Dem Andenken an † Prof. Hans Walther gewidmet Slawische Namen im Erzgebirge mit besonderer Berücksichtigung des Raumes um Limbach-Oberfrohna Walter Wenzel

Böden nach Bodenwerten Das Vorkommen slawischer Ortsnamen auf ei- waren für das oben abgesteckte Gebiet, aus dem © Andreas Häffner unter nem bestimmten Territorium, im gegebenen nur ein kleiner Ausschnitt hier genauer zu un- Benutzung der Karten aus Falle in den Grenzen des späteren Freistaates tersuchen ist, recht unterschiedlich. Sie betru- dem Atlas zur Geschichte und Sachsen und hier konkret im Raum um Lim- gen für Dresden 112 Meter, 661 Millimeter, Landeskunde von Sachsen, bach-Oberfrohna, hängt in entscheidendem 9,3 °C; für Leipzig 130 Meter, 545 Millimeter, Genehmigung erteilt vom Staatsbetrieb Geobasisinformati- Maße von den geographischen und naturräum- 9,2 °C; für Bautzen 205 Meter, 659 Millimeter, onen und Vermessung Sachsen mit lichen Gegebenheiten ab, also von der Höhenla- 8,4 °C; für Annaberg im Erzgebirge 621 Meter, Schreiben vom 30. April 2016 ge über N. N., der Jahresniederschlagsmenge, 982 Millimeter, 6,2 °C; für Oberwiesenthal der Jahresdurchschnittstemperatur und nicht 922 Meter, 1.073 Millimeter, 4,7 °C.1 1 Atlas zur Geschichte und zuletzt von den Bodenarten sowie der Boden- Die die Besiedlungsabläufe im frühen Mittelal- Landeskunde von Sachsen, qualität. Hinzu kommt das Vorhandensein oder ter steuernden geographischen Faktoren lassen Beiheft zur Karte F IV 1, Böden nach Bodenwerten, Fehlen fließender sowie stehender Gewässer. sich, grob verallgemeinert, durch zwei Zahlen von Werner Stams, Leipzig/ Diese für die Existenz einer spätgentil-frühfeu- bestimmen: 300 und 50. Die Slawen siedelten in Dresden 1998, S. 11. dalen Agrargesellschaft relevanten Parameter der Regel nicht in Höhenlagen über 300 Meter

Sächsische Heimatblätter · 3 | 2016 214 Slawische Namen im Erzgebirge mit besonderer Berücksichtigung des Raumes um Limbach-Oberfrohna

und nicht auf Böden mit einem Wert unter 50 Gang der Darstellung folgend seien zuerst die Punkten. Das bewiesen zuletzt ein weiteres Mal Gewässernamen genannt, wobei auch die zeit- zwei mehrfarbige Karten mit eingezeichneten lich den slawischen vorangehenden alteuropäi- Höhenschichten, die die slawische Besiedlung schen und germanischen Namen kurz zu er- des Elbtales um Dresden, den Gau Nisane, dar- wähnen sind, entspringen doch fast alle diese stellten. Von den nach Typen geordneten slawi- Flüsse im Erzgebirge. Auf die meist schon sehr schen Ortsnamen konzentrierten sich die älte- früh einsetzende Überlieferung sowie die Ety- ren in einer Höhenlage zwischen 100 und 200 mologie der ältesten Namenschicht kann hier Meter, einige wenige überschritten die 200-Me- nicht eingegangen werden, es genüge ein Hin- ter-Grenze, die jüngeren Typen traten verstärkt weis auf die wichtigste Literatur.5 Auf dem Aus- zwischen 200 und 300 Meter auf, nur ganz ver- schnitt aus der Gewässernamenkarte von Hans einzelt lag eines dieser Dörfer höher. Die Boden- Walther, wiedergegeben hier als Karte 2, sind werte im Tal erzielten durchschnittlich 60 Punk- die alteuropäischen Namen braun, die germani- te und fielen mit zunehmender Höhenlage gegen schen blau gekennzeichnet. Ganz im Nordosten die Ränder hin bis auf 31 Punkte ab (Karte 1).2 ist ein kurzer Abschnitt der zu erkennen, Aus diesen und weiteren Beobachtungen bei nach Westen hin folgen die Freiberger , ähnlichen Untersuchungen sächsischer Namen- die Zschopau mit der ihr zuströmenden Flöha, landschaften unter siedlungsgeschichtlichem die Zwickauer Mulde, die Pleiße, und ganz am Aspekt geht hervor, dass in den unteren und Rande wird ein Stück der Weißen Elster sicht- mittleren Lagen des Erzgebirges, von den oberen bar. Alle diese Namen zeugen davon, dass vor Lagen und dem Kamm des Gebirges ganz zu der Ankunft der Slawen in der ersten Hälfte des schweigen, nicht mit slawischer Besiedlung zu 7. Jahrhunderts zwischen Elbe und Saale noch rechnen ist. Das ändert sich nach Norden hin im Gruppen von Germanen saßen. Die Einwande- vorerzgebirgischen Becken um und rer ließen sich nicht nur an den großen Flüssen , darunter in unserem Untersuchungs- nieder, sondern vor allem auch an kleineren gebiet, wobei sich die Siedlungsbedingungen im fließenden oder stehenden Gewässern, die man Muldelößhügelland an der unteren Zwickauer sogleich nach den aus der alten Heimat in Böh- und mit abnehmender Höhen- men und Mähren bekannten Namenmustern lage und zunehmender Jahresdurchschnittstem- benannte. Zur Verwendung kamen dabei meist peratur weiter verbessern.3 Die Bodenwerte fal- die urslawischen Suffixe *-ica und *-ьnica. Oft len in manchen Regionen des Erzgebirges bis auf diente der Name des Baches zur Kennzeich- 10 Punkte ab und erreichen großflächig nur ei- nung der an ihm angelegten Siedlung. nen Durchschnittswert von ca. 30 Punkten. Hin- Aus dem Umkreis von Limbach-Oberfrohna sind zu kommen im Süden weite, noch heute mit es folgende slawische Gewässernamen und davon Wald bedeckte Gebiete. Gegen Norden hin stei- abgeleitete Ortsnamen, die hier, alphabetisch ge- gen die Bodenwerte merklich an und bringen es ordnet, nach Anführen der frühesten Belege kurz in einer Übergangszone in den Gegenden um erklärt werden. Die historische Dokumentation Zwickau, Chemnitz, Flöha und Freiberg sowie und die Deutungen entstammen dem „Histori- nördlich von Dippoldiswalde auf 41 bis 50 Punk- schen Ortsnamenbuch von Sachsen“, dem Kom- te, um dann im Rochlitzer Land stellenweise bis pendium von Ernst Eichler „Slawische Ortsna- zu 70 Punkten zu erzielen. Im Nordosten, um men zwischen Saale und Neiße“ sowie der Döbeln, also im dicht besiedelten Slawengau Da- Monographie von Karlheinz Hengst „Ortsnamen leminze, wurden in manchen Landstrichen bis Westsachsens“.6 Aus Platzgründen unterbleiben zu 90 Punkte ermittelt. diesbezügliche Quellen- und Literaturangaben in Nach dieser kurzen Darstellung der für die Be- den einzelnen Namenartikeln. Abweichende Er- 2 Walter Wenzel, Slawen in siedlung relevanten geographischen und natur- klärungen werden entsprechend vermerkt. Deutschland, Ihre Namen als Zeugen der Geschichte, hrsg. räumlichen Gegebenheiten sollen nun die im Erz- von Andrea Brendler und gebirge und seinem nördlichen Vorland historisch Chemnitz, n. und s. der gleichnamigen Stadt, r. zur Silvio Brendler, Hamburg bezeugten slawischen Namen näher betrachtet Zwickauer Mulde, als GewN 1012/18 usque in Caminizi 2015, S. 242-248. werden, wobei wir uns entsprechend dem vorge- fluviuum, 1174 usque in Kamenizam fluvium, als OrtsN 3 Atlas zur Geschichte und sehenen Thema auf den Raum um Limbach-Ober- 1143 locus Kameniz, 1218 Conventui Camnizensi, 1254 Landeskunde von Sachsen, in Kemeniz, 1264 in civitate Kemniz, altsorb. *Kamenica Beiheft zur Karte A 4, Die frohna beschränken. Das mit einem Dreieck ver- ʻSteinbachʼ, aus urslaw. *kamy, Gen. *kamene ʻSteinʼ. Böden im Freistaat Sachsen, gleichbare Areal begrenzen im Osten die Fluß- Claußnitz, r. zur Chemnitz, am gleichlautenden Ort von Walter Hunger, Andre- läufe der Chemnitz und Zwönitz, im Westen die vorbeifließend, als GewN 1174 Cluseniz (rivulus), als as Weise und Manfred Wün- Zwickauer Mulde. Die Südgrenze bildet eine ge- OrtsN 1277 Klusnicz, altsorb. *Kľuśnica ʻplätschernder sche, Leipzig/Dresden 2000, S. 42, Abb. 6. dachte Linie zwischen den Orten Zwönitz und Bachʼ. Das zu Grunde liegende *kľus ist u. a. in ober- 4 Hans Walther, Zur Namen- Lößnitz, also weitgehend der Lößnitzbach. sorb. kluskota plätschern enthalten. ć ʻ ʼ kunde und Siedlungsge- Als Grundlage für unsere Untersuchung dient Gablenz, r. zur Chemnitz, mündet bei der Stadt, als schichte Sachsens und Thü- vor allem die Abhandlung von Hans Walther OrtsN um 1200 Gabilencia, 1402 czu der Gabelencze, ringens, Ausgewählte Beiträ- über slawische Namen im Erzgebirge in ihrer altsorb. *Jabłonica ʻan Apfelbäumen vorbeifließender ge 1953-1991, Leipzig 1993, Bedeutung für die Siedlungsgeschichte.4 Seinem Bachʼ, aus urslaw. *(j)ablonь ʻApfelbaumʼ. S. 243-291.

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5 Atlas zur Geschichte und Gablenz, r. zur Würschnitz, als Siedlung s. Stollberg, a suo fonte, als OrtsN 1303 de Widera, 1316 de Widra, Landeskunde von Sachsen, um 1460 Gabelencz, Gablencz, 1481 von der Gabalentz, altsorb. *Vydrava ʻFischotterbachʼ bzw. ʻSiedlung am Beiheft zur Karte G II 4, His- altsorb. *Jabłonica, siehe oben Gablenz. Fischotterbachʼ, aus urslaw. *vydra ʻFischotterʼ. torische Gewässernamen- Lößnitzbach, r. zur Zwickauer Mulde, nö. , als OrtsN Würschnitz, vereinigt sich s. Chemnitz mit der Zwö- schichten, von Hans Wal- 1284 Lesniz, 1312 Leznicz, altsorb. *Lěśnica ʻWaldbachʼ nitz, 1226 (Fälschung 14. Jh.) Wirsniz, als OrtsN 1447 ther, Leipzig/Dresden 2004; bzw. ʻSiedlung am Waldbachʼ, aus urslaw. *lěsъ ʻWaldʼ, Nydernwirßnitz, 1447 Obirnwirßnicz, altsorb. *Viršnica, Albrecht Greule, Deutsches älter *V rš nica aus *V rch nica oben, in hügeligem Gewässernamenbuch, Ety- Adjektiv *lěsьnъ ʻWald-, mit Wald bestandenʼ. ь ь ь ь ʻ mologie der Gewässernamen Lungwitzbach, r. zur Zwickauer Mulde, vertreten in Gelände entspringender Bachʼ, aus urslaw. *vьrchь und der dazugehörigen Ge- 4 durch deutsche Bestimmungswörter differenzierten ʻGipfel, Spitze, Scheitel, oberer Teil einer Sacheʼ. biets-, Siedlungs- und Flur- OrtsN, am frühesten erwähnt durch Oberlungwitz, 1362 Zschornitz, bei Aue, r. zur Zwickauer Mulde, 1118 namen, Unter Mitarbeit von de Lunkewitz, altsorb. *Łǫkavica ʻWiesenbachʼ, aus urs- Scurnica, altsorb. *Čoŕnica ʻSchwarzbachʼ, aus urslaw. Sabine Hackl-Rößler, Ber- law. *lǫka ʻWieseʼ. Die Überlieferung bewahrt noch *čьrnъ ʻschwarzʼ. Der Oberlauf des Baches trägt den lin/Boston 2014. den urslaw. Nasalvokal -ǫ-, der sich im Altsorb., Nieder- Namen . 6 Historisches Ortsnamen- sorb. und Obersorb. zu -u- wandelte, was in diesen Zwönitz, s. Chemnitz, vereinigt sich mit der Wür- buch von Sachsen, hrsg. v. Sprachen łuka ʻWieseʼ ergab. Der Name wurde von schnitz und fließt weiter als Chemnitz(bach), überlie- Ernst Eichler und Hans Wal- Siedlern vergeben, die einen späturslaw. Dialekt spra- fert durch den OrtsN Zwönitz, 1286 (Abschr. 1471/79) ther, bearb. v. Ernst Eich- Zwenicz, 1389 Zcwenicz, altsorb. *Zvenica ʻrauschender, ler, Volkmar Hellfritzsch, chen, also noch vor der Jahrtausendwende, da im 10. Jh. Hans Walther und Erika We- das Urslaw. in das Altsorb. überging. klingender Bachʼ, aus urslaw. *zvenъ, dazu ablautend ber, Bde. I-III, Berlin 2001; Mülsenbach, r. zur Zwickauer Mulde, nö. Zwickau, *zvonъ ʻKlang, Schallʼ, *zvьněti ʻklingenʼ. Ernst Eichler, Slawische 1118 rivulus Milsena, danach nur in OrtsN überliefert, Ortsnamen zwischen Saale so in Mülsen St. Jacob, 1316 zu Mulsin, 1328 (Abschr. 14. Nach den hier kurz besprochenen Gewässerna- und Neiße, Ein Kompendi- Jh.) de Milsin, in Mülsen St. Niclas, 1471/79 in der Mul- men, die oft zur Benennung der an ihnen ange- um, Bde. I-IV, Bautzen 1985- sen. Man erwog aso. *Miliš-na ʻBach eines Milišʼ. Dieser legten Siedlungen dienten, folgen nun diejeni- 2009; Karlheinz Hengst, slaw. PersN ist zwar sicher belegt, seine Verwendung gen Ortsnamen, die nicht auf Gewässernamen Ortsnamen Westsachsens, bei der Bildung eines GewN jedoch sehr fraglich. Nach Die Ortsnamen der Kreise beruhen. Die sehr seltenen slawischen Flurna- Prüfung weiterer slaw. Deutungen blieb alteurop. Her- Chemnitzer Land und Stoll- men, einige genannt bei Karlheinz Hengst, kann berg, Berlin 2003. kunft am wahrscheinlichsten: Zu Grunde läge dann die man weglassen. Slawische Personennamen fan- alteurop. Wurzel *mil-, versehen mit dem Flußnamen- den sich nur ganz vereinzelt in Zwickauer und suffix -isa, an das ein slaw.-n-Suffix trat. Dazu gibt es als Chemnitzer Quellen des 15. Jahrhunderts.7 VergleichsN die Milz, rechter Zufluß zur Fränk. Saale, 800 Miliza, ferner Milzau, w. Merseburg, 9. Jh. Milisa, und weitere. Letztendlich ist wohl von der indogerm. Crossen, n. Zwickau, 1219 Crozne, 1254 (Kop. 15./16. Jh.) Crossen, 1330 Crozzene, 1421 Krossen, altsorb. Wurzel *mel- ʻzermalmen, schlagen, reibenʼ auszuge- hen. Hans Walther setzt altsorb. *Miliśna an und kenn- *Krosno, aus *krosno ʻFlechtwerkʼ, eine genauere Be- zeichnet den Namen entsprechend auf seiner Karte. deutung des OrtsN ließ sich nicht erschließen. Murschnitz, l. zur Chemnitz, n. der Stadt Chemnitz, Grabau, wüst gewordene Siedlung b. Jerisau, am linken 1436 dy bach dy Morsnitz, als OrtsN 1547 Merschnitz, Muldenufer, sw. Waldenburg, 1219 Grabowe, [1248] de 1551 Murßnitz, 1598 Murschnitz, altsorb. *Moršnica, äl- Graben, 1517 zcw Grabe, 1539 ein garthen zu Grabe ter *Mъršьnica aus *Mъrchьnicaʻ faulig, nach Verwesung gensit der wasserprucke, altsorb. *Grabov ʻSiedlung bei riechender Bachʼ, mit der altsorb. Wurzel *morch- ent- den Buchenʼ, aus urslaw. *grabъ ʻWeißbucheʼ. sprechend zu alttschech. mrcha ʻtoter Körper, Aasʼ. Jerisau, sw. Waldenburg, 1170/1175 (Abschr. 16. Jh.) Planitz, Nieder-, Ober-, heute zu Zwickau, als OrtsN de Gerese, 1270 in Geres, 1363 Jeris, 1460 Jaryß, Jeriß, 1192 (Kop. 14. Jh.) de Plaunizc, 1243 de Plawnicz, 1530 1494 Gerissau, altsorb. *Jerež aus *Jarež ʻSiedlung in Nider Plaunitz, 1551 Ober Plaunitz, altsorb. *Płavnicá der Niederungʼ, aus urslaw. *jarъ ʻscharf eingeschnit- aus urslaw. *plaviti ʻbewirken, dass etwas schwimmt, tener, stark abfallender Geländeteilʼ, dazu poln. jar fließt; schwimmen lassenʼ, obersorb. pławić ʻflößen, ʻSchlucht, Hohlwegʼ, russ. jar ʻsteiles, abschüssiges schwemmenʼ. Als Bedeutung wird gewöhnlich Ufer, zerklüftetes Ufer, steile Bergwandʼ. ʻSiedlung, wo geschwemmt, geflößt wirdʼ angegeben, Kertzsch, sw. Waldenburg, 1143 (Abschr. 15. Jh.) was in früher Zeit wohl nicht üblich war. Eher anzuneh- Kirtzs, 1390 (Abschr. 15. Jh.) Kertzsch, 1482 Kertz, men ist auf Grund von poln. pławnia und ukr. plavnja 1488 Kertzsch, altsorb. *Kerč ʻRodungssiedlungʼ, zu ʻüberschwemmte Wieseʼ, ursprünglich in unserem Fall Grunde liegt urslaw. *kъrčь aus *kъrkjь ʻgerodete ʻSiedlung an einem Flußlauf, der (das Gelände) oft Stubben, Baumstümpfeʼ, davon poln. karcz und überschwemmtʼ. tschech. krč ʻGereutʼ. Pleißa, l. zur Chemnitz, s. Limbach-Oberfrohna, 1402 , nw. Chemnitz, an der Zwickauer Mulde, 1264 daz wasser dy Plyßen, als OrtsN 1375 (Abschr. 16. Jh.) de Penic, 1313 Penig, Penick, Penik, altsorb. *Pěnik villa Steinplißen, 1493 bey der Bleysenn, 1501 zwr Pleyß. ʻSiedlung am schäumenden Wasserʼ, aus urslaw. Man geht von alteurop. *Pilisa aus, das sich in german. *pěna ʻSchaum, Gischtʼ. Zeit zu *Filīsa, im Slaw. dann zu *Pьlisa entwickelte, Pölbitz, n. Zwickau, 1219 Belwiz, 1258 Bellwiz, 1378 nach Ausfall des reduzierten Vokals -ь- im 10. Jh. zu *Pli- Belewicz, altsorb. *Běłovici ʻLeute des Běłʼ mit dem sa. Zu Grunde liegt die indogerm. Wurzel *plei-̭ ʻfließen, PersN aus urslaw. *bělъ ʻweißʼ. Man erwog auch rinnenʼ. Hans Walther rekonstruiert aso. *Pliś(i)na und *Běłov-c- ʻSiedlung bei einer feuchten Wieseʼ, aus *běľ kennzeichnet den Namen auf der Karte rot. ʻfeuchte Wieseʼ, was aber wegen der drei poln. Ver- Pöhlau, r. zur Zwickauer Mulde, ö. Zwickau, als OrtsN gleichsN Bielowice unwahrscheinlich ist.8 1358 von der Bele, 1406 die Behl, 1590 Pohlau, altsorb. Schedewitz, s. Zwickau, 1219 Schetwiz, 1322 Czethe- *Běła (voda) ʻWeißwasserʼ, aus urslaw. *bělъ ʻweißʼ. witz, 1342 Schetwitz, 1413 Czedewitz, altsorb. *Četovici Wiederau, r. zur Chemnitz, w. , 1174 Widera ʻLeute des Četʼ mit dem PersN wahrscheinlich aus ur-

Sächsische Heimatblätter · 3 | 2016 216 slaw. *čьtъ ʻAnzahl, Zählenʼ, auch *Čatovici ʻLeute des *Cvikova oder *Cvikava, vielleicht aus slaw. *cvik wie Historische Gewässernamenschich- Čatʼ wurde angenommen, mit unklarer Herkunft von in slowen. cvikati ʻpfeifen, kreischen, winselnʼ, serb.- ten Čat. kroat. cvika ʻSchreiʼ, slowak. cvíkat ʻzwitschernʼ, aus © Andreas Häffner unter Benutzung Schlagwitz, nö. Waldenburg, 1498 Schlaguwicz, 1539/40 einer lautnachahmenden Wurzel. Das Motiv der Na- der Karten aus dem Atlas zur Ge- Schlagewitz, altsorb. *Słavkovici ʻLeute des Słavkʼ, mit Be- mengebung ist unklar. schichte und Landeskunde von Sachsen, Genehmigung erteilt vom zug auf die Siedlung dann altsorb. *Słavkovicě ʻSiedlung Nicht eingegangen wird auf die Ortsnamen Glösa, Staatsbetrieb Geobasisinformatio- der Leute des Słavkʼ, mit dem PersN Słavk als einer Kurz- Remse sowie Wulm, deren slawische Deutungen form solcher Vollnamen wie Słavobor, Słavomir oder ähn- nen und Vermessung Sachsen mit unsicher bleiben. Möglicherweise handelt es sich lichen, aus urslaw. *slava ʻRuhmʼ. Schreiben vom 30. April 2016 Schlunzig, n. Zwickau, in der Muldenaue, 1219 Slunz, um vorslawische Namen. Das Untersuchungsge- 1378 czu dem Sluncz, 1413 Slunczke, 1418 Sluntzk, 1448 biet war auf Grund seiner geographischen Gege- Slunzcig, späturslaw. *Slǫčsk aus urslaw. *Sъlǫčьskъ benheiten im Vergleich zu den Altsiedelland- 7 Volkmar Hellfritzsch, Perso- ʻSiedlung an der Flusskrümmungʼ. Zu Grunde liegt urs- schaften von den Slawen nur dünn besiedelt. Sie nennamen Südwestsachsens, law. *sъlǫkъ ʻkrummʼ, russ. slukij ʻbucklig, krummʼ. ließen sich zuerst im Tal der Zwickauer Mulde Die Personennamen der Taura, nnw. Chemnitz, 1378 Thurowe, 1436 Turaw, nieder, wo als ältere Namentypen die patronymi- Städte Zwickau und Chem- nitz bis zum Jahre 1500 und altsorb. *Turov ʻSiedlung des Turʼ mit dem PersN aus schen Ortsnamen Schlagwitz, Pölbitz und Schede- ihre sprachgeschichtliche urslaw. *turъ ʻAuerochseʼ, kaum ʻSiedlung, bei der witz vorkommen. Sie könnten darauf hinweisen, Bedeutung, Leipzig 2007, S. sich Auerochsen aufhaltenʼ. dass sich um Zwickau schon früh ein slawischer 582-585. Tauscha, nw. Chemnitz, 1357 Tuschin, 1366 Tusche, Kleingau herausgebildet hatte, wofür auch der 8 Kazimierz Rymut, Słowot- 1436 Tusche, 1485 zur Tausche, wahrscheinlich 1171 bezeugte Gebietsname „in pago Zwickowe“ wórstwo polskich patroni- altsorb. *Tuš´e aus *Tuchьje ʻSiedlung in morastigem, mycznych nazw miejscowych spricht. Die meisten Ortsnamen beruhen auf Ap- faulig riechendem Geländeʼ, aus urslaw. *(s)tǫch(l) z przyrostkiem *-(ov)itjo- na ʻdumpfig, muffig, modrigʼ, dazu obersorb. tuchi pellativen und sind jüngeren Schichten zuzuord- tle zachodniosłowiańskim, ʻdumpfig, faulʼ, tuch ʻfauliger Gestankʼ. nen, was nicht bedeutet, dass sie erst nach der Wrocław/Warszawa/Kra- Wilkau, s. Zwickau, 1432 Wilkaw, um 1460 Willickaw, deutschen Eroberung aufkamen, denn einige von ków/Gdańsk 1973, S. 52. Wilckaw, 1551 Wilkaw, altsorb. *Vilkov ʻSiedlung des ihnen tragen ausgesprochen späturslaw. Charak- Vilkʼ mit dem PersN aus urslaw. *vьlkъ ʻWolfʼ, ʻ Sied- ter, so wegen der erhaltenen Nasalvokale Schlun- lung, wo es Wölfe gibtʼ kommt wegen des häufigen zig und Lungwitz. Viele Ortsnamen gingen aus Vorkommens des PersNs weniger in Frage. Gewässerbezeichnungen hervor, die schon vor Zwickau, sw. Chemnitz, als LandschaftsN 1118 Autor der Anlage der betreffenden Siedlungen von den (Kop.1598) in territorio Zcwickaw, 1171 in pago Zwi- Prof. Dr. Walter Wenzel kowe, als OrtsN 1112 (Kop. 14. Jh.) in Zwicowe, 1206 das Land durchstreifenden Jägern, Sammlern und Leipzig Zvvickovve, 1350 Zcwickow, altsorb. wahrscheinlich Fischern vergeben worden sein können.

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