Joseph Maria Olbrichs Nie Gebaute Künstlerkolonie in Wien Und Josef
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Joseph Maria Olbrichs nie gebaute Künstlerkolonie in Wien und Josef Hoffmanns Künstlerkolonie auf der Hohen Warte Gerd Pichler Olbrichs geplante Künstlerkolonien in Wien Zimmer, das mit dem Hause nicht stimmt; kein Haus, das dann in der Strasse befremdet! Nein, wir wollen von Joseph Maria Olbrichs architektonische Vision, eine der Regierung in Hietzing oder auf der Hohen Warte Stadt im neuen Stil zu schaffen, in der alle Bauten seine ein Feld verlangen, ein weites und leeres und freies Feld, persönliche Handschrift tragen, sollte sich erst beim um hier unsere Welt zu schaffen, mit einem Tempel Bau der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in der Arbeit in einem Haine, für Kunst und Handwerk, Darmstadt erfüllen. Die Idee, eine „Villenstadt“ zu er- und rings den Hütten für unser Leben, in welchen dann bauen, reichte bei Olbrich jedoch bereits in seine Wie- unser Geist die ganze Anlage wie jeden Stuhl und Topf ner Zeit zurück. Erste spezifische Planungen legte er beherrsche!“2 All diese Vorstellungen sah Hermann 1896 für eine Villenkolonie am Cobenzl-Krapfenwaldl Bahr nun auf der Mathildenhöhe verwirklicht und riet am westlichen Stadtrand Wiens unweit des Kahlenber- seinen Wiener Künstlerfreunden, nach Darmstadt zu ges vor. Hier wollte er auf 638 Bauparzellen „typische fahren und sich selbst davon zu überzeugen, dass die Häuser für Gewerbetreibende“ um das bereits beste- 1898 artikulierte Utopie wahr geworden ist.3 Zwar nicht hende Schlosscasino herum errichten. Dieses Projekt in Wien, sondern in Darmstadt. sollte allerdings über eine Publikation der Ideen nicht Wäre Joseph Maria Olbrich nicht nach Darm- hinauskommen.1 stadt berufen worden, so hätte er mit hoher Wahr- Der Gedanke einer Künstlersiedlung keimte in scheinlichkeit in Wien eine Künstlerkolonie realisieren Olbrich weiter und wurde bei einem besonderen Anlass können, nämlich auf der Hohen Warte, einer belieb- neuerlich artikuliert. Der Schriftsteller Hermann Bahr, ten Ausflugsgegend im Nordwesten Wiens – freilich der selbst in einem von Olbrich erbauten Haus wohnte, mit einem anderen Zuschnitt. Treibende Kraft für die erinnert sich in einem Brief, den er von Darmstadt aus Umsetzung dieser Idee dürfte der Maler und Mitbe- im Mai 1901 an die Mitglieder der Wiener Secession gründer der Wiener Secession Carl Moll (1861 – 1945) schrieb, an jene Begebenheit im März 1898. Damals fei- gewesen sein. Ihm übermittelte Olbrich im Mai 1900 erten die Secessionisten die Eröffnung ihrer Gründungs- eine Mappe mit Skizzen zu einer Künstlerkolonie auf ausstellung in Wien. Die junge Künstlervereinigung der Hohen Warte in Wien, die Olbrich „Freundort“ be- hatte ein erstes großes Ziel erreicht und war mit einer titelte. Für Olbrich war dies der Schlusspunkt zu einem fulminanten Ausstellung erstmals an die Öffentlichkeit Projekt, das er ambitioniert verfolgt hatte und dessen getreten. Nach der Eröffnung kamen sie in ihrem bevor- Entwurf und Realisierung nun aufgrund seines Weg- zugten Lokal, dem Hotel Victoria, zusammen und feier- ganges in die Hände von Josef Hoffmann (1870 – 1956) ten das große Ereignis. Bahr erinnert in seinem Schrei- gelegt wurde. Olbrichs Brief an Carl Moll ist sehr auf- ben daran, wie Olbrich an diesem denkwürdigen Abend schlussreich, sowohl für das Wiener Projekt und dessen in der gedrängten Runde aufstand und mit der „schar- Rahmenbedingungen als auch noch mehr für Olbrichs fen Stimme eines Commandanten hell ins Geschwirre damalige Situation in Darmstadt. rief: ‚Nein, das ist es alles nicht, alles ist noch gar nichts, bis wir uns nicht eine Stadt erbauen, eine ganze Stadt!‘ „Mein lieber Moll! Wir sahen auf, es wurde still; jeder fühlte, dies war es, Na, das muss dir der neidigste Neider lassen! Grob was lange in uns gelegen hatte, nun war es ausgespro- kannst du sein, dass es eine Freude ist. Aber man muss chen. Er aber fuhr fort, und unsere Seelen sprachen mit: doch dabei lachen. Wenn ich dir den Pack Studien Kein Bild mehr, das dann an die Wand nicht passt; kein noch nicht geschickt habe, so hat das mit verrathener „Eine Stadt müssen wir erbauen, eine ganze Stadt!“ 83 Gerd Pichler 1 Josef Hoffmann, Doppelhaus Moser-Moll, von der Gartenseite, Wien, 1903 Freundschaft noch gebrochener Treue etwas zu thun. Und dann ist es auf der Hohen Warte nicht so schön wie Und wenn zu deiner Flucherei noch der Hermann Bahr hier. Und dann willst du ja Zimmer, wie sie dir passen; kommt – O ego miserium – habe ich einmal ,o ich un- und da jagst du mich gleich hinaus, wenn ich dir sage, glücklicher‘ übersetzt und bin dann geradeso aus dem so wohne ein Mensch nicht. Alle Achtung vor der Pra- Gymnasium geworfen worden, wie ich jetzt aus der xis, aber die Seele holt dabei der Teufel. Hohen Warte. […] Bei mir ist das was anderes. Hier bauen alle so, wie ich Nun ich nehme gerne von dem Inhalt Kenntnis[,] will. Nur das ist noch zu ertragen, das wollte ich dir weiß ich ja, daß Euch Hoffmann famose Häuser bauen immer schreiben! Denk’ dir das Leben von schöns- wird. Meine Studien über die Verwertung des Grund- ter Seite, und darauf mach’ deine Cubikmeter Raum. stückes und die Eintheilung gebe ich dir gerne, ja ich Mache Wände aus klingenden Saiten – wage sogar, mit dir in 6 Tagen (das ist also am 31. Mai) Na ich höre auf! Am 30. od. 31. komme ich mit Pro- mündlich darüber zu sprechen, und kannst du dann fessor Behrens nach Wien, um Bahr wegen unserem vielleicht ein paar helle Blicke daraus verwerthen. Du Theater zu sprechen. Ich werde mir erlauben, dir diesen wirst dabei recht ruhig werden, und nicht mehr so grob Prachtmenschen vorzustellen. Und nun sei wieder gut, sein, weil du vielleicht doch Freude über meine Blöd- und lasse das Bössein! heiten haben wirst. Aber bau’n will ich nicht mehr! Viele herzliche Grüße an alle Theilnehmer zur Erbau- Manchmal hab’ ich eine verrückte Freude daran, dann ung des ‚Freundort‘ wie ich das Ding da auf der Hohen wieder vor der ganzen Kunst einen Eckel [!]. Ich mache Warte auf meine Mappe getauft habe. jetzt am liebsten in Musik. Wenn du mir was musika- Glück auf zum Ort der Freundschaft. lisches bestellst z. B. ,der liebe Ehrbach im Schnee‘ oder Es grüßt dich von Herzen Dein Olbrich“4 die Säule mit dem Spruch ,soll’s tragen! will’s wagen‘, das kann ich Dir machen. Und gerade jetzt, wo ich so Die angesprochene Mappe mit Entwürfen ist groß und frei denken kann. Nach der Musik kommt heute verschollen, sodass keinerlei Auskunft zur künst- dann die Bienenzucht und Blumenerziehung. Goldene lerischen Gestaltung Olbrichs für die Bauten auf der Bienenkörbe hab ich mir schon für mein Häuserl be- Hohen Warte gegeben werden kann. Es stehen lediglich stellt. Jeder Bienenkorb ist ein Staat, ich habe mir 7 Kö- die Parzellenaufteilung der Baugründe fest, die später niginnen bereits gekauft. Das nächste Jahr will ich sie Josef Hoffmann übernommen hatte, und die Personen, dir vorstellen. Aber bau’n! – Mein lieber Moll! – Ideen die als Bauherren Baugründe erworben hatten. Wer war so viel du willst, aber diesen dummen Leuten Formen der Kreis der Personen, die in einer Künstlerkolonie im predigen, – nein – Geist der Wiener Secession zusammenleben wollten? 84 ICOMOS · Hefte des Deutschen Nationalkomitees LXIV Joseph Maria Olbrichs nie gebaute Künstlerkolonie in Wien und Josef Hoffmanns Künstlerkolonie auf der Hohen Warte 2 Friedrich Viktor Spitzer, Kolo- man Moser mit Hut, 1904 3 Madame d’Ora, Carl Moll in Jackett, um 1910 Die Bauherren der Künstlerkolonie in Wien und war danach über zehn Jahre Privatschüler auf der Hohen Warte und Assistent des Malers Emil Jakob Schindler. Nach Schindlers Tod 1892 heiratete Moll dessen Witwe und Es war die kleine Zahl von fünf Personen, nämlich Hugo wurde so zum Stiefvater der später berühmt geworde- Henneberg, Carl Moll, Koloman Moser, Carl von Rei- nen Alma Mahler-Werfel. Als Gründungsmitglied der ninghaus und Friedrich Victor Spitzer, die entweder Wiener Secession war er vor allem durch sein organi- ihren Lebensunterhalt als bildende Künstler verdienten satorisches Talent wesentlicher Mitstreiter bei der Um- oder als Industrielle eine vielfältige Rolle in der Wiener setzung kunstpolitischer Ziele, wie der Errichtung einer Kunstszene einnahmen. Letztere wirkten als Sammler modernen Galerie in Wien. Neben seiner Qualität als und Mäzene fördernd für die moderne Kunstbewegung Maler war Moll durch seine kuratorische Tätigkeit in der in Wien und waren teilweise aber auch selbst kunst- Secession und in der Galerie Miethke ein wesentlicher schaffend tätig, insbesondere im Medium der Fotografie, Faktor in der Vernetzung der jungen Wiener Moderne ohne jedoch davon leben zu müssen. mit den gleichzeitigen europäischen Strömungen.7 Die beiden beteiligten Maler, Koloman Moser Dem Haus Moser-Moll benachbart, errichtete und Carl Moll, waren Gründungsmitglieder der Wiener Josef Hoffmann die Villa Spitzer, die im Mai 1902 fer- Secession. Sie teilten sich ein Doppelhaus, das als erstes tig gestellt war.8 (Abb. 4) Friedrich Victor Spitzer wurde Gebäude der Künstlerkolonie nach Baubeginn im Herbst 1854 in Butschowitz (Mähren) geboren, wuchs in Zü- 1900 im Sommer 1901 fertig gestellt war.5 (Abb. 1) Kolo- rich auf und arbeitete als Chemiker an mehreren Labo- man Moser, 1868 in Wien geboren, stammte aus ein- ratorien in der Schweiz, Deutschland und Österreich.9 fachen Verhältnissen. (Abb. 2) Nach dem Studium der (Abb. 5) Nach dem Besuch der Graphischen Lehr- und Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien Versuchsanstalt in Wien, der ersten Schule in Europa, an verschaffte er sich bald einen Namen als Grafiker. Als der auch Fotografie gelehrt wurde, widmete sich Spitzer Gründungsmitglied der Wiener Secession und als Mit- ab 1895 intensiv der Fotografie in experimentellen Tech- begründer der Wiener Werkstätte wurde er richtungs- niken, vorwiegend dem Gummidruck. Seine finanzielle weisend für das moderne Wiener Kunstgewerbe. Von Unabhängigkeit als Großgrundbesitzer und Zuckerin- 1900 bis zu seinem frühen Tod 1918 wirkte er überdies dustrieller ermöglichte ihm eine intensive Beschäftigung als Professor an der Wiener Kunstgewerbeschule.6 Carl mit seinem Hobby.