Schleswig-Holsteinischer Landtag Plenarprotokoll 18/4 18. Wahlperiode 12-08-22

Plenarprotokoll

4. Sitzung

Mittwoch, 22. August 2012

Entwurf eines Gesetzes zur Ände- Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]..... 97, rung des Schleswig-Holsteinischen Johannes Callsen [CDU]...... 98, Abgeordnetengesetzes...... 96, Dr. [SPD]...... 99, Eka von Kalben [BÜNDNIS Dringlichkeitsantrag der Fraktionen 90/DIE GRÜNEN]...... 100, von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wolfgang Kubicki [FDP]...... 101, NEN und der Abgeordneten des SSW Lars Harms [SSW]...... 103, Drucksache 17/115 Regierungserklärung zur Umset- Beschluss: Dringlichkeit bejaht...... 96, zung der Energiewende...... 105,

Aktuelle Stunde...... 97, Dr. Robert Habeck, Minister für Energiewende, Umwelt, Land- Gespräche zwischen Fraktionen wirtschaft und ländliche Räu- und Transparenz in der politischen me...... 105, Kultur des Schleswig-Holsteini- Johannes Callsen [CDU]...... 111, schen Landtags...... 97, Dr. Ralf Stegner [SPD]...... 115, Eka von Kalben [BÜNDNIS Antrag der Fraktion der PIRATEN 90/DIE GRÜNEN]...... 120, Wolfgang Kubicki [FDP]...... 124, 94 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

Angelika Beer [PIRATEN]...... 129, b) Erste Lesung des Entwurfs eines Lars Harms [SSW]...... 133, Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Abge- Erste Lesung des Entwurfs eines ordnetengesetzes...... 150, Gesetzes zur Änderung des Lan- desrichtergesetzes...... 136, Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gesetzentwurf der Fraktionen von NEN und der Abgeordneten des CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE SSW GRÜNEN, FDP, PIRATEN und der Drucksache 18/115 Abgeordneten des SSW Drucksache 18/55 Monika Heinold, Finanzministerin 150, Peter Eichstädt [SPD]...... 151, Beschluss: Überweisung an den In- Tobias Koch [CDU]...... 152, 159, nen- und Rechtsausschuss...... 137, Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]...... 153, Zukunft der schleswig-holsteini- Dr. Heiner Garg [FDP]...... 154, 162, schen Theater...... 137, Torge Schmidt [PIRATEN]...... 155, Lars Harms [SSW]...... 156, Antrag der Fraktion der FDP Dr. Ralf Stegner [SPD]...... 158, Drucksache 18/78 Peter Sönnichsen [CDU]...... 159, Anke Spoorendonk, Ministerin für Wolfgang Kubicki [FDP]...... 160, Justiz, Europa und Kultur...... 137, Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]..... 161, Anita Klahn [FDP]...... 139, Beschluss: Überweisung an den Fi- Peter Sönnichsen [CDU]...... 140, nanzausschuss...... 163, Beate Raudies [SPD]...... 142, Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]...... 143, Wahl der Mitglieder des Medienra- Jette Waldinger-Thiering [SSW]... 144, tes der Medienanstalt Hamburg/ Birte Pauls [SPD]...... 146, Schleswig-Holstein...... 163, Wolfgang Kubicki [FDP]...... 147, Wahlvorschlag der Fraktionen von Johannes Callsen [CDU]...... 147, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Dr. Ralf Stegner [SPD]...... 148, GRÜNEN, FDP, PIRATEN und der Lars Harms [SSW]...... 149, Abgeordneten des SSW Beschluss: Berichtsantrag Drucksa- Drucksache 18/120 (neu) che 18/78 und der Tagedsord- Beschluss: Annahme...... 163, nungspunkt insgesamt mit der Be- richterstattung der Landesregie- Erste Lesung des Entwurfs eines rung erledigt...... 149, Gesetzes zur Änderung des Lan- deswassergesetzes...... 163, Gemeinsame Beratung Gesetzentwurf der Fraktion der FDP a) Erste Lesung des Entwurfs eines Drucksache 18/69 Gesetzes zur Kürzung der Oliver Kumbartzky [FDP]...... 163, Amtsbezüge der Ministerpräsi- Klaus Jensen [CDU]...... 165, dentin oder des Ministerpräsi- Dr. Gitta Trauernicht [SPD]...... 166, denten und der Landesministe- Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE rinnen und Landesminister...... 150, GRÜNEN]...... 167, Gesetzentwurf der Landesregie- Flemming Meyer [SSW]...... 168, rung Dr. Robert Habeck, Minister für Drucksache 18/31 Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume.. 169, Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 95

Beschluss: Überweisung an den Um- welt- und Agrarausschuss und den Finanzausschuss...... 170, ****

Erste Lesung des Entwurfs eines Regierungsbank: Gesetzes zur Änderung des Schles- wig-Holsteinischen Schulgesetzes Torsten Albig, Ministerpräsident vom 24. Januar 2007...... 170, Dr. Robert Habeck, Minister für Energiewen- Gesetzentwurf der Fraktionen von de, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume FDP und PIRATEN und Erster Stellvertreter des Ministerpräsidenten Drucksache 18/75 (neu) Anita Klahn [FDP]...... 170, Anke Spoorendonk, Ministerin für Justiz, Kul- Tobias Koch [CDU]...... 172, tur und Europa und Zweite Stellvertreterin des Kai Vogel [SPD]...... 175, Ministerpräsidenten Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]...... 176, Dr. Waltraud Wende, Ministerin für Bildung Sven Krumbeck [PIRATEN]...... 177, und Wissenschaft Jette Waldinger-Thiering [SSW]... 178, Heike Franzen [CDU]...... 179, Andreas Breitner, Innenminister Wolfgang Kubicki [FDP]...... 179, Martin Habersaat [SPD]...... 181, Monika Heinold, Finanzministerin Dr. Waltraud Wende, Ministerin für Bildung und Wissenschaft.. 182, Reinhard Meyer, Minister für Wirtschaft, Ar- Beschluss: Überweisung an den Bil- beit, Verkehr und Technologie dungsausschuss...... 183, Kristin Alheit, Ministerin für Soziales, Gesund- heit, Familie und Gleichstellung

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Beginn: 10:03 Uhr der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) vor. Ich schlage die Einreihung in die Tagesord- Präsident Klaus Schlie: nung als Punkt 14 C vor und Aufruf zur Sachab- stimmung ohne Aussprache am Freitag. - Wider- Meine Damen und Herren, da es jetzt schon wenige spruch sehe ich nicht; dann verfahren wir so. Minuten nach 10 Uhr ist, wäre es ganz gut, wenn wir den Innenbereich des Plenums räumen und die Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Interviews nach draußen verlagern könnten. Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Landesrichtergesetzes – Tagesordnungspunkt 4 – in (Hans-Jörn Arp [CDU]: Hau mal auf den dieser Tagung in erster und zweiter Lesung zu be- Tisch!) handeln, damit im September die Wahl der Mitglie- Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröff- der des Richterwahlausschusses erfolgen kann. Die ne die 3. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses ist für Landtags. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen die heutige Mittagspause vorgesehen. - Wider- und beschlussfähig. spruch zu diesem Ablauf sehe ich nicht; dann ver- fahren wir so. Die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und die Abgeordneten des SSW haben einen Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe Dringlichkeitsantrag vorgelegt: Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat verein- barten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausge- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des druckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 4, 6, 34 Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von SPD, und 36 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordne- Tagesordnung abgesetzt werden soll Tagesord- ten des SSW nungspunkt 37. Drucksache 17/115 Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Tagesordnungspunkte 8 und 14 - Gesetzentwürfe ist nicht der Fall. Ich lasse über die Dringlichkeit zum Glücksspielwesen und zur Änderung glücks- der Vorlage Drucksache 18/115 abstimmen. Es gilt spielrechtlicher Gesetze -, 9, 10 und 11 - Gesetzent- das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit der abgege- würfe zur Änderung der Gemeindeordnung und des benen Stimmen. Wer die Dringlichkeit bejaht, den Kommunalabgabengesetzes sowie zur Aufhebung bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - des Gesetzes zur Änderung planungsrechtlicher Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltun- Vorschriften -, 15, 20 und 24 - Anträge zur Planung gen und einigen Gegenstimmen ist die Dringlich- und zum Weiterbau der A 20 -, 27 und 31 - Anträge keit mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Drit- zur Bäderverordnung -, 28 und 29 - Anträge zur teln bejaht. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzent- schulischen Entwicklung und zum Unterrichtsaus- wurf als Punkt 14 A in die Tagesordnung einzurei- fall an den Schulen. hen und in gemeinsamer Beratung mit Tagesord- Anträge zu einer Fragestunde liegen nicht vor. nungspunkt 3 heute Nachmittag aufzurufen. - Wi- Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraus- derspruch sehe ich nicht, dann verfahren wir so. sichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ih- Weiter haben die Fraktionen von CDU, SPD, nen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und die Abge- der Beratungen in der 3. Tagung. ordneten des SSW mit Drucksache 18/120 einen Wir werden heute und morgen jeweils unter Ein- Wahlvorschlag für die Wahl der Mitglieder des Me- schluss einer zweistündigen Mittagspause längstens dienrats der Medienanstalt Hamburg/Schleswig- bis 18 Uhr tagen. Am Freitag ist eine einstündige Holstein eingereicht. Ich schlage vor, den Wahlvor- Mittagspause in der Zeit von 13 bis 14 Uhr vorge- schlag als Punkt 14 B in die Tagesordnung einzu- sehen. - Ich höre keinen Widerspruch^, dann wer- reihen und darüber heute Nachmittag ohne Aus- den wir so verfahren. sprache in der Sache abzustimmen. Lassen Sie uns gemeinsam auf der Tribüne Besu- Mit Drucksache 18/118 liegt Ihnen ein Wahlvor- cherinnen und Besucher des Regionalen Bildungs- schlag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS zentrums Kiel und der Polizeidirektion für Aus- 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW für die Wahl der Mitglieder des Kongresses Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 97

(Präsident Klaus Schlie) und Fortbildung aus Eutin begrüßen. - Seien Sie Wir haben davon erst zufällig letzte Woche erfah- uns herzlich willkommen! ren. Das ist uns nicht mitgeteilt worden. Deswegen haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. (Beifall) Wenn die Information zutrifft, Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 1 auf: (Zurufe und Heiterkeit) Aktuelle Stunde dann muss ich ganz klar sagen, dass diese Ausgren- zung für uns nicht akzeptabel ist. Denn damit droht ein Rückfall in frühere Zeiten, in denen einzelne Gespräche zwischen Fraktionen und Transpa- Fraktionsführer weitreichende Entscheidungen in renz in der politischen Kultur des Schleswig- Hinterzimmern ausgehandelt haben und sowohl ih- Holsteinischen Landtags re Fraktionsmitglieder als auch die Öffentlichkeit Antrag der Fraktion der PIRATEN letztendlich vor vollendete Tatsachen und schon be- schlossene Entscheidungen gestellt haben. Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der PIRA- (Beifall PIRATEN - Wolfgang Kubicki TEN, Herr Abgeordneter Dr. Breyer. [FDP]: Habeck und ich haben damals zusam- mengesessen? Auch Stegner und ich haben Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: dauernd zusammengesessen? - Weitere Zuru- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- fe) gen! Wir hatten im Landtag einen guten Auftakt Dass man auch unter den Augen der Öffentlichkeit und haben uns gemeinsam zu einer neuen Kultur konstruktiv und vertrauensvoll über die Fraktions- der konstruktiven Zusammenarbeit über Fraktions- grenzen hinweg zusammenarbeiten könnte, dass grenzen hinweg bekannt. Wir PIRATEN haben man auch unter den Augen der Öffentlichkeit eige- auch konstruktiv mitgearbeitet, zum Beispiel in den ne Positionen hinterfragen könnte, dass man öffent- Runden der Parlamentarischen Geschäftsführer, als liche interfraktionelle Diskussionen und Abspra- es in der ersten Sitzung um Änderungen der Ge- chen zulassen könnte, das ist nach der alten politi- schäftsordnung ging, oder auch anfänglich bei der schen Kultur offenbar undenkbar gewesen. Das alte Frage der Fraktionsfinanzierung. System beruht offenbar auf einer kollektiven Ge- Wir haben allerdings von Anfang an auch klarge- heimhaltung, und zwar so lange, bis jede öffentli- stellt, dass nach unserer Überzeugung das, was wir che Debatte zu spät kommt. als Volksvertreter tun, dem Volk als Vertretenem Dazu muss ich ganz klar sagen: Die Zeit einer sol- auch mitgeteilt werden muss, damit es sich recht- chen Elitedemokratie ist nach meiner Überzeugung zeitig einbringen kann, bevor die entscheidenden vorbei. Diese wird von den Bürgern schlichtweg Beschlüsse gefasst werden. Deswegen berichten nicht mehr akzeptiert. wir in öffentlicher Fraktionssitzung auch über unse- re Absprachen in solchen Runden der Parlamentari- (Beifall PIRATEN) schen Geschäftsführer oder im Ältestenrat. Nach einer repräsentativen EMNID-Umfrage fin- Zunächst hat das auch lange Zeit niemanden ge- den nur 29 % der Bürger, dass das bestehende poli- stört, zumal wir uns ausdrücklich dazu bekennen, tische System gut ist. Vertrauen in die Arbeit von die Geschäftsordnung und Fragen des Beschäftig- Abgeordneten haben nach einer FORSA-Umfrage tendatenschutzes einzuhalten oder gar Staatsge- kaum noch ein Viertel der Bürger. Das ist doch eine heimnisse nicht veröffentlichen. Es war wohl im alarmierende Zahl. Zusammenhang mit der umstrittenen Entscheidung Gleichzeitig sagen aber auch 58 % der Bürger, dass über die Fraktionsfinanzierung, die wir PIRA- mehr Transparenz ihr Vertrauen in die Politik er- TEN nicht mitgetragen haben, dass die Parlamenta- höhen würde. Damit ist doch klar, welchen Weg rischen Geschäftsführer der übrigen Fraktionen ent- wir einschlagen müssen. Wenn wir die Zukunft der schieden haben, uns zu solchen Runden generell Demokratie sichern wollen, liegt es doch in unse- nicht mehr einzuladen, weil wir nicht eine absolute rem gemeinsamen Interesse, Bürgern in die Ent- Geheimhaltung zusichern, auch was politische Ent- scheidungsfindung einen Einblick zu geben und sie scheidungen angeht. mitreden zu lassen. Eine totale Geheimhaltung er- (Zurufe) zwingen zu wollen, indem man uns ausschließt oder Strafe androht, wenn man über Ältestenratssit- 98 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Dr. Patrick Breyer) zungen berichtet, das ist definitiv der falsche Weg. renz, zu einem moderneren Landtag und so weiter Der richtige Weg ist eine breite Debatte und eine kommen wollen. Über diese Möglichkeiten haben gemeinsame Suche nach einem Weg, um mehr wir bereits beraten. Aus der vergangenen Wahlperi- Transparenz im Landtag wagen zu können. ode gibt es ein Papier des ehemaligen Landtagsprä- sidenten Geerdts, das viele Anregungen enthält, die Sicher haben Sie den Medien entnommen, dass sich man einmal prüfen sollte. die Stadt Hamburg damit brüstet, Transparenz- hauptstadt Deutschlands zu sein. Ich finde, wir soll- Wenn aber die sogenannten PGF-Runden zum An- ten gemeinsam den Schleswig-Holsteinischen lass genommen werden, Transparenz anzuzweifeln, Landtag zum Transparenzparlament Deutschlands dann muss man klar sagen, dass es keine standardi- machen. Wir freuen uns auf konstruktive Gespräche sierten PGF-Runden gibt. darüber. (Zuruf PIRATEN: Dann wird es höchste (Beifall PIRATEN) Zeit!) Es gibt diese Runden schlichtweg nicht. Sie treten Präsident Klaus Schlie: nach Bedarf zusammen, und zwar in jeweils völlig Das Wort für die CDU-Fraktion hat deren Vorsit- unterschiedlicher Zusammensetzung, genauso wie zender Callsen. sich Kollegen in der Mittagspause in der Kantine zusammensetzen und Fachfragen diskutieren. Das Johannes Callsen [CDU]: alles diskreditieren zu wollen, finde ich nicht ak- zeptabel. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Demo- kratie lebt davon, dass sich Menschen beteiligen, (Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE sich einbringen und ihnen Entscheidungsprozesse GRÜNEN, FDP und SSW) nachvollziehbar erklärt werden. Gerade dieser Für mich gehört im Übrigen nicht nur im persönli- Schleswig-Holsteinische Landtag hat durch seine chen Bereich Vertraulichkeit zu den elementaren Arbeit eine hohe Transparenz, nicht nur symboli- Voraussetzungen im Umgang miteinander, sondern siert durch den gläsernen Plenarsaal, in dem wir uns auch in der Politik. hier befinden. Ich habe vorhin einen Beitrag im NDR gehört, in Herr Kollege, ich finde, der Beitrag, den Sie hier dem sehr deutlich wurde, dass Ihre Kollegen aus geleistet haben und in dem Sie Vorurteile gepflegt Nordrhein-Westfalen und aus Berlin das, was Sie und nach vorn gebracht haben, trägt genau zum Ge- hier vorhaben, für übertrieben und überzogen hal- genteil bei. Mit diesen Vorurteilen leisten Sie der ten. Sie sehen es genauso wie wir, dass es auch ge- Politikverdrossenheit Vorschub. Das kann ich aber schützte Bereiche geben muss. Das gilt für Ge- nicht zulassen. spräche zwischen Fraktionen, aber auch für Bera- (Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE tungen im Ältestenrat. Es kann nicht sein, dass an- GRÜNEN, FDP und SSW) schließend Einzelne über Gespräche informieren und damit die Deutungshoheit über bestimmte Aus- Es ist doch völlig klar, dass alle Entscheidungsab- sagen übernehmen wollen. läufe hier im Haus über Protokolle, über öffentliche Sitzungen der Ausschüsse und vieles mehr nach- (Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE vollziehbar sind. So können die Bürger das alles GRÜNEN, FDP und SSW) auch verfolgen. Zum Abschluss noch zwei ergänzende Hinweise Im Übrigen gilt für mich wie für alle Abgeordneten, zur Transparenz in der Politik. Liebe Kollegen von dass es auch unsere Aufgabe ist, die Menschen über den PIRATEN, so wichtig dieses Thema auch ist, die Hintergründe von Entscheidungen aufzuklären. ich würde mir von den PIRATEN wünschen, dass Ich weise deswegen den Eindruck deutlich zurück, sie sich mit dem gleich großen Elan den wichtigen es gebe im Landtag einen Mangel an Transparenz Zukunftsfragen des Landes Schleswig-Holsteins in der politischen Kultur. zuwenden. Zu den Fragen der Haushaltspolitik, der Wirtschaftspolitik und der Bildungspolitik haben (Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Sie bisher keine einzige Antwort geliefert. Das trägt GRÜNEN, FDP und SSW) nicht zur Glaubwürdigkeit von Politik bei. Unabhängig davon haben wir bereits darüber ge- (Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE sprochen, wie wir gemeinsam zu mehr Transpa- GRÜNEN, FDP und SSW) Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 99

(Johannes Callsen)

Manchmal kann Transparenz aber auch hilfreich haupt keinen Dissens zwischen den Fraktionen. Das sein. Dass das so ist, hat sich für mich gezeigt bei ist der erste Punkt, den ich hier feststellen möchte. einem Gespräch des Ministerpräsidenten mit der (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN PIRATEN-Fraktion vor der Wahl Herrn Albigs und SSW) zum Ministerpräsidenten. Ich gehe einmal davon aus, dass dieses Gespräch im Einvernehmen als Li- Der zweite Punkt: Natürlich können wir auch dar- vestream im Internet übertragen wurde. Wenn es über reden, was man an Endergebnissen - und der dies nicht gegeben hätte, hätten wir nicht gewusst, Ältestenrat hat nun wenig Geheimnisvolles, was die dass sich Herr Albig schon vor der Wahl zum Ergebnisse angeht - öffentlich machen kann. Aber Ministerpräsidenten bei wesentlichen Festlegungen die Vertraulichkeit der Beratungen ist in allen Le- des Koalitionsvertrags vom Acker gemacht hat und bensbereichen wichtig, was man übrigens nicht nur den Regierungsfraktionen in den Rücken gefallen in Regierungskreisen, sondern in vielen anderen ist. Dies gilt zum Beispiel, wenn er hinsichtlich der auch wahrt. Wenn die nicht mehr gegeben ist, ver- Formulierung der Kennzeichnungspflicht für Poli- lieren wir eine ganze Menge an Respekt untereinan- zisten wörtlich sagt: Sie ist nicht so gemeint. der und auch an Möglichkeiten, zu Kompromissen zu kommen. Die Öffentlichkeit gewinnt übrigens Diese inhaltlichen Fragen sind viel spannender als nichts. Sie stellt allenfalls fest, dass wir Menschen die heutige Diskussion über Transparenz. sind wie alle anderen auch mit den gleichen Be- (Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE dürfnissen, mit den gleichen Regeln. GRÜNEN, FDP und SSW) Wenn ich das als etwas lebensälterer Kollege zu Ih- nen sagen darf: Ich hätte mir gewünscht, dass Sie Präsident Klaus Schlie: sich eher mit den Streitfragen des Landes auseinan- Das Wort für die SPD-Fraktion hat deren Vorsit- dersetzen und nicht gleich über die Spielregeln re- zender Dr. Stegner. den, obwohl Sie die eigentlich hier im Haus gar nicht kennen. Dr. Ralf Stegner [SPD]: (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! GRÜNEN, FDP und SSW) Die Aktuelle Stunde gibt Gelegenheit, zu drei Ein bisschen eigene Erfahrung im Umgang mit den Punkten etwas zu sagen. Lassen Sie mich damit be- Dingen führt auch dazu, dass man manche Sachen ginnen, dass sich Parlamentarismus natürlich verän- vielleicht auch ein Stückchen anders sieht und nicht dern muss, dass Transparenz natürlich sehr wichtig gleich von vornherein sagt: „Wir wollen das aber ist und dass natürlich eine neu gewählte Fraktion alles anders machen!“, bevor man es wirklich wie die Ihrige das Recht hat, Vorschläge zu machen kennt. Das ist auch ein Stück, das man lernen kann. und sich zu beteiligen. Wichtig finde ich übrigens noch etwas anderes, Ich bin sehr frühzeitig bei Ihnen zu einem Gespräch nämlich, dass wir, wenn wir uns Regeln setzen, uns gewesen. Sie wissen, dass wir aufgeschlossen sind auch gemeinsam an sie halten. Jeder, der hier sitzt, für Veränderungen. Ich will ausdrücklich sagen, war schon in der Mehrheit oder in der Minderheit - dass der Respekt all denjenigen gilt, die gewählt jedenfalls die meisten - und weiß, dass es nicht worden sind und nun Vorschläge und Ideen einbrin- schön ist, in der Minderheit zu sein. Aber zur De- gen. Es ist gar keine Frage, dass man dabei immer mokratie gehört auch die Achtung des Mehrheits- noch besser werden kann. Wir sind dazu in jeder prinzips und dass, wenn Regeln gesetzt werden, sie Weise bereit. Das möchte ich zunächst einmal aus- von allen eingehalten werden und man nicht sagt: drücklich sagen, weil ich dem Eindruck widerspre- Das gilt aber für mich nicht. che, es gebe eine generelle Abneigung dagegen; (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE denn diese gibt es nicht. GRÜNEN, FDP und SSW) Das Parlament ist übrigens gar nicht so schlecht, Der wichtigste Punkt ist mir aber der dritte. Der nicht nur was dieses Gebäude angeht, das Transpa- Kollege Callsen hat es mit angesprochen. Das ist ei- renz signalisiert, sondern auch was die Öffentlich- ner, den ich wirklich ausgesprochen ernst finde. Im keit von Ausschusssitzungen und vieles andere Zuge dieser Debatte wird auch versucht, tagespoli- mehr betrifft. Dabei können wir noch mehr tun. Das tischen Gewinn zulasten dieses Parlaments zu er- wollen wir auch gemeinsam. Dabei sehe ich über- zielen, und das zu einer Zeit, wo es wohlfeil ist, an- tiparlamentarische Dinge zu sagen. Man bekommt 100 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Dr. Ralf Stegner) dafür ganz schnell Applaus. Die Leserbriefspalten wirklich jemand, der leidenschaftlich streitet. Wir sind voll: Die predigen Wasser und trinken Wein. werden das ab dem nächsten Tagesordnungspunkt Das ist eine wirklich völlig falsche Ansicht. Die in der Sache auch tun. Aber wir sollten nicht dar- Kollegen hier im Haus arbeiten alle sehr hart. Ich über streiten, ob wir hier gemeinsam etwas für das will Ihnen sagen: Wir haben im letzten Jahr die Gemeinwohl tun wollen und uns anstrengen und Fraktionsmittel um 10 % gekürzt, wir geben eben nicht überversorgt sind, sondern ganz im Ge- 2,7 Millionen € weniger aus, weil der Landtag klei- genteil. Manchmal sind wir hart am Rande der ner geworden ist. Alle Abgeordneten müssen mehr Schäbigkeit, wenn ich manche Dinge mit anderen arbeiten. Repräsentative Demokratie kostet Geld. Ländern vergleiche, was Gastfreundschaft und sol- Darauf sollten wir stolz sein und nicht den Ein- che Dinge angeht. Auch das ist ein Punkt, über den druck erwecken, das ginge auch alles anders. wir reden müssen. (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW) GRÜNEN, FDP und SSW) Und ich bin jetzt Vertreter einer Regierungsfrakti- Also bitte, lassen Sie uns viel stärker über die Zu- on, ich sage aber trotzdem - auch aus Respekt -: kunft dieses Landes streiten und darüber, was wir in Wenn man eine Regierung aus dem Parlament her- der Sache tun sollten, und nicht so tun, als sei es ein aus begleiten und kontrollieren will, dann geht das intransparenter Haufen von Leuten, die eigentlich nicht, ohne dass man eine bestimmte Ausstattung nur Machtpolitik wollen, nur an sich selbst denken hat, ohne dass wir ordentliche wissenschaftliche und sich selbst versorgen. Das ist so weit von der Mitarbeiter haben, ohne dass wir auch mit den Bür- Wirklichkeit entfernt. gern reden können und uns für Recherchen nur im Ich glaube wirklich im Ernst: Unsere gemeinsame Hause aufhalten, anderes aber gar nicht mehr zu- Aufgabe muss ein, dass sich wieder mehr Men- stande bekommen. Alle leisten hier etwas und müs- schen für Politik interessieren. Es ist nicht so, dass sen etwas leisten. Das ist eine Stärke der repräsen- die Politiker schlechter seien als die Wirtschaftsleu- tativen Demokratie. Dafür müssen wir gemeinsam te, die Medienleute, die Wissenschaftler oder wer werben, sonst wird das immer schlechter werden. auch immer. Wir haben eine repräsentative Demo- (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE kratie, die vom Engagement und vom Respekt für GRÜNEN, FDP und SSW) die Regeln, vom Respekt voneinander und vom Streit um die Sache lebt. Dieses Parlament ist ein Und zur politischen Bildung gehört übrigens auch, gutes Parlament. Ich bin leidenschaftlicher Parla- nicht zu behaupten, der Rechnungshof - wie ich es mentarier, und Sie sind das doch alle auch. Also gelesen habe - gehöre zu den Verfassungsorganen. lassen Sie uns den Kinderkram lassen, was solche Ich achte einen unabhängigen Rechnungshof wirk- Punkte angeht, vernünftige Regeln miteinander be- lich sehr, ich stelle aber fest: Handlungsperspekti- schließen und in der Sache um die Zukunft des ven für den Rechnungshof werden durch das Parla- Landes streiten! ment definiert, nicht umgekehrt. Wir haben schon bestimmte Regeln in der parlamentarischen Demo- (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE kratie, die gelten müssen. Das gilt hier für alle. GRÜNEN, FDP und SSW - Hans-Jörn Arp [CDU]: So habe ich noch nie bei Ihnen ge- (Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE klatscht! - Weitere Zurufe) GRÜNEN, FDP und SSW) Die Politik ist wirklich sehr viel besser als ihr Ruf. Präsident Klaus Schlie: Das ist der Teil, den ich Ihnen wirklich ein Stück weit vorwerfe, dass Sie sozusagen mit Blick darauf, Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE dass man dafür schnellen Applaus bekommt, mit GRÜNEN hat deren Vorsitzende, Frau von Kalben. dazu beitragen, diese Umfrage, die Sie zitiert ha- ben, noch zu verschärfen. Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Zuruf) Meine Damen und Herren! Die Fraktion der PIRA- TEN hat das Thema der Transparenz zur Aktuellen - Nein, es ist nicht so. Die meisten Kolleginnen und Stunde angemeldet, ein wichtiges Thema und im- Kollegen - völlig unabhängig, welcher Fraktion sie mer aktuell, auch wenn ich an dieser Stelle den ak- angehören - sind Leute, die wollen, dass das Ge- tuellen Anlass für das Ansetzen einer Aktuellen meinwohl beachtet wird, dass man etwas tut, dass Stunde nicht sehe. Ich hätte lieber mit Ihnen - und man fleißig ist, dass man sich dafür einsetzt. Ich bin Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 101

(Eka von Kalben) das werden wir hoffentlich auch noch tun - über die Wir müssen außerdem mehr Möglichkeiten zur Änderung der Geschäftsordnung konkret anhand ei- Mitentscheidung schaffen. Es reicht nicht, nur nes Antrags diskutiert. Das würde Sinn machen. Transparenz zu schaffen, und dann kann der Bürger Diese Aktuelle Stunde, nur um allgemein über ein oder die Bürgerin hinterher sehen, warum wie ent- Thema zu diskutieren, ist aus meiner Sicht eher po- schieden wurde; nein, die Menschen wollen auch pulistisch und führt uns nicht weiter im Zusammen- mitentscheiden. Ich habe in den letzten zwei Jahren arbeiten. als Landesvorsitzende mehr Einblick in den Land- tag genommen als 95 % aller Schleswig-Holsteine- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- rinnen und Schleswig-Holsteiner, die nicht im einzelt SPD und CDU) Landtag sitzen. Ich war sozusagen eine Außenste- Das Thema der Transparenz und der Informati- hende, und ich kann mich nicht erinnern, dass ich onsfreiheit ist ein wichtiges und urgrünes Thema. irgendwelche Prozesse nicht nachvollziehen oder Wir haben zusammen mit der SPD 2006 das Infor- einsehen konnte, und zwar als ganz normale Bürge- mationsfreiheitsgesetz eingebracht. Wir haben Gre- rin. Konnte ich Entscheidungen leider nicht immer mien, die grundsätzlich für alle Mitglieder und nachvollziehen, dann lag das aber an den politi- Nichtmitglieder öffentlich sind. Jeder kann an unse- schen Inhalten von Schwarz-Gelb und nicht an der ren Sitzungen teilnehmen. Aber das reicht nicht. mangelnden Transparenz. Wir wollen noch mehr. Wir wollen nicht nur, dass (Zuruf Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug man das Recht hat, sich zu informieren, wir wollen [FDP]) auch eine Pflicht der Behörden, Menschen zu in- formieren. Wir planen daher zurzeit auch die Ein- Transparenz schafft Vertrauen in die Demokratie, führung eines Transparenzgesetzes. das ist richtig. Aber ich glaube, es braucht auch ein Minimum an Vertrauen untereinander, um transpa- Doch meines Erachtens kann man Transparenz rent arbeiten zu können. Wenn jedes Gespräch - nicht damit durchsetzen, dass man seitenlange und ich sage: jedes Gespräch -, das ich führe, hin- Wortprotokolle veröffentlicht oder Sitzungen live- terher sofort in der Öffentlichkeit ist, kann ich nicht streamt. Wer soll das bitte schön alles noch verfol- vertrauensvoll mit jemandem zusammenarbeiten. gen? Wir haben gerade eben am Beispiel von Herrn Callsen festgestellt, wie aus dem Zusammenhang Ich möchte zum Schluss daher auch noch einmal etwas herausgezogen werden kann, wenn man eben einen Ihrer Kollegen zitieren, den Vorsitzenden genau diese Form der Veröffentlichung wählt. Ich Bernd Schlömer, der in einem Interview in der halte das für falsch. Das halte ich tatsächlich sehr „Stuttgarter Zeitung“ gesagt hat: viel stärker für elitär, weil das nämlich eine Form „Es gibt für den Politikbetrieb auch eine Prä- von Demokratie und Beteiligung ist, die sich nur ventivkraft des Nichtwissens. Es gibt einen sehr wenige Menschen leisten können. Nur wenige Bereich, unter dem vertrauliche Gespräche Menschen können den ganzen Tag vor dem Com- geschützt werden müssen. Das ist nötig, um puter sitzen. den Parlamentsbetrieb zu schützen. Würden (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE wir vollkommene Transparenz herstellen, GRÜNEN, FDP und SSW) würden unsere politischen und Moral- und Rechtssysteme zusammenbrechen.“ Das ist nicht die Form von Transparenz, die ich mir wünsche. Dem möchte ich nichts hinzufügen. Ich glaube auch, dass wir wirklich noch mehr tun (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, müssen. Wir müssen auf die Straße gehen. Wir FDP, PIRATEN, SSW und vereinzelt CDU) müssen Menschen in Veranstaltungen, über Presse und natürlich auch über das Internet informieren, Präsident Klaus Schlie: und wir müssen es vor allen Dingen auch in einer anderen Sprache tun. Wir haben in den letzten Jah- Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Vorsit- ren Demokratieveranstaltungen im Land gemacht zender Wolfgang Kubicki. und hatten dort auch immer Jugendworkshops. Es geht darum, wie wir reden, und nicht darum, dass Wolfgang Kubicki [FDP]: alles kleinklein veröffentlicht wird. Ich glaube Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nicht, dass das die Form ist, die uns wirklich wei- Wenn diese Aktuelle Stunde der PIRATEN etwas terhilft. Gutes hat - manche mögen das vielleicht komplett 102 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Wolfgang Kubicki) anders sehen -, dann, dass der Kollege Dr. Stegner tung, dafür haben wir sie, damit sich nicht alle Ab- und ich zum zweiten Mal fast wortgleich einer Mei- geordneten hier treffen müssen wie im Ting und nung sind. Herr Dr. Stegner, das muss uns eigent- dann darüber verhandeln müssen, welcher Tages- lich zum Nachdenken Anlass geben. Wenn es nicht ordnungspunkt behandelt wird, mit welchen Rede- so traurig wäre, dann könnte man daraus eine Büt- zeiten, was man von der Tagesordnung herunter- tenveranstaltung machen: Das Land hat unheimli- nimmt, wie man miteinander umgeht. Das ist der che Probleme. Die Menschen haben Sorgen, Euro- Sinn. pa fliegt fast auseinander, und wir beschäftigen uns Herr Breyer, man könnte heute sagen: Wir haben hier mit einem Antrag der PIRATEN, der - wie der jetzt eine Kinderkrabbelgruppe mit Ihnen. Das Par- Fraktionsvorsitzende es vorgetragen hat - von Un- lament ist aber nicht der Hort für eine Kinderkrab- zulänglichkeiten und falschen Informationen nur so belgruppe. Wir sind hier kein Kindergarten, son- strotzt. dern die Menschen erwarten, dass wir uns darum Herr Breyer, was Sie wollen, ist nicht Transparenz, kümmern, ihre Probleme vor Ort zu lösen, oder je- was Sie machen, ist Denunziation. Ich werde es denfalls einen Beitrag zur Lösung leisten. gleich belegen. (Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE (Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) GRÜNEN und SSW) Das leisten Sie gerade nicht. Ich sage Ihnen auch, warum Sie das machen: Sie Das Zweite ist, Sie behaupten, Sie hätten keinen machen das, weil Sie die komplette inhaltliche Lee- Fraktionszwang. Damit unterstellen Sie, bei allen re, die Sie ansonsten an den Tag legen, verdecken anderen gibt es einen Fraktionszwang. Ich kann si- wollen, nichts anderes haben Sie ja, und weil Sie cher sagen, dass es in meiner Fraktion keinen Frak- verschleiern wollen, dass Ihre Fraktion in den we- tionszwang gibt. Wie denn auch? sentlichen Fragen zerrissen ist. (Christopher Vogt [FDP]: Wir haben bei der Ich habe zwei Sitzungen des Innen- und Rechtsaus- Dringlichkeit schon unterschiedlich abge- schusses miterlebt, die historisch sind: Da erschei- stimmt!) nen drei PIRATEN. Der von den PIRATEN in den Innen- und Rechtsausschuss entsandte Abgeordne- - Wie denn auch? Es gab auch in der Vergangenheit te, Herr Dudda, stimmt in die eine Richtung und der bei den anderen Fraktionen durchaus öffentlich aus- Fraktionsvorsitzende sagt Nein. Das ist ja toll. getragene, unterschiedliche Meinungen. Nur, im parlamentarischen Betrieb muss man irgendwann (Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Wir haben einmal zu einem Konsens kommen. Bei uns gibt es keinen Fraktionszwang! So ist das!) jedenfalls keinen Fraktionszwang, und ich frage: Herr Kollege Breyer, wenn wir so arbeiten, können Wie wollen Sie den ausüben? Wie soll das funktio- wir die Fraktionen auflösen und uns bei allen Aus- nieren? - Ich sage dann, er soll sein Mandat zurück- schusssitzungen gemeinsam treffen, weil dann alle geben, wenn er anders abstimmt als ich, oder wie? ihre jeweilige Meinung zum Besten geben. Wie stellen Sie sich so etwas vor? - Fraktionszwang bedeutet doch, dass Sie Sanktionsmöglichkeiten ha- Der Sinn der parlamentarischen Arbeit besteht dar- ben. Welche haben Sie denn? Sie haben gar keine. in - deshalb haben wir Fraktionen, und das erleich- Das Einzige, womit Sie werben können, ist Ihre ei- tert auch die Arbeit -, dass man sich untereinander gene Überzeugungsbildung, und das versuchen wir verständigen kann, zunächst Sie untereinander und zunächst. Ich sage meinen Leuten immer: Wenn es dann wir miteinander. Ansonsten ist die parlamen- mir nicht gelingt, euch zu überzeugen, wie wollen tarische Arbeit überhaupt nicht mehr zu vollziehen. wir dann die Menschen überzeugen? So geht es den Das werden Sie vielleicht in den nächsten Wochen anderen Fraktionen wahrscheinlich auch. und Monaten noch begreifen. (Dr. Heiner Garg [FDP]: Hoher Anspruch!) Ich fange jetzt an, Ihnen zu sagen, wo Sie denunzie- ren: Sie behaupten in der Öffentlichkeit, es gebe Auch das müssen Sie vielleicht noch lernen: Wenn Runden der Parlamentarischen Geschäftsführer, es Ihnen nicht gelingt, Ihre eigenen Leute zu über- von denen Sie ausgeschlossen würden. Solche Run- zeugen, warum glauben Sie, dass Sie die Menschen den gibt es nicht. Dass sich die Parlamentarischen in Schleswig-Holstein von dem überzeugen kön- Geschäftsführer über Abläufe verständigen müssen, nen, was sie politisch nicht wollen? übrigens auch heute, morgen und übermorgen wäh- rend der Tagung, das ist der Sinn der Veranstal- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 103

(Wolfgang Kubicki)

Die dritte Behauptung ärgert mich wirklich zu To- Lars Harms [SSW]: de. Dr. Stegner, es tut mir leid, Sie wissen, wie sehr Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und ich Sie schätze, und ich werde Sie wirklich vermis- Herren! In dieser Debatte stellen sich für mich drei sen, Fragen. Erstens. Sind wir wirklich so intransparent, (Heiterkeit FDP) wie uns von der PIRATEN-Fraktion vorgeworfen wird? Zweitens. Gibt es tatsächlich diese Runden wenn ich diesem Parlament nicht mehr angehöre, der Parlamentarischen Geschäftsführer? Drittens. nicht weil wir nicht gewählt worden sind, was Sie Was ist eigentlich Transparenz? immer gehofft haben, sondern weil ich möglicher- weise einer anderen Funktion nachgehen werde. Zu Die erste Frage, ob wir intransparent sind, kann behaupten, Fraktionsvorsitzende hätten sich in Hin- man definitiv mit nein beantworten. Wir haben das terzimmern getroffen - mein Zimmer ist kein Hin- öffentliche Plenum, wir haben die öffentlichen Aus- terzimmer, Ihr Zimmer wahrscheinlich auch nicht -, schüsse, über alle öffentlichen Sitzungen geführte um irgendetwas abzusprechen, ist absurd. Protokolle sind öffentlich. Wir haben die Anträge im Netz, sodass sich der Bürger genau über die Ab- (Zuruf) läufe informieren kann. In der Tat haben wir auch - Herr Breyer, das haben Sie gerade in Ihrer Rede geschützte Bereiche. Es gibt zwei Bereiche: ein- gesagt. Ich kann sicher sagen - das werden die mei- mal die Bereiche, die formal geschützt sind, in de- sten hier nachvollziehen können -, dass Dr. Stegner nen es darum geht, dass Sicherheitsbedenken Rech- und ich uns weder in Hinterzimmern getroffen noch nung getragen wird und Unternehmensgeheimnisse heimliche Absprachen getroffen haben. Das wäre gewahrt bleiben müssen. Das sind das Parlamenta- auch mental schwer vermittelbar. rische Kontrollgremium und der Unterausschuss (Zurufe Abgeordnete Rolf Fischer [SPD] und des Finanzausschusses für Unternehmensbeteili- Lars Harms [SSW]) gungen. Ich kann sagen, dass Dr. Stegner privat nicht ganz Wir haben auch informell geschützte Bereiche. so schlimm ist, wie er öffentlich in Erscheinung Das ist im normalen Umgang völlig normal. Das tritt, kennt jeder aus allen Lebensbereichen. Das gibt es in Unternehmen, das gibt es sogar in Familien, dass (Heiterkeit FDP - Beifall Abgeordneter sich Familienmitglieder mal vertraulich miteinan- Dr. Heiner Garg [FDP]) der unterhalten und möglicherweise nicht jedes ein- aber das hat nichts damit zu tun, dass es solche Ab- zelne Familienmitglied in irgendeiner Art und Wei- sprachen gegeben hat - weder mit Robert Habeck se informieren. Warum sollten wir anders sein als noch mit Anke Spoorendonk, noch mit Ralf Steg- die Familien, als die Unternehmen, als die Vereine, ner. Wir haben uns ein einziges Mal und sehr trans- als die Organisationen und Institutionen, die es im parent zusammengesetzt, und zwar zusammen mit Land gibt? dem Landtagspräsidenten. Das war bei der Frage Natürlich gibt es diese Bereiche. Diese Bereiche der Reform des Wahlrechts. Das musste logischer- dienen dazu, Einigungen und Kompromisse herzu- weise schnell gehen, und wir mussten dort Vorar- stellen, die sonst, wenn wir in diesen Bereichen öf- beiten leisten, um festzustellen, wie schnell Mehr- fentlich tagen würden, niemals möglich wären, weil heiten hergestellt werden können. wir natürlich sofort in unsere normale Haltung zu- Hören Sie auf mit Ihren - möglicherweise schon mit rückfallen und immer die reine Lehre der jeweili- der Muttermilch aufgesogenen - Vorurteilen! De- gen Partei vertreten würden. Um dies wirklich nunzieren Sie den Parlamentarismus nicht, sondern überwinden zu können, schafft man solche ge- beteiligen Sie sich an der inhaltlichen Arbeit! Dann schützten Bereiche, um Kompromisse möglich zu tun Sie sich selbst und dem Land einen größeren machen. Selbstverständlich werden diese Kompro- Gefallen als mit solchen Schauanträgen. misse auch mit den jeweiligen Fraktionen zurück- gekoppelt. (Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Klaus Schlie: Ich stelle fest: Intransparent sind wir nicht. Dabei ist es selbstverständlich so, dass wir immer besser Für den SSW hat deren Vorsitzender, Herr Abge- werden können. Es ist immer Ziel von Politik, bes- ordneter Lars Harms, das Wort. ser zu werden, aber so intransparent sind wir nicht. 104 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Lars Harms)

Wie sieht es nun mit den Parlamentarischen Ge- Treffen nicht nur im Sinne von Zusammentreffen, schäftsführern aus, dieser angeblichen Runde, die sondern auch im Sinne von inhaltlicher Begegnung. anscheinend regelmäßig tagt, ohne dass ich dabei Für mich ist das etwas völlig Normales. bin, obwohl ich schon seit Jahren Parlamentarischer Es ist, meine Damen und Herren, auch einfach Geschäftsführer bin? Anscheinend bin ich dann ja wichtig, dass wir dieses normale Zwischenmensch- auch ausgeschlossen. Ich habe mich einmal mit den liche hier in diesem hohen Haus bewahren können; einzelnen Parlamentarischen Geschäftsführern un- denn das macht eigentlich unsere Arbeit aus. Das terhalten. Keiner kennt diese Runden. Alle sechs hat sich in der Vergangenheit durchaus als erfolg- Parlamentarischen Geschäftsführer scheinen also in reich erwiesen. diesem Hohen Haus von diesen Runden ausge- schlossen zu sein, die irgendwelche Parlamentari- Was ist aber nun wirklich transparent? - Wir stellen schen Geschäftsführer anscheinend organisieren, fest, dass wir die ganzen Abläufe nachvollziehen die wir aber nicht kennen. Um es kurz zu machen: können und dass es all das, was uns von den PIRA- Diese Gespräche gibt es nicht. TEN vorgeworfen wird, eigentlich gar nicht gibt. Dann stellt sich natürlich die Frage: Was soll ei- Es gibt - mit wechselnden Personen, die an diesen gentlich dann transparent sein in diesem Parlament? Sitzungen teilnehmen - Gespräche zwischen einzel- - Für mich ist Transparenz, dass in diesem Parla- nen und manchmal auch mehreren Parlamentari- ment die unterschiedlichen Haltungen der einzelnen schen Geschäftsführern. Manchmal sind auch alle Fraktionen - möglicherweise sogar einzelner Abge- dabei. Es gibt niemanden, der bisher ausgeschlos- ordneter - auch für den Bürger deutlich werden. sen hat, nicht alle auch wieder mit aufzunehmen. Es Dann ist es natürlich im Umkehrschluss intranspa- ist richtig, dass es auch Gespräche gab - da haben rent, wenn es Parteien, Fraktionen oder auch Abge- die PIRATEN recht -, zu denen wir uns getroffen ordnete gibt, die nicht bereit und möglicherweise haben und gesagt haben: Wir wollen in Ruhe ver- auch nicht in der Lage sind, sich zu einzelnen The- traulich miteinander reden. Das haben wir auch an- men zu äußern. geboten, haben aber feststellen müssen, dass Ver- traulichkeit durch die PIRATEN nicht immer ge- Ich höre, dass die PIRATEN der Auffassung sind, wahrt wird. Das ist das eigentliche Problem. dass sie derzeit noch nichts zur Situation der Thea- ter sagen können und dass Glücksspiel ein Bereich (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE ist, zu dem sie sich nicht äußern können. Auch GRÜNEN, vereinzelt CDU und Abgeordne- scheinen sie keine Ahnung davon zu haben, wie es ter Dr. Heiner Garg [FDP]) mit der Bäderregelung weitergehen soll. Liebe Kol- Wenn man sich mehrheitlich darauf einigt, Vertrau- leginnen und Kollegen, ich hoffe, Sie ändern noch lichkeit zu wahren, dann muss auch eine zahlenmä- Ihre Haltung. Das ist das, was im Schleswig-Hol- ßige Minderheit bereit sein, diese Vertraulichkeit steinischen Zeitungsverlag am 16. August 2012 zu mitzuwahren. Es reicht mir nicht, dass gesagt wird: lesen war. Ich hoffe, Sie ändern noch Ihre Haltung, Aber die Formalismen sind so, wie sie sind, und so- denn der Bürger erwartet auch von Ihnen, von den lange sie so sind, quatschen wir über alles, was ir- PIRATEN, dass Sie sagen, wie Sie, die von den gendwo einmal vertraulich beraten werden sollte. Bürgern gewählt worden sind, als Fraktion zu ein- Das ist kein normaler Umgang, und zwar nicht nur zelnen Themen Stellung nehmen. Das – und nichts parlamentarisch gesehen; auch zwischenmenschlich anderes - ist wahre Transparenz, meine Damen und ist das für mich kein normaler Umgang. Herren. (Beifall SSW, CDU, SPD, FDP und BÜND- (Beifall SSW, CDU, SPD und BÜNDNIS NIS 90/DIE GRÜNEN) 90/DIE GRÜNEN) Ich weise auch noch einmal darauf hin: Das ist Wir sind hier in der Tat dazu da, die Probleme zu nicht nur eine Geschichte, die die Parlamentari- lösen, und ich bin der festen Überzeugung, dass alle schen Geschäftsführer angeht, sondern es ist natür- Abgeordneten in diesem Hohen Hause auch wirk- lich auch völlig normal, dass sich Fachsprecher un- lich ihre Bestes geben, um eben die Probleme zu lö- terhalten. Dass man auch regierungsfraktions- und sen. Es ist aber, meine Damen und Herren, wichtig, oppositionsfraktionsübergreifend miteinander dass die Menschen draußen auch wissen, auf was spricht, um Kompromisse zu finden. Inhaltliche sie sich einlassen, wenn sie bestimmte Parteien Kompromisse bei Anträgen wird es auch in dieser wählen. Es geht eben nicht nur darum, dass man Sitzung garantiert geben. Man wird miteinander hier über Transparenz redet, sondern dass man schnacken, ob man sich irgendwo treffen kann. Transparenz auch walten lässt und den Leuten Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 105

(Lars Harms) wirklich in aller Öffentlichkeit - nicht nur im Inter- bisschen lernfähiger werden, damit wir alle hier net in irgendeinem Dienst, sondern auch hier im vernünftig zusammenarbeiten können. Ich glaube, Parlament, wo es hingehört - sagt, was man denkt das wäre der richtige Weg. Ein bisschen mehr Ver- und welche Haltung man vertritt. Meinetwegen dür- trauen auch in die sogenannten Altparteien würde fen auch alle sechs Piraten einzeln hochkommen, hier jedem in diesem Parlament wirklich gut zu Ge- wenn sie sechs verschiedene Meinungen haben. Da- sicht stehen. mit habe ich keinen Schmerz; aber es muss so sein, (Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE dass der Bürger- - GRÜNEN und FDP) (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP]) Präsident Klaus Schlie: - Heiner hat mehr Schmerz damit? - Wir haben Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist wahrscheinlich auch alle keine Zeit dafür. Da gebe die Aktuelle Stunde beendet. ich dem Kollegen Kubicki recht. Trotzdem ist es aber für die Bürger wichtig, hier im Hohen Haus zu Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: erfahren, wie die einzelnen Fraktionen beziehungs- weise die einzelnen Abgeordneten zu Themen ste- Regierungserklärung zur Umsetzung der Ener- hen. Das ist für mich die eigentliche Transparenz, giewende meine Damen und Herren. Das Wort für die Landesregierung hat der Minister (Beifall SSW, CDU, SPD und FDP) für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und Ich glaube - das möchte ich zuletzt sagen -, dass es ländliche Räume, Herr Dr. Robert Habeck. nicht unbedingt dem Ruf der Politik dient, wenn man hier solche Anträge stellt und solche Debatten Dr. Robert Habeck, Minister für Energiewende, führt, sondern ich glaube wirklich, es ist in der Tat Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume: so, dass wir es mit Politikverdrossenheit, vielleicht Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! auch mit Politikerverdrossenheit zu tun haben. Das Mitglieder der alten Landesregierung haben mir, als ist richtig. Diese dann aber noch zu schüren, ist ei- ich Minister wurde, auf die Schulter geklopft und gentlich der komplett falsche Weg, sondern man gesagt: „Herzliches Beileid!“. Ich versuche einmal, muss daran arbeiten, wie man sie abbauen kann. die Stimme nachzumachen, dann ahnen Sie, wer Ich habe wirklich hohen Respekt davor, dass die PI- das war: „Herzliches Beileid“, RATEN einen Antrag zur Änderung der Geschäfts- (Christopher Vogt (FDP): War das Samson, ordnung gestellt haben. Das ist völlig okay. Dass oder wer?) wir darüber beraten, ist auch völlig okay. Aber, meine Damen und Herren, die Geschäftsordnung ist - jetzt, wo Sie aus der Koalition raus sind, können etwas, was wir uns selbst geben. Dabei geht es dar- Sie es ja sagen, Herr Vogt - die Energiewende wird um, wie wir uns selbst organisieren. Da wäre es scheitern am Föderalismus, am Bund, an den Men- auch in diesem Fall schlau, wenn man sich gemein- schen. sam in vertraulichen Runden erst einmal darüber ei- Im Oktober wird die EEG-Umlage angehoben, und nigt, wie man das machen will. die Kritiker füllen schon jetzt den Echoraum derje- Es ist in Ordnung, dass wir einen Anlass haben, nigen, die die Energiewende nie gewollt haben. aber es ist nicht in Ordnung, dass diese Gespräche Der Netzausbau wird gegen den Ausbau der erneu- eben nicht der Vertraulichkeit unterliegen, um zu erbaren Energien ausgespielt. sehen, wie wir unsere eigene Arbeit hier organisie- ren. Es ist schade, dass das leider mit einem Teil Der Bundeswirtschaftsminister will das EEG ganz des Parlaments nicht mehr möglich ist. Dann darf abschaffen. man sich nicht wundern, wenn sich andere - frei, All das lesen und hören wir täglich überall. Ich ste- wie sie als Abgeordnete sind - als Abgeordnete un- he jetzt aber hier, um dem zu widersprechen und tereinander unterhalten, wie sie es denn möglicher- den Faden aufzunehmen, den wir hier vor Kurzem weise als Kompromiss hinbekommen können. Es gemeinsam geknüpft haben, die Argumente zu sor- wäre schön, wenn Sie in die Gemeinschaft der Par- tieren und sie zu widerlegen. lamentarier zurückkommen würden, die eben ge- meinsam an einer Sache arbeiten wollen. Ich hoffe, Diese Regierung tritt an, die Energiewende so um- dass Sie da in den nächsten fünf Jahren noch ein zusetzen, wie wir es vor eineinhalb Jahren be- 106 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume Dr. Robert Habeck) schlossen haben. So sehe ich mich denn eher als der sein. Die Trasse Heide-Husum soll 2018 und die nächste Staffelläufer, der von de Jager und Rumpf Trasse Husum-Niebüll 2019 fertig sein. Demnach den Stab übernimmt, als jemand, der etwas Neues wäre 2020 - in acht Jahren, 10 Jahre nach dem Fu- beginnt. kushima-Ausstiegsbeschluss oder noch später - die Westküstentrasse fertiggestellt sein. Bei der Ost- Wir bauen die Energieversorgung in Deutschland - küstentrasse soll erst 2015 mit den Planungen be- einem führenden Industrieland - um. Wer damals gonnen werden. Auf der 110-kV-Ebene sollte E.ON glaubte, dass das mit einem Fingerschnippen hätte die Planfeststellung für diverse Trassen ab dem ers- gelingen können, war naiv. Wer jetzt aber aus die- ten Quartal 2012 einreichen. Keine einzige ist bis- ser Naivität Resignation werden lässt, der macht her eingegangen. aus Politik selbstverschuldete Unmündigkeit. Meine Damen und Herren, das alles dauert zu lang- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sam, wird zu spät fertig sein und kann so nicht lau- und SSW) fen, und wir werden es so nicht laufen lassen. Fortschritt kommt zustande, indem man große Pro- (Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bleme löst. Deshalb ist die Energiewende das Fort- NEN und SSW) schrittsprogramm für unser Land. Die Energiewen- de ist ein Projekt ohne Vorbild. Es gibt keine vor- Je mehr man fragte, wo es eigentlich hakt, desto gefertigte Blaupause. Vieles werden wir lernen, und deutlicher wurde, dass jeder die Verantwortung bei Einiges werden wir korrigieren müssen. Das habe anderen sah. Gespräche mit Verbänden, Vorhaben- auch ich bereits erfahren dürfen bei dem Versuch, trägern sowie mit Bürgerinnen und Bürgern haben die umstrittenen Windeignungsgebiete vorzeitig gezeigt, dass es einen Zustand struktureller Verant- auszuweisen. Meine Damen und Herren, es wird wortungslosigkeit gegeben hat. Es wurde und wird nicht das Letzte sein, was ich in diesem Prozess ler- Schwarzer Peter gespielt. Der eine zeigte immer auf nen werde. Und das macht mich froh. den anderen. Damit muss Schluss sein. Ich glaube, wir haben damit bereits Schluss gemacht. Obwohl also nicht bis zum Letzten klar ist, wo ge- nau wir enden werden, müssen wir uns heute fra- Meine Damen und Herren, der Begriff „Energie- gen, ob wir bei jedem ersten Gegenwind, bei jedem wende“ wird in der öffentlichen Debatte in einer lauen Lüftchen von vorn umdrehen sollen, ob wir verkürzten Form gebraucht. Er meint allein den bei jedem Anstieg des Weges rumjammern und Umstieg oder Ausstieg aus der Atomenergie und überlegen sollen, ob wir nicht doch besser Zuhause den Umbau des Stromsektors, um diesen Ausstieg geblieben wären, oder ob wir uns darauf einigen hinzubekommen. Auch ich werde mich aus den ge- sollen, den Kompass neu zu eichen, den Kurs zu nannten Gründen - weil sie eben in der öffentlichen halten und dann gemeinsam loszumarschieren. Debatte so stark sind - heute auf den Stromsektor konzentrieren. Die Energiewende ist aber mehr. Sie (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki ist ein Paradigmenwechsel. Sie bezieht den Wärme- [FDP]) und den Verkehrssektor sowie alle Wirtschaftsbran- - Es wird noch besser, Herr Kubicki! - Laufen lernt chen, die Art, wie wir bauen, leben und Güter trans- man nur durch gehen. Deshalb ist für diese Regie- portieren, welche Güter wir herstellen, mit ein. rung klar: Wir werden voranschreiten. Ich hoffe Ein verkürzter Begriff der Energiewende macht noch darauf, dass wir es gemeinsam tun werden. diese lediglich zu einer Pirouette. Wir hätten uns (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einmal kunstvoll im Kreis gedreht, das wäre es und SSW) dann gewesen. Deshalb wird die Landesregierung Als frisch gebackener Minister erhielt ich in mei- alle Bereiche unseres politischen Handelns, Sanie- nem Haus verschiedene Übersichten mit dem Pla- rungsprogramme, EU-Förderungen, Bildungsange- nungsstand der alten Landesregierung zum Netz- bote, Verbraucherpreise und Verbraucherberatung oder Speicherausbau. Ich werde sie - quasi als ei- in diese große Transformation mit einbeziehen. ne Art Eröffnungsbilanz - kurz vortragen: Das Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt Pumpspeicherwerk Geesthacht soll im Herbst zum neuralgischen Punkt der Debatte kommen, den 2014 voll einsatzfähig sein - drei Jahre nachdem Strompreisen und der Versorgungssicherheit. wir die OWAG-Änderung hier gemeinsam be- Viele Menschen machen sich Sorgen, dass der schlossen haben. An der Westküste soll der Baube- Strom für sie zu teuer wird. Ich nehme diese Sorgen ginn der ersten Trasse Barlt-Heide 2016 - von sehr ernst. Ich will den Anstieg der Strompreise be- heute aus gesehen, in vier Jahren - fertiggestellt Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 107

(Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume Dr. Robert Habeck) grenzen, und ich will nicht, dass die Energiewende (Beifall Abgeordneter Detlef Matthiessen zu einem sozialen Problem wird. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD Das kann man nicht laut genug und vor allen Din- und SSW) gen nicht oft genug in Richtung Berlin sagen. Wenn wir preiswerten erneuerbaren Strom wollen, dann Ich will aber auch keine Scheinheiligkeit in der De- wollen wir Strom aus Schleswig-Holstein. Onsho- batte. Alles in mir wehrt sich dagegen, wenn bör- re-Windenergie ist der Kostensenker bei den erneu- sennotierte Großkonzerne vor den teuren Strom- erbaren Energien. Wir haben es einmal nachgerech- preisen warnen, diejenigen, die sowieso von der net. Wir produzieren hier an guten Windstandorten EEG-Umlage ausgenommen sind und damit den für etwa 5,9 ct pro kW/h. Würde man Onshore- Preis für die Endkunden hochtreiben. Windparks - das wäre immer noch die günstigste Die öffentliche Debatte um die Preisentwicklung Form der Energieerzeugung - im Süden aufstellen, der Energiekosten ist hitzig, und sie ist sehr aktuell. bei den schwächeren Windeignungsgebieten, die Dabei wäre eine sachliche Diskussion angezeigt. die dort haben, läge der Preis bei 9 bis 10 ct pro Von 2006 auf 2011, also in den letzten fünf Jahren, kW/h. Hinzu kämen Gebühren für den stieg der Strompreis in Deutschland um 6,5 ct pro Netzausbau, etwa 1 bis 1,5 ct pro kW/h. Selbst kW/h. Die EEG-Umlage hat sich von 2009 auf wenn man alles zusammenrechnet, ist die Energie 2011 von 1,1 ct pro kW/h auf 3,6 ct pro kW/h ver- aus Schleswig-Holstein der Kostensenker im Kon- dreifacht. Das wurde im Wesentlichen durch den zert der Erneuerbaren. Anstieg der Solarenergie verursacht. Weitere Stei- (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE gerungen im Herbst sind prognostiziert. Wir wer- GRÜNEN und SPD) den darüber hier im Oktober wahrscheinlich erneut beraten, vielleicht auch in anderen Runden. Aber Hätten wir bundesweit einen Energiemix wie in der Strompreisanstieg ist nicht allein mit dem EEG Schleswig-Holstein, wäre die EEG-Umlage um 3 ct zu begründen, und die Stromkosten - darauf sei ein- billiger. mal hingewiesen - haben einen eher geringen Anteil Unsere Erneuerbaren sind also nicht das Problem, an den Haushaltsausgaben. Im Vergleich zu den sondern sie sind die Lösung. Das sage ich aus- Ausgaben für Wärme haben sie sogar einen deut- drücklich in Richtung . lich geringeren Anteil. Sie betragen 2,2 % des Durchschnittshaushalts. Die EEG-Umlage beträgt - (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD das ist dann der Beitrag, den der Haushalt im Mo- und SSW) ment leistet - 0,3 % der durchschnittlichen Haus- Die Deckelung von Wind-Onshore im Norden haltsausgaben. macht die Energiewende teurer, und sie ist falsch. Es gibt also in Deutschland Armut, aber die EEG- (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE Umlage ist nicht der Grund dafür. GRÜNEN, SPD und SSW) (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE Wir müssen weiterhin festhalten, dass die Preise GRÜNEN, SPD und SSW) des Stroms aus Atom und Kohle nie die Wahrheit Wenn diejenigen, die gegen eine Börsensteuer sind über ihre wahren Kosten ausgesagt haben. Legt und gegen eine Vermögensabgabe, mit Kroko- man staatliche Förderungen und Subventionen so- dilstränen vor den sozialen Kosten der erneuerbaren wie die nicht eingerechneten sozialen und ökologi- Energien warnen, dann sollte man gewarschaut schen Kosten auf die Stromkosten um, sind schon sein. heute Wind und Wasser günstiger als Atom und Kohle. (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP]) (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Abgeordneter Dr. Patrick Breyer Wir haben bereits jetzt starke Impulse im EEG zur [PIRATEN]) Kostensenkung und Degression. Dennoch sollten wir zukünftig im EEG-Mix noch stärker auf die ef- Zweitens trägt die Energiewende dazu bei, uns von fizienten EE-Technologie setzen - die effizienten! - teurer werdenden Energieimporten unabhängig zu und damit vorrangig auf die On-shore-Windener- machen. Sie dient deshalb grundsätzlich der Ver- gie. sorgungssicherheit und letztlich auch der Preisstabi- lität. Denn eines ist doch klar: Die Preise für Öl, Gas und Kohle werden mittel- und langfristig an- 108 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume Dr. Robert Habeck) steigen. Die Erzeugungskosten für Wind und auch für den Energieverbrauch sollte für alle elektri- Sonnenstrom werden sinken. Wer also auf fossile schen Geräte wie PCs, Handys, Flatscreens, Spiel- Brennstoffe statt auf Erneuerbare setzt, setzt auf die konsolen - oder was auch immer - genauso wie für Vergangenheit. Kühlschränke und Waschmaschinen Anwendung finden. Stromsparen ist leicht zu realisieren und Drittens. Ja, die Stromkosten steigen, und, ja, die kostet fast nichts, und eine kostenlose Energiebe- Energieumlage steigt auch, und der Umstieg auf ratung ist eine gute Hilfestellung dafür. die Erneuerbaren hat seinen Preis. Aber bei den gegenwärtigen Stromkosten ist das eigentliche Pro- Der Verbraucher - das geht jetzt an uns alle - kann blem - eigentlich ein Skandal -, dass der gesunkene heute von Hunderten von Anbietern Strom bestel- Börsenpreis nur zum Teil an die Kundinnen und len. Wenn wir über hohe Strompreise klagen, dann Kunden weitergegeben wird, während die EEG- klagen wir auch zu einem großen Teil über uns Umlage dick auf den Rechnungen ausgewiesen selbst. Wir klagen über unsere Trägheit, die uns in wird und als Begründung für jede Preiserhöhung der teuren Grundversorgung bleiben lässt. Unver- herhalten muss. Die Strombeschaffungskosten für ständlicherweise fragen wir bei Strom nicht, was die Stromversorger sind nach den Berechnungen wir sonst bei allen Dingen des täglichen Einkaufs der Bundesnetzagentur 2010 um 3 ct geringer als tun: Wo kostet es eigentlich am wenigsten? Beim die Preise, die an die Verbraucher weitergegeben Wechsel des Stromanbieters sind mehr Einspa- werden. rungen möglich, als jeder Anstieg der Kosten durch das EEG bereits ausgemacht hat. Man kann Öko- (Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE strom heute für 200 € billiger pro Jahr beziehen als GRÜNEN]: Hört, hört!) in der Grundversorgung. Würden die Stromversorger den preissenkenden Ef- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und fekt auch der Erneuerbaren an der Börse an die vereinzelt SPD und SSW) Verbraucher weitergeben, wäre ein erheblicher Teil der EEG-Umlage wieder eingespielt. Meine Damen und Herren, dass wir heute über- haupt in der Lage sind, die Energiewende zu wollen Wieso die Strompreise hoch sind, verrät ein Blick und zu wagen, dass wir ein Industrieland ohne nu- auf die Geschäftsbilanzen der Konzerne, die - nach klearen und fossilen Strom denken und versorgen dem Schock von Fukushima kurz eingebrochen - können, dass die erneuerbaren Energien keine Tüf- jetzt wieder deutlich nach oben gehen. E.ON und teleien im Hinterhof mehr sind, sondern eine echte RWE machen Milliardengewinne und haben das für industrielle Perspektive, liegt am Erneuerbare-Ener- das erste Halbjahr dieses Jahres auch ausgewiesen. gien-Gesetz. Das EEG ist das Herz der Energie- Die Kunden zahlen aber trotz dieser Gewinne mehr wende. Dieses Gesetz hat das Fundament für einen als vor einem Jahr. Kein Schelm, wer da einen Zu- Strukturwandel gelegt, der alle Erwartungen über- sammenhang sieht! troffen hat. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE vereinzelt SPD und SSW) GRÜNEN, SPD und SSW) Trotz dieser Gewinne wollen die großen Vier einen Wenn wir heute in die nächste Stufe der energiepo- zweistelligen Milliardenbetrag als Entschädigung litischen Debatte einsteigen, dann nicht, weil das für den vorzeitigen Atomausstieg. EEG nicht funktioniert hätte, sondern weil es über All das zeigt: Wir haben noch immer keinen funk- die Maßen gut funktioniert hat. Das EEG ist aller- tionierenden Strommarkt in Deutschland. Wir ha- dings keine Heilige Schrift, und deshalb muss es ben am Strommarkt Verhältnisse wie an unseren immer wieder überprüft werden. Es wird ja auch Tankstellen. Und ich werde mich, diese Landesre- immer wieder überprüft. Es muss nur anständig gierung wird sich dafür einsetzen, dass auf den überprüft und mit fairen Argumenten analysiert Stromrechnungen nicht allein die EEG-Umlage wie werden. bisher ausgewiesen wird, sondern auch der Einfluss Wir werden zum Beispiel perspektivisch dazu kom- der Börsenpreise, damit Klarheit entsteht, dass die men müssen, mit dem EEG stärker den Beitrag zum Erneuerbaren den Strompreis an der Börse senken. Gesamtsystem und weniger einzelne Anlagen zu Schließlich der eigentlich selbstverständliche, aber vergüten. Verschiedene Energie- und dann Spei- keineswegs selbstredende Hinweis, dass die billig- cherträger werden sich gegenseitig komplementie- ste Kilowattstunde diejenige ist, die nicht ver- ren müssen, und das wird gefördert werden müssen. braucht worden ist. Eine Kennzeichnungspflicht Was wir jetzt also brauchen, sind Mechanismen, die Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 109

(Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume Dr. Robert Habeck) sicherstellen, dass der Strom ständig verfügbar ist nug ausbauen, und werden wir Abschaltungsverlu- und die Versorgungssicherheit garantiert ist. ste durch den Ausbau der Erneuerbaren bekommen, und, wenn ja, in welcher Dimension? Wird die Damit komme ich zur Versorgungssicherheit. Denn Energiewende an den Bürgerprotesten scheitern, diese, die Versorgungssicherheit, und die Strom- und sollen wir die Energiewende vom Ausbau der netzstabilität stehen durch die schwankenden Ein- Netze abhängig machen? Ich glaube, das sind die speisungen der Erneuerbaren vor neuen und großen drei Fragen, die im Moment mit dem meisten Herausforderungen. Im vergangenen Winter - auch Schaum vor dem Mund diskutiert werden, die aber das gehört zur Eröffnungsbilanz quasi dazu; da war auch die größte Relevanz haben. ich noch nicht Minister - ist nach einem Kurz- schluss nur unter Aufbietung aller Kaltreserven ein Meine Damen und Herren, 2010 hatten wir, weil Blackout im norddeutschen Raum verhindert wor- das Stromnetz nicht aufnahmefähig genug war, Ab- den. Ursache dafür ist, dass sich die Anlagen ab- regelungen von erneuerbaren Energieanlagen in schalten, wenn das Netz ausfällt. Das tun vor allen ganz Deutschland mit einem Prozentwert von Dingen ältere Anlagen. Auch deshalb muss repo- 0,3 ct. des EEG-Stroms und einem Euro-Gegenwert wert und nachgerüstet werden. Dafür sind - wenn es von etwa 40 Millionen €. Dass ich die Zahlen nicht geht, noch vor der Bundestagswahl - weitere ge- genauer liefern kann, liegt daran, dass sie so mise- setzliche Schritte dringend notwendig und geboten. rabel erfasst sind. Das ist nicht transparent geregelt, und das ist eines der Dinge, die man ändern muss. (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE Das gilt vor allem für die Debatte, die jetzt ansteht. GRÜNEN) Zahlen für 2011 liegen noch nicht vor. Aber man Darüber hinaus leistet die Fertigstellung der Frei- kann ahnen, dass nach derzeitigem Stand der Ana- leitung Krümmel-Görries einen wichtigen Beitrag lyse die Abschaltungskosten für 2011 bundesweit zur Versorgungssicherheit und Netzstabilität beson- noch einmal hochgegangen sind und auch in ders für Hamburg und das Hamburger Umland. Schleswig-Holstein erheblich gestiegen sind, vor Weiterhin wurden, um einen rechtzeitigen Informa- allem im Nordwesten. 2012 hingegen scheint sich tionsfluss zwischen den Betreibern der verschiede- dann die Situation für uns etwas entspannt zu ha- nen Stromspannungsebenen zu gewährleisten, ein ben, unter anderem deshalb, weil die Leitung Bre- Berichtskaskadensystem ein- und Notfallübungen klum-Flensburg nach einem Jahrzehnt Planungs- durchgeführt. und Bauzeit endlich fertig wurde. Weitere umfassende Schritte zur Versorgungssi- In Schleswig-Holstein wurden 2010 - das sind die cherheit sind notwendig. Sie lauten: regionaler und Zahlen, die uns gemittelt vorliegen - 18 Millionen € internationaler Netzausbau - ich spreche vom an Entschädigungen für abgeregelten Strom aus- NORD.LINK-Kabel; die Planfeststellungsunterla- gezahlt. Wenn wir jetzt die installierte Leistung gen sind vor einem Monat hier eingegangen; wir ausweiten, indem wir 1,5 % der Landesfläche zur werden wahrscheinlich 2018 das NORD.LINK-Ka- Windeignungsgebieten erklären und der Netzaus- bel bauen können -, Stromeinsparung und Lastma- bau nicht in die Puschen kommt, wird dieser Betrag nagement, Speicher-, Ausgleichs- und Reserveka- deutlich ansteigen. Dies, meine Damen und Herren, pazitäten, dann durch fossile Kraftwerke, vornehm- muss offen und deutlich als Problem und als Her- lich Gaskraftwerke. ausforderung benannt werden. Ich habe ja bereits Und diese Reihenfolge ist eine bewusste Prioritä- die anvisierten Planungszeiträume vorgetragen, tensetzung. Also erst die anderen Schritte, erst die die nicht akzeptabel sind. Auch wenn wir es schaf- Einsparung, erst das Netz und dann gegebenenfalls fen, da jetzt den Turbo reinzukriegen, muss ehrlich Zubau von weiteren fossilen Kraftwerken, nicht gesagt werden: Ja, wir werden aufgrund der vorlie- umgekehrt und schon gar nicht Förderung eines genden Planungsdaten mit erhöhten Abschaltungen zweiten Kraftwerksparks, der dann ebenfalls auf die zu rechnen haben. Und: Nein, ich und diese Regie- Stromrechung geschlagen wird. rung sind nicht bereit, das einfach so hinzunehmen. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen ergreifen wir ein ganzes Bündel von Meine Damen und Herren, ich komme zur Frage Maßnahmen. Wir haben die Planfeststellungsbehör- des Netzausbaus, der ja hier im Lande brennende de neu und hoffentlich effektiver aufgestellt. Wir Aktualität hat. Ohne Netzausbau keine Energiewen- beziehen die Industriebetriebe als große Stromver- de. Ich will deshalb abschließend auf folgende braucher in unser Lastmanagement ein. Wir über- Aspekte eingehen: Können wir das Netz schnell ge- prüfen die parallele Nutzung von Ersatzleitungen, um damit bestehenden Leitungen mehr Kapazität 110 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume Dr. Robert Habeck) zu ermöglichen. Wir forcieren den Einsatz von Meine Damen und Herren, ich habe mich an den neuen Netztechnologien, eine leistungsfähige Be- Bundeswirtschaftsminister gewandt und ihn gebe- teiligung, ein Echtzeitmonitoring zum Auslastungs- ten, uns wie in Niedersachsen die Möglichkeit ein- grad der Netze. Außerdem brauchen wir mehr Klar- zuräumen, auch 380-kV-Leitungen als Test erdzu- heit über den Umfang von Abregelungen und Ent- verkabeln. Seine Antwort liegt seit vorgestern auf schädigungen, um zielgenau mit unseren Maßnah- dem Tisch, und sie ist negativ. In aller Deutlichkeit: men einsetzen zu können. Schließlich brauchen wir Etwas anderes habe ich und hat, ich glaube, nie- auch lokale Systeme, um vor Ort abgeregelten mand von uns hier im Parlament und bei den Bür- Strom sinnvoll nutzen zu können. All das betreiben gerinitiativen gesagt: Selbst wenn Philipp Rösler wir mit Hochdruck. anders entschieden hätte, hätte es sich höchstens um kurze Teilstücke für Erdverkabelung gehan- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) delt; denn die Technik ist noch nicht ausgereift. Vor allem aber sind wir dabei - und das ist das Ent- Deswegen werden die 380-kV-Leitungen als Frei- scheidende -, mit den Betroffenen unbürokratisch leitungen geplant und gebaut werden. Das steht und schnell die beste Lösung für den Bau der neu- nach der Entscheidung von Rösler endgültig fest. en Leitungen vor allem entlang der Westküste, Und trotzdem wird die Energiewende nicht an den dann schließlich aber auch in Ost-Holstein zu fin- Bürgern und Bürgerprotesten scheitern, weil ohne den. Die sich daran anschließende logische Frage Netzausbau die Alternative am Ende ist: Wieder- lautet also: Soll man aufgrund dieser Herausforde- einstieg in die Hochrisikotechnologie Atom oder rungen die Energiewende aussetzen? Und die Ant- klimaschädliche fossile Kraftwerke oder CCS und wort ist: Nein. CO2-Verpressung. Wir kämpfen gegen jede Kilowattstunde, die nicht Sicher werden also am Ende nicht alle glücklich ins Netz aufgenommen wird. Aber lassen Sie mich sein. Aber alle sollen dann wenigstens wissen, dass auch die Verhältnisse klarstellen. Schleswig-Hol- es ein faires, transparentes und offenes Verfahren stein erhält durch die EEG-Einnahmen nur aus gab und dass jeder andere Trassenverlauf schlechter den Vergütungen 1 Milliarde € jährlich. Dazu kom- abgeschnitten hat. men all die Wertschöpfungsketten, die wir hier im Meine Damen und Herren, der Netzausbau wird Land aufgebaut haben: Innovationen in der Tech- erst recht nicht am Naturschutz scheitern, siehe nik, Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze. Demgegen- Wattenmeer, wo es gelang, im Einvernehmen und über beträgt der Anteil der nicht erbrachten Arbeit mit Entgegenkommen der Naturschutzverbände ei- im Stromnetz am bundesweiten Gesamtaufkommen ne Trasse für die Seekabel zu finden mitten durch 0,02 % und belastet damit einen Vierpersonenhaus- den Nationalpark. Das soll erst mal einer nachma- halt bundesweit mit 0,02 ct. im Monat. Selbst wenn chen. Hier in Schleswig-Holstein kann sich also wir deutlich mehr Strom nicht aufnehmen können, Philipp Rösler anschauen und sehen, dass er Un- wogegen wir ankämpfen, erwächst daraus kein star- recht hat, wenn er von eigenen Unzulänglichkeiten kes Argument, die Energiewende nicht umzusetzen. ablenken will, indem er wieder auf den Naturschutz (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zeigt. vereinzelt SPD) (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Damit bin ich bei der zweiten Frage, der Frage des SPD) Netzausbaus und der Bürgerproteste. Meine Da- Der Netzausbau muss laut Gesetz dem Tempo der men und Herren, nach vielen Gesprächen im Land Erneuerbaren folgen. Dass er das bisher nicht tat, und einer Kaskade von kommenden Gesprächen in ist erstens das Versäumnis der Vergangenheit und den nächsten Tagen, Wochen und Monaten kann zweitens kein Zufall. Vor dem Unbundling - das ich sagen: Weder die Energiewende noch der Netz- wird man mindestens sagen können -, der Entflech- ausbau werden durch die Bürgerbeteiligung grund- tung von Erzeugung und Netzbetrieb, wurde der sätzlich infrage gestellt. Netzausbau absichtlich verzögert, weil weniger (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE Windstrom mehr Atomstrom bedeutete. Der unter- GRÜNEN) lassene Netzausbau sollte die Energiewende verhin- Ja, es gibt lokale Betroffenheiten, und die kann ich dern. Wir würden dieser Strategie nachträglich zum oft nachvollziehen, und es gibt natürlich wie immer Erfolg verhelfen und sie nachträglich adeln, wenn Totalverweigerung, die ich nicht gut nachvollzie- wir sie uns jetzt, nachdem die Energiewende end- hen kann, aber auch zur Kenntnis nehme. lich beschlossen ist, zu eigen machten. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 111

(Minister für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume Dr. Robert Habeck)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD Präsident Klaus Schlie: und SSW) Die Landesregierung hat die angekündigte Redezeit Jetzt - ich bin sehr froh, das sagen zu können - sind um viereinhalb Minuten überschritten. Diese Rede- TenneT und E.ON dabei, die Verzögerungen von zeit steht nun auch allen anderen Fraktionen zur damals aufzuholen, und zwar mit gutem Willen, Verfügung, sie muss aber nicht in Anspruch ge- glaube ich, und im Lichte der Erkenntnis, dass sie nommen werden. hier in unserem Land die Chance haben, einmal zu Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Vor- zeigen, dass sie es können und dass sie es wollen. sitzende der CDU-Fraktion, Herr Abgeordneter Jo- Bremsen wir sie doch nicht dabei. Denn Verzöge- hannes Callsen. rungen holt man nicht auf, indem man das Tempo vom Langsamsten bestimmen lässt, sondern indem man dem Langsamsten auf die Beine hilft und ihm Johannes Callsen [CDU]: auch mal Feuer unter den Mors macht. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allge- Meine Damen und Herren, die Energiewende ist mein wie immer, dünn wie immer, ideologisch kein grünes, kein rotes, kein schwarzes, blaues oder überladen wie immer; Herr Dr. Habeck, etwas gelbes Projekt, sondern sie ist längst zu einem ge- Freundlicheres kann ich zu dieser Regierungserklä- sellschaftlichen Projekt geworden. Das ist sie gera- rung nicht sagen. de und vor allem in Schleswig-Holstein, dem Land (Widerspruch SPD und BÜNDNIS 90/DIE der erneuerbaren Energien, dem Land, das meerum- GRÜNEN) schlungen durch den Klimawandel bedroht ist wie kein zweites in der Bundesrepublik, dem Land, in Diese Regierungserklärung hat den einzigen dem sich die Konfliktlinien der Energiepolitik wie Zweck, zu überdecken, dass Sie bisher nichts in die Brokdorf, Krümmel, Brunsbüttel, Kohlekraftwerks- Suppe zu bröckeln haben - weder zur Energiewende noch zu einem anderen Thema. neubau oder nicht, CO2-Verpressung kreuzen wie in keinem zweiten, aber auch dem Land, das der (Beifall CDU und FDP) ökologischen Bedrohung kontern kann mit einer Wir, die CDU und die vorherige Landesregierung, verheißungsvollen, ökologisch verträglichen und hatten und haben einen Plan mit dem klar definier- ökonomisch ertragreichen und erfolgreichen Per- ten Ziel, bis 2020 die Energiewende in Schleswig- spektive. Die Erneuerbaren sind der Wachstums- Holstein sozialverträglich, ökologisch und ökono- motor einer neuen Wirtschaft. Die Energiewende misch sinnvoll umzusetzen. Ich bin sicher, dieser hat einen gewaltigen ökonomischen Hebel. Sie ist Ansatz wäre für unser Land besser gewesen als Ihr der Jobmotor für dieses Land, sie ist der Jobmotor Fabulieren und Ihr Aktionismus. Herr Minister, Ih- der Gegenwart und der Zukunft. re Regierungserklärung ist nichts anderes als eine Inzwischen gibt es eine auch hier im Haus partei- Ansammlung von ideologisch beeinflussten Vor- übergreifende Erkenntnis: Die Energiewende ist die stellungen und Wunschträumen, wie wir sie von Ih- Jahrhundertchance für Schleswig-Holstein. nen bereits aus den vergangenen Jahren kennen. Es (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD waren keine neuen Ideen dabei. Es gab keine neuen und SSW) Visionen für unser Land, die - wie von Ihnen ange- kündigt - unser Land voranbringen sollen. Wer sie schlechtredet oder die Argumente nicht zur Kenntnis nimmt, der redet Schleswig-Holstein (Beifall CDU und FDP) schlecht. Wenn Sie sagen, Sie wollen Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteins Energie ist erneuerbar. Das ist zum Vorreiter der Energiewende machen, dann sa- ein normativer Satz. Aus diesem folgen alle Ar- ge ich: Das sind wir bereits, weil die alte Landesre- beitsaufträge für mich, für die Landesregierung, für gierung sehr schnell und umsichtig unsere Positio- dieses Parlament. Die Verantwortung dafür kann nen im Standortwettbewerb der erneuerbaren uns niemand abnehmen, aber die Verantwortung Energien ausgebaut hat. Wir waren es, die die Aus- dafür soll uns auch niemand abnehmen. weitung der Windeignungsflächen vorangebracht haben. (Starker, lang anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW) (Serpil Midyatli [SPD]: Ja?) 112 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Johannes Callsen)

- Frau Kollegin, ich bin noch bei einem ganz ande- (Beifall CDU) ren Thema. Ich weiß, dass Sie auf Stichworte rea- Wie man die Bürger frühzeitig einbindet, mussten gieren. Lassen Sie mich aber bitte weiter ausführen. Sie schmerzhaft am Beispiel der Windeignungsflä- Wir waren es, die die Ausweitung der Windeig- chen von Schwarz-Gelb lernen. Herr Kollege Mat- nungsflächen vorangebracht haben. Es waren nicht thiessen und Herr Dr. Habeck, was haben Sie uns die SPD und die Grünen. im Mai nicht noch alles dahin gehend erklären wol- len, wie man die Ausweisung schneller umsetzen (Beifall CDU) kann. Das geschah aus Überzeugung, weil es Sinn macht, (Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Windstrom dort zu produzieren, wo der Wind auch NEN) weht. Sie haben uns einen Plan in Form einer Pressemit- (Wortmeldung Abgeordneter Detlef Mat- teilung zukommen lassen und darin verlauten las- thiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) sen, wir würden auf der Bremse stehen. Nichts von - Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu. Ich kom- alledem hat sich als wahr herausgestellt. Es hat sich me aber noch zu Ihnen, Herr Kollege. Ihre Aufga- auch nicht herausgestellt, dass Sie Ihren eigenen be, also die Aufgabe der neuen Landesregierung, Plan hätten umsetzen können, denn auch Sie muss- wird es sein, gemeinsam mit der Bundesregierung ten feststellen, dass die Bürger zweimal beteiligt und den anderen Bundesländern einen Masterplan werden müssen und dass das Verfahren, wie wir es für die Energiewende zu erarbeiten, denn die Ener- durchgeführt haben, schnell, rechtssicher und vor giewende kann nur gemeinsam von Bund und allem bürgerfreundlich war und ist. Ländern vollzogen werden. (Beifall CDU - Serpil Midyatli [SPD]: Damit komme ich zu einem Thema, das uns auch Schnell?) hier im Haus oft bewegt hat und von dem ich der - Sie haben es neulich bestätigt. Natürlich sind Sie Überzeugung bin, dass es keine Fraktion in diesem bei unserem Zeitplan geblieben, die Ausweisung Haus in Schleswig-Holstein will. Das ist das Thema der Eignungsflächen auf 1,5 % der Landesfläche CCS. Sie, SPD, Grüne und SSW, haben den Men- bis zum Ende dieses Jahres abzuschließen. Hier schen vor der Wahl vorgemacht, ein Totalverbot wurde bislang gar nichts beschleunigt. Das hätten sei möglich. Sie sind mit dieser Forderung sowohl Sie vor der Wahl eingestehen sollen. Ich sage: Ent- in der SPD als auch bei Ihren rot-grünen Partei- weder waren Sie wirklich schlecht informiert, oder freunden im Bundesrat kläglich gescheitert. Sie haben die Kommunen und die Planer verschau- (Beifall CDU) kelt. Beides wäre schlimm. Stattdessen ist eine Länderklausel herausgekom- (Beifall CDU und FDP) men, die leicht hinter dem zurückbleibt, was die Dass Ihnen diese Situation nicht gefallen hat, konn- CDU-geführte Landesregierung schon verhandelt te man spätestens Ihrem hilflosen Brief an die hatte. Das, was Sie jetzt als große Neuerung ankün- Kommunen zur Vorabausweisung von Windeig- digen, nämlich das Landesgesetz mit dem Totalver- nungsflächen entnehmen. Die kommunalen Emp- bot, ist nichts anderes als das, was von uns schon fänger wussten nicht, ob sie lachen oder weinen vorgesehen war. sollten. Das Einzige, was Sie dort erreicht haben, Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Dr. Habeck, ist, dass eine Vorfestlegung zulasten Dritter er- ich habe mir gestern noch einmal Ihr großartig an- folgt, nämlich eine Vorfestlegung auf das Risiko gekündigtes 100-Tage-Programm angesehen. Dort der Kommunen hin. Sie als Minister haben die Lan- steht zum Thema Energiewende, dass die Zustän- desplanung, für die Sie gar nicht zuständig sind, aus digkeiten in einem Ministerium gebündelt werden der Pflicht genommen. Das ist keine rechtssichere sollen, um diese Energiewende mit Schwung voran- Politik. Das ist Effekthascherei zu Lasten Dritter. In zubringen. Dass die wichtige Landesplanung trotz der Windbranche weiß man nicht, ob man lachen dieser Ankündigung in der Zuständigkeit der oder weinen soll. Staatskanzlei geblieben ist, liegt wahrscheinlich (Beifall CDU und FDP) daran, dass man sich bei den Sozialdemokraten doch nicht in allen Bereichen über den Tisch ziehen Meine Damen und Herren, die Energiewende ist lassen wollte, wie das bei Infrastrukturprojekten für Schleswig-Holstein die Jahrhundertchance. Des- schon geschehen ist. halb hatte die alte Landesregierung bereits im Jahr Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 113

(Johannes Callsen)

2010 ein zukunftsweisendes Konzept beschlossen, Herr Minister, wir beglückwünschen Sie ebenso zu das unser Land auf den Weg zu einer der energieef- Ihrer großartigen Leistung der Einweihung eines fizientesten und umweltschonendsten Regionen der Umspannwerks in Büttel und einem Lücken- Welt gemacht hat. Deshalb wollten wir bis 2020 schluss im Netz von drei Kilometern. Wir beglück- doppelt so viel Strom aus erneuerbaren Energien wünschen Sie zu dem für Sie offensichtlich so ge- produzieren, als bei uns gebraucht wird. Das konn- waltigen Schritt in Richtung der Energiewende. Das ten Sie natürlich nicht auf sich sitzen lassen und ha- waren tolle Fotos und tolle Statements. Dass Sie ben dieses Ziel auf 300 % erhöht. Herr Kollege, Sie aber den Abschluss nur aus unserer Regierungszeit müssen wirklich aufpassen, dass Sie nicht zum An- geerbt haben, braucht man nicht näher zu kommen- kündigungsweltmeister werden. Sonst werden Sie – tieren. Ihr Meisterstück steht in der Tat noch aus. wie schon bei den Windeignungsflächen – gegen Wie schwierig dies in Teilen noch wird, hat Ihre die Wand laufen. Staatssekretärin in der vergangenen Woche in Pin- Wir begrüßen natürlich, dass Sie die Millionenför- neberg erlebt. Da passt es gut ins Bild, dass Sie die derung für die Offshore-Pier in Brunsbüttel frei- Westküste zur Wachstumsregion machen wollen. gegeben haben. Den Standort Brunsbüttel zum Off- Wachstumspolitik setzt aber eine schlüssige Infra- shore-Port auszubauen, ist schon unter Schwarz- strukturpolitik voraus. Diese hört eben nicht beim Gelb ein wichtiger Baustein des Hafenkonzepts Netzausbau auf. Dafür bedarf es einer Politik mit gewesen. Wir hören aber immer öfter, dass es auf Weitblick, bei der man sich nicht schon im Vorhin- See Probleme mit dem Anschluss der in den näch- ein seiner Optionen beraubt. sten zwei Jahren geplanten Offshore-Windparks Während unserer Regierungszeit sind in Schleswig- an das Übertragungsnetz gibt. Hier muss die Lan- Holstein über 8.000 Arbeitsplätze im Windener- desregierung einerseits bei den Versorgern Druck giesektor entstanden. Die HUSUM WindEnergy machen, andererseits muss sie die Voraussetzungen ist als Messe und als globale Leitmesse das Aus- für eine bürgerfreundliche Anlandung der Hoch- hängeschild der Windenergiebranche in der Welt. spannungskabel mit Netzanschluss schaffen. Diese Messe ist das Schaufenster für Innovationen Wir, die Bürger und die mittelständische Wirtschaft im Windenergiesektor, und sie ist ein innovativer in Schleswig-Holstein, brauchen bei der Umsetzung Arbeitsplatzmotor im Norden. Vor allem für die die Kooperation. Wir schaffen das nur gemeinsam. SPD ist die Diskussion über diese Messe kein Ruh- Die Menschen im Land stehen im Mittelpunkt. Oh- mesblatt gewesen. Das wissen wir. Wir erinnern ne sie wird das nichts. Deshalb brauchen wir eine uns an das Zieren und Zaudern in der SPD, als es frühzeitige Bürgerbeteiligung an der Planung und um die Abwerbeversuche aus Hamburg ging, die der Umsetzung des Netzausbaus. Deshalb ist die als klug und gut bezeichnet wurden. Weil Sie in Möglichkeit zur Einrichtung von Bürgernetzen und dieser Frage auch gegenüber Hamburg keine klare Bürgerwindparks für uns so wichtig. Deshalb hatten Kante gezeigt haben, sondern alle wie immer ganz wir im Rahmen der Netzentwicklungsinitiative mit fest umarmen wollen, werden die Hamburger dies den Netzbetreibern und den Kommunen einen kon- weiter tun. kreten Fahrplan vereinbart. Schleswig-Holstein und Husum werden 2012 Gast- Herr Minister, ich danke Ihnen sehr für Ihre positi- geber von über 1.200 Ausstellern mit über 36.000 ve Bewertung der Freileitung Krümmel-Görries, Besuchern aus über 90 Nationen sein. Damit dies die auch ein Vorbild für die länderübergreifende auch in Zukunft so bleibt, muss dies Aufgabe dieser Umsetzung des Netzausbaus ist. CDU und FDP ha- Landesregierung sein, und daran darf es keinen ben diese in Schleswig-Holstein gemeinsam ver- Zweifel geben. wirklicht. Dies geschah im Übrigen gegen den Wi- (Beifall CDU und FDP) derstand von Bürgerinitiativen und den von Ihnen manchmal so geschätzten Umweltverbänden. Auch Denn die Alternative für Husum heißt nicht Ham- unsere Einrichtung von regionalen Dialogforen war burg, sondern Barcelona oder Rio de Janeiro. Sie richtig, um die Bürger frühzeitig in die Planung ein- als Landesregierung sind in der Pflicht, dass Ham- zubeziehen. Wir können uns beim Ausbau keine burg nicht auf Kosten des Nordens gerade Stand- Verzögerung erlauben. orte im Bereich der erneuerbaren Energien schä- digt. Gerade deswegen - das will ich auch sagen - (Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE hätten wir uns vom Ministerpräsidenten bei seinem GRÜNEN]: Zehn Jahre zu spät!) Hamburg Besuch ein klares Bekenntnis für die HU- 114 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Johannes Callsen)

SUM WindEnergy erwartet. Statt dessen gab es nur Damit verlieren die Unternehmen und auch die ein freundschaftliches Rumgeeiere. Menschen. Wir als Opposition werden sehr genau darauf achten, dass diese Energiewende nicht zum (Beifall CDU und FDP) Brotpreis des 21. Jahrhunderts wird. Wenn Sie Herr Ministerpräsident, wenn man die Interessen ei- schon von einer Börsensteuer sprechen, dann kön- nes starken Schleswig-Holsteins stark vertreten nen Sie gleich das Beispiel der Strombörse nehmen. will, dann ist das eindeutig zu wenig. Da nämlich wirkt besagte EEG-Umlage wie eine Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie Steuer auf den reinen Energiepreis. haben in Ihrem Koalitionsvertrag zur Westküste Der eigentliche Witz an Ihrem Verständnis von ebenfalls beschlossen, die A 20 nur bis zur A 7 zu Börsenpreisen ist, dass Sie die Strombörse mit ihrer bauen und das Steinkohlekraftwerk Brunsbüttel, Preisfindung offenbar gar nicht verstanden haben. das zur Absicherung des Industriestandortes Bruns- Darüber haben wir auch etwas gelesen. büttel als Ergänzungs- und Übergangslösung zur (Beifall CDU und FDP - Christopher Vogt Energiewende gedacht war, nicht bauen zu wollen. [FDP]: Das stimmt!) Damit wissen wir jetzt, was Sie nicht wollen. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Sie sich dort ein Was wir brauchen, ist die verstärkte Integration der Gaskraftwerk wünschen, im Übrigen die teuerste EEG-Anlagen in den Strommarkt. Diese Möglich- Art der konventionellen Energieerzeugung. Die bit- keit bietet das EEG schon heute. Das muss eines Ih- tere Wahrheit ist: Es ist bis jetzt nur ein Wunsch, rer Ziele sein, anstatt ständig mit dem Finger auf nichts als Träumerei, und von Träumerei allein die großen Vier zu zeigen, die sich am Ende nur an kommen keine Arbeitsplätze. Wir sind sehr ge- Recht und Gesetz im Rahmen der Möglichkeiten spannt, woher Sie die Alternativen bekommen bewegen. Auch ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, wollen. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Inve- die Börsenpreise auf den Rechnungen der Privat- storen, die Sie zunächst durch die Hintertür raus- kunden auszuweisen. Das wird ein spannender Ein- werfen, durch die Vordertür wieder freundlich her- zelverbindungsnachweis wie bei den Telefonrech- einkommen. nungen. (Beifall CDU und FDP) Herr Minister, Sie sprachen richtigerweise von 40 Millionen € volkswirtschaftlichen Schaden Bis jetzt bleiben sowohl die Kompensation als auch durch das Einspeisemanagement, ein Westküstenplan im Nebel. (Christopher Vogt [FDP]: Sie müssen viele Meine Damen und Herren, unsere kleinen und Bäume fällen!) mittelständischen Betriebe sind das Rückgrat un- serer Wirtschaft. Sie durch eine ideologisch überla- der in Schleswig-Holstein fast zu 100 % anfällt. Ich dene Energiepolitik mit unkalkulierbaren Risiken erinnere Sie deswegen an dieser Stelle gern daran, und Kostensteigerungen in ihrer Existenz zu bedro- dass Sie in der vergangenen Wahlperiode unserem hen, kann nicht unser Wunsch sein. Schon heute - Antrag zugestimmt haben, die Speicherung von er- wir haben eben etwas über Energiepreise gehört - neuerbaren Energien in Schleswig-Holstein wissen- werden über das Erneuerbare-Energien-Gesetz schaftlich begleitet voranzubringen. Hier erwarten 14 Milliarden € umverteilt. Das entspricht 3,6 Cent wir jetzt Taten. Wenn Sie beklagen, dass das pro Kilowattstunde oder umgerechnet auf das ganze Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht noch nicht Jahr, 125 € für einen Vierpersonenhaushalt. So, wie voll einsatzfähig ist, will ich Sie gern daran erin- das EEG heute ausgelegt ist, werden unsere mittel- nern, dass es SPD und Grüne waren, die mit der da- ständischen Unternehmen die Verlierer sein. maligen Regelung der Oberflächenwasserabgabe zur Unwirtschaftlichkeit dieses Kraftwerks beige- (Zuruf CDU: Genau!) tragen haben. Ihr Vorschlag, die Waschmaschinen für den Privat- (Beifall CDU und FDP) haushalt nur bei Wind einzuschalten, klingt interes- sant und charmant. Aber für einen Wirtschafts- Wir haben die Voraussetzungen geschaffen, dass standort und die Arbeitsplätze ist die Vorstellung, das Kraftwerk wieder arbeiten kann. dass nur bei Wind produziert wird, in der Tat ein Liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir brauchen Drama. schleunigst eine Diskussion darüber, wie wir die (Beifall CDU und FDP) Förderung in erneuerbare Energien zukünftig ge- stalten wollen, und wir brauchen schnellstmöglich Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 115

(Johannes Callsen)

Klarheit darüber, wie die Energiepolitik in Schles- Herr Minister Habeck, ich stimme Ihnen in einem wig-Holstein zukünftig konkret - ich betone: kon- weiteren Punkt zu, nämlich dass es keine Blaupau- kret - aussehen soll. Dies hier heute war nicht der sen für das gibt, was wir jetzt vor uns haben, sodass große Wurf. Wie ein gangbarer Weg aussieht, ha- Fehler und Korrekturen nötig sein werden, Über- ben CDU und FDP mit ihrem Integrierten Energie- zeugung zu leisten ist und es viele Widerstände zu und Klimakonzept für Schleswig-Holstein vorge- überwinden gilt. Da reicht die Palette vom allzu macht und vorgelegt. mächtigen Sankt-Florians-Prinzip bis hin zur Mus- kelkraft milliardenschwerer Energiekonzerne. (Lachen SPD) Es muss uns also gelingen, Tempo zu machen für Wenn Sie dieses Konzept zur Grundlage Ihres Han- die so dringend nötige Energiewende, und das delns machen, dann machen Sie auch keinen Fehler Lieblingsspiel der Vergangenheit: ,,Schuld sind im- bei der Umsetzung der Energiewende, die für mer die anderen“, dieses Schwarze-Peter-Spiel der Schleswig-Holstein eine Jahrhundertchance ist und Verantwortungslosigkeit, wie Sie es zu Recht ge- die wir ausdrücklich unterstützen. Vage Ankündi- nannt haben, muss abgelöst werden durch Mut, Ein- gungen und philosophische Betrachtungen aller- fallsreichtum und Konsequenz. Dafür ist diese Re- dings machen vielleicht die Landesregierung mit gierungserklärung der neuen Schleswig-Holstein- sich selbst zufrieden. Schleswig-Holstein kann da- Koalition ein sehr guter Anfang, meine sehr verehr- mit nicht zufrieden sein. ten Damen und Herren. (Beifall CDU und FDP) (Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) Präsident Klaus Schlie: Verehrter Herr Oppositionsführer, Sie sind ein sym- Für die SPD-Fraktion hat nun ihr Vorsitzender, pathischer Kollege, und ich nehme Sie in der Regel Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner, das Wort. in Schutz, wenn über Sie in der Zeitung berichtet wird. Aber wenn man Ihre Antwort hier heute ge- Dr. Ralf Stegner [SPD]: hört hat, muss man sagen, ist „Fehlstart“ eine sehr Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! freundliche Bewertung dessen, was Sie hier vorge- „Energiewende: Herausforderung und Chance für tragen haben. Das war wirklich einfallslos. Viel- Schleswig-Holstein - eine Eröffnungsbilanz“. Lie- leicht sollten Sie die Redenschreiber wechseln. Sie ber Herr Minister Habeck, schon mit dem Titel ha- haben entweder nicht zugehört, oder aber Sie haben ben Sie sehr genau beschrieben, worum es bei die- eine solch fantastische Politik betrieben, die die sem Thema geht. Wähler gar nicht bemerkt haben, als sie zur Wahl aufgerufen worden sind. Denn Sie sind abgewählt (Zuruf CDU: Genau!) worden, auch für Ihr Versagen in der Energiepoli- Sie haben die Dimension der Herausforderung er- tik. kannt, und ich beglückwünsche Sie namens meiner (Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Fraktion zu dieser starken Regierungserklärung, die NEN - Zuruf Abgeordneter Wolfgang Ku- ein deutlicher Ausdruck des Politikwechsels in bicki [FDP]) Schleswig-Holstein ist. Erst letzte Woche, gerade rechtzeitig vor unserer (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heutigen Landtagssitzung, hat der Bundesumwelt- und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Sie ha- minister Peter Altmaier seinen Zehn-Punkte-Plan ben Humor!) zur Energiewende vorgestellt. Sein ernüchterndes Sie haben völlig recht, wenn Sie unsere Aufgabe Fazit könnte einem glatt den Morgen verderben, beschreiben, die darin besteht, vorhandene Schwie- wenn wir nicht gerade die Regierungserklärung von rigkeiten zu überwinden und damit das Nichtstun, Robert Habeck als Gegenbild gehört hätten. Die die Schneckengeschwindigkeit oder - noch schlim- Quintessenz von Peter Altmaier heißt zusammenge- mer - den Versuch, Sand ins Getriebe zu werfen, zu fasst: beenden. Wir reden über harte Arbeit für den Fort- 1. Für den normalen Bürger wird die Energiewende schritt unserer Gesellschaft und einen richtigen und eigentlich viel zu teuer. Dagegen könne er aber lei- wichtigen Paradigmenwechsel gegenüber der Poli- der nichts tun. tik der Vergangenheit. 2. Eigentlich müsste alles viel schneller gehen. Doch auch dafür könne er nur wenig tun. 116 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Dr. Ralf Stegner)

Das Fazit von Robert Habeck war ein ganz anderes: gepfuscht: dem EEG. Dieses EEG war auch des- halb ein internationaler Erfolgsschlager, weil es 1. Es gibt viele Möglichkeiten, die Energiewende erstmals den Weg von der theoretischen Erkenntnis, zu beschleunigen; man muss sie nur ergreifen und dass die Zukunft bei den erneuerbaren Energien durchsetzen. liegt, zur praktischen Tat bewirkt hat. 2. Wenn wir es richtig machen, wird die Energie- Hier hat sich der leider viel zu früh verstorbene so- wende auch für alle bezahlbar. zialdemokratische Kollege und Freund Hermann Das ist ein wirklicher Unterschied zwischen der Po- Scheer große Verdienste erworben. Ich empfehle litik in Berlin und der, die in Schleswig-Holstein Ihnen dessen posthum veröffentlichtes Buch „Der jetzt die Mehrheit hat. energetische Imperativ“ sehr zur Lektüre, weil man (Zuruf Abgeordneter Christopher Vogt da etwas darüber lernen kann, wie Energiewende [FDP]) funktioniert, wie das mit dem EEG wirklich ge- meint war und warum das weltweit kopiert worden Warum gibt es diese Differenz, wo doch angeblich ist, anders, als Sie das heute darstellen. alle die Energiewende wollen? - Missverstehen Sie mich nicht. Ich werfe Ihnen weder bei diesem noch (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei anderen Themen vor, dass Sie heute das für und SSW) richtig erklären, was Sie gestern noch entschieden Klar wird die im EEG angelegte Umlage teurer, bekämpft haben. Das finde ich in Ordnung. Im Ge- wenn ich immer mehr Stromverbraucher davon be- genteil: Die Vernunftbegabtheit der Menschen ist freie. Dafür profitieren dieselben Unternehmen unerschöpflich, und jeder, der dazu lernt, verdient dann gleich doppelt von den an der Strombörse ge- Lob und nicht Kritik. Also, das ist es nicht. fallenen Strompreisen. Worin liegt also der Unterschied? - Ich fürchte, Herr Rösler war ja am Montag bei seinem Besuch man kann es für Sie auf der rechten Seite dieses in Kiel sehr deutlich. Er redete vom „süßen Gift“, Hauses so zusammenfassen: Das mit der Energie- ohne das die Nischenprodukte erneuerbare Energi- wende wollen wir und können das auch. Bei en ja gar nicht aus der Nische herausgekommen Schwarz-Gelb muss man da starke Zweifel haben. wären. Wo sie eigentlich hingehören, muss man (Christopher Vogt [FDP]: Werden wir se- sich da fragen, oder was wollte uns der Künstler da- hen!) mit eigentlich sagen? Zumindest für die FDP und ihren famosen Bundes- (Christopher Vogt [FDP]: Herr Stegner, Sie wirtschaftsminister und Parteivorsitzenden, Herrn waren gar nicht da!) Rösler, ist es auf Bundesebene recht eindeutig: Un- Er trifft ausnahmsweise einmal den Kern, wenn ter dem ordnungspolitischen Deckmäntelchen, das auch mit den falschen Schlussfolgerungen. Reform die Marktwirtschaftspartei FDP übrigens nicht da- beim EEG ja, wo nötig - auch der Minister hat hier von abgehalten hat, Steuerausnahmen für den Ho- gesagt, dass man das tun muss -, aber ohne das telbereich durchzusetzen und jetzt auch noch zu kri- EEG, ohne ordnungspolitische Rahmensetzungen tisieren, dass wir das zurücknehmen wollen. gibt es keine Energiewende. Wenn die FDP das al- (Christopher Vogt [FDP]: Ja endlich! Sehr les nicht will, will sie auch keine Energiewende. gut! Fünf Minuten - neuer Rekord!) Das muss hier klar festgestellt werden. Dann liegt da eben doch ein Unterschied zwischen uns und Ih- Aber auf dem Energiesektor verhindern Sie drin- nen. gend notwendige und wirksame ordnungspolitische Maßnahmen. Das beginnt bei den Verzögerungen (Wolfgang Kubicki [FDP]: Lassen Sie sich bei der europäischen Energieeffizienzrichtlinie und das von Herrn Steinbrück erklären!) geht über die Tatenlosigkeit bei der energetischen Für dieses Ziel wird dann blockiert und das Credo Gebäudesanierung weiter. Die großen traditionellen der angeblich funktionierenden Märkte propagiert. Energiekonzerne, meine sehr verehrten Damen und Was hier wirklich nicht funktioniert, sind die Herren, freut das bestimmt. Denn die wollen Ener- Märkte. Da muss eingegriffen werden, und das gie verkaufen, und zwar möglichst teuer und mög- muss ein handlungsfähiger Staat tun. lichst viel. Das ist der Punkt, um den es hier geht. (Vereinzelter Beifall SPD) Stattdessen wird lieber am bisher am besten funk- Klar werden der Strom beziehungsweise die Ener- tionierenden Instrument der Energiewende herum- giekosten für den Einzelnen teurer, wenn wir es Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 117

(Dr. Ralf Stegner) nicht schaffen, das Energiesparen und die Energie- (Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS effizienz mit aller Konsequenz in die Tat umzuset- 90/DIE GRÜNEN) zen. Bei Energiesparen und Energieeffizienz gibt es Herr Kollege Callsen, ich will Ihnen jetzt belegen, viel mehr Möglichkeiten. Statt aber endlich ein ver- wenn man sich auf vergangene Leistungsbilanzen nünftiges Angebot an die Länder für die energeti- bezieht, dass man das auch mit Fakten tun kann sche Gebäudesanierung zu machen, will die Bun- statt mit Andeutungen, die niemand versteht. Ein desregierung den Ländern in die Tasche greifen. zentraler Eckpfeiler für die Energiewende ist und Der zweifellos sehr sympathische neue Umwelt- bleibt die Erzeugung von Strom mit regenerati- minister Altmaier verweist lakonisch auf die Ener- ven Energien. Das haben wir von 1988 bis 2005 gieberatung, die übrigens Ländersache ist. Wenn unter sozialdemokratischer Führung in Schleswig- das alles ist, was Ihnen dazu einfällt, dann sieht es Holstein mustergültig geschafft, als wir den Anteil zappenduster für die Energiewende aus. erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung von (Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ 0,05 % in Richtung 40 % gesteigert haben. Das ha- DIE GRÜNEN und SSW) ben wir getan. Sie sehen also, mit politischer Kom- petenz und entschlossenem Handeln ist diese Ener- Das ist alles eher ein Eingeständnis des Scheiterns giewende möglich. Genau das Gegenteil dessen, als der Plan der Bundesregierung für die notwendi- wofür Sie hier heute eingetreten sind. ge Energiewende. (Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Den famosen Plan, den Herr Callsen eben darge- NEN) stellt hat, den die vorherige Regierung angeblich hatte, müssen Sie uns verheimlicht haben. Davon Herr Kollege Callsen, damals hat die CDU behaup- habe ich nie etwas gehört, gemerkt hat man davon tet: Wenn ihr das macht, gehen in Schleswig-Hol- schon gar nichts, umgesetzt worden ist davon stein die Lichter aus. Die Lichter brennen immer nichts. Sie haben ja gerade eben die Planungszeiten noch, und wir haben das vorangebracht. So wird gehört, die Herr Habeck vorgetragen hat. Es hieß das auch in der Zukunft sein. Sankt-Nimmerleins-Tag. Sankt-Nimmerleins-Tag Auch wenn die Herausforderungen anspruchsvoller war das Programm Ihrer Energiewende. Wir wollen geworden sind - das will ich nicht bestreiten -, gibt das ändern. es keinen Grund zu verzagen. Dennoch schafft es (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die gesamte Bundesregierung bei diesem Thema und SSW - Zurufe FDP) doch tatsächlich, mit dem Verwirrspiel um die So- larförderung und mit der Diskussion um das EEG Ich sehe die Schuld aber keineswegs nur bei der ausschließlich negative Zeichen zu setzen. FDP. Solange unser Supermann aus Schleswig- Holstein noch nicht im ist - nein, Herr Daneben gelingt es ihr augenscheinlich nicht, bei Kollege Callsen, ich meine nicht Ihren Ex-Energie- dem notwendigen Pendant zur Erzeugung von er- minister und CDU-Kollegen, sondern ich meine neuerbaren Energien, dem Ausbau der Netze, den Möchtegern-Ampel-Finanzminister -, ist das einen vernünftigen Rahmen vorzugeben. Im Gegen- mit der Koch- und Kellner-Verteilung in der Bun- teil! Statt den Ausbau der Netze voranzubringen, desregierung offenbar eindeutig. Die Union ist die will Herr Altmaier lieber den Ausbau der erneuer- stärkste Kraft in der Bundesregierung, stellt den baren Energien dort stoppen, wo er am günstigsten Umweltminister, aber außer der Beratung fällt dem ist: hier im Norden. Das ist doch wirklich gaga. Das wenig ein, die FDP steht auf der Bremse. Halb zog Gegenteil muss passieren. Aber wer legt sich schon es sie, halb sank sie hin - so könnte man die Politik gern mit dem Süden an? der Union bei der Energiewende beschreiben. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Und dem We- Das Mantra, das ich aus Berlin immer höre, „Wir sten!) wollen die Energiewende wirklich“, erinnert mich Die Regierungserklärung von Robert Habeck weist immer an die Beteuerungen von Fußballclubs, den Weg in die richtige Richtung, den wir gehen wenn sie sagen, sie stünden fest hinter dem Trai- können und gehen sollten, nein, gehen müssen . Es ner.- Das machen sie kurz vor der Entlassung. Ge- wäre wahrer Patriotismus, wenn dieses Haus ihn nau das hört man von Ihnen, wenn Sie über die bei diesem Weg entschlossen und geschlossen un- Energiewende reden. Sie wollen das offenbar terstützen würde. nicht, Sie können sich nur nicht leisten, das öffent- lich zuzugeben. Das ist der Unterschied. (Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Zurufe FDP) 118 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Dr. Ralf Stegner)

Lieber Kollege Habeck, nicht nur linken Patriotis- Durch den Ausstieg aus dem Ausstieg, dem unseli- mus - was Sie in Ihrem Buch gefordert haben -, gen Atomdeal von , haben wir wert- sondern Patriotismus des gesamten Hauses könnten volle Jahre verloren, die uns noch teuer zu stehen wir in der Energiepolitik gern haben. kommen werden. Das muss man leider feststellen. Umso entschlossener muss jetzt vorangegangen (Zurufe FDP) werden. Auch bei der Abwicklung der Atomenergie Herr Kollege Vogt, ich bin da allerdings entgegen muss das besser und schneller gemacht werden, als meinem Naturell nicht sehr optimistisch. Da ja un- Schwarz-Gelb das will. Das will ich hier ausdrück- sere neue Landesregierung schlechterdings die Ber- lich festhalten. Da ist manche Verbesserung mög- liner Geschäfte nicht einfach auch noch überneh- lich und nötig. men kann, müssen wir wohl darauf setzen, dass die Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gebe Bürgerinnen und Bürger den Politikwechsel auch die Hoffnung nicht auf, dass wir uns auf eine zwei- auf Bundesebene herbeiführen und dass die te Grundlage einigen könnten: Schleswig-Holstein schwarz-gelbe Abwahlserie über Hannover nach kann und muss von der Energiewende profitieren. Berlin verlängert wird. Wir sollten das Land zwischen den Meeren, das Ich glaube, wir könnten uns hier immerhin auf eine Vorzeigeland, das Musterland, das Vorbild für die Erkenntnis verständigen. - Energiewende werden. Wir sind doch, wenn wir es (Wolfgang Kubicki [FDP]: Das glaube ich richtig anfangen, der Energieversorger der gesam- nicht!) ten Republik mit sauberer, erneuerbarer Energie, mit Wertschöpfung vor Ort, mit innovativen Klein- - Warten Sie doch den Satz ab! Intellektuell traue unternehmen, aber auch durchaus mit neuen Chan- ich es Ihnen zu, dass Sie dem Satz, von allein cen für unsere Werften und ihre hochqualifizierten kommt die Energiewende nicht, zustimmen können. Belegschaften, mit Speichertechnik auf Weltklasse- Mehr wollte ich von Ihnen gar nicht, intellektuell niveau, mit Bürgerbeteiligung an den Netzen. Kurz: sehr bescheiden. Das schaffen Sie! Wir könnten ohne die großindustrielle Konnotation (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki das für die Republik werden, was das Ruhrgebiet [FDP]) nach dem Zweiten Weltkrieg in Sachen Energiever- sorgung gewesen ist. Damit meine ich: Frischer Von allein kommt die Energiewende nicht. Wir ha- Küstenwind für Schleswig- Holstein statt Las-Ve- ben uns in unserem Koalitionsvertrag das Ziel ge- gas-Wüstensturm, den Sie bisher für richtig hielten. setzt, bis 2020 in Schleswig-Holstein 300 % des er- Das wäre die richtige Antwort, die wir geben kön- neuerbaren Stroms des theoretischen Verbrauchs zu nen und sollten. produzieren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Um dies zu erreichen, gilt: Erstens brauchen wir mehr erneu- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erbare Energien, zweitens brauchen wir mehr Net- und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Endlich ze, drittens brauchen wir mehr Energieeffizienz, das Glücksspiel! - Zuruf Abgeordneter Wolf- Energieeinsparung und Energiespeicherung. gang Kubicki [FDP]) Das stellt der Markt allein so nicht her. Teilweise Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir tut er sogar genau das Gegenteil. Schleswig-Holsteiner waren einmal Vorreiter, und wir haben große Potenziale. Leider sind wir in den (Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie sollten eine letzten Jahren deutlich zurückgefallen. Das muss Firma gründen!) sich wieder ändern, dazu müssen die Bürgerinnen Die derzeitigen Marktverhältnisse führen nicht zu und Bürger, die Unternehmen und Betriebe, die einer rechtzeitigen Energiewende, hin zu einer si- Kommunen und das Land zusammenarbeiten - of- cheren, in doppelter Bedeutung sicheren, nachhalti- fen, vertrauensvoll und solide. gen und bezahlbaren Energiewende. Deswegen ha- Lieber Robert Habeck, auch der Ton Ihrer Regie- ben wir inzwischen alle gemeinsam den Ausstieg rungserklärung, zu sagen, dass man auch Fehler aus der Atomenergie festgeschrieben und die unsi- mache und bereit sei, mit allen offen darüber zu re- chersten Atomkraftwerke abgeschaltet. Damit sollte den und eine neue Kultur des Dialogs zu pflegen, endlich eine höchstgefährliche Ausweichlösung ist ein guter Anfang dafür, verbaut werden. Wer weiter Strom produzieren und verkaufen will, muss sich etwas anderes suchen. (Zuruf FDP) wenn man möchte, dass man gemeinsam mit ande- ren etwas hinbekommen möchte, die ja mitmachen Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 119

(Dr. Ralf Stegner) müssen, wenn wir zum Erfolg kommen wollen. richtig machen und nicht zögern, sondern mit aller Wenn Sie nicht mitmachen wollen, ist das zwar Kraft vorangehen. nicht schön, aber gebraucht werden vor allem dieje- Das ist eine Wachstumsstrategie. Ehrliche gute Ar- nigen draußen im Lande, mit denen wir umgehen beit in Zukunftsbranchen ist eine Wachstumsstrate- müssen, die Unternehmen, die Beschäftigten, die gie, und Wachstumsstrategie ist nicht das, was wir Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen, damit das derzeit in England erleben und was uns neuerdings alles klappt. die Oppositionsparteien in diesem Haus immer wie- (Beifall Olaf Schulze [SPD] - Wolfgang Ku- der vortragen. bicki [FDP]: Dann mal los!) Ich appelliere deshalb an die Opposition, bei ihren Deswegen fördern wir die Windenergie mit all den Parteifreunden in Berlin bis zum Regierungswech- vielen Vorteilen für Windmüller und Kommunen. sel mitzuhelfen, dass dieser Weg auch tatsächlich Deswegen fördern wir natürlich die möglichst de- funktioniert und wir nicht ein weiteres kostbares zentrale Kraft-Wärme-Kopplung, weil wir dringend Jahr verlieren. Wir dürfen kein Jahr mehr verlieren. eine bessere Energieeffizienz brauchen. Gerade Wir haben keine Zeit mehr, sondern wir haben eine deshalb machen Kohlekraftwerke ökologisch und große Aufgabe zu lösen. Ich appelliere außerdem ökonomisch keinen Sinn. Kohle in Brunsbüttel an die Unternehmen, die sich bietenden Chancen rechnet sich eben nicht. Das wissen auch die Betrei- beherzt zu ergreifen. Ich appelliere an die Bürgerin- ber. Da können Sie noch so viele Anträge schrei- nen und Bürger, sich einzumischen und mitzureden. ben. Gegen die Wirklichkeit lässt sich auf Dauer Bürgerbeteiligung ist für uns übrigens nicht Kür, keine Politik betreiben, meine sehr verehrten Da- sondern Pflicht. Das will ich hier ausdrücklich sa- men und Herren. gen. Bürgerbeteiligung und Transparenz sind not- wendig, schnelle Entscheidungen aber auch. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Abgeordneter Uli König [PIRA- Wir fördern dezentrale Energieerzeugung und - TEN]) verteilung, damit wir mit möglichst vielen Kräften an der Energiewende arbeiten können, um effizien- Nicht mosern oder meckern, sondern mitmachen ter und bürgernäher zu sein und um nicht mehr so und mitgestalten sollte die Devise sein. Ich lade die sehr von irgendwelchen fremddefinierten Konzern- Oppositionsparteien im Landtag ausdrücklich ein, zielen großer Energieunternehmen abhängig zu einmal ihre Perspektive zu wechseln und sich ein- sein. Deshalb fördern wir - wie mit dem Pakt mit mal an dieser Devise zu versuchen. den Wohnungsbauunternehmen geschehen - die Die Koalition von SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gebäudesanierung und nutzen diese große Chan- NEN und SPD ist die Koalition der Energiewende. ce, um die Nebenkosten gerade für Mietwohnungen Wir haben ein Konzept und keine Scheu, die not- zu senken. Davon profitieren alle, nämlich das wendigen Mittel dafür einzusetzen. In der Folgepe- Handwerk, das Arbeit hat, die Bürgerinnen und riode der Strukturfondsförderungen ab 2014 werden Bürger, die am Ende weniger bezahlen müssen, und wir den Schwerpunkt neben Bildung konsequent klimaverträglich ist das auch. Es ist sträflich gewe- auf Energiewende und Klimaschutz legen. Im sen von Ihnen, das auch noch zu kürzen, anstatt für Wahlkampf haben wir übrigens angekündigt, dass eine vernünftige Verbesserung zu sorgen. wir das tun. Wir werden einhalten, was wir verspro- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN chen haben, und zwar nicht nur in diesem Bereich, und SSW) sondern auch in anderen Bereichen. Deshalb fördern wir etwas, was bisher vernachläs- (Vereinzelter Beifall SPD) sigt worden ist, nämlich die Speichertechnologie, Wir wollen bei den Ausgaben für die Energiewende die neben dem Netzausbau ein Schlüssel der Ener- und den Klimaschutz in den Programmen zur Wirt- giewende sein wird. schaftsförderung (EFRE) und zum ländlichen Raum Da muss Forschung, da muss Unternehmergeist, da (ELER) deutlich über die Zielvorgaben der Euro- muss Wertschöpfung stattfinden. Ich sage Ihnen: päischen Kommission hinausgehen. Schleswig-Holstein profitiert in vielfältiger Weise Wir haben eine Perspektive für ein lebenswertes von der Energiewende. Wertschöpfung, Gewer- und produktives Land, das Vorreiter ist bei den er- besteuereinnahmen, Arbeitsplätze. All das ist hier neuerbaren Energien und von dieser Vorreiterrolle entstanden, all das kann mehr werden, wenn wir es deutlich profitiert. 120 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Dr. Ralf Stegner)

Übrigens entspricht es dem volkswirtschaftlichen (Christopher Vogt [FDP]: Und die Steuerein- Einmaleins, dass alles, was knapp ist, teuer ist - die nahmen!) fossilen Energieträger sind knapp -, und dass all Die Politikwende ist bei dieser Landesregierung gut das, was wir in Hülle und Fülle haben, nämlich aufgehoben. Das gilt von der Bildungspolitik bis Wasser, Wind und Sonne, billiger ist. Das ist jedem zur Energiepolitik. Herr Energieminister, bei die- begreiflich zu machen. Dass Sie das nicht verstehen sem Kurs werden Sie die SPD-Landtagsfraktion an wollen, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ihrer Seite haben. Die Energiewende ist in der Tat Das ist simples volkswirtschaftliches Einmaleins. eine Jahrhundertchance für Schleswig-Holstein. Man kann noch so kenntnisreich über Strombörsen Wir sollten sie beherzt ergreifen. Das ist die Ver- daherreden, aber an diesem Grundsatz ändert das antwortung, die wir übernehmen müssen und über- überhaupt nichts. Das müssen wir nur begreifen nehmen werden, meine sehr verehrten Damen und und für uns nutzen, meine sehr verehrten Damen Herren. und Herren, und wir werden das tun. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) und SSW) Wir haben Konzepte, um den Strompreis dauerhaft Präsident Klaus Schlie: bezahlbar halten zu können. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass wir das auch müssen, Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE weil wir uns keine Energiepolitik leisten können, GRÜNEN hat deren Vorsitzende, die Abgeordnete die nur die Privilegierten gut finden. Das ist ein we- Eka von Kalben. sentlicher Punkt. Auch die Mieter müssen den Strom bezahlen können, nicht nur der, der es sich Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: leisten kann, sich einen Sonnenkollektor aufs Dach Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die setzen zu lassen. Wir wollen, dass Normalverdiener Idee, Energie aus der Kraft der Sonne, des Wassers das bezahlen können. und des Windes zu gewinnen und auf gefährliche Statt über das EEG zu jammern - lieber Robert Ha- und umweltschädliche Technologien wie Atom und beck, dabei stimme ich Ihnen ausdrücklich zu - und Kohle zu verzichten, gehört zu den Gründungsidea- die Leute zu bedauern, weil der Strom teurer wird, len der grünen Partei. Ich muss bekennen, dass es hätten wir die Opposition lieber an unserer Seite, mich stolz macht, dass wir nach mehr als drei Jahr- wenn es um Mindestlöhne, Spekulationssteuer und zehnten Kampf auf der Straße und in den Parlamen- Vermögensabgaben geht, weil dann nämlich dieje- ten nun endlich so weit sind, dass wir nicht mehr nigen einen Beitrag leisten können, die mehr haben, über das Ob der Energiewende, sondern gemeinsam und nicht diejenigen, die weniger haben. Auch das über das Wie diskutieren und um den richtigen gehört zur Debatte dazu. Dabei befinden Sie sich Weg ringen. aber leider genau auf Gegenkurs. Diesen Zusam- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und menhang muss man immer wieder deutlich machen. vereinzelt SPD) (Zurufe FDP) Die Energiewende ist eine der größten Infrastruk- Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem turmaßnahmen, die die Republik je erlebt hat. In- Konzept, das Robert Habeck vorgelegt hat und das nerhalb weniger Jahre wollen wir unsere Energieer- dem Koalitionsvertrag der drei regierungstragenden zeugung auf erneuerbare Energien umstellen. Das Fraktionen entspricht, können wir immer mehr Bür- ist mittlerweile Konsens quer durch die Gesell- gerinnen und Bürger überzeugen und mitnehmen. schaft. Angesichts des aktuellen Benzinpreises ist eines Wenn uns diese Umstellung gelingt und wir bewei- ohnehin klar: Das Schreckgespenst der steigenden sen, dass eine führende Industrienation wie Energiekosten spukt wirklich ganz woanders als da, Deutschland auf die gefährliche Atomenergie ver- wo Sie es immer vermuten. Die Rezepte aus Berlin zichten kann und keine neuen Kohlekraftwerke sind jedoch nur große Ankündigungen und bürokra- mehr benötigt, wird dies für andere Länder bei- tische Monster, und am Ende passiert gar nichts, spielgebend sein. Wir können so zum Toprunner außer dass der Benzinpreis weiter steigt. Das kann werden und noch mehr als bisher zum Exportland man feststellen, wenn man an den Tankstellen vor- für Umwelt- und Energietechnologien. beifährt. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 121

(Eka von Kalben)

Darum bin ich so froh, dass dieses Projekt hier bei Die zweite Scharnierfunktion, bei der wir Grünen uns nun in den Händen der Grünen, in den Händen uns in besonderer Verantwortung sehen, betrifft den von Robert Habeck liegt. Wir werden Ihnen bewei- sozialen Aspekt. Die Energiewende und die soziale sen: Wir Grünen können Infrastruktur. Frage dürfen nicht gegeneinander ausgespielt wer- den. Es ist doch zynisch, dass diejenigen, die den (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE Ausbau der erneuerbaren Energien jahrelang GRÜNEN) blockiert haben, nun ihr Herz für die finanziell Wir gestalten Infrastruktur aber nicht blind und schlechter Gestellten entdecken und argumentieren, technokratisch. Gerade wir Grünen sehen uns in die Energiewende würde allein zulasten der Schwä- drei Bereichen in einer besonderen Scharnierfunkti- cheren gehen. Das ist mehr als unglaubwürdig. on. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Als Bürgerrechtspartei sehen wir unsere Scharnier- Es ist doch selbstverständlich, dass auch in Haus- funktion erstens darin, den Netzausbau in engster halten, die Arbeitslosengeld beziehen, die Lichter Abstimmung mit den Betroffenen anzugehen. Ro- nicht ausgehen dürfen. Aber vielleicht werden diese bert Habeck und auch seine Staatssekretärin Ingrid Lichter schon bald gegen hocheffiziente LEDs aus- Nestle haben bereits vielfältige Gespräche mit Be- getauscht, sobald diese so kostengünstig sind, dass troffenen geführt, wie auch meine Fraktion Ge- sie auch beim Discounter über die Ladentheke ge- spräche mit den Netzbetreibern in den Regionen ge- hen. Die Energiewende soll die Schere zwischen führt und Veranstaltungen besucht hat. Arm und Reich nicht vergrößern. Dafür werde ich Herr Callsen, Sie haben gerade bemängelt, diese mit vollem Einsatz kämpfen. Das Verrückte ist Gespräche führten zu nichts beziehungsweise die doch, dass die steigenden Heizkosten - insbesonde- Bündelung der Ressourcen bringe nicht so viel. Wir re auf der Basis von Öl - bei der Berechnung des haben gerade in Quickborn erlebt, dass Jahre ver- Lebensunterhaltes berücksichtigt werden, die strichen sind, weil keine Moderationsgespräche Strompreise aber aus dem Regelsatz zu zahlen sind. stattgefunden haben. Erst kurz vor der Wahl hat Das hat aber nichts mit der Energiewende zu tun, sich der Kollege von der CDU dankenswerterweise sondern mit dem Berechnungssystem. eingeschaltet. Mittlerweile gibt es auch Gespräche Gerade auch bei den steigenden Strompreisen mit der Frau Staatssekretärin, sodass vielleicht doch zeigt sich doch, dass Energiewende nicht nur ein- noch zu einer Lösung gefunden werden kann. seitig mit dem Umschwenken auf Erneuerbare und Wir müssen die Ängste der Bürgerinnen und Bür- dem Bau neuer Netze verbunden werden darf. Wir ger ernst nehmen und vor Ort die besten Lösungen dürfen die anderen „E“ - die Energieeffizienz und suchen: Wo kann eine Stromtrasse um eine Ort- das Energiesparen - nicht vergessen. Und ich möch- schaft herumgeführt werden? Wo können bestehen- te ein viertes „E“ hinzufügen: Ehrgeiz! de Eisenbahn- oder Kanaltrassen genutzt werden? (Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE All dies muss sorgfältig, bürgernah und gleichzeitig GRÜNEN]: Sehr gut!) schnell geschehen. Jahrelange Gerichtsprozesse Den vermissen wir zum Beispiel auch bei Umwelt- bringen uns der Energiewende nicht näher. Wir set- minister Altmaier und der Bundesregierung zen auf einen engen Dialog mit den Menschen und auf die Einsicht, dass wir die beschriebenen Her- (Beifall Abgeordneter Rasmus Andresen ausforderungen nur gemeinsam bewältigen können. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sankt Florian und seine Prinzipien helfen uns nicht durch ihre Weigerung der Umsetzung der Effizi- weiter. enzrichtlinie der EU. Dass Netze eigentlich in die öffentliche Hand, in Gegen die Nöte der ärmeren Bevölkerungsteile sol- Bürgerhand gehören, entspricht ebenfalls unserer len die von Altmaier vorgeschlagenen Energiebe- Grundüberzeugung. Dies gilt zuvorderst für die rater und -beraterinnen helfen. Wie er das umset- kommunalen Netze. Das Auslaufen von Konzessi- zen will, steht in den Sternen. Den Vorschlag, den onsverträgen soll dazu genutzt werden, um deren wir skeptisch, aber konstruktiv begleiten wollen, Kommunalisierung voranzubringen. hilft jedoch nur begrenzt weiter. Denn was bitte soll (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ein Mensch, der Hartz IV bezieht, mit der Botschaft vereinzelt SPD) anfangen, sein Kühlschrank oder seine Waschma- schine verschlinge zu viel Strom, wenn nicht gleichzeitig eine Möglichkeit gegeben wird, Altge- 122 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Eka von Kalben) räte auch in Haushalten ohne oder mit wenig Ein- Die aufgestellten Anlagen sind ein zusätzliches Ri- kommen auszutauschen? siko für die Schifffahrt. Können wir als Grüne das gutheißen? - Gutheißen nicht, aber wir werden uns (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dafür einsetzen, die schädlichen Auswirkungen zu Abgeordneter Flemming Meyer [SSW]) minimieren. Marlies Fritzen hat zum Beispiel in der Wie ist es zu erklären, dass die größten Energiefres- letzten Legislaturperiode bereits zum Schutz der ser-Unternehmen immer noch mit Steuergeschen- Meeresumwelt einen Antrag eingebracht, die um- ken belohnt werden? Die Privilegierung der weltverträglichen Bautechniken als Standard vor- stromintensiven Industrie bei der Stromsteuer, die zuschreiben. Befreiung von der EEG-Umlage, die Befreiung von (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Nutzungsentgelten - das belastet den sogenannten Abgeordneter Flemming Meyer [SSW]) kleinen Mann, den gefangenen Tarifkunden, Praktisch jede Energieerzeugung hat negative Ef- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PI- fekte. Die Atomkraft hat ihre radioaktiven Strahlen RATEN und SSW) und ihre tödlichen Hinterlassenschaften für Millio- Das tun nicht die Erzeugungskosten für Erneuerba- nen von Jahren, die fossilen Energieträger heizen re. Dem Staat gehen so 2,3 Milliarden € jährlich unser Klima auf, und auch die Erneuerbaren sind verloren. - 2,3 Milliarden €! Davon könnte man je- nicht folgenlos, wie eben schon beschrieben. Ich dem der viereinhalb Millionen Haushalte mit soge- bin der Überzeugung, dass jede Generation von uns nanntem Hartz-IV-Einkommen einen Kühl- Menschen für die negativen Folgen ihrer Energieer- schrank der Energieklasse A+++ schenken. Mit so zeugung selbst geradestehen muss. Die Energien einer Summe könnte man eine Abwrackprämie fi- von gestern werden die Generationen von morgen nanzieren, die wirklich der Umwelt hilft. belasten. Noch unsere Ur-Ur-Urenkel werden ihre Wenn die Atom- und Kohlefreunde in den Regie- Gesundheit und ihren Geldbeutel belastet sehen rungen von Bund und Land die Subventionen nicht durch unsere kurzsichtige und überhaupt nicht so freigiebig ausgeschüttet hätten und lieber in die nachhaltige Energiepolitik der vergangenen Deka- Erforschung von Erneuerbaren und Effizienztech- den. Bei den Erneuerbaren wird es anders sein. Hier nologien investiert hätten, wären die erneuerbaren werden wir die Kosten und die Einschränkungen Energien bereits viel weiter und damit kostengün- selbst tragen, und das halte ich für mehr als fair. stiger. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD Aber wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen und SSW) und prüfen, wie die ansteigenden Energiekosten so- Die Energiewende ist ein gesellschaftliches Ge- zial abgefedert werden können. Die Energiewende samtprojekt und muss mit der Ökologisierung der soll die ohnehin Schlechtergestellten nicht belasten. Wirtschaft insgesamt einhergehen, denn wir müs- Neben der transparenten Bürgerbeteiligung beim sen bei der Umstellung auf Erneuerbare ja nicht nur Netzausbau und bei der sozialen Frage sehen wir an den Atomausstieg und an Elektrizität denken, Grünen uns auch in einem dritten Bereich als die steigenden Ölpreise erinnern uns ständig Scharnier, und das ist die Umweltverträglichkeit schmerzlich daran, dass wir auch dem Ende des Öl- des Energieumstiegs. Die langfristig positiven Ef- zeitalters entgegengehen und deshalb unser Wirt- fekte der erneuerbaren Energien sind unumstritten: schaften, unsere Mobilität und unsere Lebensge- weniger Risiko von Atomunfällen, weniger Strah- wohnheiten anders gestalten müssen. lenmüll und weniger klimaschädliches CO2 durch Neben Verordnungen und gesetzlichen Rahmenbe- Kohleverstromung. dingungen wird es eben auch darauf ankommen, Aber das gehört zur Ehrlichkeit dazu: Auch die Er- die Art und Weise zu ändern, wie wir leben. Dazu neuerbaren haben Risiken und Nebenwirkungen. braucht man einen gesellschaftlichen Diskurs über So manches Windrad mag einigen Menschen ein die Frage, was unsere Lebensqualität bestimmt. Das Dorn im Auge sein, die den freien Blick über ihr muss nicht immer mit Einschnitten oder mit Ver- flaches Land gewohnt waren. Die drehenden Roto- bieten allen Genusses gleichgesetzt werden. Die ren haben auch schon Opfer in der Vogelwelt ge- Umwelt zu schützen, kann auch zu einem Mehr an fordert. Die Zuleitungen zu den Offshore-Windan- Lebensqualität führen. Das kann nicht par ordre du lagen im Wattenmeer sind eine Zumutung für den Mufti passieren, sondern nur in einem breiten ge- Nationalpark, und die Installation der Offshore-An- sellschaftlichen Diskurs. lagen stellt eine Belastung für Schweinswale dar. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 123

(Eka von Kalben)

Die Energiewende muss kommen. Das ist seit vie- Schwarz-Gelb hat jahrzehntelang die Verantwor- len Jahren Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung. tung für die Energiepolitik in Bund und Land. Was Aber warum sind wir nicht schon weiter? - Es be- mich wirklich ärgert: Jetzt stellen Sie sich hier hin, durfte zweier Atomkatastrophen - einer in Tscher- machen dicke Backen und kritteln bereits an der nobyl und einer in Fukushima -, um die CDU zum neuen Landesregierung herum. Umdenken zu bewegen. Die Sünden der Vergan- (Christopher Vogt [FDP]: Jahrzehntelang? - genheit, in der einseitig auf Kohle und Atom ge- Dr. Kai Dolgner [SPD]: Bereits gefühlte! - setzt wurde, holen uns jetzt ein und setzen uns unter Zuruf Abgeordneter Christopher Vogt diesen enormen zeitlichen Druck. Jeden Tag, den [FDP]) die Energiewende länger dauert, ist ein Tag mehr des sogenannten Restrisikos, ist ein Tag mehr, an Aber was ist denn Ihre Leistungsbilanz? - Für Sie dem verstrahlter Müll den kommenden Generatio- waren die erneuerbaren Energien immer nur ein nen vor die Füße gekippt wird, und ist ein Tag Feigenblatt. Es war Ihnen zu keinem Zeitpunkt mehr, der uns von unseren Klimazielen entfernt. ernst mit der Energiewende. Sie waren unfähig zu erkennen, was die Stunde geschlagen hat. Noch (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und heute würden Sie lieber Kohlekraftwerke mit einer Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD]) Laufzeit von bis zu 60 Jahren in die Landschaft set- Es hat mich wirklich gefreut, als von CDU und zen, als sich ernsthaft mit den Zukunftstechnologi- FDP nach 30 Jahren - immerhin - die Botschaft aus- en zu beschäftigen. Ein bisschen mehr Sinn für die ging: Wir haben verstanden. Realitäten und ein bisschen mehr Demut wären an- gebracht. Die politischen Konsequenzen, die daraus in den folgenden Jahren abgeleitet wurden, ließen mich je- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD doch an der Aussage zweifeln. Wir haben verstan- und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Das fin- den? - Wie ist es dann zu erklären, dass der Solar- de ich auch! Ein bisschen mehr Kompetenz industrie wenige Jahre, bevor sie wirklich konkur- wäre auch gut!) renzfähig werden konnte, die Luft abgeschnürt wur- Nachdem kostbare Jahre verschwendet wurden de? - Das wäre, als würde man einen Marathonläu- durch einen überschätzten Umweltminister Röttgen, fer über die ganze Strecke anfeuern und ihn mit Ba- der mehr an seiner Karriere als an der Energiewen- nanen und Wasser päppeln, um ihm dann ganz kurz de gebastelt hat, versucht sich nun Peter Altmaier vor dem Ziel bei Kilometer 39 ein Bein zu stellen. an dem Projekt. Frau Merkel hat sich wohl gedacht: (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki Der ist Netzpolitiker, dann kann der bestimmt auch [FDP]) Stromnetze. Ich will nicht abstreiten, dass man über die Decke- Leider ist sein jüngst vorgelegtes Zehn-Punkte-Pa- lung der Solarförderung diskutieren kann, aber pier nicht viel mehr als heiße Luft. doch nicht so, dass man damit einer Branche sämt- (Zuruf FDP: Für wen arbeitet eigentlich liche Planungssicherheit nimmt. ? - Wolfgang Kubicki [FDP]: (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, Oder Gerhard Schröder? Arbeitet der nicht PIRATEN und SSW) für Gazprom? Ist Schröder eigentlich noch Sozialdemokrat?) Wie ist es zu erklären, dass die FDP - wie am Mon- tag deren hessischer Wirtschaftsminister Rentsch - Das Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG - ist für die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Ge- ihn eine Subventionsmaschine, die Strom teuer setzes fordert? - Am 28. August 2012 findet der macht. Kein Wort darüber, dass in Deutschland Energiekipfel im Bundeskanzleramt statt. Die Vor- Ökostrom dank des EEG inzwischen so preiswert stöße aus der FDP zum EEG lassen uns diesen Tag wie nirgendwo sonst erzeugt wird. Kein Wort da- mit Bangen erwarten. von, dass die EEG-Umlage vor allem steigt, weil Schwarz-Gelb die Industrie zulasten der Verbrau- (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Na ja!) cher und kleinen Unternehmen großzügig befreit - Außer Ralf Stegner. hat. Kein Wort darüber, dass seit Jahrzehnten der (Christopher Vogt [FDP]: Sie müssen auch Atomstrom staatlich subventioniert wird und die die Artikel dazu lesen! Lesen bildet!) noch völlig unabsehbaren Folgekosten nie zu ei- nem fairen Kostenvergleich geführt haben. 124 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Eka von Kalben)

In Altmaiers Zehn-Punkte-Plan fehlen auch klare rungserklärung ist oder ein literarischer Erguss ei- Ansagen, wie er sich etwa beim Streit um den Aus- nes Oppositionspolitikers. Denn ich hätte erwartet, bau erneuerbarer Energien, der Energieeffizienz, dass er uns erklärt, wie jemand, der jetzt in der Ver- der Energieeinsparverordnung gegenüber seinen antwortung steht, nicht nur mit dem Finger auf an- Ministerkollegen Rösler und Ramsauer durchsetzen dere zeigt, sondern wie er mit den Problemen, die will. wir haben, umgehen will. Auch die Angriffe von Wirtschaftsminister Rösler (Beifall FDP und CDU) auf den Naturschutz beim Netzausbau bleiben uner- Liebe Frau von Kalben, es macht auch keinen Sinn, wähnt. sich dauernd über andere zu echauffieren. Ich habe (Wolfgang Kubicki [FDP]: Schade, dass ich mit einem Menschen, die Ihrer Partei angehört, und nichts verstehe!) der den Wahlkreis Kreuzberg direkt erobert hat, ei- ne Diskussion geführt. Auf die Frage, wie er denn So ist die Energiewende nicht zu schaffen. glaubt, dass man den Netzausbau hinbekomme, Wir haben die Herzen der Menschen gewonnen und und wie lange es dauern würde, hat er erklärt: ein sie für das große Gemeinschaftswerk der Energie- Jahr. Ich sagte ihm, dass allein die Planungsphase wende begeistert. vier Jahre dauert, wenn es alles gut geht und keine (Dr. Heiner Garg [FDP]: Was haben Sie?) der beteiligten Behörden irgendwelche Einsprüche einlegt. Dann müssen die Bürger beteiligt werden, Das dürfen wir uns nicht von einzelnen Lobbyisten und was machen Sie, wenn einer der Bürger klagt? zerstören lassen. Danke, Herr Minister. Wenn wir das durch die Instanzen durchziehen, (Beifall Abgeordneter Lars Harms [SSW] - kann ich Ihnen zusichern, dass Sie vor Ablauf von Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki zehn bis 12 Jahren einen Netzausbau - wo auch im- [FDP]) mer - gar nicht hinbekommen. Wir werden es uns nicht zerstören lassen. Es ist (Zuruf Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD]) doch fabelhaft, wie wir immer wieder neue innova- - Ja, doch. Sie brauchen offensichtlich eine Bera- tive Produkte auf den Markt bekommen. Es ist fa- tung, Frau Midyatli. Denn Sie müssen verstehen, belhaft, dass viele Arbeitsplätze, gerade in Schles- dass die Menschen trotz Ihrer dauernden Bemühun- wig-Holstein, durch den Standort als Windener- gen, herzergreifend dafür zu werben, gelegentlich gieland entstehen. Das müsste sogar Sie freuen, auch anderer Auffassung sind als Sie. Das erleben wie Deutschland wieder zum Gründerland wird. Sie gerade in Pinneberg. Da werden Gemeinden ge- Die Energiewende und die Ökowende sind Heraus- gen den Ausbau des Netzes, den Sie haben wollen, forderung und Riesenchance zugleich. Ich möchte, klagen. Bürger werden gegen den Ausbau des Net- dass wir sie gemeinsam als solche sehen, als Chan- zes, den Sie haben wollen, klagen. ce für unser Land. - Danke. Ich sage Ihnen, wenn Sie das bisherige Rechtssys- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, tem nicht verändern, dann sind wir im Jahr 2025 SSW und Abgeordneter Dr. Patrick Breyer oder 2030, bis überhaupt auch nur eine einzige [PIRATEN]) Trasse gebaut sein wird, auf die es jetzt ankommt. Sie müssen doch die Frage klären, wenn Sie einen Vizepräsident Bernd Heinemann: bestimmten Zeitrahmen haben, ob das Instrumen- tarium ausreicht. Wenn Sie das nicht begreifen - Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit uns wir haben ja genug Zeit, uns in den nächsten Jahren auf der Tribüne 50 Gäste von der Polizeidirektion mit Ihnen weiter zu beschäftigen -, dann werden Sie für Aus- und Fortbildung aus Eutin. - Herzlich will- feststellen, dass Sie mit Ihren hehren Zielen drama- kommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag! tisch scheitern werden, weil Sie die Realität nicht (Beifall) anerkennen. Herr Abgeordneter Kubicki hat das Wort. (Beifall FDP) Herr Dr. Stegner, im Gegensatz zu Ihnen verstehe Wolfgang Kubicki [FDP]: ich davon wirklich etwas. Ich bin Jurist, und immer Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! noch als Anwalt tätig. Ich habe mich bei der Rede des Ministers für Ener- (Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD]) gie und den Rest gefragt, ob es wirklich eine Regie- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 125

(Wolfgang Kubicki)

- Ihre netten Zwischenrufe! Ich kann mich noch an (Beifall FDP und CDU) einen erinnern - und ich muss es loswerden, weil es Herr Dr. Habeck, schon in der letzten Legislaturpe- mich immer wieder erfreut -: Die FDP wird nicht riode hatten Sie als mein damaliger Kollege als mehr stattfinden, wird nicht mehr da sein! - Wir sit- Fraktionsvorsitzender begonnen, Ihren späteren zen genauso da und haben unser Wahlziel jeden- Start als Energiewendeminister zu konterkarieren. falls besser erreicht als Sie Ihr Wahlziel. Sie waren einer der lautesten, als es darum ging, (Zuruf Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD]) den damaligen Innenminister für die Schwierigkei- ten bei der Ausweisung der Windeignungsflächen Wenn es nach dem neuen Wahlrecht kein neues zu kritisieren. Das alles müsse doch schneller ge- Auszählungsverfahren gegeben hätte, hätten Sie im hen, so ihr Credo. Dass alles nicht so einfach war, Parlament auch keine Mehrheit mit Ihrer jetzigen wie es von den Oppositionsbänken manchmal Dänen-Regierung. Glauben Sie mir, die Menschen scheint, haben Sie später und auch hier eingeräumt. werden sehr schnell sehen, dass außer Ihren Ich muss sagen, dass Sie diesen Fehler zugeben, schaumschlägerischen Reden in der praktischen finde ich tröstlich. Wenn Sie hieraus für die Zu- Umsetzung nichts passieren wird. Daran werden kunft lernen, haben wir alle etwas davon. Es wäre wir Sie dann auch messen. Das ist Aufgabe der Op- nur schön, nicht nur für Sie, sondern insbesondere position. für Schleswig-Holstein, wenn es nicht mehr so vie- (Beifall FDP und CDU) le Fehler werden. Kopflos, tölpelhaft und von Sachkenntnis befreit, Fehler aus Unachtsamkeit zu begehen, ist lässlich, so könnte man den Start des neuen Energiewende- wider besseres Wissen zu handeln, ist es nicht. Ich ministers in den ersten Wochen und Monaten zu- habe in Ihrer Rede keine Distanzierung zu Ihrem sammenfassen. Herr Dr. Habeck, vieles war von Ih- früheren Ansinnen gehört, das Landesentwick- nen vielleicht gut gemeint. Wir wissen aber, das lungsgrundsätzegesetz zu ändern, damit Sie die Gegenteil von gut ist in aller Regel gut gemeint. „Vermaisung“ der Landschaft über den Landesent- Schon nach wenigen Wochen reihten sich vielfälti- wicklungsplan künftig eindämmen können. ge Fehler aneinander, die insbesondere durch ein Wie wir damals der Presse entnehmen konnten, ha- unbändiges und ungezügeltes Wollen nach Verän- ben Sie hierzu eigens ein Gutachten des Wissen- derung verursacht worden sind. Es war eine ziellose schaftlichen Dienstes eingeholt. Dieses stellte die Suche nach einem Weg der energiepolitischen Umsetzbarkeit Ihrer Planung grundsätzlich infrage. Umgestaltung. Ziellos deshalb, weil Sie meistens Dass Sie dennoch an Ihrer politischen Forderung nicht nach der Umsetzbarkeit fragten. festgehalten haben, spricht nicht für Sie. Denn Herr Minister, dass Sie jetzt diese Regierungserklä- warum lassen Sie etwas überprüfen, wenn Ihnen rung zu diesem wichtigen Thema abgeben, mutet das Ergebnis im Zweifel egal ist. Es offenbart ein vor dem Hintergrund der bisher offenbarten etwas leichtfertiges Rechtsverständnis, wenn Sie Schwierigkeiten mit der Thematik doch seltsam an. meinen, es trotz eines gegenteiligen Gutachtens von Es scheint, als würden Sie versuchen, Tatkraft in ei- einer neutralen Institution besser zu wissen. Dass nem Gebiet zu demonstrieren, in dem Sie sich noch Sie in Ihrer Rede diese Forderung nicht noch ein- gar nicht zurecht gefunden haben. Sie versuchen, mal erhoben haben, lässt mich hoffen, dass Sie ein großes politisches Gewicht zu stemmen, befin- auch hieraus grundsätzlich gelernt haben. den sich dabei aber immer noch auf sehr wackeli- Manche Fehler kann man leicht wieder gutmachen. gem Boden. Ich hätte Ihnen geraten, erst einmal die Andere Fehler sind schwieriger zu beheben. Zu ersten 100 Tage abzuwarten, bevor Sie einen letzteren zählt für mich ganz eindeutig die organi- großen Aufschlag wagen. Dass Sie es dennoch tun, sationsstrukturelle Zerschlagung der Grundlage kann man mutig nennen. der Energiewende. Durch das Andocken der Abtei- Ob Ihre Ausführungen uns jetzt grundlegend wei- lung Landesplanung an die Staatskanzlei haben tergebracht haben, bezweifel ich aber. Denn es ging Sie sich in den Koalitionsverhandlungen von der mir in Ihrem Beitrag zu wenig um die Zukunft der SPD schlichteweg über den Tisch ziehen lassen. Energiewende. Vielmehr zitierten Sie eine Zu- Nicht weniger folgenreich ist, dass der Landesbe- standsbeschreibung des Status Quo. Von einer rich- trieb für Straßenbau und Verkehr, der für die tungsweisenden Rede, die eines der wichtigsten po- weitere Genehmigung der Stromleitungen zustän- litischen Themen der kommenden Jahrzehnte ge- dig ist, unter der Regie des Wirtschaftsministers wissenhaft und zielorientiert aufarbeitet, habe ich bleibt. So beschränkt sich Ihre Zuständigkeit als mehr erwartet. Energiewendeminister auf die Einweihung von 126 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Wolfgang Kubicki)

Stromtrassen, die in anderen Ministerien geplant In diesem Zusammenhang hilft es auch wenig, und genehmigt werden - vielleicht war das ja auch wenn Sie in der politischen Auseinandersetzung die der Sinn der Veranstaltung. Lage durch die Verdrehung von Tatsachen zu Ihren eigenen Gunsten verbessern möchten. Die Men- (Dr. Heiner Garg [FDP]: Vielleicht auch schen möchten die Wahrheit hören, auch wenn sie ganz gut!) unbequem ist. Alle wichtigen Entscheidungen werden jedenfalls Die Energiewende bewirkt, dass die Strompreise in nicht bei Ihnen, sondern woanders getroffen. Herr naher Zukunft steigen. Selbst wenn die hohe Ein- Minister, zu diesem Punkt sagten Sie am 21. Juli speisung der erneuerbaren Energiequellen zu einer 2012 im Interview mit der „sh:z“ - ich zitiere -: Absenkung des Strompreises an der Börse führt, „Man muss klare Verantwortungen schaffen, müssen wir bekennen, dass dann gerade die EEG- so wie wir es mit dem Energiewendeministe- Umlage steigt. Hier gibt es eine untrennbare Ver- rium getan haben. Einer muss den Kopf hin- bindung. Herr Minister, dies in Abrede zu stellen, halten, wenn es schief geht oder sich auf die hilft keinem. Die EEG-Umlage sorgt für steigende Schulter klopfen lassen, wenn es klappt.“ Preise, zumindest für die nächsten 20 Jahre. Wer (Johannes Callsen [CDU]: Hört, hört!) dies verneint, täuscht oder will andere täuschen. Es schaudert mich, wenn ich feststellen muss, wie So, wie es derzeit aussieht, werden Sie den Kopf manche die Nöte der Bürger mit einem vorlauten dann hinhalten müssen, wenn es andere verbocken. Satz übergehen. Es ist klar, dass im Budget eines Zugleich heimsen Sie den Erfolg ein, wenn andere Abgeordneten oder eines Ministers 5,3 Cent für ei- ihre Sache gutmachen. Ich kann daher nur für das ne Kilowattstunde zusätzlich kein erwähnenswerter Land Schleswig-Holstein hoffen, dass Ihnen künf- Beitrag ist. Herr Minister, wie können Sie hier gu- tig auf die Schulter geklopft wird - für etwas, was ten Gewissens behaupten, dass die EEG-Umlage Sie nicht getan haben. für eine Familie oder eine Alleinerziehende mit ei- (Beifall FDP und CDU) nem geringen Einkommen eine Nebensächlichkeit darstellt? Abgehobener und realitätsferner kann es Herr Minister, ich hätte mir gewünscht, dass Sie die kaum klingen, wenn Sie solche Sätze in den Mund Energiewende in einem ganzheitlichen Kontext nehmen. betrachten und sich nicht ständig in einem Klein- Klein der Alltagspolitik verfangen. Energie, und Auch aus diesem Grund war es ein Fehler, dass die zwar bezahlbare Energie, entscheidet darüber, wie von der Bundesregierung ursprünglich vorgesehene sich Deutschland in den nächsten Jahren und Jahr- Kürzung der Einspeisevergütungen im Photovol- zehnten entwickeln wird. Energieversorgung ist taikbereich am Widerstand des Bundesrates ge- nicht nur eine Frage der Erzeugung, des Transports scheitert ist. Wenn Sie die Medien heute und und der Versorgung von Wärme und Strom. Sie ist gestern studiert haben, werden Sie festgestellt ha- vielmehr eine Frage der künftigen Wettbewerbsfä- ben, dass Sie mit dieser Umlage überwiegend die higkeit der Wirtschaft, der Entwicklung des Land- Reichen finanzieren, weil das diejenigen sind, die schaftsbilds und eine Frage der gesellschaftlichen diese Anlagen installieren und eine sichere 20-jäh- Partizipation. Diese Frage berührt also die unmittel- rige Rendite haben. Das ist etwas, auf das sich die bare Lebenswirklichkeit der Menschen. Die Ener- Leute sinnvollerweise freuen können. giewende ist daher ganz klar auch eine soziale Fra- (Beifall FDP) ge, wenn nicht sogar die soziale Frage der kom- menden Jahrzehnte. Wir müssen darauf achten, Es macht keinen Sinn, eine überteuerte Energie- dass wir nicht durch die starre Umsetzung einer quelle zu subventionieren, nur weil sie die Wohlha- nachhaltigen Energiewende ganze Bevölkerungs- benden als Energieerzeuger in das Wirtschaftssys- gruppen ausgrenzen beziehungsweise ausschließen. tem integriert. Die hohe Vergütung von Photovol- Die Energiewende kann nicht erfolgreich sein, taikstrom sorgt für eine Umverteilungspolitik von wenn beträchtliche Teile unserer Gesellschaft in unten nach oben. Menschen mit unterem und mitt- diesem Prozess zurückbleiben. Deshalb darf Ener- lerem Einkommen bezahlen mit ihrer Stromrech- gie kein Luxusgut werden. nung den völlig überteuerten Strom derjenigen Be- völkerungsgruppe, die das höchste Einkommen ge- (Beifall Abgeordnete Eka von Kalben neriert. Deshalb ist es auch nur richtig und konse- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) quent, wenn wir das Erneuerbare-Energien-Ge- setz in seiner derzeitigen Fassung wirklich hinter- fragen. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 127

(Wolfgang Kubicki)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Umbau der benswirklichkeit der Menschen wirklich herzlich Energieversorgung darf weder zu einem massiven wenig zu tun. Kaufkraftverlust bei den Verbrauchern führen, noch (Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber wenn das alle darf er dazu führen, dass die Unternehmen gezwun- machen, funktioniert das nicht!) gen werden, ihre Standortpolitik zu überdenken. Damit spreche ich sowohl das Problem der Versor- - Ja, wenn das alle machen, machen wir die Nacht gungssicherheit als auch das der wettbewerbsfähi- zum Tage. Aber wir sind ja nicht alle Nachtarbeiter. gen Preise an. Wir müssen es klar sagen: Wer den Liebe Kolleginnen und Kollegen, großen Ankündi- Unternehmen in unserem Land keine Versorgungs- gungen müssen große Taten folgen, sonst lösen sie sicherheit anbieten kann, der wird feststellen, dass große Enttäuschung und Stillstand aus. In diesem notwendige Investitionen am heimischen Standort Zusammenhang gilt auch: Wer im Rahmen der künftig unterbleiben. Eine solche Situation wollen Energiewende ankündigt, Bürger beteiligen zu wol- wir nicht. Wir können sie uns auch nicht leisten. len, sollte dies auch wirklich tun. Bürgerbeteili- Die Aussage, dass wir künftig unseren Verbrauch gung ist beileibe kein grüner „Mitmachhaushalt“. der Erzeugung anpassen müssen, ist in diesem Die Menschen lassen sich nicht damit abspeisen, Zusammenhang verheerend. Die Produktion von dass Sie mit ihnen reden und danach exakt an derje- Gütern, die Beschäftigung von Mitarbeitern und die nigen Stelle weitermachen, an der Sie zuvor aufge- Planung von Produktionsprozessen kann in einem hört haben. Beteiligung besteht eben auch darin, industrialisierten Land nicht davon abhängen, ob darauf einzugehen und sich darauf einzustellen, und gerade der Wind bläst oder nicht. Wer so argumen- nicht nur miteinander zu reden, Frau von Kalben. tiert, bescheinigt damit nicht nur seine ökonomi- Dann werden Sie feststellen, dass Bürgerinnen und sche Unkenntnis, sondern setzt die Axt an die Wur- Bürger vor Ort möglicherweise nicht Ihre Auffas- zeln unseres Wohlstandes. sungen teilen und dabei bleiben, dass sie ihre eige- ne Auffassung auch umsetzen wollen. Es wird eine (Beifall FDP und CDU) sehr interessante Erfahrung für Sie werden, wenn Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Stromver- Sie den Menschen vor Ort erklären müssen, dass brauch muss der Lebenssituation der Menschen an- über ihre Vorgärten Hochspannungsleitungen gezo- gepasst werden - nicht umgekehrt. Sollen wir denn gen werden müssen. künftig etwa nachts waschen und kochen, weil sich (Beifall FDP - Zuruf SPD) dann die Windräder besonders schnell drehen oder der Verbrauch anderweitig nicht so sehr nachge- - Ja, das ist sehr schön. Die Sozialdemokraten sind fragt wird? jetzt dafür, dass man die Häuser gleich „wegra- siert“. Auch das ist wunderbar, eine wunderbare (Heiterkeit - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS Politik! 90/DIE GRÜNEN]: Dafür gibt es Automa- ten, aber das ist Technik und nicht Juriste- Ich bin sehr gespannt darauf, wie Sie mit Ihren rei!) vollmundigen Ankündigungen in der Lebenswirk- lichkeit ankommen. Warten Sie es nur ab. Wir fra- - Lieber Kollege Matthiessen, ich bin ja sehr be- gen das dann in zwei, drei Jahren in gleicher Weise geistert, dass es Waschautomaten gibt. Nur müssen ab. die auch noch angestellt werden. Vielleicht könnten Sie Ihre Frau mal fragen. Sie sind nun in verantwortlicher Position und dür- fen nicht mehr nur fordern, Sie müssen liefern. Bür- (Weitere Zurufe) gerbeteiligung ist keine Blackbox mehr, in die Vor- - Das gilt für das Kochen in gleicher Weise. Ich bin schläge eingeworfen werden, um anschließend für begeistert davon, dass Ihre Frau um ein Uhr nachts immer zu verschwinden. Ihre bisherigen Handlun- kocht, damit für Sie morgens das Mittagessen fertig gen lassen die notwendige Ernsthaftigkeit bezie- ist. Auch bin ich sehr begeistert, wenn nachts um hungsweise die erforderliche Seriosität jedoch lei- zwei der Fernseher angeht, weil man dann gerade der vermissen, wie das Beispiel in Pinneberg übri- wach ist, um fernzusehen. gens gezeigt hat. Symbole und Worthülsen haben bisher Ihre Politik vorrangig geprägt. (Heiterkeit) Da werden schnell Schlagwörter wie „Demokrati- Diese Vorstellungen von grünen Emphatikern finde sierung von Netzen“ in den Raum geworfen, an- ich wirklich sensationell, aber sie haben mit der Le- statt diese Ideen zunächst sorgfältig abzuwägen, ih- nen einen tieferen Sinn zu geben und sie anschlie- 128 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Wolfgang Kubicki)

ßend mit konkreten Umsetzungsstrategien zu unter- um liegen. Die Verantwortung von der Planung bis legen. Wenn Sie die Beteiligung von Bürgern und zur Umsetzung der Energiewende muss sich in ei- der öffentlichen Hand an Stromnetzen fordern, wür- ner Hand befinden. Wenn Sie dieses Problem nicht de sich die öffentliche Akzeptanz deutlich erhöhen, schnellstmöglich beseitigen, werden Sie scheitern. wenn Sie zuallererst das Ziel Ihrer Aktionen benen- (Zuruf SPD) nen. Ist es die bessere Versorgung, die schnellere Umsetzung, die bessere Finanzierbarkeit oder - Ja, wie gut sie gegeneinander arbeiten, kann man schlichtweg nur die bessere Vermarktung des Mini- schon an den Forderungen Ihres Wirtschaftsminis- sters, die Sie zu dieser Forderung bringt? Herr ters in Relation zu dem feststellen, was andere for- Dr. Habeck, diese Zielbenennung vermisse ich dern. Ich bin sehr gespannt, wie sich das beim Stra- derzeit schmerzlich. ßenbau, beim Tourismus und bei der Wirtschafts- förderung weiterentwickeln wird. Ich gucke mir das Zusammenfassend möchte ich sagen, dass die Pro- in aller Ruhe und Gelassenheit an. bleme, die zur Verzögerung der Energiewende füh- ren, fraglos vielfältig sind. Viele der Probleme las- (Zurufe SPD) sen sich aber landespolitisch beheben. Am Ende - Alles wird gut! Wegen der vollständigen Transpa- wird in Planungsbehörden und Ministerien ent- renz, die ich gerade eingefordert habe, wird alles schieden, wie schnell der Netzausbau vonstatten gut. Wenn alle an einem Strang ziehen, aber in ver- geht. Die Landesplanung wird die Korridore für die schiedene Richtungen, werden wir feststellen, dass neuen Stromtrassen festlegen, und der Landesbe- es keine gemeinsame Lösung gibt. Deshalb sind wir trieb für Straßenbau und Verkehr wird die Geneh- dafür, das alles in eine Hand zu legen. migung für den Bau der Trassen erteilen. Die Lan- desplanung wird die Regionalplanung abschließen Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Energiewende und die neuen Windeignungsflächen ausweisen. muss gestaltet und notwendigerweise strukturiert Die Kreise werden die endgültige Genehmigung werden. Nur dann wird sie gelingen. Eine Beschrei- der Windparks vornehmen. Über allem steht zusätz- bung des Ist-Zustandes, wie wir sie heute gehört ha- lich noch das Landesamt für Landwirtschaft, Um- ben, wird das Land keinen Schritt voranbringen. Ih- welt und ländliche Räume, das für den Naturschutz re Rede, Herr Minister Dr. Habeck, offenbart in er- zuständig ist. schreckenderweise viel mehr die Ideenlosigkeit der Landesregierung. Die heutige Regierungserklärung Nur, wenn in allen Bereichen ein reibungsloser Ab- ist bereits die zweite, die ohne Konzept und neue lauf gewährleistet ist, wird eine schnelle Umset- Ideen daherkommt. Nicht nur dem Ministerpräsi- zung der Energiewende gelingen. Dies ist jedoch denten fehlen anscheinend durchgreifende Ideen für nicht wahrscheinlich. Je mehr Kompetenzbereiche Schleswig-Holstein, sondern offensichtlich dem ge- unterschiedlicher Akteure berührt werden, umso samten Kabinett. grobkörniger wird der Sand im Getriebe. Dies ha- ben wir in den letzten zweieinhalb Jahren auch sehr Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend schmerzhaft erfahren müssen. Daher wäre aus unse- möchte ich die politischen Reibereien etwas tiefer rer Sicht eine klare Bündelung der Kompetenzen hängen und für eine vernunftorientierte Energie- angezeigt. Von einer solchen Bündelung ist die der- politik werben. Entscheidende Zukunftsfragen eig- zeitige Regierung allerdings meilenweit entfernt. nen sich nicht für eine populistische und damit all- zu leichtfertig geführte Auseinandersetzung. (Beifall FDP) (Zuruf SPD) Die Führungen der drei wichtigsten Landesbehör- den, die zum Gelingen der Energiewende nötig - Ich wiederhole doch nur das, was der Kollege sind, liegen in den Händen von drei verschiedenen Dr. Stegner am Ende seiner Rede von sich gegeben Ministerien. Dieser Umstand ist unerträglich, wenn hat. es um die schnelle Umsetzung der Energiewende (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich meinte das geht, die wir uns alle wünschen. Daher ist es aus ernst) unserer Sicht notwendig, dass SPD, Grüne und SSW den Koalitionsvertrag an dieser Stelle mit - Sie meinten das ernst. So war Ihre Rede, Herr dem Ziel neu verhandeln, eine wirkliche Bünde- Kollege Dr. Stegner, auch aufgebaut. Sie appellie- lung der Energiewendekompetenzen bei einem ren an uns, dass wir Ihnen helfen sollen, in Berlin Landesminister umzusetzen. Die Aufsicht über die die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaf- Landesplanung sowie über den Landesbetrieb für fen, dass Sie jetzt in Ihrer Politik fortfahren können. Straßenbau und Verkehr muss in einem Ministeri- Ich finde das sehr amüsant und auch sehr nett. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 129

(Wolfgang Kubicki)

Wir erwarten von Ihnen - und zwar von dieser Re- (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki gierungskonstellation insgesamt - zunächst, dass [FDP]) Sie uns einmal sagen, wohin Ihre Reise bei den - Herr Kubicki, Sie haben doch eigentlich schon ge- Möglichkeiten, die Sie im Land haben, gehen soll, nug geredet. ohne dauernd mit dem Finger auf andere zu zeigen. (Beifall FDP) Vizepräsident Bernd Heinemann: Die Energiewende - da gibt es keinen Streit in die- Das Wort hat Frau Abgeordnete Beer, ich bitte, ihr sem Haus - ist eine große Chance für unser Land. das auch zu lassen. Wir müssen aufpassen, dass sie nicht verstreicht. Herr Kollege Dr. Stegner, ich appelliere an Sie, Angelika Beer [PIRATEN]: vielleicht einmal mit Frau Kraft zu reden. Ich ap- pelliere an die Grünen, vielleicht einmal mit Herrn Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen Kretschmann zu reden. also alle darin überein, dass Schleswig-Holstein ei- ne Schlüsselfunktion bei der Energiewende in (Zuruf CDU) Deutschland einnimmt. Auch der neuen Landesre- - Nein, das weiß ich jetzt nicht. Ich appelliere aber gierung scheint dies durchaus bewusst zu sein. Das an Sie, mit ihnen darüber zu reden, ihre Ausbau- hat Minister Habeck heute auch unterstrichen. So- überlegungen, was regenerative Energien - und ge- wohl im Wahlkampf der nun an der Regierung be- rade Windanlagen - angeht, einzustellen. Denn ich teiligten Parteien als auch im Koalitionsvertrag kann Ihnen sagen: Wenn die das umsetzen, können nahm diese Thematik eine zentrale Position ein. Sie den Strom, den wir in Schleswig-Holstein pro- Herr Dr. Habeck, Energiewendeminister, das ist ein duzieren, an keinen Abnehmer mehr bringen. Das anspruchsvoller Titel. Er weckt hohe Erwartungen, halte ich für eine sehr unvernünftige Maßgabe. Al- nicht nur hier im Haus, sondern im ganzen Land. so appellieren Sie nicht an den Bund, appellieren In Schleswig-Holstein bestehen allerdings auch Be- Sie lieber an die eigenen Parteifreunde, zu überden- denken - und die sollten wir ernst nehmen - gegen ken, ob es nicht sinnvoller wäre, den kostengünsti- diese Energiewende. Die PIRATEN-Fraktion ist gen Strom aus Schleswig-Holstein zu importieren davon überzeugt, dass eine deutliche Mehrheit der als selbst solche Anlagen aufzubauen. Dann wären Bürgerinnen und Bürger bei uns im Land diese wir schon weiter. An diesem Beispiel sehen Sie, Wende will, viele aber nicht unbedingt vor der ei- dass die Fragen der Energiewende nicht so einfach genen Haustür. Ein erfolgreiches Konzept für die strukturiert sind wie sie hier dargestellt werden. - Energiewende muss auf die Einbindung und Betei- Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. ligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger set- (Beifall FDP) zen, um nicht diffuse Ängste oder persönlich be- gründete Vorurteile zu befördern. Sie muss viel- Vizepräsident Bernd Heinemann: mehr eine nachhaltige Akzeptanz für die Notwen- digkeit konkreter Maßnahmen in den Gemeinden Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Beer. - Bitte schaffen. Dafür braucht es auch die Bereitschaft der schön, Sie haben das Wort. politisch Handelnden, eben diese Notwendigkeit, (Wolfgang Kubicki [FDP]: Für die PIRA- einzelne Maßnahmen immer und immer wieder kri- TEN?) tisch zu überprüfen und gemeinsam mit den Betrof- fenen vor Ort in die Gesamtentwicklung einzuord- - Ich habe noch leise angefügt: von den PIRATEN. nen. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Frage ist, ob (Beifall PIRATEN und Abgeordneter Lars Sie für die PIRATEN spricht oder für sich! - Harms [SSW]) Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie sprechen immer für die FDP, das Nur so kann eine nachhaltige Energiewende gelin- ist der Unterschied! - Weitere Zurufe) gen. Dies war sicherlich auch den Autorinnen und Auto- Angelika Beer [PIRATEN]: ren des Koalitionsvertrages bewusst, als sie schrie- Genau, Herr Kollege Kubicki. Ich habe jetzt sozu- ben: sagen sechs Stimmen und versuche, sie in meinem „Die Energiewende beschreibt eine zentrale Redebeitrag miteinander zu vereinbaren. politische Herausforderung der kommenden 130 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Angelika Beer)

Jahre. Sie geht alle an: die Menschen vor Ort, Ich zitiere nur einen Satz aus dem Koalitionsver- die Wirtschaft, die Kommunen, Land, Bund trag: und Europa.“ „In einer modernen Demokratie sind Trans- Wir begrüßen den Anspruch, die Fehler der Vor- parenz und Zugang zu Informationen not- gängerregierung nicht wiederholen oder weiterfüh- wendige Voraussetzungen für Teilhabe und ren zu wollen. Der im vergangenen Jahr vom Ver- Mitbestimmung.“ ein „Mehr Demokratie“ vorgelegte Bürgerent- Bislang ist hiervon allerdings im Bereich der Ener- scheidsbericht über den Zeitraum von 1990 bis giewende nichts zu spüren. Im Gegenteil, bei den 2010 zeigt deutlich, wie vor allem in den letzten Gesprächen zwischen Minister Habeck und unserer Berichtsjahren, 2009 und 2011, die Proteste der PIRATEN-Fraktion wurden wichtige Informatio- Bürgerinnen und Bürgern gegen den Bau, insbeson- nen, wie zum Beispiel der Altmaier-/Rösler-Plan dere von Windkraftanlagen, in den Gemeinden ex- nicht einmal erwähnt. Und auf den Vorschlag hin, trem stark zugenommen haben. So werden immer auf der Webseite des MELUR sämtliche bisher zu- wieder - natürlich durch Bürgerentscheide - konkre- gängliche Planungsdaten und Beschlüsse, also so- te Bauvorhaben blockiert. Laut aktuelleren Zahlen wohl auf EU-, Bundes- und Landesebene als auch nahm diese Tendenz auch in den folgenden Jahren auf Gemeindeebene - nachvollziehbar darzustellen weiter zu. Der Eindruck einer Wende von oben ge- und zusammenzufassen, verwies der Minister ledig- gen unten ist also bereits entstanden und darf unter lich auf die Webseite des ausführenden Energie- der neuen Landesregierung auf keinen Fall weiter konzerns TenneT. Das klingt schon skurril, dieser gestärkt werden. Verweis auf TenneT, wo wir doch alle - insbeson- (Beifall PIRATEN) dere die Menschen, die Zeitung lesen -, um ihre fi- nanziellen Schwierigkeiten wissen und wissen, dass Uns allen muss klar sein: Damit die Energiewende zum Beispiel der erste Betreiber eines Nordsee- gelingt, muss ein neues Bewusstsein geschaffen Windparks einen Antrag auf Durchführung eines werden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Missbrauchsverfahrens gegen TenneT gestellt hat. muss nicht nur aufseiten der Bevölkerung passie- Dort sollen also die Bürgerinnen und Bürger ihr ren, denn die ist bereits höchst sensibilisiert in all Wissen beziehen, wissentlich, dass TenneT sie diesen Fragen und kennt die Vorteile der Energie- wahrscheinlich viel Geld kosten wird? - Das ist wende ganz genau, sondern das neue Bewusstsein doch nicht Vertrauen, das ist nicht transparent, son- muss sich vielmehr aufseiten der Planer und Ver- dern das ist eine Fehlleitung von Informationen. antwortlichen durchsetzen. Herr Minister Habeck, Energiewende und Netzaus- (Beifall PIRATEN) bau stellen sich dem Bürger - das ist jedenfalls un- Wir hoffen, es ist ebenso allgemeiner Konsens, dass sere Erfahrung; vielleicht haben Sie eine andere im die Lösung des Energieproblems zunächst eher im Land gemacht - zur Zeit als großes Kuddelmuddel Minderverbrauch statt im Ausbau neuer Ener- vor. Die eine Hand weiß nicht, was die andere gieerzeugung liegen muss. Deshalb bedarf es aus macht. Munter werden Windparks geplant, die unserer Sicht dringend eines Konzeptes der Landes- Netzanschlüsse bleiben teilweise aus, und dann ver- regierung zur breiten Einbindung der Bevölkerung klagen sich die Beteiligten auch noch gegenseitig. in die Energiewende, eines Konzeptes, das nicht Zurzeit werden Pläne für den Netzausbau festge- nur die Durchsetzung des Baus der Anlagen und klopft, ohne dass es darüber auch nur eine geschlos- Trassen, sondern auch eine umfassende Information sene Informationsmöglichkeit gibt. und Einbindung der Bevölkerung vorsieht. Ich fordere Sie auf, endlich Nägel mit Köpfen zu (Beifall Abgeordneter Uli König [PIRA- machen. Das ist doch nicht so schwierig. Machen TEN]) Sie dem Durcheinander durch sachliche, klare in Auch hier war der Koalitionsvertrag erstaunlich den Ministerien zusammengestellte Daten und In- klar. Auch hier mag manch ein PIRAT gesagt ha- formationen ein Ende, schaffen Sie eine Übersicht, ben: Das ist gut, das ist richtig, stimmt mal ruhig sodass der Bürger den Entscheidungs- und Ent- für den Albig, der sorgt dafür, dass das umgesetzt stehungsprozess nachvollziehen kann, sodass er, wird. wenn er neu damit konfrontiert wird, auch nach- träglich sagen kann, wie es eigentlich zu dieser Ent- (Beifall Abgeordnete Uli König [PIRATEN], scheidung gekommen ist, welche Diskussion dabei Lars Harms [SSW] und Jette Waldinger- eine Rolle gespielt hat. Wenn Sie dann mit einer Thiering [SSW]) landesbezogenen Netzagentur für Kontrolle, Prü- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 131

(Angelika Beer) fung und notfalls Eingriff sorgen, dann sind wir Ich möchte Ministerpräsident Albig ansprechen, der einen Schritt weiter. von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszei- tung“ vor Kurzem zitiert wurde, dass er eine Sie müssen vor allen Dingen Instrumente schaffen, schnelle Entscheidung über neue Stromleitungswe- mit denen der tatsächliche Bedarf an Stromleitun- ge im Zuge der Energiewende fordere. Zugleich gen oder anderen Einrichtungen überhaupt erst ein- warnte Herr Ministerpräsident Albig vor zu viel mal nachvollziehbar überprüft wird. Es reicht doch Bürgerbeteiligung. nicht zu sagen, wir brauchen die und die Trasse. Die Menschen müssen wissen, warum diese Trasse „Die Politik muss die Bürger überzeugen.“ gebaut werden soll, denn sonst werden sie keine - Okay. Akzeptanz finden. „Bürgerbeteiligung heißt aber nicht, dass an (Beifall PIRATEN) jedem Ort genau das passiert, was die Be- Herr Dr. Habeck, es reicht eben nicht aus, Informa- wohner dieses Ortes wollen, sondern dass die tionen auf der Seite von TenneT positiv zu erwäh- Argumente gehört werden und dass die Ent- nen. Ich verrate jetzt auch überhaupt kein Geheim- scheidungsfindung nachvollziehbar ist. Eine nis - das war ja öffentlich -, nämlich dass Sie in der Bürgerbeteiligung, bei der jeder an jeder Sitzung des Umweltausschusses in der letzten Wo- Stelle recht bekäme, würde zum Stillstand che zur Energiewende Ausführungen machten und führen.“ sie reduzierten auf den Satz: Das meiste kennen Sie (Beifall Abgeordnete Dr. Ralf Stegner [SPD] ja aus den Medien. - Das eine Woche vor der heuti- und Dr. Heiner Garg [FDP]) gen Regierungserklärung und wohlwissentlich, dass der Krisengipfel im Bundeskanzleramt nächste Wo- - Okay. Von diesem Stillstand sind wir aus Bürger- che stattfinden wird. Wo ist da bitteschön für dieses sicht zurzeit allerdings himmelweit entfernt. Still- Parlament und die Bürger das Konzept der Landes- stand gibt es derzeit nur durch die unkoordinierte regierung im Hinblick auf die Regelung der Proble- Planung der Netzbetreiber und Stromlieferanten me mit der Energiewende nachvollziehbar? und der Politik, die es versäumt, durch Abstimmun- gen für Konfliktabbau zu sorgen. Fakt ist nämlich - (Beifall PIRATEN) und das scheint Herr Albig übersehen zu haben -, Ich glaube, es ist zu wenig, die Menschen auf Pres- dass bald über 1.500 Bürger und Initiativen Stel- seberichte - auch wenn wir sie schätzen - hinzuwei- lungnahmen allein zum Netzentwicklungsplan sen. Herr Minister, Hintergrundgespräche mit Bun- 2012 eingereicht haben. Fakt ist offenbar auch, dass desministerien in privaten Gebäuden - auch davon diese in keiner Form berücksichtigt worden sind, hören wir nur über Presseberichte. Natürlich sind sondern dass der Netzentwicklungsplan 2012 wie wir dankbar, überhaupt Informationen zu bekom- geplant weitergereicht wurde. Ich muss Ihnen ganz men, aber davon hätten wir von Ihnen persönlich ehrlich sagen: Unter Bürgerbeteiligung verstehen gern etwas mehr gehört. wir PIRATEN allerdings etwas anderes. (Beifall PIRATEN) (Beifall PIRATEN) Gleich in der ersten Plenarsitzung des neuen Land- Schauen wir uns doch mal das Geschehen im Land tags im Mai haben Sie - ich meine alle Regierungs- an. Bei den Planungen für eine Offshore-Strom- koalitionsparteien - die entscheidende Tür für die trasse entlang unserer Nordseeküste mehren sich Bürger verschlossen. Ja, ausgerechnet BÜNDNIS die Bedenken in Bezug auf den Umgang mit den 90/DIE GRÜNEN, die mit uns im letzten Jahr die Munitionsaltlasten. Der NABU weist auf die Ge- Volksinitiative für mehr Demokratie in Schleswig- fahren für die Beschäftigten der beteiligten Firmen Holstein mitentwickelt hatten, haben schließlich da- und für den empfindlichen Lebensraum Watten- gegen gestimmt, die längt überfällige gerade ange- meer hin, die durch das sorglose Sprengen der Mu- sichts der Energiewende umso dringender benötigte nitionsreste bedroht werden. Im Kreis Dithmar- Reform kommunaler Bürgerbegehren durch eine schen haben sich 15 Gemeinden zusammenge- Änderung der Gemeindeordnung herbeizuführen. schlossen, um eine Resolution gegen die 380-kV- Ich frage Sie: Ist das die Transparenz oder der Zu- Freileitung zu verfassen. Was passiert? - Staatsse- gang zu Informationen, die der Öffentlichkeit in je- kretärin Nestle wird hingeschickt, aber vielmehr dem Landtagswahlkampf - die Flyer der Landtags- passiert dann eben auch nicht. fraktionen liegen dort draußen noch - versprochen Auf Dagebüll beschwerte sich jüngst eine Initiative wurden? bei allen Landtagsfraktionen mit dem Vorwurf in- 132 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Angelika Beer) transparenter und ungesetzlicher Entscheidung in- (Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau das habe nerhalb der Regierung. Diese Liste ließe sich wahr- ich gesagt!) lich in die Hunderte und Tausende fortsetzen. Mit Wir müssen das notwendige Handeln auch mit den der von uns unterstützten Reform kommunaler Betroffenen diskutieren und dürfen es nicht aus- Bürgerbegehren, die Sie verhindert haben, auch zu blenden. dieser Bauleitplanung, hätten all diese Menschen eine Möglichkeit gehabt, ihre berechtigten Anlie- (Dr. Heiner Garg [FDP]: Oh!) gen vorzutragen und in einen demokratischen und Umweltminister Altmaier und Wirtschaftsminis- transparenten Diskurs einzuspeisen, und wir hätten ter Rösler haben die Eckpunkte für ein Gesetz vor- die Möglichkeit gehabt, gemeinsam eine konstruk- gelegt, das TenneT - ich erinnere daran: TenneT ist tive Lösung zu finden. höchstverschuldet und intransparent - entlasten soll, (Beifall PIRATEN) und die Haftungskosten für Störungen oder die ver- spätete Einrichtung von Anschlüssen sollen einfach Damit haben Sie - das muss ich der neuen Landes- auf die Stromkunden abgewälzt werden. Dies wur- regierung leider sagen - mit dieser Blockade, mit de von Staatssekretärin Nestle ausdrücklich be- dieser Ablehnung grundsätzlich den falschen Weg grüßt. eingeschlagen und den Koalitionsvertrag in seiner Lyrik infrage gestellt, weil er dem grob wider- Ich frage Sie allen Ernstes, ob das zur Akzeptanz spricht. Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist bei den Menschen führen soll. Die Bürger sind kon- eben leider nicht die Kultur der Beteiligung, von frontiert mit stetig steigenden Lebensunterhal- der wir auch heute noch alle gesprochen haben, tungskosten. Sie sehen sich mit horrenden Benzin-, sondern das ist Wählertäuschung. Und aus Wähler- Öl-, und Gaspreisen konfrontiert, überlegen sich, täuschung entsteht Politikverdrossenheit. wie sie ihre Strom- und Gasrechnung am Monats- ende überhaupt noch bezahlen sollen. Es ist doch (Beifall PIRATEN) offensichtlich, dass die Schere zwischen Arm und Aus Politikverdrossenheit erwächst keine Transpa- Reich immer weiter auseinanderklafft. Sie kennen renz, vor der Sie offensichtlich große Angst haben; doch die Zahlen, aber warum erwähnen Sie nicht, das hat die Aktuelle Stunde heute gezeigt. Daraus dass laut einer Meldung vom 24. Juli 2012 rund erwächst auch keine konstruktiv-aktive Bürgerge- 800.000 Haushalten in Deutschland durch Energie- sellschaft, die wir uns wünschen, sondern daraus er- versorger Strom oder Gas abgestellt wurde, weil sie wachsen Gleichgültigkeit und schließlich Protest, die Rechnung nicht mehr bezahlen konnten? Diese Protest gegen die eigentlich von uns allen gewollte Menschen müssen von uns gehört werden. Deren Energiewende. Existenzsorgen müssen von uns ernst genommen werden. Dem entsprechend sind die Verantwortli- Wir wünschen uns - noch ist Zeit -, dass die Koali- chen auch zur Verantwortung zu ziehen. tion umgehend einen Kurswechsel der derzeitigen Regierungspraxis hin zu den Versprechungen des Die einzig transparente Stromrechnung erhält der Koalitionsvertrages vornimmt. Wir fordern diese Bürger von seinem Versorger. Da fällt einmal mehr Transparenz, weil Transparenz der einzige Weg ist auf, dass der Staat mit einer Steuer- und Abgaben- und die Garantie dafür gibt, die Energiewende mit quote von 46 % der größte Preistreiber und Umver- der Bevölkerung und nicht gegen die Bevölkerung teiler ist. durchzuziehen. Tatsache ist aber auch, dass die erneuerbaren Ener- (Beifall PIRATEN) gien - und Herr Habeck hat es jetzt endlich auch ka- piert, es stand gestern auch im „Holsteinischen Ich hätte ja niemals gedacht, dass ich dem Kollegen Courier“ - schon seit Jahren dafür sorgen, dass die Kubicki einmal in meinem Leben auch noch recht Preise an der Energiebörse European Energy Ex- geben muss. - Jetzt, da ich dieses sage, beendet er change stetig fallen. Die Umlage für das Energie- sogar sein Telefongespräch. Aber wer in der Dis- einspeisegesetz liegt bei 3,6 ct je kWh. Seit der Ein- kussion die soziale Komponente auslässt, handelt führung des EEG im Jahr 2000 sind die Preise für ignorant bis fahrlässig. die Privathaushalte jedoch um rund 12 ct gestiegen. (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki Wenn im Oktober die neuen Schätzungen und die [FDP] - Heiterkeit) Sätze für 2013 kommen, können die Förderkosten Die soziale Komponente ist von uns PIRATEN für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von stets sehr genau im Auge zu behalten. 3.500 kWh um weitere 50 € auf dann 175 € pro Jahr steigen. Das sind keine Peanuts, sondern das Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 133

(Angelika Beer) sind Fakten, und die müssen in politischer Planung giewende zu fördern, und um zweitens die Bevöl- verantwortlich herangezogen werden. kerung über grundlegende demokratische Selbstbe- stimmungsrechte in die Entscheidung einzubezie- Wenn man dann noch berücksichtigt - und da geht hen, um nachhaltige Akzeptanz für ein sehr großes es nicht um Schwarzmalerei, aber ich erwarte, dass und wichtiges Projekt, die Energiewende, zu schaf- eine Landesregierung und die Fraktionen das auch fen. berücksichtigen und die entsprechenden Fragen stellen -, dass ein Gutachten der Uni Rendsburg zu Ich spreche für die Fraktion der PIRATEN und für dem Ergebnis kommt, dass die EEG-Umlage anlog alle PIRATEN im Land: Wir sind überzeugt davon, zum früheren Kohlepfennig zu betrachten ist, stel- dass die Energiewende so umsetzbar ist, dass sie zu len sich Fragen ganz neuer Dimension; denn dieser einem echten Erfolg für ganz Schleswig-Holstein Kohlepfennig ist aus verfassungsrechtlichen und nicht nur zu einem weiteren Schub für das Ego Gründen abgeschafft worden. Sie befinden sich da von Einzelpersonen wird, wenn die Landesregie- auf sehr dünnem Eis und sollten diese Rechtsfrage rung ihre Versprechen tatsächlich umsetzt. von sich aus in Angriff nehmen und nicht warten, (Beifall PIRATEN) bis wieder ein Verfassungsgericht der Politik den richtigen Weg zeigt. Vizepräsident Bernd Heinemann: Wir Verbraucher wollen eine Koalitionspolitik mit einer offenen Diskussion über die brennensten Fra- Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir gen. Warum kommen die deutlich gesunkenen Prei- Ruth Kastner, die Landesvorsitzende von BÜND- se an der Strombörse nicht bei den Privatkunden NIS 90/DIE GRÜNEN, die auf der Zuschauertribü- an? Wie will die Politik Hunderttausenden Mittel- ne sitzt. - Herzlich willkommen im Schleswig-Hol- ständlern und Millionen Bürgern die fortgesetzte steinischen Landtag! Bevorzugung weniger Großverbraucher zu ihren (Beifall) Lasten erklären? Warum muss ich für das Windrad, das mir vor die Nase gesetzt wird, ohne dass ich Jetzt hat Herr Abgeordneter Harms vom SSW das mitreden kann, auch noch bezahlen und darf mit Wort. keinem Wort in der Diskussion dazu beitragen? Lars Harms [SSW]: Bund und Länder müssen an einem Strang ziehen. Das kann aber nicht bedeuten, im Hinterzimmer Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine sehr geehrten von Altmaier und Rösler zu sitzen. Deswegen bin Damen und Herren! Das Thema Energiewende ich auch erstaunt über die etwas aggressiven Reden wird in der Politik bereits seit Jahren nahezu infla- der CDU und der FDP hier im Landtag. Der neuer- tionär landauf landab diskutiert. Vorschläge und liche Beschluss zum Ausstieg aus der Atomenergie Lösungsansätze gibt es zuhauf, nur an der konkre- ist 14 Monate alt. Sie haben eine zügige Umset- ten Umsetzung hapert es, beziehungsweise es geht zung, so weit wir das außerparlamentarisch verfol- nur schleppend voran. Erst diese Landesregierung gen konnten, weder im Bund noch hier im Land hat den Schritt gewagt, alles in einem Ministerium vorangetrieben. Es ist der Bundeswirtschaftsminis- zu bündeln, um die Energiewende aus einer Hand ter, der eine Lockerung der europäischen Umwelt- zu gestalten, zu steuern und umzusetzen. Dies ist standards durchsetzen will, um den Bau von mehr ein guter und richtiger Schritt für Schleswig-Hol- Stromautobahnen zu beschleunigen. Das ist ein stein. Wir stehen nämlich vor großen Herausforde- Vorhaben, das hoffentlich auch bei uns im Europa- rungen, die diesen Schritt notwendig machen. Wir ausschuss noch diskutiert und abgelehnt werden wollen die guten Voraussetzungen in Schleswig- wird. Holstein nutzen, um die Energiewende in unserem Land endlich voranzubringen. (Beifall PIRATEN) (Beifall SSW und Abgeordneter Dr. Ralf Das, Herr Minister, ist aber dennoch nicht die Poli- Stegner [SPD]) tik, die Sie uns versprochen haben und von der Sie auch heute wieder geredet haben. Uns ist klar, dies wird kein Selbstgänger. Es wird sich auch nicht von heute auf morgen alles umset- Wir wollen eine umfassende Strategie zur Ener- zen lassen, was wir uns vorgenommen haben. Diese giewende, die zügig umzusetzen ist und die die Landesregierung und die Koalitionspartner haben Kernpunkte abdeckt um erstens die Bevölkerung es sich aber zur Aufgabe gemacht, die Energiewen- umfassend zu informieren und damit ein neues Be- wusstsein für die umfassende Bedeutung der Ener- 134 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Lars Harms) de mit Leben zu füllen, sie wirklich in Gang zu dort zu nutzen, wo sie vorhanden sind. Dazu gehört bringen und nicht nur darüber zu reden. neben dem Ausbau der Häfen Brunsbüttel, Helgo- land und Husum mit dem zusätzlichen Flugplatz- Der mit breiter politischer Mehrheit beschlossene standort in Schwesing auch die Entwicklung der Atomausstieg, die Abkehr von den fossilen Ener- schleswig-holsteinischen Westküste als das Zen- gieträgern, der Ausbau der regenerativen Energien, trum für erneuerbare Energien aller Art. Meine Da- der Ausbau leistungsstarker Netze, die Sicherung men und Herren, dies wird sich auch im angekün- der Energieversorgung, Energieeinsparung und Ef- digten Plan der Landesregierung für die Westküste fizienzsteigerung, der Ausbau der Energiespeicher widerspiegeln. Hier tut sich endlich etwas für die sowie die Entwicklung innovativer Technologien Westküste, und das hat auch etwas mit der Energie- auf dem Energiesektor sind die großen Herausfor- wende zu tun. derungen, vor denen wir stehen und die zusammen die Energiewende möglich machen. Diese Heraus- Der Pfeiler der regenerativen Energien ist und forderung nehmen wir an. Es obliegt der Oppositi- bleibt die Windkraft. Aber auch Biomasse und So- on, sich diesem Weg anzuschließen. larstrom sind Mosaiksteine der Energiewende. Ins- besondere der Anteil des Stroms aus Biomasse ist Wir haben bei uns im Land die Voraussetzungen, in den letzten Jahren enorm gewachsen, wenn auch um auch nach 2021 Stromexporteur zu bleiben. anders als ursprünglich gedacht. Ein Stichwort ist Dabei setzen wir maßgeblich auf den Windstrom. hier die Vermaisung der Landschaft. Hier müssen Schleswig-Holstein ist ein Windenergiestandort mit wir zu einem erträglichen Maß zurückfinden. Bio- entsprechender Tradition. Daher ist unser Ziel, der masse muss weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Windenergie den Stellenwert zurückzugeben, den Energiewende bleiben, aber die Voraussetzungen sie verdient. Damit wird sie wieder Wachstumsmo- müssen so gestaltet sein, dass diese Form der Ener- tor und eine wichtige Wirtschaftskraft in unserem gieproduktion auf eine breite gesellschaftliche Ak- Land. zeptanz trifft und ökologisch zu vertreten ist. Mit der Ausweitung der Windeignungsflächen (Beifall SSW, Abgeordnete Dr. Ralf Stegner wurde bereits ein wichtiger Beschluss in diesem [SPD] und Eka von Kalben [BÜNDNIS Sinne getroffen. Durch diese zusätzlich geschaffe- 90/DIE GRÜNEN]) nen Kapazitäten und mit dem Repowering werden wir an Land bis zu 9.000 MW Strom aus Wind pro- Damit der Ausbau der erneuerbaren Energien reali- duzieren. Dazu kommen noch 3.000 MW Strom aus sierbar ist, müssen die Grundvoraussetzungen dafür dem Offshore-Bereich. Damit ist und bleibt der geschaffen werden - womit wir bei den Stromnet- Windstrom die Leitenergie in Schleswig-Holstein, zen wären. Wir wissen bereits seit Jahren, dass un- wir beleben die Windkraftbranche und die Wirt- sere Netze nicht dafür ausgelegt sind, eine dezen- schaft in dem Sektor aufs Neue, und das ist gut so. trale Stromversorgung zu gewährleisten. Die Off- shore-Windenergie steht größtenteils immer noch in (Beifall SSW und SPD) den Startlöchern, weil die Stromnetzbetreiber kei- Der weitere Ausbau der Windkraft ist wichtig für nen Anschlusstermin nennen können. Windmühlen diesen Wirtschaftsbereich und für unser Land, denn liefern keinen Strom, weil die Netze voll sind. Das er trägt maßgeblich zur Wertschöpfung bei. Es ist eine Vergeudung von Potenzial. Hier müssen werden weitere hochqualifizierte Arbeitsplätze und wir ansetzen. Hier müssen wir - auch was die pla- neue Einkommen geschaffen. Dadurch werden wir nungsrechtlichen Fragen angeht - schnell arbeiten. natürlich auch den Windmessestandort in Husum (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE stärken können. Wir wissen jedoch, dass es bei Pro- GRÜNEN) duktion, Service und Wartung, Forschung und Ent- wicklung sowie Aus- und Weiterbildung noch Defi- Daher ist es wichtig, dass der Stromnetzausbau jetzt zite gibt. Diese müssen natürlich abgestellt werden. zügig vorankommt. Dies darf aber nicht gegen den Willen der Bevölkerung in den betroffenen Regio- Mit der Offshore-Windkraft schaffen wir einen nen geschehen. Ich betone hier: der Bevölkerung, neuen Wirtschaftszweig, der der maritimen Wirt- nicht einzelner möglicherweise betroffener Men- schaft, die in echten Schwierigkeiten steckt, neue schen. Der Ministerpräsident hat nämlich recht: Ir- Seiten verschafft. Hier wird die Zusammenarbeit gendwann muss die Entscheidung fallen. Diese Ent- der Windwirtschaft mit den Werften und den Häfen scheidung muss durch die Politik beziehungsweise verstärkt. Um eine verstärkte und koordinierte Zu- durch die Verwaltung fallen. Sie muss die Bevölke- sammenarbeit geht es künftig insbesondere bei den rung in Gänze beteiligen, nicht unbedingt nur die Häfen an der Westküste. Es ist wichtig, die Stärken Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 135

(Lars Harms)

Menschen, die unmittelbar betroffen sind. Die gan- Deswegen legt er uns Steine in den Weg. Deswegen ze Bevölkerung muss in diesem Verfahren berück- versucht er, alles Mögliche zu machen, damit die sichtigt werden, und das wird auch geschehen. Bürger ihre Rechte, die sie sich wünschen: nicht durchsetzen können. Das ist das Problem, aber es Aus diesem Grund haben wir ein Beteiligungsver- ist ein internes Problem, das Sie in der FDP haben. fahren durchgeführt, bei dem die Bürger frühzeitig Wir haben dieses Problem in Schleswig-Holstein eingebunden werden und bei dem die Einwände glücklicherweise nicht mehr. ernst genommen werden. Es geht uns nicht nur dar- um zu informieren, wir wollen zuhören und konkre- (Hans-Jörn Arp [CDU]: Das Niveau ist nicht te und umsetzbare Alternativen aufgreifen. Letzt- besser geworden!) lich ist unser System jedoch so, dass die Politik ent- In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal scheiden muss. Das ist auch richtig so. Insofern klarstellen, dass der Netzausbau und die Energie- schaffen wir das Höchstmaß an Transparenz in die- wende nicht zum Nulltarif zu haben sein werden. sem Bereich. Gleichzeitig haben wir die Gewähr, Der Ausbau und die Ertüchtigung der Infrastruktur dass wir in diesem Bereich schnell handeln werden, kosten Geld. Hierzu gibt es aber keine Alternative. und das ist gut so. Würden wir an den Großkraftwerken und den fossi- (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE len Energieträgern weiter festhalten, würde die GRÜNEN) Rohstoffverknappung über kurz oder lang die Energiepreise unbezahlbar machen. Grundlage hierfür ist ein Netzentwicklungsplan. Die rege Beteiligung macht deutlich, dass es die (Beifall Abgeordneter Detlef Matthiessen Menschen interessiert, wo und wie die Netze ver- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) laufen werden. Daher ist es wichtig, dass die Netz- Das, was wir jetzt beschließen, ist etwas, was auch betreiber die Einwendungen so zeitnah wie möglich in Zukunft noch bezahlbar sein wird. Atomkraft- in die Pläne einarbeiten, wenn dies möglich ist. Nur werke, Kohlekraftwerke und ähnliches Schicki- wenn die Betroffenen wirklich beteiligt werden, hat micki werden dann nicht mehr bezahlbar sein. Da- der Stromnetzausbau eine reelle Chance. Ein wich- her ist das, was wir jetzt machen, genau richtig. tiger Faktor, um die Bürger für den Netzausbau zu gewinnen, ist die Verlegung von Erdkabeln. Wir (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE wollen, dass neue 110-kv-Leitungen grundsätzlich GRÜNEN) als Erdkabel verlegt werden, wo dies technisch Wir müssen so schnell wie möglich raus aus der machbar ist. Energiesackgasse, und wir müssen uns so schnell (Zuruf Abgeordneter Hans-Jörn Arp [CDU]) wie möglich unabhängig von Atom-, Öl- und Gastrom machen. Nebenbei bemerkt, lassen uns die - Lieber Kollege Arp, dass dies nun vom Bundes- klimaschädlichen Auswirkungen dieser Dinosaurier wirtschaftsminister in Bezug auf die 380-kv-Lei- auch gar keine andere Wahl, wenn wir die Klima- tungen torpediert wird, zeigt, wie rückwärtsge- ziele, die wir uns selbst gesteckt haben, wirklich er- wandt und altbacken dieser biologisch noch junge reichen wollen. Mensch ist. Solche Leute sind ein Hindernis, wenn man versucht, die Energiewende mit den Menschen Es gehören aber noch mehr Bausteine zur Energie- umzusetzen. Es ist schade, dass dieser FDP-Minis- wende. Um die windschwache und sonnenarme ter hier nicht über seinen Schatten springen konnte. Zeit zu überbrücken, brauchen wir Speicherkapa- zitäten. Das soll heißen: Wir brauchen unterschied- (Beifall SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das liche Kapazitäten, um Schwankungen auszuglei- geht doch gar nicht!) chen. Zum einen brauchen wir schnell und kurzfri- - Lieber Kollege Kubicki, wenn das technisch mög- stig abrufbare Energiespeicher. Zum anderen brau- lich ist, dann wird man das auch rechtlich möglich chen wir großvolumige Speicher, um mehrtägige machen können, wenn man es will. Dieser Minister Starkwindphasen oder auch lange Windflauten aus- aber will die Energiewende nicht, und das ist das gleichen zu können. Insbesondere die großen Problem. Speicherbecken und Wasserkraftwerke in Norwe- gen bieten sich dafür an, um derartige Schwankun- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gen auszugleichen. Mit dem Seekabelprojekt und SSW – Zurufe Abgeordnete Johannes NORD.LINK schaffen wir die notwendige lei- Callsen [CDU] und Wolfgang Kubicki stungsstarke Verbindung. Damit kann in windstar- [FDP]) ken Zeiten Strom nach Norwegen exportiert, und 136 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Lars Harms) wenn Strom bei uns über einen längeren Zeitraum Effizienzverbesserung eine maßgebliche Rolle zu benötigt wird, importiert werden. und wird in Zukunft auch in Bauprojekten des Lan- des Schleswig-Holstein eine maßgebliche Rolle Wir brauchen aber weitere Kapazitäten. Längerfri- spielen. Die Erfahrungen der letzen Jahre machen stig wird insbesondere die Speicherung von Was- deutlich, dass wir hier dicke Bretter bohren müssen. serstoff eine Rolle spielen. Derzeit stehen diese Daher kommt es darauf an, die wenigen zur Verfü- Speichermöglichkeiten nicht ausreichend zur Ver- gung stehenden Mittel effizient für Energiespar- fügung. Sie sind zudem noch mit hohen Umwand- maßnahmen und Effizienzverbesserungen einzuset- lungsverlusten und -kosten verbunden. Im Zusam- zen. menhang mit Speicherkapazitäten gilt jedoch, dass sie den Umfang des Netzausbaus reduzieren kön- Die Energiewende im Ministerium neu zu bündeln, nen. Es stellt sich aber trotzdem für uns derzeit die ist eine gute Entscheidung dieser Koalition, um die Frage, ob wir noch die Zeit haben zu warten, bis aufgezeigten Probleme angehen zu können. Die derartige Speicher zu einem akzeptablen Preis zur Zeit der reinen Gesprächsrunden ohne konkretes Verfügung stehen. Solange dies jedoch nicht der Resultat ist vorbei. Jetzt wollen diese Landesregie- Fall ist, müssen wir den Netzausbau weiter im Fo- rung und die Koalition zeigen, dass sie es ernst kus behalten. Nichtsdestotrotz bleibt die Forschung meinen mit der Energiewende. Dies hat zwei ab- im Bereich der Speicherkapazitäten notwendig und schließend gute Gründe: ist auch weiterhin unterstützenswert. Das gilt natür- Erstens. Die Energiewende ist eine gesellschaftli- lich auch für den Forschungsbereich hier in Schles- che Notwendigkeit, wie meine Rede gezeigt hat. wig-Holstein. Zweitens. Die Energiewende ist ein Jobmotor ge- Eine andere Art von Speicher stellen bestimmte rade für unser Land. Wir haben eigene landespoliti- geologische Formationen dar, die es möglich ma- sche Interessen, dass dieser Jobmotor dann wirklich chen, Energie in unterschiedlichen Formen zu spei- zum Laufen gebracht wird. chern, soll heißen: Druckluft, Wasserstoff oder Me- than könnten in unterirdischen Salzstöcken oder Wer sich also für Schleswig-Holstein einsetzen auch in anderen geologischen Formationen gespei- will, muss sich mit aller Macht mit uns gemeinsam chert werden und wären bei Bedarf abrufbar. für die Energiewende einsetzen. Wir werden dies in jedem Fall tun, und davon wird Schleswig-Holstein Beim Stichwort „unterirdische Speicherung“ kom- profitieren. men wir natürlich nicht umhin, auch die Problema- tik um die CCS-Technologie anzusprechen. Der (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE SSW hat sich zu dieser Technologieform frühzeitig GRÜNEN) eindeutig positioniert. Die Risiken der CCS-Tech- nologie sind für Mensch und Natur nicht abschätz- Vizepräsident Bernd Heinemann: bar. Zudem ist sie energiepolitisch ein Irrweg, weil Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit er- die CO2-Ausscheidung selbst große Energiemengen benötigt und - das ist der wichtigste Punkt - die kläre ich den Tagesordnungspunkt Regierungser- Energiekonzerne sich mit dieser Technologie nur klärung für beendet. ein Alibi für eine längere Fortführung der Verbren- (Zuruf von der CDU: Zwei Stunden für nung fossiler Energieträger verschaffen wollen. Nichts!) Aus diesem Grund werden wir CCS in Schleswig- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4: Holstein über ein Gesetz verbieten, bis hoffentlich ein mehrheitlicher Weg gefunden wurde, um diese Technologieform in ganz Deutschland und der Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur AWZ zu verbieten. Änderung des Landesrichtergesetzes (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, GRÜNEN) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und Neben dem Ausstieg aus den fossilen Energieträ- der Abgeordneten des SSW gern und dem Ausbau der regenerativen Energie- Drucksache 18/55 formen sowie der Stromnetze kommt es darauf an, Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Energie zu sparen. Jede Kilowattstunde, die nicht sehe ich nicht. Eine Aussprache ist nicht vorgese- verbraucht wird, muss auch nicht produziert wer- hen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksa- den. Daher kommt der Energieeinsparung und der che 18/55 dem Innen- und Rechtsausschuss zu Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 137

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um Besucher in rund 2.000 Veranstaltungen der Thea- das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - ter gezählt. Damit gehören die öffentlichen Theater Dann ist das einstimmig so beschlossen. zu den wichtigsten und größten Kultur- und Bil- dungseinrichtungen Schleswig-Holsteins. Sie sind Ich unterbreche die Landtagssitzung bis 15 Uhr. Zentren der kulturellen Bildung und des Kultur- (Unterbrechung: 12:55 bis 15:02 Uhr) schaffens. Sie fördern den kulturellen Nachwuchs, geben unserem Land eine eigene kulturelle Identi- Vizepräsident Bernd Heinemann: tät, und - was immer wieder vergessen wird - sie stellen einen entscheidenden Wirtschaftsfaktor dar. Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung wieder. Bevor wir zu Tagesordnungspunkt 17, Zu- Aus diesen Gründen misst die Landesregierung kunft der schleswig-holsteinischen Theater, kom- dem Erhalt der schleswig-holsteinischen Theater- men, möchte ich Sie bitten, mit mir auf der Tribüne landschaft große Bedeutung bei. Schleswig-Hol- die Europa-Union Norderstedt, den Landesbetrieb stein verfügt bekanntlich über drei öffentliche für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz, Mehrspartentheater, die kommunal getragen wer- Tönning, und die Landesschülervertretung der den: die Theater in Kiel und Lübeck und das Gymnasien zu begrüßen. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinische Landestheater. Mit ihren Schleswig-Holsteinischen Landtag! vielfältigen Programmen und unterschiedlichen Ausrichtungen bespielen sie das ganze Land und (Beifall) sind Arbeitsstätte für rund 1.200 hochausgebildete Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 17 auf: Menschen. Die Theater sind sowohl in kultureller als auch in gesellschaftlicher und arbeitsmarktpoli- Zukunft der schleswig-holsteinischen Theater tischer Hinsicht von großer Bedeutung für unser Land. Antrag der Fraktion der FDP Lassen Sie mich nun auf das zurückblicken, was in Drucksache 18/78 den letzten Jahren passiert ist, und auf das, was wir Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das vor zwei Monaten vorgefunden haben. Gerade ein- ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht mal zwei Monate ist die jetzige Landesregierung im in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst dar- Amt. Alle anderen Bemerkungen, die mir dazu ein- über abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung fallen, verkneife ich mir, liebe FDP-Fraktion. gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den (Zurufe FDP: Keine Scheu!) bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ent- haltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Fakt ist, dass die Theater nach dem Wegfall der Dynamisierung der FAG-Mittel im Jahr 2007 zu- Ich erteile für die Landesregierung der Ministerin nehmend in Finanzierungsschwierigkeiten gerieten. für Justiz, Kultur und Europa, Frau Anke Spooren- Trotz dieser schwierigen Situation haben alle drei donk, das Wort. Theater aber in den letzten Jahren ein qualitativ hochwertiges und gut angenommenes Programm Anke Spoorendonk, Ministerin für Justiz, Europa auf die Beine gestellt. Die Theater und theatertra- und Kultur: genden Kommunen haben zudem gemeinsam einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Kultur in Schles- Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte wig-Holstein geleistet. Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- gen der FDP, wie schön, dass Sie mir die Chance (Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE geben, schon so früh, zu Beginn meiner Amtszeit, GRÜNEN und PIRATEN) über das wichtige Thema Theater sprechen zu kön- Die kommunalen Träger der Theater haben ihre Zu- nen. schüsse seit 2007 um rund 3,7 Millionen € angeho- (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE ben. Zusätzlich haben die Theater durch zahlreiche GRÜNEN) Maßnahmen der Kosteneinsparung Finanzierungs- beiträge erwirtschaftet. Außerdem konnten durch Mit rund 140 Staats- und Stadttheatern verfügt un- Preiserhöhungen, steigende Besucherzahlen und ser Land über ein weltweit einmaliges Theatersys- viel beachtete Inszenierungen die Einnahmen ge- tem, um das die Kulturnation Deutschland beneidet steigert werden. Halten wir also fest: Neben der wird. In Schleswig-Holstein wurden in der vergan- Anhebung der kommunalen Finanzierungsanteile genen Spielzeit rund 570.000 Besucherinnen und haben alle drei Theater eigene Anstrengungen un- 138 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Ministerin für Justiz, Europa und Kultur Anke Spoorendonk) ternommen, um Kostensteigerungen auszugleichen. wie der kulturelle Mehrwert dieser Häuser unserer Die bisherigen Sparbemühungen der Theater wer- Gesellschaft insgesamt zugute kommt. Dazu gehört den von der neuen Landesregierung ausdrücklich zum einen die kulturelle Chancengleichheit von gewürdigt. Stadt und Land, zum anderen die Frage, wie die fe- sten Theater zu einer Stärkung der kulturellen (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Grundbildung in unserem Lande beitragen kön- GRÜNEN) nen. Dass sie bereits in vielfältiger Weise Dienstlei- Was hat das Land in den letzten Jahren beigetra- ster der kulturellen Bildung sind, steht für mich au- gen? Die frühere Landesregierung hat über mehr als ßer Frage. zwei Jahre in einer Theaterstrukturkommission Hier wie auch in anderen Fällen zeigt sich aber, nach Lösungsmodellen für die Theaterfinanzierung dass es darauf ankommt, die Bedürfnisse und Be- gesucht - allerdings ohne Ergebnis. Sie hat das Pro- darfe des Partners besser kennenzulernen und zu blem ausgesessen. Das ist bitter. Ich will mich den verstehen. Ich bin mir mit meiner Ressortkollegin, Problemen stellen. der Bildungsministerin, einig, dass das Konzept zur Die Sicherung der Theater und ihrer Standorte Förderung der kulturellen Kinder- und Jugendbil- ist mit anderen Worten eines der großen kulturpoli- dung, das ich noch in diesem Jahr vorzulegen ge- tischen Vorhaben, das ich in meiner Arbeit als Kul- denke, auch einen Beitrag zur besseren Vernetzung, turministerin umsetzen will. Dazu werden wir spä- Koordination und wechselseitigen Information bei- testens im Frühjahr 2013 ein Konzept vorlegen. Um der Systeme leisten soll. Schule auf der einen Seite das Landestheater zu erhalten, werde ich mich be- und kulturelle Anbieter und Dienstleister auf der mühen, mit meinen Ressortkollegen eine Lösung anderen Seite brauchen mehr denn je den Dialog für die Spielstätte Schleswig zu entwickeln. miteinander. (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Meine Damen und Herren, die schleswig-holsteini- GRÜNEN) sche Kulturlandschaft steht vor großen Herausfor- Nichtstun ist dabei keine Alternative. Sonst wird derungen, Herausforderungen, die vor dem Hinter- uns der Zusammenhalt der Landestheater GmbH grund der begrenzten öffentlichen Ressourcen nicht um die Ohren fliegen - um es einmal ganz drastisch zu lösen sind, wenn Kulturpolitik als Finanzpolitik zu formulieren. mit anderen Mitteln betrachtet wird. Wer die Förde- rung von Kunst, Kultur und kultureller Bildung Denkbar ist eine multifunktionale Spielstätte, die ausschließlich als die Verteilung öffentlicher Gel- nicht nur dem Landestheater, sondern auch anderen der zulasten des Steuerzahlers betrachtet, verkennt Kulturschaffenden Raum bietet, in gewisser Weise eindeutig, dass es sich dabei um Investitionen in die also ein Veranstaltungshaus mit Theaterbetrieb. Zukunft unserer Gesellschaft handelt - nicht nur (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE weil Menschen in einer globalisierten Welt mehr GRÜNEN) denn je eine kulturelle Identität brauchen, sondern auch weil medizinische Studien schon längst erwie- Neben der Standortsicherung sollte das Konzept sen haben, wie wichtig die Förderung von kreativen nach meiner Vorstellung auch die Sicherung der Intelligenzen für die Gesundheit der Menschen ist. Theaterfinanzierung aus dem FAG vorsehen. Dabei Kultur ist eben nicht das berühmte Sahnehäubchen wird kaum weiteres Fachwissen vonnöten sein, son- auf dem Sonntagskuchen, Kultur ist existenzielle dern vielmehr die Kompromissbereitschaft aller Be- Notwendigkeit. teiligten. Ich halte die Wiedereinführung einer Dy- namisierung im FAG für den Fortbestand der gut (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE aufgestellten Theater für zwingend. GRÜNEN) (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Daher freue ich mich wirklich auf den Dialog mit GRÜNEN) allen Akteuren der Kulturlandschaft in Schleswig- Holstein. Eine Entscheidung dazu sollte spätestens mit der Haushaltsaufstellung 2014/2015 auf den Weg ge- (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE bracht werden. GRÜNEN) Unsere Theaterhäuser sind wichtige Elemente unse- rer schleswig-holsteinischen Kulturlandschaft. Ich möchte daher auch eine Debatte darüber anstoßen, Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 139

Vizepräsident Bernd Heinemann: klagen, aber als politisch Hauptverantwortliche den Umstand, dass die Kultur in Schleswig-Holstein Begrüßen Sie gemeinsam mit mir den früheren zerstört am Boden liegt, nicht verändern wollen. CDU-Abgeordneten Manfred Ritzek, der heute bei Wie stellen Sie sich also dieser Verantwortung? uns zu Gast ist. - Herzlich willkommen! So zu tun, als wäre die Botschaft, keine weiteren (Beifall) Kürzungen im Kulturetat zuzulassen, eine neue, Für die antragstellende Fraktion hat Frau Abgeord- finde ich, ehrlich gesagt, dreist; denn damit wird nete Klahn das Wort. subtil unterstellt, dass eine schwarz-gelbe Kulturpo- Außerdem darf ich noch darauf hinweisen, dass die litik dieses Ziel verfolgt hätte. Regierung die Redezeit um zweieinhalb Minuten (Lars Harms [SSW]: Hat sie auch!) überzogen hat. Diese Zeit steht Ihnen dann selbst- Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erin- verständlich auch zusätzlich zur Verfügung. nern, dass der damalige Kulturminister Dr. Ekke- (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das steigert unsere hard Klug bereits im Mai 2011 im Rahmen des Vorfreude!) Kulturkongresses klargestellt hat, dass der Kulture- tat einen schmerzlichen Beitrag zur Haushaltskon- Anita Klahn [FDP]: solidierung erbracht habe. Dieser Beitrag ist somit erbracht worden. Wer also fordert weitere Kürzun- Ich werde mich bemühen, Ihnen Freude zu bereiten. gen? Vielen Dank, dass ich zu Wort kommen darf. Ihre Devise ist: Sie schließen etwas aus, was ohne- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau hin niemand will. So kann man Politik machen, Ministerin Spoorendonk! Ich danke Ihnen zunächst aber das bringt niemanden weiter. Im Übrigen finde im Namen der FDP-Fraktion für den mündlichen ich das auch nicht verantwortungsvoll. Bericht. (Beifall FDP) Sie haben zu Ihrem Amtsantritt eine Reihe von In- terviews gegeben, die uns Liberalen den Eindruck Im Gegenteil, das ist ein Affront gegenüber den vermittelten, dass Sie die vielfältige und interessan- vielen Kulturschaffenden, die sich für eine Siche- te schleswig-holsteinische Theater- und Kulturland- rung der kulturellen Infrastruktur mit viel Herzblut schaft nur selektiv wahrnehmen. Diese Äußerungen in schwierigen finanziellen Zeiten engagieren. offenbarten eine gewisse Hilflosigkeit, die wahr- Meine Damen und Herren, wo bleiben die vollmun- scheinlich daraus resultierte, dass Sie in der vergan- digen Ankündigungen aus der vergangenen Legis- genen Legislaturperiode die tatsächliche Haushalts- laturperiode? Im Frühjahr 2010 haben die Fraktio- lage des Landes Schleswig-Holstein schlichtweg nen von SPD, Grünen und SSW einen Antrag im unterschätzt, wenn nicht sogar ignoriert haben und Plenum eingebracht, in dem die Wiedereinführung jetzt nicht mehr wissen, wie Sie Ihre damaligen einer Dynamisierung der FAG-Mittel für die Worte in die heutige Realität umsetzen können. Theater gefordert wurde. Im Januarplenum dieses (Beifall FDP) Jahres wurde die Forderung von den Vorsitzenden der Fraktionen der Grünen und des SSW, Herr Im Interview mit den „Lübecker Nachrichten“ vom Dr. Habeck und Frau Spoorendonk, noch einmal 19. August dieses Jahres können wir von Ihnen fol- bekräftigt. Ich freue mich, dass Sie zumindest ein genden Satz lesen: zaghaftes Bekenntnis zu dieser Forderung in Ihre „Der Kulturetat ist in den letzten Jahren mas- Rede aufgenommen haben. Warum Sie allerdings siv gekürzt worden, die Kultur in Schleswig- erst in einem Jahr diese angeblich so notwendige Holstein liegt zerstört am Boden.“ Maßnahme ergreifen wollen, erschließt sich mir nicht. Sie zeichneten also ein dramatisches und erschüt- terndes Bild der aktuellen Lage der Kultur in Eine weitere Frage, die aus meiner Sicht in Ihrem Schleswig-Holstein. Ihr heutiger Bericht klingt üb- Bericht nur schwammig angerissen wird, lautet, wie rigens deutlich gemäßigter. Sie sich die Theaterlandschaft in Schleswig-Hol- stein konkret vorstellen. Wenn die Sicherung der Im gleichen Atemzug berufen Sie sich in diesem Theaterstandorte eines Ihrer großen Vorhaben ist, Interview auf den Koalitionsvertrag, der keine wei- wie passen dann Ihre öffentlichen Aussagen dazu, teren Kürzungen zulasse. Das heißt doch nichts an- es gehe auch um Standorte? Im Zusammenhang mit deres, als dass Sie einen Zustand schmerzlich be- dem Theaterneubau am Lollfuß sprechen sich laut 140 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Anita Klahn) der Berichterstattung der „Schleswiger Nachrich- Was konnten wir nun Ihren heutigen Ausführungen ten“ sowohl die Abgeordnete Pauls als auch der In- entnehmen? Vorstellungen der Landesregierung zur nenminister für den Erhalt des Standorts Schleswig Neuordnung der schleswig-holsteinischen Theater- aus. Kurz darauf erklären Sie, Frau Ministerin struktur: Wiedervorlage im Frühjahr 2013. Geplan- Spoorendonk, dass Sie es sich nicht vorstellen kön- te Theaterschließungen - Stichwort Standorte -: nen, dass Mittel zulasten anderer Theater nach Lü- Standortsicherung eventuell über das FAG. Ausge- beck gehen. staltung der kulturellen Grundbildung: keine Anga- ben. Zukunft der Theaterfinanzierung: ein bisschen Wir Liberale fragen uns nun: Werden also zukünf- FAG, ansonsten schauen wir einmal. tig nur noch Theater im nördlichen Teil des Landes Schleswig-Holstein Unterstützung durch die Dä- Meine sehr verehrten Damen und Herren, was nen-Ampel finden? Wo bleibt dann Kiel? Ist Kiel Theater und weit darüber hinaus die Kultureinrich- eher nördlich oder südlich? Eine konkrete Antwort tungen insgesamt als erstes brauchen, ist Planungs- bleiben Sie uns in diesem Bericht auf jeden Fall sicherheit, ich füge hinzu: auch wenn diese manch- schuldig. mal schmerzlich ist. Dem tragen Sie weder durch das Interview noch durch das weitere Handeln (Beifall FDP) Rechnung. Sehr geehrte Frau Ministerin, ich muss gestehen, Der Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE dass ich von Ihrem Bericht nicht wirklich angetan GRÜNEN und SSW spricht von einer Überprüfung, bin. Viele Fragen bleiben unbeantwortet oder wer- ob und wann die Dynamisierung der Mittel für den nach hinten verschoben. Wir werden sehr die Theater im Rahmen des Kommunalen Finanz- wahrscheinlich die Haushaltsaufstellung abwarten ausgleichs beginnen kann. Was heißt das? Wollen müssen und dann konkret prüfen, Sie also den Antrag aus dem Jahr 2010, den SPD, (Serpil Midyatli [SPD]: Genau!) Grüne und SSW zur Sicherung des Landestheaters wo Sie Ihre Schwerpunkte setzen. eingebracht haben, wieder vorlegen? (Serpil Midyatli [SPD]: In einem Jahr!) Sie wollten die Dynamisierung des Vorwegabzugs im FAG für drei Jahre wieder einführen, damit das Dann wollen wir auch einmal schauen, wo die Ver- Land zusammen mit den Gesellschaftern des Lan- sprechungen aus der vergangenen Legislaturperiode destheaters ein tragfähiges Konzept erarbeiten und insbesondere aus dem Wahlkampf wiederzufin- kann. Kiel und Lübeck sollten mit einbezogen wer- den sind. den. (Beifall FDP und demonstrativer Beifall Ser- Wenn ich es richtig verstanden habe, steht Ihr Kol- pil Midyatli [SPD]) lege Innenminister derartigen Überlegungen nega- tiv gegenüber, und die Finanzministerin hält sich Vizepräsident Bernd Heinemann: vornehm zurück. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Planungssicherheit sieht anders aus. Das Wort hat Herr Abgeordneter Sönnichsen von der CDU-Fraktion. (Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]) Und zu diesem Thema, verehrter Herr Kollege Peter Sönnichsen [CDU]: Dr. Stegner, gehören auch die zwischenzeitlich Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen deutlich gewordenen Tatsachen, dass diese Landes- und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und regierung keinen Doppelhaushalt aufstellen und den Herren! Der Berichtsantrag erfragt im Allgemeinen Haushalt 2013 erst im nächsten Jahr beschließen die Vorstellung der Landesregierung zur Neuord- lassen will - also Hängepartie bis ins Frühjahr. Pla- nung der schleswig-holsteinischen Theaterstruktur nungssicherheit für Zuschussempfänger des Landes und bezieht sich dabei insbesondere auf geplante sieht anders aus. Theaterschließungen, auf die Ausgestaltung der Auch das Thema Theater Schleswig will ich noch kulturellen Grundbildung und auf die Zukunft der mit einem Satz streifen: Die Begehrlichkeiten auf Theaterfinanzierung. Verehrte Frau Ministerin, Sonderbedarfszuweisungen aus dem FAG kamen die Vorlage dazu haben Sie in Ihrem Sommerinter- ohne Frage aus der Region. Große Teile der heuti- view selbst geliefert, vor allem mit dem Hinweis, es gen Koalition haben aber lange Hoffnungen er- gehe auch um Standorte. weckt, die der Innenminister wieder kassieren muss Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 141

(Peter Sönnichsen)

- worauf der Vorgänger schon vor der Wahl hinge- den kommunalen Finanzierungsbeitrag zu dem Be- wiesen hatte. reich der Freien Theater und so weiter noch davon auszugehen, dass man über das FAG noch Mittel Zum Landestheater dürfen wir ohne Weiteres fest- erschließen könne, den Versuch sollten Sie gleich stellen, dass sich Dank der erfolgreichen eigenen von vornherein einstellen. Initiativen des Landestheaters, seiner Gremien und seiner Mitglieder die Lage verbessert hat. Es Aus Zeitgründen verzichte ich darauf, auf die für bleiben allerdings weiterhin strukturelle die Kultur ebenfalls sehr wichtigen Themen Muse- Probleme, die eine dauerhafte Stabilität in einige en, die musikalische Kultur und ähnliches einzuge- Ferne rücken lassen. Fest steht auch, dass die ge- hen, denn auch das - auch wenn es nicht ausdrück- genwärtige Struktur nur durch Einsparungen vor lich im Antrag drin stand - gehört mit dazu. Ort und durch eine Steigerung der Einnahmen auf- Mit freundlicher Genehmigung des Präsidenten rechterhalten werden kann und dass Kostensteige- möchte ich ein Zitat verwenden. Die Landtagsabge- rungen auf mittlere Sicht nicht mehr durch höhere ordnete Anke Spoorendonk sagte in der Landtags- Zuschüsse aufgefangen werden können. Bereits debatte vom 26. Januar 2012: jetzt wird jede verkaufte Karte mit mehr als 100 € bezuschusst. „Der SSW will einen Kulturminister, der sich aktiv in die wichtigen Zukunftsfragen der Doch es wäre unangemessen, die Diskussion auf Kulturpolitik des Landes einmischt.“ das Landestheater zu beschränken. Da sind die So- ziokultur und die Freien Theater. Auch dieser Be- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN reich der Kultur wird unter anderem von großem und SSW - Zuruf) ehrenamtlichen Engagement getragen, für das ich - Es ist immer besser, man hört bis zum Ende zu. mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken möch- te. Für viele Kinder und Jugendliche, aber auch für „Wir wollen einen Kulturminister, der sich viele Erwachsene bedeutet dieser Bereich einen ers- beim Landestheater mit Ideen und Vorschlä- ten Einstieg in die kulturelle Vielfalt unseres Lan- gen für ein zukünftiges Theater einbringt.“ des. Die Soziokultur und die Freien Theater sind (Beifall SSW, vereinzelt SPD und Beifall auf eine enge Verknüpfung des Alltagslebens der Abgeordneter Hans-Jörn Arp [CDU]) Menschen mit Kunst und Kultur ausgerichtet, und sie leisten einen nicht zu unterschätzenden Beitrag Am Ende steht der richtige Beifall, damit ich nicht zur Integration. in andere Verdächtigungen komme. Warum sage ich hier das noch einmal besonders? - (Zuruf Abgeordneter Hans-Jörn Arp [CDU]) Freie Theater verzeichneten 2010 mehr als - Der Koalitionsvertrag spricht von neuen Strategi- 110.000 Besucher, das Landestheater im Vergleich en, die für eine reiche, vielfältige und qualitativ dazu knapp 150.000 Besucher. Im Gegensatz dazu hochwertige Kulturlandschaft entwickelt werden steht die staatliche Förderung: Das Landestheater müssen. Das ist jetzt Sache der Ministerin Anke erhielt 13,3 Millionen € aus dem Kommunalen Fi- Spoorendonk. nanzausgleich, die Freien Theater 240.000 € aus Landesmitteln. Die Förderung der sozikulturellen (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Zentren lag - - SSW und Abgeordneter Hauke Göttsch [CDU]) (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sozikultur ist das nicht, sondern Soziokultur, aber macht Wenn Sie damit den von uns mehrfach geforderten nichts!) Kulturentwicklungsplan meinen, dann sind wir bei den Diskussionen gern dabei. Der erste Auf- - Vielen Dank, Herr Dr. Stegner, ich freue mich, schlag aber muss von Ihnen kommen, und zwar dass Sie mir in dem Punkt helfen. Sie wissen ja, kräftiger als hier und heute, verehrte Frau Ministe- was gemeint ist. rin. (Zuruf Abgeordneter Hans-Jörn Arp [CDU]) Vizepräsident Bernd Heinemann: Ich sage Ihnen die Zahl aus dem Landeshaushalt dazu: Das sind ungefähr 96.000 € im vergangenen Kommen Sie bitte zum Ende! Jahr gewesen. Warum sage ich das, verehrte Frau Ministerin? - Hier bei den auch von Ihnen genannten Zahlen über 142 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

Peter Sönnichsen [CDU]: Anders als heute vollzogen sich die Haushaltsbera- tungen in Athen offensichtlich unter erfreulicheren Der Holsteiner würde sagen: Denn man to, Fru Vorzeichen. Und auch wir werden auf diese Mög- Minister! lichkeit, die Besucherzahlen unserer Theater zu er- (Beifall CDU und FDP) höhen, leider verzichten müssen. Es hat in der vergangenen Legislaturperiode Bemü- Vizepräsident Bernd Heinemann: hungen des damaligen Ministers gegeben, durch die Zu ihrer ersten Rede vor dem Schleswig-Holsteini- Bildung der bereits angesprochenen Theaterstruk- schen Landtag rufe ich Frau Abgeordnete Raudies turkommission in einem Dialogverfahren neue auf. Kriterien für die Förderung der öffentlichen Theater in Schleswig-Holstein zu erarbeiten. Dabei sollten (Beifall) die hohen Personalkosten und die Besucherzahlen ebenso bewertet werden wie die Arbeit mit Kindern Beate Raudies [SPD]: und Jugendlichen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Be- Nun wissen wir alle: Die Personalkosten sind be- richt der Landesregierung macht deutlich: Die Zu- sonders schwer zu beeinflussen. Haustarife, Regio- kunft der Theater in Schleswig-Holstein ist und naltarife für die drei Theater gehen vermutlich ein- bleibt unsere kulturpolitische Aufgabe. Liebe Frau seitig zulasten der Beschäftigten. Sie dürfen des- Ministerin Spoorendonk, wenn mir ein Satz in Ihrer halb allenfalls vorübergehende Maßnahmen mit Rede besonders gefallen hat, war es der, dass Sie dem Ziel der Sicherung der Arbeitsplätze sein. Der gesagt haben: Kultur ist eine existenzielle Notwen- Abbau von Personal wäre mit Qualitätseinbußen digkeit. Das ist der Satz, der uns von Ihnen als Kul- verbunden, die Theater können dann ihr Angebot in turministerin am besten gefällt. der jetzigen Breite nicht mehr aufrechterhalten, (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sondern müssten sich von bestimmten Sparten tren- und SSW) nen. Ob wir dadurch Synergieeffekte erzielen, ist zweifelhaft, denn was nützt es dem in Husum le- Wenn Sie den vor sich hertragen und sich daran benden interessierten Theaterbesucher, wenn es halten, kann der Kultur in diesem Land nichts pas- Opern oder Musicals nur noch in Lübeck gibt? sieren. Das Land ist nicht der Träger der Theater. Es will, Nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundes- kann und soll diese kommunale Aufgabe nicht an weit haben die Theater mit den gleichen Problemen sich ziehen. Landesaufgabe ist es vielmehr, die zu kämpfen: Die Besucherzahlen sind in der Ten- Kommunen in die finanzielle Lage zu versetzen, denz rückläufig, die Personal- und Sachkosten stei- sich ein Theater leisten zu können. gen bei sinkender Eigenwirtschaftsquote und die Finanzierung der kommunalen Träger - das hatten (Hans-Jörn Arp [CDU]: Da wollen wir mal wir gerade - ist leider oft unzureichend. sehen, wie das funktioniert!) Die Eigenwirtschaftsquote der drei großen schles- Ich begrüße es daher sehr, dass sich Frau Ministerin wig-holsteinischen Theater lag 2009 und 2010 zwi- Spoorendonk für die Wiedereinführung der Dyna- schen 10,6 % beim Landestheater und 16,4 % beim misierung der Theatermittel im kommunalen Fi- Theater Lübeck. Das ist auch im bundesweiten Ver- nanzausgleich einsetzen will. Ich bin optimistisch, gleich schlecht, das muss man konstatieren. Nur dass wir das gemeinsam mit den Beteiligten hinbe- ganz wenige Theater schaffen es bundesweit aller- kommen werden. Liebe Frau Kollegin Klahn, dazu dings, sich selbst zu finanzieren. Auch der Spitzen- brauchen wir einen Haushalt. Das können wir nicht reiter, nämlich Stuttgart, kommt nur auf eine Quote mal eben nebenbei machen, auch wenn wir das von knapp 70 %. vielleicht gern möchten. Im antiken Athen gab es als segensreiche staatliche Herr Sönnichsen hat gesagt, wir würden den Haus- Leistung ein Theorikon, das der Staat ärmeren Bür- halt im Frühjahr verabschieden. Ich glaube, die Pla- gern auszahlte, um ihnen den Besuch von Theater- nung geht im Moment vom Januar aus. Ich kann vorstellungen zu ermöglichen. mich erinnern, in der Zeitung gelesen zu haben, dass die Opposition kritisiert hat, dass das zu (Hans-Jörn Arp [CDU]: Das ist ja wie in Lü- schnell sei. beck!) Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 143

(Beate Raudies)

Also was denn nun? Ist das jetzt zu schnell oder zu Am Ende Ihrer Regierungszeit sahen wir betroffen langsam? Sie müssen sich einmal entscheiden. den gelben Vorhang zu und alle Fragen offen. Nun, sei es drum: Wichtig und richtig ist es allemal, die (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Zukunft der schleswig-holsteinischen Theater SSW und Abgeordnete Hauke Göttsch schnell auf die Tagesordnung zu setzen; denn die [CDU] und Heiner Rickers [CDU]) Probleme - Sie haben sie selbst beschrieben - sind Wie der Theaterspielort Schleswig gesichert wer- drängend und müssen dringend gelöst werden. Ich den kann, ist die Frage, die wir hier sicherlich nicht finde es ebenso richtig, dass sich die neue Landes- allein beantworten können. Auch die Stadt Schles- regierung - im Gegensatz zur alten - hier aktiv und wig wird das Problem nicht allein lösen können. mit Nachdruck engagieren wird, statt lediglich - Der Kreistag Schleswig-Flensburg hat deshalb an- wie Minister Klug - eine moderierende bis abwar- geregt, sich um die Einwerbung von Mitteln aus tende Rolle zu spielen. Herr Kollege Sönnichsen, dem Europäischen Regionalfonds zu bemühen. Sie haben von einer Hängepartie gesprochen. Die Der von Frau Ministerin Spoorendonk skizzierte Hängepartei heißt „Theaterstrukturkommission“, Plan für die multifunktionale Veranstaltungsstätte und die ist endgültig zu Ende. könnte da eine geeignete Grundlage sein, finde ich. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD Es ist das Ziel dieser Koalition, auch für den nörd- und SSW) lichen Landesteil ein Theaterangebot in der Fläche Diese aktive Rolle, die die Ministerin einnehmen ohne soziale oder geografische Barrieren vorzuhal- möchte, um der Kultur wieder auf die Beine zu hel- ten. Für dieses Ziel werden wir arbeiten. Die Nabel- fen, ist wichtig. Darauf haben die Mitarbeiterinnen schau, die Sie hier veranstaltet haben, beziehungs- und Mitarbeiter, die sich über alle Maßen engagie- weise der Rückblick, den Sie jetzt hier eben gege- ren und für ihr Theater brennen, einen Anspruch. ben haben, hilft da nicht voranzukommen, im Ge- Darauf haben aber auch die Kommunen und die genteil. Die Ministerin hat erklärt, dass sie sich den Gesellschafter Anspruch, die in die Finanzierung Aufgaben stellt und dass sie die Herausforderung eingebunden sind. Nicht zuletzt wartet das Publi- annimmt. Das ist der richtige Weg. Frau Spooren- kum auf eine dauerhaft tragfähige Lösung. Das donk hat gesagt, dass sie das im Dialog mit allen sind Besucherinnen und Besucher, die ihre Theater Beteiligten machen will. Ich sage für meine Frakti- lieben und ihnen oftmals als Abonnentinnen und on: Da machen wir gern mit. - Ich danke für die Abonnenten - gerade beim Landestheater möchte Aufmerksamkeit. man das hervorheben - treu verbunden sind und um (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Zukunft ihrer Spielstätten bangen. und SSW) Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat sich in der vergangenen Wahlperiode immer zur Schul- Vizepräsident Bernd Heinemann: denbremse bekannt und eigene konstruktive Vor- Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Fritzen von schläge für den Landeshaushalt gemacht. Dies gilt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. natürlich auch weiterhin. Wir haben aber auch im- mer gesagt, dass die Anpassung der Finanzmittel Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: für die Theater an die Kostenentwicklung - dabei geht es insbesondere um die Tarifsteigerung bei den Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Gehältern - wieder eingeführt werden muss. Dazu und Herren! Die Theater im Land übernehmen ge- muss man bedenken, dass rund 80 % der Kosten legentlich erfolgreiche Produktionen vergangener Ausgaben für Personal sind. Diese Zahl diskutie- Spielzeiten in das aktuelle Programm. Das Publi- ren wir im Übrigen auch in anderen Bereichen im- kum honoriert das und füllt den Saal. Dass Sie, lie- mer wieder. Denken Sie zum Beispiel einmal daran, be Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dies mit dass wir Krankenhäuser verkauft haben, weil wir Ihrem Antrag gewissermaßen nun auch tun, ist, ge- als öffentlicher Gesellschafter die BAT-Steigerun- linde gesagt, schon ziemlich gewagt, man möchte gen nicht mehr leisten konnten. Wenn man von die- sogar sagen, geradezu tollkühn, wenn man daran sen Kosten - von einem Anteil der Personalkosten denkt, wie erfolglos die Theaterpolitik Ihres eige- von 80 % an den Gesamtkosten - ausgeht, wird nen Ministers in der vergangenen Spielzeit war. deutlich, dass es ohne eine solche Dynamisierung (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD nicht gehen wird. und SSW) Um ein Beispiel zu nennen: Der letzte Tarifab- schluss bedeutet 3,5 % Lohnsteigerung zum 144 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Marlies Fritzen)

1. März dieses Jahres, 1,4 % zum 1. Januar 2013 dass die neue Ministerin das hier in dieser Deutlich- und schließlich weitere 1,4 % zum 1. August 2013. keit gesagt und damit auch beschrieben hat, wo der Das sind, wenn Sie mitgerechnet haben, rund 6,5 % Weg hinführt. oder, anders ausgedrückt, 500.000 € pro Prozent- Die Theater sind zu Reformen und Kooperationen punkt. Wer rechnen kann, kommt auf über 3 Millio- bereit. Sie sind auch bereit, über Einnahmesteige- nen € Mehrkosten im Jahr. rungen nicht nur nachzudenken, sondern diese Ich stelle diese Erhöhung in keiner Weise infrage, auch zu generieren. Herr Sönnichsen, Sie haben, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der die Zuschauerzahlen von, glaube ich, 2010 genannt. Theater sind engagiert bei ihrer Sache und arbeiten Sie haben das Landestheater genannt. Wenn ich zum Teil an der Grenze der Selbstausbeutung. Dies mich richtig auf diese erste kulturpolitische Rede sage ich vor allem auch für die vielen freien Thea- vorbereitet habe, dann hat das Landestheater ein ter im Land, die nicht an den TVöD gebunden sind Jahr vorher noch ganz andere Zahlen gehabt. Sie und die aus meiner Sicht dennoch zwingend in ein wissen, dass es dort einen in die Zukunft gerichte- neu zu schnürendes Gesamtkonzept für die Thea- ten Wechsel gegeben hat. Ich glaube, dass wir sehr terlandschaft Schleswig-Holsteins eingebunden optimistisch sein können. Auch die Besucherzah- werden müssen. Ich erinnere an die Debatte, die len in Lübeck sind um ein Vielfaches - auch durch wir, glaube ich, im Februar dieses Jahres darüber Einsparungen und eine Komprimierung - gestiegen. geführt haben. Der Kollege Wengler, der dem Haus Darüber kann man sicherlich lange debattieren. nicht mehr angehört, hat damals auch darauf hinge- Aber man kann nicht sagen, dass die Theater keinen wiesen. Er hat auch zu Recht darauf hingewiesen, eigenen Anteil leisten wollen und nicht wissen, wie dass die freien Theater möglichst in ein solches schwierig die Haushaltslage ist. Es gibt Kooperatio- Konzept eingebunden werden sollen. nen. In der kommenden Spielzeit übernimmt zum Beispiel das Theater Lübeck die Nussknacker-Bal- Als Ostholsteinerin sage ich: Wir alle kennen die lettproduktion des Theaters Kiel. Auch das ist eine Debatte um die Eutiner Festspiele, die eine lange Frage von Ausgabenoptimierung. Tradition haben und eine großartige Leistung brin- gen, aus verschiedensten Gründen aber in großen Die Ministerin will den Dialog mit allen Beteilig- Schwierigkeiten sind. Das ist sicherlich nicht im- ten. Sie will mit ihnen gemeinsam ein Konzept er- mer nur eine Geldfrage. Auch da fände ich es klug, arbeiten. Das ist schon einmal eine andere Ansage, vielleicht einmal zu gucken, ob man das nicht in ein als nur auszusitzen. Ich sage noch einmal: Dabei ist Gesamtpaket schnüren kann. Kreativität und nicht Kirchturmdenken gefragt. Es ist Kooperation und nicht Konkurrenz gefragt. Es ist auch schon gesagt worden, dass für das Lan- Auch davon war die Debatte in den letzten zweiein- destheater, das zurzeit quasi obdachlos ist, eine halb Jahren geprägt. Sie hat niemanden wirklich Lösung gefunden werden muss. Frau Kollegin weitergebracht. Klahn, die Standortdebatte ist keine Umverteilungs- debatte. Dabei geht es um die Frage: Wird erstens Unser aller Ziel muss es schließlich sein, den Thea- ein Haus in Schleswig gebaut werden können? Die tern eine verlässliche Perspektive zu geben. Des- Idee, dort eine Mehrzweckhalle als Neubau zu er- halb freue ich mich, dass wir den Vorhang wieder richten, der auch für Theater genutzt werden kann, aufziehen und diesmal mit einer kulturbegeisterten ist klug. Es geht aber darüber hinaus um die Stand- Ministerin in die neue Spielzeit starten. - Ich danke orte, die das Landestheater im nördlichen Landes- Ihnen. teil bespielt. An dieser Stelle geht es keineswegs (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD um die Frage: Gibt man mehr Mittel nach Lübeck und SSW) und dafür weniger an das Landestheater? Das ist in diesem Zusammenhang eine völlig andere Debatte. Vizepräsident Bernd Heinemann: (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW) Das Wort hat Frau Abgeordnete Waldinger-Thier- ing vom SSW. Alle drei Theater - in Lübeck, in Kiel und das Lan- destheater -, dazu die freien Theater, leisten Wichti- Jette Waldinger-Thiering [SSW]: ges für unser Land. Wir können und wollen nicht auf sie verzichten. Ich kann nur noch einmal Frau Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Kollegin Raudies unterstützen: Kultur ist eine exi- Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! stenzielle Notwendigkeit. Ich bin sehr dankbar, Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 145

(Jette Waldinger-Thiering)

Sehr geehrte Ministerin für Kultur, vielen Dank für (Zurufe und Unruhe) deinen mündlichen Bericht. (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki Vizepräsident Bernd Heinemann: [FDP]) Fahren Sie einfach fort! - Was sagst du? (Lachen FDP)

Vizepräsident Bernd Heinemann: Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Sie haben das Wort! Gut. - So weit wird es aber kommen, wenn wir nur noch mit dem Rechenschieber Politik machen: Jette Waldinger-Thiering [SSW]: gleichgeschaltete Theater mit den immer gleichen Kassenschlagern auf dem Spielplan. „Das Theater darf nicht danach beurteilt wer- den, ob es die Gewohnheiten seines Publi- Doch schon im Januar blieb die kalkulierte Empö- kums befriedigt, sondern danach, ob es sie zu rung aus. Denn die Menschen in Schleswig-Hol- ändern vermag.“ stein wissen, dass Kultur nicht kostenlos zu haben ist, Das sagte Bertolt Brecht. Damit wollte er sich aus- drücklich von Vereinnahmung und Instrumentali- (Beifall SSW) sierung des Theaters seitens der Politik distanzie- ebenso wenig übrigens wie Straßen, Universitäten ren. Dass das kein Problem der Vergangenheit, son- oder öffentliche Toiletten. Die Bürgerinnen und dern hochaktuell ist, zeigt die heutige Sitzung. Wer Bürger sind durchaus bereit, Theater zu finanzieren. nach acht Wochen Regierungsarbeit einen Antrag Das haben nicht zuletzt die Demonstrationen in auf einen mündlichen Bericht zur Zukunft schles- Flensburg zum Erhalt des Landestheaters ge- wig-holsteinischer Theater in den Landtag ein- zeigt. Ohne Kultur entseelt nämlich unsere Gesell- bringt, muss sich auf jeden Fall die Frage gefallen schaft. lassen, ob das nicht ein durchsichtiges Manöver ist. Werden hier etwa die Theater instrumentalisiert, Ich will hier nicht irgendwelchen hehren Kulturvor- um eigene jahrelange Versäumnisse vergessen zu stellungen das Wort reden. Aber wir müssen klipp machen? und klar sagen: Theater kosten Geld, weil sie etwas leisten. Ich warne aber davor, die Theater auf ihre (Zuruf CDU: Welche Versäumnisse?) Funktion als Kostenposten mit Einsparpotenzial zu - Die gab es, und zwar nicht zu knapp. begrenzen oder auf ihre Rolle als Standortfaktor. Natürlich müssen die Besucherzahlen stimmen, an- Viele Theatermacher beklagten sich in schwarz-gel- sonsten verkommt das Theater zur Bildungsveran- ben Regierungszeiten über eine abwartende Hal- staltung für einige Auserwählte. tung der Landesregierung. Sie fühlten sich im Re- gen stehen gelassen. Das hörte ich immer wieder in Aber bei aller Rotstiftpolitik kommt dem Theater den Gesprächen. Trotz immenser Anstrengungen ein eigener Wert zu. Theater ist nämlich Nahrung administrierte der damalige Kulturminister Klug die für die Seele. Der SSW beteiligt sich darum aktiv Theater zu einem reinen Kostenpunkt. Ein Bei- an den Diskussionen um die Zukunft der Spiel- spiel: Noch im Januar monetarisierte er in der ent- stätte in Schleswig. Es liegen eine Reihe interes- sprechenden Landtagsdebatte und kalkulierte auf santer Vorschläge auf dem Tisch, die die derzeitige Zustimmung durch seine auf Zahlen verengten Re- Situation als Chance für einen wirklichen Neube- de. Jeder Besuch im Landestheater würde vom ginn verstehen. Steuerzahler mit 101 € subventioniert werden. In anderen Städten sieht das etwas anders aus. Da (Christopher Vogt [FDP]: Schlimm, dass funktionieren zwar die Spielstätten, aber es kneift man das anspricht!) an anderer Stelle. Aus diesem Grund benötigen wir ein Konzept, das die Eigenarten vor Ort berücksich- - Ja, das ist richtig. Aber das ist so, weil Kultur ein tigt. Wir haben nämlich neben dem Landestheater Lebensmittel ist, und das gibt es nicht als kostenlo- und den freien Bühnen eine sehr lebendige Laien- se Zugabe. Ich möchte jedenfalls nicht nach der szene, die ihren Beitrag zur Kultur Schleswig-Hol- „Vermaisung“ der Landschaft ähnliches bei den steins leistet. Theatern erleben. So weit wird es aber kommen, wenn wir noch - - (Beifall SSW und SPD) 146 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Jette Waldinger-Thiering)

Nicht zuletzt die Minderheiten sind auf diese Sparte (Zuruf Abgeordneter Dr. Heiner Garg [FDP]) angewiesen, um überhaupt einmal eine Theatervor- Und jetzt? Da ist die neue Landesregierung noch stellung in ihrer Muttersprache besuchen zu kön- keine 90 Tage im Dienst, macht ihre Arbeit, und nen. dann kommen Kleine Anfragen von den örtlichen Das zukünftige Theaterkonzept muss all dies be- Abgeordneten. Das ist ihr gutes Recht. Aber es ist rücksichtigen und daneben noch die unterschiedli- natürlich amüsant, weil gerade beim letzten Mal che Leistungsfähigkeit der Kommunen und der immer kritisiert worden ist, was darin gestanden Träger. Die anstehenden Gespräche werden nicht hat. leicht werden; denn die alte Landesregierung hat (Zuruf Abgeordneter Dr. Heiner Garg [FDP]) teilweise ordentlich Porzellan zerschlagen. Doch ich bin zuversichtlich, dass wir bald ein durchdach- tes Konzept hier im Landtag diskutieren werden. Vizepräsident Bernd Heinemann: Dann würde ich mir allerdings weniger Theaterdon- Frau Abgeordnete Pauls, gestatten Sie eine Zwi- ner wünschen. Wir sollten zunächst den Sachstand schenfrage des Kollegen Callsen? und das Konzept schriftlich vorliegen haben, bevor wir in die nächste Debattenrunde einsteigen. Birte Pauls [SPD]: (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Sehr gern. GRÜNEN) Johannes Callsen [CDU]: Frau Kollegin Vizepräsident Bernd Heinemann: Pauls, ich möchte Sie gern fragen, woher Sie wissen, dass es eine Kleine Anfrage eines Für einen Dreiminutenbeitrag hat Frau Abgeordnete örtlichen Abgeordneten gibt? Pauls von der SPD-Fraktion das Wort. - Dafür haben wir ein Intranet, Herr Callsen. Birte Pauls [SPD]: Die ist aber noch nicht darin veröffentlicht. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen - Ja, das stimmt. Aber die Anfrage ist ja schon ein- und Kollegen! Ich würde gern mit einem Vorurteil mal da. Ich kenne den Inhalt natürlich nicht. aufräumen. Das bauliche Problem am Standort (Lachen CDU - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das Schleswig ist eben nicht nur ein bauliches Pro- ist ja klasse!) blem am Standort Schleswig, sondern es ist ein Problem für das gesamte Konstrukt schleswig-hol- Aber weil ich weiß, wie du an dieser Stelle tickst, steinisches Landestheater. Dieses schleswig-hol- kann ich mir denken, was da drinsteht. steinische Landestheater bespielt 51 % unserer ge- (Heiterkeit - Zurufe) samten Landesfläche. Das ist ein Problem, das uns alle angeht, und es ist deswegen eben nicht nur ein Aber, lieber Johannes Callsen und lieber ehemali- Problem für die Stadt Schleswig ist, sondern das ist ger Kollege Peter Brodersen – der jetzt aus dem ein Problem, das für uns alle wichtig sein sollte. Kreistag auch entsprechende Anträge stellt -, ich kann mich ja nur freuen über dieses plötzlich auf- (Beifall SPD) tretende Interesse. Ich habe es damals vermisst, als Ich finde es schon auch sehr lustig und sehr ihr noch die Möglichkeit hattet, etwas zu regeln. amüsant, was hier gerade abgeht. Nachdem der al- Noch mehr freue ich mich aber über die klaren ten Landesregierung seit Juni 2011 dieses bauliche Aussagen, die Ministerin Spoorendonk heute getä- Problem und alles, was dieses nach sich zieht, be- tigt hat zu einer Sicherung für Schleswig und da- kannt ist, hat es keinerlei Kraftanstrengung gege- mit aber eben auch für das gesamte schleswig-hol- ben, und keinerlei Aktivitäten sind gezeigt worden. steinische Landestheater. Das ist auf jeden Fall Völlig fantasie- und ideenlos stand diese alte Lan- schon einmal 100-prozentig mehr als das, was die desregierung da und gab mir in einer Kleinen An- alte Landesregierung zu diesem Thema gemacht frage, die ich damals gestellt hatte, die Antwort, auf hat. absehbare Zeit gebe es keine realistischen Finan- (Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zierungsmöglichkeiten. Das Theater möge sich NEN) bitte andere Spielstätten suchen. Fertig, Punkt! Daneben standen dann achselzuckend die örtlichen Abgeordneten Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 147

Vizepräsident Bernd Heinemann: Mal fragt, wie denn das Konzept der Landesregie- rung zum Erhalt der Theaterlandschaft aussieht. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Doch, eine weitere liegt vor. Dann hat jetzt der Herr Ab- (Beifall FDP) geordnete Wolfgang Kubicki das Wort für einen Besonders bemerkenswert finde ich, dass uns vom Dreiminutenbeitrag. Kollegen Dr. Stegner immer vorgeworfen worden ist, wir dürften eigentlich gar nichts mehr tun, weil Wolfgang Kubicki [FDP]: wir nicht legitimiert seien, und Sie jetzt beklagen, Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Erste, das dass wir nichts getan hätten, was auch nicht stimmt. mich überrascht hat, ist dieses: Ich sitze ja schon (Lachen FDP) den ganzen Nachmittag hier und verfolge die De- batte mit wachsender Spannung. Mich wundert nur, Wir hätten schon gern gewusst, wie die Auftritte dass sich die PIRATEN bisher nicht hierzu geäu- der regierungstragenden Fraktionen vor der Land- ßert haben. In völliger Transparenz könnten wir tagswahl in Schleswig und drumherum zu bewerten heute erfahren, welche Meinung der eine oder an- waren. Ich lasse mir das Zitat gerade kommen. Bei- dere von den PIRATEN hat. spielsweise hat Herr Dr. Stegner gesagt, selbstver- ständlich gebe es Möglichkeiten, von der Landes- (Zuruf SPD: Das geschieht in den Hinterzim- ebene aus Mittel zur Verfügung zu stellen, damit mern!) das Theater saniert werden könne. Man müsse den - Ja, in den Hinterzimmern mag das ja sein. Aber Druck während des Wahlkampfs erhöhen. Das trotzdem wäre das bei der die schleswig-holsteini- brauchen Sie nicht mehr, jetzt regieren Sie ja. Wir sche Öffentlichkeit wirklich interessierenden Frage haben - wie die Menschen vor Ort - einen Anspruch auch hier von Nutzen. Ich habe gerade gehört, darauf, wie das, was Sie im Wahlkampf insinuiert Theater sei so etwas wie das Brot des Lebens für haben, nämlich dass dann, wenn Sie regieren wür- viele Menschen. Deshalb hätte ich schon gern ge- den, für das Landestheater in Schleswig alles viel wusst, was Abgeordnete dieses Hauses, die ja ins besser werden würde, irgendwann konzeptionell Parlament gewählt worden sind, zur Situation und umgesetzt werden soll. Wir warten gern bis zu den zur Bewältigung dieses Problems sagen. Haushaltsberatungen, aber wir werden keine fünf Jahre lang warten, Herr Dr. Stegner. Die Menschen (Beifall FDP und SPD) in diesem Land werden das auch nicht tun. Sie sollten sich jedenfalls hier nicht verstecken, da (Beifall FDP und vereinzelt CDU) wir uns bemühen, in kontroversen Diskussionen zu einem Kompromiss zu finden, auch in Arbeitssit- Vizepräsident Bernd Heinemann: zungen, um anschließend zu erklären, Sie seien nicht dabei gewesen. Ich meine, dies muss man für Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat Herr die schleswig-holsteinische Öffentlichkeit wirklich Abgeordneter Callsen, Vorsitzender der CDU-Frak- einmal festhalten. tion das Wort. Frau Kollegin Pauls, was mich ein bisschen ver- wundert, das ist Ihre, wie ich aber finde, verständli- Johannes Callsen [CDU]: che Erregung, die Sie hier an den Tag gelegt haben. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ich darf daran erinnern, dass die erste Kleine Anfra- Ministerin, ich finde es angenehm und bedanke ge nach der Installation der gelb-schwarzen oder mich auch dafür, dass Sie zum Schluss Ihrer Rede schwarz-gelben Landesregierung im Jahre 2009 in- den Dialog angeboten haben. Das ist immer das teressanterweise von dem Abgeordneten Fürter der Einzige, was der Landesregierung einfällt, wenn es Grünen kam, und zwar schon zwei Tage, nachdem keine Lösung mehr gibt. wir die Regierungsgeschäfte übernommen hatten. (Zurufe SPD) (Heiterkeit FDP) Ich will noch einmal das aufgreifen, was der Kolle- Man ging dann 1 bis 24 immer wieder durch. ge Kubicki gesagt hat: In der Tat war es in der Re- (Lachen FDP und CDU) gion Schleswig vor der Wahl so, dass - und das will ich ganz ehrlich sagen - vonseiten der damaligen Insofern darf es Sie nicht überraschen, dass man Oppositionsparteien keine Versprechungen ge- diese Regierung nach 60 Tagen Amtszeit das erste macht wurden. Es wurden aber unter anderem durch Formulierungen der damaligen Kollegin 148 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Johannes Callsen)

Spoorendonk Erwartungen geweckt. Es wurde der Herr Kollege Kubicki, insofern haben Sie die Dia- Eindruck erweckt: Wenn nur alle an einem Strang lektik nicht verstanden. Wir haben in der Tat ge- ziehen, dann wird es zu einer Lösung kommen. Sie sagt: Sie haben keine legitime Mehrheit, deshalb haben den Eindruck erweckt, Sie hätten die Lösung musste es Neuwahlen geben. Wir wollten Ihnen in der Tasche. aber mitnichten die Entschuldigung dafür liefern, dass Sie drei Jahre lang nichts getan haben. Das Eben wurde die Kleine Anfrage angesprochen. Die war wirklich nicht meine Absicht. Wenn ich das ge- heutige Debatte hat es auch gezeigt: Wir sind kein tan haben sollte, dann entschuldige ich mich. Ich Stück weiter. Ich habe die Antwort auf die Kleine dachte schon, Sie würden etwas leisten. Dass Sie Anfrage dankenswerterweise bekommen. Ich kann das nicht getan haben, ist etwas, bei dem Sie sich Ihnen sagen, dort steht nur: prüfen, ausloten, bemü- nicht auf mich berufen sollten. Das wäre des Guten hen - nicht mehr. Dazu sage ich: Toll, das finde ich dann doch ein bisschen zu viel. bei der Erwartungshaltung, die Sie damals geweckt haben, toll. Ein zweiter Punkt: Sie haben bei sich im Pressear- chiv tüchtige Leute. Wenn diese Ihnen den Artikel Sie haben auch heute das FAG ins Spiel gebracht. aus den „Schleswiger Nachrichten“ heraussuchen, Die Ministerin hat es sogar gesagt: Sie wissen ge- dann werden Sie feststellen, dass ich im Kommen- nau, dass dies nur für Betriebskosten möglich ist. tar dafür kritisiert worden bin, dass ich trotz Wahl- Eine Investitionsförderung scheidet also aus. Als es kampf leider keine konkreten Versprechungen ge- damals auch auf Vorschlag der kommunalen Fami- macht habe. Das war die Kritik der „Schleswiger lie darum ging, Sonderbedarfszuweisungen für Nachrichten“. Ich bekenne mich demütig dazu, dass Schleswig freizumachen, hat die damalige Opposi- es stimmt, dass ich keine konkreten Versprechun- tion gesagt: Hurra, das ist eine Lösung mit Sonder- gen gemacht habe. bedarfszuweisungen aus dem FAG. Der damalige Innenminister hat gesagt: Das geht rechtlich nicht. Ich habe aber gesagt: Wenn man etwas erreichen Uns wurde von Ihnen vorgeworfen, wie unkreativ will, dann muss man im Wahlkampf Druck ma- und wie ideenlos wir seien und dass wir dies nur chen, solange der Kollege Callsen noch etwas zu verhindern wollten. Heute steht in der Antwort auf sagen hat. Das wird nämlich nach der Wahl anders die Kleine Anfrage an mich: Sonderbedarfszuwei- sein. Das habe ich in der Tat gesagt. Herr Callsen, sungen sind als Förderinstrument ungeeignet. Bei dazu bekenne ich mich. Ich weiß nicht, wie lange aller rechtlichen Richtigkeit, die auch stringent ist, Sie das, was Sie jetzt tun, noch machen, aber ich ist die Frage, wie ehrlich man mit den Menschen hatte die Hoffnung, dass Sie sich als Schleswiger umgeht. Abgeordneter und als Fraktionsvorsitzender einer regierungstragenden Fraktion vielleicht dafür ein- (Beifall CDU und FDP) setzen und an einer Gesamtlösung mitwirken, bei Ich stelle für heute fest: Es hat sich nichts getan. Ich der dann allerdings die kommunalen Landesverbän- kann Sie nur auffordern: Handeln Sie endlich. Er- de, die Stadt Schleswig und alle Beteiligten mit an füllen Sie die Erwartungen, die Sie in Schleswig dem Tisch sitzen müssen. Ich glaube, das ist auch selbst geweckt haben. aus dem, was die Ministerin gesagt hat, deutlich ge- (Beifall CDU - Widerspruch SPD) worden. Ihr möchte ich übrigens zu ihrer Jungfern- rede als Ministerin gratulieren. Man hat gemerkt: Wir haben wieder eine Kultusministerin, die sich Vizepräsident Bernd Heinemann: für Kultur interessiert. Ich finde, das ist ein gutes Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der SPD- Zeichen für dieses Haus, und das begrüßen wir. Fraktion, Herr Abgeordneter Dr. Stegner. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) Dr. Ralf Stegner [SPD]: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vizepräsident Bernd Heinemann: Wenn man von Ihnen die deklamatorische Feststel- Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra- lung hört: Handeln Sie endlich, nachdem wir 60 Ta- ge des Herrn Abgeordneten Kubicki? ge im Amt sind, dann wirft dies ein bezeichnendes Licht auf die knapp drei Jahre, die Sie hier agiert haben. Das muss ich sagen. Dr. Ralf Stegner [SPD]: (Beifall SPD und SSW) Da ich vermute, dass er einen Satz vorliest, der im Widerspruch zu dem Gesamtartikel steht, kann er Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 149

(Dr. Ralf Stegner) das gern tun. Das ist ja seine Taktik. Bitte schön, kann, der dann etwas ist, was man finanzieren kann Herr Kollege. und bei dem wir möglicherweise in der Lage sein werden, in irgendeiner Art und Weise Investitions- (Der Abgeordnete Wolfgang Kubicki [FDP] mittel freizuschaufeln. Erst einmal muss man sich nimmt wieder Platz - Lachen bei SPD, jedoch darüber unterhalten, was man machen will, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) weil man dann sehen kann, inwiefern das auch för- - Dankeschön. derfähig ist. Ein letzter Punkt: Lieber Kollege Callsen, es ist Vizepräsident Bernd Heinemann: ernst gemeint von uns, dass wir Dialoge anbieten. Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Das ist nichts, was Frau Ministerin Spoorendonk Herrn Abgeordneten Harms das Wort. jetzt tut, sondern das ist etwas, was wir uns im Ge- gensatz zu der vergangenen Regierung vorgenom- Lars Harms [SSW]: men haben. Wir werden Ihnen immer wieder den Dialog anbieten, weil wir zusammenarbeiten wol- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und len und weil wir der Auffassung sind, dass auch re- Herren! Die Debatte hat dazu geführt, dass ich mich gionale Abgeordnete, die möglicherweise nicht un- noch zu Wort melden möchte. ser Parteibuch haben, durchaus etwas beizutragen (Hans-Jörn Arp [CDU]: Das hätte keiner er- haben, um Probleme zu lösen. wartet!) (Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE - Lieber Kollege Arp, das ging schon damit los, als GRÜNEN und PIRATEN - Wolfgang Ku- Frau Klahn sagte, wir würden uns nur noch um den bicki [FDP]: Wir bieten euch auch Dialoge nördlichen Landesteil kümmern und dies sei gerade an!) in Schleswig besonders sichtbar. Hierzu muss man - Wunderbar. Lieber Wolfgang, dann lass uns das sagen, dass es sich erstens um das gesamte Land machen. Lass uns endlich einen Dialog führen und handelt, das von diesem Thema betroffen ist, denn nicht immer dieses Spielchen zwischen Regierung das ist das Landestheater. Zweitens liegt es daran, und Opposition spielen, nur weil die Regierung et- dass es über drei Jahre hinweg gerade durch einen was macht, müsst Ihr immer dagegen angehen. Minister von der CDU Versäumnisse gab. - Oh, ich habe von der CDU gesagt. Das war fast so, aber der (Lachen FDP) Minister war doch von der FDP. Er hat in diesem Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ganze kön- Bereich nichts getan und vor allen Dingen nichts nen Sie mit Sicherheit zumindest nicht dem SSW auf die Reihe gekriegt. Wir müssen das jetzt aufräu- vorwerfen. Wir haben uns immer dafür entschie- men. Das ist die Aufgabe unserer Ministerin, die den, wir waren immer dialogbereit. Wir werden das das jetzt regeln wird. auch immer sein. Die gesamte Regierung, die sich (Widerspruch bei CDU und FDP) jetzt gebildet hat, hat einschließlich der Koalition gesagt: Wir wollen mit euch reden. Ihr könnt natür- Ein zweiter Punkt: Herr Kubicki, Sie haben gesagt, lich in Hohn und Gelächter ausbrechen. Trotzdem wir hätten angekündigt, dass Lösungen möglich sei- meinen wir es ernst, und wir werden das fünf Jahre en. durchhalten und euch immer wieder den Dialog an- (Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja!) bieten. - Ich bin der festen Überzeugung, dass Lösungen (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE möglich sind. Lösungen sind jedoch nur dann mög- GRÜNEN) lich, wenn man zusammen mit den Leuten vor Ort, zusammen mit der Stadt Schleswig und den Gesell- Vizepräsident Bernd Heinemann: schaftern des Landestheaters guckt, welche Lösung Nun gibt es keine weiteren Wortmeldungen. Ich man anstreben muss. Dazu muss man Gespräche schließe die Beratung. führen. Es wurde angekündigt, dass diese Gesprä- che jetzt geführt werden. Jetzt muss man kreativ Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtantrag sein. Ich könnte mir das vorstellen, was Frau Minis- Drucksache 18/78 durch die Berichterstattung der terin Spoorendonk gesagt hat, nämlich dass man Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Es nicht auf ein reines Theatergebäude setzt, sondern wurden keine Anträge gestellt, der Tagesordnungs- auf einen Bau, der mehrere Funktionen erfüllen punkt ist damit erledigt. 150 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 und 14 A auf: ihrem Einsatz und ihrer Solidarität gefragt, die mehr als andere abgeben können. Gemeinsame Beratung (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW) a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wir alle werden mit anpacken müssen, um die Vor- Kürzung der Amtsbezüge der Ministerpräsi- gaben der Schuldenbremse einzuhalten, eine dentin oder des Ministerpräsidenten und der Schuldenbremse, die für Schleswig-Holstein ein Landesministerinnen und Landesminister beispielloser Kraftakt ist. Ich bin mir sicher, dass ein Minister oder eine Ministerin den Beschäftigten Gesetzentwurf der Landesregierung glaubwürdiger erklären kann, dass es durch Perso- Drucksache 18/31 nalabbau zu Arbeitsverdichtungen kommen kann, wenn er oder sie auch selbst einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet hat. Knapp b) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur 75.000 € können jährlich eingespart werden, wenn Änderung des Schleswig-Holsteinischen Ab- das Parlament beide vorliegenden Gesetzentwürfe geordnetengesetzes beschließt, circa 61.000 € durch die Änderung des Ministergesetzes, circa 13.000 € durch die von den Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜND- Fraktionen eingereichten Änderungen. Die Ministe- NIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten rinnen und Minister haben damit ab Januar 2013 des SSW durchschnittlich circa 740 € brutto weniger, der Drucksache 18/115 Ministerpräsident einschließlich Altersvorsorge cir- Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ca 2.100 €. ist nicht der Fall. Die Landesregierung wird zu- Meine Damen und Herren, dafür müssen wir uns nächst zu a, dem älteren Gesetzentwurf, der schon nicht schämen. vorlag, sprechen. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD Damit gebe ich das Wort mit einer Grundsatzbera- und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber tung zunächst der Finanzministerin Monika Hei- es sind 30.000 € weniger!) nold. - Bitte schön, Sie haben das Wort, Frau Mini- sterin. Wenn andere in diesem Zusammenhang von einem platten Versuch sprechen, Herr Garg, oder von ei- Monika Heinold, Finanzministerin: ner Kampagne, Herr Koch, sollten Sie sich selbst die Frage stellen, ob das nicht eher Ihrem eigenen Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und schlechten Gewissen als unserer Initiative geschul- Herren! Mit dem Einkommensverzicht des Minis- det ist. terpräsidenten und der Ministerinnen und Minister sanieren wir keinen Landeshaushalt, sondern wir (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und geben ein Signal dafür, dass wir als politisch Ver- SPD) antwortliche in Zeiten der Haushaltskonsolidie- Unsere Initiative kann nicht reparieren, was durch rung einen eigenen Beitrag leisten wollen und wer- mangelnde Sensibilität und Überversorgung im po- den. litischen Raum in den letzten Jahren an Schaden (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD entstanden ist. Als Beispiel nenne ich das leidige und SSW) Thema des Ehrensolds des ehemaligen Bundesprä- sidenten Wulff, der gerade wieder in der öffentli- Die Kürzung der Ministergehälter war die erste fi- chen Debatte ist. nanzträchtige Entscheidung dieser Landesregie- rung, die Ministerpräsident Albig im Kabinett auf Meine Damen und Herren, die Bezahlung von Ab- die Tagesordnung gesetzt hat. Herr Ministerpräsi- geordneten und Ministern soll deren Unabhängig- dent, ich bin Ihnen dankbar dafür, weil wir als neue keit sichern. Das ist der Maßstab und nichts ande- Landesregierung damit deutlich machen: Bei den res. Weil das so ist, braucht sich niemand im Bü- vielen schwierigen Entscheidungen, die vor uns lie- ßerhemd hinzustellen, weil er ein politisches Amt gen, bei den vielen berechtigten Anliegen, die wir mit einer entsprechenden Vergütung ausübt. Ich nicht erfüllen, sind im Land gerade diejenigen mit warne jedoch vor dem Argument, Politiker und Po- litikerinnen dürften sich nicht unter Wert verkau- fen. Der Wert und die Qualität einer Arbeitskraft Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 151

(Ministerin Monika Heinold) hängen nicht davon ab, wie viel er oder sie ver- Ministerpräsidenten - später sicher irgendwann wie- dient. Eine Altenpflegerin mit fünf Jahren Berufser- der der Ministerpräsidentin - sowie seiner Landes- fahrung verdient 2.000 € brutto, ein Friseur 1.350 €. ministerinnen und -minister von 109,3 % auf Trotz des niedrigen Gehalts ist ihre Arbeit viel 104,8 % einer Beamtin oder eines Beamten der Be- wert, sind sie viel wert. soldungsgruppe B 11 beziehungsweise B 10 zuste- henden Grundgehaltssatzes abgesenkt. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und vereinzelt PIRATEN) Des Weiteren wird die Dienstentschädigung für Ministerpräsidenten in Höhe von monatlich Das Gleiche gilt für das Argument, wir bekämen 265,87 € sowie für die Landesministerinnen von nur die besten Leute für die Politik, wenn wir sie so monatlich 143,16 € komplett gestrichen. Damit, lie- gut bezahlen wie in der freien Wirtschaft. Ich sage be Kolleginnen und Kollegen, leisten die Kabinetts- Ihnen: Menschen, die nur wegen des Gehalts in die mitglieder einen Beitrag zur Sanierung des Lan- Politik gehen, brauchen wir nicht. deshaushalts, auch wenn dieser sicher eher symbo- (Wolfgang Kubicki [FDP]: Das stimmt!) lisch ist. Aber diese Symbolik ist wichtig und not- Meine Damen und Herren, lassen wir die Debatte wendig. also genauso klein, wie sie ist. Meine Damen und Herren, wir haben auch am An- (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki fang der letzten Wahlperiode mehrfach darüber be- [FDP]) raten, wie Parlament und Regierung einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten können. Wir, diese Landesregierung, wollen unsere Gehälter Die CDU/FDP-Regierung hat seinerzeit eine Kom- kürzen und bitten dafür um Ihre Unterstützung als mission eingesetzt, an der auch so bedeutende Per- Parlament. Denn Sie sind es, die die Gesetze ma- sönlichkeiten wie der Landesrechnungshofchef be- chen. - Vielen Dank. teiligt waren. Im Ergebnis beschränkte sich diese (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, Runde dann allerdings darauf, dem Parlament Vor- SSW und vereinzelt PIRATEN) schläge zu machen, wie auf Parlamentsseite gespart werden könnte. Dies ist seinerzeit auch geschehen, und wir haben das auch alle mitgetragen. Damals Vizepräsidentin Marlies Fritzen: haben wir kritisiert, dass vonseiten der Regierung Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die Redezeit wird nicht in gleicher Weise Vorschläge gemacht wor- gerade notiert. - Sie waren wunderbar in der Zeit. den sind, wie auch dort gespart werden könnte. Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort – – Die jetzt im Gesetzentwurf fixierten Änderungen (Wolfgang Kubicki [FDP]: Dem Abgeordne- waren damals schon in der Diskussion, allerdings ten Dr. Koch! Wir können doch Ching, ohne, dass die Regierung ihnen folgen wollte. Das, Chang, Chong machen!) meine Damen und Herren, holen wir jetzt nach. Ich danke dem Kabinett, dass die vor Amtsantritt ge- - Das ist eine gute Idee. Habe ich zwischenzeitlich machten Ankündigungen so schnell in die Tat um- schnell gemacht, und jetzt hat Peter Eichstädt von gesetzt worden sind. der SPD-Fraktion das Wort. (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki (Hans-Jörn Arp [CDU]: Dann geht es doch [FDP]) nicht nach Schönheit!) Meine Damen und Herren, die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abge- Peter Eichstädt [SPD]: ordneten des SSW haben noch einen Dringlich- Aber nach Größe, Kollege Arp. keitsantrag nachgereicht. Damit wird mit ähnlicher Zielsetzung das Abgeordnetengesetz des Schles- (Heiterkeit - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das wig-Holsteinischen Landtags in § 27 geändert, so- kann nicht sein! Allenfalls nach Länge!) dass Abgeordnete, die Ministerinnen oder Minister - Oh, die Uhr tickt. oder Ministerpräsidentinnen oder Ministerpräsiden- ten werden, eine nicht mehr um 90 %, sondern um Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich 95 % gekürzte Entschädigung als Abgeordnete er- will nach der Rede der Finanzministerin die Zahlen, halten. Weiterhin wird geregelt, dass die Abgeord- um die es hier geht, doch einmal präzise nennen. neten, die gleichzeitig Minister beziehungsweise Durch die vorliegenden Änderungen des Landes- Ministerpräsident sind, als Beitrag für ihre Alters- ministergesetzes werden die Amtsbezüge des 152 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Peter Eichstädt) versorgung nicht 1.500 €, sondern zukünftig nur hen? Ich denke gerade an unseren ersten Tagesord- 750 € erhalten. nungspunkt zu den komplexen Zusammenhängen der Energiewende. Ich denke, das will niemand im Auch diesen Schritt hätten wir seinerzeit bereits Haus. Wir sollten uns deshalb darauf besinnen, dass von der Vorgängerregierung erwartet. Wie einfach Sparen im System Parlament spätestens da eine es gewesen wäre, aber damals nicht gewollt, zeigt Grenze hat, wo eben diese Unabhängigkeit gefähr- die sofortige Initiative dieser Landesregierung. det ist. (Rainer Wiegard [CDU]: Wir haben Vor- Die von der Regierung und den regierungstragen- schläge für Abgeordnete gemacht, Herr Eich- den Fraktionen eingebrachten Änderungen sind städt!) maßvoll und ausgewogen. Wir werden sicher über Meine Damen und Herren, ich habe noch etwas dies und anderes in den Ausschüssen beraten. Las- Zeit und möchte deshalb noch auf einen anderen sen Sie uns das mit Augenmaß in den Ausschüssen Aspekt eingehen. Wir haben es in den letzten Wo- tun. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. chen gemerkt: Fragen um die Abgeordnetenent- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schädigung, die finanzielle und sächliche Ausstat- und SSW) tung des Parlaments, die Ausstattung von Regie- rung und Fraktionen hat im Moment Konjunktur. Ich möchte davor warnen, bei diesen Diskussionen Vizepräsidentin Marlies Fritzen: über das Ziel hinauszuschießen. Laut Artikel 11 der Vielen Dank. - Als nächster hat Herr Kollege Koch Verfassung des Landes Schleswig-Holstein gehört von der CDU-Fraktion das Wort. der Anspruch der Abgeordneten auf eine angemes- sene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädi- Tobias Koch [CDU]: gung zu ihren Statusrechten. Er sichert die Frei- heit des Mandats materiell ab. Dieser Grundsatz ge- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und hört also zu den Essentialen des demokratischen Herren! Was für eine Symbolpolitik. Dankenswer- Prinzips. Diese materielle Unabhängigkeit gilt ge- terweise hat das der Kollege Eichstädt gerade noch nauso für die Fraktionen und den Landtag insge- vor meiner Rede selbst eingeräumt. Wie sagte der samt. damalige Kieler Oberbürgermeister auf die Frage der Tageszeitung „Die Welt“ vom 1. März 2011 - Wenn Abgeordnete, Landtag und Fraktionen nicht Die Mitglieder eines von ihm geführten Kabinetts mehr in der Lage sein sollten, sich aus eigener sollen auf 15 % ihres Gehalts verzichten. - Diese Kraft und aus eigenen Mitteln Informationen zu be- vollmundige Ankündigung von Thorsten Albig vor schaffen, zum Beispiel durch die Beschäftigung der Landtagswahl wird mit dem jetzt vorgesehenen von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitar- Kürzungsbetrag von unter 75.000 € allerdings deut- beitern, um Stellungnahmen und Papiere zu erarbei- lich verfehlt. Angesichts von Gesamtbezügen von ten, dann gefährdet das die unverzichtbare Unab- 1,14 Millionen € entspricht die Kürzung gerade ein- hängigkeit der politischen Arbeit. mal einer Reduzierung von 6,58 %. Die Kosten des Doch nur ein Parlament, das unabhängig von ande- zusätzlichen Staatssekretärs übersteigen diesen ren Geldgebern seine Meinungs- und Willensbil- Kürzungsbetrag zudem bei Weitem. Ich komme dung gestalten kann, ist Garant für das grundsätzli- darauf später noch zurück und lasse jetzt keine che Fortbestehen der demokratischen Ordnung. Zwischenfragen zu. Wer hingegen allzu eifrig durch unbedachte populi- Wie sieht es mit dem angekündigten Kürzungsbe- stische Einsparforderungen diese Unabhängigkeit trag des Ministerpräsidenten von 2.100 € aus? gefährdet, gefährdet letztendlich das Prinzip der Dieser Betrag ergibt sich überhaupt erst dann, wenn Unabhängigkeit von Abgeordneten, Fraktionen und man die steuerfreie Aufwandsentschädigung auf Parlament, einen Bruttobetrag hochrechnet. Die tatsächliche (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE Einsparung im Landeshaushalt beträgt lediglich GRÜNEN, FDP und SSW) 1.891 €, wie die Landesregierung selbst einräumt. Wenn man dann schaut, was der Ministerpräsident oder - ich frage Sie - wollen wir - natürlich eine anschließend tatsächlich weniger im Portemonnaie rhetorische Frage - in Zukunft, statt eigene Erkennt- hat, und nur darauf verzichtet er ja wirklich, so sind nisse über komplexe gesellschaftliche Zusam- es nach Steuern 1.148 € netto, klingt aber natürlich menhänge zu erlangen, Vertreterinnen und Vertre- nicht so gut wie 2.100 € brutto. Eine gewisse Eitel- ter der Lobby aus Industrie und Verbänden bemü- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 153

(Tobias Koch) keit ist dem Ministerpräsidenten offenbar auch zu Staatssekretär wurde nicht bei Ihnen geschaffen, eigen. sondern offenbar in einem der beiden SPD-geführ- ten Ministerien, Bildung oder Wirtschaft. Wie viel (Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD] das genau kostet, werden wir trotzdem noch erfah- - Heiterkeit) ren, denn Sie werden sich um diese Antwort nicht Selbst dabei, Herr Stegner, hätten die Regierungs- ewig herumdrücken können. Die zweite Kleine An- fraktionen den Ministerpräsidenten beinahe noch frage ist auch schon im Internetsystem zu sehen im Regen stehen gelassen. Denn erst auf den letzten und liegt Ihnen bereits vor. Drücker, im Zuge der Dringlichkeit, und nur mit Ein zweiter Staatssekretär im Wirtschaftsministeri- Hilfe der Opposition gelingt es Ihnen, den dafür um - das muss man sich erst einmal auf der Zunge vorgesehenen Gesetzentwurf zur Änderung des Ab- zergehen lassen. Das Ministerium hat jeweils die geordnetengesetzes auf die heutige Tagesordnung Zuständigkeit für Energiepolitik und die HSH- zu setzen. Nordbank abgegeben, hat stattdessen die Zustän- (Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD]) digkeit für Arbeit dazubekommen, insgesamt also - Nein, nie besucht. - Der Formulierungsvorschlag weniger Zuständigkeiten als vorher, dafür jetzt aber des Finanzministeriums lag Ihnen bereits seit An- doppelt so viele Staatssekretäre wie vorher; das fang Juli vor. Da muss es offenbar noch erhebliche Ganze auf Kosten der Steuerzahler, und warum? - Meinungsverschiedenheiten zwischen SPD, Grünen Aus rein parteitaktischem Kalkül, denn offenbar und SSW gegeben haben. Viel einfacher wäre es ja musste auch der SPD-Gewerkschaftsflügel mit ei- auch gewesen, wenn der Ministerpräsident einfach nem Posten versehen werden. Der Steuerzahler darf auf die Altersversorgung als Abgeordneter verzich- es bezahlen, und dann wird ihm auch noch vorge- tet hätte. Herr Albig, es zwingt Sie ja keiner, einen gaukelt, die Regierung bei sich selbst spare. Das ist entsprechenden Antrag zu stellen. wirklich blanker Hohn. (Beifall CDU) (Beifall CDU) Eine gesetzliche Einzelfallregelung wäre dazu auf All das zeigt: Das gute Beispiel, mit dem das Kabi- jeden Fall nicht erforderlich gewesen. nett vorangeht, indem es bei sich selbst kürzt, ist mehr Schein als Sein, und unter Berücksichtigung Wer jetzt als Steuerzahler glaubt, sich zumindest et- des zusätzlichen Staatssekretärs ist es sogar nur was freuen zu können, der irrt trotzdem. Während Schall und Rauch. - Herzlichen Dank. sich diese Landesregierung öffentlich für ihre Be- scheidenheit feiern lässt, erhöht sie tatsächlich die (Beifall CDU) Kosten für die politische Führung zulasten der Steuerzahler. Statt bislang zehn benötigt diese Re- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: gierung nunmehr elf Staatssekretäre. Ein jeder Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN er- wird mit Besoldungsgruppe B 9 vergütet, das sind teile ich Frau Abgeordneter Eka von Kalben das 9.424 € monatlich. Wort. (Zuruf Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD]) Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allein das jährliche Grundgehalt des zusätzlichen Staatssekretärs übersteigt mit 113.000 € deutlich Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die den Kürzungsbetrag von 75.000 €. Familienzu- Regierung legt uns hier ein Angebot vor, ihre Bezü- schlag, Dienstwagenfahrer, Vorzimmer, all das ge zu senken. Das ist ein Anliegen, über das ver- kommt sogar noch oben drauf und ist der Regie- mutlich noch nicht viele Parlamente so zu entschei- rung auch peinlich. Denn sie weigert sich, die Ant- den hatten. Historisch war es eher üblich, dass wort auf die Frage zu geben, was dieser zusätzliche Staatsoberhäupter zum persönlichen Verbrauch Staatssekretär kostet. Auf meine Kleine Anfrage, eher höhere Bezüge gefordert haben als niedrigere. was der zusätzliche Staatssekretär im Energiewen- Insofern - Staatsoberhäupter oder Ministerinnen deministerium kostet - trickreiche Antwort der Lan- oder Minister - begrüße ich und begrüßt meine desregierung, herzlichen Glückwunsch dazu - kam Fraktion das Angebot der Regierung und des Minis- die Antwort: keine. Die Stelle sei lediglich aus der terpräsidenten. Staatskanzlei umgesetzt worden. (Christopher Vogt [FDP]: Häuptling!) Herr Dr. Habeck, Sie sind aus der Nummer raus - wunderbar. Wir lernen daraus: Der zusätzliche 154 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Eka von Kalben)

Die einen tun dieses Angebot als Symbolpolitik ab, Wenn behauptet wird, man findet nur Menschen für die sich an anderer Stelle der Personalpolitik der die Politik, wenn sie sehr hoch dotiert ist, dann ist Regierung wieder aufrechne. Die anderen meinten, das zu kurz gesprungen. Das unterstellt, dass sich wir trauten unseren eigenen Leuten nicht genug zu. Menschen wegen des Geldes engagieren. Wer das Vielleicht ist die Summe, die dadurch dem Land behauptet, kennt den Politikweg und den Politikall- zur Verfügung steht, angesichts der großen Proble- tag nicht, me, vor denen wir stehen, symbolisch. (Beifall Abgeordneter Dr. Patrick Breyer (Dr. Heiner Garg [FDP]: Die steht nicht zur [PIRATEN]) Verfügung!) vor allem, wenn man bedenkt, dass die überwiegen- Dem einen ist sie übrigens zu klein, dem anderen de Zahl der politisch engagierten Menschen dies ist sie zu hoch. Ich bin fest davon überzeugt, dass ehrenamtlich tut. es das richtige Symbol ist. Es ist sogar mehr als ein (Wolfgang Kubicki [FDP]: Im Landtag?) Symbol, nämlich das Signal an die Menschen. Wir haben verstanden, wir beteiligen uns, und wir leis- Wichtig ist es doch, vor allem im ehrenamtlichen ten unseren Beitrag. Bereich für Entlastung zu sorgen. Die Herausfor- derung, Beruf, Familie und Politik unter einen Hut (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW zu bringen, das ist doch der eigentliche Spagat. und Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD]) Wenn dann Politik zum Beruf wird, dürfen wir uns Genau wie die Fraktionsvorsitzenden und Parla- nicht in eine Kultur begeben, in der das nur Kinder- mentarischen Geschäftsführer vor zwei Jahren Kür- losen ermöglicht wird. Wir alle haben noch ein wei- zungen ihrer Gehälter beschlossen haben, folgt nun teres Leben außerhalb der Politik, und das ist auch auch das Kabinett diesem Vorgehen. entscheidend wichtig, damit wir geerdet sind. Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen, und die Be- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW zahlung muss angemessen sein. Sie muss den Poli- und Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD]) tikerinnen und Politikern Unabhängigkeit garan- Es macht deutlich, dass dieses Kabinett bereit ist, tieren. einen persönlichen Beitrag zu leisten, wenn von Die Regierung legt uns ein Angebot vor, ihre Bezü- vielen Menschen durch Sparmaßnahmen und er- ge zu senken. Wir Grüne werden das Angebot dan- höhte Abgaben und auch eventuelle Kosten der kend annehmen. Energiewende mehr abverlangt wird. Wir müssen das positiv zur Kenntnis nehmen. Wir müssen gute (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW Arbeit gut entlohnen. Demokratie darf nicht nur als und vereinzelt SPD) Kostenfaktor bewertet werden. Das ist richtig. Trotzdem finde ich es richtig, dass wir immer wie- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: der überprüfen, an welchen Stellen sich Dinge so entwickelt haben, dass sie nicht mehr zur Gesamtsi- Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter tuation der Bürgerinnen und Bürger passen. Es ist Dr. Heiner Garg das Wort. gut, dass die Regierung hier ein Zeichen setzt und persönliche Einschnitte akzeptiert. Es erhöht die Dr. Heiner Garg [FDP]: Glaubwürdigkeit, und Glaubwürdigkeit ist das, was Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sich die Menschen in Schleswig-Holstein von uns Erstens, Frau Kollegin von Kalben, wäre es schon wünschen. einmal angebracht, Sie würden nicht dauernd von Wir dürfen nie ausschließen, dass auch bei uns einem Sparbeitrag reden, den dieses Kabinett leiste. selbst Einschnitte in Kauf genommen werden müs- Ich habe das vom ehemaligen Finanzminister ge- sen. Da gilt es, Populismus zu vermeiden, der nur lernt, dass es etwas merkwürdig hier im Parlament das Vorurteil des faulen, vermeintlich nur aufs Ei- ist, die Vokabel „sparen“ zu bemühen. Sparen von geninteresse ausgerichteten Politikers bedient. Da- Geld, das wir eigentlich überhaupt nicht haben, ist mit werden wir vielleicht kurzfristig parteipoliti- kein Sparen, sondern allenfalls eine Ausgabe weni- sche Vorteile verdienen, aber langfristig schadet es ger. Aber auch das tun Sie nicht. Es wäre transpa- dem Ansehen der Politik und der Politiker insge- rent und ehrlich, wenn Sie eingestehen würden, samt. dass Sie mehr Geld für die Regierungsspitze, also für Minister und Staatssekretäre, brauchen. Sie ha- (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE ben einen Staatssekretär mehr als die Vorgängerre- GRÜNEN, SPD und SSW) Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 155

(Dr. Heiner Garg) gierung, Sie haben nicht weniger Minister. In der dere Verantwortung, und diese soll - und ich meine, Summe geben Sie also mehr Geld aus. Aber ich diese muss - sich auch in der Entschädigung Ihrer will mich auf dieses Klein-Klein offen gestanden Arbeit widerspiegeln. gar nicht versteifen. Herr Albig, Sie sind dabei, aus meiner Sicht einen (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE verhängnisvollen Fehler zu machen. Vielleicht ha- GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Gut ben Sie in dem Moment, als Sie im Wahlkampf Ih- so!) re Ankündigung - dabei ist es mir gleich, ob 15 %, 6,5 % oder sonst wie viel Prozent - machten, Ihr ei- Mich stört an der Debatte weniger, dass Sie die Öf- genes Gehalt kürzen zu wollen, möglicherweise fentlichkeit glauben machen wollen, Sie würden wirklich geglaubt, das würde mit Ansehen und Re- etwas sparen, was Sie in Wahrheit nicht tun. Was spekt honoriert oder Glaubwürdigkeit zurückbrin- mich stört, und wovon ich auch enttäuscht bin, Herr gen. Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Ministerpräsident, ist, dass Sie auf den populisti- Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen, schen Zug überhaupt aufspringen. Sie bedienen das ich sage Ihnen, Sie werden das Gegenteil dessen er- Vorurteil, Politiker seien eigentlich nichts wert und reichen, was Sie sich möglicherweise versprechen. bekämen dafür auch noch zu viel Geld. Vielleicht erlaubt Ihr neuer Politikstil, den Sie heu- Herr Ministerpräsident Albig, Sie sollten Ihr Amt te schon den ganzen Tag so gelobt haben, noch ein- nutzen, den Menschen den Wert - und zwar im mal darüber nachzudenken, ob das, was Sie hier wahrsten Sinne des Wortes - von Demokratie ganz dem Parlament vorschlagen, wirklich zu dem führt, geduldig zu erläutern und dafür zu werben, auch was Sie sich davon versprechen. Ich befürchte, das mutig zu werben, dass gute Politik schwierige Ent- ist nicht der Fall. Herr Dr. Stegner, ich hätte nie ge- scheidungsprozesse durchläuft und letztlich schwe- dacht, dass ich das in diesem Parlament noch ein- re Entscheidungen zu treffen hat und diese Ent- mal sagen würde, aber ich tue es an dieser Stelle scheidungen auch zu verantworten hat, dass ein sol- doch: Ich glaube, Sie haben heute Morgen in der ches Amt Mut und Kraft braucht, und dass all das Aktuellen Stunde - oder in der sogenannten Aktuel- auch seinen Preis hat. Das wäre nämlich eine Auf- len Stunde; was immer daran auch aktuell gewesen gabe - so, wie Sie im Wahlkampf aufgetreten sind - sein mag - zum Wert von Demokratie und auch gewesen, von der ich mir gewünscht hätte, dass Sie zum Wert eines jeden einzelnen von uns selbst - da- dazu den Mut finden. Übrigens hatte der Fraktions- zu zähle ich auch die Regierungsmitglieder - alles vorsitzende der SPD heute Morgen in der Aktuellen Notwendige gesagt. Dazu passt das, was uns heute Stunde sehr deutlich den Mut, von den Kosten der Nachmittag vorgelegt wird, bedauerlicherweise in Demokratie zu sprechen. Was machen Sie? - Sie keinster Weise. gehen den vermeintlich einfacheren Weg und be- (Beifall FDP und CDU) dienen jedes noch so platte Klischee. Ich halte Ihr Signal für ausgesprochen gefährlich, liebe Kolle- ginnen und Kollegen. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: (Beifall FDP und Abgeordneter Daniel Gün- Für die Fraktion der PIRATEN erteile ich Herrn ther [CDU]) Abgeordneten Torge Schmidt das Wort.

Wir brauchen - das sage ich für die FDP-Fraktion Torge Schmidt [PIRATEN]: mit allem Ernst - und wir wollen keine Discountre- gierung, sondern wir wollen verantwortungsbewus- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen ste Entscheider, die zumindest ansatzweise auf Au- und Herren! Die Kürzung der Bezüge für den genhöhe - ja, Frau von Kalben - mit relevanten Ent- Ministerpräsidenten und die Ministerinnen und scheidungsträgern aus Wirtschaft und Verbänden Minister ist ein gutes Signal. Schleswig-Holstein auch im Hinblick auf deren finanzielle Entschädi- befindet sich in einer sehr schweren finanziellen gung stehen. Lage. Viele Stellen müssen abgebaut werden. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass auch diejeni- Sie, Herr Ministerpräsident, und Ihre Mitglieder im gen, die dieses Land führen, ihren Teil dazu beitra- Kabinett sind elementarer Bestandteil unseres frei- gen. heitlich-demokratischen Systems. Sie sollen dazu beitragen, dass zentrale Probleme dieses Landes ge- (Beifall Abgeordnete Anke Erdmann löst werden. Sie sollen mit uns gemeinsam unsere [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Demokratie bewahren, Sie sollen sie verteidigen und weiterentwickeln. Sie haben eine ganz beson- 156 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Torge Schmidt)

Allerdings hat sich die Regierungskoalition gleich- (Beifall PIRATEN) zeitig dafür entschieden, einen zusätzlichen Staats- sekretär einzustellen. Die dadurch entstehenden Vizepräsidentin Marlies Fritzen: zusätzlichen Kosten übertreffen die Einsparungen der eben angesprochenen symbolischen Kürzungen Vielen Dank, Herr Kollege. - Bevor ich dem Abge- der Amtsbezüge der Regierungsmitglieder deut- ordneten Lars Harms vom SSW das Wort erteile, lich. Wir bezweifeln die Notwendigkeit der Einstel- bitte ich Sie, mit mir zusammen Mitglieder der lung dieses Staatssekretärs. Die Koalition hat be- CDU-Seniorenunion Lübeck hier im Landeshaus zu schlossen, die Anzahl der Abteilungen in den Mini- begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen! sterien zu reduzieren und Personal einzusparen, das (Beifall) heißt, die Arbeit in den Ministerien verdichtet sich. Ein zusätzlicher Staatssekretär wäre logischerweise Das Wort hat Herr Abgeordneter Lars Harms vom nur dann notwendig, wenn zusätzliche Abteilungen SSW. geschaffen würden. Lars Harms [SSW]: (Beifall PIRATEN) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben uns Herren! Es ist hier ein bisschen eine bunte Gemen- PIRATEN erklärt, dass dieser Staatssekretär einen gelange zwischen Einsparungswünschen oder Mehrwert ergeben werde. Dieser Mehrwert hat Rechtfertigung, zwischen der Frage, ob man einen sich bisher noch nicht gezeigt, und es ist zum ge- Staatssekretär nun gegenfinanziert hat oder nicht, genwärtigen Zeitpunkt auch noch nicht erkennbar, oder auch darüber, was der Wert der Demokratie dass sich in Zukunft ein solcher Mehrwert ergeben an sich eigentlich darstellt. könnte. Wenn es um die Einsparungen geht, möchte ich Aber ich möchte noch einmal auf einen anderen noch einmal in Erinnerung rufen: Die Fraktionen Aspekt Ihrer symbolischen Sparpolitik hinweisen. haben bereits gespart. Sie haben 10 % gespart, und Ihre Entscheidung führt nämlich dazu, dass ein Sie haben sich jetzt wieder auferlegt, diese 10 % Ministerpräsident, der die Verantwortung für die Einsparung weiterzuführen und keinerlei Fraktions- vielen Tausenden Bediensteten, die Finanzen, die mittelerhöhungen zuzulassen. Das ist eine Einspa- Sicherheit und vor allen Dingen die Zukunft dieses rung. Landes trägt, nun zukünftig 11.610 € brutto weni- ger als ein Fraktionsvorsitzender einer Landtags- Wir haben auch festgestellt, dass die Abgeordneten fraktion verdient. schon seit 2003 gespart haben. Sie haben eine Diä- tenreform durchgeführt, die nicht nur dazu geführt (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki hat, dass wir weniger in der Tasche haben, weil wir [FDP]) keine steuerfreien Zulagen mehr bekommen, son- Die Aufgaben und die Verantwortung eines Frakti- dern auch eine wesentlich schlechtere Altersversor- onsvorsitzenden im Vergleich zu dem eines Minis- gung haben. Das haben wir in Kauf genommen und terpräsidenten scheinen uns gegenwärtig in keinem bewusst gemacht, weil wir sparen wollten. Verhältnis mehr zu den monatlichen Bezügen zu Wir haben dann noch einen draufgesattelt, indem stehen. wir gesagt haben, auch die Parlamentarischen Ge- Herr Ministerpräsident, verehrte Kolleginnen und schäftsführer und Fraktionsvorsitzenden sollen we- Kollegen der Regierungskoalition, seien Sie doch niger verdienen, und haben vor zwei Jahren eine bitte so konsequent, nun auch den nächsten Schritt Kürzung für diese beiden Personengruppen be- zu gehen. Für mich und meine Kollegen aus der PI- schlossen. Auch die Abgeordneten haben gespart - RATEN-Fraktion steht außer Frage, dass jetzt die um das einmal ganz klar festzustellen. Auch der Anpassung der Zulagen von Fraktionsvorsitzen- Landtag hat gespart, indem er sich ein Wahlgesetz den und Parlamentarischen Geschäftsführern fällig gegeben hat, das dazu geführt hat, dass wir wahr- ist. scheinlich um die 2,7 Millionen € dadurch sparen, dass weniger Abgeordnete in diesem Parlament sit- (Beifall PIRATEN) zen. Auch der Landtag hat seinen Beitrag dazu ge- Ich möchte Sie dazu aufrufen, diese Anpassung nun leistet. in Angriff zu nehmen, um wieder eine Verhältnis- (Vereinzelter Beifall SSW und SPD) mäßigkeit herzustellen. - Vielen Dank. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 157

(Lars Harms)

Meine Damen und Herren, der Staatssekretär, der Lars Harms [SSW]: eine gewisse Summe kostet, ist der eigentlich da- Nein, lasse ich nicht. durch gegenfinanziert - das war die Frage, die her- auszuhören war -, dass der Ministerpräsident und die Minister auf Gehalt verzichten, dass die zusätz- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: liche Bezahlung als Abgeordneter gekürzt wird und Eine weitere Zwischenfrage wird von Herrn Abge- auch die Altersversorgung als Abgeordneter ge- ordneten Koch erbeten. Lassen Sie diese zu? kürzt wird? Das sind round about 75.000 €. Das reicht noch nicht, um einen Staatssekretär zu finan- Lars Harms [SSW]: zieren, da fehlt noch ein Drittel. Nein, auch nicht. Lieber Kollege Koch, wir haben ja auch noch ande- re Sparmaßnahmen im Rahmen der Landesregie- Wir können also feststellen: Wir können den Staats- rung durchgeführt, im näheren Umfeld, die dazu sekretär ohne Schwierigkeiten gegenfinanzieren. führen, dass wir den Staatssekretär durchaus finan- Wir können feststellen: Das Parlament hat gespart. zieren können. Wir können feststellen: Die Fraktionen haben ge- spart. Wir können auch feststellen, dass die einzel- (Zurufe CDU und FDP: Welche denn?) nen Abgeordneten in der Vergangenheit gespart - Das werde ich Ihnen jetzt sagen: Wir haben den haben. Integrationsbeauftragten eingespart, und wir haben (Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP]) den Mittelstandsbeauftragten eingespart. Deswegen haben wir unseren Beitrag schon geleis- (Beifall Abgeordnete Jette Waldinger-Thier- tet. Dass jetzt auch die Regierung einen Beitrag ing [SSW] und Bernd Heinemann [SPD] - leisten will, finde ich in Ordnung. Das macht die Johannes Callsen [CDU]: Das reicht immer Sache rund. Deswegen können wir jetzt mit Recht noch nicht!) behaupten - wir werden das hoffentlich in der näch- 11.800 € pro Nase Aufwandsentschädigung, Ge- sten Landtagstagung beschließen -, dass alle, die im schäftsbedarf circa 340 €, Büro im Ministerium, Landtag sitzen oder in der Regierung etwas zu sa- Dienstwagen, Mitbenutzung vorhandener Vorzim- gen haben, sich tatsächlich an den Sparmaßnah- merkonstellationen. Es ist ja gesagt worden, der men des Landes Schleswig-Holstein beteiligt ha- Staatssekretär habe ein Vorzimmer gekriegt. Wir ben. Das ist gut so. Das ist die Abrundung einer haben aber auch zwei eingespart. vernünftigen Sache. Das finde ich in Ordnung. Das geht alles auf eine Kleine Anfrage der damali- Es ist aber auch wichtig, dass wir uns nicht in eine gen Abgeordneten Heinold zurück, Drucksache Spirale hineinbewegen dürfen, die heißt: Wir müs- 17/167. Wir haben in diesem Bereich wahrschein- sen immer noch weniger, immer noch weniger, im- lich irgendwo zwischen 25.000 und 30.000 € ge- mer noch weniger haben. Vielmehr ist Demokratie spart. Das reicht jetzt schon für den Staatssekretär. ein Wert an sich. Selbstverständlich - da gebe ich dem Abgeordneten Garg recht - müssen wir uns auf (Widerspruch CDU und FDP) Augenhöhe mit denjenigen bewegen, mit denen wir - Selbstverständlich reicht das. zu tun haben. Das hat nicht nur etwas mit dem In- tellekt zu tun, sondern ab und zu eben auch tatsäch- (Tobias Koch [CDU]: 113.000 € Grundge- lich mit dem Gehalt. halt!) Man muss das machen, denn die Leute, die hier tä- - Lieber Kollege Koch, machen Sie sich keine Sor- tig sind, nehmen wirklich eine verantwortungsvolle gen, ich habe auch noch die Kulturbeauftragte für und zeitaufreibende Arbeit wahr und leisten eine Sie. Die haben wir auch noch eingespart, und das wichtige Arbeit. Ich will unser Licht nicht unter den ist richtig Asche, die wir da eingespart haben. Inso- Scheffel stellen. All die Maßnahmen, die ich aufge- fern ist es überhaupt kein Problem, dies gegenzufi- zählt habe, sind Dinge, die wir freiwillig und gern nanzieren. tun, weil wir unsere Verantwortung sehen und wir dieser Verantwortung nachkommen wollen. Das Vizepräsidentin Marlies Fritzen: soll aber nicht bedeuten, dass wir der Auffassung Herr Kollege Harms, lassen Sie eine Zwischenfrage sind, dass wir hier ganz, ganz schlechte Menschen des Herrn Abgeordneten Dr. Garg zu? sind, die nicht vernünftig arbeiten. Wir sind diejeni- gen, die eine große Verantwortung tragen. Dafür 158 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Lars Harms) haben wir es auch verdient, vernünftig bezahlt zu (Beifall SPD und Abgeordneter Dr. Heiner werden, wie andere Menschen in dieser Gesell- Garg [FDP]) schaft auch. Mir ist wichtig, dass die Regierung gute Arbeit leis- tet und nicht die Frage, ob sie eine halbe Stelle Vizepräsidentin Marlies Fritzen: mehr oder weniger bei sich selbst hat. Das ist der Und wir sind diejenigen, die unsere Redezeiten ein- Kern. halten. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Herr Kollege Schmidt, mich ärgert es schon, wenn Schluss! der Vertreter einer Fraktion hier schlicht unwahre Behauptungen aufstellt. Denn Halbwahrheiten füh- Lars Harms [SSW]: ren dazu, Vorurteile gegen das Parlament zu schü- Hätte ich glatt gemacht. Ich wäre schon fertig ge- ren. Das darf man nicht tun, man muss sich infor- wesen, wenn Sie mich nicht unterbrochen hätten. - mieren und richtig rechnen. Vielen Dank. (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE (Heiterkeit und Beifall SSW, SPD und GRÜNEN, FDP und SSW) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich bin noch nicht so lange Fraktionsvorsitzender, aber wenn ich Artikel in der Sommerpause lese, in Vizepräsidentin Marlies Fritzen: der von Abgeordneten berichtet wird, die aus dem Parlament ausgeschieden sind und nicht etwa Dank Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich und Anerkennung für ihre Arbeit fürs Gemeinwohl zunächst Herrn Abgeordneten Ralf Stegner von der bekommen, sondern in eine Situation geraten sind, Fraktion der SPD das Wort. in der sie ergänzende Hilfen bekommen, schäme ich mich dafür. Dann hat das auch ein bisschen da- Dr. Ralf Stegner [SPD]: mit zu tun, dass wir darüber reden müssen, dass wir Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gar kein Lob dafür kriegen, dass dieses Parlament Gerade weil ich das, was ich heute Morgen in der als eines der wenigen neben dem nordrhein-westfä- Aktuellen Stunde gesagt habe, sehr ernst meine und lischen Parlament beschlossen hat, selber für die weil ich glaube, dass das unser Hauptproblem ist, Altersversorgung zu sorgen, statt dass der Steuer- das wir haben, nämlich dass das Ansehen von Poli- zahler das macht. tik darunter leidet, dass der Eindruck befördert (Vereinzelter Beifall) wird, Politik sei überbezahlt oder darauf ausgerich- tet, dass man in die eigenen Taschen wirtschafte Die sind aber an einem Punkt angekommen, an dem oder Ähnliches, müssen wir alles vermeiden, was es nicht mehr reicht. Das ist nicht in Ordnung und diesen Eindruck fördert. Ich komme gleich darauf nicht richtig. zurück. Bei den Diäten sind wir auf eine Indexlösung ge- Das ist allerdings zu dem, was der Ministerpräsi- kommen. Es ist ja nie gut, wenn Diäten angepasst dent sagt, der die Frage übrigens genauso sieht, werden. Man würde manche Leute nur dann zufrie- deswegen kein Widerspruch, weil der letzte Herr denstellen, wenn man die Diäten ganz abschaffen Ministerpräsident, der jetzt im Ruhestand ist, aus- würde. Das sollten wir bitte nicht tun. geführt hat, die Politik spare bei sich selbst. Die (Vereinzelter Beifall FDP) Haushaltsstrukturkommission hat Vorschläge ge- macht, die in der Tat zu deutlichen Kürzungen der Wer aus materiellen Gründen in die Politik geht, Gehälter bei den Führungsspitzen der Fraktionen hat entweder nicht mehr alle Tassen im Schrank, geführt haben, aber nicht bei der Regierung selbst. oder er hat wirklich die falsche Motivation. Deswe- Wenn das jetzt durch das ausgeglichen wird, was gen sollten wir solche Leute nicht haben wollen. der Herr Ministerpräsident gesagt hat, hat das etwas Wir müssen schon ordentlich bezahlen. Da soll sich mit Glaubwürdigkeit der Politik zu tun. Es ist kein niemand beschweren, er macht es freiwillig. Widerspruch, wenn man das macht, damit muss es Ich finde es ausgesprochen wichtig, dass wir am Er- dann aber auch gut sein. Die Buchhalterdebatte, die gebnis unserer Arbeit gemessen werden und nicht jetzt geführt wird, ob das 10.000 € mehr oder weni- einen populistischen Wettlauf mitmachen, der lei- ger sind oder eine halbe Stelle hier oder dort, soll- der große Zustimmung findet. Bei manchen Leser- ten wir bitte nicht miteinander führen; die ist dieses briefen fragt man sich: Was ist eigentlich die Alter- Hauses unwürdig. native zu der Ordnung, die wir haben? Was wün- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 159

(Dr. Ralf Stegner) schen sich solche Menschen eigentlich? Demokrati- Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor Sie das Ho- scher wäre die Alternative jedenfalls nicht. helied auf die Regierung singen, Deswegen werbe ich sehr dafür, dass wir diesen (Birte Pauls [SPD]: Ich schäme mich!) Schritt noch machen. Ich glaube, das ist ein Stück fragen Sie sich einmal, ob Sie nicht Parteigrundsät- Ausgleich, was die Glaubwürdigkeit angeht. Ich be- ze über Landesinteressen stellen. - Vielen Dank. danke mich dafür, dass das so erfolgt. Lassen Sie uns aber bitte nicht in eine Klein-Klein-Debatte ein- (Beifall CDU) treten und aufhören zu meinen, wir könnten bei ir- gendjemandem punkten, wenn wir uns selbst Vizepräsidentin Marlies Fritzen: schlechter machen, als wir sind. Wir ringen hier um das Wohl des Landes. Das ist unsere Aufgabe in Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Regierung und Parlament. Das sollten wir gemein- dem Abgeordneten Tobias Koch das Wort. sam tun. (Unruhe - Lars Harms [SSW]: Deshalb darf (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN de Jager auch nicht nachrücken!) und SSW) Tobias Koch [CDU]: Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat sich Herren! Die krampfhaften Rechenübungen des Kol- Herr Abgeordneter Peter Sönnichsen von der CDU- legen Lars Harms machen deutlich, wie unange- Fraktion gemeldet. Ich erteile ihm hiermit das nehm der Regierung diese Debatte ist. Deswegen Wort. noch drei Anmerkungen dazu. Erstens. Allein das Grundgehalt des Staatssekretärs Peter Sönnichsen [CDU]: beträgt 113.000 €. Hinzu kommen Familienzuschlä- ge, Fahrer, Vorzimmer, Dienswagen und so weiter. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Selbst die Summe der von Ihnen aufgezählten Posi- Herren! Es entspricht mehr meinem Naturell, jedem tionen reicht bei Weitem nicht, um diese Kosten zu auch einmal seine zwei Minuten in der Zeitung zu decken. lassen, wenn er denn etwas Gutes tut. Wenn ich aber diese Effekthascherei hier sehe - - Frau Kolle- Meine zweite Anmerkung bezieht sich auf die eh- gin von Kalben und Kollege Lars Harms, ich spre- renamtliche Minderheitenbeauftragte. Ich möchte che insbesondere Sie an. Ich will noch einen ande- gern von der Landesregierung wissen, ob die Stelle ren Aspekt in die Debatte einbringen. Zwei Minis- der Minderheitenbeauftragten ab sofort unbesetzt terinnen und ein Minister haben sich über Ihre Par- ist und ob die Stelle gestrichen worden ist. Anson- teien wählen lassen, wahrscheinlich weil sie nicht sten wäre es unlauter, diese Stelle in die Berech- ganz sicher waren, ob sie doch die Regierung bil- nung einzubeziehen. den, und haben dann anschließend auf ihr Mandat (Zuruf SPD: Und Kulturbeauftragte!) verzichtet. Ich begrüße herzlich die neuen Abgeord- neten. - Kultur- und Minderheitenbeauftragte. Wären die beiden Ministerinnen und der Minister (Zuruf SPD: Das ist aber ein Unterschied!) gleichzeitig Abgeordnete geblieben, würde die Dritte Anmerkung. Ich gehe davon aus, dass der zu- 90-%-, 95-%-Regelung greifen, und das würde dem sätzliche Staatssekretär seit seiner Ernennung im Land pro Kopf 90.000 € im Jahr sparen, 270.000 € Juni ein Gehalt bezieht. Wenn das der Fall ist, dann in der Summe im Jahr. frage ich mich, warum die Kürzung erst zum 1. Ja- (Beifall Abgeordnete Hans-Jörn Arp [CDU] nuar 2013 in Kraft treten soll. Der Staatssekretär und [CDU] - Zurufe SPD, bekommt sein Gehalt ab Juni. Warum kommt die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) Kürzung aber erst ab dem 1. Januar 2013? Genauso ist es. Sie beklatschen, dass der Abzug Beraumen Sie doch für die morgige Mittagspause von 90 auf 95 % für eine Person, den Ministerpräsi- eine Ausschusssitzung an, in der die beiden Ge- denten, erhöht wird, dafür kommen dreimal 100 % setzentwürfe beraten werden können. Am Freitag neu hinzu. könnte dann die zweite Lesung folgen, und in Kraft treten könnten die beiden Gesetze dann zum 1. Sep- 160 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Tobias Koch) tember. Dann hätten Sie noch vier Monate gespart, (Beifall FDP und CDU) wenn es Ihnen wirklich so ernst damit ist. Frau von Kalben, ich weiß, dass Sie das belustigt. Wir führen an dieser Stelle eine so kleinteilige De- Sie werden keinen Einzelanwalt mehr finden, der es batte, weil sich die Landesregierung vollkommen sich leisten kann, sich in dieses Parlament wählen zu Unrecht mit Federn schmückt. Sie geben nach zu lassen, weil er ansonsten seine Kanzlei in den außen etwas vor, was Sie gar nicht tun. Auf der Ruin führen wird; denn niemand wartet auf ihn, einen Seite rühmen Sie sich Ihrer Einsparung. Auf wenn er nach vier oder fünf Jahren aus dem Parla- der anderen Seite geben Sie für zusätzliche Regie- ment ausscheidet und wieder in den Beruf zurück- rungstätigkeit mehr Geld aus. Wir müssen hier über kehren muss. so kleinteilige Maßnahmen sprechen, weil Sie in Wir haben Unternehmer wie Günter Hildebrandt der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck er- gehabt, der uns das einmal geschildert hat. Er mus- wecken. ste als Geschäftsführer eines kleinen mittelständi- (Beifall CDU) schen Unternehmens einen Ersatz dafür organisie- ren, dass er hier war. Das heißt, er musste zusätz- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: lich jemanden bezahlen, damit er hier sein konnte. Deshalb war die Entschädigung für ihn im Prinzip Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich ein Nullsummenspiel im Gegensatz zu denen, die dem Abgeordneten Kubicki von der FDP-Fraktion aus dem öffentlichen Dienst kommen und genau das Wort. wissen, dass sie ihr ursprüngliches Gehalt wieder beziehen werden, wenn sie wieder zurück in den Wolfgang Kubicki [FDP]: Beruf kommen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Sassen hat mit Tränen in den Augen davon be- Ich glaube, wenn die deutsche Öffentlichkeit diese richtet, dass ihr von der Finanzverwaltung vorge- Debatte sieht, dann kann sie sich schon Sorgen um worfen worden sei, sich als Abgeordnete nicht aus- den deutschen Parlamentarismus machen. Das mei- reichend um ihr Geschäft gekümmert zu haben. ne ich weniger wegen der Frage, ob jemand ver- Dies hatte zur Folge, dass ihr Geschäft zur Lieb- zichtet oder nicht verzichtet. Ich würde das auch haberei erklärt werden sollte. Man stelle sich so et- gar nicht so hoch hängen. was einmal vor. Was geht im Gehirn eines öffent- Herr Kollege Dr. Stegner, Sie sagen zu Recht, dass lich Bediensteten vor, die Abgeordnetentätigkeit in die Regierung nur nachvollzieht, was die Funkti- Verbindung mit einer weiteren Berufstätigkeit onsträger im Parlament bereits hinter sich haben. durch Zeitinanspruchnahme als Liebhaberei zu be- Sie wissen genau, dass es damals nicht ging, weil trachten? wir die Entscheidung erst Mitte des Jahres 2010 Ich will damit sagen: Wenn wir im Parlament einen hätten treffen können. Damit wären rechtliche Pro- repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung haben bleme aufgetaucht. Das können Sie nur am Anfang wollen, dann müssen wir nicht Rücksicht nehmen machen, und selbst das ist rechtlich immer noch auf diejenigen, die weniger verdient haben, bevor umstritten. Wir wollen aber einmal so tun, als sei es sie in den Landtag gewählt worden sind. Vielmehr rechtlich möglich. müssen wir Rücksicht nehmen auf diejenigen, die Ich möchte mit einem Klischee aufräumen, das mir es sich leisten können müssen, in diesem Parlament mittlerweile wirklich auf den Senkel geht. Die Leu- tätig zu sein; denn auf deren Kompetenz und Wis- te, die hier sitzen, bekommen kein Gehalt. Diäten sen sind wir angewiesen. sind kein Gehalt, sondern die Entschädigung dafür, (Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE weil eine andere Tätigkeit nicht ausgeübt werden GRÜNEN und SSW) kann. Das mag Leute aus dem öffenltichen Dienst wie Sie, Herr Breyer, oder Angestellte von großen Ich hatte ein Déjà-vu-Erlebnis. Herr Dr. Stegner, Unternehmen nicht interessieren. ich stimme in vielfältiger Weise mit Ihnen überein. Wir werden sonst künftig nur noch Leute in Parla- Ich möchte aber daran erinnern, dass wir viele Frei- menten finden, die das als Karrieresprung be- berufler und Selbstständige schon deshalb nicht trachten und die damit ihren Verdienst realisieren mehr unter uns haben, weil diese mit einer Man- wollen, die aber nicht mehr das Gefühl haben, für datsentscheidung zum Ruin ihres eigenen Unter- das Gemeinwesen tätig zu sein, sondern nur noch nehmens beitragen würden. für ihr eigenes Einkommen. Das können wir aber nicht wollen. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 161

(Wolfgang Kubicki)

Deshalb sollten wir die Debatte über die Frage der (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki Höhe der Diäten etwas anders führen, als das heute [FDP]) hier den Anschein hatte. - Herzlichen Dank. Fakt ist auch, dass die Fraktionsmittel pro Abge- (Beifall FDP, CDU, vereinzelt SPD und Bei- ordnetem gegenüber der letzten Legislaturperiode fall Abgeordneter Lars Harms [SSW]) um 33 % erhöht worden sind, dass sie auch weit hö- her sind als diejenigen des letzten Landtags, der Vizepräsidentin Marlies Fritzen: 69 Abgeordnete zählte. Es stimmt nicht, dass die Politik hier einen Einsparbeitrag geleistet hätte. Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die Fraktion der PIRATEN zu einem weiteren Dreimi- Was den dritten Punkt angeht, nämlich die Zulagen nutenbeitrag erteile ich dem Abgeordneten für Parlamentarische Geschäftsführer, hat das Dr. Breyer. Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren festge- stellt - was übrigens auch einen Kollegen aus Ihrer Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Partei, Herr Kubicki, veranlasst hat, ein Verfahren anhängig zu machen -, dass diese Zulagen verfas- Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und sungswidrig sind, weil sie gegen den Grundsatz der Kollegen! Sehr verehrter Herr Kubicki! Zu dem Gleichbehandlung der Abgeordneten verstoßen. Punkt, den Sie zuletzt genannt haben, will ich die Fakten in den Vordergrund rücken und sagen, dass (Wolfgang Kubicki [FDP]: Erzählen Sie sich fast alle Abgeordneten, die ins Parlament ge- doch keinen Unsinn!) wählt werden, einkommensmäßig verbessern. Es stimmt also nicht, dass es eine große Zahl von Ab- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: geordneten gibt, die Verzicht leisten müssen. Das Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra- haben Studien festgestellt. ge des Herrn Abgeordneten Kubicki? (Christopher Vogt [FDP]: Das hat er auch gar nicht behauptet!) Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Nun zu dem Fall des Einzelanwalts. In den Parla- Bitte, Herr Kubicki. menten sind wahrlich genug Rechtsanwälte vertre- ten. Diese sind deutlich überrepräsentiert. Wenn Vizepräsidentin Marlies Fritzen: wir wirklich das Volk hier vertreten wollen, brau- chen wir nicht noch mehr davon. Dann hat dieser das Wort. (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr verehrter [FDP]) Herr Kollege Breyer, ist Ihnen bekannt, dass die Fraktionsmittel nicht an die Abgeordne- Die Diäten werden niemals an das Einkommensni- ten ausgezahlt werden, weshalb die Pro- veau eines Schönheitschirurgen oder eines Unter- Kopf-Rechnung vergleichsweise irre ist, son- nehmensleiters herankommen. Das kann auch nicht dern dass der Apparat damit finanziert wer- das Ziel sein. den soll und dass die Größe des Apparats, Wenn Sie so tun, als ob die Diäten unverzichtbar der beispielsweise der Vorbereitung von wären oder noch höher sein müssten, dann diffa- Ausschussitzungen dient, völlig unabhängig mieren Sie doch die Kollegen, die für viel geringere davon ist, wie viele Abgeordnete im Aus- Diäten in anderen Landtagen in Deutschland arbei- schuss sitzen? ten. Die Abgeordneten des Schleswig-Holsteini- (Zuruf Dr. Gitta Trauernicht [SPD]) schen Landtags beziehen die zweithöchsten Diäten unter allen Landtagsabgeordneten in Deutschland, Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: während wir unter allen Flächenländern am dritt- höchsten verschuldet sind. Soll ich jetzt etwas dazu sagen? Bekomme ich ein bisschen mehr Zeit? (Unruhe) (Zuruf CDU: Soll die Frage wiederholt wer- So zu tun, als ob die Kollegen, die für eine geringe- den?) re Entschädigung die gleiche Arbeit machen, unter- bezahlt seien, ist völlig vermessen. 162 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt die Gelegenheit Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich zu einer Antwort. Ihre verbleibende Redezeit wird Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg von der Frak- darauf nicht angerechnet. Das heißt, Sie können tion der FDP das Wort. jetzt antworten, und die Uhr steht so lange. Dann setzen Sie Ihren Redebeitrag fort. Dr. Heiner Garg [FDP]: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ich will gar nicht darüber reden, dass ich jetzt zu- Verehrter Herr Kollege, Sie kennen sicher das rück in der Opposition das große Vergnügen hatte, Fraktionsgesetz. Dieses sieht aus gutem Grund vor, mittlerweile an zwei oder drei - ich weiß es nicht dass sich die Fraktionsmittel zusammensetzen aus genau - Finanzausschusssitzungen teilnehmen zu einem Grundbetrag für jede Fraktion und einem Be- können, unter anderem an einer sechsstündigen Sit- trag pro Fraktionsmitglied, weil eine größere Frak- zung der Haushaltsprüfgruppe. Ich möchte nicht tion eben mehr Mittel braucht als eine kleinere und weiter erwähnen, dass die Kollegen von den PIRA- umgekehrt. Wenn eine Fraktion kleiner ist, muss TEN - im Finanzausschuss manchmal zu dritt ver- sich das natürlich senkend auf die Fraktionsmittel treten - keine einzige Frage in irgendeiner Form auswirken. zum bevorstehenden oder zum vergangenen Lan- deshaushalt hatten. Ich wundere mich aber, dass Sie Sie haben hier aber das Gegenteil gemacht. Sie ha- hier alles besser wissen - Sie wissen hier alles bes- ben diese Sätze - Grundbetrag und Erhöhungsbe- ser! - und bedauerlicherweise ziemlichen - ich weiß trag - so massiv erhöht, dass wir in der Summe fast nicht, ob ich das sagen darf, ich tue es einfach, die gleichen Fraktionsmittel auszahlen, wie dies in selbst auf die Gefahr hin - Müll behaupten, Herr dem viel größeren letzten Landtag der Fall gewesen Kollege Breyer. ist. Das ist eine massive Erhöhung der Fraktions- mittelsätze. (Birgit Herdejürgen [SPD]: „Müll“ darf man sagen! - Weitere Zurufe) (Wolfgang Kubicki [FDP]: Das macht keinen Sinn!) Es ist schlicht nicht wahr, dass die Diäten der Ab- geordneten im schleswig-holsteinischen Parlament Es ist jedenfalls kein Populismus, wenn wir darauf mit am höchsten seien. Sie haben die Systematik hinweisen, dass die Politik, die den Bürgern in unserer Diätenstrukturreform und der Abgeordne- Schleswig-Holstein einen strikten Sparkurs ver- tendiäten in Schleswig-Holstein offensichtlich ordnen muss, um die Schuldenbremse einzuhalten, schlicht und ergreifend nicht verstanden. die den Bürgern wirklich viel zumuten muss, was Beratungsstellen angeht, was Verbraucherberatung (Beifall FDP, SPD, CDU, SSW und verein- angeht, was aber auch das unterfinanzierte Bil- zelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dungssystem angeht, was auch den riesigen Schul- denberg angeht, den alle Fraktionen in der Vergan- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: genheit hinterlassen haben, ehrlicherweise auch bei sich selbst einen Einsparbeitrag leisten muss. Herr Abgeordneter, bevor Sie fortfahren: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wenn wir darauf hinweisen, ist das kein Populis- Dr. Breyer? mus. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber Sie behaup- Dr. Heiner Garg [FDP]: ten, dass es verfassungswidrig ist, und das ist Nein, an der Stelle nicht, sonst immer gern, aber an das ja nicht!) der Stelle nicht. Sie haben sich entweder nicht da- Und es ist auch kein Populismus, wenn wir fordern, mit auseinandergesetzt, was ich schon schlimm fän- dass die Verfassung eingehalten werden muss, was de, wenn Sie sich dann hier hinstellen und einfach, die Zulagen angeht. - Danke. weil Sie es nicht anders wissen, irgendetwas be- haupten. Oder Sie behaupten hier wider besseres (Beifall PIRATEN) Wissen etwas, was schlicht und ergreifend nicht wahr ist. Wir haben uns zwischen 2003 und 2005 in einer Diätenstrukturreformkommission, der übri- gens der ehemalige Verfassungsrechtler Benda an- gehört hat, die im Übrigen ausdrücklich die Zula- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 163

(Dr. Heiner Garg) gen für Fraktionsvorsitzende und Parlamentarische PIRATEN und SSW. Damit ist dies einstimmig so Geschäftsführer mit eingearbeitet hat - nur so viel beschlossen. zu Ihrem Vorwurf, was hier alles verfassungswidrig Sehr verehrte Damen und Herren, die Parlamentari- sei -, auf ein Modell verständigt, das anders als an- schen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer dere Länder - bis auf das Land Nordrhein-Westfa- haben sich darauf verständigt, dass jetzt Tagesord- len - sämtliche Ansprüche in der Grunddiät für die nungspunkt 14 B aufgerufen wird: Kolleginnen und Kollegen, die keinen beamtenähn- lichen Anspruch auf eine Altersversorgung haben, abdeckt. Wahl der Mitglieder des Medienrates der Medi- enanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein In allen anderen Parlamenten haben Sie nach wie vor steuerfreie Kostenpauschalen, Sitzungsgelder, Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU, SPD, Altersbezüge. Wenn Sie das zusammenrechnen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und sehr geehrter Herr Breyer, dann steht Schleswig- der Abgeordneten des SSW Holstein nicht an der Spitze derjenigen, die sich die Drucksache 18/120 (neu) Taschen füllen, sondern dann ist Schleswig-Hol- stein bestenfalls unteres Drittel. Ich verwahre mich Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Ich lasse in Zukunft dagegen, dass Sie hier Dinge behaupten, über den Wahlvorschlag abstimmen und schlage Ih- die schlicht und ergreifend nicht wahr sind. nen hierfür offene Abstimmung vor. - Widerspruch höre ich nicht. Dann werden wir so verfahren. Ich (Beifall FDP, SPD, CDU, SSW und verein- weise noch darauf hin, dass für die Wahl die Mehr- zelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) heit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags - das sind 46 Abgeordnete - erforderlich ist. Wer dem Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Wahlvorschlag Drucksache 18/120 (neu) seine Zu- Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen stimmung geben will, den bitte ich um das Hand- liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Beratung. zeichen. - Die Gegenprobe! - Damit ist dies ein- stimmig so beschlossen. Ich stelle fest, dass die er- Es ist beantragt worden, die Gesetzentwürfe, forderliche Zweidrittelmehrheit für die Annahme Drucksache 18/31 sowie Drucksache 18/115, dem erreicht ist. Damit sind die vorgeschlagenen Mit- Finanzausschuss zu überweisen. Wer diesem An- glieder des Medienrates gewählt. trag zustimmen will, den bitte ich um das Handzei- chen. - Wer ist gegen die Überweisung der Ge- Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungs- setzentwürfe? - Entschuldigen Sie bitte: Wer ent- punkt 5 auf: hält sich? (Die Abgeordneten Dr. Patrick Breyer [PI- Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur RATEN] und Tobias Koch [CDU] unterhal- Änderung des Landeswassergesetzes ten sich) Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Herr Kollege Koch und Herr Kollege Breyer, mir Drucksache 18/69 ist nicht klar, wie Sie abstimmen wollen. Mögli- Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das cherweise wollen Sie nicht teilnehmen. ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Grundsatz- (Hans-Jörn Arp [CDU]: Er hat mit der Frak- beratung und erteile dem Abgeordneten Kumbartz- tion mitgestimmt!) ky von der FDP-Fraktion das Wort. - Herr Arp, ich habe das Wort. Ich lasse jetzt hier (Beifall Abgeordnete Anita Klahn [FDP] und eine Abstimmung durchführen. Mir war bei Herrn Christopher Vogt [FDP] - Zuruf: Die erste Koch klar, wie er abstimmt, aber Herr Koch hat Rede mit Bart! - Heiterkeit) sich mit Herrn Breyer unterhalten. Ich möchte wis- sen, ob die PIRATEN-Fraktion sich an der Abstim- Oliver Kumbartzky [FDP]: mung beteiligen möchte, und ich möchte ihr Ab- stimmungsverhalten abfragen. Die erste Rede dieser Legislaturperiode und die er- ste mit Bart, genau. Also noch einmal: Wer stimmt der Überweisung zu? - Das sind die Stimmen der Fraktionen von (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Baasch SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, [SPD]) 164 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Oliver Kumbartzky)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gunsten der von schwarz-gelb geplanten Ich freue mich, dass die Stimmung gut ist. Ich glau- Maßnahme durch.“ be, bei diesem Thema sind wir auch in sehr großer Auch die SPD hat sich geäußert. Im sogenannten Einigkeit versammelt. Die Küstenschutzabgabe Sparkonzept der SPD-Fraktion hieß es auf Seite 6: muss endgültig versenkt werden. „Es gibt durchaus vernünftige Vorschläge (Beifall FDP, Abgeordnete Eka von Kalben der Landesregierung (z. B. der Verkauf von [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flem- Schloss Salzau, der Abbau der einzelbetrieb- ming Meyer [SSW]) lichen Förderung oder die Einführung einer Die FDP-Fraktion will mit der vorliegenden Initia- Küstenschutzabgabe).“ tive die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaf- (Serpil Midyatli [SPD]: Nächster Satz?) fen, dass die Landesregierungen künftig keine Kü- stenschutzabgabe mehr erheben können. Damit Wenn ich in den Koalitionsvertrag schaue - - greifen wir nicht zuletzt auch der Koalition und der (Lachen SPD - Serpil Midyatli [SPD]: Geh Landesregierung unter die Arme, zügig einen end- nach Hause, Junge!) gültigen Schlussstrich unter das Thema Hochwas- ser- und Küstenschutzabgabe zu ziehen. Wir stehen - Den können Sie ja gleich vortragen. Ich gehe jetzt für verantwortliches Handeln, und das bedeutet noch nicht nach Hause, Frau Kollegin, ich mache eben auch, aus der Opposition heraus Gesetzestexte jetzt noch etwas weiter. - Wenn ich in den Koaliti- zu berichtigen, die man unter Sachzwängen einer onsvertrag der Dänen-Ampel, aus dem ich gerne zi- früheren Koalitionsregierung in Regierungsverant- tieren möchte, schaue, sehe ich, dass Sie mittler- wortung zähneknirschend mit geändert hat. weile bei dem Thema mit uns vollkommen einer Meinung sind. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, wurde das Landeswassergesetz im Zuge der Aufstellung (Lachen Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD]) des Doppelhaushalts 2011/2012 unter Maßgabe ei- Es liegt ja auch auf der Hand: Die zur Haushalts- ner nach jahrzehntelanger unkontrollierten Ausga- konsolidierung als notwendig angesehene Einfüh- bepolitik notwendig gewordenen Haushaltskonsoli- rung einer Küstenschutzabgabe erwies sich eben dierung von der CDU/FDP-Koalition geändert. Es schnell als nicht praktikabel. schuf die rechtliche Grundlage dafür, das zuständi- ge Ministerium zu ermächtigen, ab 2012 eine Kü- Der ursprüngliche Zeitplan bei der Umsetzung der stenschutzabgabe erheben zu können. Abgabe war bereits nach einigen Monaten Makula- tur, und zudem wäre ein wirkliches bürokratisches Sie werden auch wissen, dass wir als FDP-Fraktion Monster entstanden. Und nicht nur deshalb ist es frühzeitig vor dem bürokratischen Aufwand ge- gut, dass die Abgabe bisher nicht erhoben worden warnt haben, und wir wollten die geplante Ge- ist. setzesänderung kippen, doch - und auch daran wer- den Sie sich erinnern - der Koalitionspartner ließ (Beifall FDP, SSW und vereinzelt BÜND- sich nicht darauf ein und das unionsgeführte Um- NIS 90/DIE GRÜNEN) weltministerium begann, die Einführung einer Kü- Allein der bürokratische Aufwand, die Binnendiffe- stenschutzabgabe vorzubereiten. renzierung zwischen den sogenannten Vorteilsha- (Zuruf CDU) benden und den Übrigen herzustellen, wäre immens und schwer nachvollziehbar gewesen. Hinzu kämen Ich will an dieser Stelle aber auch noch einmal in die aufwendige Berechnung der Abgabenhöhe und Erinnerung rufen, dass das Thema nicht nur bei der bürokratische und finanziell auch nicht zum CDU und FDP diskutiert worden ist, sondern eben Nulltarif zu habende Erhebungsaufwand. Das lässt auch bei anderen Fraktionen und anderen Parteien. sich jetzt auf der anderen Seite einsparen. Die Grünen beispielsweise befassten sich auf einem kleinen Parteitag Anfang 2010 mit der Küsten- Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden schutzabgabe. Ein Zitat aus der dpa-Meldung vom Gesetzentwurf wird das Landeswassergesetz wieder 11. Dezember 2010: auf den Stand vor der Änderung vom Dezember 2010 gebracht. Die FDP-Fraktion ist der Auffas- „Am umstrittensten war die Küstenschutzab- sung, dass die ursprüngliche Regelung des Landes- gabe. Letztlich setzten sich Landtagsfraktion wassergesetzes berechtigt war. Der Küsten- und und Landesvorstand mit ihrer Position zu- Hochwasserschutz sollte für ein Bundesland, das seine exponierte Lage zwischen den Meeren als be- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 165

(Oliver Kumbartzky) sonderes Merkmal herausstellt, eine gesamtgesell- Klaus Jensen [CDU]: schaftliche Aufgabe sein, die auch in dieser Form Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als weiterhin vollständig vom Land Schleswig-Hol- Vertreter der Westküste darf ich mit einem Spruch stein wahrzunehmen ist. aus der Zeit nach der großen Mandränke beginnen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben es „Wer nich will dieken, de mutt wieken.“ Ich könnte schon bei der Aussprache zur Regierungserklärung jetzt auf Plattdüütsch weitermachen, aber das kön- vom Juni von unserer Fraktionsvorsitzenden gehört: nen wir vielleicht einmal bei einer anderen Gele- Auch wenn Ihr Koalitionsvertrag wenig Politik, genheit. kaum Ideen und erst recht keine Visionen beinhal- Küstenschutz hat für die CDU eine übergeordnete tet, so gibt es doch einige Punkte, wo wir wirklich Bedeutung. Nach unserer Auffassung geht der mit Ihnen Seite an Seite stehen und Sie auch gern Schutz unserer Küsten alle Menschen an. Alle müs- unterstützen wollen. Dabei geht es um das Thema sen daher auch Verantwortung tragen. Küstenschutzabgabe. Weiter geht es um das Thema Schülerbeförderungskosten, zu dem wir gleich (Beifall CDU) kommen. Wie gesagt, wir wollen Sie mit unserem Der Bund nimmt seine Verpflichtung wahr, zum Gesetzentwurf unterstützen. Küstenschutz einen erheblichen Beitrag zu leisten. Dazu passt ein Zitat, das ich abschließend bringen Er muss und wird dies auch in Zukunft tun. Davon möchte. Es stammt aus einem Gespräch der „Dith- gehen wir aus. Auch das Land Schleswig-Holstein marscher Landeszeitung“ mit Energieminister Ro- ist bei der Wahrnehmung dieser elementaren Auf- bert Habeck vom 11. August dieses Jahres. Frage gabe gefordert. Dies funktioniert mit dem Instru- „DLZ“: ment der Gemeinschaftsaufgabe auch ganz gut. „Haben Sie die Vorbereitungen zu einer Küsten- Der Küstenschutz wird in den kommenden Jahr- schutzabgabe gestoppt?“ zehnten gerade auch vor dem Hintergrund des Kli- mawandels und der im Zusammenhang damit zu er- Antwort Habeck: wartenden Veränderungen noch weiter an Bedeu- „Sie sind während der Koalitionsverhandlun- tung gewinnen. Der vorausgesagte Meeresspiegel- gen mit als Erstes abgeräumt worden. Die anstieg - wie stark er auch immer ausfallen wird, FDP hat jetzt einen Antrag gestellt, die Kü- das wissen wir nicht - stellt eine besondere Heraus- stenschutzabgabe aus dem Gesetz zu strei- forderung dar. Dieser gilt es vorausschauend zu be- chen, und darüber freue ich mich.“ gegnen. Dabei sollten die anstehenden Belastungen nicht auf die nächste Generation geschoben werden. (Beifall FDP und Abgeordnete Eka von Kal- Das wäre keine vorausschauende und nachhaltige ben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolf- Politik. gang Kubicki [FDP]: Sehr gut!) Deshalb hat die von der CDU getragene Landesre- In diesem Sinne freue ich mich auf die anschließen- gierung zum Ende der vergangenen Legislaturperi- den Debattenbeiträge, auf die zügigen und kon- ode eine Fortschreibung des Generalplans Küsten- struktiven Beratungen in den Ausschüssen. Lasst schutz erarbeitet, die einen Deichverstärkungsbe- uns schnell zur zweiten Lesung kommen, damit die darf auf einer Gesamtstrecke von circa 93 km iden- Küstenschutzabgabe endgültig versenkt wird. - Vie- tifiziert. Hierfür sind in den kommenden Jahren len Dank. über 200 Millionen € aufzubringen. Hinzu kommt, (Beifall FDP - kurze Pause - Hans-Jörn Arp dass die Deiche in Schleswig-Holstein so gebaut [CDU]: Sollen wir knobeln?) und verstärkt werden, dass sie über eine zusätzliche Ausbaureserve für einen möglichen zusätzlichen Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Meeresspiegelanstieg verfügen. Künftige Genera- tionen finden damit ein Deichprofil, das es ihnen Nein, wir machen jetzt in der Debatte weiter. Wir erlaubt, ohne weitere hohe Kosten aufzudeichen haben hier eine neue Technik und irgendwie noch und damit für die dann erforderliche Sicherheit zu keine Verständigung darüber, wer damit wie um- sorgen. geht. - Ich rufe jetzt den Abgeordneten Peter Jensen von der CDU-Fraktion - Klaus Jensen, Entschuldi- Von der CDU-geführten Landesregierung - wir ha- gung - zu seinem, wenn ich es richtig weiß, ersten ben es eben gehört - gab es vor zwei Jahren Überle- Beitrag im Schleswig-Holsteinischen Landtag auf. gungen zur Einführung der Küstenschutzabgabe. Bemessungsgrundlage für diese Abgabe sollte der (Beifall) 166 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Klaus Jensen)

Einheitswert für Immobilien sein. Da dieser Ein- gesetzliche Grundlage zur Einführung einer Kü- heitswert jedoch insgesamt rechtlich infrage gestellt stenschutzabgabe initiiert hatte, bemerkenswert. wird, wurde die Einführung im Juni 2011 durch den Auch wenn dies zähneknirschend geschah, Herr damaligen Finanzminister Wiegard zurückgenom- Kumbartzky, es geschah. men. Der Landtag allerdings hat mit einem Prüfauf- Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines ist trag die Klärung dieser Bemessungsgrundlage ver- aber klar: Der Küstenschutz war und wird für langt. Schleswig-Holstein immer eine besondere politi- Aus Sicht der CDU wurde die Abgabe damals lang- sche Bedeutung haben und ein finanzieller Kraftakt fristig als ein Beitrag zum Abbau des strukturellen sein. Der Küstenschutz hat für unser Land zwischen Haushaltsdefizits gesehen. Es ist kein Geheimnis, zwei Meeren eine herausragende, eine übergeord- dass unter anderem auch der damalige Koalitions- nete Bedeutung. Es geht um den Schutz von partner gegen die Einführung war. Andere waren es 350.000 Menschen, um Sachwerte von 50 Milliar- auch. Der jetzt eingebrachte Gesetzentwurf ist aber den € und um 3.700 km2 überflutungsgefährdete folgerichtig. Mit ihm soll eine möglicherweise er- Küstenniederungen. 2,4 Milliarden € sind seit der neute Einführung dieser Küstenschutzabgabe ver- Sturmflutkatastrophe von 1962 insgesamt in hindert werden. Schleswig-Holstein für den Küstenschutz ausgege- ben worden. Dabei war jedenfalls bis zur letzten Meine Damen und Herren, ich habe auf die kontro- Legislaturperiode immer klar, dass für ein Land wie verse Diskussion zur Küstenschutzabgabe im Rah- Schleswig-Holstein - als Land zwischen zwei Mee- men der Haushaltskonsolidierungsdebatte hinge- ren mit rund 1.200 km Küste - Küstenschutz als ei- wiesen. Die Umsetzung ist auch wegen der zurzeit ne Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern fehlenden rechtssicheren Bemessungsgrundlage bewältigt werden muss. Zu diesem Grundsatz ha- ausgesetzt. Zukünftig wird es darauf ankommen, ben sich die Regierungsparteien der neuen Landes- dass die im Generalplan Küstenschutz festgelegten regierung in ihrer Koalitionsvereinbarung ohne Maßnahmen zum Schutz der Menschen, aber auch Wenn und Aber bekannt. zum Erhalt des schutzwürdigen Naturraums und Weltnaturerbes Wattenmeer finanziell abgesichert (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden. Wenn dies auch ohne Einführung einer und SSW) Küstenschutzabgabe erreicht wird, bin ich der Letz- Eine von der ehemaligen schwarz-gelben Landesre- te - das können Sie mir glauben -, der dieser Abga- gierung geplante Sonderabgabe für Küstenbewoh- be das Wort redet. Für mich ist entscheidend, dass ner ist politisch vom Tisch. Wir haben in unserem der Küstenschutz auch in Zukunft gesichert ist. Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Küsten- Da ich lernen durfte, dass der Landtag nicht gleich schutzabgabe nicht einführen werden und alle dies- im ersten Aufschlag beschließt, sondern eine erste bezüglichen schon geschaffenen Regelungen - also und zweite Lesung kennt, freue ich mich auf die das Gesetz - wieder rückgängig machen werden. Beratungen im Umweltausschuss und bedanke Einer Aufforderung zur Verhinderung der Küsten- mich für Ihre Aufmerksamkeit. schutzabgabe durch die FDP-Fraktion bedarf es al- so nicht. Nun soll aber mit der Gesetzesvorlage der (Beifall CDU) alte Rechtsstand vor der unseligen Gesetzesände- rung der ehemaligen Regierung wiederhergestellt Vizepräsidentin Marlies Fritzen: werden. Das kann man machen, wäre aber im Zuge Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die SPD-Fraktion anstehenden Reform des Landeswassergesetzes so- erteile ich der Frau Kollegin Gitta Trauernicht das wieso geschehen. Wort. Die Begründung der FDP-Vorlage ist ohnehin schwach: Der erwartete Bürokratieaufwand kann Dr. Gitta Trauernicht [SPD]: nur ein Argument gegen die Küstenschutzabgabe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sein. Vor allem sachlich ungerechtfertigt ist die Wir debattieren über einen Gesetzentwurf der FDP- Diskussion über angebliche Vorteile der Küstenbe- Fraktion, mit dem offensichtlich suggeriert werden wohner, die vom Küstenschutz profitieren sollen. soll, dass diese Fraktion die Speerspitze der Ab- Das ist eine abstruse Diskussion. Tatsächlich sind schaffung der Küstenschutzabgabe sei. Das ist na- es diese Menschen, die als Erste die Auswirkungen türlich angesichts der Tatsache, dass es die des Meeresspiegelanstiegs zu spüren bekommen. schwarz-gelbe Landesregierung war, die eben diese Sie sind eher die Benachteiligten als die Vorteilha- benden. Es geht hier also nicht um „individuelle Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 167

(Dr. Gitta Trauernicht)

Vorteilsgewährung“, sondern um „allgemeine Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Nachteilsvermeidung“. Vielen Dank. - Für die Fraktion von BÜNDNIS (Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten NEN) Bernd Voß das Wort. Nicht zuletzt ist der erwartete Meeresspiegelan- stieg als Folge des Klimawandels gesamtgesell- Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: schaftlich und nicht allein von den Küstenbewoh- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen nern zu verantworten und mit speziellen Abgaben und Kollegen! Bei der Begründung der FDP hat nur zu tragen. Das wäre ungerecht. Wir argumentieren noch gefehlt, dass die FDP gesagt hätte: „Wir ha- also in erster Linie gesellschafts- und umweltpoli- ben uns bei der Küstenschutzabgabe irgendwo im tisch. Die mit einer Küstenschutzabgabe darüber Küstennebel verirrt.“ hinaus vermachten Rechts- und Bürokratieproble- me sehen wir natürlich auch. Um es vorweg zu sagen: Der Gesetzentwurf der FDP ist inhaltlich zunächst einmal nicht falsch. Wir Ich sprach anfänglich von dem finanziellen werden den Inhalt zunächst im Ausschuss weiter Kraftakt, der für den Küstenschutz zu stemmen ist. beraten. Die Änderung des Landeswassergesetzes, Darauf gibt die FDP-Vorlage erwartungsgemäß kei- Stichwort Küstenschutzabgabe, ist nach dem Ko- ne Antwort. Vor dem Hintergrund der finanzpoliti- alitionsvertrag vorgesehen. Um die Möglichkeiten schen Ambitionen ihres Fraktionsvorsitzenden ist der Änderungen des Landeswassergesetzes der das bemerkenswert. Die Landesregierung wird ihre schwarz-gelben Landesregierung umzusetzen, hätte Vorstellungen zu den Haushaltsberatungen vorle- es noch einer Verordnung bedurft. Die haben Sie in gen. Ihrer Regierungszeit nicht hinbekommen, die ist Ich finde es gut, dass der Kollege Jensen das Stich- von uns auch nicht vorgesehen. wort des Generalplans Küstenschutz angespro- Wenn wir in der Begründung Ihres vorgelegten Ge- chen hat; denn dieser ist ebenfalls von großer politi- setzesentwurfs lesen, dass Sie mit dieser Initiative scher Bedeutung für die Entwicklung des Küsten- der Landesregierung die Möglichkeit zur Erhebung schutzes. Besonders auf den Nordseeinseln und auf der Küstenschutzabgabe per Verordnung nehmen Eiderstedt - das ist zu betonen - entsprechen die wollen, stellt sich die Frage: Können wir jetzt da- Deiche nach Aussage von Fachleuten nicht mehr von ausgehen, dass die FDP weitere Gesetzesinitia- den Sicherheitsstandards. Viele Deiche - und nicht tiven startet, um das Land von falschen oder hand- nur dort - haben nicht das erforderliche flache Pro- werklich schlechten Beschlüssen der schwarz-gel- fil. ben Regierungszeit zu befreien? Weitere Themen des Generalplans sind das inte- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und grierte Küstenzonenmanagement und die Verbesse- SPD) rung der nationalen und internationalen Abstim- mung. Küstenschutz ist ein zentrales Element der Aber jetzt zur Sache: Schleswig-Holstein braucht Anrainerstaaten und muss deshalb Thema der Ost- eine offene Debatte über die Folgekosten des Kli- seepolitik der Landesregierung und der EU-Ostsee- mawandels für unser Land. Das Land ist ohne die strategie, vor allem aber zunehmend auch der poli- erste Deichlinie - und darum geht es bei der Kü- tisch noch zu forcierenden Nordseestrategie sein. stenschutzabgabe - nicht lebensfähig. Es geht um Hier setze ich auf die Gestaltungskraft von Regie- 25 % der Landesfläche und um über 300.000 Men- rung und Parlament. schen, die hier wohnen. Die SPD-Fraktion wird sich für eine zügige Bera- Angesichts der globalen Folgen des Klimawandels tung und zweite Lesung des vorliegenden Gesetz- muss davon ausgegangen werden, dass die Kosten entwurfs einsetzen. Aber die politische Botschaft ist für Küstenschutzmaßnahmen in den nächsten Jah- schon jetzt klar: Die Küstenschutzabgabe kommt ren noch erheblich steigen werden. Bereits in den nicht! letzten Jahren sind die jährlichen Kosten für den Küstenschutz an der ersten Deichlinie von circa (Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 50 Millionen auf 60 Millionen € gestiegen. Das NEN) Land trägt ungefähr 45 % der Kosten. Deshalb ist es notwendig, neue Konzepte aufzugreifen und wei- tere Mittel für den Küstenschutz einzuwerben. 168 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Bernd Voß)

Wir brauchen eine breite Debatte im Land zu die- Was im FDP-Gesetzentwurf fehlt, das ist ein Vor- sem Thema. An dieser Stelle will ich der alten Lan- schlag, wo denn die Einnahmen herkommen sollen. desregierung ausdrücklich Respekt dafür zollen, Ich finde es fast lächerlich, wenn Sie hier als Spar- dass sie sich dem gestellt hat und mit der geplanten maßnahme ankündigen, dass doch eine halbe Mil- Einführung der Küstenschutzabgabe allein durch lionen Verwaltungskosten eingespart würde. Es die Debatte mehr Bewusstsein für die neuen Anfor- fehlen aber 5,5 Million €. Wer einen Baustein her- derungen an den für unser Land elementaren Kü- ausnimmt, muss auch wieder einen hineingeben. stenschutz geschaffen hat. Der muss auch sagen, woher das Geld zur Haus- haltskonsolidierung letztlich kommen soll. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit öffentlichkeitswirksamen Anträgen und Popu- Besonders die CDU - das erkennen wir an - hat sich lismus kommen wir beim Thema Küstenschutz hier viel Ärger bei ihren eigenen Mitgliedern und nicht weiter. Wir werden bei uns und in der Bevöl- ihren Wählerinnen und Wählern in der Vergangen- kerung die Erkenntnis schärfen müssen, dass Kli- heit eingefangen. Aber handwerklich war das, was mawandel und Küstenschutz zukünftig erheblich geplant und abgeliefert wurde, nicht nur subopti- mehr Geld kosten werden. Die Kosten müssen soli- mal, sondern es war aus folgenden Gründen einfach darisch und ausgewogen getragen werden, und schlecht: Der Kreis der Zahler war begrenzt. Für zwar von Europa, vom Bund und auch hier im die Folgen des Klimawandels und den Küsten- Land. schutz sind aber alle Bürgerinnen und Bürger des Landes verantwortlich. Die alte Landesregierung (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD hat sich nicht einmal bemüht, insofern eine solidari- und SSW) sche Beteiligung hinzubekommen, zum Beispiel über eine Bundesratsinitiative zu einer Klima- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: schutzsteuer. Für den SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Flem- Den Einheitswert als Basis zu nehmen, ist schlicht ming Meyer das Wort. und einfach ungerecht. Wohnhäuser und Flächen zahlen voll. Auch darüber kann man noch diskutie- Flemming Meyer [SSW]: ren. Aber besonders bei Gewerbegrundstücken spiegelt der Einheitswert nicht annähernd die realen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Werte wider. Kurz gesagt: Die Gebäudehülle hat Liebe Kollegen! Die seinerzeitige Ankündigung einen Einheitswert, die ganze technische Anlage von der schwarz-gelben Koalition, eine Küsten- drinnen oder daneben nicht. Zum Beispiel ist zur schutzabgabe in Schleswig-Holstein einzuführen, Region, aus der ich komme, zu sagen: Große Anla- hat zu Recht zu Irritation und Verärgerung bei den gewerte und Anlagerisiken sind erst durch den Kü- Menschen in den Küstenregionen gesorgt. Nun stenschutz möglich geworden, wären aber nicht an- kann man natürlich sagen: Jeder, der für eine Abga- nähernd beteiligt worden. Beispiele AKW: Nur die be herangezogen werden soll, wird sich darüber är- Hülle zahlt, aber atomare Zwischenlager und Tech- gern. Aber darum geht es hier nicht. nik nicht. Bei den Chemieanlagen oder der Sonder- CDU und FDP haben mit der angekündigten Kü- müllverbrennung geht nur die Halle in die Einheits- stenschutzabgabe einen Kurs eingeschlagen, den es bewertung ein, nicht aber die ganzen technischen hier im Land in dieser Form noch nie gegeben hat. Anlagen und Röhren. Diese stehen außerhalb des Gegen Innovation ist ja im Prinzip nichts einzuwen- Einheitswerts, um nur einige Beispiele zu nennen. den. Aber was die schwarz-gelbe Koalition mit der Zu den Haushaltsberatungen 2010 kamen CDU und Küstenschutzabgabe verzapft hat, war bisher nie FDP dann auch noch auf die Idee, sich mit einem dagewesen. Entschließungsantrag im Landtag aus der Sache CDU und FDP sind vom solidarischen Pfad beim herauszuwinden, über einen Griff in den Finanzaus- Küstenschutz abgewichen und wollten der gemein- gleich und eine Freistellung der Küstenschutzmaß- schaftlichen Aufgabe Küstenschutz eine Abfuhr er- nahmen vom naturschutzfachlichen Ausgleich. Al- teilen. Die Küstenbewohner und die Bewohner der les Küstennebel, unsolidarisch, unausgewogen und betroffenen Regionen sollten mit den Auswirkun- ungerecht und keine Perspektive auf Besserung! gen des Klimawandels alleingelassen werden. Der Das war das, war hier damals unter dem Strich vor- Klimawandel ist aber von allen Menschen in den gelegt worden ist. Industrieländern verursacht worden, nicht nur von Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 169

(Flemming Meyer) den Menschen in den Küstenzonen. Deshalb dürfen ver werden wird, in einer anderen Form finanzieren diese nicht mit einer Sonderabgabe belegt werden. können. Auf diese Debatte müssen wir hinwirken. CDU und FDP haben mit ihrem damaligen Plan ei- (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE ne Büchse der Pandora geöffnet, die besser ge- GRÜNEN) schlossen bleibt, denn mit der gleichen Logik kann man die Anwohner von allen anderen natürlichen Vizepräsidentin Marlies Fritzen: und von Menschen geschaffenen Risiken mit Abga- ben belegen. Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregie- rung erteile ich dem Minister für Energiewende, (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, GRÜNEN) Herrn Dr. Robert Habeck, das Wort. Da fallen mir schon ganz viele Sachen ein. Aber die werde ich hier ganz sicher nicht öffentlich erwäh- Dr. Robert Habeck, Minister für Energiewende, nen; denn ich will hier nirgendwo Begehrlichkeiten Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume: wecken. Solche Abgaben haben mit unserer Vor- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! stellung von einer solidarischen Gesellschaft nichts Dieser erste Plenartag war manchmal ein wunderli- zu tun. cher Tag. Es war verwunderlich, mit welcher Ge- (Beifall SSW und SPD) schwindigkeit Positionen geräumt wurden und Op- positionsrollen angenommen wurden. Vornweg Gebetsmühlenartig wurde von der damaligen Koali- möchte ich sagen, dass diese Debatte der Verwun- tion auf die Haushaltslage und die Notwendigkeit derlichkeit im Grunde die Krone aufsetzt. der Konsolidierung hingewiesen. Das ist ja auch richtig. Die Frage ist aber: Wie konsolidiere ich den Herr Kumbartzky, Sie sagen, sie beschließen eine Haushalt, und wen belaste ich in welcher Form? Maßnahme, wir nehmen sie zurück und sind dann Und hier gibt es keine „Alternativlosigkeit“. Aus an Ihrer Seite. Ich frage mich tatsächlich: Welche diesem Grund gab es für den SSW in der Sache kei- Pirouette wurde hier gerade gedreht? - Im Gegen- nen Zweifel. Der Haushalt muss anders konsolidiert satz dazu möchte ich sagen, dass sich Herr Jensen werden, denn der Küstenschutz ist eine gesamtge- nicht in die Büsche geschlagen hat. Das hat mir Re- sellschaftliche Aufgabe. Er ist nicht allein Aufgabe spekt abgenötigt. Wir hatten damals in diesem Haus der Küstenbewohner. zum Thema Küstenschutzabgabe schwierige De- batten. Zu der Schwierigkeit dieser Debatte zu ste- (Beifall SSW und SPD) hen, finde ich allemal ehrenhaft. Auch wir wollen die Schuldenbremse einhalten, (Beifall CDU) aber die leichteste Lösung ist nicht immer die beste. Entscheidend ist, dass am Ende des Sparkurses Meine Damen und Herren, es wurde schon gesagt, nicht nur ein finanziell gesundes Land steht, son- daher fasse ich nur kurz zusammen: Die Küsten- dern auch ein solidarisches Schleswig-Holstein. schutzabgabe war ein Beitrag, den sich die schwarz-gelbe Landesregierung zur Konsolidierung Wir wissen, dass die FDP nicht hinter der Küsten- des Haushalts ausgedacht hat. Die Haushaltsstruk- schutzabgabe stand, weil Erlös und Aufwand nicht turkommission hat sie auf den Weg gebracht. Das im richtigen Verhältnis standen. Bevor ich die Landeswassergesetz wurde geändert. Es fehlte al- Blockadehaltung der FDP zu sehr lobe, stelle ich lerdings eine Verordnung, um die Vollzugsvoraus- die Frage, wie sich die FDP wohl verhalten hätte, setzung zur Einführung der Küstenschutzabgabe wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung anders ausge- auch durchzusetzen. fallen wäre? Rechtssystematisch gesehen ist der Gesetzentwurf Unter dem Strich möchte ich festhalten: Ich glaube, der FDP also völlig in Ordnung. Erforderlich ist er es ist ein Märchen, dass die Küstenschutzabgabe allerdings eigentlich nicht, da die Regelungen für zur Haushaltskonsolidierung beigetragen hätte. Der die Küstenschutzabgabe ohne Verordnung sowieso Küstenschutz ist und bleibt eine Aufgabe aller. lückenhaft sind. Sie kann also gar nicht erhoben Ich freue mich auf die Ausschussberatungen. Ich werden. Darauf hinzuweisen, dass damit für diese kann dem nur recht geben, wenn vorhin gesagt wur- Regierung der Weg verbaut ist, ist ohnehin unnötig, de: Wir brauchen zusätzlich eine breitere Debatte da wir als Koalition mehrfach erklärt haben, die darüber, wie wir diese Aufgabe, die kostenintensi- Küstenschutzabgabe gar nicht einführen zu wollen. 170 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Minister Dr. Robert Habeck)

Dieser Durchgang beschert uns also einmal mehr rung eingestellt waren, nicht mehr erbracht werden. bürokratischen Aufwand, da wir sowieso eine No- Das heißt, auch gegenüber dem Bund sind wir noch vellierung des Landeswasserrahmengesetzes wer- darüber rechenschaftspflichtig, wie wir die Küsten- den beraten müssen. Das kommt in Bälde in diesem schutzabgabe kompensieren wollen. Von einer Op- Haus an. Ob dies ein Beitrag zum Bürokratieabbau positionsfraktion, die sich jetzt damit brüstet, Ver- ist, weiß ich nicht, aber bitte, in der Sache ist das antwortung zu übernehmen und ein Gesetz zurück- völlig in Ordnung. zunehmen, hätte ich erwartet, dass sie dies zumin- dest ehrlich anspricht, wenn sie schon nicht in der Die Küstenschutzabgabe war stets politisch umstrit- Lage ist zu sagen, wo die 6 Millionen € pro Jahr bis ten. Ihre Begründung changierte schon bei der Ein- 2015 - also 30 Millionen € - herkommen. Wie im- führung. Teilweise wurde sie mit einem Beitrag be- mer es ist, es ist okay, den Gesetzentwurf zurückzu- gründet, der, so hieß es aus der CDU/FDP-Koaliti- nehmen. Die Hausaufgaben der FDP werden aller- on, den Vorteilshabenden des Küstenschutzes die- dings andere machen müssen. ne. Später wurde sie mit den Folgen des Klimawan- dels begründet. Die Belastungen für Einfamilien- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD häuser und Haushalte sollten sich zwischen 20 und und SSW) 290 € pro Jahr belaufen. Changiert hat aber auch die Haltung, mit der die Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Küstenschutzabgabe eingeführt wurde. Wir haben Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schlie- das heute gesehen. Die FDP bezeichnete sie schon ße die Beratung. damals als bürokratisches Monster. Ich fand das schon damals bemerkenswert, als man diesem Ge- Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Druck- setz zugestimmt hat. Herr Abgeordneter Kumbartz- sache 18/69 federführend an den Umwelt- und ky hat dies heute noch einmal wiederholt. Agrarausschuss und mitberatend an den Finanzaus- schuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, Wenn sie jetzt allerdings zurückgenommen wird, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstim- dann muss ich darauf hinweisen, dass die FDP da- men? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dies ein- mit gegen eine zweite von ihr mit beschlossene stimmig so beschlossen. Haltung verstößt, nämlich die der Haushaltskonso- lidierung. Wie oft haben wir hier in diesem Land- (Minister Dr. Robert Habeck und Abgeord- tag etwas über das sogenannte Baukastenprinzip neter Wolfgang Kubicki [FDP] unterhalten gehört? Damals war dies noch in anderen Rollen. sich) Es hieß immer: Wer etwas herausnimmt, der muss - Ich weise darauf hin, dass bilaterale Beratungen in etwas hineintun. der Cafeteria fortgesetzt werden können, damit wir Was wird herausgenommen? - Herr Abgeordneter hier in unserem Geschäft fortfahren. Voß hat es gesagt: Es sind 5,3 Millionen € pro Jahr, Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf: mit denen dies im Haushalt veranschlagt wurde. Summiert auf acht Jahre sind das bei einem Konso- Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur lidierungspfad bis 2020 42,4 Millionen €. Durch Änderung des Schleswig-Holsteinischen Schulge- diesen Gesetzesrücknahmeantrag, den wir heute be- setzes vom 24. Januar 2007 raten, fehlen dem Landeshaushalt 42,4 Millionen €. Ich habe keinen Beitrag zur Gegenfinanzierung ge- Gesetzentwurf der Fraktionen von FDP und PIRA- hört. Herr Kubicki, bevor Sie rausgehen, hören Sie TEN noch kurz zu! Zu einem Menschen, der von sich Drucksache 18/75 (neu) sagt, er könne so exzellent rechnen, muss man sa- gen: Diese Rechnung geht nicht auf. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich erteile Frau Abgeordneter (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Klahn von der FDP-Fraktion das Wort. SPD) Herr Kumbartzky, hören Sie zu, denn das ist das ei- Anita Klahn [FDP]: gentliche Problem bei der Debatte: Darüber hinaus hat zwar der Finanzminister die Küstenschutzabga- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen be auf Eis gelegt, er hat es aber versäumt, dem Sta- und Herren! Die kritische Haltung der Liberalen in bilitätsrat zu melden, dass ab 2015 6 Millionen €, der letzten Legislaturperiode zur Änderung des die beim Stabilitätsrat in die Haushaltskonsolidie- Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes hinsicht- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 171

(Anita Klahn) lich § 114 Abs. 2 dürfte den meisten von Ihnen be- die Finanzierung der Schülerbeförderung nachzu- kannt sein. Unserer Auffassung nach hätte es keine denken, bevor neue Baugebiete ausgewiesen wer- Änderung hinsichtlich der damaligen Satzungsauf- den. Gespannt bin ich zudem auf die Haushaltsbe- forderung zur Kann-Regelung zur Elternbeteili- ratung, weil mit diesem Thema im Übrigen auch gung an den Schülerbeförderungskosten ge- immer die Frage des eingesparten Landeszuschus- braucht. Die notwendigen Kompromisse vonseiten ses in Höhe von 7,1 Millionen € verknüpft war. Das der Koalitionsregierung, die man eingehen muss, hat der SSW immer kritisiert. Den könnten Sie jetzt werden aber - so glaube ich - auch der neuen Regie- zum Beispiel zurücknehmen. rung ganz langsam bewusst. Meine Damen und Herren, ich freue mich daher, In den Beratungen zum letzten Haushalt war es die dass die PIRATEN-Fraktion dem Gesetzentwurf Position der FDP, den Kreisen keine zwingende El- beigetreten ist, aber auch, dass der Ministerpräsi- ternbeteiligung vorzuschreiben. Dies wurde jedoch dent für die Regierungskoalition erklärte, dass er vonseiten des Schleswig-Holsteinischen Landkreis- den Entwurf unterstützen wird. Mit der von uns tags gefordert. Es waren somit die Kreise selbst, die vorgeschlagenen Änderung werden die Selbstver- diese Forderung gestellt haben. waltungen gestärkt, und es wird Rechtsfrieden ge- schaffen. Unser damaliger Koalitionspartner hatte sich diese Haltung des Landkreistags zu eigen gemacht, so- Uns interessieren in diesem Zusammenhang zwei dass wir in einem Kompromiss im Zusammenhang Dinge: Durch die Gesetzesänderung geben wir den mit anderen Fragen dieser Regelung zugestimmt Kommunen mehr Entscheidungsfreiheit. Sie wird haben. An dieser Stelle möchte ich einfügen: Ich dazu führen, dass es in einigen Kreisen eine Befrei- habe gerade heute erfahren, dass es auch bei Ihnen ung geben wird, aber in anderen Kreisen werden in der SPD solche schmerzlichen Zugeständnisse vielleicht unterschiedliche Beiträge erhoben. Es von einigen Kollegen geben muss. Ich erinnere an wird also Wettbewerb zwischen den Kreisen ent- die Kennzeichnungspflichten. stehen, und gerade diesen geißeln die Grünen in ei- nem anderen Zusammenhang. Die Kollegin Strehl- (Zuruf Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD]) au kritisiert in Bezug auf die Straßenausbaubeiträge - Frau Midyatli, wir reden später weiter. - Immerhin (Zuruf Abgeordneter Martin Habersaat erreichten wir seinerzeit, dass die ursprüngliche [SPD]) Festsetzung einer 30-prozentigen Kostenbeteiligung nicht zum Tragen gekommen ist. Einige Kreise die bestehende Freiheit der Kommunen scharf. Wir nutzten diese Chance, um im Rahmen ihrer Sat- sind gespannt, wie Sie uns beim nächsten Tages- zungsmöglichkeiten mit den Beteiligten vernünftige ordnungspunkt das inkonsistente Verhalten der Dä- und akzeptable Regelungen zu finden, andere be- nen-Ampel in Bezug auf die Kommunen erklären schritten den Rechtsweg und machten damit deut- werden. lich, dass die als Kompromiss dienende Formulie- (Beifall FDP) rung für sie nicht zufriedenstellend ist. Durch die jetzige Änderung erhalten die Kreise wieder die Aber vielleicht ist es nur Teil linker Dialektik, die Freiheit zurück, selbstverantwortlich über ihre Be- man sonst nicht verstehen muss. lange zu entscheiden und auch auf eine Erhebung Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das verzichten zu können. Wort des Ministerpräsidenten - da komme ich zum Meine Damen und Herren, für mich als Liberale ge- zweiten Punkt - von einem neuen Politikstil, einem hört zu der Stärkung von Familien dazu, dass diese neuen Miteinander, der mit der Opposition spricht. unterstützt werden, wenn sie ihre Kinder auf eine Für uns wirkt das ein wenig schal. Denn kolportiert Schule ihrer Wahl schicken. Es gehört dazu, dass wird, dass die Koalitionsfraktionen die Bitte an die diese Wahl unabhängig vom Geldbeutel der Eltern PIRATEN richteten, einen ähnlichen Antrag allein ist. Wir fordern von unseren Kindern, dass sie ne- zu stellen, damit man bloß nicht dem von der FDP ben dem Schulbetrieb andere Aktivitäten betreiben. zustimmen müsste. Wir wollen Kindern dies mit dem Bildungs- und (Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD]) Teilhabepaket ermöglichen. Gleichzeitig lassen wir dies scheitern, weil Eltern sich die Anfahrt nicht Meine Damen und Herren, wir beobachten, ob das leisten können. eben von mir zitierte Angebot des Ministerpräsi- denten nur die leeren Worthülsen eines Pressespre- Es gehört für mich in die Verantwortung der Kom- munen, über die Erreichbarkeit der Schulen, über 172 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Anita Klahn) chers oder das ernsthafte Angebot eines Minister- (Beifall SPD) präsidenten sind. Und der Vorschlag, den Landeszuschuss zur Schü- lerbeförderung zu streichen, kam damals aus dem Vizepräsidentin Marlies Fritzen: FDP-Bildungsministerium. Tun Sie jetzt bitte nicht Frau Kollegin! so, als wären Sie damals anderer Auffassung gewe- sen und seien von der CDU dazu gezwungen wor- Anita Klahn [FDP]: den! Ich wünsche uns eine zügige Beratung im Aus- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, schuss. SSW und PIRATEN)

Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Frau Kollegin, gestatten Sie noch eine Zwischenfra- Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra- ge? ge des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Anita Klahn [FDP]: Tobias Koch [CDU]: Nein, ich bin zu Ende. Auf die Frage bin ich gespannt. (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Am Ende! Lieber Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Kollege das Gericht sprechen lassen! - Zuruf Abge- Koch, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass es ordneter Martin Habersaat [SPD]) hier nur um die Frage geht, ob wir die Kreise verpflichten wollen, dass sie von den Eltern Beiträge erheben müssen, oder ob wir ihnen Vizepräsidentin Marlies Fritzen: das freistellen wollen? Sie können sich viel- Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abge- leicht daran erinnern, dass ich immer darauf ordneten Tobias Koch das Wort. hingewiesen habe, dass wir es doch den Krei- sen überlassen sollen, ob sie es machen soll- Tobias Koch [CDU]: ten, und dass Sie es waren - Sie nicht in Per- son, aber Ihre Fraktion -, die erklärt haben, Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und das müssten wir zu einer Mussvorschrift ma- Herren! Dieser Gesetzentwurf von FDP und PIRA- chen, weil ansonsten Ihre Kommunalpoli- TEN ist genauso scheinheilig wie die Formulierun- tiker vor Ort Schwierigkeiten bekommen gen in dem Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS würden? 90/DIE GRÜNEN und SSW. - Herr Kollege Kubicki, ich kann mich sehr gut dar- (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki an erinnern, dass wir gemeinsam in der Haushalts- [FDP]) strukturkommission Die Kommunalwahl im Mai 2013, Kollege Ku- (Wolfgang Kubicki [FDP]: Daran kann ich bicki, wirft erkennbar ihren Schatten voraus. Denn mich auch erinnern!) dieser Aktionismus dient mehr der politischen Stimmungsmache als der Sache selbst. auf Empfehlung des Bildungsministeriums die 6,5 Millionen € Landeszuschuss gestrichen haben (Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP]: Aja!) (Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, darum geht es hier aber nicht!) Aber zunächst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, damit hier keine Legendenbildung betrie- und uns dann überlegt haben, wie man anschlie- ben wird: Alle Empfehlungen der Haushalts- und ßend mit der Kompensation für die Kreise umgeht, Strukturkommission wurden einvernehmlich getrof- und dann die Regelung gefunden haben, die wir ge- fen. meinsam mit gemeinsamer Beschlussfassung ins Gesetz hineingeschrieben haben. Also stehlen Sie (Beifall SPD) sich da nicht aus der Verantwortung! Die FDP hat also noch vor der CDU einstimmig (Beifall CDU - Zurufe) den Empfehlungen der Haushalts- und Struktur- kommission zugestimmt. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 173

(Tobias Koch)

Ich fahre mit meiner Rede fort. - Wenn Sie diesen dass die CDU in dieser Frage schon jede Po- Gesetzentwurf heute nur eingebracht haben, um den sition vertreten hat, die, die Sie jetzt vertre- Regierungsfraktionen damit zuvorzukommen, ten, und auch schon das Gegenteil? (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP]) Tobias Koch [CDU]: dann hätte ich mir gewünscht, dass solche takti- Ganz im Gegenteil. Wir haben immer eine konse- schen Spielchen an dieser sensiblen Stelle mit die- quente Position vertreten. Entweder bedarf es eines ser abwechslungsreichen Vergangenheit unterblie- Zuschusses aus dem Landeshaushalt, so, wie wir ben wären. ihn damals gemeinsam vereinbart haben, von 6,5 Millionen €, oder es bedarf einer gesetzlichen (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Man kann es auch Regelung zu den Elternbeteiligungskosten. Kann- „zwielichtig“ nennen!) Regelung ohne Landeszuschuss geht aber nicht. Das sage ich auch in Richtung der PIRATEN. Wer Das war immer unsere Position; die haben wir kon- für eine kostenlose Schülerbeförderung ist, Herr sequent vertreten und bisher auch bei jeder Be- Dr. Stegner - diese Position kann man durchaus po- schlussfassung so eingehalten. litisch vertreten –, (Beifall CDU) (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Tue ich seit Jah- ren!) Vizepräsidentin Marlies Fritzen: der muss aber auch für die Bereitstellung der ent- Herr Abgeordneter, gestatten sie eine weitere Zwi- sprechenden Mittel im Landeshaushalt sorgen, und schenfrage des Kollegen Dr. Stegner? zwar genauso, wie wir es damals in der 16. Wahl- periode gemeinsam getan haben, mit 6,5 Millio- Tobias Koch [CDU]: nen €. Nein, Herr Kollege Kubicki hatte auch nur eine (Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD]) Frage. Das muss auch für Stegner ausreichen. Eine Kann-Regelung, die ausschließlich dazu dient, (Heiterkeit - Zuruf Abgeordneter Wolfgang den Konnexitätsgrundsatz der Landesverfassung Kubicki [FDP]) auszuhebeln, lässt die Kommunen mit den Folgen ihrer freiwilligen Entscheidung im Regen stehen. Lassen sie mich das Bild weiterspinnen, wie es im Mai nächsten Jahres aussieht. Pünktlich zur Kom- (Beifall CDU) munalwahl ist dann die Schülerbeförderung in al- Man kann sich schon richtig ausmalen: Wenige len Kreisen flächendeckend abgeschafft - im Mai Monate vor der Kommunalwahl werden in allen 2013. Kreisen von roten, grünen und gelben Kreistags- (Wolfgang Kubicki [FDP]: Interessant!) fraktionen Anträge gestellt, um die Elternbeteili- gung an der Schülerbeförderung zu streichen. Was passiert ein halbes Jahr später? - Ein halbes Jahr später bekommen diejenigen Kreise, die Fehl- bedarfszuweisungen oder Konsolidierungshilfen Vizepräsidentin Marlies Fritzen: des Landes in Anspruch nehmen, Post vom Innen- Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwi- minister, der sie darauf hinweist, dass sie ihre Ein- schenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner? nahmemöglichkeiten konsequent ausschöpfen müssen. Zu diesen Einnahmemöglichkeiten gehört Tobias Koch [CDU]: auch eine Kann-Regelung bei der Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten. Ja, ich habe es bei Herrn Kubicki zugelassen, dann kann ich es Herrn Stegner kaum verwehren. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber daran ist die SPD schuld, nicht wir! - Lachen SPD) Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Um dann die Millionenansprüche aus Fehlbedarfs- Herr Dr. Stegner, Sie haben das Wort. zuweisungen und Konsolidierungshilfe nicht zu verlieren, werden die Kreise Dithmarschen, Lauen- Dr. Ralf Stegner [SPD]: Lieber Herr Kolle- burg, Nordfriesland, Ostholstein, Pinneberg, Plön ge Koch, dürfen wir Ihre Ausführungen so und Schleswig-Flensburg wieder eine Elternbetei- verstehen, dass Sie deutlich machen wollen, ligung an den Schülerbeförderungskosten einfüh- 174 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Tobias Koch) ren müssen. Ob die Eltern letztendlich also an den Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Kosten beteiligt werden oder nicht, hängt dann von Dann hat jetzt Herr Abgeordneter Kubicki das Wort der Gnade des Wohnorts ab. In den finanziell gut für eine Zwischenfrage. gestellten Kreisen ist die Schülerbeförderung kos- tenlos, in allen anderen Kreisen dürfen die Eltern Wolfgang Kubicki [FDP]: Lieber Herr Kol- zahlen. Ich frage Sie: Ist das gerecht? lege Koch, ich habe die Unruhe beim Kolle- gen Stegner gesehen. Deswegen habe ich (Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD]) mich gemeldet. Meine Frage lautet tatsäch- Ist es das, was Sie mit einer Kann-Regelung errei- lich: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum chen wollen? ausgerechnet die Kreise Dithmarschen und Stormarn dringend diese von uns vorgeschla- Meine Damen und Herren, deshalb sage ich noch gene Regelung auf dem Klageweg erzwingen einmal: Wer es mit einer kostenlosen Schülerbeför- wollen, von der Sie glauben, dass sie völlig derung ernst meint, der muss auch für die Bereit- unsinnig sei? stellung entsprechender Mittel im Landeshaushalt sorgen. Das sage ich: Viel Spaß, Frau Ministerin (Martin Habersaat [SPD]: Mit den Stimmen Heinold! der CDU! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist etwas anderes!) Wenn das Land dazu aufgrund der eigenen Haus- haltsprobleme nicht in der Lage ist, dann wird man vielleicht feststellen, dass die jetzige Gesetzesrege- Tobias Koch [CDU]: lung gar nicht so schlecht ist wie ihr Ruf. Die Eltern Die Situation in Stormarn ist natürlich aus eigener werden in allen Kreisen an den Kosten der Schüler- Anschauung bekannt. Der Kreis Stormarn gehört zu beförderung angemessen beteiligt, aber ohne dass den Kreisen, die es sich finanziell leisten könnten. ein fester Prozentsatz vorgeschrieben ist. Dort würde von einer Kann-Regelung Gebrauch ge- (Zuruf Abgeordnete Birgit Herdejürgen macht werden, und die Eltern brauchten nichts zu [SPD]) zahlen. Für den Kreis Dithmarschen kann ich es nicht nachvollziehen. Denn dort wäre auf der gera- - Hören Sie zu! - Genau in diesem Rahmen können de geschilderten Rechtslage zukünftig weiterhin El- die Kreise unter Berücksichtigung der regionalen ternbeteiligung zu erheben. Ansonsten müsste der Gegebenheiten eigenverantwortlich über die Aus- Kreis Dithmarschen auf Fehlbedarfszuweisungen gestaltung der Schülerbeförderung entscheiden. und Konsolidierungshilfen verzichten. Das wird Sozialstaffel, Geschwisterermäßigung, Elternbetei- den Kollegen in Dithmarschen vermutlich auch auf- ligung in Abhängigkeit vom Fahrplanangebot - all gehen, wenn der Brief vom Innenministerium das sind Regelungen, die sich nicht der Landesge- kommt. setzgeber ausgedacht hat, sondern das sind Rege- lungen, die von den Kreisen im Rahmen ihrer eige- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: nen Entscheidungsfreiheit eingeführt worden sind. Eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordne- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: ten Dr. Stegner!

Herr Abgeordneter, nun gibt es die angekündigte Tobias Koch [CDU]: zweite Bitte um eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Kubicki. Lassen Sie diese zu? Ja, wir sind sehr fair mit der Regierungsfraktion. Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich bin mir der Tobias Koch [CDU]: Gnade bewusst, dass ich das darf. Ich freue Meldet sich Herr Stegner anschließend auch noch mich darüber sehr. Hatte ich Ihre Antwort einmal? vorhin so zu verstehen, dass Sie sich zwar nicht mehr erinnern, dass Sie alle Positionen (Heiterkeit – Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich schon vertreten haben, dass aber die Richtig- habe die Unruhe bei ihm gesehen, deshalb keit, die jeweils die Position hat, vom Zeit- habe ich mich gemeldet!) punkt der Legislaturperiode abhängig ist? Oder direkter gefragt: Können Sie ausschlie- ßen, dass sich die CDU kurz vor den Kom- munalwahlen noch der Position des Rests dieses Landtags anschließen wird? Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 175

(Tobias Koch)

- Herr Kollege Stegner, auch hier verstehen Sie halb Jahre Seit an Seit geschritten ist, aber jetzt mich falsch - wie regelmäßig. Das legen Sie in Ihre haut man sich gegenseitig in die Pfanne. Suggestivfrage aber auch jedes Mal mit hinein. Frau Klahn, wir mussten keinen Kompromiss inner- Noch einmal: Ich vertrete gerade die Position, die halb der jetzigen Koalition eingehen, nein, wir wa- wir letzte Wahlperiode auch beschlossen haben. ren uns da sehr einig. Teilweise kann man bei Ihnen Wenn Sie genau zugehört haben, wissen Sie, dass den Eindruck gewinnen, Sie sind froh, dass Sie ich gerade die augenblickliche gesetzliche Rege- endlich aus der Enge der alten Koalition ausscheren lung verteidige. Was Ihre Unterstellung jetzt konnten, damit Sie diese Auffassung jetzt vertreten bezwecken soll, kann ich deswegen überhaupt nicht können. nachvollziehen. - Vielen Dank. Wir bekunden damit auch einen neuen politischen (Beifall CDU) Stil, der dem Land gut tut. Bei den Anträgen Ich sage es aber gern noch einmal: entweder Lan- kommt es nur auf den Inhalt und nicht auf die poli- desmittel, dann können Sie die Schülerbeförderung tische Ausrichtung des Antragsstellers an. landesweit kostenfrei stellen, oder aber eine Rege- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, lung, die die Kreise mit den Einnahmeausfällen PIRATEN und SSW) nicht allein dastehen lässt. Entscheidungsfreiheit, auf Elternbeiträge zu verzichten, ohne dass dafür Für die Regierungsparteien ist der Antrag von PI- Geld im Landeshaushalt bereit gestellt wäre, wäre RATEN und FDP eine Bestätigung und Unterstüt- ein vergiftetes Geschenk an die Kommunen. Des- zung. Es ist das Ziel dieser Koalition, den politi- halb rate ich uns dringend dazu, während der Aus- schen Schlingerkurs der letzten Jahre endlich zu be- schussberatungen zu diesem Gesetzesverfahren ein enden. Das sind wir den Eltern und besonders den intensives Anhörungsverfahren mit den Kreisen Schülerinnen und Schülern in unserem Land schul- und Gemeinden, mit den Schulträgern und den El- dig. Der Antrag entspricht dem, was wir im Koali- ternbeiräten zu führen. Die Aussicht auf eine kos- tionsvertrag bereits beschlossen haben, und des- tenlose Schülerbeförderung ist das eine, wer aber halb werden wir diesem Gesetzentwurf auch zu- die späteren Konsequenzen einer Kann-Regelung stimmen. Denn wir halten nichts davon, den Kreis- übersieht, der wird für weiteren Verdruss und Ent- en die Pistole auf die Brust zu setzen und vorzu- täuschung bei allen Beteiligten sorgen. Das wird schreiben: Ihr müsst aber unbedingt Elternbeiträge weder den Kommunen und Schulträgern noch den zur Schülerbeförderung kassieren, auch wenn ihr Eltern und Schülern zuzumuten sein, nur weil im das gar nicht wollt. Wir hatten das bereits in der nächsten Mai Kommunalwahl ist. letzten Legislaturperiode. Wir hatten bereits in der letzten Legislaturperiode jede Menge Resolutionen (Beifall CDU) von Ämtern, von Gemeinden und von Schulverbän- den vorliegen. Eine Kann-Regelung, wie in diesem Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Antrag enthalten, gibt den Kreisen selbst die Mög- Vielen Dank, Herr Kollege. - Zu einer weiteren ers- lichkeit zu entscheiden, ob sich die Eltern an den ten Rede an diesem Tag erteile ich für die Fraktion Fahrtkosten beteiligen wollen. Ein Großteil der der SPD Herrn Abgeordneten Kai Vogel das Wort. Kreise hat sowieso nur das Mindestmaß des beste- henden Gesetzes umgesetzt oder hat sich ganz ge- (Beifall) weigert, dieses umzusetzen. Kai Vogel [SPD]: Schleswig-Holstein ist in großen Teilen ein länd- lich strukturiertes Bundesland, aber selbst in den Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen dicht besiedelten Gegenden ist der Anteil der Fahr- und Kollegen! Ich will mit einem Lob an die Kolle- schülerinnen und Fahrschüler sehr hoch, da insbe- ginnen und Kollegen der Fraktion der FDP und der sondere die weiterführenden Schulen in zentralen Fraktion der PIRATEN beginnen. Der vergangene Orten angeboten werden. Wenn die Schülerinnen Wahlkampf und die zahlreichen Wahlprogramme und Schüler morgens mit dem Bus in die Schule haben die hohe Bedeutung gezeigt, die der Schü- fahren müssen, sollte zu dieser zeitlichen Belastung lerbeförderung in der Öffentlichkeit zukommt, zu- nicht auch noch eine finanzielle Belastung hinzu- mindest bei fünf der hier vertretenen Parteien. Bei kommen. Kinderreiche Familien, die auf dem der alten Koalition gewinne ich bei der gerade ge- Land wohnen, trifft das bestehende Gesetz ganz be- führten Debatte den Eindruck, dass man zweiein- sonders, doppelt und teilweise gar dreifach. Sie werden nicht nur für das erste Kind, sondern meist 176 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Kai Vogel) auch für das zweite und dritte Kind zur Kasse gebe- schnell beraten sollten, da die Argumente ausge- ten. Eltern sollten ihre Kinder auf die bestmögliche tauscht sind. Schule schicken dürfen, ohne überlegen zu müssen, (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ob man sich den Weg dahin überhaupt leisten kann. PIRATEN und SSW) Dafür schaffen wir heute eine Voraussetzung. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Vizepräsidentin Marlies Fritzen: PIRATEN und SSW) Vielen Dank, Herr Kollege. - Bevor wir die Debatte Jetzt kann man immer anführen, dass sich viele El- fortführen, möchte ich Sie bitten, mit mir gemein- tern eine Elternbeteiligung eigentlich leisten könn- sam die Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE ten, doch die Vorstellung, ob man sich etwas leisten GRÜNEN, Ruth Kastner, auf der Tribüne zu begrü- kann oder auch leisten will, ist rein subjektiv. Bei ßen. Eltern, die sich dies nicht leisten können, ist der Weg über die Ämter, die Schülerbeförderung erstat- (Dr. Heiner Garg [FDP]: Schon wieder? Das tet zu bekommen, ein sehr unangenehmer. Die haben wir doch vorhin schon gemacht! - schulischen Opfer sind die Kinder. Doch wer von Wolfgang Kubicki [FDP]: Haben wir nichts uns hat nicht während seiner Schulzeit in Phasen ei- zu tun? - Weitere Zurufe) ner schwachen Leistung über eigenes Aufhören - Ich habe nicht mitbekommen, dass sie schon be- nachgedacht. Wer dann von seinen Eltern noch zu- grüßt wurde. Aber doppelt hält ja bekanntlich im- sätzlich hören muss, sie könnten auf diese Ausga- mer besser, und dann üben wir das noch ein ben für eine Schülerbeförderung auch gern verzich- bisschen. ten, hört schneller auf, als es wirklich Not tut. Das können wir uns nicht erlauben, denn Kinder sind Von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat unser wichtigstes Kapital für eine lebenswerte Zu- nun Frau Abgeordnete Anke Erdmann das Wort. kunft. (Dr. Heiner Garg [FDP]: Die begrüßen wir (Zuruf Abgeordnete Heike Franzen [CDU]) auch!) Gleiche Bildungschancen für alle Schülerinnen - Das ist ein neuer Politikstil. und Schüler dürfen nicht an einer Busfahrkarte (Heiterkeit) scheitern. (Vereinzelter Beifall SPD) Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleiche Bildungschancen dürfen nicht von den fi- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer nanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängen, noch nicht begrüßt wurde, ist die Landeselternbei- und gleiche Bildungschancen dürfen nicht an der ratsvorsitzende der Gymnasien - auch wenn ich Entfernung einer geeigneten Schule scheitern. nicht ins Präsidium eingreifen will -; das möchte ich noch einmal kurz nachholen. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN) (Beifall) Die PIRATEN können meine Streicheleinheiten Der Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt, ist sinn- gern noch ein bisschen behalten, aber an die Adres- voll. Es ist ganz klar: Kreise sollen selber entschei- se der FDP muss die Frage erlaubt sein, wer eigent- den, ob Familien beteiligt werden sollen. Es ist nur lich in den vergangenen zweieinhalb Jahren regiert fair, dass die FDP auch den Formulierungsvor- und den Kultusminister gestellt hat. Sie können sich schlag gemacht hat, weil sie es ja in der letzten Le- nicht bei allem und jedem hinter Ihrem damaligen gislaturperiode zusammen mit dem Bildungsminis- Koalitionspartner verstecken und uns mit einer Se- terium verbockt haben. Bis zum 1. August letzten rie von Anträgen beglücken, die den Eindruck er- Jahres hatten wir ja noch eine andere Regelung. wecken, Sie seien gemeinsam mit den PIRATEN Deswegen war es auch nicht so schwer, die neue erst jetzt das allererste Mal in den Hafen des Land- Formulierung zu finden, weil sie im Prinzip nur das tags eingelaufen. Hoffentlich schaffen wir es, mit alte Gesetz wieder neu machen wollten. Das finde diesem Antrag endlich einen Schlussstrich unter ich sehr gut. dieses leidige Thema zu ziehen. Besser spät als nie. (Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki Da es ein Gesetzentwurf ist, müssen wir ihn an den [FDP]) Bildungsausschuss überweisen, wo wir ihn sehr Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 177

(Anke Erdmann)

Herr Kubicki, auch wenn Sie es jetzt ungern hören, (Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir haben früher dieser Antrag und auch die ganze Landtagssitzung auch mal Anträgen der Grünen zugestimmt!) machen Aufatmen bei der FDP an jeder Stelle deut- - Ja, aus der Opposition heraus haben Sie dem An- lich: Zum Glück, wir regieren nicht mehr. trag zu den Freien Schulen zugestimmt. Aus der (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Opposition heraus haben Sie ganz vieles gemacht, und SSW) aber in der Regierung sah das anders aus. Für den Bildungsbereich kann ich das zumindest sagen. Es Schülerbeförderung: Entschuldigung, wir waren es gibt eine Ausnahme, Herr Kubicki, das war der nicht. 300 Lehrerstellen: Als hätten Sie nicht alle Flüchtlingsbereich. Ihre Hände dafür gehoben: Freie Schulen: Das jah- relange Aussitzen von Minister Klug. Küsten- Aber man muss sich die Vergangenheit zumindest schutzabgabe! - Es ist wirklich ein Aufatmen, das im Bildungsbereich nicht schönreden. von Ihrer Seite kommt: Zum Glück regieren andere. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist auch gut so. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir sind so froh, Vizepräsidentin Marlies Fritzen: dass Sie jetzt regieren! - Heiterkeit) Für die Fraktion der PIRATEN erteile ich Herrn Ich möchte noch auf drei Punkte von Frau Klahn Abgeordneten Sven Krumbeck das Wort. eingehen, die nicht ganz korrekt sind, damit Sie wissen, was Sie hier unter anderem beschließen. Sie Sven Krumbeck [PIRATEN]: sprach von freier Schulwahl. Wir ändern den § 114 Abs. 2 nicht in der Hinsicht, wie er bisher Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen war. Man geht davon aus - und so ist die Praxis -, und Kollegen! Der Zugang zur Bildung darf nicht auch wenn es eine Kann-Regelung ist, dass nicht je- vom Einkommen der Eltern abhängig sein. Ich de Schule angewählt werden kann - Sie sprachen ja glaube, darin sind wir uns alle einig. Doch wo fan- von freier Schulwahl -, sondern die nächstgelegene. gen wir an, wo ziehen wir den Strich? Die PIRA- So wird es auch in der Regel vor Ort in den Satzun- TEN sagen: ganz, ganz unten. gen geregelt. Familien aus ländlichen Gebieten, deren Kinder Sie sagen zudem: Es gibt künftig einen Wettbe- mit dem Schulbus fahren, dürfen gegenüber Famili- werb zwischen den Kreisen. Den gibt es auch jetzt en aus den Städten keine finanziellen Nachteile ha- schon, wenn man sich anschaut, wie unterschied- ben. lich die Regelungen zum Beispiel in Stormarn, in (Zurufe CDU) Nordfriesland, in Dithmarschen und in Schleswig- Flensburg sind, was zum Beispiel Geschwisterrege- Das ist gerade in den ländlich geprägten Regionen lungen oder absolute Monatssätze anbelangt. unseres Landes von großer Bedeutung. Schon seit 2007 wird unter verschiedenen Regierungen dar- Ein letzter Punkt, weil es vorhin hier dieses karne- über gestritten, sowohl unter Schwarz-Rot, als auch valistische Schenkelklopfen zum neuen Stil gege- unter Schwarz-Gelb. Wer was verbockt hat, das ist ben hat: Ich habe hier als Mitglied der Opposition nicht mehr das Entscheidende. Mehrere Kreise sind oft gestanden und gedacht: In der Sache sind wir gegen die bisherige Regelung vor Gericht gezogen. uns doch einig, warum gebt ihr euch nicht einen Dort muss sich etwas tun. Ruck, den einen oder anderen Punkt mit zu verab- schieden? Ich finde es super, wenn es heute um die- (Beifall PIRATEN) sen Gesetzentwurf geht - ich möchte da auch Kai Langfristig gesehen halten wir PIRATEN einen Vogel zustimmen -, dass uns kein Zacken aus der fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehr für eine Krone fällt, wenn wir jetzt einmal einem Antrag optimale Lösung. von FDP und PIRATEN zustimmen. Das hätte ich mir in meiner früheren Position gewünscht. (Beifall PIRATEN)

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir haben früher Vizepräsidentin Marlies Fritzen: auch Anträge der Grünen unterstützt!) Herr Kollege Krumbeck, es gibt die Bitte von der Ich weiß davon nichts, dass man gesagt hat, die PI- Frau Abgeordneten Heike Franzen nach einer Zwi- RATEN mögen bitte eigene Anträge stellen. - Bitte, schenfrage. Lassen Sie diese zu? Herr Kubicki, wollten Sie eine Zwischenfrage stel- len? 178 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

Sven Krumbeck [PIRATEN]: Es gibt sicherlich verschiedene Ansatzpunkte und Motive für einen Ferienjob, aber ganz bestimmt Nein. - Wir wollen mit einem Pilotversuch heraus- nicht die, damit die Fahrt zur Schule zu finanzieren. finden, ob sich dieser in der Praxis bewährt. Die Fi- nanzierung könnte zum Beispiel über eine kommu- nale Pauschalabgabe erfolgen. Dies entlastet die El- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: tern und führt zu einer gerechten Verteilung der Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kosten auf alle Schultern. Doch das steht uns noch Herrn Abgeordneten Tobias Koch? bevor, das diskutieren wir nicht jetzt. Aktuell müs- sen wir erreichen, dass die Schülerbeförderung Jette Waldinger-Thiering [SSW]: wieder in die Selbstverwaltung der Kommunen fällt. Mit der Rückkehr zur alten Regelung wird den Ja. Kreisen und kreisfreien Städten überlassen, ob El- tern oder die volljähren Schüler an den Kosten der Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Schülerbeförderung beteiligt werden müssen. Ge- Herr Koch, Sie haben das Wort. nauso muss es sein. Tobias Koch [CDU]: Frau Kollegin, ist Ih- (Beifall PIRATEN) nen bekannt, dass die Kreise in ihren Gebüh- rensatzungen Sozialstaffeln vorgesehen ha- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: ben, damit genau dieser Fall, den Sie gerade Für den SSW erteile ich der Frau Kollegin Jette schildern, nicht eintreten kann? Waldinger-Thiering das Wort. Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Sehr geehrter Herr Kollege, das ist mir sehr wohl Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen bekannt. Dieser Fall ist mir persönlich bekannt. und Kollegen! In unserer ersten Landtagstagung Dieser Junge und diese Familie möchten genau das nach der Sommerpause steht nun der Entwurf zur nicht, sie möchten nicht hingehen und sich über die Änderung des Schulgesetzes vom 27. Januar 2007 Sozialstaffel das Geld zurückholen. Das ist so. zur Debatte. Die damalige Änderung sorgte für sehr Weiter geht’s! - Bildung soll schließlich kostenfrei viel Ärger und Unverständnis in den Kreisen, und sein. Das ist schon immer die Position des SSW ge- sie ging eindeutig zulasten der Schulkinder und de- wesen, und die findet sich jetzt im Koalitionsver- ren Eltern, die sich an den Schülerbeförderungskos- trag wieder. Den Kreisen wird die Möglichkeit ge- ten beteiligen sollten. Dies hat der SSW schon seit geben, die Kosten der Schülerbeförderung wie- Langem kritisiert. Der vorliegende gemeinsame der zu übernehmen. Somit werden wir heute ge- Antrag von FDP und PIRATEN geht sehr wohl mit meinsam mit Teilen der Opposition, unter anderem unserem Koalitionsvertrag einher. auch der FDP-Fraktion, die ja als ehemalige Regie- Für uns alle steht die Bildung unserer Kinder an er- rungsfraktion den Unmut bei den Kreisen losgetre- ster Stelle. Sie sind unsere Ressourcen, die wir mit ten hat, diesen Schnellschuss wieder rückgängig einer guten Ausbildung von der Schule ins Leben machen. Kreise, die fürchterlich gern ihren Anteil und in den Beruf entlassen wollen. Unser Ziel ist der Schülerbeförderungskosten übernommen hätten Bildungsgerechtigkeit. Unabhängig von ihrer so- - die Dithmarscher klagten sogar -, weigerten sich, zialen Herkunft soll es Kindern ermöglicht werden, diesen Schnellschuss der ehemaligen Landesregie- einen qualifizierten Schulabschluss zu erlangen. rung umzusetzen, denn dies war Politik, die sie Wenn wir aber bereits zu Beginn diesen Weg ver- über die Fraktionsgrenzen hinweg nicht wollten. bauen, indem eine zwingende Beteiligung an den Der SSW zollt dem Respekt! Er zollt ihm vor allem Schulfahrtkosten gefordert wird, dann stimmt hier deshalb Respekt, weil Schülerbeförderungskosten etwas nicht. nicht einfach nur als Kostenfaktor angesehen wer- den sollten. Fakt ist, dass es Elternhäuser gibt, die die 385 € für eine Busfahrkarte im Jahr nicht aufbringen können. Das Land wird jetzt den Weg frei machen, und die Es kann nicht sein, dass ein Schüler einen Ferienjob Kommunalpolitik muss für eine Diskussion und die annehmen muss, um diese Fahrkarte selbst zu fi- Umsetzung sorgen. Die Kreise Dithmarschen und nanzieren. Nordfriesland, die sich dieser unsinnigen Ent- scheidung über Fraktionsgrenzen hinweg widersetzt (Beifall SSW) Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 179

(Jette Waldinger-Thiering) hatten, können jetzt mit gutem Beispiel vorange- sagen, Sie wollten keine Benachteiligung der Eltern hen. Es ist falsch, Gesetze nicht einzuhalten. Aber im ländlichen Raum gegenüber den Eltern in den es ist richtig und wichtig, dass sich die Kommunal- Städten, dann müssten Sie eigentlich die Position politik zu Wort gemeldet hat, als die ehemalige der CDU unterstützen können. Denn ist Ihnen be- Landesregierung miese Politik vorgab und die Re- kannt, dass es innerhalb der Städte überhaupt keine paratur der Schäden anderen vor Ort überließ. Befreiung von den Schülerbeförderungskosten gibt? Man hatte durch die Zentralisierung des Schulsys- tems und das Schließen von kleinen Schulen die (Jürgen Weber [SPD]: So ist es! Das musste Probleme des ländlichen Raums auf die Kreise ab- gesagt werden!) gewälzt. Die Beteiligung der Eltern an den Schüler- Insofern müssten Sie uns eigentlich entgegenkom- beförderungskosten ist nicht nur unsozial, sondern men, denn Sie verschaffen mit dem, was Sie for- sie widerspricht eindeutig dem Prinzip der kosten- dern, den Eltern im ländlichen Raum einen Vor- losen Bildung und der Chancengleichheit. teil. (Beifall SSW, vereinzelt SPD und Beifall Wenn Sie aber dafür sind, dass die Schülerbeförde- Abgeordnete Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] rung in allen Bereichen kostenfrei ist, ist Ihr Ge- und Wolfgang Dudda [PIRATEN]) setzentwurf inkonsequent. Dann müssten Sie das Wenn wir nun hier über die Elternbefreiung debat- auch für den städtischen Bereich fordern. Das fin- tieren, will ich an eines erinnern: Diese muss selbst- den wir im Gesetzentwurf nicht wieder. Sie müssen verständlich in gleichem Maße für die öffentlichen, sich Ihre eigene Politik überlegen, ehe Sie sich hier die freien und die dänischen Schulen gelten. ans Rednerpult stellen. Entweder machen Sie es konsequent, oder Sie lassen es am besten. Die FDP hat die ausgestreckte Hand der Koalitions- partner zu diesem Thema ergriffen. Schade ist, dass (Beifall CDU) die CDU-Fraktion den Worten Ihres Landesvorsit- zenden nicht mehr Gewicht geschenkt hat - gerade Vizepräsidentin Marlies Fritzen: bei diesem Thema, das für erhebliche Unstimmig- keiten mit den Kommunalpolitikern in ihren eige- Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Wolf- nen Reihen geführt hat - und nicht lernfähig sein gang Kubicki das Wort. will. Allerdings deckt sich dieses Verhalten dann doch mit den Aussagen des ehemaligen Abgeordne- Wolfgang Kubicki [FDP]: ten und Vorsitzenden der CDA, Werner Kalinka, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nach denen genügend Vorschläge vorlagen, die das Ich bin immer wieder erstaunt, wie Debatten bei sozialpolitische Profil der CDU gestärkt hätten, dies uns geführt werden und wie Nebel erzeugt wird. aber offensichtlich gar nicht gewollt ist. Beim Kollegen Vogel kann ich verstehen, dass er (Jürgen Weber [SPD]: Im Geiste ist er anwe- das macht, weil er noch nicht weiß, worum es geht. send! - Zuruf Abgeordneter Dr. Heiner Garg Bei der Kollegin Erdmann weiß ich, dass sie es wi- [FDP] - Heiterkeit) der besseres Wissen macht. Die Zwangsgebühren, die durch Schwarz-Gelb ein- Was wir momentan diskutieren, ist schlicht und er- geführt wurden, werden wir jetzt auf diesem Weg greifend nur die Frage, ob die Kreise gezwungen wieder rückgängig machen. werden sollen, Elternbeiträge zur Schülerbeför- derung zu erheben, oder ob sie es freiwillig ma- (Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE chen können. GRÜNEN) (Zuruf Abgeordnete Anke Erdmann [BÜND- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: NIS 90/DIE GRÜNEN]) Zu einem Dreiminutenbeitrag hat sich Frau Abge- Ich will hier betonen - das werden auch Sie noch ordnete Heike Franzen gemeldet. Ich erteile ihr lernen -, dass Kompromisse, die man in Koalitionen nunmehr das Wort. schließt, zu Ende sind, wenn die Koalitionen zu En- de sind. Wir haben mit der Union keine Koalition mehr. Deshalb können wir unsere Position, die wir Heike Franzen [CDU]: in der heutigen Debatte in beiden Punkten diskutie- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ren, nach wie vor offen vertreten. Das machen wir Sehr geehrter Herr Kollege Krumbeck, wenn Sie jetzt. 180 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Wolfgang Kubicki)

Aber viel spannender ist die Frage, an der Sie dem- verstanden, dass Sie dem heute vorgelegten nächst gemessen werden, was Sie als Land machen, FDP-Gesetzentwurf in der zweiten Lesung ob Sie denn bereit sind, wie angekündigt und wäh- nicht zustimmen werden, wenn die Landesre- rend des Wahlkampfs insinuiert, die Landesbeteili- gierung bis dahin keine Landesmittel im Lan- gung an den Schülerbeförderungskosten den Kom- deshaushalt bereitstellt, um Konnexität zu munen zurückzugeben. Wir werden in der weiteren gewährleisten? Beratung die spannende Frage diskutieren müssen, - Das haben Sie falsch verstanden, Herr Kollege ob das, was wir jetzt vorhaben, möglicherweise das Koch. Das tut mir sehr leid. Ich weiß, was Sie wol- Konnexitätsprinzip berührt. Herr Koch hat - wie- len. der ein bisschen buchhalterisch, aber in der Sache richtig - darauf hingewiesen, dass möglicherweise (Heiterkeit) die Kommunen, die jetzt beschließen werden, die Da wir nicht mehr in der Regierung sitzen, ist es Eltern nicht zu beteiligen, vom Innenminister an- mir relativ egal, wie die Landesregierung das Pro- schließend erklärt bekommen, dass ihnen Fehlbe- blem löst, das sie sich durch die Aussagen der re- tragszuweisungen nicht erteilt werden oder, wenn gierungstragenden Fraktionen selbst gerade schafft. sie die bekommen sollen, sie sie aus dem Landes- haushalt in einer Größenordnung bekommen müs- sen, die sie bisher nicht hatten. Das würde die Fi- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: nanzministerin definitiv interessieren. Diese span- Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau nende Debatte steht uns noch bevor. Abgeordneten Erdmann? Was wir heute machen, ist nichts anderes, als die FDP-Position, die wir im Übrigen in der Debatte Wolfgang Kubicki [FDP]: immer vertreten haben, gesetzgeberisch umzuset- Gern, Frau Erdmann. zen. Frau Erdmann, Herr Dr. Stegner oder Frau von Kal- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: ben, wenn Sie darauf bestehen, dass wir uns genau- Frau Erdmann, bitte. so verhalten wie in der Koalition mit der Union, machen wir das gern. Dann können Sie Ihren Sinti- Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und Roma-Antrag zur Verfassungsänderung weg- NEN]: Herr Kubicki, ist Ihnen aufgefallen, schmeißen, denn dann könnten wir dem nicht zu- dass wir gar nicht Ihre Bekehrung in der Sa- stimmen, obwohl das immer unsere Position war. che kritisiert haben, dass Sie hier etwas ande- Jetzt hätten wir eine Zweidrittelmehrheit. Ich bin ja res fordern, als Sie bis vor einem Jahr vertre- froh, dass Sie unsere Zustimmung wollen. Insofern ten haben, sondern dass wir einfach festge- ist Ihr Politikansatz - - stellt haben, dass es sehr auffällig ist, mit welcher Begeisterung Sie sich jetzt offen- (Zurufe) sichtlich aus den Fängen der alten Koalition - Das macht die Präsidentin, ich darf den Satz erst entlassen fühlen, weil Sie offensichtlich viele einmal zu Ende reden. Dankenswerterweise können Ihrer eigenen Punkte nicht durchsetzen konn- sich in der Sache andere Mehrheiten finden als in ten? den letzten zweieinhalb Jahren. Meine zweite Frage ist: Sie haben davon ge- sprochen, dass, wenn Oppositionsanträge oh- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: ne Gegenfinanzierung in der jetzigen haus- Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra- halterischen Lage kommen, das ein Popanz ge des Herrn Kollegen Koch? sei. Das war im Dezember oder Januar ein- mal in der Debatte um die 300 Lehrerstellen. Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie bewerten Sie jetzt Ihren Vorschlag? Immer gern, wenn der Kollege Dr. Stegner auch Wolfgang Kubicki [FDP]: noch eine Zwischenfrage stellt. Ich sehe das schon. Die Antwort auf die erste Frage: Selbstverständlich (Heiterkeit) freue ich mich, dass wir in völlig freier parlamenta- Tobias Koch [CDU]: Herr Kollege Kubicki, rischer Diskussion unsere Position als FDP vertre- habe ich Ihre Ausführungen gerade richtig ten können, was in einer Koalition so nicht möglich Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 181

(Wolfgang Kubicki) ist. Das werden Sie auch noch lernen. Sonst müssen - Herr Kollege Dr. Stegner, ich bin darüber selbst- Sie Ihr Programm anpassen. verständlich nicht froh, wie Sie sich vorstellen kön- nen, weil unsere Legislaturperiode drastisch ver- (Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kürzt worden ist. Ich bin sicher - das merke ich ja NEN]: Das haben wir schon! Ich bin dabei! bei Ihnen auch gelegentlich -, dass mein weitrei- Sieht man das nicht?) chendes Werben für bestimmte Positionen auch un- Sie sind jetzt in einer Koalition. Sie werden wie alle seren Koalitionspartner bis zum Ende der Legisla- Koalitionäre erleben, wie viel von Ihren Vorstellun- turperiode in bestimmten Fragen überzeugt hätte, gen Sie in einer Koalition abschmelzen müssen, (Heiterkeit) wenn Sie zu pragmatischen Lösungen kommen wollen, was ja in der Sache möglicherweise ver- sodass wir mit einem gemeinsamen Konzept vor nünftig ist. die Wähler hätten treten und dann auch eine Mehr- heit hätten finden können. Zweiter Punkt: Momentan ist der Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben, kostenfrei. (Beifall FDP) (Zurufe: Ja!) Vizepräsidentin Marlies Fritzen: - Momentan. Die spannende Frage stellt sich in ei- nem Jahr oder in zwei Jahren mit völlig anderer Be- Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich geisterung, und dann werden wir das diskutieren. Herrn Abgeordneten Martin Habersaat das Wort. Der Kollege Koch hat möglicherweise nicht ganz unrecht mit seinem Hinweis darauf, dass sich aus Martin Habersaat [SPD]: dem, was wir jetzt machen, Konsequenzen für den Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Landeshaushalt ergeben, die wir momentan viel- Klahn hat eine Geschichte in den Raum geworfen, leicht nicht so sehen, wie der Kollege Koch das die da noch so rumwabert, von den meisten mögli- dargestellt hat. Aber das Risiko ist da. Es macht im- cherweise inzwischen vergessen, aber einige wer- mer Sinn, auf Risiken hinzuweisen. den es noch im Hinterkopf haben: Wir hätten die PIRATEN angestiftet, den Gesetzentwurf einzu- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: bringen, damit wir nicht einem FDP-Gesetzentwurf Gestatten Sie eine letzte Zwischenfrage des Herrn zustimmen müssten. Vielleicht habe ich das falsch Abgeordneten Dr. Stegner? verstanden, das kann mit 50-prozentiger Wahr- scheinlichkeit an mir liegen. Wolfgang Kubicki [FDP]: (Zurufe) Gern. Um für Transparenz zu sorgen: Ich habe in den Sommerferien eine E-Mail des Kollegen Krumbeck Dr. Ralf Stegner [SPD]: Lieber Herr Kolle- erhalten, die meines Wissens an alle Fraktionen in ge Kubicki, habe ich Sie richtig verstanden, diesem Haus ging. Darin schrieb er, er hielte es für dass Sie noch einmal Lob und Anerkennung eine gute Idee, die Verpflichtung der Kreise abzu- dafür haben wollten, dass wir froh darüber schaffen, die Eltern an den Schülerbeförderungs- sind, dass Sie der Verfassungsänderung zu- kosten zu beteiligen. Es war ein Gesetzentwurf dar- stimmen? Das würde ich gern tun, darüber angetackert und die freundliche Frage: Wer von Ih- sind wir froh und dankbar. nen möchte mitmachen? - Ja. Einige Wochen später kam ein inhaltsgleicher Ge- Habe ich Sie zum Zweiten richtig verstan- setzentwurf der FDP, die sich auch im Verteiler der den, dass Sie Ihre Freude zum Ausdruck PIRATEN befand. Da ist meine erste Frage: Haben bringen wollen, dass die schwarz-gelbe Ko- Sie sich von unserem Koalitionsvertrag inspirieren alition zu Ende ist und Sie jetzt unsere Positi- lassen oder von den PIRATEN? Solange Sie sich on vertreten dürfen? Auch da will ich Ihnen zu guten Dingen inspirieren lassen, ist mir das rela- gern sagen, dass wir die Freude teilen. tiv wurscht. Ich wollte das nur der Transparenz hal- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ber hier einmal in den Raum geworfen haben. und SSW) Ich will mit zwei Punkten, über die ich mich freue, versöhnlich schließen. Erstens. Wir haben jetzt einen Zeitpunkt der Beratung, der es den Kreisen 182 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012

(Martin Habersaat) ermöglicht, bereits in ihren Haushaltsberatungen diese Kosten vollständig selbst zu übernehmen. Das für 2013 auf den vermutlich neuen Umstand einzu- heißt, Familien müssen zahlen, und zwar nur des- gehen. Das finde ich gut. halb, weil ein bestehendes Landesgesetz dies so will. Zweitens. Ich finde es auch gut, dass ein gemeinsa- mer Gesetzentwurf von PIRATEN und FDP mög- Der Gesetzentwurf will dieser Regelung ein Ende lich ist, dass es da offensichtlich keine Berührungs- bereiten. Die Kreise sollen selbst entscheiden dür- ängste gibt, Sie sich irgendwo geeinigt haben und fen, ob sie die Eltern an den Kosten für die Schüler- dass wir jetzt alle gemeinsam einem guten Gesetz- beförderung beteiligen oder auch nicht beteiligen. entwurf zustimmen, mit Ausnahme derer, die noch Vonseiten der Landesregierung und insbesondere etwas länger brauchen, bis sie erkennen, dass es ein vonseiten des Bildungsministeriums kann dieser guter Entwurf ist. Gesetzentwurf nur begrüßt werden, stimmt er doch (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu 100 % mit den Vereinbarungen in unserem Ko- PIRATEN und SSW) alitionsvertrag überein. Ich habe mir sagen lassen - heute habe ich das be- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: reits fühlen können -, dass es in diesem Haus bisher Für die Landesregierung erteile ich der Bildungs- eine nicht hinterfragte Übereinkunft war, dass man ministerin, Frau Dr. Wara Wende, das Wort. die Ideen der jeweils anderen Partei, der politischen Kontrahenten, grundsätzlich problematisiert und Dr. Waltraud Wende, Ministerin für Bildung und schon aus Prinzip kritisch kommentiert. Heute aber Wissenschaft: wird dies zumindest von mir aus nicht so sein; denn genau dies, nämlich der Widerspruch um des Wi- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen derspruchs willen, passiert dieses Mal nicht. und Herren! Die Beteiligung der Eltern an den Kosten der Schülerbeförderung wird - so habe Es würde mich freuen, wenn es nicht nur heute, ich mir sagen lassen, und so habe ich gerade haut- sondern in Zukunft immer öfter gelänge, eingefah- nah erspüren können - in diesem Haus nicht zum rene und verkrustete Rhetorikdrehbücher zu über- ersten Mal debattiert. Seit der Schulgesetzände- winden und experimentelles Neuland auszuprobie- rung 2007 hat die Debatte nicht wirklich einen be- ren friedigenden Abschluss gefunden. Deshalb könnte - (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ich benutze bewusst den Konjunktiv - der heutige PIRATEN und SSW) Tag ein guter Tag werden. zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieses Die neue Zusammensetzung des Landtags ermög- Landes, von deren Steuergeldern unsere Arbeit fi- licht ganz neue, bis dato unbekannte Konstellatio- nanziert wird und die deshalb von uns professionel- nen. Das kann spannend werden, das konnte man le und vernünftige Verhaltensweisen erwarten dür- heute bereits spüren. fen. Ich bedanke mich explizit bei den Fraktionen von Auch würde ich mir wünschen, dass wir vielleicht FDP und PIRATEN für deren Initiative, eine Initia- hin und wieder unsere Argumente eher mit dem tive, die mit den Vereinbarungen im Koalitionsver- Florett statt mit der rhetorischen Keule austauschen. trag der Regierungsparteien auf das Beste kompati- Der neue Politikstil, zu dem vielleicht nicht jeder in bel ist und harmoniert. Mit der neuen Zusammen- der Lage ist, will den Dissens um des Dissenses setzung des Landtags ergeben sich Formationen, willen überwinden. Der neue Politikstil hat das die wahrscheinlich die meisten von uns bis vor we- Ziel, einen sachlichen Dialog das vorurteilsfreie nigen Wochen für abwegig gehalten hätten. Zu- Miteinander zu suchen. kunft ist nicht immer planbar und eben nur bedingt antizipierbar. Der Gesetzentwurf von PIRATEN Wenn wir heute als Kabinett den Antrag von PIRA- und FDP ist geeignet, einen bis dato bestehenden TEN und FDP begrüßen und diesem eben nicht aus überaus grotesken Zustand zu beenden. Prinzip oder aus einem reflexartigen Besserwisser- zwang widersprechen, dann ist das sicherlich nur Worin bestand beziehungsweise besteht die Grotes- ein kleiner Schritt auf einem langen Weg, den wir ke? - Nach der noch geltenden Regelung zu den alle gemeinsam gehen sollten mit dem Ziel, der Zu- Kosten der Schülerbeförderung müssen die Eltern kunft des Landes und dem Wohle der Bürgerinnen stets an den Kosten beteiligt werden, und zwar un- und Bürger zu dienen. abhängig davon, ob die Kreise eventuell bereit sind, Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 4. Sitzung - Mittwoch, 22. August 2012 183

(Ministerin Dr. Waltraud Wende)

Ich bedanke mich für Ihre nicht unbedingt hundert- Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der prozentige Aufmerksamkeit. Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und SSW und vereinzelt PIRATEN - Peter Eich- Kollegen, wir beenden die Beratungen an diesem städt [SPD]: Wer möchte jetzt reden?) Tag. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Abend und freue mich, Sie alle morgen früh um 10 Uhr Vizepräsidentin Marlies Fritzen: hier im Plenarsaal wiederzusehen. Jetzt möchte ich reden, Herr Kollege Eichstädt. Die Sitzung ist geschlossen. Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, Schluss: 18:14 Uhr schließe ich die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/75 (neu) dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer dem zu- stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. -

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst