ich danke Ihnen. handlungen von trennen. Unsere Bibliothek in Dresden hatte immer den Anspruch, dass es sehr geordnet ist ,aber auch alten Bibliothe- Was sagen Sie, Herr Wilson, gleichzeitig etwas Labyrinthisches in sich trägt. muss sich eine Bibliothek in das ken gelernt. Was uns bei der Planung zugutekam, war diese rie- Stadtbild einfügen? sige Fläche von 100 mal 100 Metern. Diese große Grundfläche ermöglichte es, dem Gebäude ein la- byrinthisches System zum Eintauchen zu geben, in deren Mitte, ganz zentral und schön geordnet, sich der Hauptlesesaal befindet. Diese Art von Zwie- spalt und Rätselhaftigkeit ist meiner Meinung nach das Grundthema einer Bibliothek wie der SLUB oder dem Landesarchiv in Duisburg. Fotos: Dirk Wissen

506 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT Wissen? fragt? ? ...? ? »un-commercial space« – ? ? ? ? »un-programmed space« – ? ? »un-precedented axis« ?  ? ? Auf einen weiteren Espresso mit dem australischen Architekten Stadtbibliothek Münster Peter Wilson zur »Atmosphäre von Bibliotheken«

Zusammen mit seiner Frau Julia Bolles-Wilson baute Peter Wilson von 1989 bis 1993 in Münster die Stadtbücherei und setzte damit neue architektonische Standards im Bibliotheksbau, wofür sie 1995 mit dem »Deutschen Architekturpreis« ausge- zeichnet wurden. Ihr Architekturbüro baute neben einem Stadtquartier in Perugia und einem Einkaufszentrum in Den Haag in den vergangenen Jahren unter anderem die neue City Library in Helmond und die Gefängnisbibliothek der JVA-Müns- ter, die 2007 deutsche »Bibliothek des Jahres« wurde. Aktuell plant das Büro den Bau der Stadtbibliothek in Korça, Alba- nien, und einen Neubau für die Nationalbibliothek von Luxemburg. Im Interview der Reihe »Wissen fragt ...«, erzählt Wil- son unter anderem von der Funktion von Bibliotheken als öffentlichem Raum und der hierzu nötigen Aufenthaltsqualität.

städtebauliche Betrachtung bedeutet zu hinterfra- gen, wie das Gebäude sich in ein Stadtgefüge ein- bringt, und die atmosphärische Betrachtung bedeu- tet zu hinterfragen, wie das Gebäude von innen zu erleben ist. Städtebaulich ist das Gebäude der Stadt- bücherei Münster verformt durch die Umgebung im historischen Kern der Stadt. Wir hatten hier als Auf- gabe, ein modernes Gebäude in eine historische Alt- stadt hineinzusetzen, mit Straßenfluchten, gegebe- nen historischen Wegen und deren sichtbaren Spu- ren. Von außen betrachtet ist die Stadtbücherei als Es hat mich Auf einen Espresso mit Peter Wilson. sehr modernes Gebäude geplant worden. Die Atmo- schockiert, wie sphäre hingegen kommt aber immer von innen. Ich viel Freiraum Dirk Wissen: Wie wichtig ist es, dass sich eine Bi- glaube persönlich nicht, dass die Atmosphäre wis- das Dokk1 im bliothek in das Ensemble eines Stadtteils einfügt? senschaftlich festzulegen ist. Sie ist etwas, das man Inneren hat. Peter Wilson: Das ist enorm wichtig für das Stadt- nur individuell im eigenen Kopf und Körper spüren bild und die Vernetzung der Stadt. Die Bibliothek in kann. Ich hoffe, dass wir mit der Münsteraner Bib- Münster ist einer der einzigen Neubauten in der In- liothek ein Haus geschaffen haben, in dem sich fast nenstadt, bei dem man bei der Nutzung als Bürger jeder Nutzer individuell wohlfühlen und seine ei- nicht gezwungen wird, Geld auszugeben. Die Biblio- gene Atmosphäre ins Leben rufen kann. thek ist ein freies Haus und ein öffentlicher Raum. Sie bietet vielen ein zweites Zuhause mitten in der Wie wichtig ist für dieses Fühlen der Medien- Innenstadt. Vergleichbar sind nur noch die Kirchen raum und der freie Raum, um Aufenthaltsquali- oder in England noch die Museen, die kostenfrei zu- tät einer Bibliothek zu schaffen? gänglich sind. Als von Tony Blair eingeführt wurde, Da fällt mir das Dokk1 in Aarhus ein, wo ich dass Museen kostenfrei zu besuchen sind, wurde dies neulich war. Es hat mich schockiert, wie viel Frei- zu einem unglaublichen Besuchererfolg. Das Schöne raum diese Bibliothek im Inneren hat. Solche rie- hieran und an einer Bibliothek ist, dass es dabei über- sigen und leeren Räumlichkeiten und Flächen, wie haupt nicht um einen »commercial space« geht, doch ich sie da sah, sind unprogrammierte Räume, un- leider werden regelmäßig ganze Stadtzentren zu Op- glaublich. Unsere Definition von Aufenthaltsquali- fern des Kommerzes. tät hat dagegen mit Szenograhie zu tun. Diese Me- thode der architektonischen Komposition orientiert Wie wichtig ist die Aufenthaltsqualität für die At- sich sehr an der englischen Landschaftsgartenarchi- mosphäre einer Bibliothek? tektur, wo Blickwinkel geboten werden, bei denen Da gibt es zwei Aspekte zu beachten: Eine man beim Hereinlaufen weit weg ein Ziel sieht und

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Die Ausleihzahlen der Gefängnis- bibliothek in Münster dürften wohl sinken: Wegen Baufälligkeit wurde die JVA kürzlich evakuiert.

Eine Gasse mitten durch die Bibliothek: Die Stadtbibliothek Münster über- spannt diese Gasse mit einer Brücke.

die Perspektive in Szene gesetzt ist. Wir verstehen haben den freien Blick auf die St. Lamberti-Kirche das als eine Form der räumlichen Inszenierung und beibehalten und damit die Historie respektiert. Die- sind skeptisch gegenüber völlig unprogrammierten ser Schnitt direkt durch das Haus hat aber auch noch Räumen bzw. »un-programmed spaces«. Ich denke, weitere Gründe. Eine Interpretation ist zum Beispiel, Bibliotheken sollten in Teilen programmiert, zum dass wir das Großvolumen der Baumasse verklei- Beispiel als Lounge gestaltet sein, und hierdurch nern wollten. Das bedeutet, wir haben zwei kleinere Raum als ein positives Erlebnis bieten. Entschei- statt eines großvolumigen Objekts gebaut. Ein wei- dend ist, dass Bibliotheksräume von den Bürgern terer Grund, das Gebäude in zwei Hälften zu teilen und Nutzern angenommen werden müssen. Die Bi- war, eine neue Gasse zu erfinden, die quer durch das bliotheksräumlichkeiten müssen inspirierend sein Haus läuft und somit eine Überlagerung von öffent- und den Wunsch wecken, diese benutzen zu wol- lichem Stadtraum und internem Bibliotheksraum len, sonst ist die Architektur stumm. Die Bibliothek entsteht. Diese neue Gasse ermöglicht es, von außen in Aarhus wird jetzt am Anfang sehr gut angenom- quer durch das Innere der Bibliothek laufen zu kön- men, weil sehr viele Dänen neugierig sind und sich nen, ohne dass man in die Bibliothek hineingetreten dieses neue Haus ansehen wollen. Man wird sehen, ist. Es ist möglich, außen und dennoch mitten in der ob dies längerfristig funktionieren wird. Die Büche- Bibliothek zu stehen. Oberhalb sind beide Gebäude- rei in Münster ist nicht nur von Anfang an sehr gut teile durch eine Brücke miteinander verbunden. Eine Nationalbi- angenommen worden, sondern wird auch heute bliothek sam- noch von 3 000 bis 4 000 Besuchern am Tag genutzt. Was sollten eine Stadtbibliothek oder eine Nati- melt das Ge- Diese Bibliothek ist für viele Menschen ein Anker- onalbibliothek funktionell bieten? dächtnis eines punkt in der Stadt. Eine Nationalbibliothek sammelt das Gedächt- nis eines Landes. Sie ist gleichzeitig nicht nur eine Landes. Die Gasse zwischen den beiden Baukörpern der Bibliothek, die sich an einem hohen Wissensstand Bibliothek ist doch auch »unbebauter Raum«? orientiert, sondern dort werden auch Sozialprob- Diese »un-precedented axis«, diese Gasse, ist der leme angegangen. So sollen zum Beispiel auch Ob- Grund, weshalb unser Büro am Ende den Wettbe- dachlose diese Bibliothek nutzen können. Die Stadt­ werb für dieses Gebäude gewonnen hat, denn wir bücherei Münster bietet ähnliche Möglichkeiten, beispielsweise mit ihrem Zeitungslesesaal, der viel Ihre Meinung: Wie würden Sie die Funktion Platz um einen großen Tisch herum bietet. Da sitzen von Bibliotheken beschreiben? Schreiben täglich emeritierte Professoren neben Obdachlosen, Sie an: [email protected] die jeweils ihre Zeitung lesen. Beide Personen an

508 SCHWERPUNKT RÄUME DER ZUKUNFT

den gleichen Tisch zu bringen ist eine soziale Leis- Den Bibliotheksbesuch verbinden Bürger auch mit tung, wie sie nur Bibliotheken bieten, ganz gleich Kommerz, sie gehen einkaufen oder Kaffee trinken. ob National-, Gefängnis- oder Stadtbibliothek. Der Das ist ein interessanter Aspekt, den wir bei der Unterschied ist dann eigentlich nur noch, dass Nati- Planung des Spuimarkt Blocks in Den Haag hätten be- onalbibliotheken oder wissenschaftliche Bibliothe- rücksichtigen sollen. Leider enthielten die Nutzungs- ken sehr wertvolle Sammlungen haben und Stadtbi- vorgaben keine Bibliothek. Nach dem Bau dieses Ein- bliotheken diese nicht unbedingt beherbergen. Als kaufszentrums haben wir uns entschlossen, nie wie- Zehn Jahre lang wir die Stadtbücherei Münster planten, war ich so- der eines zu planen. Der Bau von Einkaufszentren ist haben wir an gar überrascht, dass die Bibliotheksleiterin erklärte, ein Gruselgeschäft. Die Niederländer haben durch der Bibliothek in dass in einer Stadtbibliothek Bücher ein »shelf life« diesen exzessiven Kommerzgedanken ihre Städte und Mailand gear- von nur circa drei bis fünf Jahren haben. In einer ihre Wirtschaft ruiniert. Und das wurde auch bestraft, Stadtbibliothek werden die Bücher verbraucht, die denn durch so eine extreme Kommerzialisierung beitet, bis alle Nutzer notieren etwas darin, reißen sogar Blätter sind die Innenstädte nicht mehr so authentisch und Baupläne fertig heraus. Es ist eine Gebrauchsbibliothek und die Na- ihr wirtschaftlicher Kreislauf geht den Bach runter. waren – für 140 tionalbibliothek ist eine Aufbewahrungsbibliothek. Der Investor des Einkaufzentrums in Den Haag zum Millionen Euro Beispiel war ein Developer, der heute gar nicht mehr Baukosten. Und wie lässt sich eine Gefängnisbibliothek so existiert. Da wird sich viel ändern müssen. Solche gestalten, dass es nicht zu einem Gedanken-Ge- reinen Kommerzviertel sind städtebaulicher Selbst- fängnis wird? mord, es fehlen Bildungs- und Kultureinrichtungen. Unsere Architektur wird in Deutschland nicht sonderlich hoch geschätzt, im Ausland hingegen Werden Großprojekte gebaut, veröffentlicht fast schon, denn wir bieten eine sehr angelsächsische jeder Architekt hierzu ein eigenes Buch und die Interpretation von Bibliothek. Deutsche Kollegen Verlage präsentieren es auf der Buchmesse. Ist suchen meist eine sehr geometrische Form und das nicht auch Kommerz? Strenge, um Bibliotheken zu gestalten. Sie kennen Ja, das ist erst mal Kommerz – für den Verlag. bestimmt die Diözesan-Bibliothek in Münster. Als Die armen Architekten müssen ihre eigenen Bücher Unsere Archi- ich dort mit einem englischen Architektenfreund subventionieren. Eines zu unserer Architektur ist tektur wird in war, sind wir gar nicht erst hineingegangen. Er hat im englischen Verlag der Architectural Association Deutschland sich umgedreht und gesagt: »In ein solches Gebäude in London erschienen. Und neulich ist von mir der nicht sonderlich gehe ich nicht, das ist ein thought-prison«, also ein Titel »Some Reasons for Travelling to Italy« erschie- Gedanken-Gefängnis. Wir benutzten hingegen in nen und beinhaltet unsere Erfahrungen in Mailand hoch geschätzt. der Gefängnisbibliothek der JVA in Münster einen und Perugia sowie die Geschichte der »Grand Tour« Wir bieten eine Trick, indem wir mit Spiegeln oberhalb der Regale des 18. Jahrhunderts. Doch diese Bücher haben für sehr angelsäch- gearbeitet haben. Dies bietet einen virtuellen und mich weniger etwas mit Kommerz zu tun, als viel- sische Inter- kaleidoskopischen Blick und man erhält hierdurch mehr mit der Langlebigkeit von Büchern, Ideen und pretation von ein bisschen Freiheitsgefühl. Architektur, die etwas dokumentieren. Dieser Aspekt Bibliothek. hat für Architekturbücher eine hohe Bedeutung. Die Sie haben den 1. Platz im Wettbewerb zum Bau neuen Medien und Medienformate sind enorm kurz- der »Europäischen Bibliothek für Information lebig und haben nicht diese Dauerhaftigkeit. In fünf und Kultur« in Mailand gewonnen? Jahren sind diese digitalen Veröffentlichungen nicht Zehn Jahre lang haben wir an der Bibliothek in mehr auffindbar oder man hat ein neues Computer- Mailand gearbeitet, bis alle Baupläne fertig waren programm, sodass sie nicht mehr lesbar sind. – für 140 Millionen Euro Baukosten. Doch die Ita- liener waren nicht reif, dieses Gebäude zu bauen. Herr Wilson, ich danke Ihnen. Sehr schmerzhaft für uns. Wir haben zehn Jahre an das Projekt geglaubt, vom Modell über die Pla- Was sagen Sie Frau Alexijewitsch: nung bis hin zur Ausschreibung. Alles war fertig Worauf fokussieren Sie sich beim und das Geld dafür war vom Amt für öffentliche Bibliotheksbesuch? Bauten bereits zugesichert worden und dann war niemand von den Politikern Mailands dazu bereit, die Bauplanung real umzusetzen. Als Architekt ist es normal Pläne für Gebäude zu machen, die viel- leicht nie gebaut werden. Doch wenn tatsächlich über zehn Jahre etwas geplant wurde, ist es sehr tragisch zu erleben, wenn die Politik für eine Zu- Mehr dazu in der nächsten Folge von »Wissen fragt …?«. kunft nicht bereit ist. Fotos: Dirk Wissen

BuB 68 08-09/2016 509 Nordfriesland Uthlande Nord Mitte des Nordens

Eider- Treene- Schlei-Ostsee Sorge Rügen Hügelland am Südliches Ostseestrand Ostseeküste Nordfriesland Eider- und ! Kiel Wagrien- LEADER-Regionen Kanalregion Fehmarn Nordvorpommern Rendsburg Schwentine - Vorpommersche Mittelholstein Holsteinische Schweiz Küste Innere Ostsee-DBR in Deutschland DithmarschenSchleswig-HolsteinLübecker Flusslandschaft Holsteiner Holsteins Bucht Peenetal Steinburg Auenland Herz Westmecklenburgische Güstrower Landkreis 2014-2020 Alster- Ostseeküste Demminer Land Hadler land Region Kehdingen- Herzogtum Mecklenburger Schaalsee- Stettiner Haff Oste Pinneberger Lauenburg ! Nordseemarschen Sieker Nord region Mecklenburg-Vorpommern Wattenmeer- Wesermünde Marsch & Geest Schwerin Achter Nord Land Sachsen- Warnow-Elde-Land Mecklenburgische waldSachsenwald- Seenplatte Hamburg Elbe Mecklenburg- Wesermünde Südliches Strelitz Weser- Süd Friesland Achtern- Östlich Fehn- marsch Elbe- SüdWestMecklenburg Uckermark der gebiet Parkland- in Kulturland- Diek Ems schaft Bewegung schaften Naturparkregion Ammer- Osterholz Lüneburger Heide land Bremen Elbtalaue Storchenland-Prignitz ! Obere Soeste- Heideregion Havel Wildeshauser Ostprignitz-Ruppin Barnim niederung Hohe Heide Uelzen Geest Kulturraum Hümmling Vogelpark- Oberes Region Örtzetal Mittlere Altmark Elb- Hasetal Havel- Moor Isenhagener NiedersachsenAller-Leine-Tal Sachsen-Anhalt Winkel ohne Vechta Land Havelland Märkische Grenzen Seen Uchte- ! Meer und Grafschaft Aller- Tanger- Berlin Moor Rund um Bentheim Südliches Fuhse- Elbe Zwischen Potsdam Oderland den Drömling Emsland Aue Elbe ! und Schaum- ! Grünes Colbitz- Fiener Bruch Peiner Tecklenburger burger Band Letzlinger Fläming-Havel Hannover Land Land Land im Flechtinger Heide Brandenburg Höhenzug Kultur- Landkreis Steinfurter Westliches landschaft Östliches Helmstedt ! Rund um den Land Weser- Ahaus- Weser- Fläming-Skate Nord- bergland Magdeburg Heek- lippe bergland Börde- Elbe- Legden Börde land Saale Mittlere Elbe - Spreewald PLUS 3L in Lippe Rund um den Huy Fläming Baumberge Börde- VoglerRegion Bode- Wittenberger Land Bocholter Aa Auen Westharz Harz Aschersleben Lippe- Seeland Dübener Spree-Neiße-Land Nordharz Unteres Anhalt Heide Issel- Kulturland Niederrhein: Lippe-Möhnesee Harzweserland Osterode Saaletal Elbe-Elster natürlich Niederrhein Nordrhein- Kreis Höxter am Harz Energieregion Südliches und Dübener lebendig! im Lausitzer Börde Paderborner Petersberg Heide Delitzscher Seenland trifft Land Sächsisches Lausitzer Seenland Leistende Westfalen Mansfeld-Südharz Land Landschaft Ruhr 5verBund Südharz Zweistromland- Göttinger Land Ostelbien Elbe-Röder- LEADER KulturLandschaft Oberlausitzer Hochsauerland Dreieck Östliche sein! HessenSpitze Leipziger Dresdner Heide- und Eichsfeld Oberlausitz Bürgerregion Diemelsee- Kyffhäuser Muldenland Heidebogen Teichlandschaft 4 Naturpark am Sorpesee Nordwaldeck Montan- Lommatzscher mitten Saale-Unstrut- West- ! Lenne Casseler region Südraum Pflege Bautzener Zentrale Oben im Triasland Sachsen- lausitz Schiene Bergland Werra-Meißner Unstrut-Hainich Sachsen- Leipzig Sachsen Oberland Oberlausitz Düsseldorf an der Sauerland Kreuz+ Dresden Bergisches Kellerwald- Mittleres Sömmerda-Erfurt Anhalt Volme Land des Klosterbezirk ! Kottmar Wasserland Edersee Fuldatal Süd BiggeLand - Weimarer Land - Roten Altzella Sächsische Echt. Wittgen- Burgwald- Porphyr Naturpark Rheinisches Erfurt Mittelthüringen Altenburger Schweiz Oberberg Zukunft stein Ederbergland Hersfeld- Zittauer Gebirge Revier ! Land Silbernes Schwalm- Rotenburg Wartburg- Gotha-Ilm- Saale - an Inde Holzland Schönburger Erzgebirge Aue Knüll region Kreis-Erfurt und Rur Land Westerwald- 3- Greizer Zülpicher Sieg Lahn-Dill- Land Zwickauer Länder- Marburger Börde Bergland Thüringen Zwönitztal- Eck Land Saalfeld- Greifensteinregion Hessen Henneberger Land Rudolstadt Saale- Annaberger Westerwald Vogelsberg Land Raiffeisen- Orla Land Erzgebirgsregion Rhein- Rhön West- Eifel Region Lahn-Dill- Gießener Flöha- und Zschopautal Wied Land erzgebirge Wetzlar Fulda Hildburghausen- Limburg- Sonneberg Südwest Vogtland Tor zum Erzgebirge - Rhein-Eifel Weilburg Wetterau/ Landkreis Rhön-Grabfeld Vision 2020 Lahn- Oberhessen Coburg Stadt Kronach im Falkenstein- SPESSART Taunus und Land Frankenwald Sagenhaftes Vogtland! regional Landkreis Hof Welterbe aktiv Bad Kissingen Gemeinden, die vollständig Vulkaneifel Oberes Taunus Region einer Leader-Region angehören Mittelrheintal Haßberge Obermain Kulmbacher Fichtelgebirge- Bitburg-Prüm ! Wiesbaden Land Innovativ Rheingau Spessart Region Mosel Hunsrück ! Schweinfurter InitiAKTIVKreis Gemeinden, die teilweise Mainz Wein, Wald, Land Bamberg einer Leader-Region angehören Wasser Tirschenreuth Rheinland-Pfalz Darmstadt- Main4Eck Bayreuther Dieburg Miltenberg Land Gemeinden, die ganz oder Soonwald- Z.I.E.L. Rheinhessen Kulturerlebnis Forum Neustadt Plus teilweise zwei Leader-Regionen Nahe Kitzingen angehören Erbeskopf Fränkische Mosel- Südlicher Schweiz franken Donnersberger Odenwald Steigerwald und St. Rhein- Badisch-Franken Aisch- Lautrer Land Amberg- Merzig-Wadern Wendeler Haardt grund Nürnberger Land Sulzbach Regional- Land Landkreis Westrich- entwicklung Fürth Glantal Neckartal- im Hohenlohe- Region Odenwald Landkreis aktiv Tauber an der Saarland Pfälzerwald Schwandorf Cham Warndt- Biosphären- plus Romantischen REGINA-Neumarkt Saargau reservat Straße ErLebenswelt Saar- Bliesgau Roth brücken Kraichgau Region Regionalentwicklung im Südpfalz ARBERLAND Hesselberg Altmühlfranken Altmühl- Landkreis Regensburg Jura Jagstregion Schwäbischer Landkreis Altmühl- Landkreis Wald Monheimer Regionalentwicklungs- Freyung-Grafenau Donau Kehlheim Landkreis Alb - verein Straubing-Bogen AltmühlJura Deggendorf Mittelbaden/ ! Regionalinitiative Landkreis Landkreis Schwarzwald- Stuttgart Altbayerisches Dingolfing- Passauer Land Pfaffen- Landshut Landau hochstraße Donaumoos hofen Schwäbisches an der Nord- Baden-Württemberg Donautal Ortenau Brenzregion Ilm schwarzwald Heckengäu Landkreis Wittelsbacher Rottal-Inn Land ReAL Dachau Mittlere Oberer Mittlere Alb Regional- West AGIL Isarregion Mittlerer Neckar entwicklung Schwarzwald Landkreis Begegnungs- Mühldorfer Neu-Ulm Netz Die LEADER-Regionen in land Bayern Lech- ! Deutschland. In den dunkel- Oberschwaben Wertach München Traun- Kneippland® Alz- Unterallgäu Ammer- Salzach roten Gebieten gehören die see Mittleres Chiemgauer Oberschwaben Seenplatte Gemeinden vollständig einer

Süd- Württem- bergaufland Auerbergland- Mangfalltal- Leader-Region an. Quelle: Kreis- schwarzwald bergisches Ostallgäu Pfaffenwinkel Inntal entwicklung Chiemgauer Allgäu Berchtes- www.netzwerk-laend Miesbacher Alpen Regional- Bad Tölz- gadener Land Regionalentwicklung entwicklung Wolfrats- Land licher-raum.de/service/ Oberallgäu hausen Westallgäu- Regio Bayerischer Zugspitzregion publikationen/eler-leader/ 510 Bodensee leader-karten

Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums: Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete. Zuständige Verwaltungsbehörde: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). © GeoBasis-DE / BKG 2014 / Kartenerstellung: Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS) / Yellowfarm, agentur für grafik und design gmbh

LESESAAL PRAXIS

Julia Borries Kulturinstitutionen im ländlichen Raum – Förderungsoptionen  Viele Förderprogramme vorhanden, aber nicht alle greifen

In den vergangenen Monaten hat die Flüchtlingskrise die dies in den Ausschreibungen so aber nicht immer steht, bleibt Förderszene in Atem gehalten und dort für viele Verände- der Förderdschungel unübersichtlich und überaus komplex. rungen gesorgt.1 Es gibt aber noch weitere demografische Welche Förderungen und Ansätze der EU, des Bundes oder von Entwicklungen in Deutschland, die öffentliche Geldgeber, Stiftungen für Kulturinstitutionen wie Bibliotheken im länd- aber auch private Förderer bei der Konzeption von Förder- lichen Raum interessant sind, wird im Folgenden dargestellt. programmen in den nächsten Jahren beschäftigen wer- den. Die Menschen werden älter, Städte und urbane Zen- tren werden immer beliebter. Durch den Strukturwandel EU-Förderung im Rahmen des LEADER-Ansatzes in Industrie und Wirtschaft verlassen die jüngeren Gene- rationen die ländlichen Regionen und ziehen in die Städte, Der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des um Arbeit zu finden und auch Bildung, Kultur und Chancen ländlichen Raums (ELER) ist das Instrument der Europäischen nutzen zu können.2 Häufig bleiben die weniger Mobilen, Union zur Unterstützung der ländlichen Räume. Einer seiner vor allem die älteren Menschen, oder die, die es sich nicht vier Schwerpunkte ist das Förderkonzept LEADER. LEADER leisten können – und die wenigen, die aus Überzeugung steht für »Liaison entre actions de développement de l‘écono- bleiben. Die Folgen der »Landflucht«: Zunehmende Armut, mie rurale«, was soviel bedeutet wie »Verbindung zwischen Ak- Bildungsabwanderung und Überalterung gelten aktuell als tionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft«. Seit 1991 kennzeichnende Merkmale der Bevölkerungsentwicklung existiert dieses EU-Förderprogramm und ist seit 2006 ein ei- abgelegener ländlicher Räume.3 genständiger Schwerpunkt. Aber wie kann die EU, wie können »die da drüben in Brüssel« regional gut fördern? Dort hat man mit folgenreichen Veränderungen zu kämpfen. Die Steuereinnahmen sinken, die ohnehin verschuldeten Kom- munen kürzen bei den freiwilligen Leistungen – den Kulturein- Bottom-up-Prinzip in der LEADER-Förderung richtungen wie Bibliotheken, Museen oder Theatern. Der Wert dieser Kultureinrichtungen für das Zusammenleben in den Re- Die EU kann regional gut fördern, indem das Geld an den Stel- gionen wird von Politik und Entscheidungsträgern meist als len zur Verteilung eingesetzt wird, wo die Menschen Entschei- nachrangig bewertet. Immer mehr Förderer heben aber auch dungen treffen und Einfluss haben, die direkt von den Projek- den entscheidenden Beitrag von Kultureinrichtungen zur Stabi- ten profitieren. Die lesenswerte Studie »Förderpotenziale für lisierung von Identität und Gemeinschaftsbildung hervor. Weil die kulturelle Infrastruktur sowie für kulturelle Aktivitäten in

1 Zahlreiche öffentliche Förderer haben neue Programme auf die Beine gestellt, Wettbewerbe ausgeschrieben, Stiftungen und Initiativen wur- den gegründet, um im Bereich der Flüchtlingshilfe, der Integration und der kulturellen Bildung Anstöße zu geben und in bestem Fall auch Die LEADER-Regionen in nachhaltige Strukturen zu schaffen. Beispielhaft eine Übersicht des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen der zurzeit aktiven Stiftungen Deutschland. In den dunkel- im Bereich der Flüchtlingshilfe: www.stiftungen.org/de/stiftungswissen/stiftungen-und-fluechtlingshilfe.html roten Gebieten gehören die Gemeinden vollständig einer 2 Versuch einer Definition des ländlichen Raumes vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: Alle kreisfreien Großstädte sowie Leader-Region an. Quelle: die städtischen Kreise bilden den städtischen Raum, alle ländlichen Kreise bilden den ländlichen Raum, www.bbsr.bund.de/nn_1067638/ www.netzwerk-laend BBSR/DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/Kreistypen2/kreistypen.html licher-raum.de/service/ publikationen/eler-leader/ leader-karten BuB 68 08-09/2016 511 LESESAAL PRAXIS

ländlichen Räumen. Eine Bestandsaufnahme«, erstellt vom In- Eine wichtige Rolle bei der Organisation des Entwicklungs- stitut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft, bie- prozesses und der Begleitung der Umsetzung kommt dem Re- tet einen umfassenden Überblick über Akteure und Förderpro- gionalmanagement zu. Die RegionalmanagerInnen der LEA- gramme für den ländlichen Raum in Deutschland und zeigt auf, DER-Regionen sind zentrale Ansprechpartner zu Fragen des wie Förderung nachhaltig und sinnvoll wirken kann.4 Ein zen- LEADER-Prozesses, beraten zu den Fördermöglichkeiten und trales Ergebnis der Studie und gleichzeitig Empfehlung an die sind unterstützend bei der Antragsstellung tätig. Bundesbeauftragte für Kultur und Medien Monika Grütters ist: Nur gemeinsam – und damit ist die aktive Einbeziehung und Für die Zukunft wird entscheidend sein, Zusammenarbeit mit der Bevölkerung gemeint, also der Men- dass die dort gemachten Erfahrungen schen, die vor Ort Kultur gestalten, nutzen und diese »konsu- weitergegeben werden, um eine mieren« – können kulturelle Aktivitäten dort ankommen, und weiterführende Debatte anzustoßen. als Angebot in ihrer Breite angenommen werden. Dieses »Bottom-up-Prinzip« ist auch das Grundprinzip des LEADER. Vor Ort weiß man am besten, wo der Schuh drückt, wo- In der aktuellen Förderperiode 2014 bis 2020 gibt es 321 LEA- rin die regionalen Stärken liegen und wie sich eine Region nach- DER-Regionen6 – gute Chancen, das erste Kriterium für eine haltig, wirtschaftlich, kulturell und sozial weiterentwickeln kann. LEADER-Förderung zu erfüllen. Bis zu 65 Prozent der Pro- jektkosten können im Rahmen von LEADER gefördert wer- Ab 2017 will das Bundesministeriums für Um- den. Den Rest muss der Projektträger selbst finanzieren.7 Der welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit erste Schritt sollte also sein, zu prüfen, ob man Teil einer LEA- jährlich 200 Millionen Euro in die Sanierung DER-Förderregion ist, und sich dann mit dem dortigen Regio- kommunaler sozialer Infrastruktur investieren. nalmanagement in Kontakt zu setzen.

Die Entwicklungsprozesse werden in den Regionen durch so- Nationale Förderung des Bundes genannte lokale Aktionsgruppen (LAG) organisiert und beglei- tet. In diesen lokalen Aktionsgruppen sind die für die Region Auch bei der nationalen Förderung von Kultur im ländlichen relevanten öffentlichen und privaten Akteure so zusammenge- Raum gilt es, genau hinzuschauen. Ländliche Räume werden in schlossen, dass auf Ebene der Entscheidungsfindung eine Stim- Deutschland über die Gemeinschaftsaufgabe »Verbesserung der menmehrheit auf Seiten der nicht öffentlichen Wirtschafts- und Agrarstruktur und des Küstenschutzes« (GAK) gefördert.8 Ein Teil Sozialpartner sowie sonstigen Vertreter der Zivilgesellschaft der GAK ist die Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE), deren liegt. Die Erarbeitung und Umsetzung einer Entwicklungsstra- Umsetzung und Programmierung über die Bundesländer erfolgt. tegie5, die eine Art Grundlagendokument zur Förderung ist, er- Oberziel der ILE ist die Zusammenarbeit der gesamten Region auf folgt durch die Bevölkerung der Region und durch Vertreter der Grundlage einer gemeinsamen Handlungsstrategie, dem In- von Vereinen, Verbänden, Unternehmen, Kommunen, Kulturin- tegrierten Ländlichen Entwicklungskonzept (ILEK). Ziel der In- stitutionen, der Landwirtschaft et cetera – eben »bottom-up«. tegrierten Ländlichen Entwicklung ist ein gemeinsames Wirken Die LAGs beraten und setzen Impulse für die ländliche Entwick- von Akteuren der jeweiligen Region. Darunter wird die interkom- lung. Die Auswahl der Projekte stellt in diesem Rahmen eine munale Zusammenarbeit unter Mitwirkung von Wirtschafts- und zentrale Aufgabe dar. Grundlage für die Auswahl der Projekte Sozialpartnern sowie sonstiger Bürger verstanden. Die Grundlage sind Kriterien, die aus den Zielen der Entwicklungsstrategie ab- bildet ein Integriertes Regionales Entwicklungskonzept, dessen geleitet werden, die sich jede Region gegeben hat. Es werden Umsetzung ebenfalls von einem Regionalmanagement begleitet modellhafte Ansätze und neue Lösungen gefördert. wird. In Deutschland gibt es derzeit rund 100 ILE-Regionen.9

3 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2014): Ländliche Regionen verstehen. Fakten und Hintergründe zum Leben und Arbeiten in ländlichen Regionen, Berlin. Verfügbar unter: www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/LR-verstehen.pdf?__blob=publicationFile 4 Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (Hrsg.) (2015): Förderpotenziale für die kulturelle Infrastruktur sowie für kul- turelle Aktivitäten in ländlichen Räumen. Eine Bestandsaufnahme, Bonn, online zu finden: www.kupoge.de/download/Studie_laend liche-kulturarbeit.pdf – Zwei Fragestellungen stehen im Mittelpunkt der Studie: 1. Welchen Beitrag leistet Kultur zur Abmilderung der Folgen des demografischen Wandels in ländlichen Räumen? 2. Wie kann Kultur in ländlichen Räumen, die vom demografischen Wandel betroffen sind, gut beziehungsweise besser gefördert werden? 5 Die lokalen Entwicklungsstrategien enthalten eine Bestandsaufnahme, eine Stärken-Schwächen-Analyse, Strategien und Leitbilder für die Region sowie einen ersten Schwung an Projektideen für die nächsten Jahre. 6 www.netzwerk-laendlicher-raum.de/regionen/lags-2014-2020/ 7 Wer den LEADER noch besser verstehen möchte, dem seien die Filme empfohlen, die das Netzwerk für den Ländlichen Raum entwickelt hat. Zum LEADER allgemein: https://youtu.be/LPqvIZJOROs, zum Regionalmanagement: https://youtu.be/gk0inmpUlyo 8 www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Foerderung-Agrarsozialpolitik/GAK/gak_node.html

512 LESESAAL PRAXIS

Zudem sei auf die Initiative »Ländliche Infrastruktur« des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Re- aktorsicherheit (BMUB) hingewiesen.10 Mit einer Reihe von Projekten (Städtebauförderungsprogramm »Kleinere Städte und Gemeinden«, Wettbewerb »Menschen und Erfolge«, För- derung von Regionalstrategien Daseinsvorsorge) greift das Ministerium den demografischen Wandel in ländlichen Räu- men fördertechnisch auf. Das Programm »Kleinere Städte und Gemeinden« richtet sich insbesondere an Klein- und Mittel- städte und Gemeinden ihres Versorgungsbereichs in dünn be- siedelten, ländlichen, von Abwanderung bedrohten oder vom demografischen Wandel betroffenen Räumen. Anträge stel- len Städte und Gemeinden bei dem für die Städtebauförde- rung zuständigen Landesministerium oder der von ihm be- auftragte Behörde (zum Beispiel Regierungspräsidium oder Landesverwaltungsamt).11 Ab 2017 will das BMUB zudem jährlich 200 Millionen Euro in die Sanierung kommunaler sozialer Infrastruktur investie- ren.12 Aktuell verhandelt der Bund mit den Ländern eine Verwal- tungsvereinbarung zur konkreten Verteilung der Investitionsmit- tel. Bei der Ausgestaltung der Verwaltungsvereinbarung soll dar- auf geachtet werden, dass die in Aussicht gestellten Fördermittel Was ist LEADER? Ein Erklärvideo des Netzwerkes für den Ländlichen allen Städten und Gemeinden, also auch Kommunen im ländli- Raum hilft weiter. Screenshot: https://youtu.be/LPqvIZJOROs chen Raum, zugutekommen können. Zudem sollen explizit auch finanzschwache Kommunen an der Förderung partizipieren. Für vier Modellregionen stehen bereits fest. Zwei Stadtbibliotheken Bibliotheksakteure ist es an der Stelle wichtig, bereits jetzt mit sind unter anderem Teil des zunächst auf fünf Jahre angelegten AnsprechpartnerInnen aus der städtebaulichen Verwaltung in Programms, für das insgesamt 13,5 Millionen Euro bereitge- Kontakt zu treten. Bibliotheken sind als kommunale Einrichtun- stellt werden.14 So plant die Stadt Osterode die Neuausrichtung gen mit integrativem Zweck Ziel der Förderung, im besten Fall, und Umgestaltung der Stadtbibliothek zu einem interkulturel- in dem sie zusammen mit anderen Kultur- und Bildungsinstituti- len Ort der Begegnung, Bildung und Kultur. Das Jacobson-Haus onen eine Art Bildungszentrum bilden oder kooperieren. in Seesen wird zu einem Veranstaltungshaus erweitert, in dem Theater, Konzerte und Ausstellungen stattfinden und ein bür- gernahes Kulturbüro angesiedelt ist. Stiftungsförderung im ländlichen Raum Für die Zukunft wird entscheidend sein, dass die dort ge- machten Erfahrungen weitergegeben werden, um eine weiter- Stiftungen erkennen die Förderpotenziale der Kulturinstitutio- führende Debatte anzustoßen. Im Mittelpunkt stehen dabei nen des ländlichen Raumes schon lange und viel konkreter an. Fragen wie: Wie erfindet sich eine Institution neu? Wie gelingt Nicht nur regional, über die vielen Bürgerstiftungen und Spar- die Bürgerorientierung? Wie können sich kommunale Ange- kassenstiftungen, auch auf Bundesebene bewegt sich gerade bote ergänzen und welche Allianzen können gebildet werden etwas. Mit dem neuen Programm »TRAFO – Modelle für Kultur zwischen Kultur, Politik und Verwaltung zugunsten attraktiver im Wandel« wendet sich die Kulturstiftung des Bundes erstmals Kultureinrichtungen? Was brauchen die Menschen, die hier le- gezielt an ländliche Regionen und kleinere Gemeinden mit ih- ben? Wie soll ein attraktives Kulturangebot für unsere Region rem Kulturangebot, um dort Transformationsprozesse anzusto- in Zukunft aussehen?15 Aus dem Programm soll unter ande- ßen.13 Allerdings handelt sich es sich hier nicht um ein offenes rem eine Mobile Akademie entstehen, die ein Angebot darstel- Programm, sondern um eine »aussuchende« Förderung. Die len soll für Institutionenleiter, Verwaltungsmitarbeiter, und

9 Dokumente und Links zum Fördergrundsatz der GAK zur Integrierten Ländlichen Entwicklung und weitere grundlegende Dokumente fin- den sich auf den Seiten des BMEL: www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Foerderung-Agrarsozialpolitik/GAK/gak_node.html 10 www.bmub.bund.de/themen/stadt-wohnen/stadtentwicklung/initiative-laendliche-infrastruktur/ 11 www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/kleinere_staedte_u_gemeinden_faltblatt_bf.pdf 12 Zur Pressemitteilung vom 15. Juni 2016: www.bmub.bund.de/N53207/ 13 www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/projekte/nachhaltigkeit_und_zukunft/trafo/index.html 14 www.mwk.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/rund-drei-millionen-von-der-kulturstiftung-des-bundes-fuer- kulturangebot-in-suedniedersachsen-139410.html

BuB 68 08-09/2016 513 LESESAAL PRAXIS

Von LEADER gefördert: Bibliotheksprojekte

• Mit der Zusammenführung der Stadtbibliothek • In Lindau wurde das Bibliotheksmuseum 2013 in Neustrelitz, der Bibliothek der Stiftung Mecklenburg, dem dem Projekt »ERBe: Ehemals Reichsstädtische Bibliothek im Karbe-Wagner-Archiv, dem Archiv das Landestheaters Alten Rathaus Lindau (B) – Altes ERBe neu erleben« unter Neustrelitz und den Sammlungen des Museums der Stadt anderem durch die LEADER-Förderung restauriert und in zum Kulturquartier Mecklenburg-Strelitz ist für die Region ein neues Antlitz gebracht.4 ein Ort der Kommunikation, Bildung und Geschichtsvermitt- lung entstanden. Über LEADER wurde die Stadtbibliothek • Ein Beispiel aus Österreich: Im Rahmen des LEA- mit 422 139 Euro bezuschusst.1 DER-Projektes »Bibliothekenlandschaft Oberkärnten«, das der Regionalverband Nockregion in Kooperation mit der • In der Stadt Gammertingen wurde die Stadtbü- LAG Großglockner/Mölltal-Oberdrautal 2014 durchführte, cherei in der LEADER-Region Oberschwaben sowohl in kooperierten zehn Bibliotheken aus dem Bezirk Spittal/ der Medienausstattung als auch in der Möblierung und der Drau, tauschten Erfahrungen in ihrem Netzwerk aus und Technik nachhaltig modernisiert. Etwa 185 000 Euro wur- führten Veranstaltungen gemeinsam durch. Das Projekt un- den in Möbel, Regale, Medien und Büchereitechnik inves- terstützte die teilnehmenden Bibliotheken, lebensbegleiten- tiert – finanziert mit etwa 110 000 Euro Fördermitteln aus des Lernen reizvoller zu gestalten. Die Einrichtungen wur- dem Sonderprogramm LEADER-Kultur-ILAG und dem Land den modernisiert oder ergänzt und es konnten zahlreiche Baden-Württemberg.2 Medien angekauft werden.5

• Im Projekt »Lesende Region Hochsauerland Literacy – Büchereien der LEADER-Region Hochsauerland« 1 Finanzierung: Bund-Länder-Programm »Kleinere Städte und wurden SchülerInnen einer Fachschule für Sozialpädago- Gemeinden«, weitere Städtebauförderungsprogramme: »Sanierung und Entwicklung«, »Städtebaulicher Denkmal- gik und allen ErzieherInnen im betroffenen »LEADER«-Ge- schutz«, Bündelung mit EU-Programmen: LEADER, EFRE biet Hilfestellungen im Bereich Sprache, Sprachförderung, (Tourismusförderung), ELER und INTERREG Lesefrühförderung und kreative Ideen zum Umgang mit 2 www.leader-oberschwaben.de/?p=1859 dem Buch gegeben – insbesondere auch im Hinblick auf 3 www.bib-hochsauerland.de/index.html Migranten. Voraussetzung dafür war die Vernetzung aller 4 www.kultur-lindau.de/bibliotheksmuseum/ bibliothekarischen Einrichtungen im LEADER-Gebiet mit 5 www.wissenslandkarte.ktn.gv.at/288411_DE-BIBLIOTHEKEN- 3 der Fachschule. BIBLIOTHEKEN_PROJEKTE

Kulturverantwortliche in anderen Regionen, um von den Mo- eine Bildungslandschaft in Kooperation entwickeln wollen« dellprojekten zu lernen und Ideen zu übernehmen. veröffentlicht.16 An diesem Ansatz erinnert viel an das Konzept des Kom- munalen Bildungsmanagements. Für Stiftungen ist dieses be- sonders interessant, können sie damit doch ihre Förderziele Noch viel Potenzial für Kulturförderung im ländlichen Räumen in Kooperation mit verschiedenen Akteuren greifbarer ma- chen und nachhaltig umsetzen. Dazu hat zuletzt der Bun- Es gibt bereits viele Förderprogramme für den ländlichen desverband Deutscher Stiftungen die Checkliste »Kommuna- Raum. Ob diese alle greifen, wird kritisch diskutiert.17 Die les Bildungsmanagement gemeinsam gestalten – Was Stiftun- Programme, die auch die Kulturförderung einbeziehen und gen und Kommunen wissen und beachten sollten, wenn sie die im Rahmen der Studie des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft aufgeführt werden, machen je- doch deutlich, dass es gerade im Bereich Kultur noch zahlrei- Julia Borries ist Referentin für EU- ches Verbesserungspotenzial gibt. Kulturpolitik im ländlichen und Drittmittelberatung im Kom- Raum spielt meist nur dort eine Rolle, wo sich kulturelle Ak- petenznetzwerk für Bibliotheken teure einmischen, die Beteiligung der politischen Gemeinde (knb) beim Deutschen Bibliotheks- einfordern oder als Partner dieser auftreten. Die herausgeho- verband (dbv). Sie ist Ansprechpart- bene Stellung von Kulturpolitik spiegelt sich nicht im Interesse nerin bei Fragen zur Förderung im der kommunalen Verantwortlichen wider – beziehungsweise in ländlichen Raum oder zu konkre- den kommunalen Haushalten. So sind auch die Europäischen ten Fördermöglichkeiten. – Kontakt: Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) grundsätzlich für [email protected] die Kulturförderung interessant. Sie sind aber für Kulturak- teure schwer zugänglich. Kulturpolitik kann nachhaltig dort

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stattfinden, wo sich Initiativen, Einrichtungen und Konzepte in jedem Fall notwendig, um Möglichkeiten einer Intervention finden, die diese initiieren, fördern und wo die entsprechende zugunsten einer stärkeren Einbeziehung kultureller Aspekte in Beteiligung der ländlichen Bevölkerung gelingt (vgl. Studie, S. die nächste Programmphase ab 2021 abstecken zu können. Für 27). Daher wird auch der Bottom-up Ansatz des LEADER als die Überzeugungsarbeit sind wiederum die Experten aus den allgemein erfolgreich angesehen. Eine Herausforderung be- Bibliotheken und Verbänden gefragt. steht weiterhin darin, die ESI-Fonds-Verwaltungen in Bund und Ländern davon zu überzeugen, dass Kulturakteure wie Bibliotheken einen Beitrag zur Umsetzung integrierter Stadt- und Regionalentwicklungskonzepte leisten – wie im Rahmen Zwei Erklärvideos zum LEADER-Programm und die sozialräumlicher Konzepte gegen Bildungsbenachteiligung, Ar- Karte mit den LEADER-Regionen in hoher Auflö- mut und soziale Ausgrenzung.18 Genauere Kenntnisse der Pro- sung: Da lohnt es sich, in die BuB-App zu schauen. grammplanungsprozesse der Operationellen Programme sind

15 Die Autoren des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung plädieren in ihrer Studie »Von Hürden und Helden. Wie sich das Leben auf dem Land neu erfinden lässt« dafür, das Leben auf dem Land einfacher zu gestalten: weg vom Anspruch der Vollversorgung, hin zu kre- ativen und flexibleren Möglichkeiten. Mit Blick auf Bibliotheken wäre das zum Beispiel der Einsatz mobiler Büchereien. Zur Studie: www.berlin-institut.org/publikationen/studien/von-huerden-und-helden.html 16 www.stiftungen.org/fileadmin/bvds/de/Projekte/NW_Stiftungen_Bildung/Checkliste_Netzwerk_Stiftungen_und_Bildung_2016.pdf 17 Dazu kritisch im »Spiegel«-Interview (www.spiegel.de/politik/deutschland/landflucht-studie-vom-berlin-institut-a-1012486.html) der Leiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung: Milliarden Euro hätten den Trend der Einwohnerentwicklung nicht stoppen können, er plädiert daher für eine Neuausrichtung der Versorgung im ländlichen Raum. 18 Generell ist der Versuch der Integration des Themas »Kultur« in den ESI-Fonds ein schwieriges und beizeiten auch frustrierendes Erlebnis. Dazu ausführlich Reiner Schmock-Bathe, der bei der Entstehung des Berliner Operationellen Programms (OP) intensiv beteiligt war. Nach- zulesen in Schmock-Bathe, Reiner (2015): Die Kultur und die Strukturfonds 2014-2020. Eine Zwischenbilanz, in: Sievers, Norbert (Hrsg.) Jahrbuch für Kulturpolitik 2014. Thema: Neue Kulturförderung, Bonn, 281-293.

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BuB 68 08-09/2016 515 LESESAAL AUSLAND

Petra Hauke China auf dem grünen Weg?!  Eindrücke einer Vortragsreise nach Hongkong, Peking und Guangzhou

»Wenn China nicht den grünen Weg geht, ist es das Ende der Welt.« So kompromisslos sagt es der chinesische Archi- tekt Li Xiaodong, der mit der Bibliothek von Liyuan im Dorf Huairou, unweit von Peking, ein Beispiel für ein in mehrfa- cher Hinsicht ökologisch nachhaltiges Bibliotheksgebäude schuf.1 Und China weiß das. Vielfältige Anstrengungen sind zu erkennen, ökologische Nachhaltigkeit nicht nur zu the- matisieren, sondern auch entsprechende Projekte zu re- alisieren.2 Dutzende von sogenannten »ecocities« sind im Bau, mehr als 200 derzeit geplant – ob sie allerdings das Problem wirklich lösen, ist umstritten.3 Und so wundert es nicht, dass auch Bibliotheken, einerseits als öffentliche Einrichtungen mit großem Energiebedarf für Gebäude und Betrieb, andererseits als gesellschaftlich geschätzte, stark genutzte Einrichtungen, aber auch als Multiplikatoren mit Vorbildfunktion, sich das Thema zu eigen machen.4 Nachhaltigkeit – ausgewiesenes Thema an der Hongkong University Anfang Juni 2016 lud die Hong Kong University of Science of Science and Technology. Fotos: Petra Hauke and Technology (HKUST) Library zusammen mit der Chi- nese University of Hong Kong (CUHK) Library zur – im Übri- geförderten Universitäten Hongkongs – wird das ökologische gen ökologisch vorbildlichen (kein Papier, kein Plastik, kein Konzept gelenkt von einem eigenen Lehrstuhl für Umwelt und Fast Food) – Konferenz »Academic Libra- Nachhaltigkeit, der in einem Masterplan rian 4 – Sustainable Academic Libraries: auch die universitätsinternen Umweltein- Now and Beyond«5 mit circa 300 Kon- flüsse untersucht und einem Campus-Con- gressbesuchern vor allem aus Hongkong sortium für Nachhaltigkeit aller Universi- und China, aber unter anderem auch aus täten Hongkongs vorsteht. Taiwan, Singapur, USA, Kanada, Austra- lien und Europa. Vier Themenkomplexe fassten die zahlreichen Aspekte von Nach- Ökologische Nachhaltigkeit haltigkeit zusammen: (1) Sustainable En- vironment, (2) Sustainable Resources, (3) Aber auch die den Kongress mitveranstal- Sustainable Technologies, (4) Sustainable tende CUHK Library präsentierte mit ih- Services. rem Paper »More than just a green buil- Gerade der erste Themenkomplex ding – developing green strategies at the machte einmal mehr deutlich, dass der Chinese University of Hong Kong Library« Slogan »Go Green« mehr beinhaltet als unter anderem ein universitätsweit pro- die Reduzierung von CO2-Emissionen, klamiertes Büro-Programm »GO!« mit 32 sondern auf eine grundsätzlich ökolo- auf einer Checkliste ausgewiesenen Aktio- gisch orientierte Haltung, eine »grüne« nen.7 150 Forschungsprojekte thematisie- Strategie zielt, die den Menschen und sein ren zudem ökologische Nachhaltigkeit in Wohlbefinden – das letztlich von einer ge- Lehre und Forschung. Die Bibliothek be- sunden Natur abhängt – in den Mittel- teiligt sich an diesen Programmen. Beson- punkt stellt. Auf dem wunderschönen, am ders stolz ist sie auf ihre durch Sponsoren Rande Hongkongs sich über grüne Hügel Sympathische Aufforderung zum Recyling finanzierte Dachbegrünung – »Urban Gar- erstreckenden Campus6 der erst 25 Jahre auf dem Campus der Hongkong University of dening« ist im dicht besiedelten Hongkong alten HKUST – einer von acht öffentlich Science and Technology. wahrlich eine attraktive Besonderheit!

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Auf Einladung des Goethe-Instituts China und von den Kolleginnen Michaela Bodesheim (Hongkong)8 und Ulrike Krei- enberg (Peking)9 sorgfältig vorbereitet, or- ganisiert und begleitet, war im Folgenden das von der Verfasserin in Hongkong prä- sentierte Thema »Ökologische Nachhaltig- keit – ein Marketing Tool für Bibliotheken« – angepasst an die jeweiligen Zielgruppen – auch Gegenstand von Vorträgen in Pe- king und Guangzhou. Zunächst jedoch überraschte das Go- ethe-Institut in Peking mit seiner seit Ok- tober 2015 neuen Adresse im noblen Pe- kinger Kunstquartier »798«, ehemals Elek- tronikfabrik, in den 1950er-Jahren mit Unterstützung der DDR im Bauhaus-Stil erbaut. Die Bibliothek präsentiert sich hier als »Wissensbar« – mit bis zu 1 500 Besu- chern pro Tag in Spitzenzeiten. Das Ange- bot ist – in Abstimmung mit der kulturel- len Programmarbeit des GI – ausgerichtet auf die sogenannte »Creative Industries«.10 Guangzhou Library: Kreativ-Workshop zum Thema »ökologische Nachhaltigkeit« – ein Schwerpunkte liegen bei digitaler Biblio- ungewohntes Format, begeistert angenommen. thek und Makerspace, bibliothekarischer Veranstaltungsarbeit, Fachaustausch und Netzwerkarbeit in ANZEIGE ganz China, zehn Informations- und Lernzentren mit deutsch- sprachigen Beständen an chinesischen Partnerbibliotheken und einem umfangreichen Literatur- und Übersetzungsför- derungsprogramm deutscher Titel ins Chinesische. Übrigens: Seit 1982 verlässlicher Partner für Bibliotheken und öffentliche Einrichtungen Auch die Umnutzung eines Bestandsgebäudes – anstelle Abriss in Deutschland, Österreich und der Schweiz. und Neubau – ist im besten Sinne nachhaltig!

Die mehrfach ausgezeichnete Bibliothek versteht sich als »grüne Basis« für Information und Erfahrungsaustausch sowie Umwelt- Bildung und übernimmt eine aktive Rolle in der öffentlichen Umwelt-Bewegung und der Schaffung einer »grünen Stadt Peking«. Etiketten Spezialfolien, Interessenaufkleber, CD-Eigentums- etiketten u.v.m. – auch in kleinen Mengen erhältlich Die nächste Überraschung wartete am kommenden Tag in der Xicheng District No. 1 Library in Peking. Nicht nur, dass die CD-Reparatur Bibliothek einen Neubau plant und daraus das Interesse an ei- Wir machen Ihre Datenträger wieder fit für die nem ökologisch nachhaltigen Gebäude resultiert, sondern die Ausleihe: ab 0,90 €/St. (zzgl. MwSt. u. Versand) Bibliothek betreibt bereits seit 2004 ein Gemeinschaftsprojekt mit der schwedischen »LIFE International Foundation for Eco- Multimediaverpackungen logy«. In einem entsprechend ausgewiesenen Bereich im Foyer CD-/DVD-Sichttaschen, Blu-ray, Amaray, UniKeep der Bibliothek werden Bücher, Videos, Zeitschriften, Zeitungen Mediaboxen – große Auswahl an Datenträgerhüllen et cetera bereitgehalten, Datenbankrecherchen und Projektstu- Organisationsmittel dien ermöglicht sowie Bildungs- und Beratungsangebote zu ak- Einklebehüllen, Regaleinsätze, Trennblätter u.v.m. tuellen Trends im chinesischen Umweltschutz und darüber hi- für den täglichen Büchereibedarf naus gemacht. Regelmäßig werden Ausstellungen, Lesungen, Forschungsstudien zu Umweltschutzaktivitäten organisiert. Peter Haase e.K. · Anton-Emmerling-Str. 32 · 90513 Zirndorf Tel. 0911/600 1733 · Fax 0911/600 1831 · www.peter-haase.de · [email protected] Sowohl chinesische als auch internationale Experten werden

BuB 68 08-09/2016 517 LESESAAL AUSLAND

Campus der Hongkong University of Science and Technology. eingeladen, um Vorträge zu halten und Freiwillige für die Be- der Sun Yat-sen Universität die School for Information Ma- teiligung an Aktivitäten zum Umweltschutz zu gewinnen. Die nagement. Ökologische Nachhaltigkeit ist hier ein selbstver- mehrfach ausgezeichnete Bibliothek versteht sich mit diesem ständliches Thema, wie sich auch bei der 2004 gebauten East Projekt als »grüne Basis« für Information und Erfahrungsaus- Campus Library zeigt. Die 36 000 Quadratmeter Nutzfläche, tausch sowie Umwelt-Bildung und übernimmt eine aktive Rolle verteilt über sechs Stockwerke, bieten 3 000 Arbeitsplätze für in der öffentlichen Umwelt-Bewegung und der Schaffung einer täglich ebenso viele Besucher, deren Zahl in Prüfungsphasen »grünen Stadt Peking«. bis zu 7 000 ansteigen kann. Die Architektur, inspiriert von ei- In Guangzhou – mit mehr als elf Millionen Einwohnern eine nem offenen Buch, aber auch von sich erhebenden Flügeln, ge- der Mega-Cities Chinas – befindet sich auf dem East Campus wann 2006 mit dem Lu Ban Award die höchste Auszeichnung

1 »If China doesn‘t go green it‘s the end of the world« – Li Xiaodong Präsentationsfolien siehe http://library.ust.hk/al4/ on Liyuan Library. www.youtube.com/watch?v=DozShHsqj_U; 6 www.ust.hk/about-hkust/about-the-campus, siehe auch: Liyuan Library. www.youtube.com/watch?v=5gH www.ust.hk/about-hkust/hkust-at-a-glance/facts-figures/ SAPIyr-Q; vgl.auch: www.baunetzwissen.de/objektartikel/Ge- 7 www.cuhk.edu.hk/cpso/go!/gop.html#checklist sund-Bauen-Li-Yuan-Bibliothek-in-Huairou-RC_2468719.html (Alle hier und im Folgenden genannten Internetadressen wurden 8 www.goethe.de/ins/cn/de/sta/hon.html zuletzt am 2.7.2016 geprüft.) 9 www.goethe.de/ins/cn/de/sta/pek.html 2 Vgl. zum Beispiel das Projekt der »Sino-Singapore Tianjin Eco- 10 www.goethe.de/ins/cn/de/sta/pek/ueb/imp/20634401.html City«, www.tianjineco-city.com/en/ oder auch das deutsch- 11 www.china.org.cn/top10/2013-12/13/content_30838838_6.htm chinesische Projekt www.dena.de/internationales/china/eco- cities.html 12 Vgl. Fang, J. (ed.) (2015). Guangzhou Library. A monumental library. Guangzhou: Guangzhou Tushuguan. ISBN 978-7-5462- 3 Vgl. Shepard, W. (2015). Can hundreds of new »ecocities« solve 1844-1 [Text deutsch undchinesisch]. – Vgl. Auch: Boss, S. et al. China‘s environmental problems? www.tianjinecocity.gov.sg/ (2013). The Intersection of Design and Culture: The New Guang- events/2015/20151013.htm zhou Library and Its Relationship to the City. Vortrag auf dem 4 Vgl. auch Wang, X. & Li, H. (2011). Energy Saving and Green IFLA-Kongress 2013 in Singapur, Building Design of Libraries: the case study of Zhengzhou Library. http://library.ifla.org/61/1/081-boss-en.pdf Vortrag auf dem IFLA-Kongress 2011 in Puerto Rico. 13 ENSULIB, Environmental Sustainability and Libraries Special www.ifla.org/past-wlic/2011/196-wang-en.pdf Interest Group der IFLA, http://www.ifla.org/environmental-sus- 5 Das Programm sowie alle Abstracts, Papers und tainability-and-libraries

518 LESESAAL AUSLAND

für qualitätvolles Bauen. Energiesparende Wand- und Fenster- konstruktionen schützen gezielt vor dem extrem heißen Au- Dr. Petra Hauke, Lehrbe- ßenklima, ermöglichen aber auch die weitgehende Nutzung auftragte am Institut für Bi- von Tageslicht.11 bliotheks- und Informati- Als Highlight der Reise erwies sich die Stadtbibliothek Gu- onswissenschaft der Hum- angzhou.12 Dort hatte man den Vortrag der deutschen Kolle- boldt-Universität zu Berlin, gin und Vertreterin von ENSULIB13 zum Anlass für eine Fort- Standing Committee-Mit- bildungsveranstaltung für circa 100 Bibliothekare auch aus glied der IFLA Section der Region genommen, von denen für chinesisches Bibliothek- Library Theory and Research spersonal eine bestimmte Anzahl obligatorisch und regelmä- und Mitglied der IFLA En- ßig nachzuweisen ist. Die Veranstaltung wurde durch eine Po- vironmental Sustainability and Libraries Special Interest diumsdiskussion und einen Workshop am Nachmittag ergänzt. Group ENSULIB. – Kontakt: [email protected] Die Bibliothek ist zu Recht stolz auf ihren im Dezember 2012 eröffneten und mit 100 444 Quadratmeter Nutzfläche wohl weltweit größten Bibliotheksneubau, einem kulturel- len Schwerpunkt und mit täglich 20 000 Besuchern attrakti- Architekten, Studierenden – ist das Interesse an ökologischen ven Publikumsmagnet in einem neu angelegten Stadtzentrum Fragen und die Bereitschaft, sich für den »grünen Weg« zu en- am malerischen Ufer des Perlflusses. Sowohl die Struktur des gagieren, sehr deutlich geworden, ebenso wie das Interesse an Baukörpers insgesamt als auch die Fassadengestaltung mit be- der Zusammenarbeit mit dem Ausland und mit internationalen wusst schmalen Fensteröffnungen schützen vor dem subtropi- Gremien wie der IFLA – auch wenn der freie Zugang zu Infor- schen Klima. Ein Atrium ermöglicht natürliche Belüftung und mationen nicht gegeben ist (Sperrung zum Beispiel von Google, die Nutzung von Tageslicht. Energieeinsparung einerseits und Youtube, Facebook), durch die man sich jedoch nicht von dem der Wohlfühlfaktor andererseits sind die Maßstäbe, nach de- als richtig erkannten und notwendigen Weg abbringen lässt. nen hier gebaut wurde und die – das machte die Podiumsdis- kussion an beeindruckenden Beispielen deutlich – durchaus auch für andere Bibliotheksbauprojekte inzwischen als selbst- Hongkong, Guangzhou, Peking: Eine Karte, viele verständlich angesehen werden. Fotos der Reise und ein Video über nachhaltige Bei den Gesprächspartnern und Vortragsbesuchern – Bi- Architektur in China gibt es in der BuB-App. bliotheksdirektoren und -mitarbeitern, Verbandsvertretern,

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BuB 68 08-09/2016 519 LESESAAL KINDER- UND JUGENDBIBLIOTHEK

Ute Hachmann Bildung bewegt  Die Kinderuni Brilon vermittelt auf ungewöhnliche Weise Wissen in Theorie und Praxis / Kooperation mit heimischer Wirtschaft

Seit dem Frühjahr 2015 hat die FernUniversität in Hagen einen Standort in der Stadtbibliothek Brilon. Diese neue Partnerschaft sollte sich über die räumliche Nutzung hin- aus auch in gemeinsamer Programmarbeit widerspiegeln. Schnell war die Idee einer Kinderuni in Brilon geboren. Neben der FernUniversität sollte auch die Fachhochschule Südwestfalen Kooperationspartnerin der Briloner Kinder- uni werden, denn hier werden schon seit 2006 Vorlesungen für Kinder angeboten.

Die FH Südwestfalen ist mit einem Standort im 25 Kilometer entfernten Meschede zu finden und bietet dort technische so- wie wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge an. An die FH angedockt arbeitet das sogenannte zdi-Netzwerk Bildungsre- gion Hochsauerlandkreis. »zdi« steht für die Gemeinschaftsof- fensive »Zukunft durch Innovation.NRW« des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen. Das im Februar 2010 gegründete zdi-Netzwerk Bildungsregion Hochsauerlandkreis ist eines von mittlerweile 43 Netzwerken in Nordrhein-Westfalen. Bei den Aktivitäten des zdi steht die Förderung der soge- nannten MINT-Fächer im Vordergrund. Die Stadtbibliothek Bri- lon hatte schon im Herbst 2014 das zdi als neuen Kooperations- partner gewinnen können. Gemeinsam mit dem zdi führt sie halbjährlich »Konstruktionstage für Kinder« durch. Auch beim zdi stieß die Idee der Briloner Kinderuni auf großes Interesse. Da Brilon für die Region ein starker Wirtschaftsstandort ist, war klar, dass auch die Briloner Unternehmensinitiative »Big Six« Partner werden sollte. Die »Big Six«-Unternehmen beschäftigen in Brilon rund 4 200 Menschen. Bei einer Ein- wohnerzahl von 25 000 stellen sie 300 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Die Idee einer Kinderuni ist nicht neu. Die erste Kinderuni Das Logo der Briloner Kinderuni wurde von Schülerinnen der Deutschlands startete 2002 in Tübingen mit der Vorlesung »Wo örtlichen Realschule gestaltet. die schwarzen Raucher sitzen«. Ein Boom in Deutschland setzte ein, zahlreiche Hochschulen öffneten seither ihre Vorlesungs- der FernUniversität in Hagen sollte eigenes Lernverhalten, säle für Kinder, so auch die Fachhochschule Südwestfalen. Lerntypen, Lernumgebungen thematisieren. Die Projektidee der Briloner Kinderuni: Die Stadtbibliothek Brilon organisiert für Kinder den Besuch der Vorlesungen der Kinderuni der Fachhochschule Südwestfalen in Meschede. Das Großer Andrang Besondere sollte aber zum einen die Verknüpfung mit der hei- mischen Wirtschaft sein, zum anderen sollten Workshop-Ange- Im Dezember 2015 war es dann soweit: Die 22 Plätze, die die bote der FernUniversität in Hagen eingebunden werden. Stadtbibliothek für die erste Briloner Kinderuni angeboten Die Briloner Wirtschaftsunternehmen erklärten sich bereit, hatte, waren innerhalb weniger Minuten vergeben. Kinder, die ihre Betriebe für die Kinder zu öffnen. Eine Wissenswerkstatt die Klassen vier bis sechs besuchen, konnten teilnehmen.

520 LESESAAL KINDER- UND JUGENDBIBLIOTHEK

Das Angebot war attraktiv: vier Besu- che von Kinderunivorlesungen inklusive Bustransfer von der Briloner Bibliothek zum Mescheder Hörsaal, eine Wissens- werkstatt und die Betriebsbesichtigung eines Briloner Unternehmens. Für Eltern und Kinder entstanden keine Kosten. Die Finanzierung wurde aus Sondermitteln des Arbeitsschwerpunktes »Wirtschaft und Schule« durch die Stadt Brilon gedeckt. Am ersten Mittwoch im Februar 2016 stand der gecharterte Bus vor der Biblio- thek und brachte die 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und zwei Mitarbeiterinnen der Stadtbibliothek Brilon nach Meschede. Sowohl Kinder als auch Erwachsene waren beim ersten Ausflug zur Uni aufgeregt. Für die Kinder war es der erste Besuch einer »richtigen« Universität. Für die Mitarbei- terinnen der Bibliothek hieß es, den Über- blick zu behalten. Denn neben den 22 Bri- loner Kindern waren weitere 150 Kinder als Gasthörer der Kinderuni zugelassen. Bei der Betriebsführung wird jede Frage der Kinder geduldig beantwortet. Fotos: Hachmann »Von Löchern in der Zeit und wie man sie stopft« war der Titel der ersten Vorlesung. Per Videoüber- In dieser Wissenswerkstatt hatten die Kinder auch Gele- tragung wurde die Veranstaltung für Eltern und Begleitperso- genheit, die vier Vorlesungen an der Uni zu bewerten. Auf die nen in den Vorraum des Hörsaals übertragen, sodass die Mit- Frage »Was hat Dir besonders gut gefallen«, kamen folgende arbeiterinnen der Bibliothek die Vorlesung ebenfalls verfolgen Antworten: konnten. »Die Experimente, die während der Vorlesungen durch- An drei weiteren Tagen im Februar besuchten die Kindern geführt wurden«, »das Busfahren«, »dass man etwas über ein dann Vorlesungen zu den Themen: »Wie funktioniert das Fern- neues Thema gelernt hat«, »dass die Vorlesungen nur für Kin- sehen?«, »Warum können Eisenschiffe schwimmen?« und »Was der waren« und „»dass wir von einem echten Wissenschaftler Smartphone und Pullover mit dem Klimawandel zu tun haben«. etwas Neues lernen durften«. Alle Vorlesungen waren eine gute Mischung aus kindgerech- ter Aufbereitung des jeweiligen Themas und zahlreichen Ex- In Kooperation mit der Wirtschaftsförderung perimenten. Bemerkenswert war das schon vorhandene Wis- Brilon wurden vier Firmen ausgewählt, sen bei vielen Kindern, das sich in zahlreichen Fragen an die die von ihrer Produktauswahl zu Dozenten äußerte. den Vorlesungsthemen passten.

Lernverträge geschlossen Auf die Frage »Was hat Dir nicht so gut gefallen?« gaben die Kinder folgende Antworten: »Dass man während der Vorlesung Im März nahmen die Kinder dann an der FernUni-Wissens- nicht essen und trinken durfte«, »dass die Zeit für An- und Ab- werkstatt zum Thema »Lernen lernen« teil. Dabei ging es un- fahrt mit dem Bus zu knapp war«, »dass die Wissenschaftler zu ter anderem um Lernumgebungen und verschiedene Lernty- schnell zum Mitschreiben gesprochen haben« und »dass der Sü- pen. Besonders gut gefiel den Kindern ein Lernvertrag, den sie ßigkeitenautomat in der Fachhochschule kaputt war«. Die Kin- mit sich selbst abschließen konnten. In dem Lernvertrag konn- der waren mit großer Begeisterung bei der Auswertung dabei. ten sie Anregungen und Ideen aus der Wissenswerkstatt auf- Im nächsten Schritt ging es nun darum, zu entscheiden, schreiben, die sie gerne in ihrem eigenen Lernverhalten ändern welche Firma die Kinder in Brilon besichtigen möchten. Im Vor- wollten. Dabei ging es um ganz einfache Dinge wie zum Bei- feld der Wissenswerkstatt hatte die Stadtbibliothek in Koope- spiel »Bei den Hausaufgaben Wasser trinken, keine anderen Ge- ration mit der Wirtschaftsförderung Brilon vier Firmen ausge- tränke, denn die lenken die Energie vom Gehirn in den Magen« wählt, die von ihrer Produktauswahl zu den Vorlesungsthemen oder »Auf meinem Schreibtisch liegen nur die Dinge, die ich passen könnten. Bei dieser Abstimmung entschieden die Kin- wirklich brauche«. Silvia Fien, Studienberaterin der FernUni- der, dass sie die Firma ABB AG in Brilon besichtigen möchten. versität Hagen in Brilon, hatte das Thema Lernen sehr kindge- ABB stellt in Brilon Transformatoren her und beschäftigt circa recht aufbereitet. 200 Mitarbeiter.

BuB 68 08-09/2016 521 LESESAAL KINDER- UND JUGENDBIBLIOTHEK

Sabine Henke, Christian Käding und Alwin Ernstberger von nächsten Jahr auf jeden Fall wiederholt wird. Wissen in Theo- der ABB AG hatten für die Kinderuni-Kinder ein abwechslungs- rie und Praxis – auf ungewöhnliche Weise – vermitteln, das ist reiches und sehr kindgerechtes Programm vorbereitet. die zentrale Idee der Briloner Kinderuni. In einer kurzen Präsentation erklärte Käding den Kindern, warum Transformatoren überhaupt gebraucht werden. Beein- Die neu gegründete Kinderuni Brilon ist ein druckt waren die Kinder davon, dass die Produkte aus Brilon deutliches Signal dafür, dass die Wichtigkeit weltweit ihren Einsatz finden – vom Olympiastadion in Sydney und Notwendigkeit von Netzwerkarbeit in der über das höchste Gebäude der Welt, den Burj Khalifa in Dubai, Kommune und in der Region steigt. bis hin zu großen Kreuzfahrtschiffen.

Treffender als Armin Maiwald kann man es nicht formulieren: Führung durch den Betrieb »Bibliothek will neugierig machen, sie will Lust auf neue The- men wecken, Aha-Erlebnisse produzieren, zum Forschen und In der anschließenden Betriebsführung konnten die Kinder die Tun anstoßen. Bibliothek will Mut machen zum Ausprobieren Herstellung von Transformatoren von Beginn an bis zu deren und darüber reden!« Der Macher der Sendung mit der Maus Verladung auf LKWs anschauen. Mit großer Geduld beantwor- war im Februar 2016 zu Gast in Brilon. teten die Mitarbeiter von ABB jede Kinderfrage. Die offizielle Eröffnung der Kinderuni wurde an einem Wo- Am interessantesten war dann aber der Bau eines eigenen chenende ganz im Sinne der »Sendung mit der Maus« gefeiert. Transformators. Jeweils in Zweierteams und unter Aufsicht von Diese Sendung hat das Kinderfernsehen und die Vermittlung vier Azubis wickelten die Kinder Spulen, mussten Eisenplatten von Wissen revolutioniert. Maiwald las aus seiner Biografie und einführen, um dann den Test zu bestehen. Leuchtete das kleine Christoph Biemann experimentierte mit Kindern. Licht am Prüfgerät, war gut und sauber gearbeitet worden. Ganz nebenbei werden mit der Kinderuni Brilon Hemm- schwellen abgebaut, sei es beim ersten Besuch einer Hoch- Lernen und Begreifen im wörtlichen Sinne ist schule oder bei der Besichtigung von Firmen. Die heimische die Basis dieses Konzeptes, das im nächsten Wirtschaft zeigte sich der Stadtbibliothek gegenüber als neuem Jahr auf jeden Fall wiederholt wird. Kooperationspartner sehr aufgeschlossen und lud die Leiterin im Frühjahr zu einem Unternehmertreffen ein. Der Bericht über die erste Briloner Kinderuni stieß auf große Begeisterung bei In der Cafeteria von ABB wurden dann als Abschluss der ersten den Unternehmern. Briloner Kinderuni Urkunden an alle 22 Teilnehmerinnen und Nach ihrem Interesse an dieser Kooperation gefragt, gaben Teilnehmer übergeben. die Unternehmer zur Antwort, dass mit den Kinderbetriebsfüh- Für die Stadtbibliothek Brilon fällt die Bilanz dieses ambi- rungen erste Schritte gegen den Fachkräftemangel begangen tionierten Projektes durchweg positiv aus. Lernen und Begrei- werden. Je mehr Kinder und Jugendliche über heimische Be- fen im wörtlichen Sinne ist die Basis dieses Konzeptes, das im triebe wissen, je eher sind sie bereit, dort Praktika abzuleisten,

Selbst arbeiten: Unter Anleitung der Azubis durften Kinder kleine Transformatoren basteln.

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Geschafft: Zum Abschluss der Kinderuni erhielten die TeilnehmerIn- nen eine Urkunde. inklusive: ihre Ausbildung zu machen und im besten Fall als Fachkraft • Bibliotheks-Portal dauerhaft im Betrieb zu arbeiten. • WebOPAC XXL Für den Herbst plant die Bibliothek schon jetzt weitere Kin- derbetriebsbesichtigungen, zum Beispiel beim lokalen Entsor- Ihre Vorteile: gungsunternehmen und einem großen Autohaus. • Höchste Datensicherheit Mit den neuen Kooperationspartnern hat sich die Stadtbib- • Jederzeit Zugriff von überall liothek Brilon in ihrem Portfolio noch breiter aufgestellt. Es ist deutlich spürbar, dass sie von Wirtschaftsvertretern und Politi- • Immer auf dem neuesten Stand der Technik kern als weicher Wirtschaftsstandortfaktor anerkannt ist. • Kostenloser Support Die neu gegründete Kinderuni Brilon ist ein deutliches Si- gnal dafür, dass die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Netz- • Keine Investitions- und Migrationskosten werkarbeit in der Kommune und in der Region steigt. Neben • Ideal für Bibliotheksverbünde, Lesenächten und Klassenführungen befinden sich nun auch Zweigstellen sowie die Partnerschaft »Konstruktionstage«, »Upcycling-Veranstaltungen« und eine von Bibliothek und Schule »Kinderuni« im Veranstaltungsangebot der Briloner Bibliothek. In der Stadtbibliothek Brilon wird der Wandel gelebt.

Ute Hachmann ist Dip- lom-Bibliothekarin und leitet die Stadtbiblio- thek Brilon seit 1993. Von 2004 bis 2009 war sie Vorsitzende der Ex- pertengruppe »Kinder- und Jugendbibliotheken« des Deutschen Bibliotheksver- bandes, von 2005 bis 2009 Mitglied im International Stan- ding Committee for Children and Teen Librarys der IFLA (International Federation of Library Associations) sowie IT-Systeme GmbH & Co. KG von 2008 bis 2010 Mitglied in der Jury des Deutschen Ju- gendliteraturpreises. Seit 2011 ist sie auch für das Stadt- archiv in Brilon verantwortlich.

BuB 68 08-09/2016 523 Die neue Stadtbibliothek im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick: Rechts der Altbau, ein altes Feuerwehrhaus, und links der moderne Neubau. Fotos: Bezirksamt Treptow-Köpenick524 von Berlin LESESAAL BAU

Jürgen Radzkowski Die Feuerwache und die Bibliothek – eine dauerhafte Beziehung  »Alte Feuerwache« Treptow-Köpenick: ein neuer Bibliotheksbau in Berlin

Berlin ist eine große Stadt. In vielen Ortsteilen wird gebaut. Die neue Struktur war nur mit dem Neubau der beiden Mit- Es werden Lücken und freie Flächen geschlossen. Für Woh- telpunktbibliotheken erfolgreich umzusetzen. Die politischen nungsbau, für Gewerbe und Industrie, für Verkehrsbau – Gremien, die Verwaltung und die Beschäftigten der Stadtbib- Straßen, Autobahn und auch »der« Flughafen – sowie für liothek haben diese Absicht beschlossen und umgesetzt. Das die öffentliche und soziale Infrastruktur werden Gebäude hatte seinen Preis. Der Bezirk hat für die beiden Neubauten errichtet. Dazu gehören auch die Bauten für Bildung, Kul- jeweils rund 5 Millionen Euro investiert. Die Stadtbibliothek tur und Wissenschaften. Auch die öffentlichen Bibliotheken hat gut 40 Prozent des Personals einsparen müssen. Die Sach- sind dabei vertreten. In Treptow-Köpenick ist ein neuer Bi- ausgaben und der Medienetat waren für viele Jahre begrenzt. bliotheksbau entstanden. Die Mittelpunktbibliothek Köpenick im gleichnamigen Orts- teil mit rund 65 000 Einwohner*innen wurde im November Treptow-Köpenick ist mit 168 Quadratkilometern der flächen- 2008 eröffnet. Die Mittelpunktbibliothek Treptow im Ortsteil mäßig größte Bezirk in Berlin. Er liegt im Südosten der Stadt Schöneweide mit ebenfalls rund 65 000 Einwohner*innen und besteht zu rund 50 Prozent aus Wäldern und Gewässern. wurde im April 2015 eröffnet. Hier leben in zehn Ortsteilen etwa 253 000 Einwohner. Es gibt keinen bevölkerungsreichen zentralen Stadtraum. Infolge der naturräumlichen Gliederung des Bezirks und der Streuung der Bauen im Bestand – Standort und Planungen Ortsteile haben sich nur lokale Zentren gebildet. Der Bezirk hat mit 45,5 Jahren einen relativ hohen Altersdurchschnitt. Rund Die neue Bibliothek sollte an einem zentralen Ort im Ortsteil 25 Prozent der Bevölkerung sind 65 Jahre und älter. Trep- errichtet werden. Dafür wurden drei bestehende Standorte tow-Köpenick verfügt über einen überdurchschnittlichen Sozi- geschlossen, die nicht als Ersatzfläche zur Verfügung stan- alindex. Die Migrations- und Ausländerquote ist mit unter zehn den. Als Vorgabe des Trägers war zu berücksichtigen, dass Prozent die geringste der Berliner Bezirke. Grundstücke nicht gekauft oder Räume gemietet werden dürfen. Es musste ein Baugrundstück im öffentlichen Eigen- Die Kommunen haben seit vielen Jahren tum gefunden werden. Die Auswahl war klein und richtete Haushaltsprobleme. Freiwillige kommunale sich schnell auf eine Feuerwache aus der Kaiserzeit in der Aufgaben, wie zum Beispiel Bibliotheksbauten, gewünschten Lage. brauchen Fördermittel und Zuschüsse um Das Bibliothekskonzept mit seinen Anforderungen und der gewählte Standort mussten nun eine Machbarkeitsstudie realisiert zu werden. durchlaufen. Die Hürde wurde genommen und das Projekt als machbar befunden. Langsam, aber sicher traten dann der Die Stadtbibliothek Treptow-Köpenick bedient diese Rah- Finanzbedarf und die Finanzierung in den Vordergrund. Die menbedingungen mit ihren Einrichtungen und Standorten. Kommunen haben seit vielen Jahren Haushaltsprobleme. Frei- Sie ist organisatorisch ein Fachbereich im Amt für Weiter- willige kommunale Aufgaben, wie zum Beispiel Bibliotheks- bildung und Kultur, zu dem auch die Musikschule, die VHS bauten, brauchen Fördermittel und Zuschüsse um realisiert und der Fachbereich Kultur mit dem Regionalmuseum gehö- zu werden. Für unser Bauprojekt wurden EU-Fördermittel aus ren. Das Bibliothekssystem hat seit 2001, mit der Fusion von dem EFRE-Programm BIST (Bibliotheken im Stadtteil) bewil- Treptow und Köpenick zu einem gemeinsamen Bezirk, in ei- ligt, die für den Neubau verwendet wurden. Zur Instandset- nem harten Prozess 16 Standorte, überwiegend zu klein und/ zung des Altbaus wurden Mittel der Stadterneuerung und zum oder für den Bibliotheksbetrieb ungeeignet, aufgegeben. Der Denkmalschutz von der Senatsverwaltung für Stadtentwick- Prozess ist abgeschlossen. Das Bibliothekssystem besteht jetzt lung zugewiesen. aus zwei Mittelpunktbibliotheken, die gemeinsam die Funk- Den Architekturwettbewerb hat das Büro Chestnutt_Niess tion einer Bezirkszentralbibliothek wahrnehmen, vier Stad- Architekten BDA, Berlin für sich entschieden. Als Referen- teilbibliotheken und der Fahrbibliothek mit einem Bücherbus. zen im Bibliotheksbau wurden die Bibliothek am Luisenbad,

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Stilwechsel: Während im Neubau klare Strukturen, Licht und eine großzügige Raumaufteilung dominieren (linkes Foto), kann man im Altbau noch den Charme vergangener Tage erfahren (rechtes Foto). Im mittleren Foto ist der Übergang vom Alt- zum Neubau zu sehen.

Berlin-Mitte, und die Bibliothek der Fachhochschule Wildau zurückgeführt. Da keine weitere Treppe als baulicher Flucht- in Brandenburg nachgewiesen. Hier gab es Erfahrungen mit weg in das Gebäude, insbesondere in den sechsgeschossigen RFID-Geräten, die auch für unseren Bau vorgesehen waren. Turm, eingefügt werden konnte, bleibt die öffentliche Nutzung Für die mobile Bibliotheksausstattung wurde Serafini Projects, auf das Erd- und erste Obergeschoss beschränkt. In den Turm Iserlohn, als Lieferant ausgewählt. wurden Technikräume verlegt. Das Dach erhielt nach histori- schem Vorbild eine Deckung mit Biberschwanzziegeln. Bei der Fassadensanierung wurde darauf geachtet, die Patina und so- Grundsteinlegung – Richtfest – Abnahme und Eröffnung mit Alter und Würde des Baudenkmals zu erhalten. Im Altbau findet die Verwaltung ihren Platz. Einzelne Räume im unteren Diese Prozessschritte dauerten von 2012 bis 2015. Sie teilten Teil des Turms konnten für die Bibliotheksnutzung verwendet sich in die Sanierung der denkmalgeschützten Feuerwache und werden. Die alte Wagenhalle im Erdgeschoss wurde zum Ver- den Neubau der Bibliothek. anstaltungsraum mit bis zu 90 Plätzen. Hier wurde das letzte Die Feuerwache wurde 1907/1908 vom erhaltungsfähige Eingangstor zur Wagenhalle Architekten Karl Alfred Herrmann erbaut. Was bunt erscheint, ist aufgestellt. Sie war Sitz der Freiwilligen Feuerwehr und ein abgestimmtes Farb- Der Neubau, der die Bibliothek auf- ab 1920 der Berufsfeuerwehr. Das Haus konzept. Die Wirkung nimmt, zielt auf eine Integration der bei- hatte nur geringe Kriegsschäden und wurde ist hell, freundlich und den Gebäudeteile. Ein neues Ensemble von von 1976 bis 1990 von der Freiwilligen Feu- zwei sich aufeinander beziehenden Bau- erwehr und der Verkehrspolizei genutzt. Es einladend. körpern entsteht durch eine subtile geome- folgte Leerstand und die Nutzung durch kulturelle und sozi- trische Operation im Grundriss. Die Grundform gleicht ei- ale Vereine. Die Feuerwache war bei Baubeginn in allen Tei- ner Spirale, die den Turm der »Alten Feuerwache« als Dreh- len sanierungsbedürftig. Grundlage für die Erneuerung bil- und Angelpunkt nutzt. Das ergibt ein Gebäudering, der den deten restauratorische Gutachten. Aufwendig musste Haus- ruhigen Lesehof von der Umgebung abgrenzt. Die Außen- schwamm in Deckenbalken und Mauerwerk bekämpft werden. haut des Neubaus greift das Ziegeldach auf und kehrt seine Das historische Haupttreppenhaus wurde in seinen Urzustand Massivität um, indem eine vorpatinierte, anthrazitfarbene

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Zinkblechverkleidung verwirklicht wurde. Die drei Ebenen der Bibliothek sind durch Lufträume verbunden und durch einzelne große Fenster nach außen und Fensterfronten zum Hof markant gestaltet, die interessante Ein-, Durch- und Aus- blicke bieten. Ein wesentliches Gestaltungsmerkmal des Hau- ses ist der Fußboden. Das Untergeschoss ist mit lichtgrauem Linoleum belegt. Im Erd- und Obergeschoss ist das Linoleum hellgrün und in der Wagenhalle »feuerwehrrot«. Im internen Bereich ist Anthrazit die Farbe für den Bodenbelag. Was bunt erscheint, ist ein abgestimmtes Farbkonzept. Die Wirkung ist hell, freundlich und einladend, was durch teilweise raum- hohe helle Holzpaneele im Obergeschoss und Sichtbeton Stadtbibliothek Treptow-Köpenick unterstützt wird. Die vom Architekten entworfenen Wandre- gale, Tische und Stühle, die Möblierung in Weiß und Anth- Einwohnerzahl Treptow-Köpenick razit von Serafini harmonieren gut miteinander. Es gibt eine 253 330 Bezirk, davon im Einzugsgebiet 65 000 lockere und abgestimmte Raumwirkung. Anschrift In dieser Bibliothek wurden drei Standorte Mittelpunktbibliothek Treptow, Michael-Brückner-Straße zusammengeführt. Die Medienangebote und 9, 12439 Berlin, E-Mail: [email protected] Dienstleistungen sind erweitert. Die Besuche und die Inanspruchnahme der Angebote Fläche 1 500 m² Nutzfläche auf 3 Ebenen für Publikum entsprechen den Erwartungen. Ausstattung Die Bibliothek wurde von Anfang an für die Aufstellung von 3 Selbstverbucher, teilweise mit EC-Zahlfunktion, RFID-Ausstattung geplant. Es sind drei Selbstverbucher, teil- 1 Rückgabeautomat mit fünfteiliger Sortieranlage weise mit EC-Zahlfunktion, und ein Rückgabeautomat mit zwei Außenrückgabeautomat (7 Tage/24 Stunden), Zugängen und Anschluss an eine fünfteilige Sortieranlage ein- 1 Sicherungsgate von Bibliotheca, Reutlingen, gebaut. Ein Sicherungsgate ist vorhanden. Ein besonders gern 16 Internet-Plätze, 2 PC-Arbeitsplätze, WLAN, Veranstal- genutztes Angebot ist die Außenrückgabe. Sie ist an sieben Ta- tungsraum, Fahrstuhl, Kopierer gen 24 Stunden zugänglich. Möblierung: Serafini Projects, Iserlohn In dieser Bibliothek wurden drei Standorte zusammenge- führt. Die Medienangebote und Dienstleistungen sind erwei- Datenverarbeitung: adis/bms tert. Die Besuche und die Inanspruchnahme der Angebote ent- sprechen den Erwartungen. Die erweiterten Aktivitäten in der Kosten: Leseförderung werden von der benachbarten Grundschule, de- 6,4 Millionen Euro ren Schüler durch ein Tor vom Schulgelände direkt zur Biblio- - davon Fördermittel EFRE/BIST-Bibliotheken im Stadt- thek kommen können, stark genutzt. teil durch die Senatskanzlei Berlin mit 1,2 Millionen Euro Die Bibliotheksverantwortlichen sehen sich mit dieser Bib- - davon Fördermittel Denkmalschutz durch Senatsverwal- liothek, die den Schlusspunkt der neuen Bibliotheksstruktur in tung Stadtentwicklung Berlin mit 1,2 Millionen Euro Treptow-Köpenick darstellt, für die Zukunft gut aufgestellt. Im - davon Eigenmittel des Trägers mit 4 Millionen Euro. Juni 2016 wurde der Mittelpunktbibliothek Treptow »Alte Feu- erwache« der »Architekturpreis Berlin 2016« verliehen. Planung/Architekt/Gestaltung Chestnutt_Niess Architekten BDA, Berlin Ingenieurbüro Widell, Berlin Jürgen Radzkowski arbeitet als Fachbereichsleiter Bibliotheken beim Amt für Weiterbildung und Kultur in Treptow-Köpenick Bestand: Ist 64 000 ME – Ziel 75 000 ME

Medienetat: 50 000 Euro

Personal: 11,33 VZÄ mit 13 Beschäftigten

Tipp: Eine Fotogalerie Öffnungszeiten zum Neubau gibt es in der 51 Wochenstunden: neuen BuB-App. Mo., Di., Do., Fr. 10 – 20 Uhr, Mi. 13 – 20 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr

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Bibliotheksbau 

Geschichte und Trends, Entwurf, Technik und Innenraum

Entwurfsatlas Bibliotheken / Nolan Norma Blake beschreibt die Nut- Lushington; Wolfgang Rudorf; Liliane zer- beziehungsweise Kundensicht der Wong (Herausgeber) Basel: Birkhäu- Bibliotheksbesucher. Sie skizziert die ser Verlag, 2016. 263 Seiten: zahlrei- im digitalen Zeitalter neu entstandene che Abbildungen. ISBN 978-3-0346- Funktion der Bibliothek als physischem 0571-7 – Gebunden, 69,95 Euro. Auch Kontrapunkt zum digitalen Arbeiten, als als E-Book erhältlich. Begegnungsforum und Institution auf der Suche nach neuen Partnern. Die Publikation gliedert sich in ein Im Beitrag von Ursula Kleefisch-Jobst Grundlagenkapitel, einen Teil zu Pla- werden typologische Entwicklungen nungsanforderungen sowie ein Kapitel von Bibliotheksbauten bis ins 19. Jahr- über Technik und Ausstattung. Vervoll- hundert mit detail- und kenntnisreichen ständigt wird der großformatige Band baulichen und räumlichen Beschreibun- durch Projektportraits, die etwa die gen nachgezeichnet. Dabei konstatiert Hälfte des Buchblocks ausmachen. die Autorin das Fehlen einer stringen- ten Typologieentwicklung. Kongenial schließt sich der Beitrag von Karl-Heinz Grundlagen Schmitz zu Formen und Funktionen an, der den Faden vom 19. Jahrhundert bis Im ersten Kapitel betrachten Wong und zur Gegenwart aufnimmt und das Spiel Lushington die Bibliothek in ihrem ge- mit gefasster und fließender Form neu- sellschaftlichen Kontext und legen die zeitlicher Bibliotheksräume beschreibt. Auswirkungen historischer Entwicklun- Das erste Kapitel des Bands endet gen auf Konzepte und die spezifische mit Lushingtons kompakter Darstellung Bauaufgabe im Wandel der Zeit dar. der Geschichte der Öffentlichen Biblio- Komprimiert spannt der Aufsatz den Bo- theken der Vereinigten Staaten, der die Anschrift des Rezensenten: Dr. Jonas gen von der Erfindung des Buchdrucks Entwicklung vom repräsentativen, mo- Fansa, Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Leitung Publikumsdienste, Breite bis zur Gegenwart, versäumt aber eine numentalen Haus zu Volksuniversitäten Straße 30-36, 10178 Berlin. Prognose künftiger Entwicklungserfor- und damit Symbolen bürgerlicher Mün- – E-Mail:[email protected] dernisse – quo vadis, Bibliothek? digkeit nachzeichnet.

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Planungsanforderungen gebaute Beispiele für innovative Trag- Das vierte Kapitel endet mit einem werkskonzepte, etwa tragende Röhren, Beitrag von Frank Seeliger zur Medien- Das zweite Kapitel wird mit Rebecca Außenskeletttragwerke oder Freiform- sicherung und zu RFID, den Potenzialen Chestnutt von einer Architektin mit Bib- schalen. Zwei weitere Abschnitte des- dieser Technologie über die Mediensi- liothekserfahrung eröffnet, die beispiel- selben Autors bieten Überblicke über cherung hinaus sowie bauliche Implika- haft an drei Projekten aus der eigenen Klimatechnik in Grundlagen und Lösun- tionen des RFID-Einsatzes. Praxis darlegt, wie Bestandsbauten um- gen sowie einen kurzen Abriss zur Licht- An die Fachbeiträge schließen sich geformt, erneuert, erweitert oder umge- planung. Dieser wird in einem Beitrag über 30 reich bebilderte und mit Zah- nutzt worden sind. von Mohamed Boubekri um Tageslicht- len und illustrierendem Material ange- Liliane Wong führt in Funktions- systeme mit Beispielen ergänzt. reicherte Porträts von Bibliotheksbau- bereiche und idealtypische räumliche projekten der Gegenwart an. Es werden Zusammenhänge, Relationen, Abläufe Neu- und Erweiterungsbauten von Na- und deren diagrammatische Darstel- Inneneinrichtung und Ausstattung tionalbibliotheken, großen und kleinen lung, vor allem der öffentlichen Berei- Öffentlichen Bibliotheken und Hoch- che von Bibliotheksgebäuden ein. Sie Das vierte Kapitel wird von Aat Vos mit schulbibliotheken versammelt. erläutert dabei Planungsrelevantes zu einem Abschnitt über Modernisierung den wichtigsten Nutzerbereichen heuti- von Bibliotheken eröffnet. Der Autor Für eine zweite Auflage wäre ger Bibliotheken. Darüber hinaus liefert führt das Konzept der »Shearing Layers« ein Abschnitt über die inter- sie Grundannahmen zur Quantifizie- für die Betrachtung von Zeithorizonten ne Logistik von Bibliotheken rung von Flächen und diskutiert aktuelle in der Nutzung von Bibliotheksgebäu- wünschenswert. Unterbringungsstrategien und -prämis- den ein (Hülle, Struktur, Räume, Dienst- sen für Sammlungen sowie den Einfluss leistungen, Ausstattung) und trägt da- von Vielfaltsstrategien in öffentlichen mit zum Verständnis von differenzierten Insgesamt erscheint der Begriff »Atlas« Bibliotheksräumen. Insbesondere vor Erneuerungszyklen bei. Das führt zu der im Titel etwas hochgegriffen – dazu hätte dem Hintergrund divers gewordener und hochrelevanten und fundamentalen Fra- es einer systematischeren Aufbereitung dynamisierter Nutzeransprüche werden gestellung, welches Verhältnis Gebäude- des bibliotheksbaulichen Faktenwissens zeitgenössische Raumkonzepte für kol- hülle und Interieur zueinander hinsicht- bedurft. Letzteres müsste man sich nun laboratives Lernen vorgestellt und non- lich der Determination von Nutzung ha- in überzeugenden, aber heterogenen library facilities in ihren Anforderungen ben und spiegelt die aktuelle Diskussion Beiträgen zusammenklauben. Da es den ergänzt. Ein Abschnitt von Liliane Wong um unseren Begriff von »flexibility«. Der DIN-Fachbericht 13 und den ISO Techni- und Nolan Lushington über Kinderbib- Autor thematisiert die neuen Anforde- cal Report 11219:2012 gibt, ist dieser liotheken und Jugendbibliotheken kom- rungen an Bibliotheksräume als Dienst- Mangel jedoch verschmerzbar. plettiert diese Gesamtschau über biblio- leistungs- und Aufenthaltsorte (»zwei- Für eine zweite Auflage wäre ein thekarische Funktionsbereiche. tes Wohnzimmer«) und zeitgenössische Abschnitt über die interne Logistik von Klaus Ulrich Werner schreibt über den Funktionen, konstatiert die Notwendig- Bibliotheken wünschenswert. Dieses chancen- und risikoreichen Dialog zwi- keit, sich angemessener Marketingstra- Thema blitzt nur gelegentlich auf, hätte schen Bibliothekar und Architekt und die tegien zu bedienen – und nicht zuletzt aber mehr Aufmerksamkeit verdient. Notwendigkeit eines klaren Rollen- und visuelle Identität und Raum zusammen Ein weiterer Wermutstropfen: In dem Aufgabenverständnisses der Akteure für zu denken. Band kommen Planer und Bibliothekare erfolgreiche Bauvorhaben. Dabei weist er Hieran schließt sich ein Abschnitt zu Wort, und auch das Verhältnis zwi- auf typische Fallstricke im planerischen über Regaltypen, -anordnungen und dar- schen beiden wird diskutiert. Interes- Dialog und systembedingte Rollenkon- aus resultierende Flächenlayouts und die sant wäre indes die Ergänzung um die flikte im öffentlichen Bauen hin. praktischen Implikationen von Klassifi- Bauherrenperspektive. kationssystemen für Regalbereiche an. Nichtsdestotrotz: Das Buch ist hoch- Michael Meier-Franke hat den Ab- wertig gemacht und reich mit aussage- Technischer Ausbau schnitt über Leit- und Orientierungssys- kräftigen, illustrierenden, teils groß- teme verfasst, der zunächst Rolle und Be- formatigen Fotografien bebildert. Ins- Das dritte Kapitel, von dessen vier Ab- deutung von Signaletik vermittelt und gesamt ist der Band sehr erfreulich und schnitten die ersten drei von Wolf- die Relation von Architektur und Wege- beschert eine anregende Lektüre. Zahl- gang Rudorf stammen, vermittelt zu- führung erörtert. Anhand von Beispielen reiche zentrale Aspekte auf der Grenzflä- nächst Grundsätze der Tragwerkspla- wird auf Eigenschaften von Leitsystemen che zwischen Bibliothek und Architektur nung von Bibliotheksgebäuden, führt vertieft eingegangen (Farb-, Material-, finden sich ambitioniert vorgestellt und in Lastannahmen und beispielhafte Be- Formstrategien usw.). Darüber hinaus beispielhaft vertieft. Ein fundierter Ein- rechnung von Lasten und Volumina ein werden die Ebenen und Medien von Leit- stieg in das Thema! und stellt konstruktive Varianten von systemen sowie die analogen und digitalen Tragsystemen dar. Aufschlussreich hier: Dimensionen der Orientierung skizziert. Jonas Fansa

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Aktueller Einblick in Archive für Laien

 Handbuch komplettiert die Reihe zu Gedächtnisinstitutionen

Handbuch Archiv: Geschichte, Aufga- Archiv, weil er einen breiteren Blickwin- ben, Perspektiven / Marcel Lepper; Ul- kel etablieren wollte. rich Raulff (Herausgeber) Stuttgart: J B Metzler, 2016. 294 Seiten. ISBN 978-3- 476-02099-4 – Gebunden, 69,95 Euro. Im direkten Vergleich schmäler ausgefallen Der Metzler-Verlag startete ungefähr 2010 ein schönes, intelligentes Projekt. Zunächst stutzt der Rezensent über die Drei Handbücher sollten erscheinen, die banale Tatsache, dass die Handbücher die drei Gedächtnisinstitutionen Archiv, Bibliothek und Museum ziemlich densel- Bibliothek und Museum abhandeln, und ben Umfang haben, während das Hand- zwar nicht für die Experten, die dort ar- buch Archiv um ein Viertel schmaler ist. beiten oder dafür studieren, sondern für Das ist aber nicht banal, sondern liegt Laien, die einen aktuellen Überblick er- daran, dass das Handbuch Archiv As- langen wollen, Laien, bei denen man, pekte nicht behandelt, die in den beiden was das Niveau angeht, an Leser der anderen Handbüchern wie selbstver- »Zeit« denken kann. 2012 erschien das ständlich ausgebreitet werden. Im Hand- Handbuch Bibliothek1 mit 422 Seiten. buch Bibliothek gibt es ein Kapitel »Die Dann stockte es. Bibliothek als Betrieb«. Hier wird die Jetzt erschien das Handbuch Archiv Spezifik des Bibliotheksmanagements mit knapp 300 Seiten, ebenfalls noch in dargelegt. Im Kapitel »Die Bibliothek als 2016 folgt das Handbuch Museum2 mit physischer Raum« wird das Thema Bib- wieder circa 432 Seiten. Das Handbuch liotheksbau und -einrichtung historisch Archiv ist herausgegeben vom Direkti- und systematisch abgehandelt. Entspre- onsteam des Deutschen Literaturarchivs chende Kapitel stehen auch im Hand- Anschrift des Rezensenten: Prof. Dr. Konrad Marbach. Der Verlag hatte vermutlich buch Museum. Hatten die Herausgeber Umlauf, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Bibliotheks- und Informationswis- nicht Archivare aus Behördenarchiven des Archiv-Handbuchs für diese Aspekte senschaft, Dorotheenstraße 26, 10117 Berlin. als Herausgeber angesprochen, sondern keinen Sinn? Oder lieferten die Autoren – E-Mail: [email protected] Experten aus einem eher atypischen vorgesehener Kapitel nicht rechtzeitig

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zum Redaktionsschluss, sodass die He- vor, andererseits richten etliche Kapitel Kontext der Debatten um Bestandser- rausgeber verzichteten? den Blick auf Pressearchive, Partei- und haltung oder RDA-Erschließung beach- Nennenswerte Teile des Handbuchs Verbandsarchive oder auch Wirtschafts- tenswert. So beklagt das Kapitel über die dienen der Reflexion der Funktion von archive. Dabei fällt die uneinheitliche Archivierung von AV-Medien das Fehlen Archiven in der Gesellschaft: Archive be- Präsentation des Stoffs auf. Kapitel, von Strategien zur Sicherung des Fil- wahren Akten auf, sind »Orte kollektiver die institutionstypologisch vorgehen merbes. Oder das Kapitel über Ausstel- Erinnerung« (S. 12), sind »Zentralfigur (Staats-, Kirchen-, Medienarchive und so lungen schiebt diese berechtigterweise einer Geschichts- und Kulturtheorie« (S. weiter), stehen unverbunden neben Ka- nicht in das Handlungsfeld Öffentlich- 129), durch sie kommen Vergangenheit piteln, die nach Medientypen vorgehen, keitsarbeit, sondern betont, dass Aus- und Geschichte eigentlich erst zustande, von denen etliche zu eigenen Archivty- stellungen in Archiven Teil des Ausstel- sie sind »gigantische Reflexionswerk- pen geführt haben (Nachlässe, audiovi- lungs- und Kunstbetriebs sind, dass es zeuge in Wartestellung« (S. 20). »Die In- suelle Medien, Presseerzeugnisse). um »Zaubern und Enttäuschen, Illusion stitution des Archivs bestimmt mit, was Überhaupt die Stoffpräsentation: und Illumination, Inszenierung und Ir- in Zukunft überhaupt als Faktum gelten Selten hatte der Rezensent ein Buch in ritation gehe« (S. 226). Dasselbe gilt für kann und was nicht« (S. 129). der Hand, in dem so viele Kapitelüber- die Kapitel über Archivbenutzung (»Pro- schriften zwar prononciert klingen, aber duktivität des Archivs«). Kapitel, die institutionstypo- wenig über den Inhalt des Kapitels oder Hier sitzt man gewissermaßen ne- logisch vorgehen, stehen un- Unterkapitels aussagen. So handelt das ben Archivbenutzern, die einen Schrift- verbunden neben Kapiteln, die Kapitel »Archivproliferation« von sozu- stellernachlass auswerten, historische nach Medientypen vorgehen. sagen nicht offiziellen Archiven, sei es Akten exzerpieren oder eine kritische bei Privatpersonen oder Künstlern. Oder Edition besorgen und verfolgt spannend unter der Überschrift »Die Medien des und anschaulich, wie Erkenntnisse aus Der »linguistic turn«, die Auflösung von Archivs« (S. 126) steht nicht etwa ein Archivmaterialien generiert werden und Tatsachen in die Rede über sie, trägt un- Absatz, der die Medientypen, die man welche Potenziale moderne Kommuni- ter wiederholter Zitierung von Derrida, in Archiven findet – so ziemlich alle Me- kationsformen den Forschern bieten. Foucault, auch Nietzsche weite Teile des dientypen – umreißt, sondern ein Ab- Hier wird beispielsweise darauf hinge- Buches. Das ist nicht immer leicht zu le- satz über Holztäfelchen, auf denen in wiesen (S. 255), wie Archive ihre digita- sen und man fragt sich, ob es nicht doch der Antike Gesetze festgehalten wur- lisierten Bestände im Internet verknüp- die Tatsachen der Vergangenheit gege- den. Das Kapitel »Die Ökonomie des Ar- fen und wie Nutzer diese Materialien ben hat, wenn etwa Archäologen Spuren chivs« handelt nicht über Management mit eigenen Digitalisaten (Fotos, Briefe davon finden, auch wenn kein Akten- oder Kostenrechnung – kann man in ei- und so weiter) anreichern können. Man stück in irgendeinem Archiv von ihnen nem Archiv, wie es sonst in der Kosten- hätte sich gewünscht, dass die Konse- berichtet. Erfrischenderweise durch- rechnung gefordert wird, letztlich alle quenzen in den verstreuten Passagen brechen einige Kapitel diesen Ansatz. Kosten den Produkten, also den Benut- über das Berufsbild des Archivars reflek- So heißt es im Kapitel über Literaturar- zungsvorgängen zurechnen? –, sondern tiert worden wären. Diese Kapitel sind chive, wenn es um den von Roland Bart- über Mediendifferenzen zwischen orts- aktueller und reflektierter als die ent- hes beschworenen Tod des Autors geht: festen Medien (Inschriften) und beweg- sprechenden Kapitel in Franz‘ Longsel- »Doch handelt es sich um eine unreflek- lichen Medien (Holztäfelchen). ler »Archivkunde«.3 tierte Übertragung diskurstheoretischer Die Ausstattung des Buches – Pa- Annahmen auf die Literatur und ihre pier, Qualität der sparsam eingesetzten Überlieferung.« (S. 237) Archivmaterialien werden gut erklärt Schwarz-Weiß-Abbildungen, Register – Insoweit sind auch die Zuschreibun- sind der gute, hohe Metzler-Standard. gen der Akten (»Was nicht in den Akten Gelungen sind die Kapitel über Archiv­ existiert, hat auch in der Welt keinen Be- materialien (Akten, Sammlungen, Konrad Umlauf stand«, S. 132) überhöht, zumal etliche AV-Medien, digitale Dokumente und Kapitel diese Überhöhung konterkarie- anderes mehr), über Bestandspolitik, 1 Handbuch Bibliothek: Geschichte, Auf- ren, Kapitel über Oral History oder Pas- Erschließung, Bestandserhaltung und gaben, Perspektiven / hrsg. von Konrad sagen über Privatarchive voller Briefe Ausstellungen. Hier wird gut erklärt, Umlauf und Stefan Gradmann. Stuttgart; und alter VHS-Kassetten: der Flohmarkt wie man es macht, wie es funktioniert. Weimar: J B Metzler 2012 als »fruchtbarer Ort der Archivprolifera- Hier ist der Anspruch, für ein gebildetes 2 Handbuch Museum: Geschichte, Aufga- tion« (S. 103). Laienpublikum – wohl vor allem Geistes- ben, Perspektiven. Walz, Markus (Hrsg.) So zieht sich eine Ambivalenz und Kulturwissenschaftler – zu schrei- Stuttgart: J B Metzler 2013 durch weite Teile des Handbuchs: Ei- ben und ihnen Verständnis dafür zu ver- 3 Franz, Eckhart G.; Lux, Thomas: Einfüh- rung in die Archivkunde. 8., unveränd. nerseits gibt doch das Staatsarchiv mit mitteln, womit sie im Archiv konfron- Nachdr. Darmstadt: WBG, 2012. Vollstän- Aktenstapeln (»Sie türmen sich zu Pa- tiert werden, überzeugend eingelöst. dig überarbeitete und erweiterte Auflage pierbergen…«, S. 131) das Paradigma Diese Kapitel sind für Bibliothekare im für 2016 angekündigt

BuB 68 08-09/2016 531 AUS DEM BERUFSVERBAND LANDESGRUPPENWAHLEN 2016 Neuwahlen2016: BIB-Landes- Landesgruppenwahlen 2016 gruppen

Landesgruppe Thüringen Landesgruppe Landesgruppe Über 50 Prozent Wahlbeteiligung Baden-Württemberg Niedersachsen / Bremen Fünf Vorstandsmitglieder Heike Kamp ist neue Vorsitzende Der Wahlvorstand der Landesgruppe Thüringen hat die Auszählung der Brief- Trotz erheblicher Schwierigkeiten im Der neugewählte Landesvorstand in Nie- wahl am 6. Juli 2016 durchgeführt. Vorfeld der Wahl, Kandidaten für den dersachsen besteht statt wie bisher aus Es waren 102 Mitglieder wahlbe- Landesvorstand zu finden, haben sich sieben jetzt aus fünf Vorstandsmitglie- rechtigt, eingegangen sind 54 Wahl- jetzt fünf engagierte Kolleginnen ge- dern. Die neue Vorsitzende ist Heike briefe, davon war einer ungültig, da die funden, die die Geschicke der Landes- Kamp von der Staats- und Universitäts- Absenderangaben fehlten. Somit wur- gruppe Baden-Württemberg in den bibliothek Bremen. Von 180 abgegebe- den die Stimmen von 53 Wahlberech- nächsten drei Jahren lenken werden. nen Wahlzetteln, mussten 17 für ungül- tigten ausgezählt. Dies entspricht einer Am 7. Juni 2016 hat der Wahlaus- tig erklärt werden, da diese ohne Absen- Wahlbeteiligung von 52,94 Prozent. schuss die Stimmenauszählung in Kons- der eingingen. Die Stimmenverteilung für den vier- tanz vorgenommen. Abgegeben wurden Für die Wahlperiode 2016 bis 2019 köpfigen Landesgruppenvorstand war 334 Wahlzettel, leider waren davon ver- wurden folgende Kandidatinnen gewählt wie folgt: hältnismäßig viele ungültig: 34 Wahl- und haben ihre Wahl angenommen: zettel (ungültig, da ohne Absender ein- • Heike Budnitz (Universitätsbi- gegangen). Die Wahlbeteiligung betrug • Andrea Beißner:116 Stimmen bliothek Erfurt): 50 Stimmen 26,6 Prozent. • Heike Kamp:133 Stimmen • Nadine Ernst (Thüringer Uni- Die Stimmen verteilen sich wie folgt • Katrin Koball: 134 Stimmen versitäts- und Landesbiblio- auf die einzelnen Kandidatinnen: • Christa Meyer: 134 Stimmen thek Jena): 44 Stimmen • Daniela Töllner: 130 Stimmen • Petra Kunze (Thüringer Uni- • Alexandra Frisch: 271 Stimmen versitäts- und Landesbiblio- • Elisabeth Graf: 260 Stimmen Die konstituierende Sitzung war am 27. thek Jena): 43 Stimmen • Heike Heinisch: 264 Stimmen Juni 2016. • Kathleen Paetznick (JenaKultur • Birgit König: 264 Stimmen Petra Mende, / Ernst-Abbe-Bücherei Jena): • Armi Roth-Bernstein-Wiesner: Vorsitzende des Wahlausschusses 46 Stimmen 245 Stimmen Alle Gewählten haben die Annahme der Wahl verbindlich erklärt. Somit ist der Alle Kandidatinnen haben die Wahl neue Vorstand gewählt. Die konstitu- angenommen. Bildungsurlaub ierende Vorstandssitzung fand am 14. Die konstituierende Sitzung fand, Für den Bibliothekartag Juli 2016 statt. Neue Vorsitzende ist Pe- am 16. Juli 2016 in Stuttgart statt. Die kann jetzt auch in Thüringen tra Kunze, Jena. neue Vorsitzende ist Birgit König. Bildungsurlaub beantragt werden Heike Stietz, Isabell Leibing, Anke Rautenberg, Vorsitzende des Wahlausschusses Edgar Fixl; Der 105. Bibliothekartag / 6. Bi- Wahlausschuss Baden-Württemberg bliothekskongress, »Bibliotheks- räume – real und digital«, in Leip- zig 2016 wird jetzt auch nach dem Thüringer Bildungsfreistellungsge- setz als Bildungsveranstaltung auf dem Gebiet der gesellschaftspo-

Foto: Artenauta / Fotolia litischen Bildung anerkannt: Nä- here Informationen dazu finden Sie unter: www.bib-info.de/aus-fortbil dung/fortbildung/bibliothekar tage/2016/bildungsurlaub.html

532 AUS DEM BERUFSVERBAND VORGEMERKT

VorgeMERKT Sommerlesevergnügen

Kids haben es in den Sommerferien Krim verbringen und dort Sekt schlür- Geräusch- und klangempfindliche richtig gut. Sommerleseclubs gibt es fen und tonnenweise Kaviar in sich rein- Menschen sollten besser Wacken mei- wie Sand am Meer. Und wer lieber selbst schaufeln. Vielleicht sollte ich aber schon den und sich nicht bei mehr als 80 Dezi- kreativ wird, für den gibt es Kurse für an den Winterurlaub in Sankt Moritz bel atemlos voll die Dröhnung geben oder Kreatives Schreiben: Märchen, Feen- denken und mir eine Suite reservieren. in einem Survivaltraining beim Schlamm- geschichten, Abenteuer, Gruselstories Mit Dora Heldt könnte ich Urlaub mit catchen ihre Grenzen austesten. Dann und Bibliothekskrimis. Die Ergebnisse Papa machen oder mit Tante Inge auf Fa- doch lieber eine Meditationsreise in sein sind phänomenal. Ansonsten kämpfen milienurlaub an die Nordsee gehen. Und Inneres in einem sauerländischen Klos- die Ferienprogramme der Kommunen in oder an der Sansibar Cocktails schlür- ter. Aber Achtung – aufgepasst, dass man gegen mögliche Langeweile an und fen. Dass solche Inseln nicht komplett frei nicht mit einer wandernden Kegelgruppe vermeiden, dass in den Ferien gepaukt von bösen Menschen sind davon zeugt kollidiert und im Sauerlandstern landet. werden muss. das neueste literarische Heldt-Produkt. Und Vorsicht vor marodierenden Wisen- Eine Wanderung auf dem Rhein- ten oder gar etwa umherstreunenden Wie aber trotze ich bloß dem diesjähri- steig über den teilweise rutschigen und Wölfen, die vor den Mediengesetzen der gen Regen? Auf Handtuchwerfen an der scharfkantigen Untergrund wäre doch nationalkonservativen Regierung in Po- Adria habe ich keine Lust. Auch nicht auf auch eine willkommene Alternative. So len auf der Flucht sind. Sonderkurse in Bibliotheksethik oder gar könnte ich in Rüdesheim den Weg zum Eine echte bibliothekarische Alterna- dem exotischem Rechtsgebiet der Men- Niederwalddenkmal erklimmen und tive für Informationsspezialisten, die auch schenrechte. Da verfasse ich doch lie- den dabei immer weiterschweifenden in der Jahresmitte nicht genug von ihrem ber Gedichte unter sachkundiger Anlei- Ausblick ins Nahetal genießen. Von dort Fach bekommen, das wäre dann wohl der tung von den Herren Böhmermann und aus zum Kräuterkurs im Kloster der Hil- BIB-Sommerkurs. Dieses Jahr im schönen Hallervorden. Ach, wie werde ich die degard von Bingen und einen Schoppen Odenwald. Ich bin so ein Freak und für von der Mittelmeersonne stark geröteten erfrischenden Wein im renommierten mich persönlich stellt dieses Event auch Engländer vermissen, die sich nach der Schloss Vollrads probieren. Im Kloster etwas Besonderes dar, weil ich gleich am EM-Blamage und dem Brexit nicht mehr Eberbach einem DSDS-Event beiwohnen zweiten Tag Geburtstag habe und diesen von ihrer Insel trauen und ihre Splendid oder ein Konzert des Rheingau-Festivals immer schon mal nur mit Berufskollegen Isolation voll ausleben. Aber auch die Tel- besuchen. Oder einfach mal wieder »Der verbringen wollte. 2016 ist dies möglich. lerschlachten und das Essenstapeln mit Name der Rose« lesen und eine Gedenk- meinen russischen Freunden, die statt in minute für den im Februar verstorbenen Frank Merken, Ägypten jetzt ihren Urlaub wieder auf der Umberto Eco einlegen. Stadtbücherei Wipperfürth

Impressum Frankfurter Buchmesse: »Aus dem Berufsverband« 30 Prozent günstiger! Herausgeber: BIB – Berufsver- band Information Bibliothek e. V., Postfach 13 24, 72703 Reutlingen Als BIB-Mitglied haben Sie die Möglich- Nach Zahlungseingang (bis spätestens www.bib-info.de keit, einen Preisnachlass von 30 Prozent 10. Oktober) erhalten Sie einen digita- beim Kauf einer Tages- oder Dauerkarte len Gutscheincode, den Sie vor Ihrem Redaktion: für die Frankfurter Buchmesse zu erhal- Messebesuch in eine Eintrittskarte um- Katrin Lück, Europa-Institut / Bib- ten. Und so einfach geht’s: Senden Sie tauschen: entweder bequem am Compu- liothek Universität des Saarlandes, eine E-Mail an [email protected] mit Ih- ter zu Hause oder am Terminal auf dem Postfach 151150, 66041 Saarbrücken ren Kontaktdaten. Messegelände. Telefon: 0681 / 302-2543 Sie erhalten vom BIB eine Rech- Die Karten beinhalten kein RMV-Ti- E-Mail: [email protected] nung über 25,90 Euro für eine Fach- cket. Es ergibt sich dabei für Sie keine besucher-Tageskarte (regulär 37,00 Restforderung. Wir freuen uns auf Ihren Redaktionsschluss für Verbandsmitteilungen Euro) oder 51,80 Euro für eine Fachbe- Besuch – auch beim BIB in Halle 4.2, BuB Heft 11/2016: 23. September sucher-Dauerkarte (statt 74,00 Euro). Stand N 75 (ILC).

BuB 68 08-09/2016 533 SUMMARY Summary

BuB App Now Available / Multi-medial, Ac- Post-Functionalism / New Avenues of Library No Entry for Adults / Biblo Tøyen - Oslo‘s Li- cessible Anywhere, Free for Association Planning and Design (Olaf Eigenbrodt) brary for 10 to 15 Year-Olds (Beate Detlefs) Members (pp. 466 – 471) (pp. 484 – 489)

The professional journal BuB provides up- It is not difficult to recognize that the Func- »Biblo Tøyen« is the latest addition to the to-date, in-depth, and opinion-shaping news tionalism that dominated the 1960s to 1980s Deichmanske Libraries, the public library from the library world. Now it also is available lead to an impasse in the area of library buil- network of Oslo, Norway. This children‘s through an app for smart phones and tablet dings. By the 1980s we experienced a turning and youth library is the first one in Norway devices. Developed by Pressmatrix, the app point, at first in the sector of public libra- to be specially created for the 10-15 ye- went online in July and has received many ries – which became inspired by Scandina- ars age group. Located in a former store positive user reviews. Members of the BIB vian models – and later also in academic li- with about 600 square meters (6450 square library association pay nothing, while other braries -- such as in the Lower Saxony State feet), the carpet in the entrance warns visi- subscribers will need to pay only for a 15€/ and University Library of Göttingen. It‘s de- tors that »adults and shoes must stay out- year upgrade. The print edition of the journal sign by Eckhart Gerber represented an im- side«. Since its opening at the end of March, will continue to be published, unchanged, ten portant and sustainable milestone. Various 300 to 400 children and adolescents have vi- times a year. writers have noted a shift in focus toward the sited the library every day. Mornings are re- Whether in print or in the app version, library user, particularly in terms of open sta- served for school classes. While their tea- BuB readers will always have the latest edi- cks and more workspaces. Nonetheless, cri- chers wait in the café across the way, stu- tion, since the app version does not differ tics have complained about the rigid modual dents work on their projects in the library or from the print version. Additionally, past is- gridding that resulted from the functionalist get lost in their books. After 2 p.m. the library sues can be downloaded to the app‘s digital limitations placed on the planning and cons- becomes a so-called „third home“ for a tar- archive. Along with texts and photos, the app truction of academic libraries. get group which libraries had long neglected also offers direct links to videos on various However, in the past two decades there – those who can‘t go to after-school day cen- topics, to maps showing the libraries being has been a paradigmatic change in the field ters, which are only available through the 4th discussed, to additional photographs, to the of library construction. Both public and aca- grade. email contact data of an article‘s authors, as demic libraries have begun to make funda- The first library for middle-school aged well as to numerous other links for further in- mental changes in their use of space, tech- children was designed with their input and formation. nology, and services. This has had a decisive according to their wishes. Workshops were The BuB app is more than a print journal impact on the way libraries are designed. In conducted in order to determine what their in digital format. For example, the bookmark this article Olaf Eigenbrodt explores whether ideal library looked like and what they had function enables faster access to favorite ar- the new type of library that is emerging can been missing in a library. Many described ticles. Interesting items can also be forwar- even be conceptualized with the old methods their dream library as a place to go and relax, ded directly to social media accounts. Using and processes of needs analysis and plan- hang out, and get away from siblings and pa- the text mode, it is possible to work with the ning; or whether librarians might better work rents. And it needed books, media, and com- text more easily without photos, illustrations, together with architects, governing agencies, puters. They wanted a place to get together and formatted text. The easy-to-use full-text and local organizations and institutions to and opportunities to be creative. It should search function helps find desired informa- find new and more successful solutions. have a cozy atmosphere, caring, and com- tion quickly. Whether for an iPhone or an And- fortable. The library administration has been roid device, the BuB app can be used on all able to fulfill these wishes with a cool and ho- standard devices and is available in the Ap- mey place, somewhere between school and ple App Store, Google Play Store, and Amazon home, where 10-15 year olds can study, ex- Store at no charge. plore, and just be themselves.

Translated by Martha Baker

534 RÉSUMÉ Résumé

Le journal BuB désormais disponible en ap- Le fonctionnalisme, et après? Nouvelles per- Accès interdit aux adultes / Biblo Tøyen, la bi- plication / Pour avoir BuB toujours avec soi et spectives de la planification et l’organisation bliothèques pour les 10-15ans à Oslo (Beate en accès libre pour les adhérents de bibliothèques (Olaf Eigenbrodt) Detlefs) (pp. 466 – 471) (pp. 484 – 489)

BuB, périodique spécialisé, œuvre à la publi- Que le fonctionnalisme selon l’approche im- »Biblo Tøyen« est la dernière nouvelle cation d’une information d’opinion, factuelle, parfaite des années 1960 à 1980 ait conduit venue des Bibliothèques dites »Deichm- documentée et contemporaine sur l’univers la construction de bibliothèques dans une anske« c‘est-à-dire du réseau de lecture des bibliothèques. Désormais, il existe éga- impasse, cela est aujourd’hui peu douteux. Et publique d‘Oslo. La bibliothèque pour en- lement un accès mobile sous forme d’appli- ce n’est que depuis les années 1980 au plus fants et adolescents est la première biblio- cation pour smartphones et tablettes. Dé- tard que nous connaissons un véritable tour- thèque de Norvège qui a été spécifiquement veloppée par l’entreprise Pressmatrix, l’ap- nant tout particulièrement dans le domaine créée pour le public-cible des 10-15 ans. plication est disponible en ligne depuis juil- des bibliothèques publiques avec des équi- Dans cet espace de 600 m² qui était aupara- let et a d’ores et déjà obtenu de nombreuses pements essentiellement inspirés par les vant un local commercial, le visiteur est reçu évaluations positives. Les membres de BuB modèles scandinaves et ensuite également par un tapis précisant que »les adultes et les bénéficient d’un accès gratuit à l’applica- dans le domaine des bibliothèques univer- chaussures doivent rester à l‘extérieur«. De- tion, les abonnés quant à eux s’acquittent sitaires comme la Bibliothèque d’État et du puis l‘ouverture qui a eu lieu en mars dernier, d’un surcoût de 15 € par an pour cette offre Land de Basse-Saxe à Göttingen réalisée par ce ne sont pas moins de 300 à 400 enfants complémentaire de l’application. La forme Eckhard Gerber, équipements qui constituent et adolescents qui se rendent quotidienne- imprimée du journal continue à paraître au de véritables jalons ayant eu un durable re- ment à la bibliothèque. Les matinées sont rythme de dix numéros par an, sur ce front tentissement. Certains auteurs insistent sur réservées exclusivement aux classes. Tandis rien de changé par conséquent. le changement de posture à l‘égard de l’usa- que les enseignants de ces classes attendent Format papier ou format numérique, les ger prenant notamment la forme au sein des dans un café juste en face de la bibliothèque, lecteurs de BuB peuvent à présent avoir tout bibliothèques de collections en accès libre les élèves travaillent à un projet ou s‘asbsor- le temps avec eux le dernier numéro paru. La et de places assises en plus grand nombre. bent dans leur lecture. A partir de 14 heures, version en application ne se distingue en rien Ils déplorent cependant aussi les hauteurs la bibliothèque propose de devenir un „troi- de l’exemplaire imprimé. Tous les numéros sous plafond trop faibles qui sont une res- sième lieu“ pour les autres groupes compris numérisés et téléchargés à ce jour sont con- triction fonctionnaliste imposée à la plani- dans cette tranche d‘âge des 10-15 ans qui servés en tant qu’archives numériques. Grâce fication et la construction de bibliothèques n‘ont pas pu bénéficier de l‘équipement et à des liens directs, les lecteurs peuvent ac- universitaires. qui, plus tard, après l‘école, ne pourront plus céder à des vidéos pour chacun des thèmes, Au cours des deux dernières décennies, être accueilli ici car ne sont reçus les élèves s’informer sur la situation des bibliothèques un changement de paradigme a eu lieu pour que jusqu‘en classe de 3e. par le biais de cartes, visualiser des galeries ce qui concerne la construction de biblio- Cette première bibliothèque exclu- iconographiques complémentaires ou bien thèques. Les bibliothèques tant publiques sivement réservée aux adolescents a été prendre librement contact avec l’auteur d’un qu’universitaires se métamorphosent fon- conçue d‘après la volonté et les préconisa- article. Bien d’autres liens sont également damentalement sous l’angle de l’espace, de tions des agents eux-mêmes. Des ateliers accessibles en un seul clic. la technique et des fonctions. Cela a un im- ont été organisés afin de déterminer com- L’application de BuB est bien davantage pact visible et déterminant sur la manière ment la bibliothèque se présentera et ce qui que la reproduction du magazine papier en d’appréhender la construction de bibliothè- jusqu‘alors manquait dans le réseau des bi- accès numérique. La fonction »signets« par ques. Dans la contribution dont il est l’au- biothèques. La question posée était : »à quoi exemple permet une recherche rapide parmi teur, Olaf Eigenbrodt s’interroge sur la capa- ressemblerait la bibliothèque de vos rêves ?« les articles préférés. Les contenus jugés les cité des nouveaux types de bibliothèques à Les vœux tels qu‘ils ont été exprimés peignai- plus intéressants par le lecteur peuvent être être représentable selon les anciens métho- ent un lieu où l‘on peut »se la couler douce«, immédiatement partagés sur les réseaux so- des et processus de définition des besoins où l‘on peut »décrocher« et être au calme loin ciaux. Et grâce au mode texte, il est possible et de planification et s’il ne serait pas désor- des parents et des frères et sœurs. Ont éga- d’exploiter uniquement le contenu textuel mais nécessaire que les bibliothécaires em- lement été mentionnés les livres, les docu- c’est-à-dire en excluant les photographies, pruntent de nouveaux chemins, main dans la ments de tous types et les ordinateurs. Par les images et la mise-en-page. En outre, tous main avec les agences d’architectes, les ser- ailleurs, il était fait état d‘un endroit où se re- les thèmes sont faciles à trouver par le biais vices en charge de la maintenance du bâti- trouver entre amis, de même que d‘y trouver de la recherche en plein texte. Qu’on utilise ment, les collectivités locales que sont les les moyens d‘exprimer sa créativité. Le con- un iPhone ou un Androïd ne fait pas de dif- communes, enfin les universités pour parve- fort, bien sûr, était souhaité mais aussi un férence : l’application est compatible avec nir à une planification durable et efficace des sentiment de sécurité. C‘est ainsi que la bi- tous les systèmes d’exploitation pour smart- bibliothèques. bliothèque est née selon les principes d‘un phones. Elle est téléchargeable gratuitement »troisième lieu«. tant par l’Apple store, que par Google Play ou Amazon. Traduit par David-Georges Picard

BuB 68 08-09/2016 535 KONTAKT / INSERENTENVERZEICHNIS

Forum Bibliothek Die BIB-Geschäftsstelle BuB und Information

Ihre Ansprechpartner in der Redaktion: Ihre Ansprechpartnerinnen in der Geschäftsstelle:

Bernd Schleh, Katharina Schuster Leitender Redakteur / Buchhaltung / kom. BIB-Geschäftsführer Mitgliederverwaltung Telefon: 07121 / 3491-14 Telefon: 07121 / 3491-17 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]

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