Hans Georg Wehrens ROM Die christlichen Sakralbauten vom 4. bis zum 9. Jahrhundert Mosaik traditio legis in der südöstlichen Apsidiole des Mausoleums der Constantina Augusta in Rom (um 370) Hans Georg Wehrens ROM

Die christlichen Sakralbauten vom 4. bis zum 9. Jahrhundert

Ein Vademecum 2., durchgesehene und ergänzte Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016 www.herder.de Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart Umschlagmotiv: Innenansicht des Mausoleums der Constantina Augusta, Rom um 370 Frontispiz: Mosaik Traditio legis in der südöstlichen Apsidiole des Mausoleums der Constantina Augusta, Rom um 370 Satz: dtp studio eckart | Jörg Eckart Karten, Aufrisszeichnungen und Grundrisse: Peter Palm, Berlin Herstellung: Graspo CZ, Zlín Printed in Czech Republic ISBN 978–3-451–38300–7 Inhalt

EINLEITUNG

Vorbemerkung | 11

I. Die Stadt Rom | 13 Sieben Hügel – Stadtmauern – Stadttore – Rioni – Vatikan – Hauptkirchen – Stadtpatrone II. Entstehung der christlichen Sakralbauten | 26 Privathaus mit christlichen Emblemen – Hauskirche – Diakonie – Titelkirche III. Architektonische Grundformen | 31 Bischofskirche – Coemeterialbasilika – Memorialbasilika – Zentralbau IV. Ausstattung und Bildprogramme | 36 Inneneinrichtung – Bildprogramme – Mosaiken

DIE SAKRALBAUTEN

Die erste Bischofskirche | 45 1A Lateranbasilika (Ecclesia SS. Salvatoris, S. Giovanni in Laterano) | 45 1B Lateran-Baptisterium (S. Giovanni in Fonte) | 54 1C Triclinium, Capella Sancta Sanctorum und Scala Santa | 62

Coemeteriale Umgangsbasiliken | 67 2 Umgangsbasilika SS. Marcellino e Pietro und Helena-Mausoleum | 71 3 Umgangsbasilika und Mausoleum Tor de’ Schiavi | 76 4 S. Sebastiano ad Catacumbas, S. Sebastiano fuori le mura | 79 5 Umgangsbasilika an der Via Ardeatina | 86 6 Umgangsbasilika S. Agnese, Constantina-Mausoleum und S. Agnese fuori le mura | 88 7 Umgangsbasilika an der Via Tiburtina und S. Lorenzo fuori le mura | 99

Inhalt 5 Die großen Memorialkirchen | 105 8 S. Pietro in Vaticano (Alt-St.Peter) | 106 9 S. Paolo fuori le mura (Ecclesia S. Pauli extra muros) | 120 10 Santa Croce in Gerusalemme (Basilica Sessoriana) | 131

Titelkirchen – Gemeindekirchen | 139 11 SS. Silvestro e Martino ai Monti (Titulus Equitii / Titulus Silvestri) | 141 12 S. Marco (Titulus Marci) | 145 13 S. Maria in Trastevere (Titulus Iulii) | 149 14 Basilica Liberii (Basilica Liberiana) | 156 15 S. Anastasia (Titulus Anastasiae) | 158 16 SS. Nereo ed Achilleo (Titulus Fasciolae) | 161 17 S. Lorenzo in Damaso (Titulus Damasi) | 166 18 S. Pudenziana (Titulus Pudentis) | 169 19 S. Clemente (Titulus Clementis) | 177 20 S. Sisto Vecchio (Titulus Crescentianae) | 182 21 S. Vitale (Titulus Vestinae) | 186 22 SS. Giovanni e Paolo (Titulus Pammachii) | 189 23 S. Crisogono in Trastevere (Titulus Chrysogoni) | 195 24 S. Marcello al Corso (Titulus Marcelli) | 199 25 S. Lorenzo in Lucina (Titulus Lucinae) | 203 26 S. Sabina (Titulus Sabinae) | 206 27 S. Maria Maggiore (Ecclesia Sanctae Dei Genetricis) | 214 28 S. Pietro in Vincoli (Titulus S. Petri in vinculis) | 226 29 S. Cecilia in Trastevere (Titulus Caeciliae transtiberim) | 230 30 SS. Quattro Coronati (Titulus Aemilianae) | 236 31 S. Susanna (Titulus Gaii / Titulus Sanctae Susannae) | 240 32 S. Prassede (Titulus Praxedis) | 245 33 S. Stefano Rotondo (S. Stephanus in Caelio Monte) | 252 34 S. Eusebio (Titulus Eusebii) | 259 35 S. Bibiana (Sancta Bibiana) | 263 36 S. Balbina (Titulus Sanctae Balbinae) | 265 37 S. Prisca (Titulus Priscae) | 267 38 S. Andrea cata Barbara (S. Andreas cata Barbara) | 269 39 S. Agata dei Goti (Sancta Agatha Gothorum) | 274 40 S. Giovanni a (S. Ioannis in Portam Latinam) | 277 41 SS. Cosma e Damiano (SS. Cosmae et Damiani) | 282 42 S. Maria Antiqua | 291

6 Inhalt 43 S. Francesca Romana (Sancta Maria Nova) | 300 44 SS. Quirico e Giulitta (SS. Cyriacus et Iulitta) | 305 45 S. Adriano (Ecclesia beati Hadriani) | 308 46 Pantheon (Sancta Maria ad Martyres) | 311 47 S. Stefano in Via Latina (S. Stephanus via Latina) | 317 48 S. Pancrazio (S. Pancratius) | 320 49 S. Teodoro (Titulus Sancti Theodori) | 323 50 S. Saba (Sanctus Sabbas) | 326 51 S. Maria in Cosmedin (S. Maria in Schola graeca) | 329 52 S. Maria in Domnica („La Navicella“) | 334 53 S. Giorgio in Velabro (Basilica S. Georgi) | 339

ANHANG

Glossar | 345 Bibliographie | 381 I. Quellen und benutzte Fachliteratur | 381 II. Historische Pilger- und Romführer | 390 III. Karten, Pläne und Veduten der Stadt Rom | 393 Alphabetisches Verzeichnis der behandelten Sakralbauten | 403 Liste der Päpste vom 4. bis zum 9. Jahrhundert | 407 Bildnachweis | 411 Dank | 411

Beilage: QR-Codes

Inhalt 7

EINLEITUNG

Vorbemerkung

Roma palaeochristiana bietet – wie keine andere Stadt – noch heute eine derart große Zahl an frühchristlichen Bauwerken, dass es zunächst schwer fällt, sich die Besonderheiten der einzelnen Kirchen einzuprä- gen. Hierbei kann das Vademecum1 als handlicher kunsthistorischer Begleiter behilflich sein. Es werden die christlichen Sakralbauten der Stadt Rom vorgestellt, die zwischen dem 4. und 9. Jh. – zum Teil auf äl- teren Fundamenten – errichtet worden sind, und zwar sowohl die anti- ken Vorgängerbauten als auch die neuen Grundformen der christlichen Architektur; zu ihnen gehören insbesondere: Diakonie, Hauskirche, Oratorium, Mausoleum, Begräbnisbasilika, Bischofskirche, Gemein- dekirche und Baptisterium. Beschrieben werden alle bedeutenden Kir- chen dieses Zeitraums, auch wenn heute nur noch geringe oder keine Spuren mehr sichtbar sind. Die Beschreibungen stützen sich vor allem auf die maßgebenden Publikationen zu den einzelnen Objekten.2 Die eigene Tätigkeit be- schränkt sich im Wesentlichen auf das Sammeln, Sichten und kritische Auswerten der zitierten umfangreichen Fachliteratur sowie auf eine – notgedrungen vereinfachende – einheitliche und übersichtliche Dar- stellung des unerschöpflichen Themas, ergänzt durch eigene Beobach- tungen und Wertungen. Es wird aufgezeigt, wie sich die Bauformen und die Innenausstattung unter Berücksichtigung der liturgischen Er- fordernisse entwickelt haben und wo sie auch nach der Überformung während späterer Stilepochen heute noch sichtbar sind. Die gesam- melten Informationen sollen die Augen öffnen und neugierig machen; denn vor allem das, was man gut kennt, lernt man auch schätzen. Ausführliche Literaturangaben finden sich als thematische Zuwei- sungen jeweils zu Beginn eines Kapitels in den Fußnoten. Die Sakralbau- ten sind in der Regel chronologisch geordnet nach dem vermutlichen

1 Historische Bezeichnung für ein handliches Buch, das sich als sachkundiger Leitfaden und praktischer Ratgeber eignet und das man deshalb gern bei sich trägt (lat. vade me- cum = „geh mit mir!“). 2 Berücksichtigt sind außer den Quellen und den objektbezogenen Monographien vor al- lem die in der Bibliographie aufgeführten Standardwerke von: Maria Andaloro, Hugo Brandenburg, Beat Brenk, Walter Buchowiecki, Peter Cornelius Claussen, Filippo Coa- relli, Friedrich Wilhelm Deichmann, Richard Krautheimer, Joachim Poeschke, And- reas Tönnesmann, Stephan Waetzoldt, Joseph Wilpert / Walter Schumacher.

Vorbemerkung 11 Baubeginn3, dabei der üblichen Gliederung in Umgangsbasiliken, Memo- rialbauten und Titelkirchen / Gemeindekirchen folgend. Die chronolo- gische Anordnung wird nur durchbrochen, um zusammen behandeln zu können, was räumlich oder zeitlich zusammen gehört, z. B. die am selben Ort errichteten Bauwerke von Umgangsbasilika S. Agnese, Constantina- Mausoleum und Emporenbasilika S. Agnese fuori le mura in Kapitel 6 . Außer den gebräuchlichen italienischen Namen sind die ursprüngli- chen lateinischen Bezeichnungen angeführt. Zur Orientierung dienen die heutige Adresse und ein Hinweis auf die beigefügten Rom-Karten. Jeder Kirchenbau wird durch einen maßstabgetreuen und i. d. R. nach Norden ausgerichteten Grundriss veranschaulicht, in Einzelfällen auch in Form einer Grundrissentwicklung für unterschiedliche Baupe- rioden. Die Abbildungen sind jeweils dem begleitenden Text zugeordnet und mit erläuternden Legenden versehen. Den historischen Ansich- ten kommt dabei besondere Bedeutung zu, wenn der ursprüngliche Zu- stand nicht erhalten oder wegen barocker Überformung nicht mehr sichtbar ist. Die Abbildungen sind (ebenso wie die QR-Codes) nach den Kapiteln nummeriert. Zusätzlich zu den im Buch enthaltenen Abbildungen wird aus- gewähltes Bildmaterial im Internet durch QR-Codes zugänglich ge- macht, das auf Smartphone oder Tablet abgerufen und vergrößert wer- den kann. Die im Text fortlaufend markierte QR-Code-Nummerierung führt zu den auf einer Beilage zusammengestellten QR-Codes. Dem Le- ser steht damit ein virtuelles Bildarchiv von rund 250 Bildern zur Ver- fügung.4 In einem Glossar werden kunsthistorische und religionsgeschicht- liche Fachausdrücke erläutert, um das Verständnis von Architektur und Ausstattung zu vertiefen sowie den Sinngehalt alter Bildwerke mit ihren Allegorien und Symbolen besser verständlich zu machen. Neben dem

3 Datierungen mit Zusätzen (z. B. „von 320 bis 330“ oder „ca. 400“ oder „um 500“) beru- hen mangels zuverlässiger Quellen auf Schätzungen, zu denen in der Fachliteratur auch abweichende Meinungen vertreten werden. 4 Die Verlag Herder GmbH übernimmt keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der auf den QR-Codes befindlichen Informationen. Verweise und Links auf Websites Dritter bedeuten nicht, dass sich die Verlag Herder GmbH die hinter dem Verweis oder Link liegenden Inhalte zu eigen macht. Die Inhalte begründen keine Ver- antwortung der Verlag Herder GmbH für die dort bereit gehaltenen Daten und Infor- mationen. Die Verlag Herder GmbH hat keinen Einfluss auf die hinter den QR-Codes lie- genden Inhalte. Für rechtswidrige, fehlerhafte, nicht aktuelle oder unvollständige In- halte und für Schäden, die aufgrund der Nutzung von einem hinter dem QR-Code lie- genden Inhalt verursacht worden sind, haftet die Verlag Herder GmbH daher nicht.

12 Vorbemerkung Verzeichnis von Quellen und Fachliteratur bietet der Band eine Auflis- tung der historischen Pilger- und Romführer sowie der Karten, Pläne und Veduten Roms. Die behandelten Sakralbauten können in einem Re- gister nachgeschlagen werden. Die Liste der Päpste vom 4. bis zum 9. Jh. enthält Angaben über ihre Herkunft und über die Dauer des Ponti- fikats. Die Inschriften an Bauwerken und Mosaiken wurden von Professor Dr. Jürgen Blänsdorf, Mainz, zusammengestellt, korrigiert und über- setzt. Das Vorsatz- und Nachsatzblatt zeigt einen aktuellen Stadtplan von Rom, auf dem die behandelten Sakralbauten eingetragen sind.

I. Die Stadt Rom „Rom: Keine andere Stadt war so lange, so mächtig und so glanzvoll Mittelpunkt der Welt“.5 Die gebräuchliche Bezeichnung als Ewige Stadt stammt bereits aus vorchristlicher Zeit und lässt sich bis zu Vergil zu- rückverfolgen.6 Rom war die Hauptstadt des Imperium Romanum. Heute ist Rom berühmt vor allem als Weltstadt mit internationalem Gepräge, als Metropole für Künste und Wissenschaften sowie als Zentrum der katholischen Kirche. Der stetige Wandel der Stadt kann aus den stark schwankenden Ein- wohnerzahlen abgelesen werden: 50 vC. ca. 500.000 Einwohner; 330 nC. ca. 1.000.000; im Jahr 530 ca. 100.000; um 650 nur 20.000; auf der Grundlage eines Zensus von 1527 rund 55.000 (QR E.1); im Jahr 1901 ca. 450.000 und heute rund 3 Millionen mit weiteren etwa 3,5 Millionen in der Agglomeration. Zu den sagenumwobenen sieben Hügeln Roms gehören (markante Paläste und Kirchen in Klammern): Palatino Mons Palatinus (mit den antiken Kaiserpalästen) Aventino Mons Aventinus (mit S. Sabina) Capitolino Mons Capitolinus (mit S. Maria in Aracoeli)

5 Reinhardt 2008, 2. 6 In dem römischen Nationalepos Aeneis von Vergil (70–19 vC.) prophezeit Jupiter die Ewigkeit Roms. Auch Tibull (um 55–18 vC.) soll diesen Begriff in seinen Liedern erst- mals verwendet haben (Carmen 2,5,23f.). Im 4. Jh. nC. spricht der Geschichtsschrei- ber Ammianus Marcellinus (um 330– um 395) von der nie untergehenden Stadt. Der spätantike, bereits christliche Jurist und Dichter Aurelius Prudentius Clemens (349– nach 405) hat das Ewige Rom mit dem christlichen Rom verglichen und ausgeführt, das Römische Reich habe viele Völker geeint und mit seinem Frieden der Ausbreitung des Christentums den Weg bereitet.

Die Stadt Rom 13 Quirinalis Collis Quirinalis (mit S. Susanna) Viminalis Collis Viminalis (mit S. Pudenziana) Esquilino Mons Esquilinus (mit S. Maria Maggiore) Celio Mons Caelius (mit S. Stefano Rotondo). Außerhalb der antiken Mauern sind hinzugekommen: Gianicolo Mons Ianiculus (mit S. Pancrazio) Vaticano Mons Vaticanus (mit S. Pietro in Vaticano) Monte Mario Mons Marius (mit S. Maria del Rosario) Pincio Mons Pincius (mit der ). Die Stadtmauern Roms stammen aus verschiedenen Epochen: • Die Servianische Mauer (Mura Serviane)7 von ca. 11 km Länge soll als ältester Mauerring bereits von Servius Tullius (mythischer Kö- nig von 578–534 vC.) errichtet worden sein; tatsächlich stammen die heute sichtbaren ältesten Mauerteile aus der Zeit um 378 vC., wobei nicht feststeht, ob es sich bei dieser Mauer um eine Repara- tur und Verstärkung einer älteren Mauer oder um eine neue Stadt- mauer handelt. • Die Aurelianische Mauer8 (ca. 19 km) wurde unter Kaiser Aurelian (270–275 nC.) begonnen und unter Kaiser Marcus Aurelius Probus (276–282) fertig gestellt. • Die Mauer Papst Leos IV. (847–855) diente zur Sicherung der „Leo- stadt“ (Borgo) mit der Basilika S. Pietro in Vaticano als Mittelpunkt und dem Mausoleum des Kaisers Hadrian, der heutigen Engels- burg, als Eckbastion. • Die Mauer Papst Urbans VIII. (1642) umschloss Trastevere und war mit der Leostadt verbunden, wodurch die Stadtmauern eine Länge von insgesamt 25 km erhielten. Die meisten der antiken Stadttore und Ausfallstraßen (Abb. E.1) sind heute noch im Stadtbild zu erkennen; beginnend auf dem nordöstli- chen Tiberufer gehören dazu (im Uhrzeigersinn): A Porta Flaminia () Via Flaminia B Via Salaria Vetus C Porta Salaria (zerstört) Via Salaria Nova D () Via Nomentana E (zugleich Aquädukt) Via Tiburtina und Via Collatina

7 Höcker 2012, 48; Coarelli 1981, 18ff. 8 Höcker 2012, 49; Coarelli 1981, 23ff.

14 Die Stadt Rom Abb. E.1: Rom und Ostia auf einem Teilstück der ca. 7 m langen Tabula Peutingeriana. In der mittelalterlichen Nachzeichnung dieser römischen Straßenkarte des 4. Jh. ist die antike Stadtgöttin Roma in eine thronende Kaisergestalt umgedeutet. Einzelheiten bei Rathmann 2016, 10.30f.56f.

F Porta Praenestina () Via Praenestina und Via Casilina G Porta Labicana Via Labicana H Via Tuscolana J Porta Latina Via Latina K Porta Appia (Porta S. Sebastiano) Via Appia Antiqua und Via Appia Nova L Porta Ardeatina (Bastion Sangallo) Via Ardeatina M Porta Ostiensis (Porta S. Paolo) Via N Porta Portuensis () Via Campana und Via Portuense

Die Stadt Rom 15 Abb. E.2: Veduta di Roma; Miniatur von Pietro del Massaio aus dem Jahr 1469 mit reprä- sentativen Bauten der Antike und einigen frühchristlichen Kirchen. Es soll sich um das ers- te wirklichkeitsnahe Stadtpanorama von Rom handeln. Siehe dazu Bogen / Thürlemann 2009, 53f.

O Porta Aurelia (Porta S. Pancrazio) Via Vitellia und Via Aurelia Vetus P Porta Septimiana () Via Septimiana Q Porta Cornelia (Porta Aurelia) Via Aurelia, Via Cornelia und Via Triumphalis

16 Die Stadt Rom Die historischen Verwaltungsbezirke der römischen Altstadt9 lassen sich bis ins Mittelalter und teilweise bis in die Antike zurückverfolgen. Vom 6. Jh. vC. bis zum Beginn der Regierungszeit von Kaiser Augustus gab es zunächst nur eine Aufteilung in vier regiones (Stadtteile): 1. Suburana für Caelius und Subura 2. Esquilina für den Esquilin 3. Collina für Quirinal und Viminal 4. Palatina für Palatin und Velia, wobei die Hügel des Kapitol und des Aventin noch nicht einbezogen waren. Unter Kaiser Augustus wurde die stark gewachsene Stadt als großstädti- scher Lebensraum vorausschauend neu gestaltet (Abb. E.2) und dazu in 14 regiones gegliedert: 1. Porta Capena 2. Caelimontium mit dem Caelius 3. Isis et Serapis mit Oppius, Tal zwischen Caelius und Esquilin 4. Templum Pacis mit Subura und Carinae 5. Esquiliae mit Esquilin 6. Alta Semita mit Quirinal und Viminal 7. Via Lata mit östlichem Marsfeld und westlichem Teil des Pincio 8. Forum Romanum et Magnum 9. Circus Flaminius mit dem westlichen Teil des Marsfeldes 10. Palatium mit Palatin 11. 12. Piscina publica mit dem östlichen Teil des Aventin 13. Aventinus mit dem Hügel des Aventin 14. Transtiberim mit dem westlichen Tiberufer Aus diesen 14 regiones der Zeit des Augustus entstanden im 14. Jh. zu- nächst 12, dann 14 und ab 1972 insgesamt 22 Rioni (abgeleitet von re- giones), die seitdem alle ihre eigenen Wappen (vexilla) führen (Abb. E.3): I. Monti (drei stilisierte Hügel in grün auf weißem Grund): von der bis zum Lateran; im Wappen sind die drei Hügel Esqui- lin, Viminal und Quirinal dieses Stadtviertels abgebildet; im Mittelalter bezeichnet als Regio Montium et Biberate.

9 Die historischen Bezeichnungen werden hier wiedergegeben, weil sie in der Fachlitera- tur geläufig sind und im Text häufig vorkommen. Radke 1979, 1367.

Die Stadt Rom 17 N Porta del Tiber Popolo Porta Porta Salaria Pinciana XXII. Porta Pia S i o i n c XVII. IV. P Porta Angelica XVI. l e a n i XVIII. r VATICANO XIV. i III. u l e Q i n a i m Porta V. VIII. II. V Fabbrica Porta Porta VI. S. Lorenzo Cavalleggeri IX. Esquilino I. G VII. i XIII. XI. a Capitolino XV. Porta n Maggiore

i X. c Palatino o Porta l S. Pancrazio o XIX. Celio Porta XII. Porta S. Giovanni Portese Tiber Aventino Porta antica chiusa () XXI. XX. Porta Latina Porta S. Paolo Porta S. Sebastiano

Abb. E.3: Karte Roms mit den 22 Stadtbezirken („Rioni“) der Innenstadt und ihre Wappen.

18 Die Stadt Rom II. Trevi (drei silberne Schwerter auf rotem Grund): Quirinal und das Viertel um Fontana di Trevi; der Name kommt von trivium für drei sich kreuzende Straßen an der Piazza di Crociferi; im Mittelalter Trivi et Vielate. III. Colonna (silberne antike Säule auf rotem Grund): beiderseits der ; die Marc-Aurel-Säule auf der war namen- gebend; im Mittelalter: Regio Columne et Sancte Marie in Aquiro. IV. Campo Marzio (silberner Halbmond auf blauem Grund): von der Spanischen Treppe bis ; dieser Bezirk diente in der Spätantike als Exerzierplatz und war nach dem Kriegsgott Mars be- nannt. V. Ponte (Tiberbrücke auf rotem Grund): Tiberknie gegenüber der En- gelsburg; dieser Stadteil gehörte ursprünglich zum Borgo; in das Wap- pen ist die alte Engelsbrücke (Pons Aelius) über den Tiber aufgenommen. VI. Parione (stehender roter Greif auf weißem Grund): das Viertel um und Campo de’ Fiori; der Name ist hergeleitet von paries für eine große Mauer am Stadion des Domitian; im Mittelalter: Regio Parionis et Sancti Laurentii in Damaso. VII. Regola (stehender weißer Steinbock auf blauem Grund): Tiberufer zwischen Ponte Garibaldi und Ponte Mazzini; der Name kommt von renola für den feinen Sand am Tiberufer; im Mittelalter: Regio Arenule et Chacabariorum (Sand und Kupferschmiede); das Wappen könnte auf die dort ansässigen lederverarbeitenden Berufe hinweisen. VIII. S. Eustachio (Hirschgeweih mit Kreuz, auch mit Kopf von Chris- tus oder Eustachius): um S. Andrea della Valle; der Name deckt sich mit dem Patrozinium der dortigen Titelkirche; im Mittelalter: Regio Sancti Eustachii et Vinee Tedemarii. IX. Pigna (Pinienzapfen): zwischen Piazza Venezia und Pantheon; ein riesiger Pinienzapfen aus Bronze gehörte in der Antike zu einem Brun- nen in den dortigen Thermen des Agrippa; im 4. Jh. wurde er zu dem Brunnen im Atrium vor Alt-St. Peter übertragen; seit dem 16. Jh. steht er im Cortile della Pigna der Vatikanischen Museen; im Mittelalter: Pi- nee et Sancti Marci. X. Campitelli (Kopf eines Wolfes): Umkreis von Kapitol und Palatin; der Name kommt von Capitolium für den bedeutendsten Hügel Roms, auf dem der Tempel der Kapitolinischen Trias Jupiter, Juno und Minerva stand. Der Wolfskopf im Wappen erinnert an die Legende, wonach Papst Silvester I. einen Wolf (oder einen Drachen) aus dem Tempel von Castor und Pollux vertrieben haben soll; im Mittelalter: Regio Campi- telli in Sancti Adriani.

Die Stadt Rom 19 XI. S. Angelo (Fisch oder Erzengel Michael): Viertel des früheren Ghet- tos; der Name und das Wappen sind hergeleitet von der dortigen Kirche S. Angelo in Pescheria, die dem Erzengel Michael geweiht ist; in der rö- mischen Kaiserzeit gehörte der Stadtteil zu der 9. Region Circus Flami- nius; im Mittelalter hieß er Regio Sancti Angeli in foro piscium. XII. Ripa (Schiffsteuerrad): Aventin und linkes Tiberufer bis zur Tibe- rinsel; der Name ist von dem dort gelegenen antiken Tiberhafen Ripa Grande übernommen; auch das weiße Steuerrad eines Schiffes deutet auf den Hafen hin; im Mittelalter: Regio Ripe et Marmorate. XIII. Trastevere (Löwenkopf): Westufer des Tiber; der Name bedeutet „Jenseits des Tiber“ (Regio trans Tiberim); die Herkunft des Wappenzei- chens ist nicht geklärt. XIV. Borgo (liegender Löwe vor einem Berg, über dem ein Stern steht): zwischen Vatikan und Engelsburg; das Wappen zeigt den Vatikanhügel mit einem Löwen, weil Papst Leo IV. die Leostadt auf dem ager vatica- nus angelegt und zum Schutz der Rompilger befestigt hat; der Name soll durch die häufig deutschsprachigen Pilger aus „Burg“ entstanden und dem Italienischen als „Borgo“ angepasst worden sein. XV. Esquilino (Pinie über drei Bergen): Ostteil des Esquilin mit Sta- zione Termini; dieser Stadtteil wurde erst 1921 von dem Stadtbezirk Monti abgetrennt. XVI. Ludovisi (drei Schrägbalken über einem Drachen): beiderseits der ; der Name stammt von der Villa Ludovisi, die von der gleichna- migen Familie Ende des 19. Jh. an die Stadt Rom verkauft worden war, um dort ein neues Wohngebiet mit der heutigen Via Veneto anlegen zu kön- nen; das Wappen zeigt oben in Rot drei goldene Schrägbalken (Ludovisi) und unten in Rot einen geflügelten goldenen Drachen (Boncompagni). XVII. Sallustiano (Handspiegel): nördlich der Via XX. Settembre am Nordhang des Quirinal; der Name weist darauf hin, dass sich hier in der Antike die Gärten des Sallust (horti Sallustiani) befunden haben, wo seit 1897 ein neues Wohngebiet entstanden ist; für die Herkunft der Em- bleme des Wappens fehlen Hinweise. XVIII. Castro Pretorio (römische Standarte mit dem Schild SPQR = Se- natus Populusque Romanus): Thermen des Diokletian; der Name besagt, dass in der Nähe der Diokletiansthermen die zentrale Kaserne der Prä- torianergarde gestanden hat; als Wappen ist ein Feldzeichen der Präto- rianer abgebildet. XIX. Celio (Kopf eines Afrikaners mit Kopfschmuck): auf dem Cae- liushügel; dieser Stadtteil ist erst 1922 entstanden durch Abtrennung vom Rione Campitelli; der Name bezieht sich auf den römischen Hü-

20 Die Stadt Rom