20 Jahre Oslo-Abkommen
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SERIE 20 Jahre Oslo-Abkommen Frieden verhandeln, Konflikt verwalten? Inhaltsverzeichnis 20 Jahre Oslo-Abkommen – Frieden verhandeln, Konflikt verwalten? 2 Stärke zeigen, um sicher sein zu können – Interview mit dem israelischen Schrift- steller Aharon Megged 5 „Oslo war ein Versagen der Palästinenser“ – Interview mit dem palästinensischen Intellektuellen Ghasub Nasser 9 Die palästinensische Wirtschaft zwischen Besatzung und internationaler Abhän- gigkeit 12 Die Hamas und der Osloprozess – Ablehnung, Kooperation und Partizipation 16 „Wir sind noch nicht am Ende dieser Geschichte” – Uri Avnery zum 90. und Oslo zum 20. 21 „Unser München heißt Oslo“ – Interview mit dem Siedler-Aktivisten Elyakim Haetz- ni 24 Israel und die Oslo-Abkommen: große Interessen, wenig Unterstützung 28 Die palästinensische Befreiungsbewegung und was davon übrig bleibt 32 Internationales Recht, Un-Recht und die Besatzung Palästinas 36 Zusammen, getrennt: Ansätze zur Ein-Staaten-Lösung 46 www.alsharq.de 20 Jahre Oslo-Abkommen – Frieden verhan- 2 deln, Konflikt verwalten? Vor 20 Jahren wurden die Oslo-Abkommen unterzeichnet. 20 Jahre, in denen viel passiert ist. Oder nur ganz wenig. Denn eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts wurde bisher nicht gefunden. Was also hat der Oslo-Prozess bewirkt? Darauf werden wir in einer Alsharq-Serie aus einer Vielzahl von Perspektiven eingehen. Wir freuen uns auf eine interessante Diskussion mit Euch. SERIE Am 13. September 1993 wurde im Garten des Geschichtsträchtige Verhandlungen Weißen Hauses die „Prinzipienerklärung über Mit der Prinzipienerklärung von 1993, auch vorübergehende Selbstverwaltung“ unter- Oslo 1 genannt, akzeptierte Israel die PLO zeichnet. Der israelische Premierminister Yitzak als offiziellen Vertreter der palästinensischen Rabin und Yassir Arafat, Chef der Palästinen- Bevölkerung. Im Gegenzug erkannte die PLO sischen Befreiungsorganisation (PLO), reichten das Existenzrecht Israels an und schwor offiziell sich medienwirksam die Hände. Das war der der Gewalt gegenüber Israel ab. So wurde in Beginn einer Reihe von Abkommen, durch die dieser Erklärung bereits die anhaltende Asym- der Nahostkonflikt schrittweise gelöst werden metrie bestätigt, die die Verhandlungen seit- sollte. Weil die Erklärung Ergebnis von Geheim- her bestimmt. Eine „gerechte, dauerhafte und verhandlungen war, die unter norwegischer umfassende Friedensregelung“, wie es in der Vermittlung in Oslo stattfanden, wird seither Präambel der Abkommen heißt, ist so bisher vom „Oslo-Friedensprozess“ gesprochen. unmöglich: Indem nämlich die Vertreter des 20 Jahre sind seither vergangen. Doch was hat Staates Israel eine palästinensische Organisati- der Prozess bewirkt, der die Grundlage für ei- on akzeptierten, um mit ihr über das Entstehen nen palästinensischen Staat an der Seite Israels eines palästinensischen Staates zu verhandeln, schaffen sollte? Zwei Staaten für zwei Völker verlief dessen Entstehen nach israelischen – das war die viel beschworene Prämisse. Aber Vorgaben. wie lässt sich dieser Prozess beurteilen, der Denn die Punkte, die für eine „permanente eigentlich für eine Übergangsphase von fünf Lösung“ Ausschlag gebend sind, wie der Status Jahren vorgesehen war, im Rahmen dessen Jerusalems, das Rückkehrrecht palästinen- aber unweigerlich Fakten geschaffen werden, sischer Flüchtlinge, die israelischen Siedlungen die bis heute den Friedensprozess behindern? in den palästinensischen Gebieten, der Grenz- So erschwert die anhaltende israelische Besat- verlauf eines palästinensischen Staates sowie zung Palästinas nicht nur das Entstehen eines Fragen von „gemeinsamem Interesse“ (Wasser unabhängigen palästinensischen Staates, sie und Ressourcen), wurden von den Verhand- macht es bis dato unmöglich. Insofern ist Oslo lungen ausgeklammert und seither immer gescheitert. Doch die Bedeutung der Abkom- wieder vertagt. men reicht noch weiter. Sie ist vor allem in Der Oslo-Prozess und dessen Bedeutung sind den Verhältnissen begründet, die den Alltag daher direkt mit den Ereignissen verbunden, der israelischen und palästinensischen Bevöl- die aus dieser Asymmetrie entstanden und für kerung bis heute bestimmen. Einen Einblick die eine politische Perspektive gesucht werden in diese Verhältnisse zwischen Israelis und sollte. Von 1987 bis 1991 begehrte die palästi- Palästinensern, aber auch innerhalb der israe- nensische Bevölkerung in der ersten Intifada lischen wie der palästinensischen Bevölkerung gegen die israelische Besatzung auf. Im An- versuchen wir in einer Serie zu „20 Jahren Oslo“ schluss daran sollte die administrative Verant- auf Alsharq zu geben. Dafür wollen wir in den wortung im Gazastreifen und dem Westjordan- kommenden Tagen den Oslo-Prozess aus un- land auf die Palästinenser übertragen werden, terschiedlichen Perspektiven beleuchten. um deren Kontrolle durch das israelische Militär leben, erhielt die PA Sicher- heits- und zivile Autorität. In den B-Gebieten, 21 Prozent 3 des Landes, in dem rund 41 Prozent der Bevölkerung leben, hat die PA zivile Befug- nisse bei israelischen Sicher- heitsautoritäten. Die C-Ge- biete, knapp 62 Prozent des Landes, in dem vier Prozent der palästinensischen Bevöl- kerung und rund 350,000 is- raelische Siedler leben (sowie rund 190,000 im annektierten Ost-Jerusalem), unterstehen weiter kompletter israelischer Kontrolle. Diese Einteilung war ei- gentlich vorläufig und für eine Übergangsphase von fünf Jahren vorgesehen, um palästinensische Befugnisse graduell zu erweitern. Doch auch 20 Jahre später ist es nicht dazu gekommen. Statt- dessen sprechen israelische Verschwindende Hoffnung? Foto: Tobias Pietsch Politiker mittlerweile davon, die C-Gebiete zu annektieren, einzuschränken. Dafür wurde im Gaza-Jericho weil dort ohnehin kaum mehr Palästinenser Abkommen von 1994 die Palästinensische Au- wohnten und viel mehr Israelis siedeln. tonomiebehörde (PA) gegründet. Während die Prinzipienerklärung eine Woche „Talks about talks“ nach der Unterzeichnung in Washington vom Der „Oslo-Prozess“ ist auch immer von inner- israelischen Parlament mit einer knappen gesellschaftlichen Spannungen geprägt. Mit Mehrheit ratifiziert wurde, scheiterte Arafat bei der PA ist durch Oslo ein aufgeblähter Verwal- seinem Versuch im PLO-Exekutivkomitee ein tungsapparat entstanden, der allerlei inter- entsprechendes Quorum zur Ratifizierung der nationale Unterstützung und vor allem auch Prinzipienerklärung zu erreichen. Auch hat es finanzielle Hilfe erhält. Dadurch wird aber die auf beiden Seiten nie eine Volksabstimmung zivile palästinensische Befreiungsbewegung gegeben, um dem Bemühen um Frieden eine nach offiziellen Vorgaben eingeschränkt und breite legitime Basis zu verschaffen. haben die 6,5 Millionen palästinensischen In dem „Interimsabkommen über das West- Flüchtlinge keinerlei politische Repräsentation. jordanland und den Gazastreifen“ von 1995 Seit dem gewalttätigen Konflikt zwischen der (kurz: Oslo 2) wurden der PA autonome Regie- Hamas und der Fatah, den beiden stärksten rungskompetenzen zugesprochen. Dafür zog palästinensischen Fraktionen, im Anschluss an sich das israelische Militär aus 65 Prozent des die letzten Parlamentswahlen von 2006, ist der Gazastreifens zurück und das Westjordanland Gaza-Streifen zudem faktisch vom Westjordan- wurde in drei Verwaltungszonen aufgeteilt. In land geteilt. Diese Spaltung hält bis heute an. den sogenannten A-Gebieten, was rund 17 Pro- Und auch in Israel führte der Oslo-Prozess zu zent des Westjordanlandes entspricht, in dem innergesellschaftlichen Konflikten. Während 55 Prozent der palästinensischen Bevölkerung viele Israelis die Oslo-Abkommen als eine große Chance für den israelisch-palästinensischen oder das, was davon übrig bleibt, für Israelis Frieden sahen, hatten diese Abkommen und und Palästinenser heute bedeutet. Der Konflikt 4 seine Inhalte auch viele Gegner. Kaum zwei scheint nämlich für viele Israelis mittlerweile Monate nach der Unterzeichnung von Oslo in den Hintergrund gerückt zu sein, weil ins- 2 wurde Yitzak Rabin von einem rechtsradi- besondere die Bevölkerung im Zentrum des kalen jüdischen Studenten erschossen. Rabins Landes nicht (mehr) darunter leidet. Dagegen Nachfolger wurde Schimon Peres, der bei den ist die palästinensische Bevölkerung der Besat- Parlamentswahlen von 1996 jedoch Benjamin zung und dem damit einhergehenden Konflikt Netanjahu von dem rechtskonservativen Likud um Leben, Land und Ressourcen alltäglich SERIE unterlag. Unter Netanjahus Regierung wurde ausgesetzt. die israelische Sicherheits- und Siedlungspolitik Die unterschiedlichen politischen, wirtschaft- seither intensiviert. lichen und sozialen Faktoren, die damit zu- Im Juli 2000 wurde unter der Vermittlung der sammen hängen, wollen wir in der Serie be- USA ein weiteres Mal auf großer Bühne ver- leuchten. Um die Entwicklung in Israel und den sucht eine Übereinkunft über einen perma- palästinensischen Gebieten zu erfassen, haben nenten Status zu finden. Am 25. Juli wurden wir Interviews mit Israelis und Palästinensern die Camp David Verhandlungen jedoch ohne geführt, viele Stimmen aus der Region gesam- Übereinkunft abgebrochen. Beide Seiten melt, aber auch eigene Beiträge zu internatio- beschuldigten sich später gegenseitig, für das nalem Recht und Unrecht der Besatzung Palä- Scheitern verantwortlich zu sein. An der Situati- stinas oder der Idee eines binationalen Staates on vor Ort änderte sich daher kaum etwas. Mit verfasst. der zweiten Intifada, die von 2000 bis Anfang Wir hoffen, dass unsere Beiträge Euer Interesse 2005 andauerte, im Zuge derer 1010 Israelis wecken und