Jagdfieber Im Gelobten Land
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SNAPS Promoter Kohl (M.), Konkurrent Kushner (2. v. r.), Klitschko beim Sieg über Shufford: Appelle an die Geschäftsmoral BOXEN Jagdfieber im gelobten Land Mit viel Geschick machte der Promoter Klaus-Peter Kohl aus zwei ukrainischen Schwergewichtlern deutsche Markenartikel. Doch nun, da Wladimir Klitschko stark genug scheint für Amerika, klemmt die Karriereplanung. Die mächtigen US-Boxmanager pokern um den weißen Weltmeister. ort, wo sich die Hambur- Der Abschied scheint arg vor- ger Schickeria trifft, ist eilig. Seit fünf Jahren gehört Wla- Dder Mann mit dem osteu- dimir Klitschko ebenso wie sein ropäischen Akzent ein gern ge- Bruder Witalij, 30, dem Hambur- sehener Gast. Bei „Wollenberg“ ger Boxstall Universum an. Das an der Alster wird der Boxer war für die in Kiew geborenen Wladimir Klitschko, 25, von je- Söhne eines ehemaligen Generals dem nur kurz „Wladi“ genannt. der Sowjetarmee ein idealer Ort, Und auch in den angesagten um im Westen wohlhabend und Discokellern der Hansestadt hat populär zu werden. Doch mit der Weltmeister stets einen Blick auf den Boxmarkt USA Stammplatz in der VIP-Lounge. gerät ihre Wahlheimat allmählich Neuerdings findet Wladi die zum Standortnachteil. örtliche Society aber eher fad. Zwar sehen Insider in Wladi- Fünf Wochen hatte der dunkel- mir Klitschko bereits die „neue haarige Beau zuletzt in den USA Nummer eins“ in der Königs- verbracht. Durchs glitzernde Las / AP ERIC DRAPER klasse. Zwar tönt sein Promoter Vegas fuhr er im offenen Cabrio, US-Promoter King: Dollar-Millionen im Hotelzimmer Klaus-Peter Kohl regelmäßig, er und in Los Angeles plauschte er wolle ihm „die ganz großen Geg- mit einem wahrhaftigen Helden der Zeit- tierte ihm beeindruckt Emanuel Steward, ner“ besorgen. Wenn es aber um die Big geschichte, Muhammad Ali. Seither ist Coach des erst jüngst entthronten Cham- Fights geht, bleibt der ehrgeizige Olym- Klitschko Amerika-Fan. pions Lennox Lewis. piasieger von Atlanta außen vor. Zumal die Einheimischen ja auch immer Er solle „am besten gleich in den USA So las er neulich in der Zeitung, dass er nett zu ihm waren. „Mister Steelhammer“, bleiben“, riet der emeritierte Faustkämpfer im November gegen Lennox Lewis kämp- so jubelte die Presse, nachdem Klitschko Axel Schulz, der selbst mehrfach in Ame- fen soll. Doch kurz darauf stand in dem vor zwei Wochen im „Mandalay Bay“- rika im Ring stand, angesichts solcher Elo- gleichen Blatt, dass der Engländer zur frag- Casino in Las Vegas Charles Shufford in gen. Selbst „Bild“ schlug den baldigen Um- lichen Zeit gegen Hasim Rahman boxen Runde sechs niedergeschlagen hatte. Die zug vor und seufzte wehmütig: „Bye, bye, werde. Gegen Rahman war Lewis im April „beste Rechte im Schwergewicht“ attes- Klitschko.“ überraschend k.o. gegangen und hatte so- 138 der spiegel 34/2001 Sport Cheftrainer Fritz Sdunek machte aus den kanischen Promotern Bob Arum und Ce- anfänglich hüftsteifen Kick-Boxern zwei dric Kushner am Ringgeviert. Kaum war ansehnliche Faustfechter. Kohl managte die der Kampf vorbei, ließ Kollege Arum die Brüder parallel dazu zu bundesweit be- Muskeln spielen und machte Klitschko sei- kannten Markenartikeln. ne Aufwartung: „Bei uns könntest du Mil- Seit Jahren schart sich bei Auftritten der lionen verdienen.“ Hünen in Deutschland die Prominenz von Das war nicht mal gelogen. Auf einen Verona Feldbusch bis Heiner Lauterbach Mann wie Wladimir Klitschko – jung, am Ring. Längst hat auch die Werbung das fesch, jovial – hat der US-Markt lange ge- fulminante Duo für sich entdeckt. Mal lässt wartet. Der letzte weiße Champion aller sich Wladimir für einen Modekalender in Verbände war 1960 der Schwede Ingemar Unterwäsche ablichten. Mal posieren die Johansson, seither sehnt das weiße Publi- promovierten Sportwissenschaftler ge- kum einen Nachfolger herbei. meinschaftlich für eine Anzeigenkampagne Auch dass der Kandidat bereits an sei- von American Express. nen Qualitäten als Entertainer arbeitet, re- Für den Anfang war das nicht schlecht. gistrieren die Beobachter mit Wohlwollen. Doch dass die umtriebigen Ukrainer aus- So hatte Klitschko an der Seite von Julia gerechnet dort, wo das große Geld zu ver- Roberts einen Kurzauftritt in dem Hol- dienen ist, noch keinen Fuß auf den Boden lywood-Streifen „Ocean’s Eleven“. Seither gebracht haben, sorgt für Spannungen. glaubt selbst der berüchtigte HBO-Kom- Boxen ist zwar ein globales Geschäft. mentator Larry Merchant, eigentlich ein Die großen Börsen werden jedoch in den Freund beißender Kritik, Klitschko habe USA gemacht. Nirgendwo sonst gucken 20 das Zeug zum „neuen Ali“. STEVE MARCUS / REUTERS MARCUS STEVE Millionen Pay-TV-Zuschauer einen Kampf, Verbissen verteidigt Kohl derweil noch wie zuletzt beim Aufeinandertreffen der seinen Schatz. „Ich bin ein Visionär“, mit seine WM-Titel der Verbände IBF und Halbmittelgewichtler Javier Castillejo und schwadroniert der in Bedrängnis geratene WBC verloren. Per Gerichtsurteil erzwang Oscar De La Hoya. Nirgendwo sonst be- Boxmakler und träumt von einem Fern- er nun den Rückkampf. zahlen Fernsehanstalten 50 Millionen sehverbund europäischer Anstalten, um Profiboxen ist ein undurchsichtiges Dollar für einen Fight. ein Gegengewicht zu den USA zu schaffen. Geschäft. Und niemandem machen die Zwar arbeitet Kohl beflissen am Sprung Große Hoffnungen setzt Kohl auch in Usancen der Branche derzeit so arg zu ins Dollar-Dorado. Anfängliche Erfolgs- einen Deal mit dem US-Sender HBO. schaffen wie Wladimir Klitschko. Denn wer meldungen erwiesen sich jedoch schnell Der größte Boxkanal Amerikas hat sich gegen wen kämpft, hängt bei weitem nicht als heiße Luft. So dröhnte der Boxhändler Rechte an fünf Auftritten der Klitschkos allein von sportlichen Kriterien ab, son- mit dem schlohweißen Resthaar unlängst, gesichert; sogar deren Kämpfe auf deut- dern vom Wert des Boxers auf dem Welt- Mike Tyson werde mit den Klitschkos An- schem Boden sollen in den Staaten live markt und vom Verhandlungsgeschick des fang September in der Arena „Auf Schal- übertragen werden. Allerdings beliebt es jeweiligen Promoters. ke“ auftreten. Tatsächlich wusste der skan- HBO, bedeutende Boxabende in den USA In beiderlei Hinsicht hat Klitschko of- dalumwitterte Ex-Weltmeister von dem auch mit Kohl-Konkurrent Arum zu ver- fenkundig nicht die besten Voraussetzun- Plan wohl eher nichts: Am 8. September anstalten. gen. Namhafte Gegner wie Evan- der Holyfield oder WBA-Welt- KLITSCHKOS WUNSCHGEGNER Hasim Rahman ist Champion der Verbände IBF und WBC. Im November verteidigt er die Titel gegen seinen Vorgänger Lennox Lewis. John Ruiz, Weltmeister des Verbandes WBA, verteidigt seinen Titel im Oktober in Peking gegen Ex-Champion Evander Holyfield. Gewinnt Lennox Lewis die Revanche gegen Rahman, will er noch einen großen Fight machen. Möglicher Gegner: Mike Tyson, Weltmeister von 1986 bis 1990 und 1996. Hasim Rahman John Ruiz Lennox Lewis OBED ZILWA / AP; KEVORK DJANSEZIAN / AP; ALLSPORT /ACTION PRESS (V.L.N.R.) meister John Ruiz meiden den Vergleich boxt Tyson in Kopenhagen gegen den Fraglich deshalb, ob die Klitschkos mit dem Modellathleten, der von seinen Dänen Brian Nielsen. ihrem hanseatischen Wegbereiter die 38 Kämpfen 34 durch K.o. gewann – sie „Die großen Kämpfe kommen im nächs- Treue halten, sollten die mächtigen US- wollen von dem Zwei-Meter-Mann nicht ten Jahr“, so pflegt Kohl seine Klienten zu Promoter demnächst mit Ruhm, Titel- aus dem Ring geprügelt werden. Zudem vertrösten, „und wenn sie nicht kommen, kämpfen und Millionen winken. „Wenn es gilt Promoter Kohl zwar in Europa als dann kommen sie eben später.“ In Wahr- ums Geld geht“, sagt Jean-Marcel Nartz, große Nummer. In Amerika, dem gelobten heit muss er mittlerweile aufpassen, dass Manager im Kölner Sauerland-Boxstall, Land der Zunft, fehlt dem Impresario aus ihm im Verlauf seiner US-Expansion nicht „dann hört besonders in dieser Branche Wandsbek indes der nötige Einfluss. unvermutet sein Produkt abhanden die Freundschaft auf.“ Mit welchem Kali- Dabei galt die Verbindung Klitschko/ kommt. So saß er neulich, als Wladimir in ber Kohls Wettbewerber schießen, wenn Kohl lange als Musterehe. Universum- Las Vegas boxte, flankiert von den ameri- sie erst mal das Jagdfieber gepackt hat, der spiegel 34/2001 139 bewies unlängst einmal mehr der ebenso schrille wie abgezockte Branchenprimus Don King. Als Hasim Rahman in Johannesburg überraschend Lennox Lewis entthronte, war der Boxagent mit der Starkstrom-Fri- sur blitzschnell zur Stelle. Kaum hatte Rah- man geduscht, meldete sich King per Han- dy aus Amerika, um sein Angebot abzu- liefern. Bei einem Treffen im New Yorker „Marriott Marquis“-Hotel verlieh der Pro- moter seinem Werben dann noch mal Nachdruck – und überreichte dem Schwer- gewichtler einen Scheck über 4,5 Millionen Dollar sowie 500000 Dollar in bar. Die Un- terschrift unter den Kontrakt war danach nur noch Formsache. Dem Diktat des Dollar begegnet Kohl bislang vornehmlich mit dünnen Appellen PRESS ACTION an die Geschäftsmoral. Bis 2004 läuft sein Beschuldigter Fußballtrainer Daum (in Istanbul): „Auch was von den Schlaftabletten“ Vertrag mit den Klitschkos, „und Vertrag kommt doch von vertragen“. Dabei hängt vom Verbleib seiner Stars DROGEN die Zukunft seines Boximperiums ab. Kürzlich ging Kohl mit dem ZDF eine „leis- tungsbezogene“ Partnerschaft ein. Je nach Haare vom Bruder? Qualität der Fights soll Kohl ab Mitte 2002 in fünf Jahren bis zu 200 Millionen Mark Wegen der Koks-Affäre wird Christoph Daum womöglich kassieren können. Im Kern heißt das: Ohne die Klitschkos sinkt die Güte – und mithin vor Gericht gestellt. Zeugen sagen, auch die Rendite. er habe versucht,