FORSCHUNGEN ZUR DDR-GESELLSCHAFT Hans-Joachim DoÈ ring »Es geht um unsere Existenz«

Hans-Joachim DoÈ ring »Es geht um unsere Existenz« Die Politik der DDR gegenuÈ ber der Dritten Welt am Beispiel von Mosambik und AÈ thiopien

Ch. Links Verlag, FuÈ r Therese

Die Drucklegung erfolgte mit finanzieller UnterstuÈ tzung durch die Stiftung zur Aufarbei- tung der SED-Diktatur und die Stiftung Nord-SuÈ d-BruÈ cken.

Die Deutsche Bibliothek ± CIP-Einheitsaufnahme DoÈ ring, Hans-Joachim: »Es geht um unsere Existenz« : Die Politik der DDR gegenuÈ ber der Dritten Welt am Beispiel von Mosambik und AÈ thiopien / Hans-Joachim DoÈ ring. ± 1. Aufl. ± Berlin : Links, 1999 ISBN 3-86153-185-2

1. Auflage, Oktober 1999 # Christoph Links Verlag ± LinksDruck GmbH Zehdenicker Straûe 1, 10119 Berlin, Tel. ?030) 44 02 32-0 Internet: www.linksverlag.de Umschlaggestaltung: KahaneDesign, Berlin Lektorat: Uta RuÈ chel Satz: SATZFABRIK 1035, Berlin Schrift: Times Druck und Bindung: WB-Druck, Rieden am Forggensee ISBN 3-86153-185-2 Inhalt

Vorwort 9 1 Die Rahmenbedingungen der Afrikapolitik der DDR 21 1.1 Das Ringen um internationale Anerkennung 21 1.2 Politische VeraÈ nderungen in den 70er Jahren 23 1.3 Zum VerstaÈ ndnis von Auûenpolitik und Auûenwirt- schaftspolitik der DDR 31 1.3.1 Die Transformationslehre 36 1.3.2 Zum SelbstverstaÈ ndnis der DDR bezuÈ glich ihres Auûenhandels mit EntwicklungslaÈ ndern 37 1.4 Zur entwicklungspolitischen Einordnung der Afrikapolitik der DDR 41 2 Die institutionelle und personelle Verankerung der SuÈ dpolitik der DDR 44 2.1 Die Kommission EntwicklungslaÈ nder des PolitbuÈ ros des ZK der SED 44 2.2 Zur wirtschaftlichen Lage der DDR 1976/77 oder: »Dann waÈ ren die BeschluÈ sse des VIII. Parteitages falsch ...« 50 2.3 Die Reisen im ersten Halbjahr 1977 57 2.4 Der Brief vom 6. Juli 1977 oder: »Auûer uns kennt diesen Brief niemand« 59 2.5 Die Reisen im zweiten Halbjahr 1977 oder: Der rote Teppich bleibt heute liegen 60 2.6 Werner Lamberz, die DDR und die libysche Volksjamahiriya 61 2.7 Zur Arbeitsweise der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder 69 2.8 Das Drittlandabkommen DDR±Libyen±Entwick- lungslaÈ nder 74 2.8.1 Begleitende GespraÈ che der MilitaÈ rs 77 2.8.2 Zur Umsetzung des »Drittlandabkommens« 78 2.9 Der Tod von Werner Lamberz 82

5 3 Zur Bedeutung des Bereiches Kommerzielle Koordi- nierung in den Beziehungen zu ausgewaÈ hlten Entwick- lungslaÈ ndern 87 3.1 Alexander Schalck-Golodkowski und der erste Tagesordnungspunkt der Kommission fuÈ r Entwick- lungslaÈ nder 87 3.2 Die Aufgaben der Sonderbeauftragten 92 3.3 Der Sonderbeauftragte fuÈ r Mosambik 94 3.4 Funktion und Arbeitsweise der Afrikaabteilung des Bereiches Kommerzielle Koordinierung 97 4 Die Beziehungen der DDR zu AÈ thiopien 103 4.1 Die Beziehungen in den Jahren 1973 bis 1978 103 4.1.1 Die Phasen des Machtwechsels bis zum Februar 1977 103 4.1.2 Die Kaffeeabkommen und die Exportoffensive oder: »Stark wuÈ rzig, fruchtig und teilweise unrein« 114 4.1.3 Der Schuldenabbau der DDR gegenuÈ ber AÈ thiopien Ende der 70er Jahre 123 4.2 Die Zusammenarbeit bis 1989 129 4.2.1 Der Abschluû des Vertrages uÈ ber Freundschaft und Zusammenarbeit im November 1979 129 4.2.2 Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen in den 80er Jahren 133 4.3 Zum Auûenhandel DDR±AÈ thiopien 137 4.4 Expertenentsendung und Ausbildungsleistungen 140 5 Zur Zusammenarbeit mit Mosambik 142 5.1 Von den AnfaÈ ngen bis zum Jahr 1977 143 5.1.1 Das »Sofortprogramm« vom 13. September 1977 154 5.2 Die Abkommen der DDR mit Mosambik 156 5.3 Zur Reise Erich Honeckers nach Mosambik im Februar 1979 158 5.3.1 Exkurs: Landwirtschaftliche Groûprojekte 165 5.4 Zur Zusammenarbeit 1980 bis 1989 171 5.5 Das Engagement der DDR im Steinkohlerevier von Moatize, Provinz Tete 184 5.5.1 Zur Geschichte des Steinkohlereviers Moatize und den AnfaÈ ngen des Engagements der DDR 184 5.5.2 Die gemeinsame Leitung des Betriebes 188 5.5.3 Der Maûnahmeplan 191 5.5.4 Groûe PlaÈ ne und fruÈ hzeitige Schwierigkeiten 193 5.5.5 Wachsende Schwierigkeiten seit 1982 197 5.5.6 Zum Alltag in Moatize 201 5.5.6.1 Zur Rolle des SolidaritaÈ tskomitees in Moatize 204 5.5.6.2 Exkurs: SolidaritaÈ tskomitee der DDR 206 5.5.6.3 Die Sicherheit der BuÈ rger der DDR und ihr VerhaÈ ltnis zur mosambikanischen BevoÈ lkerung in Moatize 213 5.6 Exkurs: Gold 217 5.7 Zum Einsatz von BuÈ rgern der DDR in Mosambik als Experten und Spezialisten 219 5.8 Zur TaÈ tigkeit des Ministeriums fuÈ r Staatssicherheit in Mosambik 224 5.9 Die mosambikanischen Vertragsarbeitnehmer als VerrechnungsgroÈ ûe innerhalb der oÈ konomischen Beziehungen 230 5.10 Der Auûenhandel der DDR mit Mosambik 239 5.10.1 Die UmsaÈ tze im Auûenhandel DDR±Mosambik 241 5.11 Exkurs: Die EntwicklungslaÈ nder in der Auûenhandelsstatistik der DDR 243 6 Hilfeleistung und Verschuldung 246 6.1 Zu den Hilfeleistungen der DDR gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern 246 6.2 Die Ex-DDR-Forderungen gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern 253

Anhang GespraÈ ch mit Prof. Dr. Helmut Matthes 261 GespraÈ ch mit Dr. Friedel Trappen 280 Verzeichnis der Dokumente 305 Verwendete und weiterfuÈ hrende Literatur 330 Verzeichnis der AbkuÈ rzungen 348 Angaben zum Autor 352 Verzeichnis der Abbildungen 352

Vorwort

Praktizierte internationale SolidaritaÈ t galt als eines der herausragenden Kenn- zeichen der DDR. In nicht wenigen LaÈ ndern Afrikas, Asiens und Lateiname- rikas verfuÈ gten die KuÈ rzel »GDR« oder »RDA« uÈ ber einen guten Ruf. Neben den verschiedenen SolidaritaÈ tsbewegungen erkannten auch Teile der westli- chen OÈ ffentlichkeit die UnterstuÈ tzung der progressiven Befreiungsbewegun- gen als ein hervorzuhebendes Merkmal der DDR an. Die BevoÈ lkerung in der DDR beteiligte sich im eingeraÈ umten Rahmen mehr oder weniger am Kampf um Gerechtigkeit. Trotz vorgegebener Ver- pflichtung: SolidaritaÈ t war weithin Herzenssache. Der nicht nur in den Me- dien der DDR breit herausgestellte Beistand der Befreiungsbewegungen beruÈ hrte das Verlangen vieler BuÈ rger der DDR nach sozialem und oÈ konomi- schem Ausgleich weltweit. Zudem ermoÈ glichte die tatsaÈ chlich geleistete bzw. propagierte UnterstuÈ tzung fuÈ r befreite VoÈ lker das GefuÈ hl, auf der richtigen Seite der historischen Entwicklung zu stehen. Internationale SolidaritaÈ t stellte einen gewichtigen Bestandteil des identitaÈ tsstiftenden Geflechtes in der DDR dar. Jedenfalls gingen viele BuÈ rgerinnen und BuÈ rger der DDR davon aus, keine Nutznieûer ungerechter, globaler WirtschaftskreislaÈ ufe zu sein. Eher sa- hen sich die BuÈ rger der DDR im Weltwirtschaftsgetriebe als Benachteiligte und somit Seite an Seite mit den EntwicklungslaÈ ndern. Insofern verfuÈ gte die DDR-FuÈ hrung in bezug auf ihre SuÈ dpolitik eine gewisse Zeit uÈ ber Kredit bei der BevoÈ lkerung, oftmals gepaart mit einem Unbehagen ob der ideologisch verengten Sichtweise dieses an sich guten und richtigen Engagements. Monat- liches Kleben von SolidaritaÈ tsmarken in den volkseigenen Betrieben der DDR hielt diese Unsicherheit in der Beurteilung latent wach bzw. befoÈ rderte sie noch, da keine ausreichenden Informationen uÈ ber die Verwendung der ge- spendeten Gelder zu bekommen waren. Wurde auch in den 70er Jahren nicht mehr »Ho, Ho, Ho Chi Minh« bei den feiertaÈ glichen AufmaÈ rschen entlang der TribuÈ nen der ParteifuÈ hrung in Ostberlin skandiert, so riefen doch die zahlreichen Studenten und GaÈ ste aus der Dritten Welt gemeinsam mit der Partei- und StaatsfuÈ hrung und der mit- schreitenden BevoÈ lkerung: »Hoch die Internationale SolidaritaÈ t!« Das war zu der Zeit, als der Afrikanische Nationalkongreû 9ANC) von SuÈ dafrika, auch damals schon unter der Leitung von Nelson Mandela, in Westdeutschland noch als terroristische Organisation eingestuft wurde. Im Gegensatz dazu konnte der ANC in Ostberlin eine diplomatische Vertretung unterhalten, wenn auch mit eingeschraÈ nktem Status. Mit der weltweiten diplomatischen Anerkennung der DDR in der ersten HaÈ lfte der 70er Jahre intensivierten sich auch die Kontakte zu bislang fernen LaÈ ndern. Die internationale BestaÈ tigung der staatlichen Existenz der DDR

9 empfanden weite Teile der BevoÈ lkerung zwischen Suhl und Saûnitz als Ge- nugtuung und als Ende eines paradoxen Zustandes: der politischen Miûach- tung des Staates, in dem sie lebten. Ein als natuÈ rlich und gegeben angesehener Zustand war endlich formal anerkannt. Zahlreiche EntwicklungslaÈ nder hatten diese Anerkennungswelle mitgetragen, auch deshalb stand man ihnen in der DDR weitgehend positivgegenuÈ ber. DDR-Leistungssportler, als Diplomaten in den internationalen Sportarenen, und »Botschafter im Blauhemd«, wie die Mitglieder der FDJ-Arbeitsbrigaden in EntwicklungslaÈ ndern genannt wur- den, bemuÈ hten sich fortan in ihren Einsatzorten, von Fortschritt und Wohl- stand in der DDR zu kuÈ nden. In dieser Zeit fallen zwei Ereignisse zufaÈ llig auf einen Tag, den 12. Septem- ber 1974: In Lissabon wurde durch die neue MilitaÈ rregierung die AufloÈ sung des portugiesischen UÈ berseereiches und damit die staatliche UnabhaÈ ngigkeit der letzten Groûkolonien der Erde, Angola und Mosambik, beschlossen, und in Addis Abeba entmachteten junge MilitaÈ rs den aÈ thiopischen Kaiser Haile Selassie. Sie fuÈ hrten das Land am Horn von Afrika in eine Revolution. Diese drei afrikanischen LaÈ nder sollten in den folgenden Jahren viele Gemeinsam- keiten in ihrer Entwicklung und in den Beziehungen zur DDR aufweisen. 1977 startete die DDR eine oÈ konomische Exportoffensive gegenuÈ ber den »ausgewaÈ hlten und befreundeten afrikanischen Staaten«, wie ein feststehender Terminus AÈ thiopien, Angola und Mosambik zusammenklammerte. Sie sollte mit dazu beitragen, den immer drastischer ansteigenden Devisenmangel der DDR zu verringern. Durch ein umfangreiches Geflecht von diplomatischen Vereinbarungen band sich die DDR an diese LaÈ nder. Mit dem Unterzeichnen der VertraÈ ge uÈ ber »Freundschaft und Zusammenarbeit« im Jahre 1979 fanden diese auûenpolitischen und oÈ konomischen Kraftanstrengungen einen fruÈ hen HoÈ hepunkt, der in den folgenden Jahren nicht mehr uÈ berboten werden konnte. Gleichzeitig gab es immer wieder westliche Meldungen und Publikationen, die uÈ ber zweifelhafte AktivitaÈ ten der DDR in einigen EntwicklungslaÈ ndern berichteten. Sie bezeichneten unter anderem die DDR als die Faust Moskaus in Afrika und wuûten von ihrer militaÈ rischen PraÈ senz auf dem schwarzen Kontinent in Form eines »Honecker-Corps« zu erzaÈ hlen. Oft hatten diese AuskuÈ nfte einen eigenartigen Ton. Er war weniger von der Sorge um die Menschen in den jungen Staaten bestimmt, als vielmehr von der Wehmut um verflossene Gebiete und mangelnden Einfluû. Auch wenn diese Berichte in der DDR nicht breit rezipiert werden konnten, trugen sie doch zur weiteren Unsicherheit bei der Beurteilung der SuÈ dpolitik der DDR-FuÈ hrung in Ost und West bei.

In der vorliegenden Studie versuche ich, einen Beitrag zum VerstaÈ ndnis der Politik der DDR-FuÈ hrung gegenuÈ ber der Dritten Welt zu leisten. Entspre- chend ihrer Dominanz in den Beziehungen und ihren bis heute spuÈ rbaren Fol- gen lege ich besonderes Augenmerk auf die Auûenwirtschaftsbeziehungen. Die Politik gegenuÈ ber Afrika ist von den zentralen Stellen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands 9SED) aus vorbereitet, entschieden und angelei-

10 tet worden, meist im Sekretariat des Zentralkomitees 9ZK) der SED und dem PolitbuÈ ro des ZK der SED. Exemplarisch wurden die Beziehungen zu AÈ thio- pien und Mosambik untersucht. Dabei konzentriere ich mich auf die entschei- denden Jahre 1977 und 1978. Nur eingeschraÈ nkt koÈ nnen Aussagen dieser Studie auf die Interessen und den Charakter der Beziehungen der DDR zu anderen SchwerpunktlaÈ ndern in der Dritten Welt uÈ bertragen werden. Insbesondere gilt dies fuÈ r die als sozialistische Staaten eingestuften LaÈ nder, die zum Teil Mitglieder des Rates fuÈ r Gegenseitige Wirtschaftshilfe 9RGW) waren, wie Kuba, die Mongolei, Vietnam, Laos und Kambodscha. Trotzdem sind Vergleiche moÈ glich und Parallelen zu entdecken. Grundlegende Unter- schiede ergeben sich durch die Zuordnung von AÈ thiopien und Mosambik zum »HartwaÈ hrungsgebiet« bzw. zum »Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet« 9NSW).

Bei einer ersten Literatursichtung stellte ich fuÈ r mich unerwartet fest, daû ± obwohl die einschneidenden politischen VeraÈ nderungen fuÈ r die Schwerpunkt- laÈ nder der DDR in Afrika um das Jahr 1975 lagen ± die intensiven Beziehun- gen zu diesen LaÈ ndern erst im Sommer 1977 einsetzten. Diese wurden dann um so ploÈ tzlicher und mit groûer Hektik aufgebaut. Als Ursache dafuÈ r stellte sich die Instrumentalisierung der Beziehungen der DDR zu AÈ thiopien und Mosambik in einer Exportoffensive zur Abwehr der schon 1977 sichtbaren massiven ZahlungsunfaÈ higkeit der DDR heraus. Mit der Kontrolle und Steuerung dieser Beziehungen wurde der Bereich Kommerzielle Koordinie- rung 9KoKo), formal im Auûenhandelsministerium angesiedelt, beauftragt.

Das erste Kapitel der Studie befaût sich mit den politischen VerhaÈ ltnissen zu Beginn der 70er Jahre, als die DDR in weiten Teilen der Welt Bekanntheit er- reichen konnte und internationale Anerkennung erfuhr. In diesem Kontext wird auch auf den theoretischen und ideologischen Rahmen einer marxi- stisch-leninistischen Auûen- und Auûenwirtschaftspolitik kurz eingegangen. Das zweite Kapitel beschreibt die erste gravierende oÈ konomische Krise der DDR in der Honecker-AÈ ra und den Versuch, diese unter anderem mit einer »Exportoffensive EntwicklungslaÈ nder« zu meistern. Im Zusammenhang mit der sich androhenden ZahlungsunfaÈ higkeit der DDR und dem Engagement am Horn von Afrika setzte eine zum Teil abenteuerliche Reisediplomatie ein, als deren Hauptakteur PolitbuÈ romitglied Werner Lamberz anzusehen ist. Do- kumentiert werden erstmals die GruÈ nde der Einsetzung einer »Kommission zur Koordinierung der oÈ konomischen, kulturellen, wissenschaftlich-techni- schen und der TaÈ tigkeit im nichtzivilen Bereich in den LaÈ ndern Asiens, Afri- kas und des arabischen Raumes« durch das PolitbuÈ ro der SED im Dezember 1977 unter Leitung von SED-WirtschaftssekretaÈ rGuÈ nter Mittag. Die fruÈ he und akute oÈ konomische Krise der DDR und die Arbeit der sogenannten Mit- tag-Kommission praÈ gten bis 1989 die Afrikapolitik der DDR. Dabei erfuÈ llten geheime VertraÈ ge der DDR mit Oberst Muamar al Gaddafi aus Libyen uÈ ber das gemeinsame Vorgehen in Afrika ihre Versprechen nicht.

11 Die bisher nicht beschriebenen Verbindungen zwischen der Auûenhandels- offensive gegenuÈ ber den EntwicklungslaÈ ndern, repraÈ sentiert durch die Kom- mission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder, und Alexander Schalck-Golodkowski als Chef des Bereiches Kommerzielle Koordinierung sind Thema des dritten Ka- pitels. Im Vollzug der intern beschlossenen Maûnahmen zur Abwehr der aku- ten Zahlungsbilanzschwierigkeiten wurde Alexander Schalck mit der Anlei- tung, Koordinierung und UÈ berwachung der oÈ konomischen Beziehungen zu AÈ thiopien, Mosambik und Angola betraut. Die Beauftragung erfolgte durch den engsten FuÈ hrungszirkel von Partei und Staat. Anhand zahlreicher Doku- mente wird nachvollziehbar, wie stark die Anleitung durch KoKo diese in der OÈ ffentlichkeit als solidarisch dargestellten Beziehungen praÈ gte. Je ein weiteres Kapitel beschaÈ ftigt sich mit AÈ thiopien und mit Mosambik. FuÈ rAÈ thiopien ist kennzeichnend, daû der Startschuû fuÈ r die besonders engen Beziehungen mit der Machtergreifung von Mengistu Haile Mariam erfolgte. In dieser fruÈ hen Phase revolutionaÈ rer, terroristischer und kriegerischer Wirren vermischte sich der Waffenhandel mit auûerplanmaÈ ûigen Lieferungen aÈ thio- pischen Rohkaffees an die DDR. Am Beispiel der »Kaffeekrise« der DDR wird versucht, die EntscheidungsablaÈ ufe des SED- und Staatsapparates waÈ h- rend einer besonderen Krisensituation darzustellen und die VerknuÈ pfungen der DDR-Afrikapolitik mit Welthandel, DDR-Binnenwirtschaft und interna- tionalen Konfliktherden, so dem Ogadenkrieg 1977/1978 und der Eritrea- Frage, zu rekonstruieren. Die intensivsten Verbindungen und Kontakte zu einem Staat der Dritten Welt unterhielt die DDR mit Mosambik. Zeitweise arbeiteten und lebten bis zu 1200 BuÈ rger der DDR in diesem Land am Indischen Ozean. UÈ ber 80 Ver- traÈ ge sollten moÈ glichst alle Belange regeln. Bei der Beschreibung der Beziehungen zu Mosambik steht die DurchfuÈ h- rung des Sofortprogrammes aus dem Herbst 1977 im Vordergrund. Das Sofortprogramm verfolgte das Ziel, die Steinkohlengruben in der Pro- vinz Tete aufzubauen und zugunsten der DDR auszunutzen. Die Kohlengru- ben waren das groÈ ûte Auslandsvorhaben der DDR. Soweit das fuÈ r einen Auûenstehenden moÈ glich ist, wird auf den Alltag in diesem Groûprojekt der DDR ebenso eingegangen wie auf die Arbeit des SolidaritaÈ tskomitees der DDR und des Ministeriums fuÈ r Staatssicherheit in Mosambik. Den mosambi- kanischen Vertragsarbeitern in den inlaÈ ndischen Betrieben maû die DDR- FuÈ hrung eine entscheidende Rolle beim Abbau der AuûenhandelsuÈ berschuÈ sse bei. Sie wurden darum seit 1986 verstaÈ rkt in Betrieben der DDR eingesetzt. Es wird versucht, einige ZusammenhaÈ nge zu rekonstruieren. Die DDR hatte in bezug auf ihren »Westhandel« besonders groûe Defizite zu verbuchen. Aus dem Handel mit EntwicklungslaÈ ndern erzielte sie UÈ berschuÈ sse. Diese »Ex- DDR-Forderungen« gingen durch die deutsche Vereinigung auf die Bundes- republik uÈ ber. GegenuÈ ber besonders hoch verschuldeten und besonders ar- men EntwicklungslaÈ ndern 9HIPC-LaÈ nder) haÈ lt die Bundesrepublik derzeit ca. 1,3 Milliarden DM Forderungen aus der DDR aufrecht. Davon beruhen uÈ ber 1,2 Milliarden DM auf der HandelstaÈ tigkeit des Bereiches Kommerzielle

12 Koordinierung und gehen in ihrem Ursprung auf die in der Studie beschriebe- ne Exportoffensive zuruÈ ck.

Der Titel der Studie »Es geht um unsere Existenz« wurde bei Alexander Schalck-Golodkowski ausgeborgt. Er ist einem vertraulich wiedergegebenen Kurzdialog entnommen. Mosambik aÈ uûerte 1982 die Bitte, militaÈ risches Ge- raÈ tfuÈ r den Kampf gegen die staÈ rker operierenden RENAMO-Einheiten ko- stenlos erhalten zu koÈ nnen. Schalck lehnte ab und wird mit dem Satz zitiert: »Es geht primaÈ r um die Existenz der DDR.« Das Schalck-Zitat fuÈ hrt in die Mitte der BeweggruÈ nde der Ausweitung der Afrikapolitik der DDR-FuÈ hrung im Jahre 1977. Die FuÈ hrung der SED sah schon fruÈ hzeitig den Bestand der DDR als gefaÈ hrdet an. Und Existenzsorgen ± auch der ehemaligen DDR ± verdienen es, ernst genommen zu werden. Zu- mal eine drohende ZahlungsunfaÈ higkeit der DDR und ihre moÈ glicherweise darauf folgende AufloÈ sung an der Nahtstelle zweier konkurrierender Systeme mitten in Europa schwer planbare Folgen fuÈ r StabilitaÈ t und Frieden haÈ tte ha- ben koÈ nnen. Zudem sind die Eigeninteressen eines Staates durchaus legitim und deren Wahrung eines der vorderen Aufgaben der Auûen- und Auûenwirt- schaftspolitik. Die SED-FuÈ hrung meinte, eigene Interessen mit den Interessen ausgewaÈ hlter EntwicklungslaÈ nder besonders gut zum gegenseitigen Vorteil verbinden zu koÈ nnen. Die weltpolitische Situation in der zweiten HaÈ lfte der 70er Jahre befluÈ gelte die Phantasie und lieû Groûprojekte entstehen. Die Er- wartungen wurden von beiden Seiten hochgeschraubt. In den intensivierten SuÈ dbeziehungen trafen Partner mit ungleichen Existenzsorgen aufeinander. Der eine Partner ± die DDR ± gab vor, helfen zu wollen und zu koÈ nnen. Im- merhin zaÈ hlte sie sich zu den wichtigen und erfolgreichen Industriestaaten der Erde. Bei den anderen Partnern ± den EntwicklungslaÈ ndern ± lebten die Men- schen weiterhin in existentieller Not. In den Sorgen um die jeweils eigene Exi- stenz zeigt sich NaÈ he und Distanz, BruÈ derlichkeit und Fremdheit dieser Not- gemeinschaften, die vorgaben bzw. hofften, SiegesbuÈ nde sein zu koÈ nnen.

Bei der Erarbeitung der Studie stuÈ tzte ich mich neben verfuÈ gbarer Literatur auf Archivmaterial und auf GespraÈ che mit Verantwortlichen der SuÈ dpolitik der DDR sowie auf Material des Schalck-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages. Es wurden Unterlagen aus folgenden Archiven herangezogen: »Stiftung Archive der Parteien und Massenorganisationen der DDR« im BundesarchivBerlin-Zehlendorf fuÈ r die Unterlagen aus dem Sekretariat des PolitbuÈ ros sowie der BuÈ ros der PolitbuÈ romitglieder GuÈ nter Mittag und Wer- ner Lamberz; dem BundesarchivBerlin-Zehlendorf fuÈ r Akten aus dem Staats- apparat, zum Beispiel der »Mittag-Kommission«, deren Sekretariat in der »Staatlichen Plankommission der DDR« angesiedelt war; dem Zentralarchiv des Bundesbeauftragten fuÈ r die Unterlagen des Ministeriums fuÈ r Staatssicher- heit in Berlin; dem Bundesarchiv, Auûenstelle Coswig fuÈ r die BestaÈ nde des Bereiches Kommerzielle Koordinierung, Abteilung Handelspolitik; dem Bun- desarchiv, Auûenstelle Dahlwitz-Hoppegarten fuÈ r Akten des SolidaritaÈ tsko-

13 mitees der DDR; dem Politischen Archivdes AuswaÈ rtigen Amtes, Auûenstelle Berlin. Hier wurden nur Kopien von Vertragstexten vorgelegt, weitere Unter- lagen verweigert und diese Verweigerung mit einer Sperrfrist von 30 Jahren begruÈ ndet.1 Zudem wurden, allerdings nur in sehr geringem Maûe, das Bun- desarchiv± MilitaÈ rarchiv± in Freiburg sowie das Evangelische Zentralarchiv, Auûenstelle Berlin, und das Hauptarchivdes Diakonischen Werkes in Berlin aufgesucht. Aufgrund der fuÈ r den Gegenstand der Studie beschraÈ nkten zeitlichen und materiellen Ressourcen, die zur VerfuÈ gung standen, konnte die Akteneinsicht nur in Stichproben erfolgen. Von daher konnten nicht alle offenen Fragen be- antwortet werden. Die verbliebenen LuÈ cken beduÈ rfen weiterer Nachforschung und Aufarbeitung. Schon vor dem Beginn der Arbeit war mir bewuût, daû Akten, zumal die des MfS, aber auch die aus dem Bereich der Partei- und StaatsfuÈ hrung, die relevanten Sachverhalte nur begrenzt abbilden koÈ nnen. Zum Beispiel muû in dieser Studie leider ± bis auf die Steinkohlegrube Moatize ± auf die Darstel- lung der konkreten Arbeit in den Projekten vor Ort verzichtet werden. Gleich- zeitig sind diese Unterlagen als die wesentlichen Grundlagen unverzichtbar, da weite Teile der Themen, die hier zu bearbeiten waren, zu Zeiten der DDR konsequent geheimgehalten wurden. So manche ZusammenhaÈ nge haben den Kreis der damals direkt damit Vertrauten bis heute kaum verlassen. Die zentralistischen Informations- und Entscheidungssysteme der DDR lie- ûen in der Regel keinen Platz fuÈ r differenzierte SacheroÈ rterungen und abwaÈ - gende Berichte. Trotz einigen BemuÈ hens konnte die Ebene, auf der Projekte oder Handelsvorhaben entwickelt und eroÈ rtert wurden, nicht nachvollzogen werden. In keiner der Unterlagen fanden sich Anfragen im Original von afri- kanischen Partnern. Auch Mitschriften von sogenannten Vier-Augen-GespraÈ - chen werden nicht frei von Interpretation sein. Eine weitere Schwierigkeit war, daû die Beschluûvorlagen meist Vorhaben und Planungen behandeln. Ganz selten waren Zwischen- oder Ergebnisberichte fruÈ her beschlossener Vor- haben zu finden, die einen realen Ablauf wiedergeben. Diese LuÈ cke schlossen zum Teil die Unterlagen des MfS, Hauptabteilung XVII »Sicherung der Volkswirtschaft«. Hier fanden sich gelegentlich Berichte aus den Verwirkli- chungsphasen. Aber auch in diesen BestaÈ nden wirken die systemeigenen Vor- gaÈ nge der informellen Berichterstattung nach: In der Regel wurden nur MaÈ n- gel weitergemeldet und EinschaÈ tzungen uÈ ber im Sinne des MfS gefaÈ hrdete oder kritische Sachverhalte gegeben. Zudem sind die Kriterien fuÈ r die Aus- wahl der weitergegebenen Informationen nur bedingt bekannt. Erfolge oder der eher normale Alltag der DDR-BuÈ rger in den Projekten in Afrika waren keine Meldungen wert und sind also in der Regel nicht abgebil- det worden. Das heiût nicht, daû es das nicht gegeben hat. Es laÈ ût sich nur nicht zitieren. Hier wie an weiteren Stellen beduÈ rfen die Erkenntnisse der Stu-

1 Dies ist insofern unverstaÈ ndlich und aÈ rgerlich, da wenigstens fuÈ r die Beziehungen DDR± AÈ thiopien gelten kann: beide vermeintlich noch schutzwuÈ rdigen Regime sind durch die Geschichte und die VoÈ lker vertrieben und abgewaÈ hlt worden.

14 die der ErgaÈ nzung. Vermeintliche NormalitaÈ t war kein Meldegut und kein Gegenstand fuÈ r »Sicherungs- und Beschluûmaûnahmen«. Trotzdem luÈ gen die Akten nicht oder hoÈ chst selten und geben die wichtigsten ZusammenhaÈ nge wieder. FruÈ hzeitig wurde das GespraÈ ch mit einigen Praktikern und Verantwortli- chen der Afrikapolitik gesucht. Diese erste Phase erwies sich als schwierig und unbefriedigend. Vielleicht lag es an meinen Fragen. Vielleicht spuÈ rten die Ge- spraÈ chspartner die bei mir zu diesem Zeitpunkt noch offensichtlichen LuÈ cken im Wissen uÈ ber das Wirrwarr der Kompetenzen und UnterstellungsverhaÈ lt- nisse in der Afrikapolitik der DDR. Nachdem die Textfassung der Studie in den GrundzuÈ gen abgeschlossen war, wurde ein erneuter Anlauf unternom- men. Gut ein Viertel der angeschrieben PersoÈ nlichkeiten war zu GespraÈ chen bereit. Das gemeinsame Abstimmen uÈ ber die Druckfassung erwies sich als spannender Prozeû. Zwei der GespraÈ chstexte sind in den Anhang aufgenom- men worden. Nur wenige GespraÈ chspartner wollten letztlich ihre Einwilligung zum Abdruck der uÈ berarbeiteten Schriftfassungen der GespraÈ che geben. Ein GespraÈ chspartner schrieb: »Nicht, daû das Interview Unwahrheiten enthaÈ lt, aber so darf ich das nicht sagen und keinesfalls schreiben. Ich bin deshalb sehr boÈ se dran mit mir selbst. Ich gleiche dem Vogel, der sein eigenes Nest be- schmutzt. Also respektieren Sie meine Bitte und vergessen Sie das Interview.« Die Studie moÈ chte dazu beitragen, daû der Austausch naÈ her liegt als das Ver- gessen. Sie versteht sich als GespraÈ chsangebot. Bei allen bisherigen Ge- spraÈ chspartnern ± gleich ob die Abschriften in die Studie aufgenommen wer- den konnten oder nicht ± moÈ chte ich mich bedanken.

Die Studie will, obwohl sie auch Material des ehemaligen Ministeriums fuÈ r Staatssicherheit verwendet, nicht den Eindruck erwecken, die Afrikapolitik der DDR wurde von diesem Ministerium gesteuert. Dies kaÈ me einer weiteren Mystifizierung gleich. Das MfS erfuÈ llte sowohl in Afrika als auch in der An- leitung und Kontrolle der Wirtschaftsbeziehungen, bei aller Eigendynamik groûer Apparate »im Frontkampf«, vor allem von der ParteifuÈ hrung zugewie- sene Aufgaben. Ich kann der Klage eines ehemaligen hauptamtlichen Mitar- beiters der Staatssicherheit ein gewisses VerstaÈ ndnis entgegenbringen, der in Richtung »Aufarbeitungsforschung« sagte: »Warum beiût ihr nur den Stock und nicht die Hand, die ihn fuÈ hrte.« Die Studie bemuÈ ht sich, die Motivation und wichtigsten BeweggruÈ nde der ParteifuÈ hrung, deren SachzwaÈ nge und ihre Entscheidungen darzustellen. Da- bei lieû ich mich vom oÈ ffentlichen Interesse leiten, das sich auf die Beziehun- gen zwischen Staaten und VoÈ lkern richtet.

Auf weitere eher grundsaÈ tzliche Probleme soll kurz hingewiesen werden, da bei der Betrachtung von VorgaÈ ngen in der ehemaligen DDR immer ein be- wuûter oder unbewuûter Ost-West-Vergleich stattfindet. So auch in der Au- ûenwirtschaft. Durch die getrennten WaÈ hrungs- und Rechtssysteme war die Praxis sehr verschieden.

15 Manager westlicher Handelsfirmen verfuÈ gten im Normalfall uÈ ber bedeu- tend groÈ ûere SpielraÈ ume als ihre oÈ stlichen Kollegen. Sie fanden kein ver- gleichbares Korsett vor. Die Konvertierbarkeit ihrer WaÈ hrungen sicherte den weiten Handlungsraum in der Weltmarktwirtschaft. Im normalen sozialisti- schen Auûenhandel ging es beengter zu. Trotzdem: Die oÈ stliche Planwirtschaft verstand sich als Alternative zur Marktwirtschaft. Ein zentralistisch regiertes Staatshandelsland ± wie die DDR ± praktizierte offiziell nicht die Trennung von oÈ ffentlichen und privaten Bereichen. Ein westliches Wirtschaftssystem unterscheidet in der SuÈ dkooperation privaten Handel und oÈ ffentliche Entwicklungszusammenarbeit. Die Trennungslinie laÈ uft »klassisch« zwischen Gewinnorientierung und sozialer Verpflichtung. Dabei gibt es flieûende UÈ bergaÈ nge. FuÈ r die sozialen Verpflichtungen traÈ gt im westlichen System die oÈ ffentliche Hand mittels der verschiedenen Formen der Entwicklungszusammenarbeit die Verantwortung. Sie hat dabei mitunter eine Alibifunktion. Eine Verpflich- tung zu ethischem Handeln wird von einem AuûenhaÈ ndler a priori nicht er- wartet. Er kann mit weitgehender oÈ ffentlicher Billigung »graue Bereiche« nut- zen. Der sogenannte sozialistische Auûenhandel mit EntwicklungslaÈ ndern un- terlag dagegen offiziell dem theoretisch selbst entworfenen Ziel des langfristi- gen sozialen Ausgleichs. Propagiert wurde die Interessengleichheit zwischen EntwicklungslaÈ ndern und StaatshandelslaÈ ndern. Diese Gleichheit wurde als strategisches FortschrittsbuÈ ndnis und als Zukunftsgarantie herausgestellt. Die AttraktivitaÈ t der sozialistischen Staaten beruhte fuÈ r einige Regierungen der Dritten Welt unter anderem auf ihrer Aussage, eine Alternative zum westli- chen Wirtschaftsmodell sein zu koÈ nnen. Dies war verbunden mit dem Ver- sprechen der FuÈ hrungen der oÈ stlichen Staatengemeinschaft, den gegenseitigen Vorteil zu suchen und Gewinnmitnahmen zu vermeiden. Eine Auûenwirt- schaft neuer QualitaÈ t sollte dies gewaÈ hrleisten. »Handel statt Hilfe« war das Motto. Mit »Handel statt Hilfe« war ein hoher ideologischer und auch ethischer Anspruch formuliert. Schon beim ersten groÈ ûeren Gegenwind wurde der pro- pagierte Gegenentwurf kurzfristig uÈ ber Bord geworfen. Signifikanter Aus- druck fuÈ r diesen »Systemwechsel innerhalb des Systems« in der DDR war die Beauftragung des Wirtschaftsunternehmens KoKo mit der Pflege der Bezie- hungen zu den afrikanischen LaÈ ndern. DafuÈ r wurde es mit staatsmonopolisti- schen Vollmachten ausgestattet. KoKo sollte im Auftrag der FuÈ hrung der SED auf dem Weltmarkt fuÈ r die DDR agieren und: »Es machen, wie die im Westen!« Mehrmals gaben GespraÈ chspartner diese ErklaÈ rung fuÈ r die Mission von KoKo. Es vermischten sich in der DDR Privates und OÈ ffentliches, OÈ ko- nomie und Politik auf eine andere als die verkuÈ ndete Weise und wurden zu einer speziellen Einheit zusammengefuÈ gt. Die Einsicht in staatliche Archive der ehemaligen DDR macht es jetzt moÈ glich, in einige »private«, also ge- schaÈ ftliche AblaÈ ufe von KoKo und der SuÈ dkooperation der SED und DDR zu schauen. Die Archive westlicher Konzerne und Staaten sind in der Regel

16 fuÈ r die OÈ ffentlichkeit nicht zugaÈ nglich. Trotzdem haben engagierte Wissen- schaftler und Journalisten gelegentlich uÈ ber Machenschaften westlicher Ge- schaÈ ftsleute und transnationaler Konzerne in EntwicklungslaÈ ndern recher- chiert und berichtet.

Die vorliegende Studie versteht sich in der »Tradition« einer kritischen Be- trachtung staatlicher und nichtstaatlicher entwicklungspolitischer Zusammen- arbeit. Seit den ErschuÈ tterungen der Studentenunruhen 1968 und ihrem Bezug auf die LaÈ nder und VoÈ lker in der sogenannten Dritten Welt gab es eine konti- nuierliche und fundiert kritische Begleitung der Auûen-, Auûenwirtschafts- und Entwicklungspolitik westlicher Staaten durch die entwicklungspolitisch interessierte OÈ ffentlichkeit, nicht zuletzt auch in der Bundesrepublik. Die Kri- tik reichte bis zur grundsaÈ tzlichen Infragestellung der ZweckmaÈ ûigkeit und Funktion der Formen der Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklungspolitik war zeitweise ausgepraÈ gte Staatskritik. Die entwicklungspolitische Arbeit in der Bundesrepublik zog einen Teil ihrer Kraft und Motivation aus der bestaÈ n- digen Beurteilung des eigenen Wirtschaftssystems bzw. dessen Auswirkungen auf die LaÈ nder des SuÈ dens, ohne die GrundwiderspruÈ che aufloÈ sen zu koÈ nnen. Die Literatur dazu ist umfangreich. Eine derartige Debatte gab es in der DDR nicht. Vielmehr wurden »Solida- ritaÈ t« und »Internationalismus« als staatstragend angesehen und galten als weitgehend unantastbar. Die SuÈ dbeziehungen wurden stark reguliert oder ge- heimgehalten, negative Auswirkungen in der OÈ ffentlichkeit nicht diskutiert. Diese Praxis erwies sich auch nach der Wende noch als erstaunlich robust und wurde fortgesetzt. Die in der DDR verhinderte oÈ ffentliche Debatte um »staatliche Hilfe«, bei- spielsweise hinsichtlich der Groûprojekte und den Stellenwert kleinbaÈ uerlicher Landwirtschaft, laÈ ût sich mit dieser Studie nicht nachholen. Sie will aber zu GespraÈ ch und Auseinandersetzung anregen. Auch wenn die ehemalige DDR ein »abgeschlossenes Sammelgebiet« ist, sollten die Erfahrungen und Biogra- phien vieler Spezialisten und AuûenhaÈ ndler erschlossen und bei einer weiteren Beurteilung hinzugezogen werden.

Die Studie versteht sich in einer weiteren »Tradition«. Seit Mitte der 80er Jahre ringt die engagierte entwicklungspolitische OÈ ffent- lichkeit um ein sozialoÈ konomisch faires Beurteilen und Reduzieren der Schul- den von besonders unterentwickelten LaÈ ndern. Die Ostblockstaaten und StaatshandelslaÈ nder blieben von dieser Kritik weitgehend ausgeklammert. Ih- re Handelsbeziehungen galten den einen als Alternative, und von anderen sind sie im Weltmaûstab als unbedeutend angesehen worden. Aber fuÈ r einige Ent- wicklungslaÈ nder besitzen die noch bestehenden Schulden gegenuÈ ber den ehe- maligen StaatshandelslaÈ ndern erdruÈ ckende GroÈ ûenordnungen. Zudem muÈ s- sen sie nach dem Zusammenbrechen des gesonderten WaÈ hrungsraumes des RGW, der »Rubelzone«, in konvertierbaren Devisen zuruÈ ckgezahlt werden. GlaÈ ubigerstaat an Stelle der ehemaligen DDR ist die Bundesrepublik. Sie hat nicht nur Schulden der DDR uÈ bernommen, sondern auch Guthaben aus de-

17 ren Handel mit EntwicklungslaÈ ndern. Die Studie moÈ chte zu einer sachgerech- ten Beurteilung der Ex-DDR-Forderungen beitragen und plaÈ diert fuÈ reine umfassende Streichung, wie sie von der Kampagne »Entwicklung braucht Entschuldung ± Erlaûjahr 2000« und von vielen entwicklungspolitischen Or- ganisationen und den Kirchen gefordert wird.

Die Studie wird unter drei Vorbehalten veroÈ ffentlicht: Erstens: Eine umfassende Betrachtung der Beziehungen der DDR zu afri- kanischen LaÈ ndern kann nicht ohne die Einbeziehung der beteiligten Partner erfolgen. Ich sehe es als notwendig an, daû die SuÈ dpolitik der DDR auch von AÈ thiopiern und Mosambikanern beurteilt wird. Von daher sollte eine weitere Studie unter dem Arbeitstitel »Mit ihren Augen« ermoÈ glicht werden. Die Hoffnung ist berechtigt, daû dafuÈ r Partner gewonnen werden koÈ nnten. Es gibt noch eine Vielzahl von Fragen, deren Antworten nicht in den DDR-Akten zu finden sind. Zweitens: Die Studie bedarf einer ErgaÈ nzung um die alltaÈ glichen Arbeits- vorgaÈ nge in den Projekten, Botschaften, Arbeitsgruppen und Einsatzorten. Wie erwaÈ hnt geben die zur Recherche herangezogenen Unterlagen dies nur sehr eingeschraÈ nkt her. Die Erinnerungen von Zehntausenden von Speziali- sten, FDJ-Brigadisten, Diplomaten, Sicherheitsmitarbeitern, Ehepartnern und Beratern koÈ nnten eine wertvolle ErgaÈ nzung bei weiteren Beurteilungen darstellen. Die Krankenschwestern und AÈ rzte im nordaÈ thiopischen Gonda zum Beispiel haben unter extremen Arbeits- und LebensverhaÈ ltnissen Kranke geheilt und junge AÈ rzte ausgebildet. Sie seien wie die Geologen im mosambi- kanischen Bergland um Monica stellvertretend fuÈ r viele genannt. Trotz pro- blematischer Vorgaben der Leitung und politisch schwieriger VerhaÈ ltnisse ha- ben sie versucht, partnerschaftliche und solidarische Arbeit zu leisten. Ihre Berichte und persoÈ nlichen Briefe fanden sich nicht in den Ordnern der SED- FuÈ hrung und Sicherheitsorgane. Sie konnten zur Beurteilung nicht herangezo- gen werden. Drittens: Bei weitem nicht alle Akten konnten eingesehen werden. Manche BestaÈ nde sind noch nicht zugaÈ nglich, nicht nur die des ehemaligen Auûenmi- nisteriums der DDR. Es liegt in der Natur der Arbeit mit Aktenmaterial und in der KomplexitaÈ t des Gegenstandes, daû weitere Unterlagen sowie moÈ gliche GespraÈ che und Auseinandersetzungen Aussagen dieser Studie im nachhinein veraÈ ndern oder abrunden. Das waÈ re eine gute Wirkung.

Ausgangspunkt meiner intensiven Nachforschungen war eine Anfrage der En- quete-Kommission des Deutschen Bundestages »Aufarbeitung von Ge- schichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland«. Diese erreichte mich in einer Phase beruflicher Umorientierung. Zudem sollten fuÈ nf Schwerpunkt- laÈ nder der SuÈ dpolitik der DDR auf ca. 40 Seiten abgehandelt werden. Ich muûte ablehnen. Nachfragen von Mitgliedern der Kommission und der Hin- weis, daû »die Geschichte dann wieder vom Westen« aufgearbeitet wuÈ rde, be- wirkten eine Umstimmung. Ohne die UnterstuÈ tzung einer Reihe von Personen waÈ re diese Studie nicht vollendet worden. Mein Dank gilt denen, die mich zur

18 Weiterarbeit ermutigten. Ich moÈ chte mich herzlich bei Herrn Hans Linde- mann/KoÈ ln bedanken, der mir Teile seines Materials zur Einsicht uÈ berlieû, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Archiven, vor allem in Ber- lin-Zehlendorf, bei den GespraÈ chspartnern fuÈ r ihre Offenheit und ihr Vertrau- en, bei Heide KuÈ nanz und Uta RuÈ chel fuÈ r die Mitarbeit bei der Fertigstellung des Manuskripts. Nicht zuletzt bedanke ich mich beim Ch. Links Verlag und beim Kirchlichen Forschungsheim Wittenberg sowie beim Entwicklungs- dienst der Evangelischen Kirche in Deutschland fuÈ r VerstaÈ ndnis und Unter- stuÈ tzung. Vor allem aber moÈ chte ich mich bei meiner Frau und unseren Kin- dern bedanken fuÈ r ihre Geduld, ihr VerstaÈ ndnis und ihre UnterstuÈ tzung!

Wittenberg/Pechau, im August 1999 Hans-Joachim DoÈ ring

19 1 Die Rahmenbedingungen der Afrikapolitik der DDR

1.1 Das Ringen um internationale Anerkennung

Um die Besonderheiten und den Stellenwert der Beziehungen der DDR zu afrikanischen Staaten verstehen zu koÈ nnen, ist es unbedingt notwendig, die Jahrzehnte von der GruÈ ndung der DDR bis zu ihrer internationalen Anerken- nung in die Betrachtungen mit einzubeziehen. Als das zentrale Trauma der Partei-und StaatsfuÈ hrung der DDR in der er- sten HaÈ lfte ihres Bestehens muû das Ausbleiben der politischen Anerkennung des ersten deutschen »Arbeiter-und Bauernstaates« durch die internationale OÈ ffentlichkeit angesehen werden. Die Nichtanerkennung als Legitimations- verweigerung bis in die erste HaÈ lfte der 70er Jahre verletzte den Stolz der lei- tenden Politiker der DDR. Sie sahen sich mit der historischen Rolle der Er- richtung und Gestaltung des ersten deutschen »Arbeiter-und Bauernstaates« konfrontiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges betrachteten sie sich als legitime SoÈ hne des sozialen Fortschritts. Die territoriale Ausdehnung der EinfluûsphaÈ re der Sowjetunion wurde als wichtiger Etappensieg der Arbeiter- klasse verstanden. Der Weltkommunismus galt seit den 20er Jahren als end- guÈ ltiges Ziel und letzter Sieg uÈ ber den Kapitalismus. Die Westgrenze der DDR wurde als Systemgrenze zwischen Ost und West sowie zwischen »dem« Fortschrittlichen und »dem« ReaktionaÈ ren erlebt und steigerte das besondere VerantwortungsgefuÈ hl und die Empfindlichkeit der SED-FuÈ hrung. Durch die Existenz zweier deutscher Staaten konnte die DDR ihre IdentitaÈ t nur sehr be- grenzt mit nationalen Elementen begruÈ nden. UÈ berall, wo sie als deutscher Staat auftrat, war der andere deutsche Staat meist schon praÈ sent. Die Spannung zwischen dem aus der Geschichte abgeleiteten Auftrag, ihre Exi- stenzberechtigung sowie die StabilitaÈ t an der Westgrenze der sowjetischen He- misphaÈ re immer wieder zu beweisen, und der jahrelangen Ignoranz der Welt- oÈ ffentlichkeit gegenuÈ ber dem »Staatsprojekt DDR« war groû. Schon in den 60er Jahren gab es umfangreiche BemuÈ hungen um staatliche Kontakte zu afrikanischen Staaten. Vor allem in Guinea, AÈ gypten oder Sansi- bar sollte die internationale Isolation durchbrochen werden. Aber im FruÈ h- jahr 1960 wurde der Botschafter der Republik Guinea aus Ostberlin wieder nach Afrika zuruÈ ckgerufen. Nach massiven westdeutschen Interventionen und der Androhung, Zahlungen von Entwicklungshilfemitteln einzustellen, sah sich Guinea dazu gezwungen. Der Botschafter hatte sein Entsendungs- schreiben als erster Diplomat eines nichtsozialistischen Staates dem PraÈ siden- ten der DDR, Wilhelm Pieck, erst wenige Wochen zuvor uÈ berreicht. Sein PraÈ - sident, Sekou Toure , sprach von einem »MiûverstaÈ ndnis«. Diplomatische Beziehungen zwischen beiden LaÈ ndern gaÈ be es nicht. Stabiler waren die Bezie- hungen zum Inselstaat Sansibar, auch wenn die Republik Sansibar nur kurze

21 Zeit bestand und schnell im Staatenverbund von Tansania aufging. Seit den 60er Jahren weilten Sicherheitsberater auf der Insel.1 Angesichts der von ih- nen angewandten Methoden erwarben sie sich jedoch in ganz Afrika ein eher zweifelhaftes Renommee.2 Viele Erfolge waren der DDR in Afrika zu dieser Zeit nicht beschieden, wenn auch groÈ ûere als in Westeuropa oder Lateiname- rika.

Entsprechend der »Hallstein-Doktrin« von 1956 wurde durch die Bundesre- gierung der Alleinvertretungsanspruch fuÈ r alle Deutschen proklamiert und speziell in den Beziehungen zu den LaÈ ndern der Dritten Welt angewandt. Die Anerkennung der DDR durch »Dritte Staaten« bzw. aktive Beziehungen zur DDR wurden von der Bundesregierung als Vertiefung der Spaltung Deutsch- lands angesehen und als »unfreundlicher Akt« gewertet. »In einem solchen Fall werde die Bundesregierung ihre Beziehungen zu den betreffenden Staaten einer UÈ berpruÈ fung unterziehen muÈ ssen.«3 Die »Hallstein-Doktrin«, gekoppelt an die GewaÈ hrung oder den Entzug von Entwicklungshilfemaûnahmen bzw. gefoÈ rderter oder behinderter wirtschaftlicher Zusammenarbeit durch die Bun- desregierung, erfuÈ llte ihre Funktion bis Ende der 60er Jahre. Der Handlungs- spielraum der unlaÈ ngst politisch unabhaÈ ngig gewordenen Staaten war gering. Nicht selten hingen an der GewaÈ hrung oder der Verweigerung eines Kredites die Existenz des Regimes und die Karriere von Mitgliedern des Kabinetts. Mit der Unterzeichnung des »Vertrages uÈ ber die Grundlagen der Beziehun- gen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokra- tischen Republik« am 21. Dezember 1972 und der Mitgliedschaft beider deut- scher Staaten in den Vereinten Nationen setzte prompt eine Welle der Anerkennung der DDR ein. Die Phase der ZuruÈ cksetzung und DemuÈ tigung war beendet. Die »Hallstein-Doktrin« verlor mit dem veraÈ nderten internatio- nalen Klima und der Politik der Regierung unter Willy Brandt an Sinn und Bedeutung. Eine abgeschwaÈ chte Fortsetzung erfuhr sie allerdings durch die Aufnahme der »Berlin-Klausel« in die Lome -Abkommen der EuropaÈ ischen Gemeinschaft. FuÈ nf afrikanische LaÈ nder: Mosambik, AÈ thiopien, Angola, SaÄ o Tome und Prõ ncipe sowie Guinea-Bissau4 lehnten diese Klausel aus Verbun- denheit mit der DDR noch bis Anfang der 80er Jahre ab.

1 Vgl. Wolf, Markus: Spionagechef im geheimen Krieg. Erinnerungen. MuÈ nchen 1998, S. 361f. 2KuÈ hne, Winrich: Die Politik der Sowjetunion in Afrika ± Bedingungen und Dynamik ihres ideologischen, oÈ konomischen und militaÈ rischen Engagements. Baden-Baden 1983, S. 81 Fim folgenden: KuÈ hne: Die Politik der Sowjetunion in Afrika). 3 Auûenminister Heinrich von Brentano vor dem Deutschen Bundestag am 28.6.1956. Zit. nach: Spanger, Hans-Joachim; Brock, Lothar: Die beiden deutschen Staaten in der Drit- ten Welt. Die Entwicklungshilfe der DDR ± eine Herausforderung fuÈ r die Bundesrepu- blik Deutschland? Opladen 1987, S. 287 Fim folgenden: Spanger/Brock: Die beiden deut- schen Staaten). 4 Heyden, Ulrich van der; Schleicher, Hans-Georg; Schleicher, Ilona: Die DDR und Afri- ka zwischen Klassenkampf und neuem Denken. Hamburg 1993, S. 27 Fim folgenden: Heyden/Schleicher/Schleicher: Die DDR und Afrika).

22 Die »Hallstein-Doktrin« behinderte die DDR in Afrika massiv5 und ver- letzte sie an ihrer empfindlichsten Stelle, der staatlichen SouveraÈ nitaÈ t und voÈ l- kerrechtlichen Legitimation. Hinzu kam, daû ein Land mit staatlichem Au- ûenhandelsmonopol fuÈ r seinen Handel besonders dringend anerkannte und vertraglich geregelte Beziehungen benoÈ tigte. Mit der 1973/74 erfolgten weltweiten Anerkennung, einschlieûlich der UN- Mitgliedschaft, wurde die DDR in die internationale Staatengemeinschaft aufgenommen. Sie galt durchaus als Sieger in diesem diplomatischen deutsch- deutschen Kampf der zuruÈ ckliegenden Jahrzehnte. Damit hatte die kleine DDR der weitaus maÈ chtigeren Bundesrepublik eine Niederlage bereitet. Aktiv versuchte sie, ihre Rolle an der Seite der Warschauer-Vertragsstaaten in den Vereinten Nationen wahrzunehmen und dort die jungen Nationalstaa- ten und EntwicklungslaÈ nder im Rahmen ihrer Auûenpolitik proklamatorisch zu unterstuÈ tzen. Besonders hervorzuheben ist ihr Auftreten gegen das rassisti- sche Apartheid-Regime in der Republik SuÈ dafrika. Diese eindeutige Haltung der DDR schuf eine der Grundlagen fuÈ r das hohe Ansehen der DDR-FuÈ h- rung bei vielen EntwicklungslaÈ ndern Mitte der 70er Jahre.

1.2 Politische VeraÈ nderungen in den 70er Jahren

Mit dem Abkommen uÈ ber einen Waffenstillstand im Vietnam-Krieg im Janu- ar 1973 und dem Abzug der letzten amerikanischen Soldaten im MaÈ rz des gleichen Jahres gestanden die USA ihre Niederlage im Vietnam-Krieg ein. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren bezwungen worden. Ihr Anspruch auf WeltfuÈ hrung war erschuÈ ttert. Dieses Ereignis wurde als internationaler Sieg der progressiven Welt gefeiert. Die vietnamesische BevoÈ lkerung hatte in den zuruÈ ckliegenden Jahren in weiten Teilen der Welt materielle und morali- sche UnterstuÈ tzung erhalten. Der Ausgang des fernoÈ stlichen Kampfes David gegen Goliath befluÈ gelte die WuÈ nsche nach sozialer Gerechtigkeit. Das tapfe- re und aufopferungsvolle KaÈ mpfen der Menschen in Vietnam wurde als Er- mutigung verstanden. Antiimperialistische SolidaritaÈ t stand in nicht wenigen Kreisen hoch im Kurs. Die Studenten in westlichen GroûstaÈ dten erschuÈ tterten mit ihren Aktionen und Forderungen die kapitalistischen GesellschaftsgebaÈ u- de. In der Weltpolitik gab es Hoffnung auf VeraÈ nderung. Die KraÈ fte verscho- ben sich. Das staÈ rkte der DDR den RuÈ cken.

5 So hatte die DDR 1974 nur 21 Handelsabkommen und 27 Abkommen uÈ ber oÈ konomi- sche bzw. wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit EntwicklungslaÈ ndern abge- schlossen. Vgl. Clausnitzer, Friedrich: Prinzip und Praxis der Auûenhandelspolitik der DDR gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern. In: Asien, Afrika, Lateinamerika Fim folgenden: aala) 5/1984, S. 701ff. 1984 waren es 67 Handelsabkommen und 55 Abkommen uÈ ber oÈ konomische und wissen- schaftlich-technische Zusammenarbeit. Vgl. Scharschmidt, Gerhard: Wirtschaftliche Zu- sammenarbeit DDR±EntwicklungslaÈ nder. In: Auûenpolitische Korrespondenz 31/1984, S. 243ff.

23 Ebenfalls praÈ gend war in der ersten HaÈ lfte der 70er Jahre fuÈ r die westeuro- paÈ ische Linke, aber noch spuÈ rbarer fuÈ r einige afrikanische EntwicklungslaÈ n- der, die April-oder Nelken-Revolution in Portugal, bei der das alte Milita È rre- gime durch programmatisch eher demokratisch-sozialistisch ausgerichtete Offiziere entmachtet wurde. Ein NATO-Staat erlebte eine Wende. Dieser Machtwechsel vom 25. April 1974 war nicht zuletzt auf die Erfolge der Befrei- ungsbewegungen in den portugiesischen Kolonien zuruÈ ckzufuÈ hren. Vor allem die ZustaÈ nde in den Kolonien Portugals bewirkten diesen Putsch. Vierzig Pro- zent des portugiesischen Nationalhaushaltes flossen in die UÈ berseegebiete. Al- lerdings weniger um diese zu »entwickeln«, als vielmehr, um sie fuÈ r die vom Kolonialismus profitierende portugiesische Oberschicht gegen den wachsen- den Einfluû der Befreiungsbewegungen zu verteidigen, die weitgehend von der einheimischen BevoÈ lkerung getragen wurden. Der groÈ ûte Teil der portugiesi- schen StreitkraÈ fte war in Afrika stationiert. Dort starben die jungen Soldaten. Die entscheidende PersoÈ nlichkeit des Jahres 1974, der AnfuÈ hrer der »Bewe- gung der StreitkraÈ fte« FMovimenta das ForcË as Armadas, MFA), General An- to nio de Spinola, faûte waÈ hrend seines militaÈ rischen Einsatzes in Afrika den Entschluû zum Sturz des seit den 30er Jahren regierenden Diktators Anto nio Oliveira de Salazar. Auf der euphorisch gefeierten 1. Mai-Kundgebung 1974 in Lissabon ± dem gesamten Putsch fielen nur vier Menschen zum Opfer ± skandierten Hunderttausende als Hauptlosung: »Kein Soldat mehr fuÈ r den Kolonialkrieg!«. Die VeraÈ nderungen auf dem kleineren Teil der iberischen Halbinsel indes waren einschneidend. Immerhin wurden ohne direkten sowje- tischen Einfluû Groûbetriebe und Banken verstaatlicht, erhebliche LaÈ ndereien enteignet und Genossenschaften sowie Kommunen gegruÈ ndet. Die alten Herrschaften verloren ihr UÈ berseegebiet, das ein Vielfaches der Ausdehnung des »Mutterlandes« umspannte und als wichtigste aÈ uûere StuÈ tze ihrer Herrschaft galt. Die neue Regierung beschloû in Lissabon am 8. Septem- ber 1974, die fruÈ heren Kolonien, unter ihnen Mosambik, zum 25. Juni 1975 in die UnabhaÈ ngigkeit zu entlassen. Die Befreiungsbewegung Mosambiks, die FRELIMO, wurde als Konsequenz dieser Entwicklung ± auch von den Ver- einten Nationen ± als legitime Vertretung des mosambikanischen Volkes aner- kannt. Nach und nach wurden ihr bis zur formalen UnabhaÈ ngigkeit Macht- funktionen, so sie uÈ ber diese in befreiten Gebieten nicht schon verfuÈ gte, abgetreten. Mit Angola, SaÄ o Tome und Prõ ncipe wurden weitere LaÈ nder un- abhaÈ ngig und das letzte europaÈ ische Kolonialsystem in Afrika erstaunlich ge- raÈ uschlos aufgeloÈ st. Ein letzter groûer Antagonismus war beseitigt. In der gleichen Woche, am 12. September 1974 ± unabhaÈ ngig von den por- tugiesischen VorgaÈ ngen ±, wurde in AÈ thiopien Kaiser Haile Selassie vom »Komitee der StreitkraÈ fte« entmachtet. Zuvor hatte es Unruhen im ganzen Land gegeben. Am 1. August 1975 unterzeichneten in Helsinki 33 StaatsoberhaÈ upter die Vereinbarungen der Konferenz uÈ ber Sicherheit und Zusammenarbeit in Euro- pa FKSZE). Der Vorsitzende des Staatsrates der DDR, , trat gleichberechtigt mit Bundeskanzler Helmut Schmidt auf. Der durch die Nie- derlage von Hitlerdeutschland entstandene »erste Arbeiter-und Bauernstaat

24 deutscher Nation« hatte eine weitere BestaÈ tigung seiner historischen Mission erhalten. Er war nun endguÈ ltig akzeptierter Bestandteil der europaÈ ischen Nachkriegsordnung. Bis Ende der 60er Jahre konnte man das internationale System als asymme- trische BipolaritaÈ t zwischen der »westlichen HemisphaÈ re«, an der Spitze die FuÈ hrungsmacht USA, und der »oÈ stlichen« HemisphaÈ re mit der FuÈ hrungs- macht UdSSR beschreiben. Die Asymmetrie beruhte auf dem wirtschaftlichen und militaÈ rischen Vorsprung vor allem der USA. Dieser Zustand blieb trotz einer Vielzahl von Konfrontationen »kalter Krieg« und wurde kein »heiûer«. SpaÈ testens mit Beginn der 70er Jahre konnte von einer gewissen strategischen Symmetrie zwischen den territorial und ideologisch eher geschlossenen BloÈ k- ken gesprochen werden. 1972 wurden zwischen den USA und der Sowjet- union die »Basic Principles« zum VerstaÈ ndnis globaler Entspannung unter- zeichnet. In Ziffer zwei heiût es da: »Die USA und die UdSSR legen groÈ ûten Wert darauf, das Entstehen von Situationen zu vermeiden, die zu einer gefaÈ hrlichen Verschlechterung ihrer Beziehungen fuÈ hren koÈ nnten. Sie werden daher ihr AÈ uûerstes tun, um mili- taÈ rische Konfrontationen zu vermeiden und den Ausbruch eines Nuclear- krieges zu verhindern. Sie werden in ihren gegenseitigen Beziehungen stets ZuruÈ ckhaltung uÈ ben, und sie werden bereit sein, zu verhandeln und Mei- nungsverschiedenheiten mit friedlichen Mitteln beizulegen. GespraÈ che und Verhandlungen uÈ ber offenstehende Fragen werden in einem Geist der Ge- genseitigkeit, des beiderseitigen Entgegenkommens und des beiderseitigen Vorteils gefuÈ hrt werden.«6 Anfang der 70er Jahre hatten die Warschauer Vertragsstaaten unter FuÈ hrung der Sowjetunion militaÈ rtechnische Nachteile ausgeglichen, in der noch von den MassenguÈ tern der Montan-und Zementindustrie bestimmten Wirtschaft aufgeholt, mehrere Kosmonauten erfolgreich in eine Erdumlaufbahn geschos- sen, hervorragende Gewichtheber und Bodenturnerinnen hervorgebracht und weltpolitisch durch die Bildung junger Nationalstaaten gewonnen. Bei allen Unterschieden bildete sich eine partielle InteressenidentitaÈ t der beiden GroûmaÈ chte zur Vermeidung eines Atomkrieges heraus. Die USA muûten dies anerkennen. Die Sowjetunion muûte, um militaÈ risch mitreden zu koÈ nnen, einen Groûteil der zivilen Leistungen und Arbeitsergebnisse in die auch ohne Krieg »toÈ dliche« RuÈ stungsindustrie stecken. RuÈ stungskontrolle und Entspannungspolitik wurden Begriffe fuÈ r eine ansatzweise kooperative BipolaritaÈ t, die u. a. im KSZE-Prozeû einen Ausdruck fand. Eine andere Form der Auseinandersetzung und Zusammenarbeit zwischen Staaten und verschiedenen gesellschaftlichen bzw. ordnungspolitischen Systemen bahnte sich somit den Weg und sollte zu einer weniger konfliktbeladenen Lage in Eu- ropa fuÈ hren. Der Wettbewerb verlagerte sich von der quantitativen Wirt- schaftsstatistik und den Medaillenspiegeln hin zum Vergleich von Produkten in der Wirtschaftskooperation und im Handel. UÈ ber die QualitaÈ t ihrer Pro- dukte und die damit erzielten Preise wurde die WeltmarktfaÈ higkeit des soziali-

6KuÈ hne: Die Politik der Sowjetunion in Afrika, S. 126.

25 stischen Wirtschafts-, Planungs- und Motivationssystems auf die Probe ge- stellt. In der Kopplung von wirtschaftlicher Kooperation und Anerkennung ziviler Menschenrechte waren die Staaten Osteuropas durch den Abschluû des KSZE-Abkommens mit einer neuen Herausforderung konfrontiert. Die erfahrene Anerkennung der DDR und der Nimbus eines potenten europaÈ - ischen Industriestaates gingen einher mit der Infragestellung ihres innenpoliti- schen Systems. Es sollte nur eine kurze Zeit ± weniger als die Dauer eines Grundwehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee ± vergehen, bis massive Risse im inneren GefuÈ ge der DDR sichtbar wurden. Weite Teile der DDR-BevoÈ lkerung begruÈ ûten die Aufhebung der interna- tionalen Isolation der DDR. Der Raum hinter der Mauer schien sich zu wei- ten. Wenige BuÈ rger in der DDR forderten die Aufhebung der Isolation auch in zivilen und privaten Bereichen. Es war das halbe Jahrzehnt nach dem VIII. Parteitag mit der vollstaÈ ndigen MachtuÈ bernahme durch Erich Honecker. Es war die Zeit der Weltfestspiele in Ostberlin und der staÈ ndigen Gelegenheit, die Nationalhymne der DDR auf internationalen SportplaÈ tzen klingen zu hoÈ ren, die Stunden des »Kessel Buntes«, der legendaÈ ren Samstagabendshow im DDR-Fernsehen mit ihren Weststars und der ersten Jeans in den HO-Ge- schaÈ ften. Die langen Haare der jungen MaÈ nner gaben kaum noch Anlaû fuÈ r Repressalien in den Schulen. Vor diesem Hintergrund wuchsen die Voraussetzungen fuÈ r eine erweiterte SuÈ dpolitik der DDR. Der souveraÈ ne Staat putzte sich heraus. Das Bild des grauen Mauer-und Lauerstaates verblich teilweise. Durch die Beziehungen zu den Befreiungsbewegungen verfuÈ gte die SED uÈ ber gute Kontakte zu einigen FuÈ hrungskraÈ ften in den jungen Nationalstaaten. Die westlichen Gesellschafts- systeme galten bei den neuen politischen Eliten als weithin verbraucht und stellten keine eindeutige Alternative dar. Zu lange wurde das Regime des Ras- sismus in SuÈ dafrika in die eigenen Konzepte und Interessen eingebunden, to- leriert und gestuÈ tzt. Der NATO-Staat Portugal wurde vor 1974 wegen seiner Politik in Afrika und seiner faschistischen Vergangenheit von den eigenen VerbuÈ ndeten nur in AusnahmefaÈ llen kritisiert. Der westliche Kapitalismus wurde als wenig entwicklungs-und zukunftsfaÈ hig angesehen. Die sozialistischen Staaten galten ± mitten in der Ost-West-Auseinanderset- zung ± den FuÈ hrungskraÈ ften nicht weniger EntwicklungslaÈ nder als der verlaÈ û- lichere, zukunftsweisendere und solidarischere Pol. Um 1975 konnten einige afrikanische LaÈ nder bereits auf ein Dutzend Jahre politischer UnabhaÈ ngigkeit zuruÈ ckblicken. Der auf Basis der westlichen Modelle erreichte Fortschritt uÈ berzeugte nicht. Die in Afrika und im Ostblock vorherrschenden bzw. ange- strebten Einparteiensysteme foÈ rderten die Beziehungen und erleichterten den sozialistischen Partei-und Staatsapparaten den Einstieg. Zudem waren die Ansprechpartner fuÈ r wirtschaftliche Fragen in Staatshan- delslaÈ ndern fuÈ r die neuen FuÈ hrungsschichten klarer zu erkennen als in westli- chen LaÈ ndern. Auf beiden Seiten, bei den neuen EntwicklungslaÈ ndern wie bei den oÈ stlichen Industriestaaten, gab es staatliche statt privatwirtschaftlicher Strukturen. Durch »revolutionaÈ res« Herangehen auf beiden Seiten konnte in den ersten Jahren der jungen Nationalstaaten viel bewegt werden.

26 Die Angebote der sozialistischen LaÈ nder gegenuÈ ber den ausgewaÈ hlten Staa- ten, besonders die Staats-, Sicherheits- und MilitaÈ rapparate zu unterstuÈ tzen, trafen auf Interesse bei den aus dem Widerstand kommenden neuen FuÈ hrun- gen. In diesen Strukturen kannten sie sich aus. Diese Art der UnterstuÈ tzung gab vor, die Unsicherheit der neuen Machthaber im Hinblick auf ihre Veran- kerung in der BevoÈ lkerung zu verringern. Bei den oft erst nach der UnabhaÈ n- gigkeit ausgefochtenen RichtungskaÈ mpfen entschied gelegentlich der bessere Kontakt zu einem auslaÈ ndischen Sicherheitsapparat. Der DDR eilte der Ruf eines »schnellen Freundes und Helfers« voraus. Mit dem Imperialismusbegriff stand den EntwicklungslaÈ ndern und der So- zialistischen Staatengemeinschaft ein gemeinsames, von auûen einigendes Feindbild zur VerfuÈ gung. Die BlockadebemuÈ hungen westlicher Staaten und Firmen konnten teilweise durch Anstrengungen der sozialistischen LaÈ nder ausgeglichen werden, indem Anlagen, Experten und Waffen geschickt wur- den. Das Vakuum ausgebliebener Entwicklung verlangte danach, ausgefuÈ llt zu werden. Ein weiterer Grund zur Anlehnung einiger EntwicklungslaÈ nder an die so- zialistischen LaÈ nder ist in den Mechanismen des Weltmarktes zu sehen. Die politisch Verantwortlichen der unterentwickelten LaÈ nder wuûten, daû ihre Produkte in diesem scharfen und ungleichen Wettbewerb nicht konkurrenzfaÈ - hig waren, sie somit nur letzte PlaÈ tze in der weltweiten Arbeitsteilung und der damit verbundenen WertschoÈ pfung einnehmen konnten. Die Ausstrahlung des besonderen Wirtschaftsgebietes der RGW-Staaten auf einen Teil der EntwicklungslaÈ nder war zu diesem Zeitpunkt durchaus ver- staÈ ndlich. Mit dem RGW-System7, in welchem oÈ stliche Industriestaaten und EntwicklungslaÈ nder zusammenarbeiteten, gaben die StaatshandelslaÈ nder vor, ein weltweites alternatives Wirtschaftssystem auûerhalb der EinfluûsphaÈ re des US-Dollar aufbauen zu koÈ nnen. Das war attraktiv und schien damals not- wendig. Vertreter der neu ausgerufenen Staaten suchten bei ihren Anstren- gungen, auch oÈ konomisch unabhaÈ ngig zu werden, die NaÈ he des »Ostens«, wo immer er auch liegen mochte.8 Diese Ausstrahlung wurde durch die Propaganda und das geschoÈ nt verbrei- tete Selbstbild der RGW-Staaten, und hier besonders der DDR, verstaÈ rkt und mit Hilfe einer Vielzahl von Partei-, Regierungs- und Staatsbesuchen unter- stuÈ tzt. Von den wirtschaftlichen und innenpolitischen Schwierigkeiten der DDR war auch in Afrika wenig bekannt. Freundschaftliche, gar persoÈ nliche Beziehungen zwischen den leitenden Re- gierungsvertretern kamen zu einer gewissen VerschwoÈ rungsmentalitaÈ t und dem Ringen um das politische UÈ berleben der FuÈ hrungen auf beiden Seiten hinzu. Anders als parlamentarische Wahlwechsel lassen zentralistische Sy- steme kaum ein stilvolles Ausscheiden aus der jeweiligen »historischen Mis-

7 Zur Politik anderer sozialistischer Staaten zur »Dritten Welt« vgl. Despre s, Laure; Frit- sche, Klaus; Jung, Lothar u. a.: Osteuropa und die Dritte Welt. Hamburg 1989. 8 Mosambik behielt trotz aller NaÈ he zu Moskau immer auch GespraÈ chskontakte zur VR China.

27 sion« zu, so daû auch erkannte Fehler uÈ ber lange Zeit nicht berichtigt wurden. Mit Wort, Handschlag und Unterschrift stand man oft noch fuÈ r VertraÈ ge ein, deren Sinn und Inhalt bereits uÈ berholt waren. Mit dem oÈ konomischen und besonders dem militaÈ rischen Engagement der sozialistischen LaÈ nder in der zweiten HaÈ lfte der 70er Jahre, vor allem in Afri- ka Fu. a. 1976 in Angola, im Ogaden-Krieg zwischen Somalia und AÈ thiopien 1977, die marxistisch-leninistische Ausrichtung der FRELIMO in Mosambik ab Februar 1977, die Befreiung Simbabwes), und dem Einmarsch der MilitaÈ r- truppen der UdSSR am 31. Dezember 1979 in Afghanistan wurde die eben erst erreichte Balance in der Weltpolitik erheblich gefaÈ hrdet. Die Sowjetunion und einige ihrer VerbuÈ ndeten agierten mitten im atlantischen Entspannungs- prozeû hochmotiviert auûerhalb ihres »klassischen« Einfluûgebietes. Der »Westen« fuÈ hlte sich herausgefordert. Durch die veraÈ nderte Lage durfte nun das sozialistische Lager unter FuÈ hrung der Sowjetunion weltweite Interessen wahrnehmen und muûte Verpflichtungen eingehen. Ihr ideologisches Konzept der Weltrevolution in den verschiedenen Phasen bot fuÈ r diese Mischung eine gute Grundlage und zeugte gleichzeitig von einer hohen historischen NaivitaÈ t. FuÈ r Schwarzafrika bedeutete die EinschaÈ tzung Breschnews auf dem XXV. Parteitag der KPdSU, daû jede Ecke des Globus mit in ihre Auûenpolitik ein- bezogen werden muÈ sse, unter anderem eine massive Steigerung des Waffen- handels und des GefaÈ hrdungspotentials. Ein weiteres Datum in der Mitte der zweiten HaÈ lfte des 20. Jahrhunderts muû genannt werden: der 15. November 1975. An diesem Tag trafen sich auf Einladung von Bundeskanzler Helmut Schmidt und des franzoÈ sischen PraÈ si- denten Vale ry Giscard d'Estaing im romantischen Schloû Rambouillet, nur 50 km von Paris entfernt, die PraÈ sidenten und Regierungschefs der westlichen Industriestaaten, einschlieûlich der Finanz-und Auûenminister. Das Treffen sollte als erste Zusammenkunft der »G-7«, der Gruppe der sieben oÈ konomisch potentesten Staaten der Erde, in die Geschichte eingehen und viele Folgetref- fen nach sich ziehen.9 War der KSZE-Prozeû in gewisser Weise abgeschlossen, taten sich nun durch die zum Teil gravierenden VeraÈ nderungen in der Welt- wirtschaft neuartige Verschiebungen auf. Nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 wurden einige ErdoÈ lpreissteigerun- gen gegenuÈ ber den Industriestaaten durchgesetzt. Weitere Rohstoffkartelle der EntwicklungslaÈ nder sollten deren Position im Welthandel staÈ rken und bessere Preise fuÈ r sie garantieren. Etliche OÈ konomen meinten, einen funda- mentalen Wechsel, gar eine Wende in der globalen Verteilung der Wirtschafts- macht und der ReichtuÈ mer zu sehen. Das weckte Hoffnungen und AÈ ngste. Die bipolare StabilitaÈ t zwischen Ost und West, mit ihrem vor allem militaÈ ri- schen GeruÈ st, wurde allmaÈ hlich zweitrangig. Der Sekt von Helsinki war noch nicht ganz ausgetrunken, da begann schon die Globalisierung die BipolaritaÈ t zu verdraÈ ngen.

9 Vgl. James, Harold: Rambouillet, 15. November 1975 ± Globalisierung der Wirtschaft. MuÈ nchen 1997.

28 GemaÈ û der Theorie der »natuÈ rlichen VerbuÈ ndeten« haÈ tte der vor allem von westlichen OÈ konomen und Politikern prognostizierte Bedeutungsgewinn der EntwicklungslaÈ nder auch den sozialistischen Staaten staÈ rkeren Einfluû brin- gen muÈ ssen. Das betraf aber nur ± in eingeschraÈ nktem Maûe ± die uÈ ber eigene Rohstoffe verfuÈ genden Staaten, allen voran die Sowjetunion. Die DDR er- reichten die Auswirkungen des OÈ lpreisschocks, wenn auch durch den »Puffer« RGW verzoÈ gert, mit besonderer Wucht. Die seit 1975 stark veraÈ nderte welt- wirtschaftliche Lage ruÈ ckte die DDR als gerade erst anerkannten, bedeuten- den europaÈ ischen Industriestaat unerwartet eng, auûerplanmaÈ ûig schnell und anders als verkuÈ ndet in die NaÈ he rohstoffarmer EntwicklungslaÈ nder. Ideolo- gie, Politik und die von der SED geleitete Wirtschaft konnten darauf nicht an- gemessen reagieren. Die RGW-Staaten fanden sich nicht zu einer Allianz zu- sammen, sondern spalteten sich entlang ihrer unterschiedlichen Interessen allmaÈ hlich auf. Die auf Determinismus geeichte Transformations-und Fort- schrittsideologie der kommunistischen Parteien war ungeeignet und die Appa- rate unfaÈ hig, auf diese VeraÈ nderungen einzugehen. Die osteuropaÈ ischen Staaten verschoben durch die fortgesetzte Anwendung ihres Erfolgsmusters der letzen zehn Jahre: das militaÈ rische Gleichgewicht, die bipolare Mitte an den Rand, nach Afrika. Dies ist ein gewichtiger Grund fuÈ r die heute noch vorhandenen auûergewoÈ hnlich groûen EntwicklungsruÈ ckstaÈ n- de der ehemals mit osteuropaÈ ischen Staaten herausragend befreundeten afri- kanischen LaÈ nder.

War zwischen 1969 und 1976 der Waffenexport der Sowjetunion in diese Re- gion um ca. 15 Prozent geringer als der Export westlicher Staaten, stieg er im Zeitraum 1976 bis 1979 dramatisch an und lag dann 60 Prozent uÈ ber den westlichen Lieferungen.10 Der Geist der Gegenseitigkeit wurde im suÈ dlichen Afrika nicht bemuÈ ht. Angestachelt durch die Verschiebungen im suÈ dlichen Afrika sah der Westen seine Interessen gefaÈ hrdet, fuÈ rchtete um seine RohstoffbezuÈ ge aus dieser Re- gion und war geplagt von der Vorstellung eines revolutionaÈ ren Umsturzes in SuÈ dafrika, was zur Herrschaft des ANC gefuÈ hrt und Namibia mit einge- schlossen haÈ tte. Eine zum Teil dramatische BeschaÈ ftigung westlicher Beob- achter mit sozialistischen oder »roten« AktivitaÈ ten in Afrika setzte ein. SuÈ d- und Ostafrika, einschlieûlich des Nahen Ostens, mit zeitweise AÈ gypten und Libyen stellte »die« Krisenregion der 70er Jahre dar.

10 Zahlen aufgrund von CIA-Material. Vgl.: KuÈ hne: Die Politik der Sowjetunion in Afri- ka, S. 189ff. FuÈ r die Zahlen zwischen 1976 und 1979 ist zu beachten, daû 1977 das Waffenembargo der UN gegen die Republik SuÈ dafrika einsetzte und zu erheblich weni- ger Lieferungen westlicher Staaten in das suÈ dliche Afrika fuÈ hrte. Zu den CIA-Angaben vgl. Pijl, Kees van der: Vordenker der Weltpolitik. Opladen 1996, S. 344. Pijl berichtet, daû der CIA unter George Bush 1976 die James Carter-Administration draÈ ngte, RuÈ - stungszahlen der Sowjetunion nach »oben zu korrigieren«, um vermeintliche Bomber- und RaketenluÈ cken ausmachen zu koÈ nnen, mit denen wiederum BegruÈ ndungen zur US-amerikanischen AufruÈ stung angefuÈ hrt werden koÈ nnten. Wie weit diese »Korrektu- ren« auch die Angaben zum Waffenexport beruÈ hren, kann nicht gesagt werden.

29 Der HoÈ hepunkt der »empirischen« Beweise der Dominotheorie, die besagt, daû nach und nach einzelne LaÈ nder durch die Sowjetunion aus der amerikani- schen EinfluûsphaÈ re herausgebracht werden sollten, war 1980 erreicht: Die Rote Armee marschierte zum Jahresende 1979 in Afghanistan ein und stationierte bis zu 120000 sowjetische Soldaten in diesem mittelasiatischen Land, Kambodscha wurde durch Vietnam besetzt und das moÈ rderische Pol-Pot-Regime beendet, 17000 kubanische Soldaten waren am Horn von Afrika in AÈ thiopien, und die Sandinisten siegten im mittelamerikanischen Nicaragua. Im Iran wurde ein radi- kaler islamischer, antiamerikanischer Gottesstaat errichtet und der prowestliche Schah vertrieben. Die Steine fielen und schienen unaufhaltsam zu rollen. Gleichzeitig zog sich Anfang der 80er Jahre der Ostblock innerlich, fuÈ rdie WeltoÈ ffentlichkeit noch weitgehend verborgen, wieder zuruÈ ck. Die Ausdehnung in Richtung auf ein kommunistisches Weltreich endete schnell in einer UÈ berdeh- nung. Schon der unerwartete Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan 1979 galt nicht primaÈ r den Expansionsbestrebungen, sondern hatte vielmehr die Si- cherung der eigenen Grenzen und die Abwehr islamischer EinfluÈ sse auf das In- nere des roten Riesenreiches zum Ziel. Das Agieren der Sowjetunion in Afghani- stan brachte fuÈ r sie groûen Miûkredit in den LaÈ ndern der »Dritten Welt« und war Anfang vom Ende der Expansion und Beginn des RuÈ ckzugs zugleich. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde 1981 Ronald Reagan zum PraÈ sidenten gewaÈ hlt, weil er Aussichten bot, die Vorherrschaft der USA wie- derherstellen zu koÈ nnen. Die HochruÈ stung erreichte ein neues Niveau. Die Welt kam in eine erneute Schieflage. AÈ uûerlich hielt die Sowjetunion den Sta- tus der Supermacht und ihre Bedeutung fuÈ r die in ihrer EinfluûsphaÈ re liegen- den Staaten und Parteien noch aufrecht. Bis zum Macht-oder besser »Ohn- machtsantritt« von Michael Gorbatschow waren es nur noch fuÈ nf Jahre. SuÈ d-und Ostafrika reihten sich damit in die groûen Krisenherde nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Diese Krisenherde waren gekennzeichnet von der Aus- dehnung des einen groûen Systems und dem Verteidigen der EinfluûsphaÈ re durch das andere System. Blockkonfrontationen uÈ bergreifende globale StoÈ - rungen, wie die unzureichende ErnaÈ hrung groûer BevoÈ lkerungsgruppen, die Verschmutzung der Ozeane, die KlimaveraÈ nderungen durch Industrieemissio- nen und Brandrodung, der Verlust der Vielfalt des pflanzlichen und tierischen Reichtums oder die sich abzeichnende Verringerung bezahlter produktiver Arbeit, wurden erst nach dem Ende des Kalten Krieges und mit zunehmender AufloÈ sung der BloÈ cke als Krisenherde erkannt. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges lassen sich fuÈ r jedes Jahrzehnt mar- kante Krisenregionen ausmachen. In den 40er Jahren war dies Europa mit seiner neuen Aufteilung, der Sicherung des sowjetischen Einflusses, der Spaltung Deutschlands und der Berlinblockade. In den 50er Jahren stellte Fernost mit dem Korea-Krieg den Schwerpunkt der Auseinandersetzung dar. Indochina und der Krieg der USA in Vietnam bestimmten die 60er Jahre. Es folgte in den 70er Jahren Afrika. Die SupermaÈ chte waren »nur« indirekt beteiligt und standen sich in einiger Entfernung gegenuÈ ber. In den 80er Jahren verlagerte sich der Kri- senschwerpunkt nach Nicaragua und Mittelamerika in schon abgeschwaÈ chter Form. Durch die Implosion der sowjetischen EinfluûsphaÈ re zu Beginn der 90er

30 Jahre kehrte der Hauptkonfliktherd nach Europa zuruÈ ck. Mit dem zunehmen- den Verlust des sowjetischen Einflusses Ende der 70er Jahre in Afrika setzte auch das Ende der erweiterten WirkungsmoÈ glichkeiten der DDR ein. Der RuÈ ck- zug des sozialistischen Lagers aus dem Weltgeschehen erfolgte fuÈ r einen sich als MilitaÈ rblock verstehenden Verbund lautlos und trat auch auf erstaunlich schnelle Weise ein. Er reagierte mit fast zehnjaÈ hriger VerzoÈ gerung auf die realen KraÈ fteverhaÈ ltnisse und die Entscheidungen zu Beginn des Jahrzehnts.

Das Ende des »revolutionaÈ ren Bodengewinns« wurde in einem GespraÈ ch zwi- schen Erich Honecker und dem Sonderbeauftragten von Leonid Iljitsch Breschnew, ZK-SekretaÈ r Russakow, am 21. Oktober 1981 auf den Begriff ge- bracht. Auf die dringliche Bitte, weiterhin Rohstoffe zu liefern, antwortete die sowjetische FuÈ hrung: Nein, »es ist wie vor Brest-Litowsk«.11 Der Brockhaus aus Leipzig von 1978 schreibt zur weiûrussischen Grenzstadt Brest-Litowsk: »Im Frieden von Brest-Litowsk F3.3.1918) eignete sich das imperialistische Deutschland riesige Gebiete Sowjetruûlands an, dem der Vertrag jedoch ei- nen Zeitgewinn brachte zur Festigung der jungen Sowjetmacht. Am 13.11. 1918 annullierte Sowjetruûland den Raubfrieden.« FuÈ rGuÈ nter Mittag, der nach diesem GespraÈ ch auf weitere zwei Millionen Tonnen sowjetisches ErdoÈ l und zusaÈ tzliche Getreidelieferungen ± ohne dafuÈ r Devisen bezahlen zu muÈ ssen ± hoffte, bedeutete der Bezug auf »Brest-Li- towsk«, daû die Sowjetunion keine Ausdehnung zum Westen mehr wollte. Auch wenn es fuÈ r sie auûenpolitisch wichtig gewesen waÈ re, sie konnte es sich oÈ konomisch einfach nicht leisten. »Brest-Litowsk« galt nicht nur fuÈ r die DDR, sondern auch fuÈ r die EntwicklungslaÈ nder.

1.3Zum Versta È ndnis von Auûenpolitik und Auûenwirtschaftspolitik der DDR

Das Besondere der sozialistischen und kommunistischen Auûenpolitik be- stand nach dem theoretischen SelbstverstaÈ ndnis ihrer Akteure in der Verwirk- lichung eines uÈ bernationalen Entwurfes. Ein Lexikon des Staatsverlages defi- nierte Auûenpolitik wie folgt: »Die Hauptaufgabe der sozialistischen A. besteht in der Sicherung der guÈ n- stigen internationalen Bedingungen fuÈ r den Aufbau des Sozialismus und Kommunismus. F¼) Die sozialistische A. befindet sich in UÈ bereinstimmung mit den GesetzmaÈ ûigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung, ihre Ausar- beitung und Realisierung erfolgt unter steter BeruÈ cksichtigung der Entwick- lung der internationalen KraÈ fteverhaÈ ltnisse. F¼) Wichtige Aufgaben der A. sind die solidarische UnterstuÈ tzung der nationalen Befreiungsbewegungen, das konsequente Auftreten gegen jede Form des Kolonialismus, Neokolo- nialismus und Rassismus und die Entwicklung und Festigung solidarischer

11 Zit. nach: Staadt, Jochen: Auf hoÈ chster Stufe ± GespraÈ che mit Erich Honecker. Berlin 1995, S. 39 Fim folgenden: Staadt: Auf hoÈ chster Stufe).

31 Beziehungen zu den national befreiten Staaten in Asien, Afrika und Latein- amerika, darunter zu den LaÈ ndern mit sozialistischer Orientierung. Die DDR entwickelt freundschaftliche Beziehungen zu den nichtpaktgebunde- nen Staaten, die sie als natuÈ rliche VerbuÈ ndete im gemeinsamen Kampf be- trachtet. Sie unterstuÈ tzt deren Kampf um die politische und oÈ konomische UnabhaÈ ngigkeit und tritt fuÈ r eine demokratische Umgestaltung der vom Im- perialismus gepraÈ gten internationalen Wirtschaftsbeziehungen ein.«12 Die Hauptaufgabe der sozialistischen Auûenpolitik wurde unter der FuÈ hrung der Sowjetunion und in Gemeinschaft mit den sozialistischen Staaten erfuÈ llt. Die eigenen Interessen sollten dem »Gesamtziel« und der uÈ bergeordneten Aufgabe untergeordnet werden. Dies ist fuÈ r die DDR in besonderem Maûe nachvollziehbar, da sie ihre Existenz aus dem Bestehen der sozialistischen Staatengemeinschaft und der »Mission der Arbeiterklasse« ableitete und nur schwer auf nationale Gegebenheiten bauen konnte. Die Vorgabe der Orientierung der eigenen Interessen an uÈ bernationalen Verpflichtungen und Werten uÈ berzog das auûenpolitische Engagement der DDR fuÈ r Beteiligte und Beobachter mit einem ganz eigenen Glanz. Im Selbst- verstaÈ ndnis der SED erhoffte man sich aus der UÈ bereinstimmung mit den Ge- setzmaÈ ûigkeiten der internationalen Entwicklung SchubkraÈ fte fuÈ r den eigenen Aufschwung. Diese zeitweise fast als Naturgesetz angenommenen KraÈ fte soll- ten ± staÈ rker als in anderen sozialistischen LaÈ ndern ± nationale Motive und KraÈ fte ersetzen. Nationale Momente konnte die DDR als deutscher Teilstaat nur sehr bedingt und nicht unproblematisch fuÈ r sich aktivieren. Dieser »Nach- teil« machte sie wiederum fuÈ r Dritte im Vergleich mit der Bundesrepublik at- traktiv. GegenuÈ ber den EntwicklungslaÈ nden wurde dies besonders deutlich. Was die Lexika nicht extra erwaÈ hnen, ist die fuÈ hrende Rolle der Partei der Arbeiterklasse, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, auch und be- sonders in der Auûenpolitik. Die fuÈ hrende Rolle hieû hier: die entscheidende, bestimmende und durchsetzende Funktion des PolitbuÈ ros und des Sekretaria- tes der SED sowie deren entsprechende Fachabteilungen, die uÈ ber den Mini- sterien standen, diese anleiteten und kontrollierten. Im Paragraph 1 Absatz 2 des Statutes des Ministeriums fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten vom 18. Fe- bruar 1970 ist dies gesetzlich geregelt: »Das Ministerium verwirklicht seine Aufgaben in DurchfuÈ hrung der Ver- fassung der Deutschen Demokratischen Republik und gemaÈ û den BeschluÈ s- sen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und den BeschluÈ ssen der Volkskammer, den Erlassen und BeschluÈ ssen des Staatsrates, den Ver- ordnungen und BeschluÈ ssen des Ministerrates.«13 Insgesamt wurde die Auûenpolitik der SED und damit der DDR mit der KPdSU und den Regierungsstellen der Sowjetunion abgestimmt. In den Be- ziehungen zu einzelnen afrikanischen Staaten hatte sich die SED aber einen gewissen Spielraum geschaffen.14

12 WoÈ rterbuch der Auûenpolitik und des VoÈ lkerrechts. Berlin 1982, S. 64. 13 Gesetzblatt der DDR, Teil II, Nr. 23 vom 14.3.1970, S. 173. 14 Vgl. GespraÈ ch des Verf. mit Dr. Friedel Trappel am 19.5.1999, im Anhang.

32 Die Auûenwirtschaftspolitik ± eine der Rahmenbedingungen fuÈ r die SuÈ dpo- litik der DDR ± wurde im Lexikon folgendermaûen umschrieben: »Die sozialistische A. [Auûenwirtschaft; d. Verf.] leistet einen wichtigen Bei- trag zur LoÈ sung der Hauptaufgabe in den sozialistischen Staaten, indem sie zur Versorgung der Volkswirtschaft mit den materiellen Produkten und Leistungen beitraÈ gt, die der staÈ ndig wachsenden Befriedigung der BeduÈ rf- nisse der WerktaÈ tigen dienen, und gleichzeitig ein wesentlicher Faktor der Intensivierung der fuÈ r die BeduÈ rfnisbefriedigung erforderlichen Produktion auf der Grundlage des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und der Steigerung der ArbeitsproduktivitaÈ t ist.«15 Noch vor der internationalen Anerkennung der DDR erstellte das BuÈ ro des ZK-SekretaÈ rs fuÈ r Internationale Verbindungen, Hermann Axen, ein als »per- soÈ nlich, streng geheim« eingestuftes Papier, das die angenommene Einheit von Auûen-und Auûenwirtschaftspolitik zum Ausdruck bringen sollte. Im Abschnitt »Die Aufgaben der Auûenpolitik der DDR gegenuÈ ber Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika« ist zu lesen: »Bei der Gestaltung der auûenpolitischen Beziehungen wird von folgenden GrundsaÈ tzen ausgegangen: 1. der Notwendigkeit der Intensivierung des nationalen Befreiungskampfes als wichtigem Frontabschnitt im Kampf gegen den Imperialismus, um die internationalen Positionen des Imperialismus zu schwaÈ chen und das KraÈ f- teverhaÈ ltnis weiter zugunsten der Staaten der sozialistischen Staatengemein- schaft zu veraÈ ndern; 2. der StaÈ rkung und Entwicklung von BuÈ ndnisbeziehungen mit Staaten, die den nichtkapitalistischen Entwicklungsweg beschreiten und die einer starken Konfrontation mit dem Imperialismus ausgesetzt sind; F¼) 5. der Realisierung der revolutionaÈ ren SolidaritaÈ t mit nationalen Befrei- ungsbewegungen und der Schaffung einer engen politischen Zusammenar- beit mit den progressiven Befreiungsbewegungen und somit den kuÈ nftigen regierenden Parteien; 6. der Sicherung der Gesamtinteressen der DDR; 7. der ErfuÈ llung der besonderen Aufgabe der DDR als sozialistischer deut- scher National-und Friedensstaat zur ZuruÈ ckdraÈ ngung des westdeutschen Imperialismus auch auûerhalb Europas, insbesondere durch¼ die Herstel- lung weiterer diplomatischer Beziehungen zu Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas; 8. der Konzentration der BemuÈ hungen um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Staaten, bei denen die guÈ nstigsten Voraussetzungen hierfuÈ r gegeben sind.«16

15 WoÈ rterbuch der Auûenpolitik und des VoÈ lkerrechts. Berlin 1982, S. 70. 16 Analyse und Prognose des internationalen KraÈ fteverhaÈ ltnisses und der Entwicklung der internationalen Beziehungen sowie die sich daraus ergebenden Erfordernisse fuÈ r die Auûenpolitik und die Auûenwirtschaftspolitik der DDR bis 1980. 25.1.1970, BuÈ ro H. Axen. BAZ DY IV 2/2 035/10, S. 172f.

33 AnlaÈûlich der »Internationalen Woche der SolidaritaÈt mit der aÈthiopischen Revolution« singen ThaÈlmann-Pioniere »Lieder der VoÈlkerfreundschaft« (1978).

Mit dem ersten Grundsatz wird das Grundmuster der Nachkriegsjahrzehnte, die Systemkonfrontation zwischen »Sozialismus« bzw. »Kommunismus« und »Kapitalismus« bzw. »Imperialismus« aufgenommen. Es geht um die Verbes- serung des KraÈ fteverhaÈ ltnisses zugunsten des sozialistischen Lagers. Da sozia- listisches Lager und sozialer Fortschritt synonym verstanden wurden, ist die systemimmanente Logik recht eindeutig: Je mehr Sozialismus es gibt, um so mehr soziale Gerechtigkeit stellt sich ein. Und je staÈ rker die sozialistischen LaÈ nder im Weltvergleich dastehen, desto besser geht es den EntwicklungslaÈ n- dern und deren Menschen. Im Umkehrschluû hieû das: Wer den Sozialismus und die ihn tragende Partei kritisiert, gefaÈ hrdet den sozialen Fortschritt und steht auf der »anderen Seite«, also gegen die Menschen, die unter ungerechten VerhaÈ ltnissen leiden. Sollte mit der »Hallstein-Doktrin«, durch Ausnutzung der Beziehungen und AbhaÈ ngigkeiten zur Bundesrepubik, die Ausbreitung des Einflusses der DDR verhindert werden, wurden die EntwicklungslaÈ nder nun durch die DDR fuÈ r eigene Interessen instrumentalisiert. Als Grundlage dafuÈ r dienten die Imperialismus-bzw. Weltrevolutionstheorie von Lenin und der »histori-

34 sche Optimismus« der 70er Jahre innerhalb der kommunistischen Parteien, der mit der Erwartung schnellen sozialen Fortschritts verbunden war.17 Die Entwicklungschancen der LaÈ nder der Dritten Welt werden in der Ana- lyse bei allen historisch-materialistischen GesetzmaÈ ûigkeiten als »eher gering« angesehen: »Auch bis 1980 werden die entwickelten kapitalistischen LaÈ nder den Hauptanteil am Auûenhandel behalten, wobei der Anteil der sozialistischen Staatengemeinschaft ± wenn auch nur langsam und konzentriert auf pro- gressive Staaten ± zunehmen wird.«18 Im Anschluû an die auûenpolitischen GrundsaÈ tze folgen die auûenwirtschaftli- chen, wobei betont wird, daû die auûenwirtschaftlichen Beziehungen wesentli- cher Bestandteil der Auûenpolitik der DDR sind. Im Gegensatz zur spaÈ teren Kommission EntwicklungslaÈ nder wurde es allerdings als wichtig angesehen, die Importstruktur der DDR von reinem Rohstoffimport schrittweise auf Halb- und Fertigerzeugnisse der EntwicklungslaÈ nder auszurichten. Die Entwicklungs- laÈ nder sollten an der Arbeitsteilung und der damit verbundenen WertschoÈ pfung durchaus mit beteiligt werden. NatuÈ rlich wurde auch die Verbesserung der Devi- senbilanz der DDR durch die Steigerung der Exporte gegen freikonvertierbare WaÈ hrungen als durchaus legitime Aufgabe der Auûenwirtschaft beschrieben.19 Die Vertretung der eigenen Interessen ist durchaus eine der Aufgaben der Au- ûenpolitik und Auûenwirtschaftspolitik. Die Gestaltung auswaÈ rtiger Beziehun- gen ist immer interessengeleitet. Wo vorschnell InteressenuÈ bereinstimmung, gar grundsaÈ tzliche UÈ bereinstimmung postuliert wird, ist besondere Obacht geboten.

FuÈ nf Jahre spaÈ ter verhandelte das PolitbuÈ ro der SED wieder ein Positionspa- pier zur SuÈ dpolitik: Am 15. April 1975 stand die »Orientierung fuÈ r die weitere Entwicklung der Beziehung der DDR zum subsaharischen Afrika« auf der Tagesordnung. FuÈ r die FuÈ hrung der DDR hatte sich die Lage erheblich ge- wandelt. Sie selbst war international anerkannt und gefordert und das sub- saharische Afrika in Bewegung. Die ± wie sollte es anders sein ± ebenfalls als »streng vertraulich« eingestufte Vorlage beginnt mit einem Zitat des »Politisch beratenden Ausschusses des Warschauer Vertrages« vom April des Vorjahres. In ihm heiût es: »UneingeschraÈ nkte SolidaritaÈ t mit dem gerechten Kampf der VoÈ lker Afrikas gegen imperialistischen Kolonialismus und Neokolonialismus sowie fuÈ r nationale Befreiung, oÈ konomische UnabhaÈ ngigkeit und sozialen Fortschritt sind die Grundlagen unserer Politik.«20

17 »Eine erfolgreiche LoÈ sung der oÈ konomischen Probleme [der nichtkapitalistischen Ent- wicklungslaÈ nder; d. Verf.] setzt einen erweiterten, allseitigen Ausbau der Zusammen- arbeit mit der sozialistischen Staatengemeinschaft voraus, ohne die so schwierige Entwicklungsprobleme wie z. B. die Anwendung moderner Technologien oder die Qua- lifizierung der Kader, nicht zu loÈ sen sind.« Ebenda, S. 87. 18 Ebenda, S. 173f. 19 Vgl. ebenda. 20 Orientierung fuÈ r die weitere Entwicklung der Beziehung der DDR zum subsaharischen Afrika. 15.4.1975, Tagesordnungspunkt 5, Einbringer: H. Axen, O. Fischer, P. Mar- kowski. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-1873.

35 Weiter wurde festgestellt: Das sich unaufhaltsam veraÈ ndernde KraÈ ftever- haÈ ltnis in der Welt schaffe eine guÈ nstige Lage fuÈ r die weitere Entfaltung der nationalen Befreiungsbewegungen, die Existenz der sozialistischen Staaten haÈ tte die imperialistischen MaÈ chte zu ZugestaÈ ndnissen bei der GewaÈ hrung von Krediten und Anleihen fuÈ r die wissenschaftlich-technische Zusammenar- beit gezwungen. Die Gefahr des »Maoismus« wird mit dem Hinweis darauf, daû sich zehn afrikanische Staatschefs in den letzten zwei Jahren in der Volks- republik China aufgehalten haÈ tten, hervorgehoben. Auûerdem heiût es, die DDR stehe in erheblicher Konkurrenz zu bi-und multilateralen Hilfsangeboten westlicher Staaten und Organisationen. Zu 29 der 36 subsaharischen Staaten haÈ tte die DDR diplomatische Bezie- hungen aufgenommen, aber nur fuÈ nf LaÈ nder haÈ tten Botschafter nach Ostber- lin entsandt. Zum Auûenhandel in das gesamte Gebiet zwischen der Sahara und dem Sam- besi wird ausgefuÈ hrt, daû er 1973 einen Umsatz von lediglich 32 Mio. Valuta- mark FVM) erreichte. 150 Experten weilten 1975 in verschiedensten Einsatzge- bieten in sechs LaÈ ndern. Lediglich mit zehn Staaten bestanden kommerzielle Abkommen. Als zukuÈ nftige SchwerpunktlaÈ nder werden erwaÈ hnt: Guinea, Gui- nea-Bissau, VR Kongo, VR Somalia und nach dem Erringen der UnabhaÈ ngig- keit: Mosambik und Angola. Noch in der Konzeption zur groûen Reise von Auûenminister Oskar Fischer vom 9. bis 21. Dezember 1976 nach Ostafrika wird darauf verwiesen, daû sich die DDR nicht in den zu besuchenden LaÈ ndern oÈ konomisch engagieren solle. Erwartungen und Bitten sei zuruÈ ckhaltend zu begegnen, legte das PolitbuÈ ro im November 1976 fest.21 Die Politik sollte der OÈ konomie nicht davonlaufen.

1.3.1 Die Transformationslehre

Die Determinierung der Transformationslehre, d. h. des »revolutionaÈ r zwangs- laÈ ufigen«, folgerichtigen Wechsels und »weltweit unumkehrbaren UÈ bergangs« vom Kapitalismus zum Sozialismus, praÈ gte weithin das SelbstverstaÈ ndnis der Auûenpolitik der SED-FuÈ hrung. Bestandteil der »Transformationslehre« vom Kapitalismus zum Sozialis- mus war die Theorie der drei revolutionaÈ ren HauptstroÈ mungen: 1. die sozialistische Staatengemeinschaft 2. die internationale Arbeiterbewegung und 3. die nationalen Befreiungsbewegungen. Erich Honecker schrieb in seiner 1980 erschienenen Autobiographie: »Objek- tiv sind die sozialistische Welt und die nationalen Befreiungsbewegungen na- tuÈ rliche VerbuÈ ndete.«22

21 Vgl. Reise des Ministers fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten der DDR, Genossen O. Fi- scher nach Ostafrika. Konzeption fuÈ r die Sitzung des PolitbuÈ ros vom 23.11.1976. BAZ DY JIV 2/2 A 2020±22, Nr. 26. 22 Honecker, Erich: Aus meinem Leben. Berlin 1980, S. 402.

36 Diese Verbundenheit wurde bzw. sollte durch verschiedene Formen der an- tiimperialistischen KlassensolidaritaÈ t als zweckgebundene SolidaritaÈ t zum Ausdruck gebracht werden. Der SolidaritaÈ tsgedanke wurde am 10. Juli 1974 im Artikel 6 Absatz 3 in die Verfassung aufgenommen: »Die DDR unterstuÈ tzt die Staaten und VoÈ lker, die gegen den Imperialismus und sein Kolonialregime, fuÈ r nationale Freiheit und UnabhaÈ ngigkeit kaÈ mp- fen, in ihrem Ringen um gesellschaftlichen Fortschritt.«23 Die 3. SaÈ ule der revolutionaÈ ren HauptstroÈ mungen war damit besonders be- gruÈ ndet und verankert. Auch das staatliche Auûenhandelsmonopol verfuÈ gte uÈ ber Verfassungsrang. Um die Vielfalt der EntwicklungslaÈ nder in einer einheitlichen Ordnung er- fassen zu koÈ nnen, wurden im Laufe der Jahre verschiedene Einteilungssy- steme entworfen.24 Eines davon war die Einteilung in EntwicklungslaÈ nder mit kapitalistischem bzw. nichtkapitalistischem Entwicklungsweg und in LaÈ nder mit sozialistischer Orientierung25 bzw. in sozialistische Entwicklungs- laÈ nder. Die Regionalwissenschaften26 der DDR betrieben den Ausbau dieser TheoriegebaÈ ude mit besonderer Sorgfalt, Ausdauer und Ergebenheit.27 Die Einteilung sollte neben der weltrevolutionaÈ ren Territorialplanung eine »Orientierungshilfe« fuÈ r die praktische Auûenpolitik und Auûenwirtschafts- politik geben. Auf die praktische Politik oder deren Beratung hatten sowohl diese TheorieuÈ bungen als auch die Regionalwissenschaften nur einen gerin- gen Einfluû. Bedeutender waren die EinfluÈ sse der OÈ konomen, wie sie vor al- lem durch die Hochschule fuÈ rOÈ konomie in Berlin-Karlshorst repraÈ sentiert wurden.

1.3.2 Zum SelbstverstaÈ ndnis der DDR bezuÈ glich ihres Auûenhandels mit EntwicklungslaÈ ndern

Nach dem ideologischen SelbstverstaÈ ndnis der DDR waren die eigenen wirt- schaftlichen Beziehungen mit EntwicklungslaÈ ndern, im Vergleich zu dem »Klassengegner Imperialismus«, von grundsaÈ tzlich anderem Charakter. »Die Grundprinzipien ihrer [der DDR; d. Verf.] oÈ konomischen Verbindun- gen sind die souveraÈ ne Gleichheit, voÈ llige Gleichberechtigung, Nichtdiskri- minierung und gegenseitiger Vorteil, verbunden mit antiimperialistischer SolidaritaÈ t. Im DDR-Auûenhandel erreichte der Warenaustausch mit den EntwicklungslaÈ ndern das hoÈ chste Wachstumstempo. Es ist ein vorrangiges

23 Verfassung der DDR, Artikel 9 Absatz 3. Berlin 1974. 24 Vgl. Spanger/Brock: Die beiden deutschen Staaten, S. 114ff. 25 Diese Gruppe umfaûte 1980 18 Staaten, darunter Mosambik und AÈ thiopien. Ebenda, S. 131. 26 Bezeichnung in der DDR fuÈ r die Hochschulsektionen der Afrika-, Nahost-, Asien- und Lateinamerikawissenschaften, zeitweise gehoÈ rten auch die Skandinavienwissenschaften dazu. 27 Zur Arbeitsweise der Afrika-und Orientwissenschaften in der DDR vgl. Hafez, Kai: Orientwissenschaften in der DDR ± Zwischen Dogma und Anpassung, 1969±1989. Schriften des Deutschen Orientinstitutes, Hamburg 1995.

37 Anliegen der DDR, den Beziehungen einen komplexen Charakter zu verlei- hen und sie nicht auf den Warenaustausch zu beschraÈ nken. Im Gegensatz zu den Zielen des Imperialismus und der internationalen Monopole gestal- tet die DDR ihre wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Beziehungen so, daû diese zur Entwicklung der ProduktivkraÈ fte beitragen. Dementspre- chend foÈ rdert sie die Verarbeitung von Rohstoffen im Erzeugerland, gehen die errichteten Betriebe in das nationale Eigentum dieser LaÈ nder uÈ ber und findet selbstverstaÈ ndlich kein Gewinntransfer statt.«28 FuÈ r einige befreundete EntwicklungslaÈ nder, die Mitglied des RGW waren, wurden diese GrundsaÈ tze teilweise angewandt. So erhielt Kuba uÈ ber Jahr- zehnte PraÈ ferenzpreise 29 fuÈ r bestimmte Produkte in Mark der DDR. FuÈ r Ni- caragua ist 1985 einmalig ein Barkredit in HoÈ he von 10 Mio. US-Dollar ver- geben worden. Die Summe wurde vom Konto 628 genommen. Dieses Konto fuÈ hrte Alexander Schalck-Golodkowski fuÈ r Erich Honecker zur besonderen Verwendung bei Staatsausgaben und speiste es aus KoKo-Gewinnen und Ein- nahmen. Soweit bekannt, war dies der einzige Kredit der DDR, der nicht auf Verrechnungsbasis vergeben wurde. FuÈ r die hier zu untersuchenden LaÈ nder Mosambik und AÈ thiopien sowie Angola wurden keine Vorzugspreise wie fuÈ r Kuba angeboten oder vereinbart. Sie waren auch nicht Mitglied des RGW. Der Auûenhandel legte groûen Wert auf die Verrechnung der WarenstroÈ me in US-Dollar zu Preisen, die durch die MonopolhaÈ ndler der DDR fuÈ r ihre Waren benannt wurden. Es wurde auf hoÈ chster Ebene entschieden, gegenuÈ ber den ausgewaÈ hlten und besonders be- freundeten LaÈ ndern Afrikas eine von Kuba sehr abweichende Handelspolitik zu betreiben. Hohe Gewinne fuÈ r die DDR-Wirtschaft aufgrund politischer Preise, meist in Form von Deviseneinsparungen, wurden angestrebt und wa- ren die Hauptmotivation fuÈ r den schnell vorangetriebenen asymmetrischen Handel. Gewinnmitnahmen waren spaÈ testens seit der Reise von Erich Ho- necker im Februar 1979 ein Ziel der Wirtschaftsbeziehungen. Diese Handelspraxis in Abweichung von der offiziellen Ideologie war kein Spezifikum der DDR. Die FuÈ hrungsmacht Sowjetunion verfuhr nicht anders und setzte den Maûstab fuÈ r die »politische Preisbildung«. Eine Studie zur Afrika- politik der Sowjetunion faût deren Handelspraxis folgendermaûen zusammen: »¼ die Sowjetunion ¼ verkauft ¼ ihre Produkte nicht billiger und kauft in den EntwicklungslaÈ ndern teurer ein als im Handel mit ihren imperialisti- schen Konkurrenten, sondern umgekehrt. Auf einen Blick kann man sehen,

28 Willerding, Klaus: Die Auûenpolitik der DDR und die LaÈ nder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. In: aala 4/1979, S. 576. 29 FuÈ r PraÈ ferenz-bzw. Vorzugspreise uÈ ber dem Weltmarktpreis wies die Staatliche Plan- kommission der DDR fuÈ r den Zeitraum 1986±1989 2 158,8 Mio. Mark und allein fuÈ r den Planansatz 1989 653,8 Mio. Mark, vor allem fuÈ r Kuba, aus. Die Sowjetunion zahlte den vierfachen und die kleinen RGW-Staaten den doppelten Betrag des Welt- marktpreises fuÈ r Zucker an Kuba. Diese als entwicklungspolitisch wertvoll herausge- stellten Preise koÈ nnten auch die Aufgabe gehabt haben, das kubanische militaÈ rische Engagement 1976 in Angola und ab 1977 in AÈ thiopien zu bezahlen. Vgl. Melchers, Konrad: Die sowjetische Afrikapolitik von Chruschtschow bis Breschnew. Berlin 1980, S. 151.

38 Im Hafen von Assab/AÈ thiopien werden Lastkraftwagen aus der DDR ± ausgewiesen als Solida- ritaÈtsgeschenk ± ausgeladen (1984).

daû die Sowjetunion in ihrem gesamten Auûenhandel nur politische Kon- kurrenzpreise kennt. Dort, wo sie den Markt beherrscht und politisch dik- tieren kann, verkauft sie mit SonderaufschlaÈ gen. Dort, wo sie oÈ konomisch und politisch einen Markt erschlieûen kann oder auch nur um Devisen zu bekommen, verkauft sie haÈ ufig unter den Produktionskosten.«30

Die handelspolitischen Beziehungen wurden komplex aufgefaût und als staat- liche Aufgabe mittels eingeschraÈ nkt unternehmerisch taÈ tiger, weisungsgebun- dener Betriebe durchgefuÈ hrt. Ein Groûteil des Handels mit befreundeten Ent- wicklungslaÈ ndern wurde ± unabhaÈ ngig von seinen auf eigene Gewinne bzw. Nutzeffekte abzielenden Absichten ± als UnterstuÈ tzung gewertet und beschrie- ben.31 Die beabsichtigte begriffliche UnschaÈ rfe bei den Definitionen und Kondi- tionen der »SuÈ dleistungen« der DDR ermoÈ glichte ein ideologisches UÈ berhoÈ hen der eigentlichen Ziele.32

30 Ebenda, S. 144. 31 Vgl. Hahn, Karla; Jacob, Eleonore: Charakter und Hauptformen der Wirtschaftsbezie- hungen DDR±EntwicklungslaÈ nder. In: aala 1/1986, S. 55ff. 32 So schreibt G. Mittag in seiner Biographie: »Zu beruÈ cksichtigen ist auch, daû in den achtziger Jahren fuÈ r rund 20,5 Milliarden Mark SolidaritaÈ tsleistungen beschlossen wur- den.« Mittag, GuÈ nter: Um jeden Preis. Berlin 1991, S. 241. Die OECD berechnete fuÈ r 1980 72 Mio. US-$. Vgl. OECD-Bericht. Paris 1981, S. 121±124.

39 Hinsichtlich der deutlichen Zunahme des Handels schreibt das Standard- werk der DDR ± aus der Kaderschmiede der DDR-AuûenhaÈ ndler, der OÈ ko- nomie-Hochschule Berlin-Karlshorst »Bruno Leuschner«, welche uÈ ber ein spezielles Institut fuÈ r die »OÈ konomik der EntwicklungslaÈ nder« verfuÈ gte ± zu den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den EntwicklungslaÈ ndern und den eu- ropaÈ ischen RGW-LaÈ ndern: »Wichtiger noch als die quantitative Entwicklung ist jedoch die Frage nach dem Inhalt der neu entstandenen Beziehungen. Es entwickelten sich interna- tional WirtschaftsbezuÈ ge, die auf Gleichberechtigung, Achtung der SouveraÈ - nitaÈ t und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten basieren und auf die StaÈ rkung der oÈ konomischen UnabhaÈ ngigkeit der EntwicklungslaÈ nder gerichtet sind. F¼) Im Unterschied zur Praxis der internationalen Wirt- schaftsbeziehungen innerhalb des kapitalistischen Wirtschaftssystems sind von seiten der sozialistischen LaÈ nder die Beherrschung wirtschaftlicher SchluÈ sselpositionen in EntwicklungslaÈ ndern durch Kapitalexport ausge- schlossen, ebenso die Ausbeutung durch Profittransfer, Transferpreise, Brain drain, die Ausnutzung wirtschaftlicher Macht fuÈ r politische Erpres- sung und anderes mehr. Vielmehr bieten die sozialistischen LaÈ nder den Ent- wicklungslaÈ ndern alle VorzuÈ ge eines Wirtschaftssystems mit dynamischer und von zyklischen Schwankungen freier Entwicklung. F¼) Das zentrale Planungssystem und das Auûenhandelsmonopol in den RGW-Staaten stel- len die notwendige Voraussetzung dar, um der internationalen Arbeitstei- lung mit den EntwicklungslaÈ ndern auf der Grundlage zwischenstaatlicher Abkommen die erwaÈ hnte Langfristigkeit und StabilitaÈ t zu verleihen.«33 Bei der Betrachtung der Auûenhandelsbeziehungen der DDR mit Entwick- lungslaÈ ndern muû beruÈ cksichtigt werden, daû der Auûenhandel ein »ganz be- sonderes Tabuthema« war.34 Die »langlebige Kraft« des Tabus speiste sich aus der GroÈ ûe der WiderspruÈ che zwischen den solidarischen Reden nach au- ûen und den angewandten Methoden sowie beabsichtigten Zielstellungen bei der »inneren« Gestaltung der Beziehungen zu diesen LaÈ ndern.

33 Klein, Ingo: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen EntwicklungslaÈ ndern und europaÈ i- schen RGW-LaÈ ndern. In: Autorenkollektiv FLeitung: Stier, Peter): Handbuch Entwick- lungslaÈ nder. SozialoÈ konomische Prozesse, Fakten und Strategien. Berlin 1987, S. 34f. Fim folgenden: Autorenkollektiv FLeitung: Stier, Peter): Handbuch EntwicklungslaÈ nder. 34 Vgl. Lippe, Peter van der: Die gesamtwirtschaftlichen Leistungen der DDR-Wirtschaft in den offiziellen Darstellungen. Die amtliche Statistik der DDR als Instrument der Agitation und Propaganda der SED. Frankfurt/M. 1995, S. 1973±2086. Als GruÈ nde dafuÈ rgibteran: 1. InteressengegensaÈ tze innerhalb des RGW; 2. die Abwicklung eines groûen Teiles des Auûenhandels auûerhalb des Planes durch den Bereich KoKo des Ministeriums fuÈ r Auûen- handel; 3. daû die »Propaganda gegen den Westen, insbesondere gegenuÈ ber der BRD un- glaubwuÈ rdig geworden waÈ re, wenn erkennbar gewesen waÈ re, daû die Kreditgabebereit- schaft des Westens das Regime oÈ konomisch eher unterstuÈ tzt als geschaÈ digt hat.« S. 1995.

40 1.4 Zur entwicklungspolitischen Einordnung der Afrikapolitik der DDR

Daû Entwicklungspolitik bzw. Entwicklungshilfepolitik auch ein PhaÈ nomen der Ost-West-Auseinandersetzung ist, zeigt sich nicht nur an der »Hallstein- Doktrin« oder der Bedeutung von Vorhutparteien in EntwicklungslaÈ ndern fuÈ r die SED. Es zeigt sich auch an Definitionen. Das »Kleine Politische WoÈ r- terbuch«35 versteht unter »sozialistischer Hilfe« im Gegensatz zur »buÈ rgerli- chen Entwicklungshilfe« die oÈ konomische und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten mit EntwicklungslaÈ ndern, die UnterstuÈ tzung in ihrem Kampf um UnabhaÈ ngigkeit sowie in ihrer oÈ konomi- schen und sozialen Entwicklung. Sie beansprucht »echte Hilfe« zu sein und die »wirklichen Interessen« der EntwicklungslaÈ nder zu vertreten. Die AbhaÈ n- gigkeit der EntwicklungslaÈ nder von den westlichen IndustrielaÈ ndern sollte durch die »sozialistische Hilfe« uÈ berwunden werden. Dies druÈ ckt sich in kon- sequenter Weise in der Forderung nach einer Neugestaltung der internationa- len Wirtschaftsordnung aus. Der Auûenhandel wurde folglich mit zur »sozialistischen Hilfe gerech- net«36. »Entwicklungshilfe« wird verstanden als »nichtmarxistischer Begriff fuÈ r Formen des Exports staatlichen Kapitals aus vornehmlich imperialistischen LaÈ ndern in die EntwicklungslaÈ nder zur Sicherung der Rahmenbedingungen neokolonialer Ausbeutung«37. Die DDR sah die Hauptursachen fuÈ r die anhaltende Unterentwicklung in der kolonialen Ausbeutung und in den AustauschverhaÈ ltnissen des Weltmark- tes, die weitgehend ohne ihr Zutun stattfanden. »Deshalb lehnt die DDR sol- che Thesen ab, in denen von einer gemeinsamen Verantwortung aller Staaten fuÈ r die entstandene prekaÈ re oÈ konomische Lage, insbesondere der Entwick- lungslaÈ nder, die Rede ist.«38 In dem Konzept einer »Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung« FNIWO)39 auf internationaler Ebene fanden sich wichti- ge Interessen der EntwicklungslaÈ nder und der sozialistischen Staaten schein- bar gleichermaûen wieder. Beide sahen die Forderungen nach Zahlung oÈ ffent- licher Entwicklungshilfe als Kompensation fuÈ r die Verluste aus vergangener und gegenwaÈ rtiger Ausbeutung an. GemaÈ û dem SelbstverstaÈ ndnis der politi- schen FuÈ hrung der DDR war die Praxis der DDR prinzipiell frei von »unbe-

35 Kleines politisches WoÈ rterbuch. Berlin 1986, S. 1007. 36 Ebenda, S. 1071. 37 Autorenkollektiv FLeitung: Stier, Peter): Handbuch EntwicklungslaÈ nder, S. 198. 38 Aus: Rede des Auûenministers der DDR, H. SoÈ lle, vor der V. UN-Konferenz fuÈ r Han- del und Entwicklung FUNCTAD) am 14.5.1979 in Manila. Zit. nach: Horizont 23/ 1979, S. 2. 39 Die Deklaration und das Arbeitsprogramm zur NIWO wurden im Mai 1974 von der UN-Generalversammlung gebilligt. Es forderte vor allem eine Umgestaltung des inter- nationalen Finanzsystems, u. a. eine Kopplung der Rohstoffpreise an die Preise der von EntwicklungslaÈ ndern importierten Fertigwaren.

41 rechtigten« Gewinnmitnahmen. Stellten sich doch Bedenken ein, wurden diese mit der BegruÈ ndung, es waÈ ren nur geringe BetraÈ ge gewesen, und mit dem Ver- weis auf die geleistete, vermeintlich solidarische Hilfe verdraÈ ngt und niederge- schlagen. Eine Anerkennung der Unterentwicklung als globales Problem und als Her- ausforderung, auch fuÈ r die oÈ stlichen Industriestaaten, erfolgte nicht. Die LoÈ - sung dieser Frage sah man eingebettet in den »Automatismus« des histori- schen Entwicklungsprozesses: Vorausgesetzt, der Imperialismus kann bekaÈ mpft und zuruÈ ckgedraÈ ngt werden ± was den Sieg des Sozialismus bedeu- tet haÈ tte, denn es gab kein anderes nachfolgendes System ±, kaÈ me es konse- quenterweise zu einer positiven Entwicklung der weltweiten sozialen VerhaÈ lt- nisse. Die Sicherung der sozialen und politischen GrundbeduÈ rfnisse in den progressiven Nationalstaaten war nach diesem VerstaÈ ndnis grundsaÈ tzlich dar- in eingeschlossen. Konzepte zur GrundbeduÈ rfnisabsicherung der BevoÈ lkerung in Entwick- lungslaÈ ndern, PartizipationsansaÈ tze der Bewohner im laÈ ndlichen Raum, Res- sourcenschutz, ErnaÈ hrungssicherung, die uÈ ber Katastrophenhilfe oder die Versorgung von MilitaÈ rangehoÈ rigen hinausging, oder Gemeinwesenarbeit wurden nach den Unterlagen der »Kommission EntwicklungslaÈ nder« und dem PolitbuÈ ro bzw. deren DurchfuÈ hrungsorganisationen, wie dem Solidari- taÈ tskomitee der DDR, weder erwogen noch diskutiert, geschweige denn um- gesetzt. Die federfuÈ hrende und planende Kompetenz war nach den Entschei- dungen der ParteifuÈ hrung fest bei den AuûenhaÈ ndlern verankert. Dem war nur schwer zu entkommen. FuÈ r Maûnahmen und EinsaÈ tze der Wissenschaft- lich-Technischen Zusammenarbeit FWTZ)40 und der Kulturell-Wissenschaftli- chen Zusammenarbeit FKWZ)41 hat es seit 1975 hauptsaÈ chlich oÈ konomische Zielstellungen gegeben. Schon zwei Jahre vor der ersten akuten Finanzkrise, noch in ruhigeren Wassern und auf dem HoÈ hepunkt der internationalen An- erkennungswelle der DDR, behandelt das schon erwaÈ hnte auûenpolitische Orientierungskonzept fuÈ r das subsaharische Afrika die WTZ-und KWZ-Ein- saÈ tze. Demnach dienen die KWZ-EinsaÈ tze der UnterstuÈ tzung bei der LoÈ sung auûenpolitischer Aufgaben sowie der FoÈ rderung einer fuÈ r die DDR vorteil- haften wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Vergleichbares wird zur WTZ ge- sagt. Das aus dem Auûenministerium und der ZK-Abteilung fuÈ r Internatio- nale Verbindungen stammende Papier argumentiert fast durchgaÈ ngig entlang der oÈ konomischen Interessen der DDR. Die groûe Zahl der Spezialisten und Experten, wie die FachkraÈ fte im DDR- Sprachgebrauch genannt wurden, reiste durch Auûenhandelsbetriebe, wie zum Beispiel »Limex« oder »intercoop«, aus. Damit waren sie direkt oder in- direkt in die »Linie« Auûenhandel eingebunden. Viele WTZ-und KWZ-Ab- kommen wurden durch das Ministerium fuÈ r Auûenhandel vorbereitet und ab- geschlossen. GuÈ nter Mittag unterzeichnete eine Vielzahl von ihnen persoÈ nlich.

40 PersonaleinsaÈ tze vor allem bei industriellen und landwirtschaftlichen Vorhaben. 41 PersonaleinsaÈ tze vorrangig im Bildungsbereich und deutlich geringer auf medizini- schem Gebiet.

42 Durch Berichtspflicht vor der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder und die sich daraus ergebende Weisungsbindung waren weitere Institutionen der »SuÈ dkooperation« dieser Hierarchie unterstellt: so der Sportbund, der FDJ- Zentralrat, der EinsaÈ tze in EntwicklungslaÈ ndern mit den »Brigaden der Freundschaft« im Auftrag des PolitbuÈ ros durchfuÈ hrte, und das SolidaritaÈ ts- komitee. Fragen nach dem Nutzen der Projekte fuÈ r das jeweilige Entwick- lungsland sowie die Kontrolle anvisierter Ziele, vergleichbar einer entwick- lungspolitischen Teil-oder Gesamtrechnung bzw. Evaluierung, wurden in der Kommission EntwicklungslaÈ nder und ± soweit einsehbar ± auch in anderen Organen nicht verfolgt. Ausschlaggebend war das Planziel bzw. die Umset- zung der angeordneten Maûnahmen. BezuÈ glich einer auûenpolitischen Dis- kussion wurde auf oÈ konomischem Terrain weitgehend auf den Kampf um die LebensfaÈ higkeit der DDR und auf ideologischem Feld auf die Einbettung in den Kampf gegen den Imperialismus verwiesen.

Der Charakter der SuÈ dpolitik der DDR-FuÈ hrung, auf der einen Seite Devi- senbeschaffung, auf der anderen Seite internationale SolidaritaÈ t, kommt auch in dem besonderen Umgang mit den Informationen zur SuÈ dpolitik zum Aus- druck. JaÈ hrlich hat das PolitbuÈ ro uÈ ber die statistischen Zahlen zur »solidari- schen UnterstuÈ tzung« und ihre Verwendung in der OÈ ffentlichkeit beraten. Man war sich der GefaÈ hrdung des internationalen Ansehens der DDR bei Be- kanntwerden der widerspruÈ chlichen Zahlen bewuût und fuÈ rchtete den Vor- wurf einer doppelzuÈ ngigen Politik. Offiziell wurde die Nichtbekanntgabe der Daten mit grundlegenden qualitativen Unterschieden zwischen der kapitalisti- schen und sozialistischen Entwicklungshilfe begruÈ ndet.42 Ab 1983 wurden Statistiken veroÈ ffentlicht. Noch heute sind die vorliegenden Informationen und Materialien zur Ent- wicklungspolitik bzw. SuÈ dpolitik der DDR luÈ ckenhaft. Eine der Ursachen ist die Vermischung von Entwicklungshilfe und kommerziellem Auûenhandel. Hinzu kommt die jahrelang betriebene Geheimhaltung der oÈ konomischen GroÈ ûen und ihre nur bedingte Vergleichbarkeit mit anderen internationalen Angaben.43 Die FuÈ hrung der DDR verstand ihre Afrikapolitik als Sonderfall der Bezie- hungen zu LaÈ ndern und VoÈ lkern der Dritten Welt. Dabei befand sie sich in einer bestaÈ ndigen Spannung zwischen ideologischen und sozialen Wunschbil- dern, historisch empfundenem Auftrag, politischer Praxis und oÈ konomischen Absichten bzw. Notwendigkeiten. Diese Spannung sollte durch die Geschlos- senheit des Kreises der Akteure und durch Verdunklung verdeckt beziehungs- weise gemindert werden. Im Folgenden wird versucht, wesentliche Strukturen des Engagements der DDR in Afrika ab 1975 nachzuzeichnen und ihre Wir- kungsweisen am Beispiel von AÈ thiopien und Mosambik zu erlaÈ utern.

42 Vgl. Hess, Peter: Soziale Marktwirtschaft ± morbide Herrschaftskonzeption des Mono- polkapitals. In: Einheit 3/1977, S. 975. 43 Vgl. Stier, Peter: Gedanken zu einer europaÈ ischen Entwicklungspolitik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. In: Entwicklungspolitische Gesellschaft e. V. FHrsg.): Osteuro- pas Entwicklungspolitik und Zusammenarbeit ± Was bleibt? Berlin 1992, S. 29.

43 2 Die institutionelle und personelle Verankerung der SuÈ dpolitik der DDR

2.1 Die Kommission EntwicklungslaÈ nder des PolitbuÈ ros des ZK der SED

Am 20. Dezember 1977 beschloû das PolitbuÈ ro des ZK der SED: »Zur Koor- dinierung der oÈ konomischen, kulturellen, wissenschaftlich-technischen und der TaÈ tigkeit im nichtzivilen Bereich in den LaÈ ndern Asiens, Afrikas und des arabischen Raumes wird eine zeitweilige Kommission des PolitbuÈ ros gebil- det.«1 Mit diesem Schritt ging ein Jahr aÈ uûerster Anspannung und rastloser AktivitaÈ ten der Regierung der DDR zu Ende. Ein vergleichbar aufregendes und kritisches Jahr hatten die Genossen in der Honecker-AÈ ra bisher nicht meistern muÈ ssen.

Das PolitbuÈ ro ± als unangefochten hoÈ chstes Organ der Macht der DDR und letzte Instanz ± hatte sich mit der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder2 ein In- strument geschaffen, das fuÈ r die vielfaÈ ltigen, vor allem oÈ konomischen Bezie- hungen der DDR zur 6so von ihr nicht genannten) »Dritten Welt« praÈ gende Wirkungen hinterlassen sollte. Die Beziehungen zu den jungen und befreiten Nationalstaaten, genauer zu den EntwicklungslaÈ ndern im nichtsozialistischen Ausland wurden in den Rang der Bereiche gehoben, fuÈ r die das PolitbuÈ ro spe- zielle Kommissionen oder separate Arbeitsgruppen eingerichtet hatte. Dazu gehoÈ rte beispielsweise neben der Wirtschafts- und der Auûenpolitischen Kom- mission auch eine Kommission fuÈ r Agitation oder die Arbeitsgruppe Zahlungs- bilanz.3 Insgesamt wurden nur neun derartige Kommissionen zur Vorbereitung von BeschluÈ ssen, die von den SED-Oberen als besonders beratungsintensiv und wichtig angesehen wurden, eingesetzt. Vor allem fuÈ r die Ausgestaltung der Kontakte und die Intentionen der Zu- sammenarbeit mit den LaÈ ndern Mosambik und AÈ thiopien hatten die Festle- gungen der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder und die Diskussionen in de- ren Umfeld nachdruÈ ckliche Auswirkungen. Die Hochrangigkeit und das Gewicht der Kommission geht aus der Liste der berufenen bzw. eingesetzten Mitglieder hervor. Der Kommission gehoÈ rten laut GruÈ ndungsbeschluû des PolitbuÈ ros an:

1 Beschluû des PolitbuÈ ros vom 20.12.1977. BAZ DY 30 JIV 2/2 1705, Protokoll-Nr. 49/77. 2 Der Aktenband »GruÈ ndung und AufloÈ sung der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder«, BAZ DE-1 15 509, wird im Verzeichnis des BAZ gefuÈ hrt, konnte aber nicht gefunden werden. Das BAZ teilte dem Verfasser am 25.2.1997 mit: »Die Recherche nach der Akte verlief leider erfolglos. Eine Verlagerung ist nicht auszuschlieûen. Nur eine zur Zeit nicht durchfuÈ hrbare Revision des Gesamtbestandes koÈ nnte eine Verlagerung aufdecken und die Akte benutzbar machen.« Trotzdem sollen einige ZusammenhaÈ nge rekonstruiert werden. 3 Vgl. Modrow, Hans: Das Groûe Haus. Frankfurt/O. 1994, S. 34f.

44 GuÈnter Mittag 2. v. l.), Alexander Schalck 4. v. l.) u. a. im GespraÈch mit der Delegation aÈthio- pischer Wirtschaftsexperten unter Leitung von Oberstleutnant Haddis Tedla 2. v. r.) am 27. No- vember 1980.

±GuÈ nter Mittag, Mitglied des PolitbuÈ ros 6MPB), Leiter der Kommission, ZK-SekretaÈ rfuÈ r Wirtschaft, als Vorsitzender; ± Hermann Axen, MPB, ZK-SekretaÈ rfuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten; ± Werner Lamberz, MPB, ZK-SekretaÈ rfuÈ r Agitation; ± Werner Jarowinsky, Kandidat des PolitbuÈ ros, verantwortlich fuÈ r Handel und Versorgung; ± Wolfgang Rauchfuû, Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates, Minister fuÈ r Materialwirtschaft; ± Paul Markowski, Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK der SED, Vertrauter von Lamberz 6sein Stellvertreter war Friedel Trap- pen); ± Klaus Willerding, Stellvertreter des Ministers fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenhei- ten; ± Alexander Schalck-Golodkowski, Leiter des Bereiches Kommerzielle Koor- dinierung 6KoKo) und StaatssekretaÈ r im Ministerium fuÈ r Auûenhandel; ± Dieter Albrecht, Stellvertreter des Vorsitzenden der Staatlichen Plankom- mission, SekretaÈ r der Kommission; ± Friedmar Clausnitzer, Stellvertreter des Ministers fuÈ r Auûenhandel; ± Rudi Wecker, Stellvertreter des Ministers fuÈ r Elektrotechnik und Elektro- nik; ± Walter Krause, Stellvertreter des PraÈ sidenten der Auûenhandelsbank;

45 ± Leitender Mitarbeiter des Ministeriums fuÈ r Nationale Verteidigung, ohne Namen; ± Leitender Mitarbeiter des Ministeriums fuÈ r Staatssicherheit, ohne Namen.

Als Vorsitzender, ohne einen Stellvertreter zu benennen, lieû sich der SekretaÈ r des ZK der SED fuÈ r Wirtschaft, GuÈ nter Mittag, einsetzen. Mit der FuÈ hrung der Kommission durch den Wirtschaftslenker der SED und engsten Vertrau- ten von Erich Honecker seit 1976, GuÈ nter Mittag, war deren oÈ konomische Ausrichtung und Zielstellung festgelegt. Als SekretaÈ r wurde Dieter Albrecht, einer der Stellvertreter des Vorsitzen- den der Staatlichen Plankommission, Gerhard SchuÈ rer, bestimmt. Durch diese Besetzung war ein Kompromiû gefunden worden, der die Einbindung in den Staatsapparat gewaÈ hrleisten sollte. Die Anregung zur Bildung dieses Gremiums stammte wohl von Werner Lamberz, dem Reisepolitiker der SED und haÈ ufigen Sonderbotschafter von Erich Honecker in LaÈ ndern der suÈ dlichen HemisphaÈ re. So erinnerte sich je- denfalls ein leitender Mitarbeiter der Kommission.4 Schon zu Beginn des Jah- res hatte das PoltibuÈ ro in Auswertung einer Reise von Auûenminister Oskar Fischer die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft zur Koordinierung der TaÈ tig- keiten gegenuÈ ber Afrika beschlossen, ohne deren Aufgaben und Status zu be- schreiben. »Unter FederfuÈ hrung des MfAA ist eine AG zu bilden, die die TaÈ tigkeit der nach Afrika wirkenden DDR-Institutionen koordiniert.«5 Zum Jahresende 1977 kam es zur geplanten GruÈ ndung. Die Ereignisse der zuruÈ ckliegenden Monate bewirkten aber die Abgabe der »FederfuÈ hrung« durch das MfAA. Dessen Minister war weder Mitglied noch Kandidat des PolitbuÈ ros, auch wenn ihm aufgrund der gemeinsamen Zeit in der Leitung der FDJ beste Kon- takte zu Erich Honecker nachgesagt wurden.6 SpaÈ testens mit der Berufung der Mitglieder und der Leitung der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder war die Auûenpolitik zur Magd der Auûenwirtschaftspolitik gegenuÈ ber Afrika ge- worden.

Die Kommission war notwendig geworden, weil der Handel mit Entwick- lungslaÈ ndern mittels einer auûerplanmaÈ ûig beschlossenen Export- und Import- offensive staÈ rker in die oÈ konomische UÈ berlebensstrategie der SED eingebun- den werden sollte. Dieser Vorstoû erfolgte mit der RuÈ ckendeckung und unter dem Schutzmantel der »Internationalen SolidaritaÈ t«. BegruÈ ndet lag er in dem Schreck und der Not angesichts der gravierenden Defizite der DDR-Wirt- schaft. Das neue Gremium beruÈ hrte etliche Einfluû- und Verantwortungsbe- reiche von PolitbuÈ romitgliedern des Regierungsapparates und von Ministe-

4 Im GespraÈ ch mit dem Verf. am 14.12.1998. 5 Bericht der Reise des Ministers fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten nach Ostafrika vom 9.±21.12.1976. Sitzung des PolitbuÈ ros vom 11.1.1977, TOP 7. BAZ DY DY IV 2/2 A 2035, Bd. II, Bl. 29. 6 »Fischer konnte immer direkt zu Honecker gehen.« Dr. Friedel Trappen im GespraÈ ch mit dem Verf. am 19.5.1999, im Anhang.

46 rien. RessortuÈ bergreifend sollten mit der denkbar steilsten Hierarchie, von ganz oben an den verschiedenen parteilichen, staatlichen und planerischen Ebenen vorbei und unter Einbindung aller Verantwortlichkeiten schnellst- moÈ glich zusaÈ tzliche Ergebnisse erzielt werden. Hinzu kam, daû der »WirtschaftsfluÈ gel« des PolitbuÈ ros, vertreten durch GuÈ nter Mittag, das als lukrativ und gleichzeitig kostspielig angesehene Han- delsfeld »SuÈ d« nicht aus der Hand geben und den oÈ konomisch unzuverlaÈ ssi- gen Revolutionstheoretikern um Werner Lamberz uÈ berlassen wollte. In der Kommission, die spaÈ ter wegen des dominanten Einflusses ihres Vorsitzenden den kurzen Namen »Mittag-Kommission« erhalten sollte, wurden ausschlieû- lich die EntwicklungslaÈ nder behandelt, mit denen die DDR ihren Handel auf der Basis von frei konvertierbaren WaÈ hrungen betrieb. Zur Vorlage und Bera- tung kamen nur die Beziehungen mit den EntwicklungslaÈ ndern der »Dollar- Zone«. Die durch entsprechende VertraÈ ge mit der DDR verbundenen LaÈ nder, die direkte oder assoziierte Mitglieder des RGW waren, wie die Mongolei, die Sozialistische Republik Vietnam, Kuba oder zeitweise Laos und Kambodscha wurden der »Rubelzone« zugerechnet. Folglich waren sie fuÈ r die »Mittag- Kommission« nicht von Interesse. Die Kommission EntwicklungslaÈ nder be- zog zur Absicherung ihrer Ziele weitere Politikbereiche mit ein. Sie agierte vor allem als ErgaÈ nzung des Westhandels. Die Einberufung der Kommission zum Jahresende 1977 muû auch als Aus- druck des Unmutes etlicher aÈ lterer Herren im PolitbuÈ ro gegenuÈ ber Werner Lamberz angesehen werden. Der vermeintliche Kronprinz des noch gar nicht so lange im Chefsessel sitzenden Erich Honecker versprach viel auf seinen haÈ ufigen und ausgedehnten Reisen in den EntwicklungslaÈ ndern, aber er stimmte es nicht immer ausreichend mit der »OÈ konomie« und den OÈ konomen ab. In seiner andere Menschen gewinnenden weltgewandten Art, als Chefideo- loge einer erfolgreichen kommunistischen Partei, die ein Industrieland in der Mitte Europas fuÈ hrte, zudem noch jung an Jahren, brachte er oÈ fters VorschlaÈ - ge und Projekte von Reisen mit, die bisweilen weitreichende oÈ konomische Konsequenzen hatten. Aber Wirtschaft war nicht sein vorrangiges Ressort und lag nicht in seiner Kompetenz, obwohl er sich immer wieder mit oÈ kono- mischen Fragen beschaÈ ftigte. Er konnte auch schnell entwerfen und verspre- chen, denn die materielle Seite seiner Ideen und Vorstellungen betraf nicht die Kontingente, Kosten und Ressourcen der drei von ihm geleiteten ZK-Abtei- lungen.7 Die Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder sollte Werner Lamberz in die Ge- meinschaft der »kollektiven Leitung« des PolitbuÈ ros einbinden, seine Aktivi- taÈ ten kontrollieren und an den realen Notwendigkeiten und MoÈ glichkeiten der DDR ausrichten.

7 W. Lamberz waren die ZK-Abteilungen Agitation, Propaganda und befreundete Partei- en direkt unterstellt. G. Mittag unterstanden mit zehn Abteilungen die meisten und von der Anzahl der Mitarbeiter her umfangreichsten Abteilungen. H. Axen unterstanden drei Abteilungen.

47 »Denn Werner Lamberz machte in den EntwicklungslaÈ ndern immer gleich groûe Versprechungen. Die Wirtschaftsleute sagen, der Lamberz hat gut re- den, aber wir muÈ ssen ackern. Mittag paûte das uÈ berhaupt nicht. Was Lamberz versprach, muûte Mittag ausloÈ ffeln. 6¼) Lamberz hatte natuÈ rlich bei Honecker einen Stein im Brett.«8 Dem GruÈ ndungsbeschluû fuÈ r die Kommission war ein Punkt hinzugefuÈ gt, der einen weiteren Hinweis auf den aktuellen Anlaû der Einsetzung erlaubt. Ge- nosse Werner Lamberz sollte die im Februar 1978 in Ostberlin tagende Sit- zung der gemeinsamen Kommission Libyen±DDR leiten. Es standen milliar- denschwere Entscheidungen an und Aussichten auf Besserung der finanziellen Lage. Die sollte er nicht allein treffen. Die kollektive Leitung stand bereit.

Die verschiedenen Interessen der ZK-Abteilungen bestimmten die hochrangi- ge Besetzung dieses »EntwicklungslaÈ ndergremiums«. Bis auf Erich Honecker selbst, der als »Nummer Eins« immer das erste Exemplar der Unterlagen er- hielt, waren die wichtigsten Bereiche des PolitbuÈ ros mit ihren ersten Leuten direkt in der Kommssion vertreten: Wirtschaft, Auûenpolitik, Handel und Agitation. Die alten Herren des PolitbuÈ ros konnten so besser ihren Ressortin- teressen nachkommen und die Vielzahl der Beziehungen zu EntwicklungslaÈ n- dern und Befreiungsbewegungen nutzen. In gewisser Weise kann die Bildung der Kommission auch als ein »innerbetrieblicher« Akt der »Demokratisie- rung« oder »Kollektivierung« des PolitbuÈ ros verstanden werden. Auûerdem sollte der sehr kurze Weg von Werner Lamberz zu Erich Honecker verlaÈ ngert und uÈ ber mehrere Stufen gefuÈ hrt werden. Die Sicherheitsorgane durften in diesem sensiblen Bereich natuÈ rlich auch nicht fehlen, sie schickten stellvertre- tende Minister. Die Verzahnung der verschiedenen SuÈ daktivitaÈ ten der DDR-Ministerien und der Partei lieûen den Eindruck aufkommen, daû hier ein »Entwicklungs- kabinett aÁ la GDR« entsteht. Zumindest die Mitarbeiter im Sekretariat der Kommission verstanden sich so. Als Aufgabe der Kommission wurde durch das PolitbuÈ ro offiziell formuliert: »Durch die Kommission sind die ¼ Probleme, die die TaÈ tigkeit der SED und der Regierung der DDR in Asien, Afrika und im arabischen Raum be- treffen, zu beraten und zu koordinieren sowie die entsprechenden Entschei- dungen fuÈ r das PolitbuÈ ro und die Regierung der DDR vorzubereiten.«9 Die Kommission wurde als ein beratendes Gremium bestimmt, das alle ihr Gebiet betreffenden Entscheidungen abschlieûend vorbereiten sollte. In der Praxis wurden die BeschluÈ sse jedoch nicht nur vorbereitet, sondern auch ent- schieden. Das PolitbuÈ ro nickte nur ab und »winkte durch«. Die Kommission galt als maÈ chtig. Ihr Vorsitzender war jedem im Apparat gut bekannt. Mit den Adjektiven oÈ konomisch, kulturell, wissenschaftlich-technisch und nichtzivil wurde die gesamte Breite der praktischen Beziehungen und damit der Groûteil der auûenpolitischen BetaÈ tigungsfelder erwaÈ hnt. Die Kommissi-

8 GespraÈ ch des Verf. mit Dr. F. Trappen am 19.5.1999, im Anhang. 9 Beschluû des PolitbuÈ ros vom 20.12.1977. BAZ DY 30 JIV 2/2 1705.

48 on war somit nicht nur ein Richtliniengremium fuÈ r den Auûenhandel, sondern auch fuÈ r die erweiterten SuÈ dbeziehungen, einschlieûlich der solidarischen oder unentgeltlichen Hilfe, der Wissenschaftlich-Technischen Zusammenarbeit 6WTZ) und der Kulturellen Zusammenarbeit, zustaÈ ndig. Die Begriffe »Wis- senschaftlich-Technische Zusammenarbeit« und »Kulturell-Wissenschaftliche Zusammenarbeit« 6KWZ) kamen im VerstaÈ ndnis der DDR-OÈ konomen dem westlichen Begriff von »Entwicklungshilfe« am naÈ chsten.10 Die sogenannten WTZ- und KWZ-VertraÈ ge regelten die EinsaÈ tze eines groûen Teiles der Ex- perten und Spezialisten aus der DDR. Als WTZ-Experten wurden meist die OÈ konomen, Techniker und Ingenieure, Landwirte und Bauleute bezeichnet. Als KWZ-Experten entsandte die DDR die Lehrer, Bildungsplaner und Do- zenten sowie in geringem Umfang medizinisches Personal. Der im GruÈ ndungsbeschluû zur Kommission noch vorhandene Terminus »nichtzivil« wurde bis zur ersten Sitzung am 5. Januar 1978 wieder gestrichen. Er tauchte in keinem der versandten Einladungen oder Protokolltexte wieder auf. UÈ ber diese unterlaufene Offenheit oder angezeigte Absicht waren die Ge- nossen wohl selbst uÈ berrascht. Nach Aussage von leitenden Mitarbeitern der Kommission beschaÈ ftigte sich dieses Gremium nie mit Waffenhandel oder dem Verkauf von militaÈ rischen GuÈ tern. Das kann so nicht bestaÈ tigt werden. Aus einem Vermerk von Ende Januar 1978, zur vierten Sitzung der Kom- mission, geht hervor, daû noch Reserven in diesem speziellen Bereich fuÈ r den Auûenhandel zu erschlieûen sind, daû der Verkauf von MilitaÈ r- und Waffen- technik vor den Hilfs- und SolidaritaÈ tslieferungen mit Waffen zu realisieren sei und daû »generell festgelegt werden sollte, daû kuÈ nftig der Plan fuÈ r diese Lieferungen von militaÈ risch-technischen AusruÈ stungen in der Kommission be- raten wird, bevor ihn die zustaÈ ndigen Organe zur BestaÈ tigung erhalten«.11 Die Absicht ist deutlich. Es sollten auch bestimmte Bereiche des Waffen- handels in der Kommission behandelt werden. Nur so ist die regelmaÈ ûige Teil- nahme des stellvertretenden Auûenhandelsministers fuÈ r den »Speziellen Au- ûenhandel«, Generalmajor SchoÈ nherr, an den Sitzungen zu erklaÈ ren. Unter »speziellem Auûenhandel« wurde der Im- und Export von RuÈ stungsguÈ tern der DDR verstanden. Dies betraf sowohl den Bereich des Warschauer Vertra- ges zur regulaÈ ren Versorgung der NVA als auch VerkaÈ ufe und Beschaffung von RuÈ stungsguÈ tern auûerhalb dieses BuÈ ndnisses. Da Schalck-Golodkowski den Zugriff zur Staatsreserve und damit auch zur Waffentechnik hatte und fuÈ r die Vermarktung zustaÈ ndig war, ist die Koordinierung von Teilen des Waffenhandels mit EntwicklungslaÈ ndern durch die Kommission nicht auszu- schlieûen. Wie weit in der »Mittag-Kommission« tatsaÈ chlich uÈ ber MilitaÈ rtech- nik beraten wurde, kann nicht abschlieûend beurteilt werden. In den Protokol- len, welche uÈ ber 20 AktenbaÈ nde fuÈ llen, die in der Staatlichen Plankommission zur Arbeit der Kommission angelegt worden waren, sind keine weiteren Vor-

10 Vgl. Spanger/Brock: Die beiden deutschen Staaten, S. 222ff. 11 Bemerkung zur Vorlage »Entwurf des Planes der LiefermoÈ glichkeiten von militaÈ r-tech- nischen AusruÈ stungen fuÈ r befreundete EntwicklungslaÈ nder und progressive nationale Befreiungsbewegungen im Jahr 1978« vom 30.1.1978, behandelt als TOP 2 der Sitzung der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder am 1.2.1978. BAZ DE-154 880.

49 lagen oder BeschluÈ sse zum Handel mit Waffen und militaÈ rischem GeraÈ t ge- funden worden. Noch hervorzuheben ist im knappen Beschluûtext des PolitbuÈ ros vom 20. De- zember 1977 das Wort »zeitweilig«. Die Kommission wurde urspruÈ nglich nur voruÈ bergehend eingesetzt. Dies deutet auf einen Reparaturauftrag und nicht auf laÈ ngerfristige Planungen und Kooperationsbeziehungen oder gar entwick- lungspolitische Aufgabenstellungen hin. Die letzte Sitzung der Kommission fand am 16. Oktober 1989 statt. Der Reparaturauftrag konnte bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfuÈ llt werden. Das System erwies sich als irreparabel.

2.2 Zur wirtschaftlichen Lage der DDR 1976/77 oder: »Dann waÈ ren die BeschluÈ sse des VIII. Parteitages falsch ¼« Die Einsetzung der »Mittag-Kommission« erfolgte vor dem Hintergrund der sich rasant verschlechternden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der DDR, die von der SED-FuÈ hrungsgruppe im FruÈ hling und Sommer 1977 suk- zessive wahrgenommen wurden. Als Krisenjahre der DDR werden meist 1953, 1961, 1968, 1982/83 und na- tuÈ rlich 1989 genannt. All diese Krisen hatten vor allem wirtschaftliche Ursa- chen. Auch 1977 befand sich die DDR in einer besonders bedrohlichen Lage. Es war das Jahr der ersten wirtschaftlichen Katastrophe der Regierungszeit von Erich Honecker. Bereits Ende MaÈ rz 1976 und erneut im Oktober schrieb Gerhard SchuÈ rer als Chef der Staatlichen Plankommission der DDR an Erich Honecker und wies auf die zu erwartende schlechte Zahlungsbilanz der DDR hin.12 Gerhard SchuÈ rer befand sich mit seinem Apparat in der Vorbereitung des IX. Partei- tages und in der Feinabstimmung des FuÈ nfjahrplanes 1976 bis 1980. JuÈ rgen Kuczynski, der Altmeister der Wirtschaftsanalyse in der DDR, der meist nur die Entwicklungen im Westen oÈ ffentlich kommentierte, hatte bereits Mitte 1975 die Entwicklung der Weltwirtschaft auf ihre Auswirkungen fuÈ r die DDR im »Neuen Deutschland« untersucht. Er rechnete vor, daû zwischen 1970 und 1974 die ExporterloÈ se fuÈ r Industriewaren um 65 Prozent gestiegen seien, die Preise fuÈ r zu importierende Rohstoffe aber um 170 Prozent. Weitere Steigerungen der Rohstoffpreise sah er voraus. Als Konsequenz verlangte er »¼ weit groÈ ûere Anstrengungen als zuvor, Anstrengungen sowohl des Geistes und des Charakters wie Anstrengungen in der Organisation und in der Durch- setzung guter Ideen«.13 Als eines der ersten Ergebnisse der durch die weltwirtschaftliche Entwick- lung verstaÈ rkten Debatte uÈ ber die Richtung der weiteren oÈ konomischen Ent-

12 Vgl. Hertle, Hans-Hermann: Die Diskussion der oÈ konomischen Krisen in der FuÈ h- rungsspitze der SED. In: Pirker, Theo 6Hrsg.): Der Plan als Befehl und Fiktion. Opla- den 1995, S. 308±344 6im folgenden: Hertle: Die Diskussion). 13 Vgl. Staritz, Dietrich: Geschichte der DDR 1949±1990. In: Moderne Deutsche Ge- schichte, Bd. 11. Frankfurt/M. 1996, S. 305 6im folgenden: Staritz: Geschichte der DDR).

50 wicklung der DDR wurde am 2. November 1976 der Bereich Kommerzielle Koordinierung direkt dem WirtschaftssekretaÈ r des ZK der SED, GuÈ nter Mit- tag, unterstellt. Dies kann als ein Zeichen besonderer Konzentration von OrganisationsvermoÈ gen und Durchsetzungskraft angesehen werden. Erich Honecker wollte Ruhe in der Wirtschaft und Erfolg.

Das interessante Jahr 1977 verdient eine genauere Betrachtung: Im MaÈ rz und Oktober 1977 schrieben GuÈ nter Mittag und Gerhard SchuÈ rer gemeinsam an Erich Honecker und schlugen Alarm. Sie wiesen auf eine au- ûerordentliche VerschaÈ rfung der Zahlungsbilanzsituation gegenuÈ ber dem »Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet« 6NSW) hin und legten konkrete Zah- len vor. Bis 1978 seien 11 Mrd. VM aufzubringen. Dem stuÈ nden ExporterloÈ se von 9,3 Mrd. VM gegenuÈ ber, so daû ein Defizit von 1,7 Mrd. VM drohe. Vor diesem Hintergrund sahen sie die »Grundfrage der DDR« gestellt. Als Gegenstrategie schlugen sie vor, die Importe zu drosseln und die Expor- te zu steigern. Die Weltwirtschaft hatte die DDR nach ihrer weltweiten politi- schen Anerkennung erreicht. Als GruÈ nde fuÈ r diese drastische VerschaÈ rfung der Devisensituation sind zum einen die erhoÈ hten Westimporte fuÈ r Investitionen und zur besseren Ver- sorgung der BevoÈ lkerung seit dem VIII. Parteitag auszumachen. Zum anderen standen den international steigenden Rohstoffpreisen ± nicht zuletzt den er- hoÈ hten ErdoÈ lpreisen der Sowjetunion und den gestiegenen Kaffeepreisen ± immer kompliziertere AbsatzmoÈ glichkeiten fuÈ r die eigenen GuÈ ter gegenuÈ ber. Es konnten kaum gute Preise erzielt werden. FuÈ r die Jahre 1972 bis 1975 wur- den 8,9 Mrd. VM ImportuÈ berschuÈ sse ausgerechnet. ImportuÈ berschuÈ sse ist ein schoÈ neres Wort fuÈ r Handelsschulden. Diese resultierten fast in gleichen Teilen aus zusaÈ tzlichen Ausgaben fuÈ r ± Importe von Getreide und Futtermitteln, da haÈ ufig geplante Lieferungen aus der Sowjetunion ausfielen; ± Rohstoffe und Nahrungsmittel, vor allem ErdoÈ l, aber auch Kaffee und Ka- kao; ± Grundstoffe der metallverarbeitenden und chemischen Industrie und ± westliche KonsumguÈ ter. Den erhoÈ hten Export von DDR-Produkten in den Westen konnte auch die SED-FuÈ hrung nicht ohne weiteres befehlen. Die GuÈ ter muûten in ausreichen- der Menge und QualitaÈ t vorhanden sein, sollten sie nicht nur zu Dumping- preisen losgeschlagen werden. Der »Exportinitiative-West« stand ± neben den eingeschraÈ nkten KapazitaÈ ten der Betriebe und Kombinate zwischen Saûnitz und dem Fichtelberg ± eine veraÈ nderte Handelspolitik der Sowjetunion zur DDR im Weg. Sie hatte, die Entwicklung der Weltmarktpreise bei ErdoÈ lfuÈ r sich nutzend, 1976 die Preise gegenuÈ ber der DDR angehoben und die Bezugs- menge von 19 Mio. t um 2 Mio. t reduziert. Die DDR verkaufte einen Teil des im RGW-Handel eingetauschten OÈ les und daraus weiterverarbeitete Produkte im Westen und erwirtschaftete damit die benoÈ tigten Devisen. Auch diese Ein- nahmen fehlten ploÈ tzlich in den Kassen der DDR. ErdoÈ l war der Sowjetunion

51 inzwischen ein besonders wichtiges Gut geworden, das Devisen und nicht »Verrechnungsrubel« einbringen sollte. Bereits im Dezember 1976 wurde Willi Stoph beauftragt, nach Moskau zu reisen. Er sollte bessere Bedingungen und zusaÈ tzliche Lieferungen aushandeln. Im RuÈ ckreisegepaÈ ck hatte er keine zusaÈ tzlichen Kontingente zu RGW-Kondi- tionen, sondern die Antwort des sowjetischen MinisterpraÈ sidenten A. Kossy- gin, zusaÈ tzliches ErdoÈ lgaÈ be es nur im Gegenzug zu Lieferungen von devisen- traÈ chtigen Produkten. »Das ist der einzige Weg, der geht; wenn Sie bei uns Valutawaren kaufen, muÈ ssen Sie uns natuÈ rlich Valutawaren liefern.«14 Die ErdoÈ lkrise teilte auch den Osten in erdoÈ lexportierende und erdoÈ limportie- rende LaÈ nder. Die steigenden Exportanforderungen trieben die DDR an ihre Leistungs- grenze und drohten sie zu gefaÈ hrden. Erich Honecker bat am 27. April 1977 GuÈ nter Mittag und Gerhard SchuÈ rer zu einem GespraÈ ch uÈ ber die angestoûene Diskussion zum Kassenstand der DDR: »Ich bin uÈ berrascht, wie einige Fragen in dem Material gestellt werden. Es ist richtig, offen die Probleme auf den Tisch zu legen. Es ist aber unver- staÈ ndlich, warum das nicht zum Parteitag, oder zum Beginn des Jahres, oder zum 5. Plenum geschehen ist. Wir koÈ nnen doch nicht von heute auf morgen die ganze Politik aÈ ndern. Was vorgeschlagen wird, bedeutet tiefe Einschnitte in die Politik. Wir muÈ ssen vor's ZK gehen und sagen: Wir ha- ben das nicht vorausgesehen und wir haben Euch belogen. Die Ursache ist nicht der Kaffee- und Kakaopreis. Die Ursache ist auch nicht, wie Ihr schreibt, daû seit 1971 mehr verbraucht als produziert wird. Dann waÈ ren die BeschluÈ sse des VIII. Parteitages falsch und die des IX. Parteitages auch. Die Ursachen bestehen darin, daû wir Importe nicht erhalten haben wie Getreide, OÈ lsaaten u. a. Anderen wie uns hat man das gegeben, wir muûten auf andere Importe ausweichen. 6¼) UÈ brigens schieûen wir jaÈ hrlich 1 Mrd. in freien Devisen zum Plan ein. Im Material kommt es so raus, als sei die Politik nach Ulbricht falsch gewesen, als habe Ulbricht keine Schulden ge- macht und Honecker macht Schulden. Welche Politik haÈ tten wir denn ma- chen sollen? Die Politik der PreiserhoÈ hung haÈ tte keines der Probleme ge- loÈ st.«15 Erich Honecker schob den Schwarzen Peter vor allem der Sowjetunion zu, die ihre Zusagen nicht vollstaÈ ndig eingehalten, Preiskorrekturen ohne ausreichen- de Abstimmung vorgenommen und andere vorgezogen hatte. GuÈ nter Mittag und Gerhard SchuÈ rer schreckten zuruÈ ck und beteuerten »AÈ nderung«. Die Tiefe der ErschuÈ tterung spricht aus der Antwort, die Ger- hard SchuÈ rer dem GeneralsekretaÈ rgab: »Wie koÈ nnte gerade ich und wie koÈ nnten gerade wir in der Staatlichen Plankommission, die wir Dir, Erich, tief dankbar sind, daû Du uns ermoÈ g-

14 Hertle: Die Diskussion, S. 314. 15 PersoÈ nliche Aufzeichnung von G. SchuÈ rer vom 24.4.1977. Zit. nach: Hertle: Die Dis- kussion, S. 315.

52 licht hast, reale PlaÈ ne auszuarbeiten, persoÈ nliche Angriffe auf Dich und die beschlossene Politik formulieren? Wir sind bereit, Formulierungen zu korri- gieren ¼«16 Wie versprochen, wurden die Formulierungen korrigiert und keine grundsaÈ tz- liche Besinnung uÈ ber das Machbare und TragfaÈ hige vorgenommen. In kleiner Runde wurden drei Schritte zur Rettung der Bilanzsituation beschlossen: ± ErhoÈ hung des Deviseneinschusses aus dem Bereich KoKo in den Staats- haushalt, ± Verkauf von Gold und Waffen aus der Staatsreserve, auf die KoKo Zugriff hatte, und ± SpekulationsgeschaÈ fte des Bereiches KoKo an westlichen BoÈ rsen. Als durchfuÈ hrendes Organ wurde der Bereich Kommerzielle Koordinierung unter Leitung von Alexander Schalck eingesetzt. Der Bereich »EntwicklungslaÈ nder« sollte in wenigen Wochen dieser Maû- nahmeliste hinzugefuÈ gt werden. Die Position von Alexander Schalck wurde durch diese Festlegungen neu definiert und gestaÈ rkt. Mit seinen angesammel- ten Reserven versetzte er GuÈ nter Mittag und Erich Honecker in die Lage, kurzfristig Retter spielen zu koÈ nnen. Das verhinderte eine tiefere Analyse der Ursachen, erzeugte Dankbarkeit und AbhaÈ ngigkeit. Am gleichen Tag, dem 27. April 1977, fuÈ hrte GuÈ nter Mittag eine Parteibera- tung fuÈ r Minister und Abteilungsleiter des ZK durch. Er teilte mit, daû der Volkswirtschaftsplan ± trotz LuÈ cken ± wie vorgesehen in vollem Umfang verab- schiedet werde. Die LuÈ cken sollten unter anderem durch vermehrte Leistungen mittels gezielter Kampfpositionen, eine Stunde laÈ ngere Maschinenlaufzeiten pro Tag und durch Disziplin ± »Wer quatscht, fliegt raus« ± geschlossen werden.17

MinisterpraÈ sident Willi Stoph warnte im Mai vor diesem Reparaturansatz, der den gesamten FuÈ nfjahrplan gefaÈ hrde, vor »Korrekturdiskussionen« und der Gefahr eines betraÈ chtlichen RuÈ ckgangs des Versorgungsniveaus der Be- voÈ lkerung. Am 2. Juni 1977 schloû Erich Honecker die Diskussion waÈ hrend einer Be- ratung um die gefaÈ hrdeten PlaÈ ne 1977/78 ab, indem er festlegte, daû die Poli- tik des Wachstums, des Wohlstandes und der StabilitaÈ t fortgesetzt werde. »Einen anderen Weg kann es gar nicht geben. Jeder andere Weg fuÈ hrt in den Abgrund. Das ist der Weg der Restriktionen. Das hat man in der Wei- marer Republik schon versucht. Im Grunde genommen haben uns die au- ûenwirtschaftlichen Bedingungen in diese Lage gebracht. Sie haben sich seit dem VIII. Parteitag veraÈ ndert und veraÈ ndern sich weiter. Man muû es ganz offen sagen: Eine andere Konzeption anzunehmen als die wachstumsorien- tierte Konzeption wuÈ rde unter unseren Bedingungen sehr weitgehende Fol- gen haben.«18

16 Ebenda. 17 Janson, Carl-Heinz: Der TotengraÈ ber der DDR: wie GuÈ nter Mittag den SED-Staat rui- nierte. Berlin 1991, S. 90 6im folgenden: Janson: Der TotengraÈ ber). 18 Hertle: Die Diskussion, S. 314.

53 Damit war der »Richtungsstreit« um einen Konsolidierungs- und Sparkurs oder einen Wachstums- und Kreditkurs entschieden.19 Die angespannte finanzielle Situation der DDR wirkte sich in allen Berei- chen aus. In der Devisenwirtschaft spielte vor allem jenes Ausland eine beson- dere Rolle, das im »HartwaÈ hrungsbereich« oder der »Dollarzone« ± wie das »Nichtsozialistische Ausland« auch genannt wurde ± operierte. Im nichtsozia- listischen Ausland waren nun wieder jene LaÈ nder und Regierungen von Inter- esse, zu denen befreundete Beziehungen bestanden, und das waren einige Ent- wicklungslaÈ nder. Hier waren politische Preisbildungen eher moÈ glich. Gleichfalls im Juni 1977 wurde auf dem »Elektronik-Plenum« des ZK der SED verkuÈ ndet, den kapitalintensiven Ausbau der elektronischen Industrie im Alleingang, d. h. ohne die sozialistischen Bruderstaaten, betreiben und 1978 das Kombinat »Mikroelektronik« in Erfurt gruÈ nden zu wollen. Gerhard SchuÈ rer favorisierte den Maschinenbau. Eine ZuruÈ ckstellung dieses die 80er Jahre bestimmenden Groûprojektes wurde jedoch nicht erreicht. Das mit ei- nem hohen Symbolwert aufgeladene Vorhaben eines ersten »Ein-Mega-Byte- Chips« aus sozialistischer Produktion beanspruchte in den folgenden Jahren erhebliche KapazitaÈ ten und Devisen. Die Situation spitzte sich weiter zu. Auf einer Krisenberatung am 18. No- vember 1977 sagte Erich Honecker nach einer Aufzeichnung von dem Polit- buÈ romitglied und Chef der Einheitsgewerkschaft FDGB, Harry Tisch: »Pro- duktivitaÈ t reicht nicht aus ± Devisenbilanz ein schweres Problem 6Zinsen und Kredite wie abloÈ sen). Die Katastrophe schon fuÈ r Mitte naÈ chsten Jahres vor- programmiert.«20 Wie recht Erich Honecker mit dieser Prognose hatte, zeigt eine Berechnung von Gerhard SchuÈ rer vom Sommer 1978. Zum Ende dieses Krisenjahres sah er eine Schuld von 21,3 Mrd. VM auf die DDR zukommen, was eine Schuldendien- strate von 168 Prozent bedeutet haÈ tte. Hingewiesen wurde in diesem Zusammen- hang auch darauf, daû international ein Prozentsatz von mehr als 25 Prozent als problematisch angesehen wird.21 Diese auûergewoÈ hnliche, den Handlungsspiel- raum der DDR einengende und ihre SouveraÈ nitaÈ t bedrohende Steigerung beruhte nicht nur auf den Importen von Konsummitteln oder der Einfuhr von InvestitionsguÈ tern. Dieser Sprung hatte seine Ursachen nicht nur in der Pla- nungsunfaÈ higkeit der DDR-FuÈ hrung und der »oÈ stlichen Miûwirtschaft«, son- dern auch in der seit 1977 einsetzenden Zinspolitik auf den internationalen Fi- nanzmaÈ rkten. Die rapid steigenden Zinsen erhoÈ hten sich von 5,6 Prozent im Jahre 1977 auf 13,9 Prozent im Jahre 1981, also um mehr als das Doppelte.22

19 Vgl. unter dem Stichwort »Wirtschaft« in: Herbst, Andreas 6Hrsg.): So funktionierte die DDR ± Lexikon der Organisationen und Institutionen der DDR. Hamburg 1994, S. 1166 6im folgenden: Herbst: So funktionierte die DDR). Vgl. auch: Haendcke-Hop- pe-Arndt, Maria: Wer wuûte was? Der oÈ konomische Niedergang der DDR. In: Deutschland Archiv 28 61995), S. 588±602. Janson: Der TotengraÈ ber. S. 79 ff. 20 Herbst: So funktionierte die DDR, S. 1166f. 21 Hertle: Die Diskussion, S. 318f. 22 Vgl. Staritz: Geschichte der DDR, S. 307.

54 Die DDR-Wirtschaft befand sich damit in einer vergleichbaren Rolle mit LaÈ ndern der Dritten Welt. Sie gehoÈ rte wie diese zu den Verlierern und nicht zu den Gewinnern dieser Entwicklung. Das »zehntgroÈ ûte« Industrieland der Welt, wie es die Propagandaabteilungen immer noch einordneten ± und fuÈ r Propaganda war Werner Lamberz zustaÈ ndig ± hatte den Anschluû verpaût, von dem es immer getraÈ umt hatte und den es versprechen muûte, so mitten in Europa und relativ weit im Westen. Den Verantwortlichen in der Partei- und RegierungsfuÈ hrung war der Ernst der Lage druÈ ckend bewuût. Die Dimension dieser Krise bedeutete fuÈ r die SED-FuÈ hrung: den Bankrott des »ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaa- tes« an der nach ihren Worten »wichtigsten Grenze in der Systemauseinander- setzung«, die Entwertung ihrer eigenen Lebenswege und nicht kalkulierbare militaÈ rische Risiken in der Mitte Europas. RuÈ ckblickend faûte GuÈ nter Mittag diesen Abschnitt der DDR-Geschichte folgendermaûen zusammen: »Groûe Ohnmacht. Kapitulation war nicht moÈ g- lich«23. Und Gerhard SchuÈ rer resuÈ mierte uÈ ber diese Monate: »Die Wende wurde 1972 beim Import aus dem kapitalistischen Wirtschafts- gebiet in die falsche Richtung gestellt. Das sind Zentimeter, ein einfacher Mensch sieht das nicht, und man glaubte es mir auch nicht. Und dann fuhr der Zug weg, in die falsche Richtung, und 1977/78 war schon die ganze Pleite da mit dem ImportuÈ berschuû, wo wir nicht mehr bezahlen konnten. Alles andere nach 1978 ist nicht mehr falsche Wirtschaftspolitik; das sind die RuÈ ckwirkungen der Verschuldung, wo die Kredite und die Zinsen uns aufgefressen haben.«24 Die Schreckensvisionen waren: Abgrund und Katastrophe, Pleite und Kapitu- lation.

Vor dem Hintergrund dieses vor der OÈ ffentlichkeit verdeckt gehaltenen Desa- sters wurde die DDR mit den VeraÈ nderungen in Afrika konfrontiert. Sie ver- hieûen neben den erhofften sozialen und politischen Verbesserungen fuÈ r die Menschen in Angola, AÈ thiopien und Mosambik auch deutliche geostrategi- sche und ideologische Positionsgewinne fuÈ r den Ostblock und das gesamte kommunistische Lager. Alles schien schnell zu gehen, schneller als in der muÈ h- samen Wirtschaft.

In diesen Monaten einer gewissen Panik sahen die Genossen Afrika mit ande- ren Augen. Von den zu Regierungen erhobenen Eliten der Befreiungsbewe- gungen lagen schon laÈ nger Bitten, Erwartungen und Hilfsgesuche vor. Lange Zeit sah man nicht sehr viele MoÈ glichkeiten der Kooperation und kaum Chancen fuÈ r die DDR. Das aÈ nderte sich jetzt ploÈ tzlich mit dem aufbluÈ henden Interesse an mineralischen und landwirtschaftlichen Rohstoffen. Hinzu ka- men politische Gemeinsamkeiten, persoÈ nliche Begegnungen und ein solidari-

23 Zit. nach: Pirker, Theo: Der Plan als Befehl und Fiktion. Opladen 1995, S. 26 6im fol- genden: Pirker: Der Plan). 24 Ebenda, S. 100.

55 sches GefuÈ hl. Notlagen, die nach Aufbau riefen, gab es in den Entwicklungs- laÈ ndern genug. Hilfe durch Handel war von nun an die alles legitimierende Devise. »Handel statt Hilfe« hatten die EntwicklungslaÈ nder schon in der NIWO-Debatte 1975 gefordert. So wurde der Handel mit den EntwicklungslaÈ ndern in den Kanon der »ret- tenden« Maûnahmen aufgenommen, verstaÈ rkt seit der akuten Kaffeekrise der DDR. Es entstanden neue Formen der Zusammenarbeit, an die weitgehende oÈ konomische und politische Vorstellungen geknuÈ pft wurden. Es ging um die Existenz beider Seiten. Die noch im Februar 1977 zu erkennende ZuruÈ ckhaltung gegenuÈ ber einem wirtschaftlichen Engagement wurde aufgehoben. Zur »Dynamisierung« der oÈ konomischen Beziehungen wurden Alexander Schalck und sein Bereich Kom- merzielle Koordinierung mit der FederfuÈ hrung beauftragt. Er hatte ja schon im April die anderen drei Rettungs- bzw. Sofortmaûnahmen uÈ bertragen bekom- men. Zudem leitete er seit MaÈ rz 1977 die Waffenlieferungen nach AÈ thiopien. Die Weichen wurden umgestellt. Der Zug fuhr auf ein neues Gleis. Die Be- ziehungen zu den besonders befreundeten und ausgewaÈ hlten LaÈ ndern sah die DDR-FuÈ hrung als wirtschaftlich lukrativ und politisch vertretbar an. Eine »Exportoffensive SuÈ d« wurde gestartet. Diese fuÈ r das internationale Renom- mee der DDR besonders wertvollen Kontakte standen nun in einer Reihe mit SpekulationsgeschaÈ ften aus Mitteln der Staatsreserve an kapitalistischen BoÈ r- sen oder WaffenverkaÈ ufen. »Den Feind mit seinen eigenen Waffen schlagen« war ein oft zitiertes Motto unter SED-Genossen. Der Zweck forderte, formte und heiligte die Mittel.

Die in den Auûenwirtschaftszahlen und Zahlungsbilanzunsicherheiten sich ab- zeichnende InstabilitaÈ t der SED-FuÈ hrung und der DDR uÈ bertrug sich auf das Innenleben der DDR. Die SED-FuÈ hrung reagierte auf die oÈ konomische Krise nicht mit Angeboten nach innen, einer Entfaltung, geschweige denn »Entfesse- lung« kreativer und produktiver KraÈ fte, sondern mit Diffamierungen, Ausgren- zungen und Verboten. Klassische zentralistische, kommunistische LoÈ sungswege wurden beschritten. Eine OÈ ffnung kam fuÈ r das PolitbuÈ ro nicht in Betracht. OÈ ff- nung galt als Verrat. Die HerrschaftsverhaÈ ltnisse in Moskau schlossen einen an- deren Weg in der Mitte Europas auch aus. Der Existenzkampf der DDR nach auûen spiegelte sich auch in innerpolitischen VorgaÈ ngen wider. Ein Beispiel dafuÈ r ist die AusbuÈ rgerung Wolf Biermanns im November 1976. Vor allem KuÈ nstler und Intellektuelle protestierten vernehmbar. Inmit- ten der Rettungsaktionen fuÈ r die schiefe Zahlungsbilanz, am 9. Mai und 20. Mai 1977, fuÈ hrten der Schauspieler und SaÈ nger Manfred Krug und das Polit- buÈ romitglied Werner Lamberz im ZK der SED zwei GespraÈ che uÈ ber das Hier- bleiben und das Weggehen. Der populaÈ re Manfred Krug hatte zuvor einen Antrag auf Ausreise aus der DDR gestellt. Werner Lamberz, der gesagt hatte: »Um Manfred Krug wird gekaÈ mpft bis zum letzten«25, und Krug fuÈ r die

25 Krug, Manfred: Abgehauen. DuÈ sseldorf 1996, S. 228.

56 DDR retten wollte, bot dessen Familie unter anderem einen langfristigen Auf- enthalt in Mosambik an. Manfred Krug schreibt in seinem Tagebuch uÈ ber die Zeit von April bis Mai 1977 zusammenfassend: »Krieche ich zu Kreuze, bin ich kaputt. Krieche ich nicht zu Kreuze, macht ihr mich kaputt.«26 Noch am gleichen Tag, unmittel- bar nach dem GespraÈ ch am 20. Mai, verlieû die Familie Krug Ostberlin und siedelte in den Westteil der Stadt uÈ ber. Als letztes Mitglied im PolitbuÈ ro hatte Werner Lamberz sein Veto gegen diese Ausreise aufgehoben.

2.3 Die Reisen im ersten Halbjahr 1977

Die AktivitaÈ ten der DDR gegenuÈ ber bestimmten EntwicklungslaÈ ndern in Afrika lassen sich in zwei Phasen einteilen. Die erste Phase endete im Sommer 1977. Der Schwerpunkt der Beziehungen hatte sich seitens der DDR in dieser Zeit von einer eher politischen UnterstuÈ tzung hin zu einer oÈ konomischen Aus- nutzung verschoben. Eine wichtige Station in dieser Phase signalisiert der Brief von GuÈ nter Mittag und Werner Lamberz vom 6. Juli 1977 an Erich Honecker. In der zweiten Phase wurden die oÈ konomischen Absichten der DDR in Afrika in kuÈ rzester Zeit forciert, was zu einem atemberaubenden Tempo des Ausbaus vertraglich geregelter Handelsbeziehungen fuÈ hrte. Diese Phase en- dete mit dem Hubschrauberabsturz von Werner Lamberz in der libyschen WuÈ ste am 6. MaÈ rz 1978. Eines der wesentlichsten Ereignisse in dieser Zeit war die GruÈ ndung der Kommission EntwicklungslaÈ nder am 20. Dezember 1977 bzw. deren erste Sitzung am 5. Januar 1978.

Nach einer Reise von Auûenminister Oskar Fischer in verschiedene ostafrika- nische LaÈ nder setzte im Dezember 1976 eine intensive BeschaÈ ftigung mit Afri- ka ein. Oskar Fischer wollte auf seiner Reise die Verbundenheit der DDR mit einer Reihe von EntwicklungslaÈ ndern zum Ausdruck bringen. Er besuchte un- ter anderem Mosambik, Madagaskar und AÈ thiopien. Im Februar 1977 folgte ihm eine SED-Delegation unter Leitung von Werner Lamberz, welche die Parteibeziehungen zu den Machthabern weiter festigen sollte. Werner Lam- berz machte vom 31. Januar bis 1. Februar in Somalia Station. Die DDR un- terstuÈ tzte im Windschatten der Sowjetunion die Politik des somalischen PraÈ si- denten Said Barre mit einer Freundschaftsbrigade der FDJ und kleineren materiellen Leistungen des SolidaritaÈ tskomitees sowie durch Kontakte zur So- mali Revolutionary Socialist Party 6SRSP), die erst zur Jahreswende 1976/77 zur Vervollkommnung der sozialistischen Revolution in Somalia gegruÈ ndet worden war. In Mosambik weilte Werner Lamberz vom 3. bis 7. Februar. Er sprach als ranghoÈ chster Vertreter eines Ostblockstaates auf dem III. Kongreû der FRE- LIMO. Anschlieûend landete er in AÈ thiopien, unmittelbar nach der blutigen Machtergreifung von Mengistu Haile Mariam.

26 Ebenda.

57 OÈ konomische Fragen nahmen auf dieser Rundreise nur wenig Platz ein. Als bestimmend erwiesen sich die Kontakte zu den FuÈ hrungskraÈ ften, die Parteibe- ziehungen und Fragen der Sicherheit. Ideologische UnterstuÈ tzung sollte gege- ben und die Einbindung in die marxistisch-leninistische Weltbewegung sicher- gestellt werden. Es galt auch, den nicht unbedeutenden chinesischen Einfluû zu begrenzen. Die Debatte uÈ ber Auswege aus den eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten war im PolitbuÈ ro noch nicht in Gang gekommen.

Anfang April 1977 landete Kubas PraÈ sident Fidel Castro in Berlin, bevor er nach Moskau weiterflog. Er kam von einer ausgedehnten Afrika-Reise, auf der er mit einer uÈ ber einhundert Personen umfassenden Delegation die militaÈ - rischen und politischen Brennpunkte besucht hatte. Er erkundete unter ande- rem die Lage in Angola, AÈ thiopien und Mosambik. In Berlin traf er sich mit Erich Honecker und Werner Lamberz. Fidel Castro im GespraÈ ch mit Erich Honecker am 3. April 1977: »Der Befreiungskampf in Afrika hat eine groûe Perspektive. Historisch ge- sehen ist die Lage so, daû die Imperialisten die Entwicklung nicht zuruÈ ck- drehen koÈ nnen. Der Befreiungskampf ist die gerechteste Sache, die es gibt. Wenn die sozialistischen LaÈ nder eine richtige Haltung beziehen, koÈ nnen sie einen groûen Einfluû gewinnen. Hier koÈ nnen wir dem Imperialismus schwe- re SchlaÈ ge zufuÈ gen. 6¼) Man kann Afrika vom Einfluû der USA und der Chinesen befreien. Honecker: Wir teilen die Meinung des Genossen Fidel, daû gegenwaÈ rtig in Afrika nach dem sozialistischen Weltsystem die groÈ ûten MoÈ glichkeiten be- stehen, im revolutionaÈ ren Weltprozeû einen bedeutenden Schritt voranzu- kommen.«27 Jene MoÈ glichkeiten wollte auch die DDR gemaÈ û ihren KraÈ ften unterstuÈ tzen und verband dies mit der eigenen finanziellen Situation. Werner Lamberz startete am 11. Juni 1977 zu einer »Kaffee-Fahrt« nach Afrika. Mit einer kleinen, aber hochkaraÈ tigen Delegation, die vor allem aus Wirtschaftsfachleuten bestand, bereiste er SuÈ djemen, AÈ thiopien, Angola, Sambia, Nigeria und Kongo. Vor allem aus Angola und AÈ thiopien brachte die Delegation umfangreiche »Kaffeeabkommen« mit. Den Kaffee aus AÈ thiopien bekam die DDR vor al- lem gegen die sofortige Auslieferung von militaÈ rischen GuÈ tern und Waffen. Dieser erste HoÈ hepunkt der BemuÈ hungen um die Einbeziehung ausgewaÈ hl- ter EntwicklungslaÈ nder in das Konzept zur Abwendung der »Katastrophe« kommt in dem Brief von GuÈ nter Mittag und Werner Lamberz an Erich Honecker zum Ausdruck.

27 Staadt: Auf hoÈ chster Stufe, S. 62. Die stenographische Mitschrift des gesamten GespraÈ - ches soll 65 Seiten umfassen.

58 2.4 Der Briefvom 6. Juli 1977 oder: »Auûer uns kennt diesen Briefniemand« Der Brief wurde von GuÈ nter Mittag und Werner Lamberz am 6. Juli 1977 ± unmittelbar nach der Sitzung des PolitbuÈ ros vom 5. Juli ± an Erich Honecker geschrieben.28 Dieser befand sich zum Jahresurlaub auf seinem Sommersitz »Hubertusstock« in der Schorfheide. Der Brief zeigt in eindringlicher und bedruÈ ckender Weise die Verflechtung von wirtschaftlicher Notlage, innenpolitischer Misere und auûenpolitischen LoÈ sungsversuchen. Neben Berichten uÈ ber RuÈ stungsexporte und militaÈ rische Fragen, einschlieû- lich dem BemuÈ hen um eine politische LoÈ sung im AÈ thiopien-Eritrea-Konflikt, an der Werner Lamberz besonders interessiert war, werden wichtige Themen und Aufgabenstellungen der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder ab der er- sten Sitzung am 5. Januar 1978 in dem Brief benannt.29 Die grundlegenden Mitteilungen dieses Briefes sind: ± »Genosse Schalck uÈ bt eine straffe und sichere FuÈ hrungstaÈ tigkeit aus und leitet operativ.« ± 5 000 t Rohkaffee sollen zusaÈ tzlich geordert werden, um »noch mehr freie Devisen abzuloÈ sen«. ± PlanruÈ ckstaÈ nde beim Versand von Stahlhelmen und Munition werden ausgeglichen. ± In Angola soll die »gesamte Kaffeelinie« erobert werden. ± »Wir haben die Absicht, besonders aus den durch die DDR bisher nicht verkauften HandelsbestaÈ nden, ein Maximum in Angola abzusetzen ¼ und damit die AbloÈ sung freier Valuta zu ermoÈ glichen.« ± Diese Aktionen werden »auf dem gesamten afrikanischen Kontinent und sicher auch in vielen anderen EntwicklungslaÈ ndern mit groûer Aufmerk- samkeit verfolgt. Sie werden als ein Ausdruck dessen gewertet, daû die DDR schnell und effektiv den Kampf der VoÈ lker um ihre nationale Un- abhaÈ ngigkeit und soziale Befreiung unterstuÈ tzt.« ± VeraÈ nderungen der Strukturen der SolidaritaÈ tssendungen werden ange- zeigt, »um sie besser in UÈ bereinstimmung mit den oÈ konomischen Aufga- ben und BeduÈ rfnissen der DDR zu bringen«. Es folgen detaillierte UÈ berlegungen zur Kaffeeversorgung in der DDR mit veraÈ nderten Technologien und Ersatzstoffen. Neben den Unterschriften von Werner Lamberz und GuÈ nter Mittag schlieût der Brief mit: »Auûer uns kennt diesen Brief niemand.« Aus einer Anlage zu dem Schreiben geht hervor, daû fuÈ rdenzusaÈ tzlichen Kaf- feehandel mit AÈ thiopien Waffen aus BestaÈ nden der DDR im Wert von 53 Mio. M bereits eingesetzt wurden. Alexander Schalck bekam die Vollmacht,

28 Brief von G. Mittag und W. Lamberz an E. Honecker. BAZ DY 30 22 187, im Anhang. 29 Die Angelegenheiten scheinen wichtig und brandeilig gewesen zu sein, denn der Brief an Erich Honecker wurde an seinen Urlaubsort gesandt. Alle folgenden Zitate nach dem o. g. Brief. BAZ DY 30 22 187.

59 weitere Waffen im Wert bis zu 100 Mio. M in das Krisengebiet zu exportieren. Eine im Umfang vergleichbar groûe Lieferung Waffen war 1976 nach Angola ge- schickt worden. Damals erfolgte die Lieferung als SolidaritaÈ tsleistung. Die Be- zahlung uÈ bernahm das SolidaritaÈ tskomitee der DDR.30 Ein Ware-gegen-Ware- GeschaÈ ft zum Bezug von Rohkaffee gab es zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht. Im kleinsten Kreis wurden Entscheidungen zur praktischen Afrikapolitik getroffen. Der GeneralsekretaÈ r, Staatsratsvorsitzende und Freund der VoÈ lker Afrikas, Erich Honecker, der SekretaÈ r des ZK der SED fuÈ r Wirtschaft, GuÈ n- ter Mittag, und der SekretaÈ r des ZK der SED fuÈ r Agitation und Propaganda, Werner Lamberz, muÈ hten sich mit allen Mitteln um das finanzielle Gleichge- wicht der DDR und die Kaffeeversorgung ihrer BuÈ rger. Es gab Anzeichen von KreislaufstoÈ rungen, und ein Kollaps war nicht auszuschlieûen. Die zweite deutsche Nachkriegsrepublik drohte, so muûten die Chefgenossen im Sommer 1977 die Kunde aus dem Lande deuten, an dem Wunsch nach einem guten »SchaÈ lchen Heiûen« zu scheitern. Im Hintergrund fuÈ hrte Schalck die Entscheidungen dieses Dreiergestirns aus und bereitete neue vor. Die in dem zitierten Brief sich abzeichnende Ex- portoffensive der DDR-Wirtschaft gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern sollte nach dem Urlaub von Erich Honecker und in Zusammenhang mit der »Kaf- feekrise« vom PolitbuÈ ro am 28. Juli beschlossen werden.

2.5 Die Reisen im zweiten Halbjahr 1977 oder: Der rote Teppich bleibt heute liegen

Im Hochsommer und Herbst 1977 kam es zu einer HaÈ ufung von Besuchen afrikanischer Politiker in Ostberlin. Im Juli weilten eine Delegation des Provi- sorischen MilitaÈ rischen Verteidigungsrates aus AÈ thiopien und der Chefideolo- ge der FRELIMO, Jorge Rebelo, in der DDR. Die Kontakte zur Volksrepu- blik Kongo und nach Algerien wurden intensiviert. Die »Exportoffensive EntwicklungslaÈ nder« trieb alle voran. Die Botschafter in den Missionen hat- ten viel Kontaktarbeit zu leisten. Die Beziehungen zu Libyen oder der Libyschen Arabischen Sozialistischen Volksjamahiriya 6LASVJ) unter Oberst Muamar al Gaddafi erlangten heraus- ragendes Gewicht. Im Oktober flog PolitbuÈ romitglied Hermann Axen, zu- staÈ ndig fuÈ r die Auûenpolitik und die Parteibeziehungen, nach Libyen und traf sich mit al Gaddafi. WaÈ hrend im Herbst 1977 auf dem Ostberliner Flughafen SchoÈ nefeld der rote Teppich tagelang fuÈ r internationale GaÈ ste ausgerollt bleiben konnte, er- schuÈ tterte die RAF in Westdeutschland den Staat. Ihr Arm reichte bis auf den Flughafen der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Afrikas Regierungschefs gingen in Ostdeutschland ein und aus. Auf der Leipziger Herbstmesse im Sep- tember wurden die subsaharischen LaÈ nder zum inoffiziellen Schwerpunkt. Noch nie waren so viele Vertreter Afrikas in den Leipziger MessehaÈ usern zu

30 Vgl. Staadt: Auf hoÈ chster Stufe, S. 67.

60 sehen gewesen. Der PraÈ sident der Volksrepublik Kongo kam nach Ostberlin. Im November besuchte der Vorsitzende des aÈ thiopischen Revolutionskomi- tees, Mengistu Haile Mariam, die DDR. Er traf sich zum kritischsten Zeit- punkt des somalisch-aÈ thiopischen Ogadenkrieges mit Erich Honecker und Werner Lamberz. Auch der angolanische Premierminister weilte in der DDR. Sam Nujoma, PraÈ sident der SuÈ dwestafrikanischen Befreiungsfront von Nami- bia 6SWAPO), weilte in Ostberlin. Der PraÈ sident der Nationalversammlung der Vereinigten Republik Tansania war ebenso in der DDR zu Gast wie der Auûenminister von Burundi, Albert Muganga, und der MinisterpraÈ sident von Angola, Lopo do Nacimento. Delegationen der SED bereisten unter anderem die Kapverdischen Inseln, SaÄ o Tome und Prõ ncipe sowie Guinea-Bissau. Er- waÈ hnt werden muÈ ssen noch mehrere hochrangige Wirtschafts- und Parteidele- gationen, die zum Teil weitreichende VertraÈ ge unterzeichneten. Erich Honecker unternahm eine umfangreiche Reise nach Asien, schloû in Vietnam neben dem Freundschaftsvertrag auch ein Abkommen uÈ ber die Zusam- menarbeit bei der Errichtung von Kaffeeplantagen ab und reiste uÈ ber Nordkorea fliegend weiter in die Philippinen. Er handelte mit Diktator Marcos persoÈ nlich die Lieferung von Rohkaffee aus. Ebenfalls im Dezember 1977 flog Werner Lamberz erneut nach Libyen und AÈ thiopien und der VolkskammerpraÈ sident Horst Sindermann nach Angola. Beide waren rechtzeitig zur letzten Sitzung des PolitbuÈ ros vor dem Weihnachtsfest wieder im Lande und konnten berichten. Am 20. Dezember 1977 wertete das PolitbuÈ ro die vielfaÈ ltigen BemuÈ hungen aus. Die weitreichendste Entscheidung auf dieser Sitzung war der schon er- waÈ hnte Beschluû uÈ ber die Bildung der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder. Die VertraÈ ge mit Libyen sollten nach den PlaÈ nen der Genossen die akutesten finan- ziellen Gefahren abwenden und die Basis fuÈ r die Arbeit der Kommission bilden.

2.6 Werner Lamberz, die DDR und die libysche Volksjamahiriya

In bezug auf die Strategien zur UÈ berwindung der ZahlungsunfaÈ higkeit und zur Erweiterung des Ansehens der DDR in den arabischen und afrikanischen LaÈ ndern nahm die Libysche Arabische Sozialistische Volksjamahiriya eine be- deutende Stellung ein. Das 1 759 540 qkm groûe Land mit seinen 1977 ca. 2,8 Mio. Einwohnern war durch die seit 1955 betriebene ErdoÈ lfoÈ rderung reich und mit der »Septemberrevolution« vom 1. September 1969 ± einem Palast- putsch des Bundes Freier Offiziere unter seinem AnfuÈ hrer Muamar al Gadda- fi ± antiimperialistisch und antiamerikanisch geworden. Die jungen Offiziere hatten mit nationalistisch-arabischen ToÈ nen den alten KoÈ nig Idris vertrieben und wenig spaÈ ter den US-amerikanischen LuftwaffenstuÈ tzpunkt Wheelus ge- schlossen und aufgeloÈ st. Lange Zeit galt Gaddafi als scharfer Kritiker der »so- zialimperialistischen« Sowjetunion.31 1974 kam es zu AnnaÈ herungen und Waffenlieferungen. Der 77er Wind des Wechsels wehte auch in Libyen. Am

31 Vgl. Melchers, Konrad: Die sowjetische Afrikapolitik von Chruschtschow bis Bresch- new. Berlin 1980, S. 212ff.

61 2. MaÈ rz wurde die Volksherrschaft unter dem Volkskongreû proklamiert. Die Alleinherrschaft von Oberst al Gaddafi wurde dadurch nicht eingeschraÈ nkt, sondern gestaÈ rkt. In den 40 Jahren der Existenz der DDR beschaÈ ftigte sich das PolitbuÈ ro der SED in wenigstens 24 FaÈ llen mit Libyen.32 Bei insgesamt 581 Tagesordnungs- punkten zu Afrika war dies nicht auffaÈ llig haÈ ufig. FuÈ r den knappen Zeitraum vom Juni 1977 bis August 1978 lassen sich allein zwoÈ lf Nachweise finden. Grund dafuÈ r waren die AktivitaÈ ten von Werner Lamberz.

Ohne die PersoÈ nlichkeit von Werner Lamberz, der nicht nur in bezug auf die Profilierung der Afrikapolitik der DDR in der zweiten HaÈ lfte der 70er Jahre als die »dynamisierende« und praÈ gende PersoÈ nlichkeit beschrieben werden muû, kann die neue QualitaÈ t der Beziehungen zu den EntwicklungslaÈ ndern nicht erklaÈ rt werden. Von daher soll auf diesen Politiker kurz genauer einge- gangen werden. Werner Lamberz erlebte die Zeit des Nationalsozialismus als Heranwach- sender. 1929 wurde er in dem kleinen EifelstaÈ dtchen Mayen in einer kommu- nistischen Familie geboren. Sein Vater war als UnterbezirkssekretaÈ r der KPD fuÈ r den Mittelrhein von den Faschisten in den Konzentrationslagern Sonnenburg, Sachsenhausen, Esterwegen und Buchenwald eingesperrt worden. Zur »FrontbewaÈ hrung« ins Strafbataillon 999 abkommandiert, konnte er fliehen und sich der Roten Ar- mee anschlieûen. An der Baltischen Front sprach Werner Lamberz' Vater uÈ ber Rundfunk und Radio Moskau zu den Soldaten der Wehrmacht. Dieser Einsatz im Nationalkomitee Freies Deutschland brachte der Familie in Deutschland Repressalien ein. Einer der MitschuÈ ler von Werner Lamberz aus den Mayener Jahren, der Schauspieler Mario Adorf, beschrieb Lamberz mit den Worten: »Einer der ge- radesten Charaktere, der damals politisch weiter war als wir alle.«33 Und ein anderer ergaÈ nzte: »Der machte alles, was wir uns nicht trauten, der war der geborene FuÈ hrer.«34 Auf Anraten von Freunden und Verwandten besuchte Werner Lamberz ab dem 12. Lebensjahr verschiedene Eliteschulen der Nationalsozialisten, soge- nannte Adolf-Hitler-Schulen. Dies bot ihm und seiner Mutter einen gewissen Schutz.35 1945 kam der Vater von Werner Lamberz mit der Roten Armee nach Deutschland zuruÈ ck und uÈ bernahm Parteiaufgaben im brandenburgischen Luckenwalde. Lamberz junior zog zum Vater, lernte Heizungsmonteur und wurde uÈ ber die Gewerkschaft und die Freie Deutsche Jugend 6FDJ) Funktio- naÈ r. Nach einem Parteistudium in Moskau, im gleichen Jahrgang mit Hans

32 Vgl. Husemann, Bettina; Neumann, Anette: Die Afrikapolitik der DDR. Eine Titeldo- kumentation der Akten des PolitbuÈ ros und des Sekretariates der SED. Hamburg 1994. 33 Eik, Jan: Besondere Vorkommnisse. Politische AffaÈ ren und Attentate. Berlin 1995, S. 100 6im folgenden: Eik: Besondere Vorkommnisse). 34 Ebenda. 35 Ebenda.

62 Modrow, wurde er hauptamtlicher SekretaÈ r im FDJ-Zentralrat. Der 1,90 m groûe, stattliche und blonde Werner Lamberz kam auf den Gebieten der inter- nationalen Beziehungen und der Propaganda zum Einsatz. Er vertrat die DDR von 1955 bis 1959 im BuÈ ro des Weltbundes der Demokratischen Jugend in Budapest. Er sprach mehrere Sprachen36, und es fiel ihm leicht, Menschen fuÈ r sich und seine Anliegen zu gewinnen. Schon mit 34 Jahren wurde er unter PolitbuÈ romitglied Hermann Axen Lei- ter der Abteilung Auslandsinformation des ZK der SED. Auf dem VIII. Parteitag der SED, bei der MachtuÈ bernahme Honeckers, wurde Werner Lamberz auf dessen Vorschlag hin ins PolitbuÈ ro gewaÈ hlt. Lamberz, siebzehn Jahre juÈ nger als der GeneralsekretaÈ r, wurde fortan als er- stes Mitglied der obersten FuÈ hrungsriege angesehen, das nicht mehr der Gene- ration der KP-FunktionaÈ re angehoÈ rte. Er galt als Kronprinz und Nachfolger von Erich Honecker.37 Der gegenuÈ ber den »Altkommunisten« so ganz andere Lamberz fand auf dem Gebiet der Ideologie und Propaganda ein weites BetaÈ tigungsfeld. Seiner Liebe zu Afrika und den EntwicklungslaÈ ndern konnte er bereits in der inter- nationalen Jugendarbeit nachgehen. In ihr hatte er vielfaÈ ltige Kontakte zu den jungen Eliten der unterschiedlichen Befreiungsbewegungen. FruÈ hzeitig traf er Fidel Castro und soll ihn von seiner zeitweiligen NaÈ he zu China wieder »nach Moskau« und auf die Pfade des wissenschaftlichen Kommunismus ge- bracht haben. Werner Lamberz galt als freundlicher Mensch und fleiûiger Ar- beiter. Er sagte uÈ ber sich: »Ich bin nicht mit dem Fallschirm im Zentralkomi- tee abgesprungen. Das ist harte Arbeit gewesen. Es gibt 164 LaÈ nder auf der Erde, in 110 davon bin ich gewesen.«38 Im Apparat galt er als Mann mit Charisma und Visionen. Noch 1984 wur- den Botschafter nach Afrika entsandt mit dem Ratschlag, es wie Werner 6Lamberz) zu machen. Dieser Ausnahmegenosse, der in der Hierarchie des Zentralkomitees der SED weder fuÈ r Auûenpolitik noch fuÈ r Wirtschaft zustaÈ ndig war, hatte im er- sten Halbjahr 1977 die politischen Kontakte zu Afrika auf eine neue Stufe ge- hoben, sie zu einem dichten und fast nichtdurchschaubaren Geflecht verwo- ben und wichtige oÈ konomische VertraÈ ge fuÈ r die DDR eingeholt. Im Sommer und Herbst empfing er in Ostberlin gemeinsam mit Erich Honecker die afrika- nische Prominenz. Die Kopplung des guten politischen Rufes der DDR mit ihrem oÈ konomi- schen Engagement in Afrika ging auf seine Initiativen zuruÈ ck. Dabei schwebte ihm eine ergaÈ nzende Partnerschaft vor: WaÈ hrend die Sowjetunion als Super- macht vor allem die kommerzielle Lieferung von Waffen durchfuÈ hrte und daraus einen Schwerpunkt ihrer ExportbemuÈ hungen machte und Kuba durch groûe Kontingente an Soldaten und MilitaÈ rberatern aktiv wurde, wollte die

36 Das Muntziger-Archiv spricht von 15 Sprachen, die W. Lamberz gesprochen haben soll. Vertraute erwaÈ hnen zwischen drei und vier. 37 Vgl. GespraÈ ch des Verf. mit Dr. F. Trappen am 19.5.1999, im Anhang. 38 Werner Lamberz im GespraÈ ch mit Manfred Krug uÈ ber seine Person am 9.5.1977. Vgl. Krug: Abgehauen, S. 226.

63 DDR dieses Dreieck durch die Errichtung von industriellen und landwirt- schaftlichen Groûprojekten auf kommerzieller Basis vervollkommnen und beim Staatsaufbau mithelfen. Die Sowjetunion war weniger der Rohstoffe we- gen an den afrikanischen LaÈ ndern interessiert, als vielmehr aus geostrategi- schen Motiven einer Groûmacht. UÈ ber Rohstoffe verfuÈ gte die Sowjetunion zur GenuÈ ge. Die DDR wiederum war auf kostenguÈ nstige RohstoffbezuÈ ge aus. Dazu muûten Finanzierungen erschlossen werden, die der oÈ konomischen Lage der DDR Rechnung trugen.

In Libyen sahen die Genossen dazu die MoÈ glichkeit. Die Situation war guÈ n- stig. Der duÈ nn besiedelte WuÈ sten- und OÈ lstaat erlangte ± durch die OÈ lpreisstei- gerungen, die die DDR hart trafen ± enorme EinkuÈ nfte und besaû eine hohe LiquiditaÈ t an DollarbestaÈ nden aus dem ErdoÈ lhandel. Die seit dem Jom-Kip- pur-Krieg im Oktober 1973 vier mal angehobenen ErdoÈ lpreise brachten dem Anrainerstaat am Mittelmeer unerwartet viele Dollar-Millionen in die Staats- kassen. Das verschaffte dem Staatsoberhaupt al Gaddafi weiteres politisches Gewicht und Sendungsbewuûtsein. Durch den im Juli 1977 schwelenden Grenzkonflikt mit AÈ gypten wurden umfangreiche Bewaffnungsmaûnahmen notwendig. Die DDR war dafuÈ r ein potentieller Partner und trat auch so auf. Unterschiedliche Interessen kreuzten sich. Al Gaddafi wollte die umwaÈ lzenden VeraÈ nderungen in Afrika unterstuÈ tzen. Er interessierte sich, ohne aktiv zu suchen, fuÈ r einen Partner, der, auf hohem industriellem Niveau und mit personellen und ingenieur-technischen Ressour- cen ausgestattet, willens und in der Lage war, den jungen Staaten in Afrika und Arabien und ihrer FuÈ hrung bei der Industrialisierung zu helfen. Die DDR galt als industriell entwickeltes Land und suchte liquide Freunde. Die Beziehungen der DDR zu Libyen standen durch den Besuch von al Gaddafis Stellvertreter und MinisterpraÈ sidenten, Abdel Salam Jalloud, im FruÈ hjahr 1975 auf einer guten Grundlage. Zudem hatte am 20. September 1977 in Moskau eine Beratung der sozialistischen Bruderparteien uÈ ber die weiteren Beziehungen zu Libyen stattgefunden. Auûerdem hatten suÈ djeminiti- sche marxistische KraÈ fte auch nach Ermunterung der SED im Sommer er- reicht, daû die verschiedenen linken Befreiungsfronten von Eritrea die Gueril- laaktionen gegen die Zentralregierung von AÈ thiopien zeitweise eingestellt hatten. Diese kurzzeitige Entlastung der Nordfront in AÈ thiopien wollte die SED durch Verhandlungen verlaÈ ngern, den Zugang zu den eritreischen HaÈ fen offen halten und das Abtrennen Eritreas vom amharisch gepraÈ gten aÈ thiopi- schen Zentralstaat verhindern. Dazu wurden zwischen November 1977 und MaÈ rz 1978 drei Treffen der verfeindeten Parteien in Ostberlin unter Schirm- herrschaft der SED abgehalten.39 Kontakte zu Libyen waren dafuÈ r notwen- dig. Vom 1. bis 4. Oktober reiste eine kleine Delegation unter Leitung von Her- mann Axen nach Libyen.

39 Vgl. GespraÈ ch des Verf. mit Dr. F. Trappen am 19.5.1999, im Anhang.

64 Dabei wurden Vereinbarungen uÈ ber die Parteibeziehungen zwischen der SED und dem libyschen Volkskongreû, ein Jugendabkommen und eines uÈ ber KoÈ rperkultur und Sport abgeschlossen. Hermann Axen lud al Gaddafi zu ei- nem Staatsbesuch in die DDR ein. Im GespraÈ ch mit Hermann Axen wuÈ rdigte al Gaddafi die DDR als hochentwickeltes Industrieland, das standhaft an der Seite des Fortschritts steht. Er bezeichnete die DDR und Libyen als »zwei progressive Vorpostenstaaten«.40 Hermann Axen, als der Vertreter der Vor- hutpartei SED, pflichtete der neuen Vorpostenstaatengemeinschaft schnell bei, indem er antwortete: »Der Imperialismus versucht nicht nur seine oÈ kono- mische Krise, sondern auch seine moralische Verfaultheit in unser sozialisti- sches Land zu exportieren.«41 Al Gaddafi antwortete: »Da haben Sie vollstaÈ ndig recht, das versucht er fortgesetzt auch gegenuÈ ber uns. Deshalb sind wir so streng auch bei der Mo- ral.«42 Zum Abschluû der GespraÈ che bat Hermann Axen um die GewaÈ hrung von Krediten fuÈ r die DDR und schlug die Zusammenarbeit auf militaÈ rischem Ge- biet vor. Al Gadaffi bemerkte dazu eher zuruÈ ckhaltend, daû viele sozialistische Staa- ten nach Krediten ersuchen. Er koÈ nnte sich allerdings eine sinnvolle Koopera- tion mit der DDR auf drei Gebieten vorstellen: ± dem langfristigen Export in die DDR,43 ± der Zusammenarbeit beider LaÈ nder in »DrittlaÈ ndern«44, ± der Finanzierung und Errichtung von Betrieben als libysche Investitionen in der DDR.45 Am Rande des Besuches traf sich Hermann Axen auch mit PLO-Chef Yasser Arafat. Mit anerkennenden Worten im GepaÈ ck, aber ohne konkrete Ergebnisse flog Hermann Axen nach Ostberlin zuruÈ ck. Wenige Tage spaÈ ter, Ende Okto- ber, weilte Mengistu Haile Mariam waÈ hrend eines Zwischenstops in Berlin. Sein Reiseziel war Moskau. Die GespraÈ che mit Honecker, Lamberz und Axen kreisten um den Ogadenkrieg, WaffengeschaÈ fte, Kaffee und die Verhandlun- gen mit den eritreischen linken Befreiungsfronten. Mengistu Haile Mariam gab nur zoÈ gernd sein Ja zu einem Verhandlungsauftrag der SED in bezug auf die verfeindeten linken Parteien am Horn von Afrika. Beide Anliegen ± auf der einen Seite die oÈ konomischen Interessen der DDR und auf der anderen Seite die VermittlungsbemuÈ hungen im aÈ thiopisch-eritreischen Konflikt ± soll-

40 GedaÈ chtnisprotokoll des GespraÈ ches al Gaddafi ± Hermann Axen am 3.10.1977 in Tri- polis. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-2108, Protokoll des PolitbuÈ ros 40/77 vom 12.10.1977. 41 Ebenda. 42 Ebenda. 43 Al Gadaffi nannte keine konkreten Produkte, aber es ist anzunehmen, daû ErdoÈ l ge- meint ist. 44 Der Begriff »Drittlandabkommen« war zu diesem Zeitpunkt schon gepraÈ gt. Definiert wurde er aber nicht. Eine Eingrenzung auf den afrikanischen und arabischen Raum wurde noch nicht vorgenommen. 45 GedaÈ chtnisprotokoll des GespraÈ ches al Gaddafi ± Hermann Axen am 3.10.1977 in Tri- polis. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-2108, Protokoll des PolitbuÈ ros 40/77 vom 12.10. 1977.

65 ten von Werner Lamberz weiter verfolgt werden, der, inzwischen mit dem neuen Titel »Sonderbotschafter des GeneralsekretaÈ rs der SED und Vorsitzen- den des Staatsrates der DDR« ausgestattet, im Dezember 1977 nach AÈ thio- pien und Libyen reiste. Im GepaÈ ck hatte er fuÈ nf AuftraÈ ge: ± Ausloten weiterer Verhandlungsschritte zwischen den Kriegsparteien am Horn von Afrika, ± Austausch uÈ ber die Tripolis-Konferenz von sechs arabischen Staaten zur PLO-Frage,46 ± Bereitstellung eines Bargeldkredites fuÈ r die DDR durch Libyen und die UÈ bernahme von BuÈ rgschaften, ± Aushandeln des Drittlandabkommens, ± Erreichen des libyschen Einwirkens auf die islamisch-marxistischen Rebel- len von Eritrea im Sinne einer politischen LoÈ sung des Konfliktes. Die Delegation mit Werner Lamberz traf am 10. Dezember 1977 in Tripolis ein. Die Mission muû dringend gewesen sein, denn Hermann Axen und Erich Honecker hatten auf getrennten Wegen bei al Gaddafi um Termine fuÈ r Lam- berz gebeten. Es muû als besondere Geste betrachtet werden, daû Werner Lamberz in der Jurte von al Gaddafi, weitab der Hauptstadt Tripolis, empfangen wurde. In einem fast vierstuÈ ndigen GespraÈ ch gelang Werner Lamberz der politische Durchbruch bei den wichtigsten Punkten seiner Auftragsliste und der BruÈ k- kenschlag zur Finanzierung der DDR-Exportinitiative von Ostberlin uÈ ber Tripolis nach Addis Abeba, Damaskus oder Maputo.47 Auch in der PalaÈ stina-Frage wurde schnell UÈ bereinstimmung erzielt. Im Anschluû daran sprach al Gaddafi laÈ ngere Zeit uÈ ber den aÈ gyptisch-libyschen Grenzkonflikt. Er rechnete mit der Sowjetunion, die allerdings nicht so lange wie in Angola oder AÈ thiopien warten sollte. »Neue gute Waffen wuÈ rden die AÈ gypter abschrecken.« Als Erwiderung lud Werner Lamberz, wie zuvor Her- mann Axen, erneut eine hochrangige MilitaÈ rdelegation in die DDR ein. Er sprach auch von der Offenheit der DDR gegenuÈ ber dem Islam und bot die PruÈ fung des Baus einer Moschee in Leipzig und die Errichtung einer islami- schen Bibliothek in Rostock an. Auf den Wunsch nach einem Barkredit uÈ ber mehrere hundert Millionen US-Dollar angesprochen, sagte al Gaddafi: »Wir betrachten es als unbedingte Pflicht, Euch in einer schwierigen Situa- tion beizustehen. 6¼) Ich kann Euch versichern, daû Ihr volles Vertrauen haben koÈ nnt. Es gibt in dieser Hinsicht bei uns kein ZoÈ gern. MuÈ ndlich moÈ chte ich jetzt schon ganz eindeutig eine feste Zusage geben, daû wir Euch unterstuÈ tzen werden. Wir werden alle Gebiete der Zusammenarbeit realisie- ren, von der militaÈ rischen UnterstuÈ tzung, uÈ ber die technische Zusammenar- beit bis hin zu dem Kredit fuÈ r Euch. 6¼) Ich moÈ chte Euch ehrlich versi-

46 In der ersten Dezemberwoche gab es auf Einladung al Gaddafis in Tripolis eine Konfe- renz arabischer StaatsoberhaÈ upter, auf der die ablehnende Haltung zum israelisch- aÈ gyptischen Camp-David-Vertrag bestaÈ tigt wurde. Syrien, der Irak, Algerien, SuÈ d- jemen, Libyen natuÈ rlich und die PLO traten nun gemeinsam auf. 47 Im folgenden beziehe ich mich auf das Protokoll des PolitbuÈ ros vom 20.12.1977. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-2124.

66 Am 12. Dezember 1977 traf der libysche RevolutionsfuÈhrer al Gaddafi Werner Lamberz zu ei- nem mehrstuÈndigen GespraÈch in seiner Jurte.

chern, daû alles, was wir in der Hand haben und Euch vor dem Imperialis- mus retten koÈ nnte, ohne ZoÈ gern eingesetzt wird. Unsere Freundschaft ist fest. Wir wollen die progressiven KraÈ fte in diesen Freundschaftspakt einbe- ziehen.«48 Zum Abschluû bat al Gaddafi Werner Lamberz, zu einem weiteren GespraÈ ch uÈ ber Religion und Philosophie nach Tripolis zu kommen. Beide Politiker und BerufsrevolutionaÈ re verabschiedeten sich herzlich. Am naÈ chsten Tag, kurz vor dem Abflug, teilte MinisterpraÈ sident Abdel Sa- lam Jalloud waÈ hrend des AbschluûgespraÈ ches auf dem Flughafen von Tripo- lis mit, daû Libyen bereit sei, »als BruÈ cke fuÈ r das Einwirken der sozialistischen LaÈ nder auf verschiedene Staaten Afrikas und in den afrikanischen Befreiungsbewegungen zur VerfuÈ - gung zu stehen. 6¼) Hinsichtlich der Bitte um GewaÈ hrung eines Kredites sei er, Jalloud, beauftragt, im Namen des GeneralsekretaÈ rs Gaddafi folgen- des mitzuteilen. Nach dem gestrigem GespraÈ ch mit Gen. Lamberz sei man davon uÈ berzeugt, daû es notwendig ist, der DDR einen moÈ glichst groûen Kredit einzuraÈ umen.«49

48 Ebenda. 49 Ebenda.

67 Werner Lamberz haÈ tte »durch seine zugespitzte Fragestellung« bewirkt, daû auch die anderen sozialistischen Staaten, die schon laÈ nger Kredite haben woll- ten, nun auch welche bekaÈ men. »Libyen sei bereit, mit der DDR eine oÈ konomische Offensive in Afrika und in arabischen LaÈ ndern zu beginnen. Diese LaÈ nder verfuÈ gen uÈ ber groûe Rohstoffvorkommen. Die Imperialisten stuÈ rzen sich wie die Wilden auf diese BodenschaÈ tze. Das ist ihre Form des oÈ konomischen Kolonialismus. Die Rohstoffe gehoÈ ren aber eigentlich in die HaÈ nde der sozialistischen LaÈ n- der, da nur sie den afrikanischen Staaten wirklich helfen, frei und unabhaÈ n- gig zu sein und Wege des Fortschritts zu gehen. Libyen bittet die DDR, alle MoÈ glichkeiten zu pruÈ fen, um Industrieanlagen und landwirtschaftliche Ob- jekte in Afrika und den arabischen LaÈ ndern zu errichten und Waren zu lie- fern. Die libysche Seite ist bereit, diese zu finanzieren.«50 Zur Konkretisierung der libyschen Seite werden im Protokoll folgende Punkte aufgefuÈ hrt: ± Sofortige GewaÈ hrung eines Bargeldkredites von 100 Mio. US-Dollar zum 15. Januar 1978, ± libysche Banken uÈ bernehmen auf dem internationalen Geldmarkt Ver- pflichtungen von 100±150 Mio. US-Dollar Krediten fuÈ r die DDR, ± Ausdehnung des Kreditrahmens innerhalb von 2±3 Jahren auf 400±500 US-Dollar, ± EroÈ ffnung einer oÈ konomischen Offensive in Afrika und dem arabischen Raum. Als moÈ gliche LaÈ nder der gemeinsamen Offensive werden genannt: AÈ thiopien, Angola, SuÈ djemen, Mosambik, Benin, Uganda, Burundi, Kamerun und Togo. Der Abschluûsatz dieses Berichtes vor dem PolitbuÈ ro zitiert programma- tisch Abdel Salam Jalloud, der die von Werner Lamberz mit beeinfluûte neue und euphorische Sicht al Gaddafis auf die zukuÈ nftige Kooperation DDR ±Li- byen wiedergibt: »Afrikanische Rohstoffe, libysches Kapital und DDR-Industrie und DDR- Wissenschaft sollten zusammengefaût zu einer neuen materiellen Grundlage fuÈ r die revolutionaÈ re Entwicklung in Afrika und in Arabien werden.«51 Eine wahre Triumphtrikolore wird vor dem geistigen Auge der Genossen ge- flattert haben. Die im Sommer 1977 aus der Not geborene Offensive im Han- del mit EntwicklungslaÈ ndern erfuhr nun eine entscheidende Erweiterung: Die Finanzierung fuÈ r beide Seiten, die DDR und die EntwicklungslaÈ nder, konnte nach dieser Zusage als gesichert angesehen werden. Weltrevolution und weite- rer sozialer Fortschritt fuÈ r die daran beteiligten EntwicklungslaÈ nder schienen sich mit den Interessen der DDR und ihrer geheimen Notlage zu einer neuen QualitaÈ t zu vereinen. Nach der weltweiten politischen Anerkennung hatte die DDR nun auch ± jedenfalls in Libyen ± Achtung als industriell und wissenschaftlich faÈ higer Partner erlangt. Hervorragende Aussichten fuÈ r die DDR eroÈ ffneten sich.

50 Ebenda. 51 Ebenda.

68 Daû aus dieser Triumphtrikolore schnell eine tragische Troika werden wuÈ rde, mag kaum jemand geahnt haben. Nach Kenntnisnahme und Auswertung des Berichtes beschloû das PolitbuÈ - ro seitens der DDR folgende Maûnahmen: ± Libyen sind Materialien und Dokumente uÈ ber die neokolonialen Wirkun- gen und die reaktionaÈ ren Komplotte der BRD in Afrika zur VerfuÈ gung zu stellen. Verantwortlich: Minister Mielke. ± Der Auûenminister Treiki wird in die DDR eingeladen. ±GuÈ nter Mittag und Gerhard SchuÈ rer sollen die Liste der Drittlandprojekte aufstellen. ± Das SolidaritaÈ tskomitee der DDR soll kurzfristig Material fuÈ r die Unter- stuÈ tzung von POLISARIO, FROILNAT, PLO und die Befreiungsbewe- gung von Djibouti zusammenstellen. Die Auslieferung erfolgt uÈ ber Libyen. ± Auf der Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche im November 1978 soll die »arabische Sache« zum Thema gemacht werden.52

Der unmittelbare Zusammenhang zur Bildung der »Kommission zur Koordi- nierung der Zusammenarbeit in EntwicklungslaÈ ndern Afrikas und des arabi- schen Raumes« ist deutlich zu erkennen. Noch am 22. Dezember meldete der Botschafter der DDR aus Tripolis, daû die Einreisedokumente fuÈ r die hoch- rangige MilitaÈ rdelegation ausgestellt worden seien und einem Besuch nichts mehr im Wege stehe. Unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen, am 5. Januar 1978, nahm die Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder ihre Arbeit auf.

2.7 Zur Arbeitsweise der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder

Die Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder wurde aus zwei sich bedingenden Impulsen gegruÈ ndet. Zum einen als das zentrale Abstimmungs- und Durchset- zungsorgan fuÈ r die Exportoffensive gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern und zum anderen fuÈ r die maximale Nutzung des Drittlandabkommens mit Libyen zur schnelleren Reparatur der schiefen Zahlungsbilanz. Die Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder verfuÈ gte uÈ ber ein sehr kleines BuÈ - ro in der Staatlichen Plankommission, die formal keine Parteieinrichtung war. Die Leitung des BuÈ ros war Dieter Albrecht, einem der Stellvertreter von Ger- hard SchuÈ rer, dem Chef der Staatlichen Plankommission der DDR und einem der Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates und Kandidaten des Po- litbuÈ ros der SED, uÈ bertragen worden. Neben Dieter Albrecht beschaÈ ftigte das Sekretariat nur noch fuÈ nf weitere Mitarbeiter. Sie kamen aus dem Auûenhandel oder waren zuvor im diploma- tischen Dienst. Dieter Albrecht sah das Sekretariat der Kommission als eine Art Entwicklungshilfeministerium an, in dem Fachleute saûen, um inhaltliche

52 Ebenda.

69 Diskussionen zu fuÈ hren und die Vorlagen mit den einzelnen Ministerien vorab zu klaÈ ren.53 Die erste Sitzung der Kommission fand an einem Montag, dem 5. Januar 1978, statt. Als formal das PolitbuÈ ro nur beratendes Gremium54 hatte die Kommission auf dem Gebiet der erweiterten oÈ konomischen Beziehungen zu EntwicklungslaÈ ndern faktisch Entscheidungshoheit und Beschluûkraft, die der des PolitbuÈ ros des ZK der SED gleichkam.55 Die von der Kommission be- schlossenen Vorlagen wurden in der Regel dem PolitbuÈ ro zugeleitet, beraten und gemaÈ û den Beschluûempfehlungen von GuÈ nter Mittag auch dem ZK der SED und dem PraÈ sidium des Ministerrates uÈ berstellt. Meist wurden die Vor- lagen mit einem neuen Deckblatt versehen, von Willi Stoph als MinisterpraÈ si- dent der DDR oder von Werner Krolikowski als dessen Stellvertreter unter- schrieben und als BeschluÈ sse des PraÈ sidiums des Ministerrates zur Ablage gebracht. Bereits unter Walter Ulbricht wurde am 12. Juli 1960 vom PolitbuÈ ro festgelegt, »daû alle BeschluÈ sse des ZK und des PolitbuÈ ros, die die staatliche TaÈ tigkeit betreffen, dem Ministerrat oder seinem PraÈ sidium unveraÈ ndert als Vorlage zu unterbreiten sind«.56 Die bestaÈ tigten BeschluÈ sse des PolitbuÈ ros wa- ren in der Regel schon laÈ ngst zur AusfuÈ hrung gelangt und uÈ ber die Apparate des PolitbuÈ ros bzw. des ZK den Fachministerien oder Organen uÈ berstellt wor- den. Oft gab es fuÈ r komplizierte oÈ konomische Projektvorhaben nur 14 Tage Planungszeit fuÈ r die Fachabteilungen. Gelegentlich wurde diese Zeit auf unter 48 Stunden verkuÈ rzt. Da die Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder GuÈ nter Mittag unterstand, wurden deren Vorlagen, wie fast alle »seine Themen«, als Tabu-Themen be- handelt, das heiût, es wurde nicht nachgefragt. Bemerkenswert ist, daû keine eigene Abteilung fuÈ r EntwicklungslaÈ nder im ZK eingerichtet wurde, obwohl die EntwicklungslaÈ nder einer der drei wichtigsten BuÈ ndnispartner der kom- munistischen Weltbewegung sein sollten. Die ZK-Abteilung »Internationale Verbindungen«, die fuÈ r Diplomatie und Auûenpolitik zustaÈ ndig war, und die ZK-Abteilung »Internationale Politik und Wirtschaft« unterstanden Her- mann Axen. In der Abteilung »Internationale Verbindungen« 6IV) gab es ei- nen Sektor »EntwicklungslaÈ nder«. Dr. Friedel Trappen leitete diesen Sektor von 1974 bis 1986. Er saû regelmaÈ ûig fuÈ r den gemaÈ û der Nomenklatura vor- gesehenen Abteilungsleiter in der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder. Die Abteilung IV und besonders der Sektor »EntwicklungslaÈ nder« versuchten, die internationale Politik im Zusammenspiel mit den oÈ konomischen Interessen der DDR nicht zu kurz kommen zu lassen. Sie erlebten, daû Politik nur der

53 Vgl. GespraÈ ch des Verf. mit D. Albrecht und G. SchuÈ rer am 14.12.1998. 54 Offizielle Aufgabe der Kommission war es, »die entsprechenden Entscheidungen fuÈ r das PolitbuÈ ro und die Regierung der DDR vorzubereiten«. BAZ DY 30 J IV 2/2 1705, S. 157. 55 »¼ aber ich habe im PolitbuÈ ro uÈ berhaupt kaum Abstimmungen erlebt. 6Heiterkeit)« Aussage von G. SchuÈ rer am 26.1.1993 vor der Enquetekommission. Zit. nach: Materia- lien der Enquetekommission, Bd. II, 1: Machtstrukturen und Entscheidungsmechanis- men im SED-Staat und die Frage der Verantwortung. 56 Modrow: Das Groûe Haus, S. 37.

70 Spielraum ist, den die OÈ konomie uÈ briglaÈ ût. Obwohl grundsaÈ tzlich auch fuÈ r Belange des Handels und Devisenerwirtschaftung gegenuÈ ber Entwicklungs- laÈ ndern zustaÈ ndig, hatte die Abteilung letztlich doch keinen Einfluû.57 Dar- uÈ ber wachten GuÈ nter Mittag und der ihm in einem besonderen VerhaÈ ltnis un- terstellte Schalck-Golodkowski. Dessen Bereich KoKo wurde oft als groÈ ûte und eigenstaÈ ndigste Abteilung des ZK angesehen. Die raÈ umliche Ansiedlung des Sekretariates der Kommission fuÈ r Entwick- lungslaÈ nder bei der Staatlichen Plankommission muû als Kompromiû zum Ausgleich der divergierenden Interessen bei zusaÈ tzlichen »Devisengewinnen« statt als Wille zu besonderer fachlicher Begleitung der Arbeit und BeruÈ cksich- tigung der spezifischen Probleme und Interessen von EntwicklungslaÈ ndern an- gesehen werden. Die Kompromiû- oder »Kampflinie« war der Zugriff auf die auûerplanmaÈ ûig zu erwartenden US-Dollar. HalbjaÈ hrlich wurden die ArbeitsplaÈ ne der Kommission durch das Sekreta- riat der Kommission verschickt, verbunden mit der Bitte um Kenntnisnahme und moÈ gliche ErgaÈ nzungen sowie das Vormerken der Termine. Ein »Verteiler fuÈ r den Arbeitsplan der Kommission« ist in den Unterlagen der Sitzung vom 4. April 1978 erhalten geblieben.58 Er umfaût Mitglieder der Kommission und die uÈ ber die Tagesordnungspunkte zu informierenden Per- sonen aus Partei und Regierung, die keinen Sitz in der Kommission hatten. 34 MaÈ nner59 sind darin aufgefuÈ hrt. Die Hierarchie ist aufschluûreich: Nr. 1 Erich Honecker, Nr. 2 GuÈ nter Mittag, Nr. 3 Werner Lamberz60, Nr. 4 Hermann Axen, Nr. 7 Gerhard SchuÈ rer, Nr. 8 Egon Krenz, Nr. 9 Kurt Seibt, Vorsitzender der Revisionskommission beim ZK der SED und Vorsitzender des PraÈ sidiums des SolidaritaÈ tskomitees der DDR, Nr.10 GuÈ nther Kleiber, Minister fuÈ r Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau 6einschl. Waffen und militaÈ rischen AusruÈ stungen), Nr.11 Wolfgang Rauchfuû, Minister fuÈ r Materialwirtschaft, Nr.12 Paul Markowski, Leiter der Abteilung internationale Verbindungen beim ZK61, Nr.13 Gerhard Beil, stellvertretender Auûenhandelsminister, Nr.14 Klaus Willerding, stellvertretender Auûenminister, Nr.15 Alexander Schalck-Golodkowski, Nr.16 Dieter Albrecht. Es folgen eine Reihe von Ministern bzw. deren Stellvertreter.

57 Vgl. GespraÈ ch des Verf. mit Dr. F. Trappen am 19.5.1999, im Anhang. 58 BAZ DE-1 54 881, Anlage zum 4.4.1978. 59 Nur MaÈ nner erhielten die immer als »persoÈ nlich« bis »streng geheim« eingestuften Ar- beitspapiere, keine Frau saû mit am Tisch oder las in den Unterlagen. 60 Per Hand war der Name, infolge des Absturzes am 6.3.1978, gestrichen. Im Beschluû vom 20.12.1977 rangierte W. Lamberz noch nach H. Axen. 61 Per Hand durchgestrichen und ersetzt durch E. Winkelmann.

71 Auûenminister Oskar Fischer traÈ gt, den MilitaÈ rs nachgeordnet, die Platzzif- fer 21. Die Reihe endet mit Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann auf Rang 34. Selbst der Sport war durch den PraÈ sidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes 6DTSB), Manfred Ewald, vertreten. FuÈ nf stellvertretende Vorsitzende des Ministerrates waren in den Verteilungs- plan aufgenommen worden und 15 Vertreter von Ministerien. Das Ministerium fuÈ r Volksbildung war nicht mit aufgefuÈ hrt. Das Ministerium fuÈ rAuûenhandel stand dafuÈ r gleich mit sieben stellvertretenden Ministern auf der Liste. Somit waren die maûgeblichen Personen der Partei- und StaatsfuÈ hrung der DDR und die ihnen unterstellten Apparate uÈ ber die Arbeit der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder informiert und haÈ tten »strukturgemaÈ û« ihre Voten abgeben und die Arbeit beeinflussen koÈ nnen, auch wenn GuÈ nter Mittag die gesamte Kommission dominiert haben soll und durch seine Stellung zu Erich Honecker jede Kommissionsvorlage zum Beschluû des PolitbuÈ ros erheben oder fallenlassen konnte. Das indirekte Vorschlagsrecht wurde gelegentlich wahrgenommen, indem Dieter Albrecht meist kurze Stellungnahmen zu einzelnen Tagesordnungspunk- ten zugesandt bekam. Allein die in der Staatlichen Plankommission aufbewahr- ten Beschluûvorlagen der Kommission umfassen 32 gefuÈ llte Aktenordner. Im ersten Jahr der Kommission wurde vierzehntaÈ gig ein umfangreiches Pensum von zehn bis 15 Tagesordnungspunkten abgearbeitet. Ab 1983 wur- den die Listen der Tagesordnungspunkte kuÈ rzer, die Sitzungen fanden in groÈ ûeren AbstaÈ nden statt. 1988/89 wurde teilweise im Umlaufverfahren ent- schieden. Dieter Albrecht beschreibt die Kommission als ein Entscheidungs- gremium mit einem fuÈ r die uÈ bliche Diskussionskultur des ZK der SED eher hohen Anteil an fachlichem GespraÈ ch.62 Aus den Akten laÈ ût sich eine solche Entscheidungskultur allerdings nicht erschlieûen. Die eingereichten Vorlagen wurden in der Regel mit BeschluûvorschlaÈ gen versandt, die nur in Ausnahme- faÈ llen durch die Beratungen veraÈ ndert wurden. Vergleiche zu einer anderen Kommission, der »Wirtschaftskommission des PolitbuÈ ros« 6WIKO), draÈ ngen sich auf. Auch diese Kommission stand unter der Leitung von GuÈ nter Mittag. Beide von ihm geleiteten Kommissionen hatten keine Stellvertreter. Beide tagten ± im Wechsel ± immer am Montag vor den Dienstag-Sitzungen des PolitbuÈ ros. Die Arbeit der WIKO wurde von einem Mitarbeiter des ZK wie folgt beschrieben: »Die WIKO war mehr die BuÈ hne fuÈ r den Auftritt des Meisters, die meisten ihrer Mitglieder waren Statisten ¼ Am Schluû hatte die WIKO keinen Wert mehr. In ihr uÈ bte der Vorsitzende nur noch Repressionen aus und ver- ursachte Depressionen.«63 In 14 Jahren soll es in der WIKO nicht mehr als fuÈ nf Aussprachen gegeben haben, bei durchschnittlich 15 bis 20 Sitzungen pro Jahr. Einen vergleichba- ren Leitungsstil in der Komission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder beschreibt Friedel

62 GespraÈ ch des Verf. mit D. Albrecht und G. SchuÈ rer am 14.12.1998. 63 Janson: Der TotengraÈ ber, S. 155f.

72 Trappen.64 Die IntensitaÈ t der Arbeit der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder sank ab 1982/83 merklich. Der WIKO wird eine gewisse Bekanntheit nachge- sagt. Die Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder muû dagegen als unbekannt angesehen werden. Nach Aussagen von Mitgliedern der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder ist der politische Aspekt als Gegengewicht zur OÈ konomie durch die Teilnah- me von Hermann Axen mit beruÈ cksichtigt worden. Auch sei die Kommission der Ort fuÈ r Debatten uÈ ber die Existenzfragen der EntwicklungslaÈ nder und die Sorgen der DDR gewesen. Daû uÈ ber die problematische Einheit der Auûen- wirtschaftspolitik mit der Auûenpolitik bzw. die Spannung zwischen den In- teressen der SED, die ihr Regime, ihren Staat und ihr »Projekt« erhalten wollte, und den Interessen der unterschiedlichsten EntwicklungslaÈ nder, die ih- re Gemeinwesen aufbauen und ihre »Projekte« realisieren wollten, diskutiert worden waÈ re, laÈ ût sich aus dem Aktenmaterial nicht erkennen. Aus den ArbeitsplaÈ nen fuÈ r das Jahr 1978 geht hervor, daû allein in diesem Jahr zu 40 EntwicklungslaÈ ndern spezielle Tagesordnungspunkte vorgesehen waren. Die Exportoffensive forderte konzentrierte Bearbeitung und Beschluû- fassung. LaÈ nderschwerpunkte lassen sich unschwer feststellen. Zu den Beziehungen mit Libyen wurde sechsmal beraten, zu Angola gab es vier und zu Mosambik und AÈ thiopien je drei umfangreiche Vorlagen. Eben- falls drei Vorlagen wurden zu den Philippinen eingereicht. Im Dezember 1977 weilte Erich Honecker in diesem Inselstaat. Die wirtschaftlichen Kontakte zur namibischen Befreiungsbewegung SWAPO wurden zweimal auf die Tagesord- nung gesetzt. Die DDR rechnete zu dieser Zeit mit einem unmittelbaren Ein- treten der UnabhaÈ ngigkeit dieses Landes unter FuÈ hrung der SWAPO. Sie plante die umfassende Einbeziehung Namibias in ihre Exportoffensive und die Rohstoffsicherung. Das befreite Namibia waÈ re ebenfalls dem Bereich KoKo zugefallen. Im Februar 1977 war die »Namibia-Kontaktgruppe« auf Anregung von Andrew Young, dem StaÈ ndigen Vertreter der USA bei den Vereinten Nationen, und RuÈ diger von Wechmar, dem Vertreter der Bundes- republik, ins Leben gerufen worden.65 Sie ging von einer baldigen SelbstaÈ n- digkeit Namibias aus, auch im Zusammenhang mit der LoÈ sung der »SuÈ d- Rhodesien-Frage«. Namibia erlangte seine UnabhaÈ ngigkeit erst zwoÈ lf Jahre spaÈ ter, in den Tagen um den 9. November 1989, als in Berlin die Mauer fiel. FuÈ r alle anderen EntwicklungslaÈ nder, mit denen die DDR Handel in frei konvertierbaren WaÈ hrungen trieb, war im ersten Jahr der Kommission je ein Tagesordnungspunkt reserviert.66 Meist wurde sich ein UÈ berblick verschafft

64 GespraÈ ch des Verf. mit Dr. F. Trappen am 19.5.1999, im Anhang. 65 Zur »Kontaktgruppe«, die teilweise auf Ministerebene arbeitete, gehoÈ rten: USA, BRD, Groûbritannien, Kanada und Frankreich. Vgl. Engel, Ulf; Schleicher, Hans-Georg: Die beiden deutschen Staaten in Afrika. Zwischen Konkurrenz und Koexistenz 1949± 1990. Hamburg 1998, S. 259f. 66 Reihenfolge laut Tagesordnungslisten: VR Jemen, die suÈ dafrikanische Befreiungsbewe- gung ANC, Guinea-Bissau, Tansania, Syrien, Benin, die westsaharische Befreiungsbewe- gung POLISARIO, Iran, Irak, AÈ gypten, Sambia, Sri Lanka, Argentinien, Kap Verde, Ni- geria, Liberia, SaÄ oTome und PrõÂncipe, Malaysia, Indien, Singapur, Kuwait, Thailand, Simbabwe, Algerien, Nordkorea 6KDVR), Guyana, Uganda, Equador, Costa Rica, Viet-

73 und die bestehenden Beziehungen per Beschluû sanktioniert. Die mit dem RGW verbundenen EntwicklungslaÈ nder zaÈ hlten nicht zum Geltungsbereich der Kommission. Sie gehoÈ rten zur »Rubelzone« und nicht zum »Dollarge- biet« des DDR-Auûenhandels. Dadurch waren keine freien Devisen in Aus- sicht und das Interesse geringer. FuÈ rdieLaÈ nder Mosambik, AÈ thiopien, Angola sowie SaÄ oTome und Prõ ncipe sind alle Vorlagen von Alexander Schalck-Golodkowski allein oder gemeinsam mit Fachministern abgezeichnet. Schalck lieû viele seiner Vorlagen von der »Handelspolitischen Abteilung« oder deren VorgaÈ ngerstruktur im Bereich Ko- Ko ausarbeiten. Neben den drei groûen afrikanischen LaÈ ndern wurden noch SaÄ oTome und PrõÂncipe ± eine sehr kleine, ehemals portugiesisch verwaltete In- selgruppe unweit der angolanischen Grenze ± durch KoKo betreut. Von dieser Inselgruppe bezog die DDR zeitweise einen Groûteil ihres Rohkakaos. Einige der neuen FuÈ hrungskraÈ fte dieses jungen Staates hatten in der DDR studiert. Unverkennbar lag der Schwerpunkt der Beratungen der »Mittag-Kommis- sion« auf den LaÈ ndern, die unmittelbar das Drittlandabkommen beruÈ hrten bzw. deren Handel unter der Verwaltung des Bereiches KoKo stand: Libyen, zeitweise Angola, AÈ thiopien, Mosambik und abgestuft Syrien sowie SuÈ djemen.

2.8 Das Drittlandabkommen DDR±Libyen±EntwicklungslaÈ nder

Mit den BeschluÈ ssen des PolitbuÈ ros vom 20. Dezember 1977 und des PraÈ si- diums des Ministerrates wurde der Abschluû des »Drittlandabkommens« oder »Prinzipienabkommens«, wie es auch genannt wurde, in seinen Einzelhei- ten vorbereitet. Die euphorischen Worte von Werner Lamberz und al Gaddafi zum gemeinsamen Vorgehen in EntwicklungslaÈ ndern klingen in der entspre- chenden Direktive wie folgt: »Die Verhandlungen sind mit dem Ziel zu fuÈ hren, die Beziehungen mit der LASVJ komplex, insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Industrie, der Wissenschaft und Technik, der Finanzen, der Kultur, des Genossen- schaftswesens, des Verkehrswesens, des Sportes und der Jugendarbeit, wesent- lich zu entwickeln und zu vertiefen.«67 Weiter heiût es: »In kurzer Zeit ist ein Beispiel fuÈ r die Zusammenarbeit zwischen der DDR als einem entwickelten so- zialistischen Industriestaat in Europa und der LASVJ als einem progressiven Entwicklungsland im arabisch-afrikanischen Raum zu schaffen ¼ und die zu- nehmende Materialisierung der Zusammenarbeit zu erreichen. 6¼) Durch die zugesagte GewaÈ hrung eines langfristigen Finanzierungskredites an die DDR ist ein wichtiger Beitrag zur Entlastung der Zahlungsbilanz zu leisten.«68

nam, Panama und Indonesien. SpaÈ ter wurden auch lateinamerikanische LaÈ nder wie Brasi- lien, Mexiko oder Kolumbien beraten. Staatliche Plankommission der DDR: UÈ bersicht der Tagesordnungspunkte Kommission EntwicklungslaÈ nder. AktenfuÈ hrende Stelle: LaÈ n- derplanung/ExportfoÈ rderung, BuÈ ro D. Albrecht. BAZ DE-1 54 912. 67 Direktive fuÈ r die Verhandlungen der Gemeinsamen Regierungskommission DDR/ LASVJ vom 20.±24.2. in Berlin. BAZ DE 154880. 68 Ebenda.

74 Zu den Hauptfragen des Vertrages uÈ ber die »OÈ konomische Zusammenarbeit in DrittlaÈ ndern« wird ausgefuÈ hrt und beschlossen: »Es ist angestrebt, mit der libyschen Seite ein Prinzipienabkommen abzu- schlieûen und im Rahmen dieses Abkommens Objekte und Waren zu ver- einbaren, deren Finanzierung die LASVJ uÈ bernimmt. Hinsichtlich der Fi- nanzierung ist eine solche Regelung anzustreben, daû die LASVJ die fuÈ r ausgewaÈ hlte EntwicklungslaÈ nder vorgesehenen Mittel zweckgebunden zur Bezahlung der von der DDR zu erbringenden Lieferungen und Leistungen bereitstellt.«69 Im Entwurf des Abkommens, der auf der ersten Sitzung der »Mittag-Kom- mission« vom 5. Januar 1978 behandelt wurde, heiût es u. a.: »Paragraph 1) Beide Abkommenspartner werden die direkte Zusammenar- beit in ausgewaÈ hlten EntwicklungslaÈ ndern entwickeln. Paragraph 2) Die wirtschaftliche und industrielle Zusammenarbeit in ausge- waÈ hlten EntwicklungslaÈ ndern kann umfassen: Seitens der DDR: ± die Lieferung von kompletten Anlagen und AusruÈ stungen sowie anderer Waren einschlieûlich KonsumguÈ tern in diese LaÈ nder; ± die Erkundung, Erschlieûung, FoÈ rderung und Verarbeitung von Roh- stoffen und Halbfertigerzeugnissen in diesen LaÈ ndern; ± die Ausarbeitung von technischen und oÈ konomischen Studien in Vorbe- reitung von Investitionsvorhaben fuÈ r diese LaÈ nder; ± die Entsendung von Experten, insbesondere im Zusammenhang mit Lie- ferungen und Leistungen seitens der DDR, in diese LaÈ nder. Die LASVJ wird ihrerseits die fuÈ r ausgewaÈ hlte EntwicklungslaÈ nder vorgese- henen Mittel u. a. zweckgebunden zur Bezahlung der von der DDR zu er- bringenden Lieferungen und Leistungen bereitstellen und mit diesen LaÈ n- dern die entsprechenden Vereinbarungen abschlieûen, die die Bezahlung an die DDR-Seite aus den bereitgestellten Mitteln gegen Vorlage von Doku- menten uÈ ber die erfolgten Lieferungen und Leistungen sichern. Paragraph 3) Die Lieferungen im Rahmen des Abkommens erfolgen auûer- halb von Ausschreibungen. Beide Seiten unterstuÈ tzen sich bei den Ab- schluÈ ssen von VertraÈ gen. Paragraph 4) Die vorgesehenen Lieferungen und Leistungen erfolgen auf der Grundlage von kommerziellen VertraÈ gen.«70 Der Vertragsentwurf sah eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 1990 vor. Ver- laÈ ngerungen sollten moÈ glich sein! In der Anlage zum Vertragsentwurf wird ein konkretes Lieferangebot von Waren und Technologien der DDR fuÈ r zehn EntwicklungslaÈ nder mit einem Gesamtumfang von 1,614 Mrd. US-Dollar unterbreitet. Den groÈ ûten Anteil sollte Syrien mit insgesamt 1,046 Mrd. US-Dollar, davon ein Feinwalzwerk fuÈ r 725 Mio. US-Dollar erhalten. Mit Abstand folgen die be- freundeten SchwerpunktlaÈ nder AÈ thiopien mit 226 Mio. US-Dollar, Angola mit

69 Ebenda. 70 Ebenda.

75 139 Mio. US-Dollar und Mosambik mit 70 Mio. US-Dollar. Die Konzentra- tion des Drittlandabkommens auf die ausgewaÈ hlten afrikanischen Staaten sowie SuÈ djemen und Syrien hatte das PolitbuÈ ro auf einer seiner Sitzungen be- schlossen. FuÈ rdieLaÈ nder AÈ thiopien und Mosambik sind praktisch alle Groû- vorhaben aufgelistet, welche die Kommission EntwicklungslaÈ nder im Laufe der naÈ chsten Jahre »auf Wunsch der Regierungen der befreundeten LaÈ nder« be- schlossen hat. Ein Teil der Vorhaben und Projekte begleitete die Kommission bis zu ihrer AufloÈ sung im Oktober 1989. FuÈ r die auf Wunsch von Libyen in den Projektkanon aufgenommenen LaÈ nder Uganda, VR Kongo, Kamerun, Guinea, Benin und Guinea-Bissau verblieben gerade mal 36 Mio. US-Dollar. Gewissermaûen uÈ ber ein »Dreieck« ± in der Sprache des Billard gesprochen: uÈ ber Bande ± sollten liquide Gelder in die Kassen der DDR gespielt werden. Die Kassen der vor allem arabischen OÈ lfoÈ rderlaÈ nder fuÈ llten sich in der ersten HaÈ lfte der 70er Jahre auûerordentlich schnell und schufen druÈ ckende Liquidi- taÈ tsprobleme. Libyen bezog aus dem ErdoÈ lverkauf in der ersten HaÈ lfte der 70er Jahre 3±5 Mrd. US-Dollar pro Jahr. In der zweiten HaÈ lfte betrug dieser ErloÈ sjaÈ hrlich zwischen 15 und 20 Mrd. US-Dollar.71 Im Zusammenhang mit den KreditwuÈ nschen der DDR vom Dezember 1977 errechnete der VizepraÈ si- dent der Deutschen Auûenhandelsbank der DDR fuÈ r Libyen einen Bestand von 3006 Mio. US-Dollar, die liquid vorraÈ tig seien und sofort eingesetzt wer- den koÈ nnten. Industriebeteiligungen von Libyen wurden ebenfalls aufgelistet. Es war die Zeit, da arabische Prinzen auf die europaÈ ischen BoÈ rsen geschickt wurden, um unter anderem groûe Aktienpakete von Daimler-Benz, der Deut- schen Bank und Rennpferde zu kaufen. Manche westlichen Beobachter spra- chen von einer GefaÈ hrdung der deutschen Interessen. Das OÈ lpreisgeld floû auf diese Weise in die westeuropaÈ ischen und auch deutschen Unternehmen zuruÈ ck. Die DDR verfuÈ gte uÈ ber eine schlechtere Position. Sie muûte die im Zuge der OÈ lpreiskrise gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise mit Devisen bezahlen, au- ûerplanmaÈ ûige Kosten durch die sowjetische Preispolitik abfangen und gleichzei- tig kostenintensive Verpflichtungen eingehen. Die Wirtschaft arbeitete unrenta- bel. Aufgrund fehlender konvertierbarer WaÈ hrung und Beteiligungsmodelle an auslaÈ ndischen Betrieben konnte sie sich nicht mit frischem »HartwaÈ hrungsgeld« versorgen. UÈ ber derartige Sonderkonditionen verfuÈ gte nur der Bereich KoKo. Der Plan, mittels libyscher Dollar, die noch zu 90 Prozent aus OÈ lkaÈ ufen der USA und der EG bestanden, das eigene Devisendesaster zu vermeiden, schien genial und ein zeitgemaÈ ûer Ausweg aus der »Volkseigentumsfalle« der DDR. Die »kapitalistischen Hauptgegner« sollten uÈ ber die in libysche Kassen zu- ruÈ ckflieûenden Devisen indirekt, aber tatkraÈ ftig die Geldsorgen der DDR ab- schwaÈ chen und die Ausbreitung der Weltrevolution in Afrika vorantreiben. Zudem hoffte man, »nicht marktgaÈ ngige« Erzeugnisse aus der DDR-Produk- tion an EntwicklungslaÈ nder zu weltmarktnahen Preisen verkaufen zu koÈ nnen. Der »Drittlandvertrag« wurde neben weiteren VertraÈ gen auf der Sitzung der Gemeinsamen Kommission Libyen±DDR vom 20. bis 24. Februar 1978

71 Prof. Dr. Volker Matthes vom Institut fuÈ r Afrika-Kunde Hamburg gegenuÈ ber dem Verf. am 14.5.1998.

76 durch Werner Lamberz fuÈ r die DDR und durch den Stellvertreter von al Gad- dafi, Staatsminister und Stabsmajor Jadallah Azuz At-Talhi, unterzeichnet. Zu diesen Beratungen war die libysche Regierungsdelegation mit 35 Staats- funktionaÈ ren in Berlin erschienen. Die groÈ ûte Delegation, die je von Libyen ins Ausland geschickt wurde.72 Das PolitbuÈ ro hatte 21 Personen zur Teilnah- me an den Verhandlungen bestimmt. Vierzehn Ministerien waren mit Mini- stern oder stellvertretenden Ministern beteiligt. Die Kommission fuÈ r Entwick- lungslaÈ nder nahm fast komplett teil.

2.8.1 Begleitende GespraÈ che der MilitaÈ rs

Die PolitbuÈ romitglieder Hermann Axen und Werner Lamberz hatten waÈ h- rend ihrer GespraÈ che im Herbst 1977 mit al Gaddafi auch libysche MilitaÈ rs in die DDR eingeladen. Seit Sommer 1977 gab es militaÈ rische Streitereien zwi- schen AÈ gypten und Libyen. Durch die Entwicklungen im Nahen Osten und der arabischen Welt kam es zu Spaltungen und Spannungen. Die Risse ent- standen durch unterschiedliche Betrachtungsweisen des Friedensprozesses in dieser Region und vertieften sich an der Israel-PalaÈ stinafrage bzw. an der Zu- schreibung der Rolle der PLO in diesem Konflikt. Durch die Ausrichtung der Tagung der sogenannten Ablehnungsfront im Dezember 1977 gegen das Camp-David-Abkommen nahm Libyen zur Jahreswende 1977/78 eine mar- kante Position ein. Aufgrund der schwelenden Grenzkonflikte zwischen AÈ gypten und Libyen war der militaÈ rische AusruÈ stungsbedarf groû. So wundert es nicht, daû parallel zu der ersten Sitzung der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder am 5. Januar1978 eine hochrangige MilitaÈ rdelegation aus der LASVJ zu VorgespraÈ chen in der DDR weilte. Eine weitere Delegation un- ter Leitung des Chefs der Nationalgarde besuchte vom 28. Januar bis 2. Fe- bruar 1978 die DDR.73 Aus den Berichten der NVA-Verwaltung geht hervor, daû die um Lieferungen von MilitaÈ rtechnik und Ausbildungshilfe kreisenden Verhandlungen sich schwierig gestalteten. Zum Beispiel sollten 60 libysche Of- fiziere bei der Volksmarine ausgebildet werden. Als Probleme werden u. a. ge- nannt: »Ausgang ja, aber keine AuûenschlaÈ fer« und »monatliche DienstbezuÈ - ge 200 US-Dollar, Auszahlung noch nicht geklaÈ rt«74. Gewichtiger ist folgende Bemerkung: »Lieferung von Bewaffnung und mili- taÈ rischer AusruÈ stung 6¼) eine weitere Liste uÈ ber gebrauchte Technik zur Wei- tergabe an dritte LaÈ nder wird der libyschen Seite spaÈ ter uÈ bergeben.«75

72 Eik: Besondere Vorkommnisse, S. 128. 73 Verhandlungen zur weiteren Gestaltung der Zusammenarbeit mit den libyschen Streit- kraÈ ften. 6.1.1978, Verwaltung der NVA ± Internationale Verbindung. BAF MA VA O1/42 448, Bl. 4±7; Bericht uÈ ber den Aufenthalt einer Delegation der libyschen Streit- kraÈ fte unter Leitung des Chefs der Nationalgarde OSL vom 28.1. bis 2.2.1978 in der DDR. 3.2.1978; Verwaltung der NVA ± Internationale Verbindung. BAF MA VA.O1/ 42 448, Bl. 11±14. 74 Ebenda. 75 Ebenda.

77 Bei den Verhandlungen ging die DDR von der Unterzeichnung von VertraÈ - gen aus.76 Die VerhandlungsfuÈ hrer der DDR scheinen von ihren fruÈ heren Reisen nach Libyen nicht nur mit Hoffnungen auf VertragsabschluÈ sse zuruÈ ck- gekommen zu sein, sondern muÈ ssen in Libyen auch weitreichende Erwartun- gen geweckt haben. Im NVA-Bericht uÈ ber den Aufenthalt der Delegationen wurde unter Bezug auf den aÈ gyptisch-libyschen Konflikt zusammenfassend berichtet: »Libyen er- bittet nicht nur Ausbildungshilfe und Technik, sondern auch Entsendung von Soldaten, die im Kriegsfall zum Einsatz kommen koÈ nnten.«77 In dem Ab- schluûgespraÈ ch ging Armeegeneral Heinz Hoffmann auf diese Anfrage ein und wehrte moderat, aber bestimmt ab: »Im Falle eines Krieges wird man hel- fen, aber z. Z. waÈ re es nicht zweckmaÈ ûig, Truppen der NVA in Libyen zu sta- tionieren; ein Sieg ohne Weltkrieg ist unsere Aufgabe.«78

2.8.2 Zur Umsetzung des »Drittlandabkommens«

Einen Tag vor der Vertragsunterzeichnung am 24. Februar 1978 wurde an Werner Lamberz gemeldet: »Es besteht keine Bereitschaft, im Protokoll erste Objekte zu vereinbaren.«79 Es gab Schwierigkeiten: »VerzoÈ gerungstaktik 6¼) Verhandlungen uÈ ber ErdoÈ llieferungen sollen erst Anfang MaÈ rz in Tripolis stattfinden 6¼) Libyen will wenigstens 30 Objekte vereinbaren.«80 Die von GuÈ nter Mittag und Gerhard SchuÈ rer zusammengestellte Liste fand offensichtlich nicht die ungeteilte Zustimmung der libyschen Seite. Sie wollte eine umfangreichere UnterstuÈ tzung der vorgesehenen LaÈ nder. Das libysche Kapital reichte weiter als die KapazitaÈ ten der Wirtschaft der DDR. Trotz der Schwierigkeiten kam es zum Vertragsabschluû. Der exakte Inhalt des Vertrags konnte nicht ermittelt werden. In den Unterlagen des Politischen Archivs des AuswaÈ rtigen Amtes, Auûenstelle Berlin, welches die Vertragstexte der DDR fuÈ hrte, fanden sich keine Anlagen zum Vertrag. Mit der Unterzeichnung des Vertrags setzten erneut umfangreiche AktivitaÈ - ten ein. Werner Lamberz flog keine zwei Wochen spaÈ ter erneut als Sonderbot- schafter mit einer kleinen Delegation nach Libyen. Nach GespraÈ chen mit al Gaddafi stuÈ rzte der ihn und seine Begleitung transportierende Hubschrauber ab und brannte aus. Alle Insassen kamen ums Leben. Ohne auf den Absturz einzugehen, befaûte sich die Kommission fuÈ r Ent- wicklungslaÈ nder am 13. MaÈ rz mit der Auswertung der zweiten Tagung der

76 »Jedoch stellte sich heraus, daû diese Genossen [die libyschen; d. Verf.] nur sondieren wollten, inwieweit die NVA in der Lage ist, ihren WuÈ nschen nachzukommen. 6¼) Die VertraÈ ge sollen im MaÈ rz 1978 in Tripolis unterzeichnet werden.« Ebenda, S. 12. 77 Ebenda. 78 Ebenda, S. 13. 79 Telegramm von R. Schumann vom 23.2.1978: Info fuÈ r W. Lamberz: Folgende Diffe- renzpunkte bestehen gegenwaÈ rtig noch zum Protokoll des 2. Tages. BAZ DY 30 J IV 2/2 033±126, Bl. 237. 80 Ebenda.

78 Gemeinsamen Kommission DDR±LASVJ. Die Auswertung hatte Auûen- handelsminister Horst SoÈ lle erstellt. Unter Punkt 10 wird ausgefuÈ hrt: »Die Regierungen progressiver arabischer und afrikanischer Staaten 6vor al- lem Syrische Arabische Republik, VDRJ 6SuÈ djemen), AÈ thiopien und Mo- sambik) sind uÈ ber den Inhalt des Abkommens uÈ ber die Zusammenarbeit der DDR und der LASVJ in EntwicklungslaÈ ndern zu informieren. Durch die je- weiligen Botschafter der DDR ist auf die FuÈ hrungen ihrer AufenthaltslaÈ nder Einfluû zu nehmen, daû diese von sich aus direkt an die libysche Seite mit der Bitte herantreten, gemeinsam mit der DDR in ihren LaÈ ndern Objekte zu rea- lisieren, die der VerstaÈ rkung ihrer oÈ konomischen UnabhaÈ ngigkeit dienen.«81 Dazu kam es wohl nicht. In einem Treffbericht des Ministeriums fuÈ r Staats- sicherheit mit IM »Henry« vom 7. MaÈ rz 1979 uÈ ber seine Teilnahme an der Reise der Staats- und Regierungsdelegation unter Leitung von Erich Honek- ker vom 15. bis 24. Februar 1979 in einige afrikanische LaÈ nder ist in bezug auf das GespraÈ ch von al Gaddafi und Honecker zu lesen: »FuÈ r die Entwicklung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit kamen alle AnstoÈ ûe und positiven VorschlaÈ ge ausschlieûlich von der DDR-Seite ¼ Ein Thema, was mich besonders interessierte, naÈ mlich die libysche Beteiligung, vor allem finanzielle Beteiligung an der Entwicklung und DurchfuÈ hrung von Industrie- oder Landwirtschaftsprojekten in dritten LaÈ ndern, wurde waÈ hrend der offiziellen GespraÈ che zwar erwaÈ hnt, aber spuÈ rbare Fortschritte konnten nicht erzielt werden. Offensichtlich ist es so, daû auch dazu innerhalb der liby- schen FuÈ hrung keine einheitliche Position besteht und daû von einer zielklaren Inangriffnahme solcher Projekte deshalb gar nicht die Rede sein kann.«82 Erich Honecker hatte bei gleicher Gelegenheit gegenuÈ ber dem libyschen Staatschef ausgefuÈ hrt: »Ich habe Genossen Gaddafi bereits gesagt, daû wir uns auf der Reise in den SuÈ den Afrikas befinden und daû ich diese Reise gemeinsam mit meinen Freunden nicht nur unternehme, weil viele Einladungen vorliegen, sondern unser Aufenthalt im suÈ dlichen Afrika dazu beitragen soll, jene Probleme loÈ - sen zu helfen, uÈ ber die auch Bruder Gaddafi hier gesprochen hat.«83 Im folgenden GespraÈ chsverlauf wurden umfangreiche Waffenlieferungen an- gesprochen: »Genosse Honecker stellte die Frage nach dem tatsaÈ chlichen libyschen Be- darf auf militaÈ rischem Gebiet. Die Verhandlungen mit der DDR im Januar haÈ tten nach unseren Informationen ergeben, daû bei vielen Positionen, die fruÈ her von Libyen gewuÈ nscht wurden, kein Bezugswunsch mehr vorhanden sei. Wir bitten um BestaÈ tigung, damit wir wissen, was Libyen wirklich braucht. Er betonte, daû die DDR ihre Angebote ausdruÈ cklich auf der

81 Auswertung der 2. Tagung der Gemeinsamen Kommission DDR ±LASVJ. 13.3.1978. Erstellt von Auûenhandelsminister H. SoÈ lle vor der Kommission EntwicklungslaÈ nder. BAZ DE 154881. 82 BStU MfS HA XVIII, Nr. 8639, Bl. 29. Die Partei- und Staatsdelegation weilte vom 15.±17.2. in der LASVJ, vom 17.±20.2. in Angola, vom 20.±22.2. in Sambia und vom 2.±24.2. in Mosambik. 83 Staadt: Auf hoÈ chster Stufe, S. 69.

79 Grundlage der SolidaritaÈ t und Freundschaft sowie entsprechend den fruÈ her unterbreiteten libyschen WuÈ nschen gemacht habe.«84 Daraufhin wurden einige konkrete Positionen angesprochen. UÈ ber die bilate- rale oÈ konomische Zusammenarbeit stellte Oberst Gaddafi fest: »Die Zusam- menarbeit sei gut, aber es gebe Probleme bei einigen Preisen.«85 Zum Beispiel bei Mischfutteranlagen wollte die DDR den dreifachen Preis einer vergleich- baren Anlage aus Italien. »Libyen wuÈ rde gern bei der DDR kaufen, aber sol- che Angebote koÈ nne es nicht akzeptieren.«86 Die libysche Seite war verunsi- chert. Erich Honecker versprach sofortige PruÈ fung. Ob das »Drittlandabkommen« praktisch zur Anwendung kam, konnte bisher nicht festgestellt werden. Es wurden keine Hinweise auf die Kofinanzierung von Projekten oder Investitionsvorhaben der DDR in EntwicklungslaÈ ndern durch Libyen gefunden.87 UnabhaÈ ngig davon ist eine Vielzahl der Vorhaben, die in der Liste zum »Drittlandabkommen« vom 5. Januar 1978 aufgefuÈ hrt waren, durch die DDR in Gang gesetzt worden. Ein groûer Teil der von GuÈ nter Mittag und Gerhard SchuÈ rer auf die Liste gesetzten Projekte wurde bilateral durch das be- treffende Land und die DDR-DurchfuÈ hrungseinrichtungen vorbereitet. Das waren demnach keine fuÈ r die »Libyen-Liste« extra erstellten Vorhaben. Es kann angenommen werden, daû die DDR-Ministerien auf Anweisung des PolitbuÈ ros in Erwartung moÈ glicher libyscher Kofinanzierung mit der Planung und spaÈ teren Realisierung von einigen Groûprojekten in Afrika begannen. Immerhin ging es um ein Gesamtvolumen von ca. 1,6 Mrd. US-Dollar. Die Mehrzahl der Projekte und Handelsvorhaben sollte in den Jahren nach 1978/1979 ausgefuÈ hrt werden. Die hohen Erwartungen auf eine wirtschaftliche Entlastung oder gar StaÈ rkung der DDR durch »Entwicklungsprojekte« in der Dritten Welt mittels finanzieller UnterstuÈ tzung Libyens wurden mit groûer Wahrscheinlichkeit nicht erfuÈ llt.88 Die GruÈ nde fuÈ r das unvorhergesehene Desinteresse Libyens an der ErfuÈ l- lung der VertraÈ ge mit der DDR konnten den Akten nicht entnommen werden. Es ist nicht auszuschlieûen, daû Libyen fuÈ r seine militaÈ rischen Kaufinteressen guÈ nstigere Angebote unterbreitet bekam und damit das Hauptinteresse an der oÈ konomischen Zusammenarbeit erlosch. Auch der Konflikt mit AÈ gypten nahm nicht den befuÈ rchteten Verlauf.

84 Ebenda, S. 70. 85 Ebenda, S. 72. 86 Ebenda. 87 Andere Abkommen, z. B. eines uÈ ber wirtschaftliche Zusammenarbeit, wurden lt. dem Sonderbeauftragten fuÈ r Libyen vor der Kommission am 31.5.1978 teilweise umgesetzt; z. B. der Bau von Industrieanlagen in HoÈ he von 550 Mio. VM. Vgl. BAZ DE 154882. 88 Das stellte am 2.5.1979 auch IM »Kuno« in einem Treffbericht gegenuÈ ber der HA XVIII/7 fest: »Seit einigen Jahren laufen verstaÈ rkt BemuÈ hungen, den Export in Ent- wicklungslaÈ nder zu verstaÈ rken. Die AktivitaÈ ten sind maûgeblich seit einigen Jahren durch Delegationen der Partei- und StaatsfuÈ hrung unterstuÈ tzt worden, um damit die Anstrengungen auch politisch motiviert zu unterstuÈ tzen. 6¼) Bedauerlicherweise konn- ten die fuÈ r einige LaÈ nder eingeschaÈ tzten positiven Entwicklungen nicht verzeichnet wer- den. So bei den erdoÈ lproduzierenden LaÈ ndern, wie Libyen oder auch Irak, bei denen eigentlich finanziell die besten Voraussetzungen gegeben waÈ ren.« BStU MfS HA XVIII, Nr. 8639.

80 AuûenhandelsumsaÈtze der DDR und Libyen in den Jahren 1970 bis 1988 sowie Handel mit nahoÈstlichen OPEC-Staaten &Algerien, Irak, Kuwait, Libyen)89: alle Angaben in Mio. VM 90) Libyen OPEC-Staaten Jahr Umsatz Umsatzanteil an Umsatz Umsatzanteil am arab. Staaten Nahen Osten 1970 6,4 1,01 % 114,4 15,75 % 1971 ± ± 169,7 20,36 % 1972 ± ± 198,6 24,33 % 1973 7,3 0,82 % 286,8 30,13 % 1974 10,6 0,62 % 805,5 44,40 % 1975 12,1 0,64 % 942,3 46,62 % 1976 63,3 3,05 % 1.099,2 48,06 % 1977 84,8 4,42 % 944,5 44,98 % 1978 13,3 0,62 % 1.259,5 51,92 % 1979 54,7 2,27 % 1.399,7 51,53 % 1980 502,0 14,22 % 3.127,3 73,29 % 1981 494,7 20,57 % 2.104,0 65,96 % 1982 260,4 6,89 % 3.916,4 75,43 % 1983 126,8 3,46 % 4.162,0 75,03 % 1984 93,0 3,28 % 3.314,3 71,15 % 1985 75,1 6172,0) 2,36 % 62,14 %) 3.165,0 71,01 % 6VGW) 1986 54,2 6131,9) 1,95 % 62,14 %) 1.922,4 57,40 % 6VGW) 1987 55,9 6139,7) 2,75 % 62,92 %) 1.608,2 58,40 % 6VGW) 1988 29,3 670,2) 1,92 % 62,32 %) 1.204,6 54,90 % 6VGW) 1989 645,6) 61,76 %) 2.179,5 6VGW) 54,71 % 6VGW)

0 Zit. nach: Wippel, Stephan: Die Auûenwirtschaftsbeziehungen der DDR zum Nahen Osten. Berlin 1996. 0 Zur Umrechnungseinheit VM 6Valutamark) schreibt Wippel: 1955 galt ein Rubel 1,05 VM. Der Wechselkurs der VM zur Binnenmark »M« war nur in den sechziger Jahren bekannt und lag bei 0,30±1,50 VM 6im Durchschnitt 1:1). Er fuÈ hrt einzelne Quellen an: 1976 galt 1 VM 0,72 DM, 1988 wurde ein US-$ auf 2,92 VM geschaÈ tzt. 1990 wurden die Auûenhan- 81 Erst fuÈ r 1980 sind ErdoÈ llieferungen Libyens an die DDR bekannt.91 Von 1980±1985 bezog die DDR in der Regel nur von Libyen und dem Irak arabi- sches OÈ l. Der Irak lieferte lt. UN-Angaben im Durchschnitt 1 Million Tonnen. Libyen lieferte zwischen 120 000 und 700 000 Tonnen. Der Anteil libyschen OÈ ls an der Versorgung der DDR mit ErdoÈ l betrug zwischen 9,5 Prozent und 6,6 Prozent. Hinsichtlich der oÈ konomischen Zusammenarbeit muû in Betracht gezogen werden, daû mit dem Absturz des Hubschraubers am 6. MaÈ rz 1978 und dem Tod von Werner Lamberz neue Tatsachen eingetreten waren. Werner Lam- berz hatte mit seinem charismatischen Naturell den Durchbruch fuÈ r das »Drittlandabkommen« bei al Gaddafi persoÈ nlich erwirkt. Dieser weitreichen- de Vertrag stuÈ tzte sich nicht auf langjaÈ hrige gewachsene Beziehungen zwi- schen Regierungen, Verwaltungen oder gar VoÈ lkern. Er war das Ergebnis ei- ner kurzfristigen politischen NaÈ he zweier MaÈ nner, deren Regierungen sich in sehr unterschiedlichen Situationen befanden, die aber meinten, aÈ hnliche Inter- essen wuÈ rden sie verbinden. Mit dem Tod von Werner Lamberz war al Gad- dafi ein Garant fuÈ r die ideologische und weltrevolutionaÈ re Ausgestaltung der oÈ konomischen VertraÈ ge in der DDR abhanden gekommen. Dieser UÈ berle- gung steht entgegen, daû scheinbar unbeeinfluût von Werner Lamberz' Tod und der unsicheren ErfuÈ llung des »Drittlandabkommens« die Reisediplomatie zwischen beiden Staaten auf hoÈ chster Ebene fortgefuÈ hrt wurde. Im Mai 1978 besuchte al Gaddafi die DDR und bekam den Orden »Groûer Stern der VoÈ l- kerfreundschaft« verliehen. Kurze Zeit spaÈ ter, im Februar 1979, besuchte Erich Honecker Libyen. Die ErfuÈ llung der geplanten EinzelvertraÈ ge mit EntwicklungslaÈ ndern im Schlepptau des »Drittlandvertrages« haÈ tte eine vergleichbar groûe Summe frei verfuÈ gbarer Devisen fuÈ r die DDR erbracht, wie der erste sogenannte Milliarden- kredit von 1983. Diesen Kredit verbuÈ rgte die Bundesregierung den Banken mit der an die DDR zu zahlenden Transitpauschale und den AutobahngebuÈ hren von Westdeutschland nach Westberlin. Er befreite die DDR von einer inzwischen oÈ f- fentlich bekannt gewordenen Zahlungsbilanzschwierigkeit.

2.9 Der Tod von Werner Lamberz

Das ploÈ tzlich begonnene Engagement der DDR in Afrika drohte im FruÈ hjahr 1978 abrupt unterbrochen zu werden. Mitten in der EroÈ ffnung der Exportoffen- sive der DDR gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern, welche die DDR vor dem Ab- grund schuÈ tzen sollte, kam es zu einem tragischen Absturz. Am Abend des 6. MaÈ rz 1978 verungluÈ ckten Werner Lamberz und Paul Markowski mit ihren deutschen und libyschen Begleitern toÈ dlich.

delsangaben in konvertierbarer WaÈ hrung ab 1985 6ausgehend vom durchschnittlichen Auf- wand der DDR-Betriebe) neu in Mark Valutagegenwert 6M VGW) berechnet. FuÈ r1989 galt: 1 US-$ = 4,14 M VGW, 1 DM = 4,40 M VGW. Vgl. Ebenda, S. 44. 91 Ebenda, S. 48.

82 Nach drei Monaten intensiven Libyenengagements und erfolgreicher Ver- tragsabschluÈ sse war an Ruhe nicht zu denken. Die unterzeichneten VertraÈ ge muûten mit Leben gefuÈ llt werden, die KaÈ mpfe in und um AÈ thiopien erforder- ten Verhandlungen. Am 28. Februar hatte das PolitbuÈ ro beschlossen, daû Werner Lamberz er- neut als Sonderbeauftragter von Erich Honecker nach AÈ thiopien und nach Li- byen fliegen soll. Der Antrag war ± ohne inhaltliche BegruÈ ndung ± von Paul Markowski, dem Leiter der ZK-Abteilung fuÈ r Internationale Verbindungen, eingereicht worden. Am 1. MaÈ rz 1978 kam ein Telegramm vom DDR-Botschafter in Tripolis, welches an Erich Honecker und Werner Lamberz adressiert war. Darin »¼ bittet al Gaddafi den Gen. Honecker und den Gen. Lamberz, die guten Beziehungen der DDR-FuÈ hrung zur aÈ thiopischen FuÈ hrung zu nutzen, um Mengistu zu bitten, so schnell wie moÈ glich nach Tripolis zu kommen«.92 Al Gaddafi hatte bei GespraÈ chen mit dem PraÈ sidenten Somalias, Siad Bar- re, am 28. Februar 1978 erreicht, daû dieser zu GespraÈ chen mit der aÈ thiopi- schen Seite zur »friedlichen Beilegung des Konfliktes und zur RuÈ ckkehr in das Lager der progressiven, antiimperialistischen KraÈ fte in Afrika«93 bereit sei. Lamberz hatte sich schon laÈ ngere Zeit um Vermittlung im Mehrfrontenkrieg von AÈ thiopien, insbesondere zwischen den links-marxistischen, zersplitterten Befreiungsbewegungen Eritreas und dem zentralistischen MilitaÈ rregime des DERG unter Mengistu Haile Mariam, bemuÈ ht. Werner Lamberz war gerade auf dem Weg nach Budapest zu einer Bera- tung der SekretaÈ re fuÈ r Ideologie der kommunistischen Parteien. Aus Budapest zuruÈ ckgekehrt, blieb ihm nur wenig Zeit zum Ausspannen. Am 4. MaÈ rz telegrafierte der Botschafter aus Tripolis, daû die Delegation vom Auûenminister auf dem Flughafen empfangen wird, aber der Termin mit al Gaddafi noch nicht bestaÈ tigt sei.94 Als Abflugtermin nach Addis Abeba war der 5. MaÈ rz 1978 festgelegt worden. Werner Lamberz und Paul Markowski wollten in Tripolis einen Zwischenstopp einlegen, um im GespraÈ ch mit al Gaddafi die Chancen der KonfliktloÈ sung zu er- kunden. Wieweit sie die am 23. Februar erwaÈ hnten Verhandlungen uÈ ber ErdoÈ l- lieferungen mit uÈ bernehmen und weitere oÈ konomische Fragen regeln sollten, ist nicht bekannt. Die Delegation kam puÈ nktlich und sicher in Tripolis an. Am 6. MaÈ rz flog Werner Lamberz mit seiner von zwoÈ lf Personen auf vier reduzierten Delegation mit einem Hubschrauber ins drei Autostunden von Tripolis entfernt liegende Beduinencamp von al Gaddafi. Die Reduzierung der Begleitergruppe hatte die libysche Regierung bewirkt. Ein Kraftwagen wurde nicht genommen, da Werner Lamberz in groûer Eile war und Zeit spa- ren wollte. Das dreistuÈ ndige GespraÈ ch mit dem libyschen Staatschef endete mit einer herzlichen Verabschiedung durch Oberst al Gaddafi. Auf dem RuÈ ck-

92 Eik: Besondere Vorkommnisse, S. 130, nach: BAZ DY 30 JIV/2/2 033/126, Bl. 242. 93 Ebenda. 94 Telegramm des Botschafters aus Tripolis an W. Lamberz vom 4.3.1978. BAZ DY 30 J IV 2/2033 125, Bl. 245.

83 flug stuÈ rzte der Helikopter, der die Delegation nach Tripolis bringen sollte, ab. Werner Lamberz verungluÈ ckte mit seiner Begleitung in unmittelbarer NaÈ - he von al Gaddafis WuÈ sten-Camp beim Wadi Suf al-Jin toÈ dlich. UÈ ber die Ursachen und Motive gibt es eine beachtliche Anzahl von Speku- lationen. Bei seinem letzten groÈ ûeren Auftritt vor den leitenden Politikern fuÈ r Ideo- logie und Propaganda der kommunistischen Regierungsparteien in Budapest hatte Werner Lamberz eine flammende Rede ausschlieûlich zu Afrika gehal- ten.95 Er sagte u. a., daû er in der afrikanischen Entwicklung eine neue Epo- che und die groÈ ûte Chance fuÈ r die sozialistischen LaÈ nder seit dem Ende des Vietnamkrieges sehe und die Hinwendung zum Marxismus-Leninismus in Afrika die SchwaÈ chen des Imperialismus zeige. Er zitierte den mosambikani- schen PraÈ sidenten Samora Machel, daû man nicht nur die weiûen Kapitali- sten, sondern auch die schwarzen Kapitalisten schlagen muÈ sse. Er forderte mehr materielle und ideologische SolidaritaÈ t und deren gemeinsame Koordi- nierung durch den RGW. Auûerdem verwies er auf die Notwendigkeit einer besseren Information uÈ ber diese LaÈ nder in der »Inlandsarbeit« und sah in der Verleumdung der Un- terstuÈ tzung afrikanischer Staaten durch die Sowjetunion, Kuba und die DDR eine gegen die Entspannung gerichtete Kampagne. Er forderte ein ganz anders geartetes VerhaÈ ltnis zu EntwicklungslaÈ ndern, ohne dies naÈ her zu beschreiben. Am Tag seines Todes druckte das »Neue Deutschland« einen Auszug aus sei- ner in Budapest gehaltenen Rede unter der UÈ berschrift: »Konsequent verfolgen die Kommunisten die Lebensinteressen der Menschheit«. In ihr heiût es u. a.: »Zu Recht kann man von der Herausbildung einer neuen Phase des natio- nalen Befreiungskampfes sprechen. Diese Phase zeigt sich vor allem darin, daû die politische UnabhaÈ ngigkeit einer Reihe von Staaten immer auffaÈ lli- ger zutage tritt. Bedeutend hat sich der Kampf fuÈ roÈ konomische SelbstaÈ n- digkeit verschaÈ rft. 6¼) Der oÈ konomische Kampf nimmt oftmals noch schaÈ rfere Formen gegen den Imperialismus an als der Kampf um die politi- sche UnabhaÈ ngigkeit.«96 Bei diesen auf die EntwicklungslaÈ nder gemuÈ nzten Worten hatte Werner Lam- berz sicher auch die DDR-VerhaÈ ltnisse der Phase 1977/78 vor Augen. Die empfundene Verwandtschaft und Verbundenheit beruhte nicht nur auf den gemeinsam angenommenen Zukunftserwartungen, sondern auch auf den je- weiligen momentanen Existenzbedrohungen. Der Kampf um SelbstaÈ ndigkeit und UnabhaÈ ngigkeit, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau, bestimmte das Denken und Handeln. Die DDR, gemaÈ û ihrem eigenen SelbstverstaÈ ndnis zehntgroÈ ûte Industriena- tion der Welt, lieû sowohl die befreundeten Politiker in den afrikanischen Ent- wicklungslaÈ ndern als auch die eigene BevoÈ lkerung uÈ ber die reale Wirtschafts- kraft im unklaren und baute groûe Kulissen auf.

95 Vgl. Redemanuskript: Beitrag von W. Lamberz, SekretaÈ r des ZK der SED. Protokoll des PolitbuÈ ros vom 14.3.1978. BAZ DY 30 2/217716, Nr. 10/78, Bl. 174ff. 96 ND vom 6.3.1978, S. 2.

84 In den sieben Tagen vom 2. MaÈ rz bis zum 7. MaÈ rz 1978 praÈ sentierte sich die DDR als auûenpolitische Erfolgsstory. Dem »Neuen Deutschland« platz- ten foÈ rmlich die Seiten vor groûartigen Meldungen aus aller Welt. Die demo- kratische Weltjugend, jedenfalls die Vertreter des vom Ostblock dominierten Weltbundes, weilten zu einer Generalversammlung in Ostberlin, bereiteten die Weltfestspiele in Havanna vor und tanzten gemeinsam mit Margot und Erich Honecker unter den tausend Lampen des Palastes der Republik. In diesem Verband hatte Werner Lamberz lange Zeit gearbeitet. Horst Sindermann weilte zu einem Staatsbesuch in Indien und fuÈ hrte WirtschaftsgespraÈ che. Paul Verner reiste nach Syrien, wurde von StaatspraÈ sident Hafez Assad empfangen und traf PLO-Chef Yasser Arafat. Paul Verner erwirkte in Damaskus die Zu- sage der Syrer, daû die »dreiseitige oÈ konomische Zusammenarbeit Libyen, Sy- rische Arabische Republik und DDR auf moÈ glichst hoher Ebene verhandelt und zu konkreten Ergebnissen gefuÈ hrt wird«, wie es im Protokoll des PolitbuÈ - ros am 14. MaÈ rz heiût.97 Der aÈ thiopische Auûenminister kam nach Ostberlin, ein stellvertretender Auûenhandelsminister der DDR fuhr nach Algerien, und mit Angola wurden Abkommen uÈ ber den Einsatz von Spezialisten getroffen. Die Genossen schwaÈ rmten aus, und zahlreiche GaÈ ste trafen ein. Eine neue Phase schien begonnen zu haben. In Budapest war die Lage in Afrika gerade von der kommunistischen Welt beraten worden. Willi Stoph fuÈ hrte in Moskau mit Leonid Iljitsch Breschnew GespraÈ che uÈ ber weitere Kredite, als Fortsetzung der GespraÈ che, die Erich Ho- necker im Sommer 1977 auf der Krim mit ihm gefuÈ hrt hatte. Ebenfalls in die- sen Tagen, am 6. MaÈ rz, traf sich Erich Honecker erstmalig seit GruÈ ndung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR 1971 mit dem Vorstand der Konferenz der Kirchenleitungen auf seinem Sommer- und Jagdsitz »Huber- tusstock« in der Schorfheide. Dieses Treffen kann durchaus auch mit der Si- cherung der Zahlungsbilanz in Verbindung gebracht werden. Die DDR bezog aus den KirchengeschaÈ ften zwischen den westdeutschen und den ostdeutschen Kirchen bzw. deren Vermittlungsarbeit fuÈ r die Bundesregierung erhebliche Summen an Devisen. Durch das Treffen sollten diese Einnahmen auch fuÈ r die Zukunft gesichert werden bzw. durch die geplanten Neubauten von Kirchen in der DDR und die Rekonstruktion von diakonischen Einrichtungen mit Mitteln aus der Bundesrepublik und ihren Kirchen langfristig erhoÈ ht werden. Diese verschiedenen Zahlungen und Einnahmen zaÈ hlten zu den zuverlaÈ ssig- sten und stabilsten Quellen des Bereiches KoKo. Zudem begann an diesem Tag in Genf die 9. Sondertagung des UN-Han- delsrates zur Verschuldungsproblematik der EntwicklungslaÈ nder, und auf der Belgrader Konferenz der KSZE-Staaten wurde der europaÈ ische Entspan- nungsprozeû in eine neue Etappe entlassen. Am Mittwoch, dem 7. MaÈ rz, lautete eine TiteluÈ berschrift im »Neuen Deutschland«: »In tiefer Trauer um unsere verungluÈ ckten Genossen Werner Lamberz, Paul Markowski, Armin Ernst und Hans-Joachim Spremberg«. Am gleichen Tag trafen die SaÈ rge in Berlin-SchoÈ nefeld ein. Sie wurden vom liby-

97 BAZ DY 30 2/217716, Nr. 10/78.

85 schen Minister fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten, Dr. Ali Abdessalam Treiki, begleitet. Dieser traf sich mit Hermann Axen. Auf der Sitzung des PolitbuÈ ros am 9. Mai 1978 wurde die »Information der Regierung der Libyschen Sozialistischen Arabischen Volksjamahiriya uÈ ber die Ursachen des HubschrauberungluÈ cks am 6. MaÈ rz 1978« zur Kenntnis genom- men.98 Der eigentliche Bericht umfaût sieben knapp beschriebene Seiten. Menschliches oder technisches Versagen werden als GruÈ nde fuÈ r den Unfall ge- nannt. Die Vermutungen, daû es sich bei dem Absturz um ein Attentat gehan- delt haben koÈ nnte, wurden nie ganz ausgeraÈ umt. Das muû nicht zwangslaÈ ufig Werner Lamberz gegolten haben. Auch al Gaddafi haÈ tte ein potentielles Ziel und Opfer sein koÈ nnen. Das geringe Interesse der Partei- und StaatsfuÈ hrung an einer umfassenden AufklaÈ rung wird immer wieder Spekulationen aufkeimen lassen. Am wahrscheinlichsten ist die ErklaÈ rung des Absturzes aufgrund tech- nischer Fehler, die durch nachlaÈ ssige Wartung und unzureichende Qua- lifikation der Piloten auftraten. Gleichwohl ist dieser tragische Unfall mit seinen weitreichenden Wirkungen auch ein Ausdruck und eine Auswirkung der uÈ berhasteten und hektischen Politik der SED gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern, die vor allem von Werner Lamberz eingeleitet und gepraÈ gt wurde. Der libysche Untersuchungsbericht schlieût mit dem Satz: »Die Piloten ver- buÈ rgten sich fuÈ r den Flug und sagten nachdruÈ cklich, das Flugzeug sei sicher, es sei denn, es ereigne sich etwas von Gottes Hand, d. h. durch die Macht des Schicksals.«99

7. MaÈrz 1978: Trauerfeier von RepraÈsentanten der Libyschen Volksjamahiriya fuÈr die bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommene DDR-Delegation und ihre libyschen Begleiter.

98 Vertrauliche Verschluûsache ZK 02 ± PolitbuÈ ro ± BeschluÈ sse. 1/239 18/78 vom 9. Mai 1979. BAZ DY 3û J IV 2/2033±131, Bl. 19±27. 99 Ebenda.

86 3 Zur Bedeutung des Bereiches Kommerzielle Koordinie- rung in den Beziehungen der DDR zu ausgewaÈ hlten EntwicklungslaÈ ndern 3.1 Alexander Schalck-Golodkowski und der erste Tagesordnungspunkt der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder

War es das Bestreben und die Aufgabe von Werner Lamberz, durch politische und ideologische BuÈ ndnisse die Wirtschaft der DDR in einer Krise zu stabili- sieren, so war es die Aufgabe des Bereiches KoKo unter Leitung von Alexan- der Schalck-Golodkowski, durch wirtschaftliche und organisatorische Maû- nahmen die Politik zu staÈ rken. Die Beauftragung des Bereiches KoKo mit der FederfuÈ hrung und Ausgestaltung der Beziehungen zu den afrikanischen LaÈ n- dern wurde von allen Seiten als ein besonderes politisches Zeichen angesehen. Die Entscheidung kam von ganz oben, aus der Spitze des PolitbuÈ ros, von Erich Honecker, GuÈ nter Mittag und Werner Lamberz. Der vollstaÈ ndige Na- me der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder: »Kommission des PolitbuÈ ros des ZK der SED zur Koordinierung der oÈ konomischen, kulturellen und wis- senschaftlich-technischen Beziehungen der DDR zu LaÈ ndern Asiens, Afrikas und des arabischen Raumes«, korrespondierte nicht zufaÈ llig mit der Bezeich- nung des weitverzweigten Unternehmens von Alexander Schalck-Golodkow- ski. In der ersten Vorlage der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder heiût es: »Durch die zentrale stabsmaÈ ûige Leitung aller AktivitaÈ ten im Ex- und Im- port mit den ausgewaÈ hlten LaÈ ndern konnte in einem Zeitraum von 6 Mo- naten ein Gesamtumsatz im gegenseitigen Warenaustausch von ca. 450 Mio. VM erreicht werden. Damit wurde die DDR zu einem der wich- tigsten Handelspartner fuÈ r die LaÈ nder Sozialistisch AÈ thiopien, VR Angola und VR Mosambik. 7...) Mit der Realisierung der Ex- und Importe im Rah- men der abgeschlossenen Vereinbarungen erfolgte eine Entlastung der KD- Zahlungsbilanz.«1 Damit war der Grundton der Beratungen klar. Wie auch aus dem Schreiben von GuÈ nter Mittag und Werner Lamberz an Erich Honecker vom 6. Juli 1977 hervorgeht, war Schalck-Golodkowski nun fuÈ r die Handelsbeziehungen mit den vier auserwaÈ hlten afrikanischen LaÈ ndern zustaÈ ndig. Die Einsetzung der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder stellte so- mit keinen grundsaÈ tzlichen Neuanfang dar, sondern sollte zur Steigerung der EffektivitaÈ t der DDR-SuÈ dpolitik nach all den AktivitaÈ ten des Jahres 1977 bei- tragen und deren einheitliche Steuerung bewirken. Aufgrund der Vielfalt der geknuÈ pften Kontakte, unterschriebener VertraÈ ge und eingebundener Betriebe drohte der UÈ berblick verlorenzugehen.

1 Vorlage fuÈ r die Kommission des PolitbuÈ ros des ZK der SED zur Koordinierung der oÈ konomischen, kulturellen und wissenschaftlich-technischen Beziehungen der DDR zu LaÈ ndern Asiens, Afrikas und des arabischen Raumes vom 5.1.1978. Staatliche Plankom- mission, BuÈ ro D. Albrecht. BAZ DE 1 54 880.

87 Ein Beschluûdokument, mit welchem der Bereich KoKo durch die Partei- und StaatsfuÈ hrung mit der Koordinierung des AfrikageschaÈ ftes beauftragt wurde, konnte nicht gefunden werden. Die Beauftragung muû wohl in der Zeit zwischen zweiter AprilhaÈ lfte und Ende Juli 1977 ausgesprochen worden sein. Nachrangig ist, ob dies muÈ ndlich oder schriftlich erfolgte. Bei den Versu- chen, die GruÈ nde fuÈ r diese Beauftragung oÈ konomisch, ideologisch und auûen- politisch einordnen und nachvollziehen zu wollen, bleibt Unsicherheit und KlaÈ rungsbedarf. Letztlich reicht der Bezug auf die Ausmaûe der oÈ konomi- schen Krise der DDR im Jahre 1977 nicht aus, um den Einsatz des »Lehrmei- sters des Kapitalismus« in der DDR, wie Schalck von seinen Generaldirekto- ren und von Ministern der DDR genannt wurde, uÈ ber den gesamten Zeitraum zu erklaÈ ren. Die Koordinierung des AfrikageschaÈ ftes war integraler Bestandteil des Kri- senmanagements von 1977. Bis zur GruÈ ndung der Handelspolitischen Abtei- lung 7HPA) im Herbst 1979 lieû sich Alexander Schalck-Golodkowski immer persoÈ nlich durch die Sonderbeauftragten informieren und leitete sie direkt an.2 Unter den Genossen galt er als »der Beste«. Der ihn umgebende Mythos des Retters in letzter Not, der seine vermeintlichen Erfolge durch die auûeror- dentlichen Vollmachten der ParteifuÈ hrung, des Ministeriums fuÈ r Staatssicher- heit und die dadurch angehaÈ uften Reserven erzielen konnte, wird wohl das lei- tende Motiv der Beauftragung gewesen sein. Der Bereich KoKo, und im AfrikageschaÈ ft vor allem die Sonderbeauftragten, fungierten als eine Art »Handelspolizei«3 gegenuÈ ber den Auûenhandelsbetrieben, ProduktionsstaÈ tten und Transportunternehmen der DDR. Sie hatten die BeschluÈ sse der Partei umzusetzen und zu kontrollieren. Das war das Politische der Entscheidung, die Direktive von ganz oben. Hinzu kam, daû Schalck der Mann fuÈ r »Auûer- planmaÈ ûiges« war und die Spitze des Kriseneisberges im FruÈ hjahr 1977 auûer- planmaÈ ûig auftauchte. Ein weiteres Motiv fuÈ r den Einsatz von KoKo in Afrika werden die GroÈ - ûenordnungen der Projekte gewesen sein. Sowohl die neuen Regierungen in Mosambik und AÈ thiopien als auch al Gaddafi erwarteten groûe industrielle Vorhaben und schnellen Fortschritt. Das traute man in der DDR wiederum nur »dem Besten« und seiner Mannschaft zu. Grundvoraussetzung fuÈ r den Einsatz von KoKo war natuÈ rlich, daû durch diesen Bereich Devisen einge- spart bzw. erwirtschaftet werden konnten.

Die Entstehung und Funktion des Bereiches KoKo ist vielfaÈ ltig beschrieben worden.4 Auf einige ZusammenhaÈ nge soll hier trotzdem aufmerksam gemacht werden.

2 GespraÈ ch des Sonderbeauftragten fuÈ rAÈ thiopien mit d. Verf. am 14.12.1998. 3 Ebenda. 4 Vgl. Werkzeug des SED-Regimes ± Bereich Kommerzielle Koordinierung und A. Schalck-Golodkowski. Bundesdrucksache 12/3464, 4 BaÈ nde; Przybylski, Peter: Tat- ort PolitbuÈ ro ± Honecker, Mittag und Schalck-Golodkowski. Berlin 1992; Koch, Eg- mont: Das geheime Kartell. BND, Schalck, Stasi & Co. Hamburg 1992; Seifert, Wolf- gang; Treutwein, Norbert: Die Schalck-Papiere. MuÈ nchen 1991.

88 Als GruÈ ndungsurkunde des Bereiches KoKo gilt ein Brief, den Alexander Schalck-Golodkowski zwischen Weihnachten und Neujahr 1965 an das Polit- buÈ romitglied Hermann Matern schrieb. Schalck, damals Erster ParteisekretaÈ r der SED im Ministerium fuÈ r Auûen- und Innerdeutschen Handel 7MAI), for- derte einen eigenen Bereich fuÈ r seine »mehr oder weniger unserioÈ sen Metho- den«. Zur Abzweigung von Gewinnanteilen zur Devisenerwirtschaftung, die durch die »Staatlichen Auûenhandelsunternehmen im Prinzip nicht wahrge- nommen werden«, bat er um eine gesonderte Struktureinheit, die mit Vertrau- ensfirmen des MfS zusammenarbeiten sollte.5 Am 1. April 1966 verfuÈ gte dann der Ministerrat die Zusammenfassung verschiedener im HartwaÈ hrungsbereich taÈ tiger Betriebe, wie dem GENEX-Geschenkdienst, den Auûenhandelsvertre- tergesellschaften Transinter, Intrac und Zentralkommerz sowie den von der Hauptverwaltung AufklaÈ rung 7HVA) des MfS gefuÈ hrten Firmen F. C. Gerlach und G. Simon, zum »Bereich Kommerzielle Koordinierung« 7KoKo) mit dem Ziel der »maximalen Devisenerwirtschaftung auûerhalb des Planes«6. Die »GeschaÈ ftsidee« bestand in der Verteilung der Sondergewinne an der innerdeutschen Grenze auf eine Westfirma, die moÈ glichst vom MfS gesteuert werden sollte, und einer als Monopolist auftretenden Ostfirma. Diese Sonder- gewinne waren unter anderem durch die Ausnutzung der nach den RoÈ mischen VertraÈ gen von 1956 auch fuÈ r das Gebiet der DDR erklaÈ rten Zollfreiheit fuÈ r Handelspartner aus Staaten der EuropaÈ ischen Union moÈ glich. Die Bundesre- gierung hatte entsprechend ihrem deutschlandpolitischen VerstaÈ ndnis auf die- ser Klausel bestanden. Indirekt schuf sie damit eine Voraussetzung zur GruÈ n- dung des Bereiches KoKo. Verbindungen zu den Interessen, wie sie in der »Hallstein-Doktrin« formuliert werden, lassen sich herstellen. Durch diese Sonderstellung schuf sich der Bereich KoKo die herausragende Stellung, die dann zu seiner rettenden Funktion fuÈ hrte. An der Wiege des »Be- reiches« stand somit der Auftrag der Gewinnmitnahmen auûerhalb der pro- pagierten GrundsaÈ tze des sozialistischen, auf volkseigenem bzw. staatlichem Eigentum gruÈ ndenden Wirtschaftskonzepts und auch auûerhalb des Planes. Gerade diese Prinzipien brachten der DDR ihre Sonderrolle innerhalb des so- zialistischen Staatenbundes, erhoÈ hten die AttraktivitaÈ t der DDR international und weckten das Interesse der EntwicklungslaÈ nder. Der mit dem Status eines »DevisenauslaÈ nders« ausgestattete und mit allen staatsmonopolistischen und parteizentralistischen Machtinsignien versehene Bereich von Schalck-Golodkowski widersprach in »jeder Faser« der gelehrten planwirtschaftlichen Auûenhandelstheorie einer »Sozialistischen OÈ konomie«, die sich als fester Bestandteil der »Wissenschaftlichen Weltanschauung« der Arbeiterklasse verstand und angetreten war, soziale Gerechtigkeit zu errei- chen. Ungeachtet dieser ideologischen Ballaststoffe schuf sich die Parteispitze ein flexibles und pragmatisches Werkzeug zum finanziellen UÈ berleben und da-

5 Vgl. Haendcke-Hoppe-Arndt, Maria: Die Hauptabteilung XVIII ± Volkswirtschaft des MfS. In: Anatomie der Staatssicherheit ± MfS-Handbuch, Teil III/10. Berlin 1997, S. 44f. 6 Lt. VerfuÈ gung 61/66 vom 1.4.1966 des Ministerrates der DDR. In: Bundesdrucksache 12/3464, Dokument 7.

89 mit zum begrenzten Erhalt der DDR. In der »Doppelstrategie« der SED-FuÈ h- rung, oÈ ffentliche Darstellung als »sozialistisches MusterlaÈ ndle« und verdeckte Anwendung »staatskapitalistischer Methoden«, ist einer der GruÈ nde fuÈ r die konspirative TaÈ tigkeit des Bereiches zu sehen. Die Rolle des Bereiches KoKo innerhalb der Beziehungen zu den EntwicklungslaÈ ndern begruÈ ndeten wieder- um die besondere Geheimhaltung bei der Pflege dieser Beziehungen. In der Zusammenarbeit mit der ganz normalen staatlichen Wirtschaftslei- tung, wie sie die Ministerien und die Staatliche Plankommission repraÈ sentier- ten, schwang die direkte Machtanbindung des »Bereiches« immer mit und entschied im Streitfall den Ausgang der Diskussion. Am 2. November 1976 wurde KoKo dann den Befugnissen des ZK-SekretaÈ rs der SED, GuÈ nter Mit- tag, unterstellt. Auf der gleichen Sitzung beschloû das PolitbuÈ ro auch die Ein- setzung der »Arbeitsgruppe Zahlungsbilanz« unter Leitung von GuÈ nter Mit- tag und unter Mitarbeit u. a. von Alexander Schalck. »Hauptaufgabe dieser Arbeitsgruppe war es, im Rahmen der Haushaltspla- nung durch entsprechende Vorgaben an die Industrie- und Auûenhandels- unternehmen Deviseneinnahmen nach MoÈ glichkeit zu maximieren und De- visenenausgaben 7Importe) zu minimieren.«7 Die Zahlungsschwierigkeiten warfen ihre Schatten voraus. Die direkte Unter- stellung des Bereiches KoKo unter GuÈ nter Mittag wurde mitunter als die wichtigste wirtschaftspolitische Innovation der Honecker-AÈ ra bezeichnet, da- bei war es nur eine Reaktion auf Fehlentwicklungen innerhalb seiner Regie- rungszeit. Die Praxis der Anleitung wird wie folgt beschrieben: »Unter strengster Geheimhaltung und Abstimmung gegenuÈ ber allen ande- ren Abteilungen des ZK, der Plankommission sowie dem PolitbuÈ ro war der Bereich KoKo fortan ausschlieûlich Honecker und Mittag weisungsmaÈ ûig unterstellt und rechenschaftspflichtig.«8 Der Schalck-Untersuchungsausschuû des Deutschen Bundestages kam zu dem Ergebnis: »Zusammenfassend kann festgestellt werden, daû alle grundlegenden Ent- scheidungen fuÈ r den Bereich Parteientscheidungen waren. Die Anleitung er- folgte jedoch ausschlieûlich von der Parteispitze, d. h. durch GuÈ nter Mittag und Erich Honecker.«9 Dies wirkte sich auch auf die Beziehungen zu den ausgewaÈ hlten Entwick- lungslaÈ ndern aus, die durch persoÈ nliche Kontakte bestimmt waren. Der sich gegenseitig bedingende schnelle »Zugriff« auf Devisen und politi- sche EntscheidungstraÈ ger verschaffte den »KoKo-Leuten« hohen Respekt und Anerkennung, die heute noch gelegentlich zum Ausdruck kommen. Alex- ander Schalck galt dabei weniger als »kalter« Vollstrecker von BeschluÈ ssen, sondern wurde eher als leutseliger Partner gesehen, auf dessen Wort man sich

7 Ebenda, S. 104. 8 Hertle, Hans-Hermann: Die Diskussion der oÈ konomischen Krisen in der FuÈ hrungsspitze der SED. In: Pirker, Theo 7Hrsg.): Der Plan als Befehl und Fiktion. Opladen 1995, S. 316f. 9 Politische Anleitung des Bereiches KoKo. In: Schalck-Untersuchungsausschuû, Bundes- drucksache 12/7600, S. 103.

90 verlassen konnte. Er zeigte sich bei exakter Zusammenarbeit groûzuÈ gig und konnte sich an fruÈ here Kooperationen durchaus erinnern. Als energische Per- soÈ nlichkeit uÈ bertrug er diese Art auch auf einige seiner Mitarbeiter. Er betaÈ - tigte virtuos die Pedale und Manuale der positiven und negativen Sanktionen. Er steuerte mit Zuckerbrot und Peitsche. Fast alle Mitarbeiter des Bereiches blieben von ihrem Eintritt bei KoKo bis zum Ende der DDR bzw. zur »Wen- de« Unterstellte von »Alex«, wie Alexander Schalck von seinen Vertrauten ge- rufen wurde. Er verfuÈ gte mit seinem Bereich Kommerzielle Koordinierung als GuÈ nter Mittag direkt Unterstellter und ihm zuarbeitender »Devisenbeschaffer« der DDR uÈ ber entscheidenden Einfluû auf die Politik der DDR gegenuÈ ber der Dritten Welt, insbesondere Afrika. Nicht nur im innerdeutschen Handel, auch bei den Beziehungen mit Afrika war er eine praÈ gende, eher im Hintergrund agierende Gestalt. Bei aller Unter- schiedlichkeit dieser beiden »GeschaÈ ftsfelder« gab es auch Gemeinsamkeiten, zum Beispiel die oÈ konomische Ausnutzung besonderer, historisch gewachse- ner Beziehungen. Mit anderen Worten: die WertschoÈ pfung aus materiell nicht oder nicht vollstaÈ ndig erbrachten Leistungen. Es wurde dann von politischen Preisen gesprochen. Das war eine DomaÈ ne der HaÈ ndler und UnterhaÈ ndler. Der langjaÈ hrige Vermittler im »innerdeutschen KirchengeschaÈ ft« auf seiten der Evangelischen Kirche in Deutschland 7EKD), Ludwig Geiûel, schrieb uÈ ber seine dreiûigjaÈ hrige Zusammenarbeit mit der DDR und mit seinem di- rekten GeschaÈ ftspartner Alexander Schalck zusammenfassend: »WaÈ hrend die EKD einen legalen Weg gefunden hatte, Geld in die DDR zu transferieren, konnte die Regierung in Ost-Berlin Steinkohle aus dem Ruhr- gebiet an die Industrie und Bohnenkaffee an ihre BuÈ rger weitergeben.«10 Mit Kaffee und Kohle finden sich im innerdeutschen Handel SchluÈ sselbegriffe des AfrikageschaÈ ftes der DDR wieder, die auch den Bereich Kommerzielle Koordinierung »stabsmaÈ ûig« beschaÈ ftigten. Wie im innerdeutschen Handel wurden die GeschaÈ fte mit den befreundeten afrikanischen LaÈ ndern meist uÈ ber warengebundene Verrechnungskonten auf der Preisbasis des Weltmarktes in Devisen abgewickelt. Allerdings mit einigen Unterschieden. WaÈ hrend die Bundesregierung der DDR aufgrund der ver- schiedenen VertraÈ ge zu Westberlin Guthaben zur VerfuÈ gung stellte, mit denen dann die Rohstofflieferungen bezahlt werden konnten, muûten im Handel mit den ausgewaÈ hlten afrikanischen Staaten die Guthaben erst durch schnelle Ex- porte von DDR-GuÈ tern in diese LaÈ nder aufgebaut werden. Gelegentlich wur- de der Guthabenaufbau in AÈ thiopien, Mosambik und Angola durch die Liefe- rung militaÈ rischen GeraÈ tes aus den Staatsreserven beschleunigt, ein nicht unwichtiger Unterschied zum deutsch-deutschen Handel.

10 Geiûel, Ludwig: UnterhaÈ ndler der Menschlichkeit. Stuttgart 1991. Zit. nach: OÈ kumeni- sche Rundschau. Frankfurt/M. 12/1993, S. 272.

91 3.2 Die Aufgaben der Sonderbeauftragten

Alexander Schalck-Golodkowski war mit den MoÈ glichkeiten seines Bereiches fuÈ r die besonders befreundeten LaÈ nder AÈ thiopien, Mosambik und Angola so- wie die Angola vorgelagerten Inseln SaÄ o Tome und Prõ ncipe verantwortlich. Im Rahmen der beschlossenen Exportoffensive gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ n- dern aus dem HartwaÈ hrungsbereich wurden aber weit mehr LaÈ nder eingebun- den. Um das »Durchgriffsrecht« des Machtbereiches von GuÈ nter Mittag auf die klassischen Strukturen des Auûenhandels, wie Export- und Importbetriebe, die Vertreter der »Kammer fuÈ r Auûenhandel«, die HandelsraÈ te der Botschaften und weitere Einrichtungen, zu gewaÈ hrleisten, wurde ein System von Sonderbeauf- tragten der ParteifuÈ hrung und der Regierung installiert. Die Sonderbeauftragten traten als Boten der »hoÈ chsten Ebene« auf und repraÈ sentierten den Sofort- und Reparaturauftrag der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder. Entsprechend ihrer Bedeutung waren sie mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Sonderbeauftragte gab es in verschiedenen Bereichen des Partei- und Staats- apparates der DDR. Als ZK-Beauftragte wurden sie oft bei oÈ konomischen Brennpunkten ± unter Umgehung aller aus der Sicht des ZK-SekretaÈ rs unpro- duktiven Entscheidungsebenen ± eingesetzt. Auf diese Weise sollten die Prozesse unmittelbar im Sinne des ZK und des PolitbuÈ ros bestimmt und deren BeschluÈ sse umgesetzt werden. Meistens wurde darunter die Beschleunigung der Vorhaben, ohne RuÈ cksicht auf Kosten und spaÈ tere Fehler, verstanden. Die Sonderbeauf- tragten stellten eine besondere Form des Diktats der Partei dar. Betriebsleiter und Generaldirektoren hatten dann nichts mehr zu entscheiden. Sie wurden zu BefehlsempfaÈ ngern, die nur noch zu melden und die TuÈ ren zu oÈ ffnen hatten. Und sie arrangierten sich, denn der Bereich KoKo konnte mit begehrten Ange- boten aufwarten, mit westlicher Technologie und mit Sondergenehmigungen.

Auf der 3. Sitzung der Kommission EntwicklungslaÈ nder am 1. Februar 1978 wurden sowohl die Aufgabenstellung als auch die Rechte und Pflichten der Sonderbeauftragten behandelt und bestaÈ tigt. In diesen Richtlinien wird u. a. festgelegt: ± daû die Sonderbeauftragten der Hauptnomenklatura11 des Sekretariates des ZK der SED unterliegen; ± daû die Sonderbeauftragten verantwortlich sind fuÈ r die politische und fach- liche Leitung der oÈ konomischen, wissenschaftlich-technischen und kulturel- len Beziehungen mit ausgewaÈ hlten LaÈ ndern; ± daû die Sonderbeauftragten die schwerpunktmaÈ ûige Kontrolle der Durch- fuÈ hrung der BeschluÈ sse und Festlegungen durchfuÈ hren sollen. Die Sonderbeauftragten sind verantwortlich fuÈ r:

11 Zur Problematik der Nomenklatura vgl. Uschner, Manfred: Die zweite Etage ± Funk- tionsweise eines Machtapparates. Berlin 1993, S. 89f.

92 ± eine kurzfristig wirksame Zusammenarbeit mit dem Ziel der Sicherung des Importes wichtiger landwirtschaftlicher und mineralischer Rohstoffe durch den Abschluû von Vereinbarungen zur Bezahlung der Importe der DDR mit Lieferungen von DDR-Exporterzeugnissen; ± die Realisierung KD-wirksamer Kredite 7in fuÈ r die Zahlungsbilanz der DDR nuÈ tzlichen Formen) aus den EntwicklungslaÈ ndern, welche uÈ ber be- deutende Devisenreserven verfuÈ gen; ± die Herstellung und Pflege von engen persoÈ nlichen Kontakten zur Partei- und StaatsfuÈ hrung; ± die Verhandlungsvorbereitung und -durchfuÈ hrung. Folgende Befugnisse werden ausgesprochen: ± unmittelbare Teilnahme an Beratungen der Staats- und Wirtschaftsorgane; ± Unterlageneinsicht; ± der Botschafter hat jegliche UnterstuÈ tzung zu gewaÈ hren; ± Weisungsberechtigung gegenuÈ ber allen DDR-BuÈ rgern, einschlieûlich der HandelsraÈ te, im Einsatzland, »ausgenommen davon sind Parteibeziehungen«; ± die Sonderbeauftragten koÈ nnen direkt an GuÈ nter Mittag als Vorsitzenden der Kommission EntwicklungslaÈ nder uÈ ber Botschaften Nachrichten senden.12

Damit war die »straffe und einheitliche Leitung« formal durchgesetzt und die MoÈ glichkeit gegeben, daû die Sonderbeauftragten in ihrem Einsatzland in fast alle AktivitaÈ ten der laÈ nderbezogenen DDR-Auûenpolitik eingreifen konnten, ohne die persoÈ nliche und materielle Verantwortung uÈ bernehmen zu muÈ ssen. Diese Vorlage war von Alexander Schalck unterzeichnet. Ihr Wirkungsradius reichte weit uÈ ber die von KoKo speziell betreuten LaÈ nder hinaus. Unter ihnen befanden sich etliche der sogenannten SchwellenlaÈ nder. Einige Rechte und Pflichten dieser Vorlage sind direkt aus dem Aufgabenkatalog des Bereiches KoKo uÈ bernommen, der auf Vorlage des MfS vom PolitbuÈ ro be- schlossen wurde. FuÈ r folgende LaÈ nder waren Sonderbeauftragte vorgesehen: AÈ thiopien, An- gola, Mexiko, Madagaskar, Tansania, Philippinen, Indonesien, Uganda, Ka- merun, ElfenbeinkuÈ ste, Panama, Costa Rica, Burundi, Liberia, Indien, Ko- lumbien, Brasilien. Interessanterweise wurde Mosambik nicht aufgefuÈ hrt. Da fast alle Vorlagen von Alexander Schalck, die in die Kommission fuÈ r Entwick- lungslaÈ nder gelangten, durch seinen Vertrauten, den fuÈ r Mosambik zustaÈ ndi- gen Dieter Uhlig, vorbereitet wurden, ist anzunehmen, daû neben den »Allge- meinen Sonderbedingungen« des Bereiches KoKo auch erste Erfahrungen aus seiner TaÈ tigkeit mit eingeflossen sind. Die Vollmachten der Sonderbeauftrag- ten waren im einzelnen nicht immer bekannt.13 Dennoch kann man davon ausgehen, daû in ihrem »Geist« gehandelt und entschieden wurde und sie die Arbeitsgrundlage darstellten. Die Sonderbeauf-

12 Vgl. Aufgabenstellung, Rechte und Pflichten der Sonderbeauftragten der ParteifuÈ hrung und der Regierung der DDR. Anlage 9 zum Protokoll Nr. 17 der Sitzung des PolitbuÈ - ros vom 8.2.1978. BAZ DY 2/3 2709, Bl. 81. 13 GespraÈ ch des Verf. mit dem Sonderbeauftragten fuÈ rAÈ thiopien am 14.12.1998.

93 tragten waren sich ihrer Bedeutung bewuût. Zum Beispiel unterstanden den Sonderbeauftragten die HandelsraÈ te und deren Abteilungen in den Botschaf- ten der DDR und die Vertreter der Auûenhandelsfirmen vor Ort. Durch Alex- ander Schalck-Golodkowski waren sie aber angewiesen worden, sich bei mili- taÈ rischen und auûenpolitischen Themen strikt zuruÈ ckzuhalten. Es kann nicht gesagt werden, ob fuÈ r alle oben aufgefuÈ hrten LaÈ nder Sonder- beauftragte eingesetzt wurden. FuÈ rdieLaÈ nder AÈ thiopien, Mosambik, Angola und Libyen waren Sonderbeauftragte im Einsatz. Der fuÈ r die Beziehungen zu AÈ thiopien Verantwortliche arbeitete von 1977 bis 1985. Er lieû sich auf eigenen Wunsch von dieser Aufgabe entbinden. Der Sonderbeauftragte fuÈ r Mosambik fuÈ hrte diese TaÈ tigkeit bis 1990 aus, wenn auch mit unterschiedlicher IntensitaÈ t. In den EinsatzlaÈ ndern waren sie den Botschaftern und deren Apparaten beige- ordnet und konnten diese nutzen. Dank ihres Zuganges zu Devisen verfuÈ gten sie uÈ ber eigene Strukturen und eine in der Regel bessere Ausstattung. In oÈ kono- mischen Fragen standen sie in der Hierarchie der Botschaften uÈ ber den Chefs der Gesandtschaften der DDR. Die Botschaft unterstuÈ tzte die von den Kom- missaren der Kommission angeregten AktivitaÈ ten und betriebenen Projekte.

3.3 Der Sonderbeauftragte fuÈ r Mosambik

Die Wahl des Sonderbeauftragten Dieter Uhlig spiegelt den besonderen Cha- rakter der Beziehungen zu den drei ausgewaÈ hlten afrikanischen Staaten wider. Als Sonderbeauftragter fuÈ r Mosambik ± wo die DDR sich am vielfaÈ ltigsten und umfangreichsten engagierte ± war Dieter Uhlig mit weitreichenden Voll- machten ausgestattet worden. Als Leiter der Handelspolitischen Abteilung im Bereich KoKo hatte er auûerdem die Aufsicht uÈ ber die Sonderbeauftragten fuÈ r Angola und AÈ thiopien und war fuÈ r deren TaÈ tigkeit Schalck gegenuÈ ber re- chenschaftspflichtig. Ein Publizist beschreibt Dieter Uhlig als Mann, der »fuÈ r Schalck vor allem in sensiblen Bereichen im Einsatz«14 war. Dieter Uhlig vereinte eine Vielzahl von Funktionen in seiner Person, da die Abteilung »Handelspolitik« im Bereich KoKo zugleich die Afrikaabteilung von Alexander Schalck-Golodkowski dar- stellte und einen Groûteil des KoKo-Waffenhandels in den 80er Jahren steuerte und fuÈ hrte. Und er war hochrangiger Mitarbeiter des Ministeriums fuÈ r Auûen- handel, zeitweise auch GeschaÈ ftsfuÈ hrer und »Obergeneraldirektor«15 einer Handelsfirma fuÈ r Waffen und MilitaÈ rtechnik, der IMES GmbH16.

14 Koch, Peter Ferdinand: Das Schalck-Imperium lebt. Deutschland wird gekauft. MuÈ n- chen 1992, S. 83. 15 Ein ehemaliger Mitarbeiter der Handelspolitischen Abteilung uÈ ber Dieter Uhlig im Ge- spraÈ ch mit dem Verf. am 14.12.1998. 16 Die Internationale Meûtechnik GmbH 7IMES) wurde auf Weisung von Honecker durch Schalck am 23.12.1981 in Berlin gegruÈ ndet. »Die Partei- und StaatsfuÈ hrung wollte mit dieser Maûnahme eine erhoÈ hte Devisenbewirtschaftung im Bereich des Ex- portes von MilitaÈ rguÈ tern, Waffen und Instandsetzungsleistungen erzielen.« Bundes- drucksache 12/7600, S. 176ff.

94 Dieter Uhlig fungierte, quasi im Regierungsamt, als stellvertretender Leiter des Gemeinsamen Wirtschaftsausschusses DDR ±Mosambik von der ersten bis zur letzten Sitzung, unterzeichnete RegierungsvertraÈ ge und leitete z. T. die Wirtschafts- und Umschuldungsverhandlungen. Vor allem aber betrieb er Ge- schaÈ ftsanbahnung, unterhielt die Kontakte zur mosambikanischen Regierung und zu den staatlichen Stellen und kontrollierte die Einhaltung der BeschluÈ sse in der DDR. Als IMS »Henry« arbeitete er von 1960 bis in den November 1989 mit dem Ministerium fuÈ r Staatssicherheit, meist mit der HA XVIII/7 7Sicherung der Volkswirtschaft/Auûenhandel), aber auch der HA XXII 7Terrorabwehr) und der HV A 7AuûenaufklaÈ rung) zusammen, stand im Range eines Oberstleut- nant des MfS und bezog in der zweiten HaÈ lfte der 80er Jahre ein monatliches Gehalt.17 Seine umfangreiche Akte wurde erst 1991 durch die BehoÈ rde des Bundesbeauftragten fuÈ r die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes geschlos- sen. Einer seiner FuÈ hrungsoffiziere beschrieb das Aufgabengebiet von IMS »Henry« alias Sonderbeauftragter Uhlig wie folgt: »Koordination und Anleitung der HPA sowie LoÈ sung von Aufgaben fuÈ r ausgewaÈ hlte EntwicklungslaÈ nder. Diese LaÈ nder sind: AÈ thiopien, Mosam- bik, Angola, Sambia und der Iran. Die Realisierung dieser Aufgabenstel- lung erfolgt unter der direkten Anleitung des ZK.«18 In den regelmaÈ ûig wiederkehrenden PersoneneinschaÈ tzungen wird er als Per- son beschrieben, die durch die »FuÈ hrungsarbeit« des MfS zu einer gefestigten PersoÈ nlichkeit gereift ist und gern mit der Dienststelle XVIII zusammenarbei- tet. »Seine StaÈ rke liegt jedoch darin, als EinzelkaÈ mpfer GeschaÈ fte von hoher politischer und oÈ konomischer Bedeutung anzubahnen.«19 Die Mitarbeiter des Dieter Uhlig unterstehenden BuÈ ros der »Wirtschaftspo- litischen Abteilung« 7WPA) in Maputo wurden beim MfS von der Hauptab- teilung XVIII/7, zustaÈ ndig fuÈ r Auûenhandel, gefuÈ hrt.20 Die Hauptabteilung XVIII/7 des MfS verfolgte weniger operative Aufga- ben. Sie erfuÈ llte unter anderem wirtschaftsstatistische Aufgaben, erstellte in- terne Berichte und Stimmungsbilder. Der IMS berichtete in vielfaÈ ltiger Weise. Empfehlungen der FuÈ hrungsoffiziere gegenuÈ ber dem IMS wurden nur selten ausgesprochen. Die Abteilung war sich der Bedeutung des Informanten be- wuût und bangte gelegentlich um sein Verbleiben in ihrer Betreuung. Dieter Uhlig vertrat die DDR in RGW-Gremien der Zusammenarbeit mit Mosambik und bestimmte als Sonderbeauftragter fuÈ r Mosambik maûgeblich die Umsetzung der VertraÈ ge und ParteibeschluÈ sse.

17 A. Schalck sagte vor dem BKA aus: »Die Anrechnung seiner langjaÈ hrigen inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS habe dazu gefuÈ hrt, daû ihm [Dieter Uhlig, d. Verf.] der Dienstrang Oberstleutnant verliehen werden konnte.« In: 12/7600, S. 123. Vgl. auch: Treffbericht vom 13.3.1986. BStU MfS: AJM 7735/91, Bd. 5, S. 129 und 147f. 18 Betrifft: Einsatzrichtung IMS »Henry«. 16.11.1980. MFA BStU AJM 7735/Teil 1, Bd. 1a, Bl. 252. 19 Ebenda, Bl. 247. 20 AusfuÈ hrlich zur HA XVIII siehe: Anatomie der Staatssicherheit ± MfS-Handbuch, Teil III/10. Berlin 1997.

95 Er war fuÈ r »operative« RuÈ stungsgeschaÈ fte des Bereiches KoKo zustaÈ ndig und leitete in der GruÈ ndungsphase die IMES GmbH als Firma des Bereiches Kommerzielle Koordinierung. Diese Firma zur devisentraÈ chtigen Verwertung militaÈ rischen GeraÈ tes, vor allem aus der Staatsreserve, wurde im Dezember 1981 gegruÈ ndet. Zu dieser Zeit zeichnete sich immer deutlicher der wirtschaft- liche Miûerfolg des MosambikgeschaÈ ftes fuÈ r die DDR ab. Wie zum Start der erweiterten Beziehungen zu Mosambik 1977 wurde Dieter Uhlig nun vier Jah- re spaÈ ter mit einem »AnschluûgeschaÈ ft« ± wiederum durch Alexander Schalck im Auftrag von Erich Honecker ± betraut. Er handelte waÈ hrend des Golfkrieges mit dem Iran und verkaufte den isla- mischen RevolutionsfuÈ hrern nach 1980 neben anderer Waffentechnik 11048 militaÈ risch nutzbare LKW.21 Im Auftrag des Ministers fuÈ r Nationale Vertei- digung fuÈ hrte er mit dem Irak 1982 GespraÈ che uÈ ber die Lieferung von 24 Lu- na M-Raketen, deren SprengkoÈ pfe auf atomare und chemische Waffen umzu- ruÈ sten gewesen waÈ ren. Zu dem GeschaÈ ft kam es nicht. Die Sowjetunion lieferte an den Irak Raketen gleichen Typs, aus SicherheitsgruÈ nden nur mit konventionellen SprengeinsaÈ tzen.22 Er galt als glaÈ nzender WaffenhaÈ ndler.23 Der Schalck-Untersuchungsausschuû kam zu dem Schluû: »Er hatte inner- halb des Personenkreises, der im Waffenhandel des Bereiches KoKo taÈ tig war, die weitreichendsten Verbindungen zum MfS und dessen Untergliede- rungen.«24 Vor dem Afrika- und WaffengeschaÈ ft gruÈ ndete er 1973 im Auftrag von Schalck in AusfuÈ hrung eines Beschlusses des PolitbuÈ ros und des Ministerrates die »Kunst- und AntiquitaÈ ten GmbH/Internationale Gesellschaft zum Export und Import von KunstgegenstaÈ nden«25 als Firma des Bereiches Kommerzielle Koordinierung, die Kunst- und KitschgegenstaÈ nde aus DDR-Museen und Privatsammlungen von BuÈ rgern unter Zwang gegen Devisen in den Westen verkaufte. Der Schalck-Untersuchungsausschuû hat gerade dieses Kapitel deutsch- deutschen Handels uÈ ber Hunderte von Seiten aufgearbeitet. Den AktivitaÈ ten des Bereiches KoKo gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern widmet er nur wenige Zeilen. Dies ist durchaus bezeichnend fuÈ r ein in der Bundesrepublik verbreite- tes Rechtsempfinden. Jeder Kunstsammler oder ehemalige Besitzer eines an- tiquarischen Gutes soll Recht erhalten, so ihm Unrecht durch den Bereich

21 Ebenda, S. 192. 22 Ebenda. 23 Vgl. Bundesdrucksache 12/7600, S. 25 und 176±212. 24 Ebenda, S. 117. 25 »Eine am 10.12.1973 ergangene Weisung von Auûenhandelsminister SoÈ lle sprach der ­K&A¬ GmbH mit Beginn des kommenden Jahres das alleinige Recht zu, in der DDR den Export und Import von AntiquitaÈ ten, Werken der bildenden und angewandten Kunst, GegenstaÈ nden aus dem Bereich der Volkskunst sowie von GebrauchsgegenstaÈ n- den mit kulturellem Charakter zu betreiben.« Zit. nach: Herbst, Andreas: So funktionierte die DDR, S. 580f. Der oÈ konomische Erfolg, in 16 Jahren wurden nur 330 Mio. VM an den Staatshaushalt abgefuÈ hrt, ist gegenuÈ ber den kulturhistorischen, kuÈ nstlerisch-kulturel- len und ideellen Verlusten ± wenn ein derartiger Vergleich uÈ berhaupt statthaft ist ± als ge- ring einzuschaÈ tzen.

96 KoKo und die BehoÈ rden der DDR widerfahren ist. Die BemuÈ hungen des Bundestagsausschusses zur KlaÈ rung und gegebenenfalls Beseitigung dieser TatbestaÈ nde stehen aber in keinem VerhaÈ ltnis zu den BemuÈ hungen um KlaÈ - rung von langfristigen Nachteilen und SchaÈ den, die afrikanischen Staaten durch den Handel mit der DDR bzw. dem Bereich KoKo entstanden sind. Als VizepraÈ sident der »Interessengemeinschaft der Handelsvertreter und Handelsmakler der DDR« e.V., welche fuÈ r die »ProvisionsgeschaÈ fte«, einen Kernbereich der KoKo-TaÈ tigkeit, zustaÈ ndig war, kontrollierte er weitere Ge- schaÈ ftsfelder. Die Interessengemeinschaft residierte im Internationalen Han- delszentrum am Ostberliner S-Bahnhof und GrenzuÈ bergang Friedrichstraûe. Nach der »Wende« und mit OÈ ffnung der Mauer wurde Dieter Uhlig im Dezember 1989 durch die DDR-Regierung unter Hans Modrow mit der Ab- wicklung des zum 15. MaÈ rz 1990 aufgeloÈ sten Bereiches Kommerzielle Koordi- nierung betraut. Er wurde zu einem der GeschaÈ ftsfuÈ hrer der KoKo-Nachfol- geholding »Berliner Handels- und Finanzierungsgesellschaft mbH« 7BHFG) bestellt. Nach Verdacht auf Manipulation wurde er im Dezember 1990 von dieser Vertrauensaufgabe entbunden.26 Die Klammer fuÈ r diese verschiedenen TaÈ tigkeiten bildeten die Dieter Uhlig nachgesagten FaÈ higkeiten zu auûerge- woÈ hnlichen GeschaÈ ftsanbahnungen und DevisengeschaÈ ften fuÈ r die DDR. Auch von ehemaligen Mitarbeitern und BotschaftsangehoÈ rigen wird ihm ein hohes Ansehen bescheinigt sowie AutoritaÈ t bei den mosambikanischen BehoÈ r- den und eine gewisse Neigung zu »phantastischen« Projekten.

3.4 Funktion und Arbeitsweise der Afrikaabteilung des Bereiches Kommerzielle Koordinierung

Wie fuÈ r eine Abteilung des Bereiches KoKo nicht anders zu erwarten, gibt es nur wenige Informationen uÈ ber ihre Arbeitsweise. Ein Kennzeichen des ge- samten Bereiches war die LoÈ sung von Aufgaben unter groûer Hektik und mit erheblichem Zeitdruck im Nacken. Eine Arbeitsmethode, die vielleicht an den westlichen FinanzmaÈ rkten Erfolg versprach, aber fuÈ r Afrika nicht geeignet war. Am 29. Juli 1977 wurde Dieter Uhlig durch Alexander Schalck mit dem Aufbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Mosambik beauftragt, zum Sonderbe- auftragten fuÈ r Mosambik ernannt und fuÈ r den naÈ chsten Tag nach Maputo ab- geordnet. Dieter Uhlig war 1969 als relativ junger Mann bereits stellvertreten- der Generaldirektor des Auûenhandelsbetriebes 7AHB) Transinter des Bereiches KoKo. Dieser unterhielt in Westdeutschland und Westeuropa Fuhrparks und war im innerdeutschen Handel aktiv. Vor dieser TaÈ tigkeit ar- beitete er als Gruppenleiter in einem staatlichen Auûenhandelsbetrieb, der versuchte, GeschaÈ fte mit LKW zu machen. Dieter Uhlig war nicht nur Kunst- haÈ ndler, sondern in fruÈ heren Jahren auch AutohaÈ ndler. Diese Erfahrung vor allem wird ihn in den Augen von Alexander Schalck fuÈ r die neue Aufgabe

26 Vgl. Bundesdrucksache 12/7600, S. 389.

97 praÈ destiniert haben. Der Vertrieb der LKW W50 sollte ihn noch lange be- schaÈ ftigen. Seine Berufung in den auûen- und entwicklungspolitisch sensiblen Bereich Mosambik in der Konfliktregion suÈ dliches Afrika beschreibt Dieter Uhlig wie folgt: »Ich bin als stellvertretender Generaldirektor eines Tages zum Staatssekre- taÈ r gerufen worden, und dort wurde mir mitgeteilt, daû ich in Zukunft fuÈ r Mosambik verantwortlich bin. Und die reinen ± wie man in der DDR sagte ± kadermaÈ ûigen VeraÈ nderungen, also offizielle Abberufung als Stellvertre- ter des Generaldirektors ... sind irgendwie anderthalb oder zwei Jahre spaÈ - ter passiert. Also so ganz im Vordergrund stand erst mal, die gestellte Auf- gabe zu erledigen.«27 In bezug auf den Bereich Afrika der Handelsabteilung sagte er: »Na ja, die Aufgaben bestanden darin, sichtbare Ergebnisse nachzuweisen, einen Handel zwischen Mosambik und der DDR zu entwickeln, nicht bloû eine einseitige SolidaritaÈ tsaktion. Dasselbe fuÈ r Angola, dasselbe fuÈ rSaÄ o Tome und Prõ ncipe, dasselbe fuÈ rAÈ thiopien. Und da das natuÈ rlich sich uÈ ber die ganze Breite der DDR-Volkswirtschaft erstreckte, war das eine sehr langwierige, ins Detail gehende Kleinarbeit. Also wir haben ± um das mal vielleicht an einem praktischen Beispiel zu erklaÈ ren ±, wir haben immer ge- sagt: also es kann nicht vernuÈ nftig sein, daû man nur Geld in die LaÈ nder hineinpumpt, ohne daû man irgend etwas da rauskriegt.«28 Alexander Schalck beschrieb den Umgang der ParteifuÈ hrung mit einem Pro- zentpunkt fehlenden Wachstums im Plan oder einer Milliarde VM in seiner plastischen Art und berichtete so auch von der Arbeitsweise des gesamten Be- reiches, die der Abteilung Handelspolitik in abgestufter Form nicht unaÈ hnlich gewesen sein duÈ rfte. Die hier beschriebene Situation ereignete sich an einem Dienstag kurz vor oder nach der Jahreswende 1979/80: Erich Honecker traf vor einer Sitzung des PolitbuÈ ros Gerhard SchuÈ rer auf dem Gang des ZK-Ge- baÈ udes und sagte zu ihm: »Ihr habt wieder drei Prozent Wachstum vorgelegt, es muû aber bei vier Prozent bleiben. Du wirst schon sehen, ich habe noch bestimmte MoÈ glich- keiten, Bezahlungen aus der Bundesrepublik usw. ... Sprich mal nicht dage- gen, wenn ich heute vorschlage, dem Plan vier Prozent zugrunde zu le- gen.«29 Und nun erzaÈ hlt Alexander Schalck:

27 Aussage von Dieter Uhlig vor dem 1. Untersuchungsausschuû »Kommerzielle Koordi- nierung« des Deutschen Bundestages. Stenografisches Protokoll der 100. Sitzung, OÈ f- fentlicher Teil vom 11.11.1992, Befragung Uhlig, S. 12. 28 Ebenda. Zum Stichwort »hineinpumpen«: 1976, dem Jahr vor der Berufung von Dieter Uhlig zum Sonderbeauftragten fuÈ r Mosambik, werden zum Auûenhandelsumsatz DDR±Mosambik wegen unbedeutenden Umfangs keine Angaben gemacht. 1977 be- trug der Umsatz 24,9 Mio. VM. FuÈ r das erste Halbjahr ist ein Handelsumsatz im unte- ren einstelligen Millionenbereich anzunehmen. 29 Zit. nach: Pirker, Theo: Der Plan als Befehl und Fiktion. Opladen 1995, S. 158.

98 »Jetzt passierte folgender Mechanismus: Mittag ruft mich zu sich ... Zwi- schenfrage des Interviewers: ... wieso Mittag? Honecker hat das doch zu SchuÈ rer gesagt! Schalck: Honecker hatte doch keine Ahnung von OÈ kono- mie. Der wuûte natuÈ rlich, daû er Geld kriegte, das hat er ja schriftlich be- kommen von Mielke und auch von mir ... Soviel Vertrauen hatte er schon zu uns, daû das funktionierte. Gerhard SchuÈ rer hat natuÈ rlich jetzt dieses Loch sichtbar gemacht, muûte er ja. Er hatte keine LoÈ sung, es sei denn, er haÈ tte gesagt, ich muû mehr bei der BevoÈ lkerung wegnehmen ± das ging nicht und war auch mit Honecker nicht zu machen, weil er ja nicht so dumm war, daû er nicht wuûte, daû er das nicht durchstehen konnte. Also hat Honecker mit Mittag gesprochen und hat gesagt, GuÈ nter, sprich mal mit dem Alex, frag` den, was da noch moÈ glich ist, da koÈ nnen wir ja die Sa- chen einsetzen, die Mielke besorgt. So wurde das formuliert. [Es ging u. a. um den »HaÈ ftlingsfreikauf« d. Verf.] Und der Alexmuû sich auch ein biû- chen anstrengen, und dann werden wir mal sehen. Also wurde ich bestellt. Das waren immer die Sternstunden des Bereiches. Da hat Mittag gesagt, al- so Alex, du muût noch mal richtig nachdenken, wir brauchen von dir eine Milliarde. Ich habe erstmal gezuckt; eine Milliarde ist ungeheuerlich viel. Ich behaupte nach wie vor, manche wissen nicht, wieviel Nullen sie hat. Jedenfalls bin ich dann mit dieser Aufgabe nach Hause gegangen, ganz kon- kret mit dieser Milliarde. Dann habe ich meine Generaldirektoren bestellt, fuÈ nf an der Zahl, habe meine FuÈ hrungskader bestellt, das waren vier Hauptabteilungsleiter oder Abteilungsleiter, und habe denen erklaÈ rt, so ist die Lage, wir haben 24 Stunden Zeit, VorschlaÈ ge zur Finanzierung zu ma- chen. Das ist das Kampfprogramm des Bereiches ± und jetzt wird es poli- tisch ± sagen wir mal, in Vorbereitung des X. Parteitages. Und wenn wir die Milliarde richtig auf die Beine stellen, zusaÈ tzlich zu unserem Plan, dann werden wir uns hier schon irgendwie erkenntlich zeigen, da faÈ llt uns was ein. Mittag hatte gesagt, du hast alle Vollmachten, wichtig ist, daû das zu- saÈ tzlich organisiert wird, und sieh zu, wie du das machst. Da hat er auch keine EinschraÈ nkungen gemacht, ich hatte dann Generalvollmachten. Und ich muû sagen, ich habe auch nie einen Korb gekriegt, wenn ich dann fuÈ r Leute, die sich wesentlich beteiligt haben, hohe Staatsauszeichnungen ver- langt habe. Hohe Staatsauszeichnungen sind welche mit 10000 Mark PraÈ - mie, zum Beispiel der VaterlaÈ ndische Verdienstorden in Gold; ich rede nicht von kleinen, sondern von groûen Orden. Und meine Generaldirektoren wa- ren alle hochdekorierte Leute, die konnten wie MarschaÈ lle marschieren, sie hatten alle hohe Auszeichnungen. Es war eine Motivation, hohe staatliche Auszeichnungen zu erhalten.«30 Nachdem schon seit dem Sommer 1977 geschaÈ ftig mit Afrika gehandelt wur- de, kam es in Auswertung der Reise von Erich Honecker im Februar 1979 zur GruÈ ndung der Afrikaabteilung bzw. Abteilung Handelspolitik des Bereiches KoKo. Die Abteilung war klein und verfuÈ gte nur uÈ ber 12 bis 14 Planstellen. Zum 30. Jahrestag der DDR wurde laut »Kampfprogramm« in Maputo ein

30 Ebenda.

99 eigenes BuÈ ro mit vier bis sechs Mitarbeitern installiert. Zur allgemeinen Ver- wirrung wurde es »Wirtschaftspolitische Abteilung« genannt, obwohl von ei- ner Handelspolitischen Abteilung angeleitet und kontrolliert. Zur GruÈ ndung der Abteilung Handelspolitik gab Dieter Uhlig zu Proto- koll: »Die Abteilung Handelspolitik entstand als Folge der Beauftragung des Be- reiches Kommerzielle Koordinierung mit der Entwicklung der Handelsbe- ziehungen mit Angola, AÈ thiopien und Mosambik. Das war eine Aufgabe, die dem Bereich neu zugeordnet wurde. Nachdem diese LaÈ nder als ehemali- ge portugiesische Kolonien selbstaÈ ndig wurden, gab es ja auf DDR-Seite zu diesen LaÈ ndern fast keine Kenntnisse. Das resultierte daraus, daû vorher ein Handelsverbot mit diesen portugiesischen Kolonien bestanden hatte ¼, deshalb wurden damals drei Sonderbeauftragte eingesetzt. Ich war derjeni- ge fuÈ r Mosambik. Und wir haben dann versucht, die Handelsbeziehungen zu diesen LaÈ ndern in Gang zu bringen, was uns auch einigermaûen gelun- gen ist.«31 Auf die Frage, warum der Bereich KoKo und nicht eine allgemeine admini- strative bzw. staatliche Einrichtung federfuÈ hrend die Beziehungen zu Mosam- bik, Angola und AÈ thiopien betrieb, antwortete der Zeuge Dieter Uhlig: »Ja, diese Frage habe ich mir auch des oÈ fteren gestellt. Aber es war so, daû bevor Herr Schalck diesen Auftrag erhielt, gab es also bereits Beziehungen z. B. im Fall Mosambik, und das schleppte sich so dahin, ohne daû sich ir- gendwas bewegte. Und deshalb; da Herr Schalck in der DDR den Ruf hatte eines Mannes, der es versteht, seine Arbeit zu organisieren, hatte man ihn damit beauftragt.«32 Schalck-Golodkowski galt in der DDR, aber auch in der BRD als Weichen- steller und als zustaÈ ndig fuÈ r die LoÈ sung von komplizierten und eiligen Aufga- ben. Die AufzaÈ hlung der wichtigsten Investitionsvorhaben der DDR unter FederfuÈ hrung von KoKo ist imposant. Die Aufnahme der Vorhaben aus Ent- wicklungslaÈ ndern in die Liste dokumentiert den Stellenwert dieser Beziehun- gen fuÈ r die DDR. Beim Bereich KoKo waren laut Kampfprogramm ange- siedelt: ± Vakuumdestillationsanlage im VEB Leuna-Werke »Walter Ulbricht«, ± Kupferbergbau Mansfeld, ± 20 Vorhaben der Gestattungsproduktion, unter anderem Trinkfix, Schlag- schaum, Kaugummi, Salamander-Schuhe, Kosmetika und Bratfischfilets, ± Bereitstellung von Krediten in HoÈ he von insgesamt 1,665 Mrd. VM, ± Bau des Palast-Hotels in Berlin, ± Bau des Merkur-Hotels in Leipzig, ± Bau eines Elektrostahlwerkes in Brandenburg,

31 1. Untersuchungsausschuû »Kommerzielle Koordinierung« des Deutschen Bundesta- ges. Stenografisches Protokoll der 100. Sitzung, OÈ ffentlicher Teil vom 11.11.1992, Befragung Uhlig, S. 12. 32 Ebenda, S. 13.

100 ± Erwirtschaftung von zusaÈ tzlichen Valuta durch chemische Industrie, ± komplexe LaÈ nderkonzeptionen zur langfristigen Entwicklung der oÈ konomi- schen und wissenschaftlich-technischen Beziehungen zur VR Mosambik und zur VR Angola, ± Vorbereitung von Delegationen, Untersuchung der speziellen Abschnitte der Produktionssteigerung, wie Bergbauprodukte, Konzentrate u. aÈ . durch eine Arbeitsgruppe in der VR Mosambik, ± Bezug von 9100 t Kaffee aus Angola und Leitung solcher fuÈ r Industrie und BevoÈ lkerung wichtigen Versorgungspositionen aus dem NSW wie: ErdoÈ l und -produkte, Kohle, Getreide, pflanzliches und tierisches Eiweiû, NE- Metalle und Kaffee. »Die Realisierung der Importe erfolgt zu den geforder- ten Terminen.«33

Wie an einzelnen Objekten noch zu zeigen sein wird, lassen sich fast alle Groûprojekte der DDR in Mosambik und Angola aus sogenannten wichtigen Versorgungspositionen der DDR ableiten, mit deren ErfuÈ llung der Bereich KoKo beauftragt wurde. AÈ thiopien war in dieser Aufstellung schon nicht mehr enthalten. Die wirt- schaftlichen Beziehungen hatten sich zu diesem Zeitpunkt, 1979, merklich ab- gekuÈ hlt. Im gesamten KoKo-GeschaÈ ftsbereich nahm das AfrikageschaÈ ft den wohl oÈ konomisch und strukturell kleinsten Raum ein. Hinsichtlich seiner politi- schen Abstimmung war es aber im Vergleich zu den normalen Handelsfeldern der DDR sehr hochrangig, und die Geheimhaltung funktionierte perfekt. Es gehoÈ rt zu den besonderen MerkwuÈ rdigkeiten der Gestaltung der Zusammen- arbeit und Freundschaft der DDR mit afrikanischen LaÈ ndern, daû die durch- fuÈ hrende Ebene sich in kuÈ rzester Zeit mit groûen KapazitaÈ ten in die »Bezie- hungen« stuÈ rzen und die Handelsverpflichtungen sowie die sie begleitenden Maûnahmen aufblaÈ hen konnte und sich ebenso schnell innerlich zuruÈ ckzuzie- hen vermochte. Wieweit im Bereich KoKo ab dem Jahr 1980 wirklich noch mit substantiellen Gewinnen aus der »Beziehungsarbeit« zu den afrikanischen SchwerpunktlaÈ ndern gerechnet wurde, kann nicht gesagt werden. Von Alex- ander Schalck wird berichtet, daû er das AfrikageschaÈ ft nur noch ungern betrieb. Der Afrikaexperte und Sonderbeauftragte Dieter Uhlig informierte seinen FuÈ hrungsoffizier bereits nach der RuÈ ckkehr von seiner dritten Mosam- bikreise am 28. Dezember 1977, daû ihn das MosambikgeschaÈ ft nicht befrie- dige und er eine neue Aufgabe und einen neuen Posten suche. Von der Leitung der mit Afrika betrauten Handelspolitischen Abteilung bei KoKo wurde er nicht entbunden, auch nicht vom Posten des stellvertretenden Leiters der Regierungskommission DDR ±Mosambik. Es kam fuÈ r ihn aber ein weiteres TaÈ tigkeitsfeld hinzu, das kurzfristig groÈ ûere Befriedigung und ei- nigen Erfolg versprach: der Handel mit kriegsfaÈ higen GuÈ tern im ersten Golf- Krieg.

33 Bericht des Schalck-Untersuchungsausschusses. Bundesdrucksache 12/3462, Bd. 455, S. 755ff.

101 Als der Handel mit den befreiten LaÈ ndern im suÈ dlichen Afrika immer wei- ter abflaute, uÈ bernahm Dieter Uhlig ein neues GeschaÈ ftsfeld, den speziellen Handel mit der Islamischen Republik Iran. Im Iran wurde im Jahr 1979 ein islamischer Gottesstaat unter dem Schiiten- fuÈ hrer Ajatollah Ruhollah Kohmeini mit radikaler anti-US-amerikanischer Ausrichtung ausgerufen. Im Sommer des gleichen Jahres wurde Saddam Hus- sein im Irak zum StaatspraÈ sidenten gewaÈ hlt. Im Herbst 1980 begann der Krieg zwischen Irak und Iran. Nach GeschaÈ ftsanbahnungsbemuÈ hungen wur- de im Dezember 1981 die Waffenhandelsfirma IMES GmbH gegruÈ ndet. Mit ihrer Anleitung wurde Dieter Uhlig betraut. Damit wurde ein Groûteil der Energien und AktivitaÈ ten der Handelspolitischen Abteilung des Bereiches Ko- Ko aus dem suÈ dlichen und subsaharischen Afrika in den arabischen Raum umgeleitet. In den folgenden Kapiteln wird vor allem auf die Beziehungen der DDR zu AÈ thiopien und Mosambik bis 1982 eingegangen. Durch die neu geknuÈ pften Kontakte von Werner Lamberz zur aÈ thiopischen Junta unter Mengistu Haile Mariam wurde in den Jahren nach 1977 das Land am Horn von Afrika zu einem der afrikanischen SchwerpunktlaÈ nder der DDR. Die Beziehungen zu AÈ thiopien standen zeitweise in ihrer Bedeutung gleichberechtigt neben den Kontakten zu Mosambik. Kurzzeitig hatten die Beziehungen zu AÈ thiopien so- gar PrioritaÈ t gegenuÈ ber dem suÈ dafrikanischen KuÈ stenstaat.

102 4 Die Beziehungen der DDR zu AÈ thiopien

4.1 Die Beziehungen in den Jahren 1973 bis 1978

4.1.1 Die Phasen des Machtwechsels bis zum Februar 1977

Am 1. Januar 1973 nahm die DDR mit dem Kaiserreich AÈ thiopien diplomati- sche Beziehungen auf. Es war die 68. Anerkennung der DDR als selbstaÈ ndiger Staat. Die Einrichtung der diplomatischen Vertretung erfolgte aber erst nach den Februarunruhen von 1974 und der faktischen Entlassung des Kaisers Haile Selassie, »KoÈ nig der KoÈ nige, der AuserwaÈ hlte Gottes, der erobernde LoÈ we von Judah«, so sein offizieller Titel. Er regierte und herrschte fast 60 Jahre. Er verfuÈ gte lange Zeit uÈ ber groûes Ansehen als afrikanischer FuÈ hrer und holte den Hauptsitz der Organization of African Unity :OAU) nach Addis Abeba. Das feudale Kaiserreich, neben Liberia der einzige Staat Afrikas, der nicht kolonialisiert worden war, steckte zu Beginn der 70er Jahre in einer nicht mehr zu behebenden Krise. Das kaiserliche System erwies sich als extrem ent- wicklungsfeindlich und modernisierungshemmend. AÈ thiopien galt in den 60er Jahren nach dem Tschad als das unterentwickeltste Land des afrikanischen Kontinents. Zwei Prozent der BevoÈ lkerung, meist AngehoÈ rige der kaiserlichen Familie, besaûen drei Viertel des Grundbesitzes. Jeder dritte Bauer verfuÈ gte nicht uÈ ber eigenes Land. Weniger als 20 Prozent des bestellbaren Bodens wurden bear- beitet. Die laÈ ndliche BevoÈ lkerung hatte 1973 lediglich 83 US-Dollar pro Kopf jaÈ hrlich zur VerfuÈ gung. Nur vier von hundert AÈ thiopiern konnten lesen und schreiben. Die SaÈ uglingssterblichkeit lag bei 60 Prozent, und fuÈ r die rund 30 Millionen Einwohner standen nur 75 KrankenhaÈ user, meist einfachster Art, zur VerfuÈ gung. Die Oberklasse lebte im Luxus. Viele dieser Familien betrie- ben landwirtschaftliche Groûfarmen, die vor allem fuÈ r den Export produzier- ten.1 Im Februar 1974 machten sich Verbitterung, Not und das DraÈ ngen nach gerechteren VerhaÈ ltnissen in Massenprotesten und Revolten Luft. Die Lehrer bekamen keinen Lohn mehr, die Taxifahrer konnten wegen Benzinmangels nicht fahren, und in der Armee hungerten die Mannschaften. Streiks und Meutereien einzelner militaÈ rischer Divisionen schufen eine das System er- schuÈ tternde, revolutionaÈ re Stimmung.

1 Als die Hungersnot 1972/73 mit 200 000 Toten ihren HoÈ hepunkt erreicht hatte, vor al- lem in den noÈ rdlichen Regionen Tigray, Wollo und Eritrea, exportierte das Kaiserreich 203900 t Getreide. Vgl. BruÈ ne, Stephan: AÈ thiopien ± Unterentwicklung und radikale MilitaÈ rherrschaft. Zur Ambivalenz einer scheinheiligen Revolution. Hamburg 1986, S. 75 :im folgenden: BruÈ ne: AÈ thiopien).

103 Frauen aus der Provinz Oromo/AÈ thiopien.

Am 12. September 1974 wurde Kaiser Haile Selassie gestuÈ rzt, aus dem Kai- serpalast verwiesen und unter Hausarrest gestellt. Er wurde ein Jahr spaÈ ter in Addis Abeba ermordet. Bis die Machtergreifung und alleinige FuÈ hrerschaft des 1937 geborenen Leutnants Mengistu Haile Mariam im Februar 1977 gesichert war, kam es zu heftigen und gewalttaÈ tigen StroÈ mungskaÈ mpfen, aus denen Mengistu Haile Mariam schlieûlich als Sieger hervorging.2 Zur Einordnung des Engagements der DDR am Horn von Afrika und seiner UmstaÈ nde wird kurz auf die Phasen der aÈ thiopischen Revolution eingegangen. Nachdem die Unruhen im Februar 1974 mit sozialen Protesten begonnen hatten, weil groûe Teile des Volkes und des MilitaÈ rs zu verhungern drohten, erreichten die Forderungen der Straûe auch die kaiserliche Armee. Mit einigen Monaten VerzoÈ gerung bildete sich der urspruÈ nglich als vorlaÈ u- fig angesehene, provisorische DERG. DERG bedeutet auf amharisch »Komi- tee«. Erst hieû es »Koordinierungskomitee der StreitkraÈ fte, Polizei und der Territorialarmeen«, kurze Zeit spaÈ ter »Provisorischer MilitaÈ rischer Verwal-

2 Vgl. ebenda. Vgl. auch: Scholler, Hans: Die Verfassungsentwicklung in AÈ thiopien. In: HaÈ berle, P. :Hrsg.): Jahrbuch des OÈ ffentlichen Rechtes der Gegenwart. TuÈ bingen 1987, S. 679±697 :im folgenden: Scholler: Verfassungsentwicklung).

104 tungsrat« :PMVR)3. Er trat erstmals am 15. Juli 1974 zusammen. Zu ihm ge- hoÈ rten ca. 120 MaÈ nner, die in der Regel von den Mannschaften verschiedener MilitaÈ reinheiten delegiert worden waren. Namentlich waren die Vertreter der »bewaffneten Organe« meist nicht bekannt. Sie arbeiteten erst wegen der Re- pressionen durch das Kaiserreich und dann wegen der selbstverursachten Ge- walt haÈ ufig anonym. Die Delegierten unterschieden sich durch ihre Herkunft und ihre Ziele, doch gemeinsam wollten sie das feudale AÈ thiopien veraÈ ndern oder beseitigen. Der DERG, der von antifeudalen und linksorientierten Mili- taÈ rs meist niederer OffiziersraÈ nge bestimmt wurde, trat eher allmaÈ hlich die Macht an. Es lassen sich drei Phasen der Herausbildung dieser Herrschaft mit ihren jeweiligen RepraÈ sentanten erkennen. Eine »franzoÈ sische«, eine »chinesische« und eine »sowjetische« Phase. Der »franzoÈ sische« Abschnitt reichte vom Fe- bruar 1974 bis zum 23. November des gleichen Jahres. An diesem Tag wurde der ehemalige Stabschef der Armee, erste Vorsitzende des DERG und zwi- schenzeitliche Premierminister, General Aman Michael Andom, neben weite- ren 59 Personen nach einer Revolte im DERG standrechtlich erschossen. An- dom stammte aus Eritrea. Diese »franzoÈ sische« Zeit war von sozial- bzw. sozialistisch-liberalen Orientierungen bestimmt. Man nahm die Begriffe der franzoÈ sischen Revolution »Freiheit, Gleichheit, BruÈ derlichkeit« auf, war anti- feudal und versuchte, die Revolution unter anderem mit Mitteln des Rechts voranzutreiben. Eine neue Verfassung sollte erstellt werden. Zum 6. August gab es bereits einen Entwurf. Das feudale Kaisertum sollte in eine konstitutio- nelle Monarchie umgewandelt werden. Politische Gefangene wurden aus den GefaÈ ngnissen entlassen und die ExilaÈ thiopier zur RuÈ ckkehr aus dem Ausland aufgefordert. Oft waren westlich gepraÈ gte Intellektuelle in den Diskussionen tonange- bend. Am 12. September 1974, zeitgleich mit den VeraÈ nderungen in Portugal, die den Kampf der FRELIMO in Mosambik veraÈ ndern und zum schnellen Sieg fuÈ hren sollten, wurden in AÈ thiopien die Verfassung und das Parlament auûer Kraft gesetzt und der Kaiser festgenommen.4

Nachdem die gemaÈ ûigt monarchistisch-liberalen Vertreter im DERG ausge- schaltet worden waren, wurde Brigadegeneral Tasferi Bante neuer Vorsitzen- der des DERG. Er arbeitete zeitweise als MilitaÈ rattache an der aÈ thiopischen Botschaft in Washington/USA. Durch das AufloÈ sen des kaiserlichen Systems, die aufwuÈ hlenden Ereignisse vor allem in der Hauptstadt Addis Abeba und immer neue ReformvorschlaÈ ge kam es zu einer hohen Mobilisierung und zeitweisen Politisierung der BevoÈ l- kerung. Elemente der chinesischen Kulturrevolution und nationale Momente bestimmten die Ereignisse und vermischten sich miteinander. ExilaÈ thiopier

3 Englische Bezeichnung: »Provisional Military Administrative Council« :PMAC). 4 Am Tag zuvor strahlte das Fernsehen einen Beitrag uÈ ber die Hungergebiete im Norden des Landes aus. RegelmaÈ ûig wurden diese erschuÈ tternden Bilder von Einblendungen ei- nes Banketts beim Kaiser, KoÈ nig von Judah, unterbrochen. Gezeigt wurden Champa- gner trinkende GaÈ ste der kaiserlichen Familie, die aus Europa eingeflogene Torten aûen.

105 reisten ein, zettelten VeraÈ nderungen an und wollten der Revolution dienen. Im Dezember wurde die »Zemecha« ausgerufen, eine landesweite Bewuûtseins- kampagne, in der bis zu 60000 staÈ dtische Studenten und SchuÈ ler aufs Land zo- gen, um den Bauern Lesen und Schreiben beizubringen und den Fortschritt zu verkuÈ nden. Das Programm des »Ethiopian Tikdem« stand unter dem Motto »AÈ thiopien zuerst« oder »AÈ thiopien voran« und wurde von manchen auch mit »AÈ thiopien uÈ ber alles« uÈ bersetzt. Das AbschuÈ tteln des Alten verband sich mit dem Nationalismus der Amharen. Den Bauern wurde im Demokratisierungs- und Modernisierungsprozeû eine wichtige Rolle zugedacht.

Am 22. MaÈ rz 1975 wurde die Republik AÈ thiopien ausgerufen. Das Kaiser- reich war kaputt. Im Zuge der nun folgenden Bodenreform, die wohl die radi- kalste in Afrika war, bekamen die Bauern bis zu 10 ha Land zur Nutzung, durften aber keine Gehilfen dingen. Man wollte auf alle Zeit keine Knechte mehr dulden. Bauernvereinigungen wurden gegruÈ ndet, schon im Mai 1975 soll es 1200 »Farmer Associations« gegeben haben. Vor allem im SuÈ den des gro- ûen Landes wurde die Bodenreform gefeiert, denn hier war die Ausbeutung durch die Grundherren am druÈ ckendsten: bis zu 70 Prozent der ErtraÈ ge muû- ten als Pacht jaÈ hrlich abgegeben werden. Im Norden, wo es andere sozialoÈ konomische Strukturen mit staÈ rkerem Ge- meinschaftseigentum an Boden gab, wurde der Landreform zuruÈ ckhaltender begegnet. Hier gab es auch Widerstand und KaÈ mpfe der LandbevoÈ lkerung so- wie UÈ bergriffe von seiten des DERG.5 Ebenfalls im Jahre 1975 wurde die Verstaatlichung der Banken und von 90 Prozent der verarbeitenden Industriebetriebe durchgefuÈ hrt. Ab dem 27. Juli 1975 galt eine »staÈ dtische Bodenreform«, die Proklamation Nr. 47. Grundbe- sitz und jedes nicht selbst genutzte Haus wurden verstaatlicht. Das Land ge- hoÈ rte dem Volk. Stadtteilkomitees, zeitweise mit weitreichender Autonomie ausgestattet, amharisch KE'BELES genannt, bildeten sich und wurden be- waffnet. Sie sollten spaÈ ter als »verlaÈ ngerter Arm des Roten Terrors« oder auch als »revolutionaÈ r-demokratische Organe« beschrieben werden. Sie ver- teilten Lebensmittel, Wohnraum und organisierten MassenaufmaÈ rsche sowie auch oÈ ffentliche Tribunale zur Selbstbezichtigung und zum Verrat. AufmaÈ r- sche wurden Pflicht. Wer ihr nicht nachkam, muûte teilweise damit rechnen, die Zuckerration gestrichen zu bekommen oder eine Geldstrafe zu zahlen. Zu dieser Zeit spielten marxistische und sozialistisch-radikale StroÈ mungen, wie die AÈ thiopische VolksrevolutionaÈ re Partei :EPRP)6 und die GesamtaÈ thio- pische sozialistische Bewegung :MAI'SONE ) eine wichtige Rolle. Vom DERG-Vorsitzenden, Tasferi Bante, wird berichtet, daû er eine baldi- ge RuÈ ckkehr zu einer Zivilregierung und eine Einheitspartei unter Einschluû aller progressiven StroÈ mungen anstrebte.7

5 »Umherziehende Mitglieder des DERG verordneten an vielen Orten standrechtliche Er- schieûungen.« BruÈ ne: AÈ thiopien, S. 100. 6 EPRP: Ethiopian People's Revolutionary Party. 7 Soin einer Rede am 15.9.1975. Vgl. Scholler:Verfassungsentwicklung, S. 682.

106 Im Sommer 1976 kam es immer haÈ ufiger zu oÈ ffentlichen Wortgefechten und handfesten KaÈ mpfen zwischen den verschiedenen StroÈ mungen. Die EPRP, die ihre soziale Basis vor allem in der studentischen und staÈ dtischen Jugend hatte, wollte eine provisorische Volksregierung und keinen MilitaÈ rrat. Den DERG bezeichnete sie als faschistisch und stalinistisch. Im September rief sie gemeinsam mit den freien Gewerkschaften einen Generalstreik gegen die Politik des DERG aus. Durch die AufloÈ sung der Kaiserregierung, die den Zentralstaat AÈ thiopien lange Zeit zusammengehalten hatte, war ein Vakuum entstanden. In vielen Regionen des Landes verstaÈ rkten bzw. gruÈ ndeten sich ± meist ethnisch be- stimmte ± Befreiungsbewegungen, die ihre Interessen gegen die Zentralregie- rung durchsetzen wollten. So in Westsomalia, Eritrea, Tigray, Oromoland und an der Grenze zum Sudan. Zwischen Tasferi Bante und seinem 1. Stellver- treter, Mengistu Haile Mariam, die verschiedenen StroÈ mungen angehoÈ rten, wuchsen die Spannungen. Im Juni 1976 verkuÈ ndete Mengistu Haile Mariam das »Programm der na- tionaldemokratischen Revolution AÈ thiopiens«. In ihm wurde der »wissen- schaftliche Sozialismus« unter der FuÈ hrung der Arbeiterklasse zur Grundlage der weiteren aÈ thiopischen Entwicklung erklaÈ rt.8 Im Juli verschaÈ rften sich die KaÈ mpfe an der Eritrea-Front. Nach friedlichen Mitteln suchende DERG-Mitglieder wurden ermordet, ebenso auch EPRP- Sympathisanten. Die EPRP ging Ende 1976/77 zum Stadtguerilla-Kampf uÈ ber und in den Untergrund. Von dort aus kaÈ mpfte sie mittels AnschlaÈ gen und EinschuÈ chterung und schreckte dabei auch vor Morden nicht zuruÈ ck. Sie ging vor allem gegen Vertreter der MAI'SONE vor, die zeitweise ein BuÈ ndnis mit dem DERG geschlossen hatten.

Die Sowjetunion, seit 1975 Schutzherr von Somalia und Waffenlieferant fuÈ r das Regime von PraÈ sident Mohammed Said Barre, verlieû nach und nach ihre abwartende Haltung gegenuÈ ber den VorgaÈ ngen in AÈ thiopien. Sie hatte in So- malia wegen eines Seehafens an der ostafrikanischen KuÈ ste fuÈ r ihre Flottenge- schwader im Mittelmeer und im Indischen Ozean erhebliches Engagement ge- zeigt. Bei ihrem Versuch, am Horn von Afrika Fuû zu fassen, wurde nun auch das bedeutendere AÈ thiopien interessant. Mit der StaÈ rkung Mengistu Haile Mariams verringerte sich der chinesische Einfluû, und die antiamerikanische Stimmung verschaÈ rfte sich. Die USA gingen in Wartestellung. Noch in den Jahren 1975 und 1976 lieferten die USA fuÈ r 20 Mio. US-Dollar unentgeltlich Kriegsmaterial, verkauften in beiden Jahren fuÈ r 157 Mio. US-Dollar militaÈ ri- sches GeraÈ t und bildeten ± im Vergleich zu den traditionell guten Verbindun- gen in der Kaiserzeit ± uÈ berdurchschnittlich viele :192) aÈ thiopische MilitaÈ rs aus. Erst im FruÈ hjahr 1977 kuÈ ndigten die USA das Ende der Waffenlieferun- gen an.9

8 BruÈ ne: AÈ thiopien, S. 114. Tasferi Bante soll das Programm aus dem Fernsehen erfahren haben. 9 Vgl. BruÈ ne: AÈ thiopien, S. 129.

107 Der Platz einer »Schutzmacht« am Horn von Afrika war vakant. Zum Jah- reswechsel 1976/77 besetzte die Sowjetunion den Posten ihres Botschafters in Addis Abeba neu. Mit dieser geostrategisch wichtigen Mission wurde Anatoli P. Ratanow betraut. Er war bis zum Dezember 1976 als Oberbefehlshaber der sowjetischen Berater und Truppen in Somalia im Einsatz und hatte dort die somalische Panzertruppe und die Luftwaffe aufgebaut.10 Er kannte sich beim zukuÈ nftigen Gegner exzellent aus. Im Dezember 1976 flog der Auûenminister der DDR, Oskar Fischer, zu GespraÈ chen nach Addis Abeba. Er war der erste Auûenamtschef eines soziali- stischen Landes, der seit dem Ende des Kaiserreiches am Horn von Afrika weilte. Er fuÈ hrte GespraÈ che mit dem Vorsitzenden des DERG, Tasferi Bante, und dessen erstem Stellvertreter, Mengistu Haile Mariam. Die AÈ thiopier brachten groûe Erwartungen an die DDR zum Ausdruck. Ihr Planungsmini- ster uÈ bergab eine umfangreiche Wunschliste mit Projekten, wie dem Bau einer Zementfabrik und eines Betriebes zur Herstellung von Plastikfolien, der Er- kundung von BodenschaÈ tzen und Lieferung von Werkzeugmaschinen. Im An- schluû an die Reise berichtete Oskar Fischer, daû in AÈ thiopien Sorge und Pes- simismus verbreitet seien, Somalia auf die Missionen des guten Willens beim schwelenden Grenzkonflikt mit AÈ thiopien nicht eingehe und sich Bekennt- nisse zum Sozialismus im DERG herausbilden wuÈ rden.11

Am 30. Januar 1977 hielt Tasferi Bante auf dem Revolutionsplatz von Addis Abeba eine programmatische Rede und rief zur Bildung einer revolutionaÈ ren Einheitsfront auf. Ein Ausgleich mit der gegen den DERG kaÈ mpfenden EPRP wurde angedeutet, die Einheit beschworen und die Bildung einer Partei sowie einer gemeinsamen Front angekuÈ ndigt. Mengistu Haile Mariam soll de- monstrativ an diesem Aufmarsch nicht teilgenommen haben. Am 3. Februar kam es dann im staÈ ndigen bzw. zentralen Komitee des DERG zu einer Schieûerei, bei der dessen Vorsitzender, Tasferi Bante, und sechs ihm nahestehende DERG-Mitglieder erschossen wurden. Sieger dieser Auseinandersetzung war der prosowjetische FluÈ gel um Mengistu Haile Ma- riam.12 Am naÈ chsten Tag traf sich Mengistu Haile Mariam mit den Botschaftern der Sowjetunion und Kubas. Sie sagten ihm UnterstuÈ tzung fuÈ r die progressi- ven Mitglieder des DERG zu. Es kann angenommen werden, daû ihnen die PlaÈ ne der »bewaffneten Diskussion« vom 3. Februar bekannt waren.13 Eben- falls am 4. Februar kam es zu Begegnungen mit Vertretern der VR China, von Libyen, SuÈ djemen und Jugoslawien. Die dritte Phase, die »sowjetische«, begann. Sie waÈ hrte bis zum Oktober 1978 bzw. bis ins Jahr 1990/91. Ihr RepraÈ sentant war Mengistu Haile Ma- riam.

10 Vgl. ebenda, S. 202. 11 Bericht des Ministers fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten uÈ ber seine Reise nach Ostafrika vom 9.±21.12.1976. BAZ DY J IV 2/2 A 2035, Bd. II. 12 Vgl. BruÈ ne: AÈ thiopien, S. 117ff. 13 Ebenda.

108 Die MachtuÈ bernahme durch die juÈ ngeren Offiziere mit sowjetisch-zentrali- stischem Kurs schuf die Voraussetzungen fuÈ r das unterstuÈ tzende Eingreifen der sozialistischen LaÈ nder, allen voran die Sowjetunion und Kuba.

Auch die DDR stieû bald unmittelbar in den Kreis der Paten der aÈ thiopischen Revolution vor bzw. bereitete ihr den Weg. Werner Lamberz, der Ende Januar 1977 waÈ hrend einer seiner Afrika-Rei- sen noch in Somalia weilte, landete am 11. Februar ± aus Mosambik kom- mend ± in Addis Abeba und fuÈ hrte GespraÈ che mit Mengistu Haile Mariam. Diese Reise war urspruÈ nglich nicht geplant.14 Werner Lamberz wurde erst in Maputo, waÈ hrend des III. FRELIMO-Kongresses, von seinem aÈ thiopischen Kollegen, dem SekretaÈ r des DERG fuÈ r ideologische Fragen, nach Addis Abe- ba eingeladen. Dieser konnte ihn dort jedoch nicht mehr empfangen. WaÈ h- rend die Delegation von Werner Lamberz noch in Mosambik weilte, putschte Mengistu Haile Mariam. Nach einer RuÈ ckfrage von Werner Lamberz kam aus Berlin die Anweisung, sofort nach Addis Abeba zu fliegen. Auf dem Flug- hafen wurde die Abordnung der SED mit allen Ehren vom neuen Vorsitzen- den des DERG empfangen. Derjenige, der sie urspruÈ nglich eingeladen hatte, war bei dem Putsch erschossen worden. Obwohl Werner Lamberz weder Mengistu Haile Mariam noch das Land vorher kannte und die Situation hoÈ chst aufgeladen war, kamen sich beide Po- litiker schnell nahe. Lamberz spuÈ rte die bedrohliche Lage von Mengistu, der nun dringend VerbuÈ ndete, persoÈ nlichen und politischen Schutz und vor allem Waffen brauchte. Denn sollte er seine Stellung in den naÈ chsten Wochen nicht festigen koÈ nnen, drohte ihm das Schicksal seiner VorgaÈ nger. Von daher war Mengistu Haile Mariam auf die Freundschaft von Werner Lamberz und des- sen Vermittlung bei den MaÈ chtigen im Osten angewiesen. Die Ermordung des DERG-Vorsitzenden Bante und fuÈ nf weiterer Mitglieder aus der FuÈ hrung des MilitaÈ rrates begruÈ ndete er damit, daû sie den revolutionaÈ ren Prozeû aufhalten und in eine andere Richtung bringen wollten. Beispielsweise indem sie Verbin- dung zu imperialistischen Staaten und zu China aufgenommen haÈ tten.15 Diese Ansicht wurde von der DDR-Delegation geteilt, und das verband.16 Im Bericht von Werner Lamberz fuÈ r das PolitbuÈ rowurden die Erwartungen von Mengistu Haile Mariam wie folgt wiedergegeben: »Wir hoffen, daû die sozialistische Welt uns hilft, ehe die Revolution er- wuÈ rgt wird. Die uÈ berwiegende Mehrheit des Volkes unterstuÈ tzt uns. Wir

14 Vgl. GespraÈ ch mit Dr. F. Trappen am 19.5.1999, im Anhang. 15 Vgl. Bericht der Delegation des ZK der SED von ihrer Reise vom 31.1.±14.2.1977 nach Somalia, Mosambik und AÈ thiopien. BAZ DY J IV 2/2 A 2044. 16 Die Ereignisse des 3.2. wurden im Zentralorgan der Regionalwissenschaften der DDR folgendermaûen zusammengefaût: »Es wurde damit klargestellt, daû machtpolitisch eine wichtige Entscheidung zugunsten des konsequent revolutionaÈ r-demokratischen FluÈ gels in der Bewegung der StreitkraÈ fte gefallen war.« Pfaffenberg, Bernd: Zur Ent- wicklung und Rolle der aÈ thiopischen StreitkraÈ fte sowie ihrer revolutionaÈ r-demokrati- schen Vertreter im Verlauf der Revolution. In: aala 5/1982, S. 886.

109 11. Februar 1977: Werner Lamberz !Mitte) besucht eine »Politische Schule« in Addis Abeba, die seit ihrer GruÈndung 1976 bereits 2 550 »revolutionaÈre Kader« ausgebildet hat.

wollen die Arbeiter und Bauern bewaffnen. Das zeigt, wer wir sind. :...) Wir sind uÈ berzeugt, daû die DDR uns weiterhin in unserem gerechten Kampf unterstuÈ tzt, darunter auch mit Waffen.«17

Werner Lamberz stand als ranghoÈ chster auslaÈ ndischer Politiker in Addis Abe- ba unmittelbar dabei, als Mengistu Haile Mariam am 11. Februar die drei wichtigsten AÈ mter des Staates uÈ bernahm. Er wurde Staatsoberhaupt, Mini- sterpraÈ sident und Oberkommandierender der StreitkraÈ fte: eine MachtfuÈ lle, wie sie nicht mal der Kaiser gehabt hatte. Der von vielen geachtete, weltgewandte Werner Lamberz muû auf dem Hochplateau des Horns von Afrika, unweit des zentralafrikanischen Grabens, in der besonderen geopolitischen Situation eine einmalige Gelegenheit fuÈ r die kommunistische Bewegung und die kleine DDR gesehen haben. Und natuÈ r- lich auch seine eigene Chance, die er als SED- und DDR-Politiker wahrneh- men wollte. SolidaritaÈ t der direkten Art war gefragt, und es galt, einen Fuû in die sich oÈ ffnende TuÈ r zu stellen. Vielleicht hat er an moÈ gliche russische Mili- taÈ rhaÈ fen gedacht. Vielleicht hat ihn die Vorstellung eines Exempels bewegt, mit »wissenschaftlich-sozialistischem« RuÈ stzeug und zentralistisch-militaÈ ri- scher Macht die sozialen Katastrophen aus der feudalen Kaiserzeit fuÈ r die Be-

17 Ebenda.

110 voÈ lkerung AÈ thiopiens mit beseitigen zu koÈ nnen. Vielleicht war er einfach nur eitel oder die DDR mit ihren alten Herren ihm einfach zu klein ± ein Abenteu- er lockte. Warum auch immer, am Horn von Afrika sah Werner Lamberz seine Be- waÈ hrungsprobe. Ein Aufenthalt von kaum 48 Stunden reichte ihm, um die DDR besonders eng an das Mengistu-Regime zu binden. Werner Lamberz bestimmte im kommenden Jahr viele Tagesordnungs- punkte der Beratungen der SED-FuÈ hrung und steckte einige der Spitzenge- nossen mit seiner Begeisterung an. In der DDR angekommen, setzte er unverzuÈ glich erhebliche militaÈ rische UnterstuÈ tzung in Bewegung. Als erstes schickte er aber einen persoÈ nlichen Bo- ten in die Karibik, zu Fidel Castro. Er lieû dem kubanischen Staatschef tau- frisch von den GespraÈ chen mit Mengistu, den Chancen der Revolution und ihren GefaÈ hrdungen berichten. Ein Teilnehmer an den GespraÈ chen zwischen Mengistu Haile Mariam und Werner Lamberz und anschlieûender Berichter- statter bei Fidel Castroerinnerte sich an die Ereignisse dieser Mission: »Man kann wirklich sagen, daû Werner Lamberz in bedeutendem Maûe dazu beigetragen hat oder den Anstoû gegeben hat, daû die Kubaner sich intensiv mit AÈ thiopien beschaÈ ftigten.«18 Die Kubaner begannen in dieser Zeit gerade, ihre Waffen in Angola einzupak- ken und nach Hause zu ziehen.19 Unter anderem auf Bitten von Werner Lamberz reiste Fidel CastroEnde MaÈ rz nach Afrika, um sich ein Bild zu ver- schaffen. AÈ thiopien sollte der naÈ chste Einsatzort seiner KaÈ mpfer werden. Kubas maximolider, Fidel Castro,teilte Werner Lamberz' Einscha È tzung der politischen Lage. Auf einem Zwischenstopp in Ostberlin, waÈ hrend einer Reise von Addis Abeba nach Moskau, sagte Fidel Castro am 3. April 1977 zu Erich Honecker: »Mengistu macht den Eindruck eines ruhigen, ernsthaften, uÈ berzeugten po- litischen FuÈ hrers, der sich der Kraft der Massen bewuût ist. Er ist eine intel- lektuelle PersoÈ nlichkeit, der seine Klugheit auch am 3. Februar bewiesen hat. Die Rechten wollten am 3. Februar die linken FluÈ gel beseitigen. Den Auftakt bildete eine Rede des aÈ thiopischen PraÈ sidenten, die von Nationalis- mus strotzte. Mengistu kam dem Anschlag zuvor: Er verlegte die Sitzung des Revolutionsrates um eine Stunde vor, lieû die rechten FuÈ hrer verhaften und erschieûen.«20 Der kubanische Partei- und Staatschef berichtete im Anschluû auch uÈ ber An- gola und Somalia. Erich Honecker antwortete auf die AusfuÈ hrungen Fidel Castros: »Es ist jetzt notwendig, daû in Moskau entschieden wird, was wir in wel- chem Ausmaû wotun. BestaÈ rkt durch die AusfuÈ hrungen des Genossen Fi- del Castro, vertreten wir die Meinung, daû jetzt, nachdem die revolutionaÈ re Entwicklung in Angola dank der UnterstuÈ tzung Kubas gesichert ist, es not-

18 Vgl. GespraÈ ch mit Dr. F. Trappen am 19.6.1999, im Anhang. 19 Kuba soll 1976/77 bis zu 36 000 Soldaten in Angola zum Einsatz gebracht haben. 20 Staadt, Jochen: Auf hoÈ chster Stufe ± GespraÈ che mit Erich Honecker. Berlin 1995, S. 64.

111 wendig ist, insbesondere zur Stabilisierung der Revolution in AÈ thiopien ei- nen konkreten Beitrag zu leisten und den Sieg dieser Revolution zu sichern. :...) Inzwischen sind bereits vier Flugzeuge mit Waffen der DDR in AÈ thio- pien eingetroffen, eine Schiffsladung ist gegenwaÈ rtig in Vorbereitung. :...) Ein Vertreter des MfS hat kuÈ rzlich mit Mengistu die weitere UnterstuÈ tzung seitens der DDR vereinbart. In Abstimmung mit der KPdSU werden wir entsprechend diesen Vereinbarungen Kriegsmaterial und MilitaÈ rkader zur VerfuÈ gung stellen. Diese UnterstuÈ tzung bezieht sich sowohl auf den Bereich des Ministeriums fuÈ r Verteidigung, des Ministeriums des Innern wie auch auf die oÈ konomischen und kulturellen Bereiche in AÈ thiopien.«21 Bereits am 12. Februar 1977 hatte Werner Lamberz nach seiner RuÈ ckkehr aus Addis Abeba den Startschuû fuÈ r das Engagement der DDR gegeben: »In der Tat, die aÈ thiopische Revolution braucht und verdient unsere volle SolidaritaÈ t und UnterstuÈ tzung.«22 Noch vor den umfangreichen Waffenlieferungen der Sowjetunion im Herbst 1977 und dem Verlegen der kubanischen KampfverbaÈ nde an die Oga- den-Front im aÈ thiopisch-somalischen Krieg lieferte die DDR Waffen fuÈ r die Niederwerfung der inlaÈ ndischen linken Opposition und die KaÈ mpfe gegen die sich im Vormarsch befindende eritreische Volksbefreiungsfront.

Mit der faktischen Alleinherrschaft von Mengistu Haile Mariam im DERG sowie dem eher als Geheimpartei bzw. Geheimbund agierenden politischen FluÈ gel Abitawit Seded :die »revolutionaÈ re Flamme oder Glut«) verstaÈ rkte sich die offene Gewalt gegen linke KraÈ fte auûerhalb der DERG-EinfluûsphaÈ re zu- nehmend.23 Erst richteten sich die Repressalien vor allem gegen die EPRP und wurden auch von der MAI'SONE aktiv mit unterstuÈ tzt. Ab Sommer 1977 gingen die zum Teil vagabundierenden Sicherheitskommandos dann auch gegen den ehemaligen BuÈ ndnisgenossen MAI'SONE vor. Anlaû oder Vorwand war ein gescheiterter Putschversuch gegen Mengistu Haile Mariam, dessen Urheber nicht ermittelt wurde. Zu dem sich abzeichnenden Angriff durch Somalia ± das uÈ ber mehrere Jahre von der Sowjetunion hochgeruÈ stet wurde und diese Waffen nun gegen deren neuen VerbuÈ ndeten richtete ± ka- men noch die Unruhen in den ethnisch bestimmten Regionen an den Periphe- rien des Zentralstaates sowie die KaÈ mpfe im Zentrum hinzu. Die Gewalt und die staatlichen UÈ bergriffe des im November 1977 vom DERG unter Vorsitz von Mengistu Haile Mariam initiierten »Roten Terrors« wurden mit der Ver- teidigung der Revolution gegen die KonterrevolutionaÈ re begruÈ ndet. Ein klas- sisches Muster. »Innerhalb weniger Monate ± der Rote Terror :Kai Shibar) endete offiziell im Mai 1978 ± wurden Tausende, zumeist junge AÈ thiopier, als ­Anarchi- sten¬ und ­KonterrevolutionaÈ re¬ extralegal gefangengenommen, gefoltert und ermordet. VoruÈ bergehend wurden sogar die Leichname der Erschosse-

21 Ebenda, S. 67. 22 Neues Deutschland vom 12.2.1977. 23 Vgl. BruÈ ne: AÈ thiopien, S. 117ff.

112 nen auf den Straûen ausgestellt und mit Plakataufschriften wie ­das war ein KonterrevolutionaÈ r¬, ­wir sind es leid, sie zu beerdigen¬ und ­der Rote Ter- ror wird bluÈ hen¬ versehen. Eltern, die ihre ermordeten Kinder beerdigen wollten, muûten dafuÈ r mitunter bezahlen: Der ­Preis¬ des Leichnams richte- te sich nach der Zahl der Kugeln, die in ihm steckten. :...) Opfer der staat- lichen WillkuÈ r waren fast ausschlieûlich junge AÈ thiopier zwischen 12 und 35 Jahren, die sich ± wenn sie uÈ berhaupt politisch waren ± als ­Linke¬ ver- standen und nicht fuÈ r die Beibehaltung feudaler oder kapitalistischer Aus- beutung eintraten, sondern begrenzte demokratische Rechte forderten. Auch die sinnlosen und von der EPRP zu verantwortenden politischen Morde koÈ nnen nicht als Rechtfertigung fuÈ r das Ausmaû der ± von hohen DERG-Mitgliedern gedeckten ± staatlichen Verbrechen gelten. Die Zahl der von der EPRP ermordeten Personen :Ende 1977 ca. 200) steht in kei- nem VerhaÈ ltnis zu den Opfern des Roten Terrors.«24 Eine Schrift aus dem Institut des ZK der SED fuÈ r Gesellschaftswissenschaften beschreibt die Zeit vom FruÈ hjahr 1977 bis zum FruÈ hjahr 1978 mit folgenden Worten: »Nach einer kurzen defensiven Phase ging die Revolution erneut zur Offen- sive uÈ ber. Der PMVR [der DERG, d. Verf.] begann im MaÈ rz mit der Be- waffnung von Arbeitern in den Betrieben und von Mitgliedern der Ke'bele :untere Wohnbezirksorganisationen der Stadtbewohnervereinigungen). In zwei groûen Kampagnen :Ende MaÈ rz und Anfang Mai) gingen die Sicher- heitsorgane gemeinsam mit den bewaffneten WerktaÈ tigen daran, die Terro- ristengruppen zu liquidieren. In diesen KaÈ mpfen brachten die Arbeiter groûe Opfer. Mengistu Haile Mariam wuÈ rdigte dies auf dem 2. Gewerk- schaftskongreû: ­Indem wir in den Wohngebieten und Produktionszentren mit den revolutionaÈ ren Selbstschutzabteilungen den weiûen Terror der Re- aktionaÈ re mit revolutionaÈ rem roten Terror zerschlugen, hat die Arbeiter- klasse einen unvergeûlichen Kampf gegen die inneren Feinde und die fuÈ nfte Kolonne zur Sicherung der Revolution gefuÈ hrt.¬ Bis zum FruÈ hjahr 1978 wurden die Terroristen weitgehend zuruÈ ckgedraÈ ngt.«25 Die SchaÈ tzungen uÈ ber die »zuruÈ ckgedraÈ ngten« Opfer in den Jahren 1975 bis 1978 schwanken. Niedrige Angaben gehen von 30000 Gefangenen und etwa 5000 ermordeten AÈ thiopiern und AÈ thiopierinnen aus. Amnesty International bezifferte Anfang Dezember 1977 die Zahl der Toten auf 10000.26 Im Sommer 1978 galt die aÈ thiopische Revolution durch die »sowjetische Phase« mit ihrer weitgehenden Zerschlagung der Opposition als »stabilisiert«. Der Zentralregierung blieben aber die BefreiungskaÈ mpfe mit den nichtamha- rischen VoÈ lkern an den RaÈ ndern des Groûreiches eine staÈ ndige Herausforde- rung, der sie nur dumpfe Gewalt und die zeitweise BekaÈ mpfung ganzer VoÈ lker entgegenzusetzen hatte. Die staÈ ndige ZerstoÈ rung von Ressourcen durch die

24 Ebenda, S. 121. 25 Dummer, Egon: AÈ thiopien im Aufbruch. Berlin 1984, S. 64. Der 2. Gewerkschaftskon- greû fand am 29.6.1982 statt. 26 Vgl. BruÈ ne: AÈ thiopien, S. 120.

113 Kriege fuÈ hrte dazu, daû immer haÈ ufiger groûe HungersnoÈ te in AÈ thiopien aus- brachen. Das zentralistische Sowjetsystem hatte in Mengistu Haile Mariam einen Zauberlehrling gefunden, der sich auf Traditionen einer amharischen »Herren- kultur« stuÈ tzen und besser mit dem noch verbliebenen kaiserlichen BuÈ rokra- tenapparat umgehen konnte als manche auf labile Volksbewegungen bauende linke Gruppierung. Manch orthodoxe Traditionen der AÈ thiopisch-Koptischen Kirche erinnerten auch an russische und zaristische VerhaÈ ltnisse. SobotMen- gistu Haile Mariam der Sowjetunion fuÈ r ihre Politik der TruppenstuÈ tzpunkte gute Voraussetzungen und fuÈ r die DDR-FuÈ hrung eine Herausforderung. Der einzig nennenswerte Bodenschatz AÈ thiopiens, der Zentralmacht am Horn von Afrika, war seine geostrategische Lage. Bei deren Nutzung schei- terte die Sowjetunion. Sie bekam von AÈ thiopien keine Konzession zur Errich- tung eines umfassenden FlottenstuÈ tzpunktes, um die wichtige Seestraûe am Roten Meer und zum Suezkanal, wie fuÈ r eine Groûmacht angemessen, mit kontrollieren zu koÈ nnen. Die aÈ thiopische FuÈ hrung verstand es durchaus, ihre EigenstaÈ ndigkeit zu behalten und weiterhin UnterstuÈ tzung zu akquirieren. Die DDR, die keine StuÈ tzpunkte benoÈ tigte, hatte anderweitige Interessen. FuÈ r sie war der Start in dieses BuÈ ndnis eher persoÈ nlicherer und »subjektive- rer« Art, was sie nicht daran hinderte, es bald fuÈ r die LoÈ sung ihrer eigenen objektiven Probleme zu nutzen. FuÈ r die DDR war der Rohstoff Kaffee wich- tig.

4.1.2 Die Kaffeeabkommen und die Exportoffensive oder: »Stark wuÈ rzig, fruchtig und teilweise unrein« Die Sondierungsreisen von Oskar Fischer und Werner Lamberz nach Ostafri- ka hatten vor allem politische Aspekte. Die MoÈ glichkeiten der UnterstuÈ tzung durch die SED und die DDR sollten erkundet und bekundet sowie die Politik der FuÈ hrung des zweiten deutschen Staates den neuen afrikanischen Machteli- ten vermittelt werden. Deutlich sah man in Ostberlin die Unsicherheit und Defensive der westdeutschen Afrikapolitik und spuÈ rte ein Vakuum. Diesen Freiraum wollte man nutzen. Zudem war Bonn mit den innenpolitischen Her- ausforderungen des »Deutschen Herbst« und der Roten Armee Fraktion :RAF) beschaÈ ftigt. Nach der RuÈ ckkehr von Werner Lamberz Mitte Februar 1977 traf die SED-FuÈ hrung aÈ uûerst kurzfristige Entscheidungen. Es muûten die Revolu- tion und Mengistu Haile Mariam verteidigt werden, mit welchen Mitteln auch immer. UÈ ber die Herkunft der aÈ thiopischen Konflikte und die »fuÈ hrende Rol- le« von Mengistu Haile Mariam darin forschte keiner. Die Konstellation war eindeutig. Es gab Gegner und Fronten, Feinde und VerbuÈ ndete. Es gab die Chance, ein neues Land zu gewinnen oder dessen Existenz aufs Spiel zu set- zen.

114 Schon im MaÈ rz flogen die ersten vier Transportmaschinen mit Waffen von Berlin-SchoÈ nefeld nach Addis Abeba. Im SelbstverstaÈ ndnis der SED war das konkrete SolidaritaÈ t, »Soforthilfe« und »Hilfe zur Selbsthilfe« in einem. Ebenfalls ab MaÈ rz drangen die sich rasant naÈ hernden Zahlungsbilanz- schwierigkeiten der DDR massiv ins Bewuûtsein der Mitglieder des PolitbuÈ - ros. Die vom PolitbuÈ roim November 1976 eingesetzte Arbeitsgruppe »Zah- lungsbilanz« erbrachte nicht die erhofften kurzfristigen Entlastungen. »Soforthilfe« fuÈ r das eigene Lager stand ploÈ tzlich auf allen Tages- und Nacht- ordnungen. Zum gegenseitigen Vorteil sollten OÈ konomie und Politik, DDR und AÈ thio- pien miteinander verwoben werden.

Am 28. MaÈ rz 1977 wurde der Botschafter der DDR in AÈ thiopien beauftragt, dem Verteidigungsminister und dem Handelsminister »den Vorschlag zu un- terbreiten, Gegenseitigkeitslieferungen auf langfristiger Basis zu vereinbaren. :Kaffeeimport der DDR gegen DDR-Lieferungen von ausgewaÈ hlter MilitaÈ r- technik und Erzeugnissen des Maschinen-, Fahrzeugbaus und der Elektro- technik)«.27 Einen Monat spaÈ ter berichtete der Botschafter uÈ ber die prinzi- pielle Bereitschaft der aÈ thiopischen Seite zu diesen KopplungsgeschaÈ ften. WaÈ hrend in Addis Abeba uÈ ber das fuÈ rAÈ thiopien problematische Tausch- geschaÈ ft, Ware gegen Ware, noch beratschlagt wurde, verfaûte Alexander Schalck fuÈ r seinen Chef GuÈ nter Mittag eine »Konzeption zur Durchsetzung der Einsparungen von Valutamitteln beim Import von Rohkaffee«.28 Die La- ge war ernst. Die RealitaÈ ten des Weltmarktes trafen auf die Visionen der kom- munistischen Weltpolitik. Was war geschehen? 1973 wurde durch einen Jahrhundertfrost in Brasilien der groÈ ûte Teil der Kaffeeanpflanzungen vernichtet. Der vom brasilianischen Kaffee damals do- minierte Weltrohkaffeemarkt reagierte auf diese natuÈ rliche Verknappung mit bis zum Teil 400 Prozent Preissteigerungen. Muûte die DDR zwischen 1972 und 1975 jaÈ hrlich durchschnittlich 150 Mio. VM fuÈ r den Import von Rohkaf- fee ausgeben, schnellten diese Aufwendungen 1977 fuÈ r die benoÈ tigten 53 307 t ploÈ tzlich auf 667 Mio. VM hoch. Diese Mehraufwendungen waren nicht ein- geplant. Zudem galt Kaffee in der DDR als Genuûmittel bzw. Luxusgut, das heiût, die wertvollen Devisen muûten schlichtweg nur fuÈ r den individuellen Verbrauch ausgegeben werden. Im Zusammenhang mit den Plandefiziten bei Westexporten und der sich abzeichnenden Schuldenfalle der DDR waren diese zusaÈ tzlichen 500 Mio. VM schmerzlich. Sie wurden von Alexander Schalck-Golodkowski als wichtige EinsparungsgroÈ ûe angesehen. Er schlug GuÈ nter Mittag fuÈ r die Beratungen im PolitbuÈ rodrastische Maûnahmen vor:

27 Information zum Stand uÈ ber einen Vorschlag zur DurchfuÈ hrung eines Gegenseitig- keitsgeschaÈ ftes mit AÈ thiopien, 12.5.1977, unterzeichnet: Clausnitzer. BAZ DFY 30/ 22187, BuÈ roGuÈ nter Mittag. 28 Erstellt am 18.4.1977. BAZ DY 30 26 574/2, BuÈ roMittag. Zur Kaffeekrise vgl. auch: Wolle, Stefan: Die heile Welt der Diktatur. Berlin 1998, S. 199±201, und Staadt, Jo- chen: Eingaben ± die institutionalisierte Meckerkultur in der DDR. Arbeitspapier des Forschungsverbundes SED-Staat, FU Berlin, 24/1996.

115 ± »Alle bisher in der DDR produzierten und angebotenen Sorten RoÈ stkaf- fe werden ab 1.7.1977 nicht mehr produziert. ± Es werden nur noch die Sorte ­Rondo¬ zum Preis von 120 Mark :der DDR)29 und ein Mischkaffee aus ­50 Prozent RoÈ stkaffe und 50 Prozent Surrogaten¬ :ROGGEN) hergestellt und angeboten. ± In Betrieben, Verwaltungen und Institutionen usw. und fuÈ r RepraÈ senta- tionszwecke ist der Kaffe generell zu untersagen. ± Durch die Preissteigerung um ca. 100 Prozent ist mit einen RuÈ ckgang des Kaffeeverbrauches um 25±30 Prozent zu rechnen. ± Die Kaffeeversorgung der DDR-BevoÈ lkerung wird verstaÈ rkt uÈ ber andere Quellen, z. B. durch grenzuÈ berschreitenden PaÈ ckchen- und Paketverkehr sowie den Abkauf im Intershop erfolgen.«30 Diese VorschlaÈ ge sollten auf der PolitbuÈ rositzung am 28. Juni beraten wer- den. Zuvor unternahm Werner Lamberz eine »atemberaubende Flugreise« nach Afrika. Er soll den Vorschlag zu dieser »Kaffee-Fahrt« Erich Honecker per- soÈ nlich unterbreitet und dabei sinngemaÈ û gesagt haben: »Ich flieg da mal run- ter und versuche was zu machen. Ich kenne die ja alle.«31 Bei dieser kurzfristig anberaumten Flugreise, die durchaus gefaÈ hrlich war, da in einigen FaÈ llen keine UÈ berfluggenehmigungen erteilt bzw. eingeholt werden konnten, wurden zwischen dem 11. und 25. Juni die LaÈ nder SuÈ djemen, Angola, Kongo, Nigeria und AÈ thiopien besucht. PuÈ nktlich zur PolitbuÈ rositzung lag der Reisebericht auf dem Tisch der DDR-FuÈ hrung.32 Da die Reise als aÈ uûerst erfolgreich beschrieben wurde, beschloû man, alle Teilnehmer mit einer GeldpraÈ mie und staatlichen Auszeichnungen zu ehren. Das wesentlichste Ergebnis der Reise war das Handelsprotokoll mit AÈ thio- pien vom 15. Juni, in dem erklaÈ rt wird, daû die Auûenhandelsbeziehungen schnell und dynamisch entwickelt werden sollen und AÈ thiopien 1977 bis 1982 je 5000 t Kaffee liefern wird. In der Vereinbarung wurden zusaÈ tzlich 5000 t Kaffee gegen Waffen- und Warenlieferungen aus der DDR festgelegt.33 Diese Lieferungen bedeuteten allein fuÈ r 1977 bei den historisch hoch ste- henden Kaffeepreisen gegenuÈ ber dem freien Markt eine Deviseneinsparung fuÈ r die DDR von weit uÈ ber 100 Mio. VM. Bei der Lieferung von allgemeinen Maschinenbauprodukten und AusruÈ stungslieferungen gelang es generell nicht, die sofortige Bezahlung mit Rohkaffe zu erreichen, meldete der Bericht.

29 Bei dieser Preisgestaltung ist das damalige Lohn- und GehaltsgefuÈ ge in der DDR zu beachten. 30 BAZ DY 30 26 574/2. 31 Soein Teilnehmer dieser Reise im GespraÈ ch mit dem Verf. am 14.12.1998. 32 BAZ DY J IV 2/2 A 2087. 33 Vereinbarung und Protokoll vom 15.6.1977. BAZ DY 3041831, Bd. 2. Vgl. auch: BAZ DY J IV 2/2 A 2087. Dort heiût es zu AÈ thiopien: »Die abgeschlossenen kommerziellen VertraÈ ge fuÈ r die sofortige Lieferung von 550 LKW und fuÈ r AusruÈ stungen des speziellen Auûenhandels im Wert von 53 Mio. Valutamark sichern fuÈ r 1977 die Bezahlung von ca. 4000 t Rohkaffee.«

116 Die waÈ hrend der Reise unterzeichnete Vereinbarung zwischen der SED und dem DERG fuÈ r die Jahre 1977 bis 1979 enthaÈ lt neben dem Austausch gegen- seitig interessierender Informationen nur wenige konkrete Punkte. So sollen fuÈ nf StudienplaÈ tze an Parteischulen der DDR bereitgestellt und zwei bis drei Grundwerke von Marx und Engels in Amharisch gedruckt und geliefert wer- den. Im gleichen Bericht heiût es zu Angola, daû es moÈ glich sei, die gesamte Kaf- feelinie zu erobern. 200 Experten aus der DDR sollten im Rahmen der FDJ- Brigaden der Freundschaft entsandt werden: Kaffee-Experten, RoÈ stmeister, LKW-Fahrer, Reparaturschlosser, Bauingenieure, OÈ konomen und Versor- gungspersonal ± es wurde an alles gedacht. An Stelle des staatlichen angolani- schen Monopolbetriebes wurde ein Kaffeebetrieb der DDR geplant, ver- gleichbar dem Engagement in den mosambikanischen Kohlegruben von Moatize. Da andere Staaten des Ostblockes, wie Bulgarien, Kuba, die CÏ SSR und Jugoslawien, ebenfalls versuchten, ihre EngpaÈ sse auf aÈ hnliche Weise zu meistern, deren Forderung nach Nichtdevisenbezahlung jedoch abgelehnt wurde, muûten die Abmachungen mit Angola streng geheim bleiben. Neben dem Verhandlungsgeschick von Werner Lamberz wird dabei eine Rolle ge- spielt haben, daû die DDR aus den Spendenmitteln, die im SolidaritaÈ tskomi- tee verwaltet wurden, 1976 fuÈ ruÈ ber 100 Mio. Mark der DDR vor allem mili- taÈ risches Material geliefert hatte.

Auf der schon erwaÈ hnten Sitzung des PolitbuÈ ros am 28. Juni wurde uÈ ber wei- tere wichtige Versorgungsfragen beraten, zum Beispiel uÈ ber die NSW-Zah- lungsbilanz, uÈ ber die Versorgungslage bei Dingen des taÈ glichen Bedarfs, von denen 207 unter Parteikontrolle standen, sowie uÈ ber Produkte, die als Man- gelware galten, wie Jugendmode, Freizeit- und Exquisitkleidung. Auûerdem beschloû das PolitbuÈ rodie DurchfuÈ hrung von zahlungsbilanz- wirksamen Maûnahmen gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern. Sofort, d. h. im noch verbleibenden halben Jahr 1977, sollten 218 Mio. VM mehr als 1976 er- wirtschaftet werden. FuÈ r 1978 waren zusaÈ tzliche 552 Mio. VM zum Ergebnis von 1977 geplant. Absolute Zahlen wurden nicht mitgeteilt. Damit war die Exportoffensive gegenuÈ ber den EntwicklungslaÈ ndern in unmittelbarer AbhaÈ n- gigkeit zur »Kaffeekrise« in der DDR eroÈ ffnet. »UrploÈ tzlich«, soder Sonder- beauftragte der Partei- und StaatsfuÈ hrung der DDR fuÈ rAÈ thiopien, sei er An- fang Juli 1977 mit einer neuen TaÈ tigkeit, dem Handel mit AÈ thiopien, durch Alexander Schalck betraut worden.34 Es handelte sich um einen bewaÈ hrten Kollegen aus dem Bereich Kommerzielle Koordinierung. Der Sonderbeauf- tragte fuÈ r Mosambik wurde vier Wochen spaÈ ter, ebensouÈ berrascht, in sein neues Arbeitsgebiet eingewiesen. Auf der gleichen Sitzung sollte auch uÈ ber den Deviseneinsparungsplan bei Rohkaffee von Alexander Schalck abschlieûend beraten werden. Es gab unge- woÈ hnlich heftige Diskussionen. Erich Honecker wurde die Sache zu heiû. Im Vorfeld der Sitzung hatte PolitbuÈ romitglied Albert Norden ihm schriftlich

34 Im GespraÈ ch mit dem Verf. am 14.12.1998.

117 mitgeteilt: »Ich befuÈ rchte, die DurchfuÈ hrung der ... Maûnahmen wird auf kein VerstaÈ ndnis stoûen, groûe Unzufriedenheit ausloÈ sen.«35 Die Kaffeekrise brachte erhebliche Unruhe in den Apparat. Man befuÈ rch- tete einen zweiten 17. Juni. Nach intensiver Beratung schrieben Werner Lamberz und GuÈ nter Mittag den bekannten Brief vom 6. Juli an Erich Honecker. Aus den diesem Brief bei- gelegten »EntscheidungsvorschlaÈ gen fuÈ r die Sicherung der getroffenen Verein- barungen AÈ thiopien ±DDR«36 geht hervor, daû die zugesagten LKW W 50- Lieferungen als semimilitaÈ risches GeraÈ t und Stahlhelme sowie Munition nicht vollstaÈ ndig ausgeliefert werden konnten. Es wird eine Delegation mit einer Botschaft von Mengistu an Erich Honecker angezeigt, in der er um weitere »Lieferungen gegen Bezahlung und ohne Bezahlung« bittet. Die aÈ thiopische Zentralregierung, die sich an verschiedenen Fronten im Kriegszustand be- fand, benoÈ tigte Waffen uÈ ber Waffen. Der Ogaden-Krieg zwischen dem sozia- listischen Somalia und dem sozialistischen AÈ thiopien verschaÈ rfte sich im Som- mer 1977 dramatisch. Am 23. Juli marschierte die somalische Armee in AÈ thiopien ein und begann ihre Offensive.37

Die Vollmacht zur Abstimmung und zu Verhandlungen erhielt Alexander Schalck-Golodkowski. Er wurde ermaÈ chtigt, zur Sicherung der Kaffeeimporte bis zur HoÈ he von 10 000 t Kaffee bzw. 130±140 Mio. VM entsprechende Ex- portprodukte in Abstimmung mit den beteiligten Ministerien bereitzustellen. Die Delegation mit der Botschaft von Mengistu Haile Mariam kam. Vom 12. bis 16. Juli weilten der DERG-SekretaÈ rfuÈ rOÈ konomie und der aÈ thiopische Minister fuÈ r Handel und Versorgung in der DDR.38 Ihre Bot- schaft war klar. Sie baten um weiteres militaÈ risches GeraÈ t und Lebensmittel fuÈ r die Regimenter: »Im Vordergrund der Verhandlungen steht das unmittelbare Anliegen, eine schnelle und wirksame materielle Versorgung der Volksmilizen zu sichern. Davon ist die AÈ nderung der militaÈ rischen und politischen Situation im Land und eine Konsolidierung der revolutionaÈ ren Macht zu erwarten.«39 Die aÈ thiopische Delegation berichtete, daû AÈ thiopien beabsichtige, den Au- ûenhandel auf die sozialistischen LaÈ nder umzustellen. Die DDR-FuÈ hrung unterbreitete noch fuÈ r das Jahr 1977 Exportangebote in HoÈ he von 257 Mio. VM bzw. von 161 Mio. VM fuÈ r das Jahr 1978. Keine leichte Aufgabe fuÈ r eine nach FuÈ nfjahresplaÈ nen geregelte Wirtschaft. Letztlich konnten nichtmilitaÈ rische GuÈ ter nur im Wert von 1,675 Mio. VM und militaÈ - rische GuÈ ter im Wert von immerhin 131,337 Mio. VM vereinbart werden. Der

35 Vgl. Wolle: Die heile Welt, S. 200. 36 EntscheidungsvorschlaÈ ge fuÈ r die Sicherung der getroffenen Vereinbarungen AÈ thiopien ± DDR, 6.7.1977, Anlage zum Brief von G. Mittag und W. Lamberz an E. Honecker vom gleichen Tag. BAZ DY 30/22 187, BuÈ roG. Mittag. 37 Vgl. ebenda. 38 Bericht uÈ ber den Besuch der Delegation des PMVR vom 12.±16.7.1977. Sitzung des PolitbuÈ ros am 26.7.1977. BAZ DY 30 J IV 2/2 A 2092 39 Ebenda.

118 Ogaden-Krieg ruÈ ckte immer naÈ her. AÈ thiopien hatte kein Interesse oder kein Geld fuÈ r zivile GuÈ ter. Festzuhalten ist: Die SED-FuÈ hrung wollte nicht unbe- dingt Waffen und militaÈ risches GeraÈ t verkaufen. Lieber waÈ re ihr ein stabiler ziviler Handel gewesen. Aber diese Produkte konnten, wie im Westhandel auch, nur bedingt abgesetzt werden. Bei den als militaÈ rische GuÈ ter deklarierten Waren handelte es sich neben leichten Waffen vor allem um Dauerbrot. Die enormen Positionen von Waf- fen unterschiedlichster Art waren in der von den AÈ thiopiern gewuÈ nschten An- zahl in den Arsenalen der Staatsreserve kaum noch vorraÈ tig. Der auûerplan- maÈ ûige Verkauf von BestaÈ nden der Staatsreserve A und B war Alexander Schalck-Golodkowski uÈ bertragen worden. Per Beschluû wurde das GeschaÈ ft auf 10 000 t Dauer- oder Komiûbrot fuÈ r AÈ thiopien erhoÈ ht. Die Vorlage schlug lediglich 5000 t vor. Zur Warnung ent- hielt die Beschluûvorlage den Hinweis, daû die JahreskapazitaÈ t der DDR fuÈ r dieses doppeltgebackene Brot nur 450 t betrug. Doch der Beschuû galt. Das Brot sollte auch im westlichen Ausland gebacken werden. Im Protokoll wurde festgehalten, daû durch die beschlossenen Brotlieferungen der Kaffeebezug von 800 t Rohkaffee im 1. Quartal 1978 finanziell abgesichert sei. Die Kaf- feeimporte wiederum, auch wenn sie nicht mit baren Dollars bezahlt werden muûten, bedingten ihrerseits erneute Warenlieferungen. Und die AÈ thiopier nahmen bei weitem nicht alles. Aber Brot benoÈ tigten sie, denn die Truppen drohten mit Meuterei, mitten im Ogadenkrieg.40 Alexander Schalck-Golodkowski lieû dann in der gesamten DDR, vor al- lem aber auch in Westberlin und in Westeuropa Brot backen.41 Der Sonder- beauftragte fuÈ rAÈ thiopien muûte umgehend Flugzeuge und Schiffe ordern, welche die Lieferungen ans Horn von Afrika brachten. Vom Atlantik und aus der Biskaja wurden Schiffe dafuÈ r zuruÈ ckgerufen. Je schneller und je mehr Ma- terial fuÈ r den Kriegseinsatz geliefert wurde, um somehr Kaffe konntetenden- ziell von AÈ thiopien erwartet werden. Am 28. Juli beschloû das PolitbuÈ ro die vertagte Kaffeevorlage vom 26. Juni mit den hohen Preissteigerungen fuÈ r die BevoÈ lkerung der DDR und den un- heimlichen Ersatzstoffen.

40 Die Knappheit an Brotgetreide im Lande resultierte zu dieser Zeit weniger aus Natur- katastrophen als aus der Bodenreform. Drei Jahre lag die Bodenreform zuruÈ ck. Die Abgaben erfolgten meist in FeldfruÈ chten, also auch Brotgetreide. Die hohen Abgaben im kaiserlichen AÈ thiopien erlaubten den Grundherren, ihr uÈ berschuÈ ssiges Getreide in den StaÈ dten zu verkaufen. Nach der Bodenreform galt haÈ ufig: keine Abgaben, kein Verkauf. Denn die von Abgaben befreiten Kleinbauern verfuÈ gten nun uÈ ber eine groÈ ûe- re Vorratsmenge aus ihren eigenen Ernten und hatten ein leichteres Leben. Als klassi- sche Subsistenzwirtschaftler verringerten sie bei gefuÈ lltem Speicher die Produktion. Hinzu kam, daû durch niedrige und verordnete Aufkaufpreise keine groûen Anreize fuÈ r die Bauern zur Mehrproduktion vorhanden waren. Den Schaden hatten die StaÈ dter, der Staat und seine Soldaten. 41 GespraÈ ch mit einem ehemaligen Mitarbeiter aus dem BuÈ ro der Kommission fuÈ r Ent- wicklungslaÈ nder am 14.12.1998.

119 Am gleichen Tag ± der Ogadenkrieg waÈ hrte noch keine Woche ± wurde GuÈ nter Mittag uÈ ber die Schwierigkeiten des Sonderbeauftragten in Addis Abeba berichtet: »Gestern hat es nun auch die ersten durchschlagenden Erfolge gegeben, vor allem die Air-Force hat den Somalis maÈ chtig eingeheizt. Es sind viele Ge- genstaÈ nde erbeutet und leitende Leute der Somalis gefangengenommen worden. :...) Zum Beutegut zaÈ hlen u. a. modernste amerikanische Handfeu- erwaffen. Anderseits stellen wir bis hin zu den MilitaÈ rs eine abwartende Haltung fest. Offensichtlich schwanken auch einige leitende Leute ange- sichts der militaÈ rischen Lage. Was die ­zivile¬ OÈ konomie anbetrifft, wird uns immer wieder gesagt, daû dafuÈ r Genosse ... zustaÈ ndig sei und wir war- ten muÈ ûten, bis er zuruÈ ck ist. Was man jetzt brauche, seien militaÈ risches Material bzw. Verpflegung fuÈ r die kaÈ mpfende Truppe. Gestern wurde es mir zu bunt, da bin ich mit Genossen ... und ... ohne Anmeldung beim Ge- neral ... hineingeplatzt und habe eine ErklaÈ rung verlangt, warum z. B. unse- re MilitaÈ rexperten seit 10 Tagen auf MoÈ glichkeiten zur Demonstration ih- rer GeraÈ te warten und keine AnschluûvertraÈ ge verhandeln koÈ nnen. Wir sagten ihnen, daû die Verantwortung fuÈ r unseren Klassenauftrag im Inter- esse der aÈ thiopischen Revolution uns zwingt, in dieser Situation die Frage sozu stellen.« 42 In einem weiteren Brief des Sonderbeauftragten wurde drei Monate spaÈ ter u. a. berichtet: »Die neue ArmeefuÈ hrung muû sich erst UÈ berblick uÈ ber die aktuelle Situa- tion hinsichtlich des Kaufes von weiterem Kriegsmaterial verschaffen. Auch uÈ ber unseren Saldenstand gibt es keine klaren Aussagen auf aÈ thiopi- scher Seite. :...) Dabei unterstuÈ tzen unsere Leute Dr. A., Mitglied der Pro- visorischen Regierung und Minister fuÈ r Handel und Tourismus, um dort Sauberkeit in die BuÈ cher zu bekommen. :...) Er [der Handelsminister; d. Verf.] setzte uns davon in Kenntnis, daû man aufgrund der Kriegskosten so gut wie am Ende sei. Es gibt jetzt ein Exekutivkomitee, bestehend aus den wichtigsten Ministern, vor dem praktisch alle geplanten Valutaausgaben verteidigt werden muÈ ssen, bevor eine BestaÈ tigung erfolgt. Der Bedarf an vielfaÈ ltigen WuÈ nschen ist groû, aber kein Geld. AÈ hnlich wie Dr. Schalck in Leipzig habe ich nochmals wiederholt, worum es uns geht. Alle UnterstuÈ t- zung fuÈ r die Revolution, aber wir muÈ ssen nun konkret wissen, was man will. Dr. A. war ausfuÈ hrlich von der Messedelegation uÈ ber die Begegnung mit Dr. Schalk informiert worden. Die Leute sind voll des Lobes uÈ ber das, was ihnen in der DDR geboten worden ist, und sie sind maÈ chtig am GruÈ - beln, um weitere ImportmoÈ glichkeiten zu schaffen.«43 Durch die auûerplanmaÈ ûigen KaffeebezuÈ ge hatte die DDR Schulden in Mil- lionenhoÈ he gegenuÈ ber dem Kaffeeland. Auch wenn es »nur« Verrechnungs-

42 Auszug aus einem Brief des Beauftragten des Genossen Schalck in Addis Abeba vom 22.7.1977, Anlage 1 eines Briefes an G. Mittag vom 26.7.1977. BAZ DY 3022187, BuÈ ro Mittag. 43 Brief unseres Sonderbeauftragten in AÈ thiopien, 22.9.1977. BAZ DY 3022187, BuÈ ro Mittag.

120 schulden waren, muûten sie soschnell wie moÈ glich abgebaut werden. Immer wieder drohte die aÈ thiopische Verwaltung mit dem Ausstieg aus den fuÈ r sie unguÈ nstigen VertraÈ gen. ZuruÈ ckhaltend und ohne das Wort Schulden zu ver- wenden, befleiûigte sich Schalck, seinem WirtschaftssekretaÈ r mitzuteilen: Alle BemuÈ hungen gelten dem Abbau des »voraussichtlichen Plus, welches in AÈ thiopien besteht«.44

Mit den drastischen Eingriffen in die Kaffeekultur der DDR kam es im Herbst 1977 nicht nur bei den »Kaffeesachsen« zu den befuÈ rchteten Reaktio- nen. Mitglieder der Regierung waren verunsichert. Vor der Auslieferung der neuen Mixprodukte muûten Produktionslinien umgestellt und Geschmacks- tests durchgefuÈ hrt werden. Auch damit beschaÈ ftigte sich gelegentlich das Po- litbuÈ ro. Bei den zentralen Beschwerdestellen der DDR liefen unerwartet viele »Meckereien« wegen des Kaffeegeschmacks auf: im 2. Halbjahr 1977 14000 und im ersten Halbjahr 1978 noch mal 7000 Briefe. Im gesamten Land waren die Menschen empoÈ rt und ungehalten, der Westen glaÈ nzte goldener denn je. Die neuen, im Grundzug vom Hause KoKo entworfenen Produkte wurden als »Erichs KroÈ nung« verhoÈ hnt. Es war mehr als nur der Geschmacksnerv ge- troffen worden. Neue Aromamuster und weitere Ersatzmischungen muûten kreiert werden, wie z. B.: 51 Prozent RoÈ stkaffe, 5 Prozent Zichorie, 5 Prozent ZuckerruÈ ben- schnitzel :trocken), 5 Prozent Spelzenanteile, 34 Prozent Roggen/Gerstege- misch.45 BuÈ rger aus Halle schrieben: »Wir haben die neue Kaffeesorte ­Kaffe-Mix¬ probiert und festgestellt, daû sie nicht den Anforderungen entspricht. :...) Nachdem wir eine Tasse getrunken hatten, brauchten wir nicht lange auf Ma- genschmerzen zu warten und sahen uns gezwungen, Magentropfen zu neh- men. Wir hoffen sehr, daû Sie nicht an dem gesteigerten Umsatz von Magen- tropfen interessiert sind.« Aus Karl-Marx-Stadt war zu lesen: »Wer das ausprobiert hat, trinkt bestimmt keinen Kaffee.« Aus Weiûenfels hieû es: »Meiner Meinung nach kann es nicht im Interesse der BeschluÈ sse des IX. Par- teitages der SED sein, auf eine solche Art das Lebensniveau der BuÈ rger zu er- hoÈ hen. Auûerdem vermisse ich auf Ihrer Packung die genaue Angabe der Re- zeptur.«46 UÈ ber das KopfschuÈ tteln, den Zorn und die beschaÈ digte Berufsehre der Le- bensmitteltechnologen und der Produktionsarbeiter in den Kaffeebetrieben berichten die Akten nichts. Probleme gab es auch im Standardisierungs- und PruÈ fwesen. Die neuen Mischungen erreichten die MindesguÈ tequalitaÈ tsgrenze von 13 Punkten nicht :20 konnten maximal erreicht werden). Galt bei der sen- sorischen Bewertung des RoÈ stkaffees bisher: mundig-ausgeglichen, ange-

44 Brief von A. Schalck an G. Mittag, 26.10.1977. BAZ DY 3022187, BuÈ roMittag. 45 Lt. Schreiben des ZK-Abteilungsleiters fuÈ r Leicht-, Lebensmittel- und Bezirksgeleitete Industrie an G. Mittag, 6.12.1977. BAZ DY 3026574/1, BuÈ roMittag. 46 BAZ DY 30 SED 26574/1, BuÈ roMittag. Vgl. Staadt: Auf hoÈ chster Stufe, S. 45f.

121 nehme SaÈ ure, leicht roÈ stbitter, abgerundet, sowird jetzt nach »stark wuÈ rzig, stark fruchtig, teilweise unrein« gepunktet. Auûenhandelsminister Horst SoÈ lle war wohl ein Kaffeegenieûer oder nahm die Beschwerden der BevoÈ lkerung ernst. Jedenfalls hatte er die Zeichen der Zeit schlecht gedeutet. Er brachte wieder verstaÈ rkt den teuren, in Devisen zu bezahlenden suÈ damerikanischen Kaffee statt des billigen afrikanischen ins Land. Das PolitbuÈ ro konstatierte am 26. Januar 1978 eine politisch und oÈ ko- nomisch falsche Orientierung des Auûenhandelsministeriums beim Import von Kaffee. Der Ministerrat beschaÈ ftigte sich grundsaÈ tzlich mit der Sache und Horst SoÈ lle wurde zur schriftlichen Selbstkritik verpflichtet. In dem vom stell- vertretenden MinisterpraÈ sidenten Werner Krolikowski an Erich Honecker uÈ bermittelten Schreiben des Ministers fuÈ r Auûenhandel ist zu lesen: »Offensichtlich war ich von konservativem Denken befallen und ging da- von aus, daû der Kaffeeimport, der in den letzten Jahren gegen Barzahlung erfolgte, auch in Zukunft nicht anders durchgefuÈ hrt werden kann«.47 Er ha- be »die durch die Genossen der ParteifuÈ hrung geschaffenen Beispiele des Kaffeeimportes aus Angola und AÈ thiopien nach dem Prinzip ­Ware gegen Ware¬ nicht zum Anlaû genommen, daraus die notwendigen Konsequenzen fuÈ r das Auûenministerium zu ziehen.«48 Es ist wohl nicht zu viel vermutet, wenn hinter diesem Vorgang ein Konflikt zwischen dem »AfrikahaÈ ndler« Alexander Schalck-Golodkowski und dem »SuÈ damerikahaÈ ndler« Horst SoÈ lle gesehen wird. Die aufregenden »Kaffeeunruhen« flauten allmaÈ hlich ab. Das Volk ver- sorgte sich »fremd«, stieg auf Tee um oder stellte wenig spaÈ ter vermehrt Aus- reiseersuchen. Der Aphorismus von Ernst Bloch, urspruÈ nglich auf das aufklaÈ - rungsscheue Proletariat gemuÈ nzt, »Der Gaumen ist blind«, traf jedenfalls auf die geschmackssichere BevoÈ lkerung der DDR nur bedingt zu. Die VorgaÈ nge um den aÈ thiopischen Kaffee zeigen exemplarisch die existen- tielle GefaÈ hrdung und DuÈ nnhaÈ utigkeit der DDR und die besonderen Formen der LoÈ sungsversuche der Partei- und StaatsfuÈ hrung. Die Existenzangst war groû, die Verantwortung ebenso. Die LoÈ sungsansaÈ tze waren kurzatmig und klein. Der Bereich von Schalck-Golodkowski ging aus dieser Krise gestaÈ rkt her- vor und wurde zu weiteren Sonderaufgaben herangezogen. Sein Ruf als »Ret- ter« verfestigte sich immer mehr. Weltpolitik und KuÈ chentisch waren in einem bitteren, etwas unreinen Mix aufeinandergetroffen.

Mitten im Ogaden-Krieg, der fuÈ rAÈ thiopien durchaus auch ZuÈ ge der Verteidi- gung seiner territorialen IntegritaÈ t trug, trafen sich Erich Honecker und Men- gistu Haile Mariam Ende Oktober 1977 in Ostberlin. Dabei sagte der aÈ thiopi- sche PraÈ sident mit Bezug auf die Lieferungen im MaÈ rz: »Dank der DDR-Hilfe war es innerhalb eines Monates moÈ glich, 100000 Mann der Volksmilizen auszuruÈ sten und zu ernaÈ hren. In diesem Sinn hat

47 BAZ DY 30 26 575, BuÈ roMittag. 48 Ebenda.

122 die DDR wesentlichen Anteil an der revolutionaÈ ren Entwicklung AÈ thio- piens.«49 Er dankte fuÈ r die UnterstuÈ tzung des Kampfes um die Einheit des Landes und die »Vernichtung der reaktionaÈ ren KraÈ fte ... Es ist kaum moÈ glich, mehr zu tun, als die DDR zur UnterstuÈ tzung der aÈ thiopischen Revolution bereits gege- ben hat. Die aÈ thiopische FuÈ hrung wird diese Hilfe niemals vergessen ... Die- ser Dank gilt der SED, dem Volk der DDR und persoÈ nlich Erich Honecker ... Wir haben zu euch groÈ ûtes Vertrauen.«50 Bei Mengistu Haile Mariam in Afrika war Vertrauen erworben worden, in der DDR ging es allmaÈ hlich verloren.

4.1.3 Der Schuldenabbau der DDR gegenuÈ ber AÈ thiopien Ende der 70er Jahre Durch den Kaffeeimport als »Ware-gegen-Ware-GeschaÈ ft« erzielte die DDR trotz ihrer enormen ExportbemuÈ hungen in kuÈ rzester Zeit negative Konten- staÈ nde gegenuÈ ber AÈ thiopien. Die aÈ thiopischen Banken uÈ bten auf die sich an der DDR orientierenden KraÈ fte Druck aus. Sie warfen ihnen vor, daû sie den Kaffee auf Kredit an die DDR liefern wuÈ rden, ohne dafuÈ r einen vollen Ausgleich zu erhalten. Man sprach von Geschenken und Verschwendung. Kaffee wurde ± und wird auch heute noch ± in der Regel auf dem Welt- markt in Sofortzahlung gegen US-Dollar gehandelt. AÈ thiopien erzielte 60 bis 80 Prozent seiner ExporterloÈ se aus dem Kaffeeverkauf.51 FuÈ r 1977 wurde die Kaffeeproduktion von AÈ thiopien mit 48165 t beziffert bzw. auf 120 kt ge- schaÈ tzt.52 Kaffee war fuÈ rAÈ thiopien keine Ware, sondern bares Geld, wie ein aÈ thiopischer Minister in den Verhandlungen betonte. Ein FuÈ nftel des gesamten ExporterloÈ ses aus der Kaffee-Ernte von AÈ thio- pien wurde durch die 10000-t-KaffeevertraÈ ge mit der DDR gebunden.53 Auch die Sowjetunion bezog nach dem Beginn der umfangreichen Waffenlieferun- gen in Vorbereitung des Ogaden-Krieges erhebliche Kaffeelieferungen, ohne

49 Bericht uÈ ber das Treffen E. Honeckers mit Mengistu H. M. am 29.10.1977 in Berlin. BAZ DY 30 J IV 2115, GVS. 50 Ebenda. 51 BruÈ ne, Stephan: Der Sozialismus als Wille und Vorstellung oder: Das VerhaÈ ltnis der aÈ thiopischen Machtelite zur laÈ ndlichen BevoÈ lkerung. In: Heinrich, Wolfgang :Hrsg.): Entwicklungsperspektiven am Horn von Afrika. Hamburg 1991, S. 56. 52 Der Sonderbeauftragte H. Graf gab am 3.5.1978 eine Jahresproduktion von 48165 t Kaffee an. Vgl. Zur oÈ konomischen Lage in AÈ thiopien ± EinschaÈ tzung des Arbeitssta- bes, 2.5.1978, Anlage zu einem Brief an G. Mittag und H. Axen mit Durchschlag an A. Schalck und D. Albrecht vom 3.5.1978. BAZ DY3012189. Eine Vorlage fuÈ r die Kommission EntwicklungslaÈ nder vom gleichen Tag geht von 120000 t aus. BAZ DE 154811. Die Vorlage unterschrieb A. Schalck. 53 Vgl. Treffbericht »IM Fleischmann« vom 28.8.1978. BSTU MfS HA XVIII, Nr. 7628, S. 13.

123 daû sie dafuÈ r Devisen in bar aufbringen muûte.54 Andere sozialistische LaÈ n- der versuchten ebenfalls, auf diese Weise ihre chronischen Devisensorgen zu lindern. Sie waren aber nicht so»erfolgreich«wie die DDR. Die DDR hatte es geschafft, nach den USA, sozusagen aus dem Stand, der zweitgroÈ ûte Kaf- feeimporteur von AÈ thiopien zu werden. Trotz der umfangreichen Waffenlieferungen und der »Aktion Dauer-Brot fuÈ r die Front« standen im Herbst 1977 dem Bezug von 10000 t Kaffee im Wert von 128,4 Mio. VM nur bilanzwirksame 104,4 Mio. VM vertraglich ge- regelter Exportleistungen der DDR nach AÈ thiopien gegenuÈ ber. Daraus ergab sich: »Die Zielstellung fuÈ r die Messe in Addis Abeba lautet u. a. fuÈ r 1977, noch VertraÈ ge in HoÈ he von 24 Mio. VM abzuschlieûen.«55

Die Maûnahme »Exportmesse« zum Abbau der Negativsalden wurde im No- vember 1977 hektisch in Addis Abeba durchgefuÈ hrt. Innerhalb weniger Wo- chen muûten 23 Auûenhandelsbetriebe PraÈ sentationen zusammenstellen. Alle KapazitaÈ ten, die fuÈ r andere LaÈ nder vorgesehen waren, wurden ploÈ tzlich ge- bunden. Das Argument, daû damit andere MaÈ rkte gefaÈ hrdet waÈ ren, zaÈ hlte nicht. Es galt der Parteiauftrag mit hoÈ chster PrioritaÈ t. UÈ ber 150 Personen wurden in zwei Sondermaschinen nach Addis Abeba eingeflogen. Bagger und andere GroûgeraÈ te muûten uÈ ber den Landweg fast 800 km bergauf und berg- ab vom Hafen Assab nach Addis Abeba transportiert werden. WaÈ hrend der als erfolgreich eingeschaÈ tzten PraÈ sentation kam es in Addis Abeba zu heftigen StraûenkaÈ mpfen.56 Noch waÈ hrend der Messe meldete Alexander Schalck-Golodkowski per Brief vom 24. November 1977 erste Ergebnisse und legte Fotos bei. Die LKW W 50 konnten nicht leicht abgesetzt werden, da die Sowjetunion groûe Men- gen LKW als Schenkung auf den Markt gebracht hatte. Eine kleine Hoff- nung, auf dem Markt zu bleiben, lag darin begruÈ ndet, daû die sowjetischen LKW die dreifache Menge an Treibstoff benoÈ tigten. Zudem sei die Sowjet- union »auûerordentlich erschrocken«, da die DDR bereits 100 Traktoren ver- traglich gebunden hatte, sie selbst bisher aber nur 60. Der Brief wurde noch am gleichen Tag von Erich Honecker gegengezeichnet. Zur Sicherung des Kaffeebedarfes der DDR waÈ ren 15000 t Rohkaffee not- wendig gewesen. Seitens des Sozialistischen AÈ thiopien wurden MoÈ glichkeiten

54 Nachdem die Sowjetunion fast ein Jahrzehnt die somalische Armee aufgebaut und bis zur AngriffsfaÈ higkeit ausgebildet hatte, ruÈ stete sie vor und waÈ hrend des Ogaden-Kriegs in einer Eilaktion die Gegenseite aus. Am 26.11.1977 begann die Sowjetunion ihre groÈ ûte Luftlandeaktion auûerhalb des Warschauer Vertrages. Beteiligt waren 225 Flug- zeuge oder 15 % der sowjetischen LufttransportkapazitaÈ ten und ein Dutzend Fracht- schiffe. Bis zu 17000 kubanische Soldaten, meist afrikanischer Abstammung, kaÈ mpften im Verbund mit sowjetischen MilitaÈ rberatern mehrere Jahre an den verschiedenen aÈ thiopischen Fronten. Vgl. Melchers, Konrad: Die sowjetische Afrikapolitik von Chruschtschow bis Breschnew. Berlin 1980, S. 9. 55 Information zum Stand der Auûenhandelsbeziehungen zwischen der DDR und dem so- zialistischen AÈ thiopien, 23.11.1977, u. a. durch W. Lamberz und G. Mittag gegenge- zeichnet. BAZ DY 3022187. 56 Der Sonderbeauftragte fuÈ rAÈ thiopien im GespraÈ ch mit dem Verf. am 14.12.1998.

124 gesehen, Kaffee in den gewuÈ nschten Mengen zu liefern. Doch diese Menge mit Waren aus der DDR abdecken zu koÈ nnen, muûte als nicht real einge- schaÈ tzt werden. Das Hauptproblem der auûenwirtschaftlichen Beziehungen lag darin, daû die aÈ thiopische Seite seit sechs Monaten keine weiteren Anfragen bzw. Im- portvertraÈ ge uÈ bergeben hatte. Bedeutende PersoÈ nlichkeiten muûten eingesetzt werden. Soflogzwo È lf Tage spaÈ ter anfang Dezember PolitbuÈ romitglied Werner Lamberz nun als Sonderbotschafter des GeneralsekretaÈ rs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates nach AÈ thiopien. Er bemuÈ hte sich um weitere GespraÈ che mit den eritreischen Befreiungsbewegungen und der DERG-Regie- rung, um Mengistu einen Mehrfrontenkrieg moÈ glichst ersparen zu koÈ nnen und um den Verlust der HaÈ fen zu verhindern. Er versuchte, weiteren Absatz von Waren aus der DDR vertraglich zu binden, erwog die UÈ bernahme der bundesdeutschen Schule durch die DDR, wollte eine direkte Fluglinie einrich- ten und 25 aÈ thiopische Diplomaten in der DDR ausbilden lassen. Damit soll- ten die Voraussetzungen fuÈ r eine stetige Entwicklung stabiler Beziehungen zwischen beiden LaÈ ndern gewaÈ hrleistet werden.

PuÈ nktlich zum neuen Jahr setzten nach diesen Vorarbeiten die bekannten Be- ratungen der Kommission EntwicklungslaÈ nder zu AÈ thiopien ein. Die »Dynamik« der Beziehungen wird anhand der folgenden Zahlen sicht- bar. Zum Jahresende 1976 weist das Statistische Jahrbuch der DDR fuÈ r das Handelsvolumen 131000 VM aus. Knapp zwei Jahre spaÈ ter sind es schon 205,4 Mio. VM.57 Eine mehr als tausendfache Steigerung, die fuÈ r beide Wirt- schaften nur schwer zu bewerkstelligen war. Und die Zahlungsbilanz besserte sich fuÈ r die DDR nicht: Zum 31. Dezem- ber 1978 wurde von einem Saldo zugunsten AÈ thiopiens in HoÈ he von ca. 60 Mio. VM ausgegangen. Diese Schulden sollten vor allem durch die Realisierung der Groûprojekte abgebaut werden. Die Sowjetunion hatte inzwischen die Versorgung mit Mili- taÈ rtechnik und Waffen uÈ bernommen. Der »Wegbereiter« konnte ins zweite Glied treten und die von Werner Lamberz vorbesprochenenen Projekte in An- griff nehmen. Eine Vorlage, acht Wochen nach dem Absturz von Werner Lamberz entworfen, faût den Stand der Beziehungen folgendermaûen zusam- men: Zur Absicherung erster VertraÈ ge wurde ein Regierungskredit uÈ ber 20 Mio. US-Dollar mit einem Zinssatz von 2,5 Prozent und einer Laufzeit von zwoÈ lf Jahren vorgesehen. FuÈ r kommerzielle Kredite, deren HoÈ he nicht fest- gelegt ist, werden Konditionen benannt: Laufzeit zwischen 5 und 10 Jahren, 5±6 Prozent Zinsen, Anzahlung 10 bis 15 Prozent. Der Aufbau des Staatsapparates sollte vor allem durch die Kaderausbil- dung unterstuÈ tzt werden. Vorgesehen waren:

57 Statistisches Bundesamt Wiesbaden: Sonderreihe mit BeitraÈ gen fuÈ r das Gebiet der ehe- maligen DDR ± UmsaÈ tze im Auûenhandel 1975 und 1980 bis 1990. Heft 9, Wiesbaden 1993.

125 FDJ-Freundschaftsbrigaden im Einsatz ± Ausbildung aÈthiopischer Landmaschinenschlosser an einem DDR-Traktor vom Typ »Fortschritt« !1988).

± 34 Kader an der Parteihochschule der SED :Halb- bzw. JahreslehrgaÈ nge), ± 24 GewerkschaftsfunktionaÈ re zu vier-Wochen-LehrgaÈ ngen, ± 5 JugendfunktionaÈ re/Jugendhochschule :1979 waren 20 vorgesehen), ± ca. 300 Journalisten zu KurzlehrgaÈ ngen des VDJ58 in Addis Abeba und ± 47 Journalisten an der Schule der SolidaritaÈ t des VDJ. Bei der Ausbildung durch Staatsorgane wird aufgefuÈ hrt: ± 25 Kader fuÈ r diplomatischen Dienst :viermonatiger Lehrgang), ± 2 LehrgaÈ nge der Staatlichen Plankommission mit je 50 Planungsexperten in Addis Abeba, ± 110 Kommunalpolitiker in der Bildungseinrichtung des StaÈ dte- und Ge- meindetages in Weimar, ± 50 Kreisadministratoren werden auf Bitte der aÈ thiopischen Regierung von der Akademie fuÈ r Staat und Recht ausgebildet. Zwei Regierungsberater arbeiteten im aÈ thiopischen Ministerium fuÈ r Handel und Tourismus und ein Berater im Landwirtschaftsministerium. Der KWZ-Arbeitsplan weist langfristig folgende EinsatzplaÈ tze fuÈ r Experten aus:

58 Verband Deutscher Journalisten der DDR.

126 ± 8 Wissenschaftler an der UniversitaÈ t in Addis Abeba sowie ein Arzt, ± 7 Berater und 40 Experten bzw. Lehrer im Volksbildungsministerium, ± 67 Dozenten aus Addis Abeba sollen zu Marxismus-Leninismus-LehrgaÈ n- gen an die UniversitaÈ ten in Leipzig und Dresden eingeladen und ± 84 StudienplaÈ tze fuÈ raÈ thiopische BuÈ rger in der DDR bereitgestellt werden. Die materielle UnterstuÈ tzung durch das SolidaritaÈ tskomitee wird folgender- maûen beziffert: ± 1976: 100 000 M, ± 1977: 17, 9 Mio. M, ± 1978: 12 Mio. M und ± 1979: 115 Mio. M :geplant).59

Die Spannungen zu der aÈ thiopischen Verwaltung blieben weiterhin bestehen, wie auch die Sorge, daû der devisenfreie Kaffeebezug eingestellt werden koÈ nnte. Am 2. Mai 1978 wurden daher in der Kommission EntwicklungslaÈ nder alle Bereiche der oÈ konomischen Beziehungen von Industriekomplexen uÈ ber Berg- bau bis hin zur Jugendarbeit auf die Sicherung des Kaffeeimports hin uÈ ber- pruÈ ft und VorschlaÈ ge moÈ glicher Zusammenarbeit unterbreitet. Unter ande- rem wurden den Auûenpolitikern und Diplomaten AuftraÈ ge erteilt: »Zur Durchsetzung der langfristigen Export- und Importinteressen der DDR ist eine Konzeption zur Besuchs- und Einladepolitik auszuarbeiten. Verantwortlich: Minister fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten, Termin 31. Juli 1978.«60 Es verblieben noch 14 Monate Vorbereitungszeit fuÈ r die Reise von Erich Ho- necker nach Addis Abeba im November 1979. Im Okotober 1978 kuÈ ndigte die aÈ thiopische Seite an, zum 1. Januar 1979 den Handel nur noch gegen konvertierbare Devisen abwickeln zu wollen. Es kam, wie es zu erwarten war. Im Bericht uÈ ber die 2. GWA-Sitzung meldete der Delegationsleiter und Mi- nister fuÈ r Materialwirtschaft, Wolfgang Rauchfuû, daû die aÈ thiopische Seite auf der Bezahlung des Kaffees gegen freie Devisen besteht. »In der Verhandlung gelang es, diese Forderungen abzuwenden. Wichtigste Argumente waren dabei der Briefwechsel zwischen Erich Honecker und Mengistu Haile Mariam, sowie die anerkannte Haltung der ParteifuÈ hrung der DDR zur aÈ thiopischen Revolution und die dynamische Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen.«61

59 Vgl. Konzeption zur Intensivierung und perspektivischen Entwicklung der politischen, oÈ konomischen, wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen der DDR und Sozialistisch AÈ thiopien, 2.4.1978, Vorlage fuÈ r die Kommission EntwicklungslaÈ n- der. BAZ DE1 54811. 60 Ebenda. 61 Information uÈ ber die 2. Tagung des Gemeinsamen Wirtschaftsausschusses DDR/Soz. AÈ thiopien vom 16. bis 19.10.1978 in Addia Abeba, 21.10.1978, von W. Rauchfuû an G. Mittag, u. a. von E. Honecker und D. Albrecht gegengezeichnet. BAZ DY 3022189, BuÈ roMittag.

127 Es wurde eingeraÈ umt, daû die DDR bis zum 30. Juni 1979 die offenen 60 Mio. VM durch Waren bezahlen kann. Danach gaÈ be es Kaffee nur noch gegen Barzahlung in Devisen. »In einem vertraulichen Briefwechsel wurde eine modifizierte Beibehaltung der bestehenden Vereinbarungen Ware gegen Ware vereinbart. Die be- stehenden Sonderkonten werden nach dem 30.6.1979 weitergefuÈ hrt.«62 Die DDR konnte aber nur noch maximal 2000 t Kaffee importieren. Das langfristige Kaffeeabkommen, eingefaÈ delt durch Werner Lamberz, war schon 14 Monate nach der Unterzeichnung der VertraÈ ge zum Scheitern verurteilt. Die DDR war fuÈ rAÈ thiopien nicht mehr so dringend notwendig. Der Ogaden- krieg war in letzter Minute vor allem mit sowjetischen Waffen und kubani- schen Soldaten gewonnen worden. Mengistu Haile Mariam saû wieder fester im Sattel, und Werner Lamberz lebte nicht mehr. Daraus zogen die AÈ thiopier ihre Konsequenzen. In einer Information zu aktuellen Fragen der Auûenhandelsbeziehungen berichtete am 10. Oktober 1978 der Handelsrat Gummert aus Addis Abeba, daû die aÈ thiopische Regierung sich »intensiv um die Ausweitung der oÈ kono- mischen Beziehungen zur SU und zu Kuba bemuÈ ht, bisher seien diese wenig dynamisch gewesen. Die aÈ thiopische Regierung ersuche vor allem nach lang- fristigen guÈ nstigen Krediten und anderen Hilfsleistungen.«63 Diese konnte die FuÈ hrung der DDR nicht bieten. Auch die Beziehungen zu Mosambik und abgestuft zu Angola waren nur durch eine sehr kurze »dyna- mische« Phase gekennzeichnet. Die Sorge um die knappen Devisen wirkte sich auch auf der Ebene der Aus- bildung der Parteikader aus. In einem Brief der Abteilung Internationale Ver- bindungen des ZK der SED vom 6. September 197864 an GuÈ nter Mittag bat der Abteilungsleiter um Korrektur eines Beschlusses. Das gab es nicht so oft. Was war geschehen? Mengistu Haile Mariam hatte Erich Honecker persoÈ n- lich gebeten, »100 politische Kader fuÈ r die in Vorbereitung befindliche Partei und fuÈ r die Massenorganisationen« in der DDR auszubilden. Dies beschloû das ZK der SED am 14. Juni 1978 mit der Festlegung, daû alle Kosten in sol- chen FaÈ llen von der aÈ thiopischen Seite zu bezahlen sind. Nun bat die Abtei- lung fuÈ r Internationale Verbindungen des ZK der SED um VeraÈ nderung der Beschluûlage: Die aÈ thiopischen Kader und zukuÈ nftigen Genossen sollten ih- ren Aufenthalt nicht in US-Dollar bezahlen. Die Kommerzialisierung ging wohl zu weit, oder die AÈ thiopier hatten sich beschwert. Bei dieser relativ ge- ringen Devisensumme ist bemerkenswert, daû auch hier der Wirtschaftssekre- taÈ r des ZK der SED, GuÈ nter Mittag, und nicht ± wie zu erwarten gewesen waÈ - re ± die zustaÈ ndigen ZK-SekretaÈ re fuÈ r Parteibeziehung oder Finanzen um UnterstuÈ tzung ersucht wurden.

62 Ebenda. 63 Ebenda. 64 SED-Hausmitteilung an Gen. Mittag von Abteilung Internationale Beziehungen vom 6.9.1978. BAZ DY 22189, BuÈ roMittag.

128 Eine Ausbildung fuÈ r Parteikader und Kreisadministratoren gegen US-Dol- lar erscheint noch absurder, wenn man beruÈ cksichtigt, daû die Bildung einer »revolutionaÈ ren Kaderpartei« in AÈ thiopien lange Zeit eine der wichtigsten Forderungen der Kommunistischen Parteien Osteuropas war. Der Kompro- miûvorschlag an GuÈ nter Mittag lautete: »Diese Korrektur sollte die UÈ bernahme der Reise- und Valutakosten durch die aÈ thiopische Regierung und die Kosten fuÈ r die Ausbildung und den Auf- enthalt in unserer WaÈ hrung durch die Regierung der DDR oder das Solida- ritaÈ tskomitee vorsehen.«65 In einer VeroÈ ffentlichung der Akademie fuÈ r Gesellschaftswissenschaften des ZK der SED, Institut fuÈ r Internationale Arbeiterbewegung, wird als letztes, sozusagen als Schluûstein der Publikation, Mengistu Haile Mariam mit den Worten zitiert: »Um ein neues System der Gerechtigkeit und des Wohlstandes aufzubauen, ¼ ist die Hauptfrage ¼ die GruÈ ndung der Partei der WerktaÈ ti- gen.«66 Im Oktober 1984 wurde dann die »AÈ thiopische Arbeiterpartei« gegruÈ ndet, obwohl noch immer 90 Prozent der BevoÈ lkerung auf dem Lande lebten. AÈ thiopien blieb bis 1991 das einzige afrikanische Land, das von einer »Arbei- terpartei«67 regiert wurde.

4.2 Die Zusammenarbeit bis 1989

4.2.1 Der Abschluû des Vertrages uÈ ber Freundschaft und Zusammenarbeit im November 1979

Bis zum Ende der DDR aÈ nderte sich in der Zusammenarbeit beider LaÈ nder nicht mehr viel. Erich Honecker reiste noch zweimal nach AÈ thiopien. Spora- disch gab es WaffengeschaÈ fte, und ein Karl-Marx-Denkmal wurde errichtet. Dazwischen leisteten die Spezialisten und Experten der DDR an unterschied- lichsten Einsatzorten und unter zum Teil sehr schwierigen Bedingungen ihre Arbeit. Hervorzuheben sind vor allem die AÈ rzte und Krankenschwesten in Gonda, im haÈ ufig umkaÈ mpften Norden des Landes. Die Groûprojekte wur- den eher muÈ hsam als flott aufgebaut. Die haÈ ufigen Berichte von Staats- und Regierungsreisen in den DDR-Me- dien erweckten gelegentlich den Eindruck, als haÈ tte die oÈ konomische Zusam- menarbeit zwischen AÈ thiopien und der DDR stabile GroÈ ûenordnungen er- reicht. Der Eindruck taÈ uschte.

65 Ebenda. 66 Dummer, Egon: AÈ thiopien im Aufbruch. Berlin 1984, S. 121. 67 Bezeichnend ist, daû das Exekutivkomitee der COPWE :Commission for Organizing the Party of the Working People of Ethiopia) aus sieben MilitaÈ rs bestand und daû in der gesamten Kommission von 123 Mitgliedern 97 Aktive dem MilitaÈ r angehoÈ rten. Vgl. Auf, Christiane: Staat und MilitaÈ rinAÈ thiopien. Hamburg 1996.

129 Der Anteil der DDR-Handelsvolumen in AÈ thiopien blieb nach dem Aus- laufen des Kaffeeabkommens gering. Er betrug durch die Sonderbedingungen 1977 5,8 Prozent und sollte nie wieder diese GroÈ ûenordnung erreichen.68 Vor dem Abschluû des Freundschaftsvertrages im November 1979 stellte Alexan- der Schalck fest: »Dem aus der CÏ SSR taÈ tigen UNDP-Chefberater wurde an- geraten, keine Kontakte bzw. Konsultationen mit den DDR-Beratern durch- zufuÈ hren.«69 Er beklagte die fuÈ rAÈ thiopien sehr guÈ nstigen Kredite der imperialistischen Staaten, die beabsichtigte Schuldenstreichung der BRD und kostenlose Weizenlieferungen der USA sowie die gegenuÈ ber der DDR ausge- sprochene definitive Erwartung, uÈ ber Groûprojekte nur zu verhandeln, »wenn auch die sozialistischen Partner aÈ hnlich groûzuÈ gige Kredite und Zahlungsziele gewaÈ hren, wie die imperialistischen Partner«.70 Die national-reaktionaÈ ren KraÈ fte AÈ thiopiens wuÈ rden die DDR-Produkte verleumden und unserioÈ se, un- annehmbare Kreditforderungen aufstellen. Diese KraÈ fte wuÈ rden den Salden- abbau in konvertierbaren Devisen zum 30. Juni 1979 herausfordern und das Prinzip Ware gegen Ware unterlaufen wollen. »GegenwaÈ rtig liegen den zustaÈ ndigen aÈ thiopischen Auûenhandelsdienststel- len insgesamt Angebote der DDR uÈ ber mehr als 1 Milliarde VM vor, die sich ausnahmslos auf aÈ thiopischerseits uÈ bergebene BedarfswuÈ nsche bezie- hen. Seit September 1978 wurden jedoch keine nennenswerten VertraÈ ge ab- geschlossen.«71 Als VorschlaÈ ge unterbreitete er, daû mit der Sowjetunion beraten werden muÈ sse, wie Mengistu Haile Mariam besser auf Leistungen der sozialistischen LaÈ nder hingewiesen werde koÈ nne, daû Erich Honecker einen Sonderbeauf- tragten zu ihm senden solle und daû mit den Verkaufsverhandlungen, z. B. fuÈ r 200 000 Paradeuniformen fuÈ r die aÈ thiopischen StreitkraÈ fte, zum Abschluû ge- kommen werden muÈ sse.72 UÈ ber GuÈ nter Mittag gelangten die VorschlaÈ ge di- rekt zu Erich Honecker. Der GeneralsekretaÈ r lieû sich uÈ ber AÈ thiopien immer sofort informieren. Im FruÈ hjahr 1979 zeichnete ein IMS der MfS-Hauptabteilung XVIII/4 »Si- cherung der Volkswirtschaft/Auûenhandel« ebenfalls ein Bild der AktivitaÈ ten der DDR in AÈ thiopien und gab zu Protokoll: »Zur Zeit gibt es in AÈ thiopien enorme Bestrebungen, die Beziehungen zu den sozialistischen Staaten abzubrechen bzw. ausklingen zu lassen. :...) Das

68 Zu einigen Aspekten der politischen Entwicklung AÈ thiopiens und ihrer Auswirkungen auf die oÈ konomischen Beziehungen mit der sozialistischen Staatengemeinschaft, spe- ziell der DDR. 9.4.1979, Anlage mit Schreiben vom 18.4.1979 von A. Schalck an G. Mittag. BAZ DY 3022194. 69 Ebenda. 70 Ebenda, S. 3. 71 Ebenda, S. 8. 72 Die DevisenrentabilitaÈ tsberechnungen der Paradeuniformen im Vergleich zu Herrenan- zuÈ gen Marke »PraÈ sent 20« liegen vor. Die Paradeuniformen haben einen um 50 % hoÈ - heren Devisenwert fuÈ r die DDR. Der Vertrag war aufgrund eines von A. Schalck ange- regten Briefwechsels zwischen E. Honecker und Mengistu H. M. unterzeichnet worden. Mengistu H. M. kam wegen dieses Vertrages in groûe innenpolitische Schwierigkeiten. Der Auftrag wurde nicht ausgefuÈ hrt.

130 Land ist ca. elfmal so groû wie die DDR. Wenn wir als sozialistische Staa- ten nicht gemeinsam handelnd voll in AÈ thiopien einsteigen und effektiv hel- fen, bricht uns AÈ thiopien wieder aus. :...) Ich habe nur mit staatlichen Or- ganen verhandelt. Aber dort stand man mir bei den Verhandlungen schon pessimistisch gegenuÈ ber. Indem ich wiederholt gefragt wurde, na koÈ nnen sie denn das uÈ berhaupt realisieren, wie sieht es mit dem Service aus, koÈ nnen sie den denn verlaÈ ûlich realisieren, sehen Sie, die Italiener machen das so zuverlaÈ ssig usw. Hier wird die MoÈ glichkeit der DDR schon von vornherein in Frage gestellt, weil langsam bekannt geworden ist, welche Schwierigkei- ten auch wir haben, ihre WuÈ nsche zu realisieren.«73 Weitere Berichte bestaÈ tigen diese Erfahrungen. Die Zeit war reif fuÈ r einen Staatsbesuch. Die Reise von Erich Honecker nach AÈ thiopien im November 1979 und der Abschluû des Freundschaftsvertrages mit AÈ thiopien standen kurz bevor. Eine Woche vor diesem Besuch in Addis Abeba tagte der 3. GWA. Ein Bericht da- von faût die Kritik der aÈ thiopischen Seite und die Ergebnisse aus DDR-Sicht wie folgt zusammen: »Bereits zu Beginn der Verhandlungen wurde deutlich, daû beide Seiten un- terschiedliche Ziele verfolgen. WaÈ hrend die DDR-Delegation die Erweite- rung und Vertiefung der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit in den Mittelpunkt stellte und dafuÈ r mit dem Abschluû entsprechender Abkommen und Vereinbarungen weiterreichende Voraus- setzungen schaffen wollte, bestand die Zielstellung der aÈ thiopischen Delega- tion darin, mit dem Besuch weitreichende ZugestaÈ ndnisse der ParteifuÈ hrung und Regierung der DDR in GroÈ ûenordnungen zur Milderung ihrer oÈ kono- mischen Probleme zu erhalten. :¼) Das aÈ uûerte sich in der aÈ thiopischen Forderung, die Bedingungen der Regierungskredite auf alle Anlageprojekte und im Volumen unbegrenzt auszudehnen sowie alle Leistungen :Studien, Expertenentsendungen, Ausbildung aÈ thiopischer Kader) als Schenkung der DDR zu vereinbaren.«74 Was keine Schenkungen waren, muûte bezahlt oder von den zeitweise be- stehenden Guthaben AÈ thiopiens abgeschrieben werden. Die »nichtmateriellen Leistungen«, wie Ausbildungs- und FachkraÈ ftelei- stungen, aber auch Berater und AÈ rzte, wurden durch die DDR mitunter in Rechnung gestellt. Je nach Art des Vertrages geschah die Berechnung in ein- heimischer WaÈ hrung und auf US-Dollarbasis als Lohn bzw. Aufwandsent- schaÈ digung. Oft wurden gerade diese »nichtmateriellen Leistungen« gegen- uÈ ber der UN als kostenlose Entwicklunghilfe ausgewiesen.

73 Bericht uÈ ber die gegenwaÈ rtige politisch-oÈ konomische Lage in AÈ thiopien hinsichtlich des Einflusses der DDR und anderer sozialistischer Staaten in diesem Land im Gegen- satz zum Einfluû kapitalistischer Staaten. Abteilung XVIII/4, auf Tonband entgegen- genommen am 2.3.1979; IMS »GuÈ nther«, BStU-MfS HA XVIII Nr. 6855. 74 Information der 3. Tagung des Gemeinsamen Wirtschaftsausschusses DDR/Soziali- stisch AÈ thiopien vom 16.±19.10.1978 in Addis Abeba. 21.10.1978, u. a. von G. Mittag, D. Albrecht und E. Honecker gegengezeichnet. BAZ DY 3022194, BuÈ roMittag.

131 Erich Honecker und Mengistu Haile Mariam bei der Grundsteinlegung fuÈr das erste Karl-Marx- Denkmal in Afrika am 13. November 1979.

Im Umfeld der Akten der angestrengten BemuÈ hungen um Schuldenbeseitigung und im Vorfeld der Erich-Honecker-Reise fand sich der Entwurf einer »Verein- barung uÈ ber die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Produktion von Hand- feuerwaffen im Sozialistischen AÈ thiopien«75. Aus dem Entwurf ging hervor, daû, beginnend am 1. Juli 1980, der Plan des Aufbaus einer Waffenfabrik durch die DDR mit einer KapazitaÈ tvonjaÈ hrlich 90 000 Handfeuerwaffen Typ AKM 910 in den Versionen KM und KS in drei Hallen auf einem GelaÈ nde von 250 000 bis 300 000 qm verwirklicht werden soll. Das Projektvolumen wird mit 382 Mio. VM angegeben. Ein kommerzieller Kredit wurde in Aussicht gestellt. Mit der Aufnahme der vollstaÈ ndigen Produktion 1988 sollten 3 200 Arbeiter in dem Waffenkomplex taÈ tig sein. Es war geplant, 400 Facharbeiter davon in ei- ner dreijaÈ hrigen Ausbildung in der DDR darauf vorzubereiten. Der Probelauf sollte am 1. Januar 1985 starten. Erich Honecker hatte dieses Vorhaben gebil- ligt. In den Verhandlungen zum 3. GWA wurde dieses Projekt nicht erwaÈ hnt. In der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder fanden sich ebenfalls keine Hin- weise. Die Fabrik ist wahrscheinlich nicht errichtet worden.76

75 Konzeption und Entwurf einer Vereinbarung uÈ ber die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Produktion von Handfeuerwaffen im Sozialistischen AÈ thiopien, 31.10.1979. BAZ DY 3022194, BuÈ roMittag. 76 Wie der Sonderbeauftragte fuÈ rAÈ thiopien in einem GespraÈ ch mit dem Verf. mitteilte, hatte er von dieser Planung keine Kenntnis.

132 Nachdem AÈ thiopien am 18. November 1978 den ersten Freundschaftsver- trag mit der Sowjetunion abgeschlossen hatte, wurde der zweite Vertrag AÈ thiopiens mit einem sozialistischen Land am 15. November 1979 unterzeich- net. Dieser Freundschaftsvertrag mit der DDR hatte eine Laufzeit von 20 Jah- ren. Ohne ausdruÈ cklichen Bezug auf den Marxismus-Leninismus wurde die Zusammenarbeit auf fast allen Gebieten vereinbart. Die militaÈ rische Zusam- menarbeit erfuhr, anders als bei Mosambik, keine ausdruÈ ckliche ErwaÈ hnung. Der Sammelbegriff »sowie auf anderen Gebieten« schloû wohl die militaÈ rische Zusammenarbeit mit ein. Auch wuûte die FuÈ hrung der DDR inzwischen um die abenteuerlichen VerhaÈ ltnisse am Horn von Afrika. AuûergewoÈ hnliche oÈ konomische BeschluÈ sse und Impulse gingen von die- sem Besuch nicht mehr aus. Er schloû vielmehr die intensive Phase der Zu- sammenarbeit ab, was laÈ ngst uÈ berfaÈ llig war, und signalisierte das Ende der Ausdehnung der Afrikapolitik der SED.

4.2.2 Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen in den 80er Jahren In den Jahren 1980 bis 1985 wurde vor allem die ErfuÈ llung der Verpflichtun- gen gegenuÈ ber den vertraglich gebundenen »Groûprojekten« in der Kommis- sion EntwicklungslaÈ nder und in Folge in den gemeinsamen Wirtschaftsaus- schuÈ ssen beraten. Immer wieder ging es um die auftretenden MaÈ ngel in den Projekten. In einer zusammenfassenden Information vor der Kommission aus dem Jahre 1982 heiût es: »Die Information bringt eindeutig zum Ausdruck, daû trotz spezieller Be- schluÈ sse des Sekretariates des ZK der SED und des PraÈ sidiums des Mini- sterrates der DDR bei den drei wichtigsten Investitionsobjekten im soziali- stischen AÈ thiopien, die zu Regierungsbedingungen abgeschlossen wurden und unter direkter Kontrolle des Genossen Mengistu Haile Mariam stehen, betraÈ chtliche RuÈ ckstaÈ nde in der ErfuÈ llung eingegangener vertraglicher Ver- pflichtungen, zunehmende QualitaÈ tsmaÈ ngel sowie unzureichende politisch- ideologische, fachliche und stabsmaÈ ûige FuÈ hrungstaÈ tigkeit durch verant- wortliche wirtschaftsleitende Organe der DDR zugelassen wurden. Die ge- genwaÈ rtig eingeschaÈ tzte kritische Lage wird durch eine nicht genuÈ gende Vertragsgestaltung und Beratung des Partners sowie eine fehlerhafte Ge- samtkoordinierung der Realisierung der Aufgabenstellung durch die betei- ligten Betriebe der DDR beguÈ nstigt. Damit wird das Vertrauen des Part- ners in die Leistungskraft der DDR ernsthaft belastet ... Es ist daher nicht verwunderlich, daû der aÈ thiopische Vertragspartner im Hafen Assab durch US-Spezialisten beraten wird.«77

77 Information zu den Objekten »Rekonstruktion des Hafens Assab, Textilfabrik Kombo- cha und Zementfabrik New Mugher« in Sozialistisch AÈ thiopien und Schluûfolgerungen. Vorlage der Kommission EntwicklungslaÈ nder vom 18.3.1982. BAZ DE 154 898/19.

133 Als ranghoÈ chster Politiker hielt sich Erich Honecker zu den Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der aÈ thiopischen Revolution vom 10. bis 13. September 1984 in Addis Abeba auf. Unter anderem weihte er ± gleichsam als Belohnung fuÈ r die im April 1984 nach jahrelangen Vorbereitungen endlich gegruÈ ndete »AÈ thiopische Arbeiterpartei« ± das von Jo Jastram in roten Granit gehauene Karl-Marx-Denkmal ein.78 Errichtet wurde es von den »Entwicklungshelfern« der DDR im Blauhemd, einer zeitweilig eingereisten FDJ-Brigade. WaÈ hrend der DuÈ rrekatastrophe 1984/85 leistete die DDR, nach Abstim- mung in der Kommission EntwicklungslaÈ nder, vor allem durch Lieferungen des SolidaritaÈ tskomitees Hilfe im Wert von 20 Mio. Mark der DDR :Lebens- mittel, Decken, Zelte, Medikamente 35 LKW W 50).79 Eine Flugstaffel mit vier Maschinen der NVA sowie 40 Mann Besatzung und Bodenpersonal betei- ligte sich vom November 1984 bis zum September 1985 an dem internationa- len Einsatz zum Transport von HilfsguÈ tern. Es wurden in 3750 Flugstunden 9200 t HilfsguÈ ter und 4500 Passagiere befoÈ rdert. Der Einsatz kostete 13,6 Mio. Mark der DDR und 3,7 Mio. US-Dollar und wurde aus dem Haus- halt der NVA bezahlt.80 Die Piloten der NVA erwarben sich zum einen hohe Achtung unter der internationalen Fliegercrew, weil sie bei ihren FluÈ gen mit Lebensmitteln und Brotgetreide in die Nordregionen komplizierte, nichtaus- gebaute Pisten anflogen und die Starts und Landungen gut meisterten. Zum anderen stand man ihnen kritisch und miûtrauisch gegenuÈ ber.81 Die NVA-Maschinen beteiligten sich an den Zwangsumsiedlungsprogrammen der aÈ thiopischen MilitaÈ rregierung. Nachdem die NVA-Crew die Nothilfelieferun- gen abgeladen hatte, wurden diese Maschinen auf dem RuÈ ckflug auch fuÈ r den Transport der zur Umsiedlung ausgesuchten Menschen eingesetzt. Offiziell begruÈ ndet wurden die »Verdorfungs- und Siedlungsprogramme« mit einer Umverteilung von Menschen aus bevoÈ lkerungsreichen Gegenden in Gebiete mit geringer Besiedlung und einem groÈ ûeren Angebot an Boden.82 Betroffen von diesen Zwangsmaûnahmen waren vor allem VoÈ lker, mit denen die herr- schende amharische BevoÈ lkerungsgruppe in Konflikten lebte. Meist wurden zur »Verdorfung« nur die MaÈ nner im wehrfaÈ higen Alter herangezogen. Von ihren Familien getrennt, wurden sie uÈ ber Tausende von Kilometern entfernt in geographisch und klimatisch fremden Gegenden angesiedelt. Neben der Entwurzelung litten die Menschen in den »neuen DoÈ rfern« vor allem an Hun- ger, da sie mit den landwirtschaftlichen Anbaumethoden in den neuen Regio- nen nicht vertraut waren. Die Umsiedlungsprogramme waren Teil einer KriegsfuÈ hrung mit stark ethnischem Hintergrund.

78 Auch hier folgte die DDR-FuÈ hrung der Sowjetunion. Diese hatte der Hauptstadt be- reits ein Lenin-Denkmal gestiftet. 79 Abschluûbericht Flugstaffel AÈ thiopien. BAF MA VA-01/32 281, S. 249. 80 Ebenda, S. 19. 81 Ein leitender Mitarbeiter der aÈ thiopischen Botschaft der ehemaligen DDR gegenuÈ ber dem Verf. in einem GespraÈ ch am 14.12.1998. 82 Vgl. Decke, Gert u. a.: Umstrittene Hilfe in AÈ thiopien. Darmstadt 1988.

134 Das mit Hilfe der DDR und Kubas errichtete Zementwerk New Mugher kurz vor seiner Inbe- triebnahme. Hier sollen pro Tag 1000 t Zement hergestellt und damit die Produktion des drin- gend benoÈtigten Baustoffes verdreifacht werden !1984).

Im Mai 1985 wurde in Auswertung der DuÈ rrefolgen ein landwirtschaftliches Groûprojekt mit elf Teilprojekten in der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder beraten und beschlossen. Der Umfang betrug 43 Mio. US-Dollar, die uÈ ber ei- nen Regierungskredit vorfinanziert werden sollten. Die Bedeutung dieses Pro- jektes wurde unterstrichen, indem Gerhard SchuÈ rer, Alexander Schalck, Ger- hard Beil und Wolfgang Rauchfuû gemeinsam bei GuÈ nter Mittag die Bitte um Einbeziehung der Landwirtschaftsvorhaben in den Regierungskredit vor- trugen. Der Fachminister fuÈ r Landwirtschaft war nicht dabei. Die vier Vor- tragenden erachteten das Vorhaben fuÈ rguÈ nstig, da AÈ thiopien die im Land an- fallenden Kosten fuÈ r die DDR-Experten und die Baukosten uÈ bernehmen wuÈ rde.83 Das »Aktionsprogramm zur langfristigen UÈ berwindung der DuÈ rrefolgen« wurde in der fuÈ r die AuûenhaÈ ndler der DDR typischen Weise unterstuÈ tzt. Die Landwirtschaftsvorhaben waren die ersten neuen laÈ ngerfristigen Projekte der DDR in AÈ thiopien seit 1977. Sie standen nicht mehr auf der »Libyenliste« des »Drittlandabkommens«.

83 Brief vom 21.5.1985 an GuÈ nter Mittag. BAZ DL-2-KoKo-3.

135 Im einzelnen ging es um mehrere Milchvieh- bzw. Milchproduktionsanla- gen, um GefluÈ gelhaltung in erheblichen GroÈ ûenordnungen und um Lander- schlieûungsprojekte, u. a. fuÈ r die Getreideproduktion. Ob der Export von in AÈ thiopien geerntetem Getreide in die DDR vorgesehen war, geht aus den Un- terlagen nicht hervor. Durchaus praÈ gend in der staatlichen aÈ thiopischen Landwirtschaft waren die Landmaschinen aus der DDR. Der Landmaschinenexport bietet reichlich Material, um den auf umfangreiche Vollmachten gestuÈ tzten, koordinierenden Einfluû des Bereiches KoKo gegenuÈ ber den Produktions- und Auûenhandels- betrieben zu veranschaulichen. Wurden 1976 Landmaschinen der DDR im Wert von 14,1 Mio. VM in vier EntwicklungslaÈ nder :AÈ gypten, Algerien, Indien und Irak) exportiert, aÈ nderte sich dies im Folgejahr schlagartig. 1977 wurden fuÈ r 197,4 Mio. VM Landma- schinen in fuÈ nf LaÈ nder :Algerien, erstmals Angola, AÈ thiopien und Mosambik sowie Syrien ± alles LaÈ nder aus der Projektliste des »Drittlandabkommens«) exportiert. Insgesamt wurden in dem kurzen Zeitraum von 1977 bis 1980 Traktoren und Landmaschinen mit einem ausgewiesenen Handelswert von 925,3 Mio. VM in diese LaÈ nder ausgefuÈ hrt. Keine weiteren LaÈ nder in der Dritten Welt wurden in diesem Zeitabschnitt mit Landmaschinen »Made in GDR« beliefert. Auf die drei afrikanischen »Schalck-LaÈ nder« entfielen Land- maschinen im Wert von 836,6 Mio. VM, ca. 90 Prozent der gesamten Export- leistungen dieser Branche.84 Die Landmaschinenlieferungen nach AÈ thiopien trugen in diesem Zeitabschnitt mit zum Abbau der Schulden bei. Nach einem Evaluierungsbericht der »Gesellschaft fuÈ r technische Zusam- menarbeit«, Eschborn, vom Oktober 1990 befanden sich 1984 1850 Traktoren aus SchoÈ nebeck/Elbe, 285 MaÈ hdrescher und diverse PfluÈ ge und Drillmaschi- nen in AÈ thiopien. Bis zum Jahre 1990 hatte sich die Anzahl fast verdoppelt. Es wurden 3000 Traktoren und 450 MaÈ hdrescher in AÈ thiopien gezaÈ hlt. Eine von der FDJ immer zur Ernte eingeflogene »Freundschaftsbrigade Werner Lam- berz« unterstuÈ tzte die Ernteeinbringung durch Reparaturleistungen. Auf der Sitzung der Kommission EntwicklungslaÈ nder vom 6. Juni 1989 wird letztmalig uÈ ber AÈ thiopien berichtet und beraten. Alle acht aufgezaÈ hlten Projekte wurden als nicht oder nicht planmaÈ ûig funktionierend eingeschaÈ tzt.

Die aÈ thiopische Regierung unter Mengistu Haile Mariam war ein MilitaÈ rre- gime, das uÈ ber die gesamte Zeit seines Bestehens KaÈ mpfe und Kriege unter- schiedlichster IntensitaÈ t innerhalb des eigenen Territoriums fuÈ hrte.85 Verschie- dene VoÈ lker in AÈ thiopien strebten nach mehr Autonomie oder SouveraÈ nitaÈ t und hatten sich diese von der Revolution erhofft. Viele Amharen oder Abessi-

84 Vgl. Strege, Frank: Die Entwicklungspolitik der DDR 1976±1980. Bonn 1990, S. 70. 85 Ein Beispiel dafuÈ r ist das Leiden und der Kampf des suÈ daÈ thiopischen Volkes der Oro- mo, den Prof. Dr. Gunnar Hasselblatt in zahlreichen Reportagen und BuÈ chern be- schrieben hat. Auf den Beauftragten des Kirchlichen Entwicklungsdienstes in Westber- lin und Mitarbeiter des Berliner Missionswerkes wurde durch den AÈ thiopischen Staatssicherheitsdienst ein Attentat geplant. Beim PraÈ parieren der Briefbombe kam es zu einer Explosion in einem Westberliner Hotel.

136 nier, wie sie sich auch nannten, unterstuÈ tzten und foÈ rderten den aÈ thiopischen Nationalismus des DERG und besonders Mengistu Haile Mariam. Oft waren die nationalen Argumente seine letzten Mobilisierungsmittel. Dieser perma- nente Kriegszustand erzeugte eine Befehls- und Kommandowirtschaft, wie sie AÈ thiopien noch nicht erlebt hatte, und forderte viele, viele Opfer. »Vor allem gegen die BevoÈ lkerung in Eritrea und Tigray fuÈ hrte die aÈ thio- pische Regierung seit der zweiten HaÈ lfte der siebziger Jahre einen er- barmungslosen, systematischen Luftkrieg. Luftangriffe mit Bordwaffen, Spreng- und Splitterbomben sowie Brandwaffen :zum Beispiel Napalm) dienten der Terrorisierung und Demoralisierung der ZivilbevoÈ lkerung, der ZerstoÈ rung der Infrastruktur, der Unterbrechung des Wirtschaftslebens, der Erschwerung von Nahrungsmittelhilfe sowie der Rache fuÈ r Niederlagen auf dem Schlachtfeld.«86 Der Verteidigungsminister der ersten aÈ thiopischen Regierung nach der Flucht von Mengistu Haile Mariam, Siye Abraha, sprach von drei Millionen kriegs- bedingten Toten und einer Million direkt im Krieg umgekommenen Soldaten und ermordeter ZivilbevoÈ lkerung.87 Die Kriegskosten fuÈ r die Zeit von 1974 bis 1990 wurden mit 17 Milliarden US-Dollar beziffert. Selbst in den groÈ ûten HungersnoÈ ten flog die aÈ thiopische Armee Luftangriffe gegen eritreische StaÈ d- te. Ein Angriff mit den sowjetischen MIG-JaÈ gern kostete 40000 US-Dollar, das entspricht einem Wert von 150 t Brotgetreide. Allein im Rechnungsjahr 1987/88 wurden 725 Mio. US-Dollar und damit mehr als 50 Prozent des Staatshaushaltes fuÈ r militaÈ rische und kriegerische Zwecke ausgegeben.88 Die SED-FuÈ hrung hat bis zu ihrem Ende das auch mit stalinistischen Metho- den gegen die eigene BevoÈ lkerung vorgehende Regime des DERG unter Men- gistu Haile Mariam unterstuÈ tzt. Sie lieferte noch 1988/89 Panzer, als Gorba- tschow fuÈ r die Sowjetunion bereits den RuÈ ckzug vom militaÈ rischen Engagement in Afrika verkuÈ ndet hatte. War die DDR-FuÈ hrung 1977 Vorreiter, so stellte sie 1989 fuÈ r die nationalistische MilitaÈ rdiktatur des DERG die Nachhut und galt als einer der letzten VerbuÈ ndeten von Mengistu Haile Mariam.

4.3 Zum Auûenhandel DDR±AÈ thiopien

WaÈ hrend bis 1976 ein jaÈ hrlicher Umsatz von einigen hunderttausend Valuta- mark registriert wurde, konnte 1977, v. a. im zweiten Halbjahr, bereits ein Volu- men von 278 Mio. VM erreicht werden. 1978 wurde dieses Ergebnis in ErfuÈ llung und spekulativer Ausgestaltung des Kaffeeabkommens nochmals um ca. 38 Mio. VM uÈ berboten. Diese enorme Steigerung laÈ ût sich darauf zuruÈ ckfuÈ hren, daû die Beziehungen zwischen der DDR und AÈ thiopien in den Jahren 1977 und 1978 ± aus den beschriebenen GruÈ nden ± am intensivsten waren.

86 Hofmeier, Rolf; Matthes Volker: Die vergessenen Kriege in Afrika. GoÈ ttingen 1992, S. 177f. 87 Ebenda, S. 188. 88 Ebenda, S. 201.

137 Noch 1999 zeugen rostige Panzer aus den BestaÈnden der NVAvom »speziellen Auûenhandel« der DDR mit AÈ thiopien.

Aufgrund der nicht erfolgten VerlaÈ ngerung des Kaffeeabkommens fiel der Auûenhandelsumsatz 1979 um vier FuÈ nftel seines Wertes auf 63 Mio. VM. Der Auûenhandel der achtziger Jahre, soweit nachvollziehbar, umfaûte vor allem Lieferungen der DDR fuÈ r die gemeinsamen Groûprojekte und kommer- ziell zu verrechnende militaÈ rische GuÈ ter. Die DDR kaufte von AÈ thiopien vor allem Kaffee, Felle, HaÈ ute, OÈ lsaaten und HuÈ lsenfruÈ chte, alsofast ausschlieû- lich landwirtschaftliche Produkte. Die auffallend hohen UmsaÈ tze in den Jah- ren 1983 und 1989 sind mit Vereinbarungen uÈ ber umfangreiche Waffenliefe- rungen zu begruÈ nden. In einer Hausmitteilung von Egon Krenz an Erich Honecker vom 5. April 1988 ist zu lesen: »Lieber Genosse Erich Honecker! :¼) Zum aktuellen Stand der Maûnah- me fuÈ rAÈ thiopien melde ich Dir: a) Lufttransport am 30. MaÈ rz durch Inter- flug 19,8t Waffen und Munition. Am 4. April 1988 sind weitere 28t in Ad- dis Abeba eingetroffen. Weitere 140t sind bis 14. April geplant. FluÈ ge uÈ bernimmt Athiopian Airlines. Weitere 100t sind noch geplant. b) Seetransport am 5. April 1988, 2.00 Uhr ist mit MS »Neuhaus« mit 60 LKW W 50 und 973t Waffen, Munition, Uniformen und Schuhen ausge- laufen. Restliche 40 LKW werden zum 12.4. verschifft. Die gesamte Aktion wird durch den Genossen Schalck exakt koordiniert.«89

89 Staadt: Auf hoÈ chster Stufe, S. 69.

138 Ein im Oktober 1984 eingeraÈ umter Regierungskredit in HoÈ he von 100 Mio. US- Dollar war mit Stand vom 5. Juni 1989 zu 66 Prozent ausgeschoÈ pft. Folgende Schwerpunkte wurden daraus vorfinanziert: ± 5,7 Mio. US-Dollar fuÈ r Landtechnik und landwirtschaftliche Projekte, ± 25,2 Mio. US-Dollar Zementwerk New Mugher II, ± 33,7 Mio. US-Dollar der KoKo-Waffenhandelsfirmen IMES und ITA. Die militaÈ rischen Lieferungen entsprachen demnach 50 Prozent der ausge- schoÈ pften Kreditsumme.90 Die intensiven politischen und persoÈ nlichen Kontakte auf hoÈ chster Ebene konnten den Handel beider Staaten ± abgesehen von den Waffen- und Mili- taÈ rlieferungen ± nicht substantiell steigern. Als Ursachen sind vor allem die mangelnde Kreditbereitstellung und eingeschraÈ nkte Produktpalette der DDR in bezug auf AÈ thiopien anzusehen. Und auch die BezugsmoÈ glichkeiten der DDR von aÈ thiopischen Waren und GuÈ tern im »Ware-gegen-Ware-GeschaÈ ft« waren eher gering.

UÈ bersicht uÈber die AuûenhandelsumsaÈtze DDR±AÈ thiopien 1977±1989 91

Jahr Umsatz Einfuhr Ausfuhr 1977 278,2 1978 316,5 1979 63,3 1980 66.841 3.939 62.902 1981 36.319 19.695 16.624 1982 90.398 30.013 60.385 1983 125.675 49.977 75.698 1984 64.396 40.528 23.868 1985 81.940 31.715 50.225 1986 67.382 39.956 27.426 1987 57.207 26.576 30.631 1988 48.064 15.106 32.958 1989 110.172 17.762 92.410

90 Vorlage fuÈ r die Kommission EntwicklungslaÈ nder: Informationen uÈ ber die Durchset- zung der Schluûfolgerungen aus der 9. Tagung der GWA DDR/VR AÈ thiopien, 5.6.1989, eingereicht von W. Rauchfuû und G. Beil. BAZ DE 154 911/32. 91 Angaben von 1976 bis 1979 in 1000 VM, nach: Statistisches Jahrbuch der DDR. Anga- ben von 1980 bis 1989 in effektiven Preisen 1000 DM, nach: Statistisches Bundesamt: Sonderreihe mit BeitraÈ gen fuÈ r das Gebiet der ehemaligen DDR. UmsaÈ tze im Auûen- handel 1975 und 1980 bis 1989. Heft 9, Wiesbaden 1993.

139 4.4 Expertenentsendung und Ausbildungsleistungen

Zieht man die haÈ ufig beteuerte Freundschaft der beiden Regierungschefs und die GroÈ ûe AÈ thiopiens in Betracht, ist die Anzahl der von der DDR entsandten Experten als eher gering anzusehen. 1977, zu Beginn der Zusammenarbeit, waren vier Experten im Einsatz. 1978 wurden 40 Experten fuÈ rAÈ thiopien ein- geplant.92 Der Einsatz von WTZ-Experten der DDR erfolgte vor allem als Ausbilder, Dozenten und Berater. Einen Schwerpunkt der humanitaÈ ren Kooperation bildete das AÈ rzteteam in Gonda. Hier wurde auch eine mittlere medizinische Ausbildung angeboten. In der DDR ausgebildete AÈ rzte konnten in Gonda ihren Facharzt ablegen. Die »kadermaÈ ûige« Absicherung der vertraglich vereinbarten Zahlen fuÈ r den Einsatz in AÈ thiopien war fuÈ r die DDR-Organe nicht leicht zu bewerkstel- ligen. Es gestaltete sich sehr schwierig, ausreichend Personal fuÈ rAÈ thiopien zu finden, u. a. weil oft in gefaÈ hrlichen Spannungsgebieten gearbeitet werden muûte und die Einsatzorte nicht als attraktiv galten. FuÈ r das Studienjahr 1987/88 wird in einer UÈ bersicht der Staatlichen Plan- kommission der DDR zur Aus- und Weiterbildung von Fach- und Hoch- schulkadern mitgeteilt, daû nach UN-Nomenklatur insgesamt 6 906 Auszubil- dende aus EntwicklungslaÈ ndern in der DDR studierten. Als »Nettoaufwand« werden 88,972 Mio. Mark ausgewiesen. Die Finanzierung erfolgte durch das SolidaritaÈ tskomitee. Von den Kadern stellte AÈ thiopien mit 622 Studierenden und beim »Nettoaufwand« von 8,27 Mio. Mark absolut die groÈ ûte Gruppe dar. Das war ein nicht unbedeutender Beitrag zur Entwicklung des Landes am Horn von Afrika. Lediglich elf Regierungsberater der DDR waren 1988 in sechs LaÈ ndern Afrikas im Einsatz. Nur einer von ihnen arbeitete in AÈ thiopien als Leiter der Kommission fuÈ r Hochschulbildung in Addis Abeba. In einer Aufstellung des Bundesministeriums fuÈ r wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung wurden fuÈ r das zweite Halbjahr 1990 53 Experten aus der :noch nicht beigetretenen) DDR in AÈ thiopien aufgefuÈ hrt: ± 5 Experten fuÈ r Lehrer-Aus- und -weiterbildung, vor allem in naturwissen- schaftlichen FaÈ chern, ± 11 FachkraÈ fte fuÈ r Lehrer-Aus- und -weiterbildung, vor allem fuÈ rPaÈ dago- gik, Psychologie, Marxismus-Leninismus, Mathematik und Polytechnik, ± 12 FachkraÈ fte als Lehrplangestalter im Erziehungsministerium, ± 5 FachkraÈ fte als Methodik-Dozenten in der Lehrer-Aus- und -weiterbil- dung, ± 5 Dozenten fuÈ r Land- und Forstwirtschaft,

92 Vgl. Bericht uÈ ber den Einsatz von DDR-Experten in EntwicklungslaÈ ndern Asiens und Afrikas mit Schluûfolgerungen fuÈ r eine staÈ rkere Konzentration auf SchwerpunktlaÈ nder und fuÈ r die Schaffung einer groÈ ûeren Kaderreserve. Staatliche Plankommission :SPK), Herbst 1977. BAZ DE 154882, Anlage 1.

140 DDR-Dozenten bei der Ausbildung von Hochschulkadern an der Technischen FakultaÈt der Uni- versitaÈt in Addis Abeba !1988).

± 12 Dozenten an der UniversitaÈ t in Addis Abeba fuÈ r Chemie, Bauwesen, Kraftfahrzeugtechnik und Philosophie :auslaufend), ± 2 Dozenten fuÈ r die Deutschausbildung, ± 2 StaÈ dteplaner beim Stadtrat von Addis Abeba, ± 1 Fachkraft als Laborleiter beim Ministerium fuÈ r Bergbau und Energie, ± 1 Fachkraft fuÈ r Binnenfischaufzuchtanlagen, ± 1 Fachkraft fuÈ rlaÈ ndliche Infrastrukturfragen im Landwirtschaftsministerium, ± 1 Fachkraft fuÈ r Bodenuntersuchungen und DuÈ ngemitteleinsatzberatung beim Ministerium fuÈ r die Entwicklung der staatlichen Farmen. Die Expertenentsendung erfolgte fuÈ rAÈ thiopien nur teilweise unentgeltlich. Schon im Jahre 1979 stellte die aÈ thiopische Regierung die Forderung an die DDR, sie solle alle Personalentsendungen als Schenkung gewaÈ hren. Auch die Sicherheitsorgane der DDR unterhielten Kontakte nach AÈ thio- pien. Eine alle Experten und Berater zusammenfassende »Ministerratsgrup- pe« soll im Durchschnitt 20 Personen umfaût haben. Die meisten von ihnen waren vom MfS entsandt worden. JaÈ hrlich unterstuÈ tzte das Sicherheitsmini- sterium AÈ thiopien mit zwischen zwei und vier Mio. Mark durch Materialliefe- rungen. Der Einfluû des MfS in AÈ thiopien wird als eher gering eingeschaÈ tzt. Doch soll nicht vergessen werden, daû die DDR-FuÈ hrung in AÈ thiopien ein fuÈ r afrikanische VerhaÈ ltnisse ausgesprochen antiemanzipatorisches und ent- wicklungshemmendes Herrschaftssystem bis zu seiner eigenen AufloÈ sung un- terstuÈ tzt hat und ihm freundschaftlich verbunden war.

141 5 Zur Zusammenarbeit mit Mosambik

Im Vergleich mit anderen EntwicklungslaÈ ndern unterhielt die FuÈ hrung der DDR die intensivsten Kontakte zu Mosambik, dem an der KuÈ ste des indi- schen Ozeans lang gestreckten Land im suÈ dlichen Afrika. Zeitweise weilten bis zu 1200 BuÈ rger der DDR gleichzeitig in diesem Staat, in dem in den 70er Jahren weniger als 15 Millionen Einwohner lebten. Die Mehrzahl der BevoÈ l- kerung war kaum aÈ lter als 20 Jahre. Mosambik nahm seit der portugiesischen Kolonialzeit einen der letzten PlaÈ tze in den internationalen Listen entwick- lungspolitischer Indikatoren und sozialer Wohlfahrt ein. Zeitweise wurde es als das aÈ rmste Land der Welt eingestuft. Im Landesdurchschnitt muûten die Menschen mit weniger als einem US-Dollar pro Tag ihr Leben bestreiten. Fast 20000 Mosambikanerinnen und Mosambikaner arbeiteten im Rah- men von Ausbildungsvorhaben, als Vertragsarbeiter in den ehemaligen Volks- eigenen Betrieben oder lernten als Studenten zwischen 1976 und 1990 in der DDR. Dort waren sie fuÈ r viele die einzigen »Boten« aus dem fernen Afrika.

Reparatur von FahrraÈ dern in der Region von Chimoio/Mosambik

142 Weit uÈ ber 80 VertraÈ ge und Regierungsabkommen wurden zwischen beiden LaÈ ndern abgeschlossen, um die umfangreichen und komplizierten staatlichen Beziehungen zu gestalten. Die Berichterstattung in den Medien der DDR zu Mosambik war vergleichsweise umfangreich. Meist kamen die gemeinsamen Erfolge in Afrika zur Sprache. SolidaritaÈ t mit Mosambik galt in der DDR als Sache des Herzens und als Verschluûsache.

5.1 Von den AnfaÈ ngen bis zum Jahr 1977

Die Kontakte der FuÈ hrung der SED und damit auch die Verbindungen der DDR zur FRELIMOlassen sich bis in die AnfaÈ nge des Widerstandes gegen die portugiesische Kolonialmacht zu Beginn der 60er Jahre zuruÈ ckverfolgen. Am 25. Juni 1962 wurde aus drei unterschiedlichen mosambikanischen Be- freiungsbewegungen in Tansania die Vereinigte Befreiungsfront fuÈ r Mosam- bik =FRELIMO) gegruÈ ndet. Bald danach kam es zur ersten Kontaktaufnahme mit der DDR.1 Im Fe- bruar 1963 schrieb der damalige FRELIMO-SekretaÈ rfuÈ r internationale Be- ziehungen und heutige Regierungschef von Mosambik, Marcelino dos Santos, einen Brief an das »Komitee der DDR fuÈ r die SolidaritaÈ t mit den VoÈ lkern Afrikas«, erlaÈ uterte die BeschluÈ sse des 1. FRELIMO-Kongresses vom Sep- tember 1962 und bat um UnterstuÈ tzung fuÈ r den antikolonialen Kampf. »¼ so schreibt er, daû die eigenen Anstrengungen des Volkes von Mosam- bik das Wichtigste fuÈ r seine Befreiung seien, daû aber die internationale So- lidaritaÈ t das Erlangen der UnabhaÈ ngigkeit beschleunigen und dazu beitra- gen koÈ nne, nicht mehr so viele Menschenleben opfern zu muÈ ssen.«2 Er wandte sich im gleichen Zeitraum auch an die anderen sozialistischen LaÈ n- der, einschlieûlich der VR China. Daraufhin plante das Komitee fuÈ r SolidaritaÈ t 1963 20000 Mark der DDR zur UnterstuÈ tzung der FRELIMOein. Im gleichen Jahr sah der Planansatz 100000 M fuÈ r die Befreiungsbewegung in Angola, 75000 M fuÈ r die Befrei- ungsbewegung in SuÈ drhodesien und 50000 M fuÈ r den ANC in SuÈ dafrika vor.3 Bis zur Ermordung des FRELIMO-PraÈ sidenten, Eduard Mondlane, der in den USA studiert hatte, 1969 betrugen die materiellen Hilfslieferungen, die vor allem die Camps in Tansania mit VerbrauchsguÈ tern versorgten, zwischen 150000 und 200000 Mark. Mit der UÈ bernahme der FRELIMO-PraÈ sidentschaft durch Samora Machel im Jahre 1970 kam es zur Intensivierung der Kontakte mit LaÈ ndern des Ost- blocks. Gleichzeitig wurde versucht, die Kontakte zur VR China aufrechtzu- erhalten. So reiste Samora Machel im August 1971 und im FruÈ hjahr 1975 nach Peking. Dos Santos weilte schon im Sommer 1963 in China und erreichte

1 Vgl. Graf, Herbert: Volksrepublik Mosambik ± Werden und Wachsen eines jungen Staa- tes. Berlin 1984, S. 204. 2 Heyden, Ulrich van der; Schleicher, Hans-Georg; Schleicher, Ilona: Die DDR und Afri- ka zwischen Klassenkampf und neuem Denken. MuÈ nster 1993, S. 196. 3 Ebenda.

143 im September 1977 die Wiederaufnahme der nach der Kulturrevolution unter- brochenen chinesischen Entwicklungshilfe.4 Im Jahre 1971 nahm Samora Ma- chel am VIII. Parteitag der SED in Berlin teil. Bis 1977 weilte er wenigstens dreimal in der DDR, wobei er auch von Erich Honecker empfangen wurde.5 Die ranghoÈ chsten RepraÈ sentanten der FRELIMOund der SED fanden in Sympathie zueinander. Die Mosambikaner sahen in der DDR ein besonders erfolgreiches Land, das seinen Aufbau gemeistert hatte und stetig zu neuen Erfolgen voranschritt. Dieses Bild praÈ gte sich ihnen ein, da sie die Kontakte in der erfolgreichsten Etappe der DDR ausbauten, in den Jahren zwischen 1970 und 1975. Die DDR strahlte international in leuchtenden Farben und war inzwischen aner- kannt. Sie hatte mit Erich Honecker einen neuen ersten Mann, der ohne groûe Probleme scheinbar sicher das Land stabil halten und aus dem internationalen KraÈ ftegleichgewicht Mitte der 70er Jahre Gewinn ziehen konnte. Die Ostpoli- tik der Regierung Brandt hatte Gestalt angenommen, die »Hallstein-Doktrin« war gescheitert und passe . Daû die FuÈ hrung der DDR maûgeblich am RuÈ ck- tritt von Bundeskanzler Willy Brandt beteiligt war, verstaÈ rkte ihre Leucht- kraft eher noch. Hinzu kam, daû Mitglieder der leitenden SED-Gremien, obwohl erheblich aÈ lter, biographische SchluÈ sselerlebnisse hatten, die den schwarzafrikanischen Politikern durchaus vertraut waren: Widerstand gegen ein faschistisches Regime, Untergrundarbeit, GefaÈ ngnis, militaÈ rische Lei- tungsstrukturen und Exil. Das kannten die jungen Eliten aus dem eigenen Kampf. Die gemeinsame Basis des Widerstandes ± hier gegen deutschen Fa- schismus, da gegen portugiesischen Kolonialismus und suÈ dafrikanischen Ras- sismus ± befoÈ rderte bereits in der zweiten HaÈ lfte der 60er Jahre eine im Ver- gleich zu anderen kommunistischen Parteien Osteuropas groûe NaÈ he und damit staÈ rkere materielle UnterstuÈ tzung. Auûerdem hatte die DDR aufgrund der innerdeutschen Grenze eine gewisse Sonderrolle in den Systemauseinandersetzungen zwischen Ost und West inne. Sie nutzte aktiv das schlechte Image der Bundesrepublik zur Aufpolierung des eigenen Ansehens. TaÈ glich beschaÈ ftigte sich die DDR-FuÈ hrung mit dieser oÈ ko- nomischen und militaÈ rischen Konfrontation bzw. Herausforderung. Existenz- sorgen und Entscheidungen zur Materialversorgung waren ihr vertraut. So wurden materielle SolidaritaÈ tsleistungen fuÈ r die Camps der FRELIMO, meist in Tansania, eingeplant. Auch weilten einige Lehrer aus der DDR zur Unter- stuÈ tzung des Unterrichts und der Didaktik in den Schulen der FRELIMO- Camps. Der respektable Ruf, den die DDR in weiten Teilen der jungen National- staaten genoû, kommt in einer Rede von Peter Onu, stellvertretender General- sekretaÈ r der Organisation fuÈ r Afrikanische Einheit =OAU), zum Ausdruck, die er aus Anlaû des Besuches von Oskar Fischer im OAU-Hauptquartier in

4 Vgl. Stark, Christoph: Die Auûenpolitik der VR China in Afrika 1969 bis 1983 unter besonderer BeruÈ cksichtigung des suÈ dlichen Afrika. Frankfurt/M. 1990, S. 175ff. 5 Vgl. Staatliche Plankommission der DDR: Zu den oÈ konomischen Beziehungen der DDR zu der VRM, 1.11.1977. BAZ DY 30 22 190.

144 Addis Abeba im Dezember 1976 hielt. In seiner Rede sparte er nicht mit Pa- thos: »Wir wissen, daû wir nicht die Mittel fuÈ r eine Auszeichnung der DDR fuÈ r ihre UnterstuÈ tzung haben. Ich kann Ihnen jedoch versichern, daû, wenn die Geschichte des afrikanischen Befreiungskampfes geschrieben wird, der Na- me der DDR wie der unserer anderen sozialistischen Freunde mit goldenen Lettern geschrieben wird.«6 Drei weitere Punkte muÈ ssen erwaÈ hnt werden, will man die besondere QualitaÈ t der Beziehungen der DDR zu Mosambik verstehen. In bezug auf die BevoÈ lkerungsstaÈ rke und die Ausdehnung des Territoriums sah sich die FuÈ hrung des zukuÈ nftigen Mosambiks eher mit der DDR in gleich- berechtigter Partnerschaft als mit der Sowjetunion. Afrika bot sich als guter Nebenschauplatz des Ost-West-Konfliktes mittle- rer IntensitaÈ t an. Die beiden deutschen Staaten lieûen sich in diese Auseinan- dersetzungen willig hineinziehen. UÈ ber viele Jahre waren die Gesandtschaften der Bundesrepublik in Afrika noch von Geist und Absicht der »Hallstein- Doktrin« gepraÈ gt. Mit einem Regierungs- und Politikwechsel in Bonn erfolgte nicht automatisch eine Umorientierung der beamteten diplomatischen Vertre- ter in den bundesdeutschen Auslandsvertretungen. Durch die langjaÈ hrige UnterstuÈ tzung des NATO-Partners Portugal galt die damalige Bundesregierung als konservativ bis profaschistisch. Noch 1979 ± fuÈ nf Jahre nach der Nelkenrevolution in Portugal ± bemerkte der inzwischen zum StaatspraÈ sidenten ernannte Samora Machel waÈ hrend eines GespraÈ ches mit Erich Honecker, nachdem er von der faschistischen Gefahr SuÈ dafrikas be- richtet hatte, in bezug auf die BRD: »Sie haben den Hitlergeist noch nicht auf- gegeben. Sie verstecken das jetzt hinter der Sozialdemokratie.«7 AÈ hnliche Ein- schaÈ tzungen verbanden die zwei »Frontstaaten«. WaÈ hrend die DDR der BRD an einer der markantesten Grenzen der weltweiten Systemauseinander- setzung die Stirn bot, sahen sich nicht nur die mosambikanische StaatsfuÈ h- rung, sondern auch groûe Teile des Volkes durch die NaÈ he zu SuÈ dafrika eben- falls als Teil dieser Konfrontation. Sie waren mit Leib, Seele und Hof davon bedroht und identifizierten sich mit dem Kampf der schwarzen SuÈ dafrikaner gegen das Apartheidregime. Zu den gemeinsamen Punkten, die durch den ideologischen Gleichklang verstaÈ rkt wurden, muû die Erringung der internationalen Anerkennung ge- rechnet werden. Beide Seiten wurden 1972 durch die VoÈ lkergemeinschaft der

6 Protokoll des PolitbuÈ ros vom 11.1.1977: Reise des Ministers fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegen- heit O. Fischer nach Ostafrika. BAZ DY 30 J IV 2/2 A 2035, Bl. 40. 7 Stenografische Mitschrift des GespraÈ ches von S. Machel und E. Honecker vom 22.2.1979 16.00Uhr bis 21.00Uhr. In: Bericht uÈ ber den offiziellen Freundschaftsbesuch einer Partei- und Staatsdelegation der DDR unter Leitung des GeneralsekretaÈ rs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, in der SLAVJ =Sozialistische Libysche Arabische Volksjamahiriya) 15.±17.2.1979, in der VR Angola =17.±20.2.1979), in der Republik Sambia =20.±22.2.1979), in der Volksrepublik Mosambik =22.±24.2.1979) sowie uÈ ber die Begegnungen mit den FuÈ hrern der SWAPO =SuÈ dwestafrikanische Befreiungsbewegung) von Namibia, der Patriotischen Front von Simbabwe und des ANC von SuÈ dafrika. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-2214, Bd. 2, Bl. 40.

145 Vereinten Nationen als legitime Vertreter ihrer VoÈ lker anerkannt. Die FRE- LIMOerhielt die Anerkennung, in Wu È rdigung ihres antikolonialen Befrei- ungskampfes, durch die Zuerkennung eines UN-Beobachterstatus. Die DDR wurde mit der Bundesrepublik an einem Tag, in der gleichen Versammlung als Vollmitglied in die Vereinten Nationen aufgenommen. Durch die alphabe- tische Reihenfolge sogar noch vor ihr. Ein auf dem Sportfeld gewohntes, aber auf dem diplomatischen Parkett seltenes Ereignis fuÈ r die DDR. Eine Vielzahl von spezifischen AnknuÈ pfungspunkten ergab eine gute Grundlage fuÈ r intensive Beziehungen. Beispielhaft ist, daû Samora Machel, als er noch nicht StaatspraÈ sident der Republik Mosambik war, sondern »nur« Chef einer Befreiungsbewegung, einzig in Ostberlin ± sonst in keiner anderen Hauptstadt ± mit dem vollen Protokoll eines StaatspraÈ sidenten begruÈ ût wur- de.8 Das war keine Taktik, das war Ausdruck von NaÈ he und Respekt. Zu gut kannten die Politiker der DDR noch die drittklassigen EmpfaÈ nge in den Ne- benhallen der internationalen FlughaÈ fen waÈ hrend ihrer BemuÈ hungen um staatliche SouveraÈ nitaÈ t und diplomatische Anerkennung. Folgerichtig wurde schon am 24. Mai 1975, einen Monat vor der Prokla- mierung der UnabhaÈ ngigkeit der Republik Mosambik, die Aufnahme der di- plomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten vereinbart. Die offizielle UnabhaÈ ngigkeitserklaÈ rung Mosambiks und die Einsetzung der Regierung un- ter Samora Machel erfolgte am 26. Juni 1975. Zum UnabhaÈ ngigkeitstag reiste allerdings nur eine kleine Delegation unter Leitung von Bernhard Quandt, SED-SekretaÈ r des Bezirkes Schwerin und Mit- glied des Staatsrates der DDR, nach Mosambik. Die Bundesregierung war konsequenterweise von der mosambikanischen StaatsfuÈ hrung nicht zu den of- fiziellen Feierlichkeiten eingeladen worden. In der BegruÈ ndung zum Beschluû der »Teilnahme einer Delegation der DDR an den Feierlichkeiten anlaÈ ûlich der Proklamierung der VR Mosambik am 26. Juni 1975« des Ministeriums fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten heiût es, daû »die Entwicklung zum Sozialismus beguÈ nstigt wird durch die FRELIMO und ein im VerhaÈ ltnis zu anderen Staaten des subsaharischen Afrika hoÈ her entwickeltes Niveau der Infrastruktur und der Industrialisierung«.9 Man sah in der ehemaligen portugiesischen Kolonie durchaus Entwicklungspotentiale und erkannte Unterschiede zu zentralafrikanischen Staaten. Im Widerspruch zur ideologischen und politischen NaÈ he, den sozialoÈ kono- mischen Notwendigkeiten, aber auch den potentiellen Entwicklungsvorausset- zungen des Landes nahm die FuÈ hrung der DDR eine abwartende Position ein, wenn auch im Gegensatz zu anderen Industriestaaten auf vergleichsweise hohem Niveau. Der Beschluû des PolitbuÈ ros zur Auswertung der Reise umfaût ein eher ge- ringfuÈ giges UnterstuÈ tzungsprogramm fuÈ r das nun gaÈ nzlich unabhaÈ ngige und aufgrund seiner politischen Isolierung besonders beduÈ rftige Mosambik. Die Liste der beschlossenen Maûnahmen enthaÈ lt sieben Punkte:

8 Vgl. GespraÈ ch mit Prof. H. Matthes am 9.12.1998, im Anhang. 9 Beschluû des PolitbuÈ ros am 18.6.1975. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-1903.

146 ± zwei Berater fuÈ r das Innenministerium, ± eine Zusammenstellung von wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen der DDR, ± die Abhaltung eines Seminars zu Fragen von Staat und Recht, ± zwei Berater fuÈ r Landwirtschaftsfragen, vier Fachlehrer fuÈ r Landwirtschaft und zehn bis 14 AusbildungsplaÈ tze auf dem Gebiet der Landwirtschaft in der DDR, ± sechs bis sieben Bildungsplaner fuÈ r das Volksbildungsministerium, ± drei Stipendien fuÈ r FachaÈ rzte, die Behandlung von FRELIMO-KaÈ mpfern und StaatsfunktionaÈ ren bis zu 60 Krankenhauswochen, fuÈ nf Ausbildungs- plaÈ tze fuÈ r Krankenschwestern und die schnellstmoÈ gliche Entsendung von zwei bis drei AÈ rzten sowie ± einen Berater fuÈ r die Rekonstruktion des Informationswesens.10

FuÈ r die spaÈ ter so wichtigen und als strategisch angesehenen Ministerien Pla- nung, Industrie oder Bergbau waren keine Berater der DDR vorgesehen. Bit- ten der Regierung um Kooperationsangebote in diesen fuÈ r die Entwicklung als bedeutend eingeschaÈ tzten Bereichen sind anzunehmen. Die Massenflucht der Portugiesen aus Mosambik war im Juni 1975 weitgehend abgeschlossen. In allen SchluÈ sselbereichen der Verwaltung und Industrie fehlte es an ausge- bildetem Personal. Internationalisten stroÈ mten ins Land. Portugiesische Kom- munisten, chilenische Exilanten, skandinavische Protestanten. Johannes Vogel, erster Botschafter der DDR in Mosambik, erhielt indes bei seinem Amtsantritt ausdruÈ cklich Instruktion, bei der Entwicklung oÈ kono- mischer Beziehungen ZuruÈ ckhaltung zu uÈ ben.11 Ende 1976 wurde vom Einsatz von 28 BuÈ rgern der DDR in Mosambik be- richtet.12 FuÈ r den Dezember 1976 bereitete man die erste Ostafrikareise von Auûenminister Oskar Fischer vor. Im Vergleich zu den spaÈ teren oÈ konomi- schen Kraftakten wurden eher defensive Ziele durch das PolitbuÈ ro am 23. No- vember 1976 definiert: »Die Hauptzielrichtung der Reise besteht darin, die politische PraÈ senz der DDR in diesem Raum weiter zu verstaÈ rken und die solidarische Verbunden- heit mit dem Kampf dieser Staaten und VoÈ lker um Freiheit und UnabhaÈ n- gigkeit, gegen imperialistische und rassistische UnterdruÈ ckung und Bevor- mundung unter den gegenwaÈ rtigen Bedingungen zu demonstrieren. Das ist besonders auch deshalb notwendig, da fuÈ r eine oÈ konomische Zusammenar- beit mit diesen LaÈ ndern keine oder nur geringe MoÈ glichkeiten bestehen.«13

10 Zur weiteren Entwicklung der Beziehungen zur VR Mosambik. Beschluû des PolitbuÈ - ros vom 5.8.1975. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-1905. 11 Vgl. Engel, Ulf; Schleicher, Hans-Georg: Die beiden deutschen Staaten in Afrika: Zwi- schen Konkurrenz und Koexistenz. Hamburg 1998, S. 110. 12 Vgl. Ausarbeitung des MfAA vom 29.4.1978: Zur Zusammenarbeit mit der VR Mo- sambik. BAZ DE 1 55151. Die Vorlage wurde von H. Axen, O.Fischer und P.Markow- ski eingebracht. 13 Beschluû des PolitbuÈ ros vom 23.11.1976: Reise des Ministers fuÈ r AuswaÈ rtige Angele- genheiten der DDR Oskar Fischer nach Ostafrika. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-2021.

147 In der »Konzeption fuÈ r die GespraÈ che des Ministers« wird eine Vielzahl von Einzelpunkten zur ErlaÈ uterung der BeschluÈ sse des IX. Parteitages der SED vom FruÈ hjahr des Jahres aufgezaÈ hlt. Unter der UÈ berschrift »Meinungsaus- tausch mit dem jeweiligen Partner« werden lediglich drei auûenpolitische Stichworte genannt: ±WuÈ rdigen der bisherigen Beziehungen auf Grundlage der antiimperialisti- schen SolidaritaÈ t und des gegenseitigen Vorteils, ± Vertiefung der politischen Zusammenarbeit durch Konsultation in Abstim- mung mit dem UN-System, ± weiterer Ausbau der Vertragsbeziehungen und FortfuÈ hrung der KWZ und WTZ unter Beachtung der Einheit von Auûen- und Auûenwirtschaftspoli- tik.14 Die Reise fand vom 9.bis21. Dezember 1976 statt. Oskar Fischer besuchte Madagaskar, AÈ thiopien und Mosambik sowie Tansania und Kenia. In Hin- blick auf Mosambik kann die Reise als Versuch gewertet werden, die guten politischen Beziehungen nicht erkalten zu lassen, auch wenn die DDR-FuÈ h- rung fuÈ roÈ konomische oder entwicklungspolitische Projekte keine besonderen Voraussetzungen sah. Das PolitbuÈ ro wertete die Reise als groûen Erfolg, da Oskar Fischer nicht nur der erste Auûenminister eines sozialistischen Landes, sondern der erste Auûen- minister uÈ berhaupt war, der Mosambik nach der UnabhaÈ ngigkeit besuchte. Die Regierung von Mosambik lieû laut Protokoll des DDR-Auûenministe- riums mitteilen, daû sie im Bestreben um mehr oÈ konomische UnabhaÈ ngigkeit mehr UnterstuÈ tzung von den sozialistischen LaÈ ndern erwarte, und unterbrei- tete VorschlaÈ ge: ± schnelle Aufnahme eines Fischereiabkommens zur Regelung des Groûgar- nelenfangs,15 ± Entsendung eines Experten fuÈ r Nachrichtenwesen, ± Hilfe bei der Nutzung der KohlevorraÈ te fuÈ r die DuÈ ngemittelproduktion, ± Teilnahme an der Leipziger Messe und Aufnahme von Auûenhandelsbezie- hungen, ± Bitte um fuÈ nf auûenpolitische Berater.16 Es wurde angeordnet, daû eine Konzeption fuÈ r die UnterstuÈ tzung Mosambiks erarbeitet werden soll. Zur Frage einer moÈ glichen Sicherheitspartnerschaft heiût es: »Die Verbreitung von GeruÈ chten uÈ ber die angebliche Anwesenheit von Si- cherheitskraÈ ften der DDR und die Existenz sowjetischer MilitaÈ rstuÈ tzpunkte dient dazu, die WeltoÈ ffentlichkeit auf eine moÈ gliche Aggression gegen die VRM vorzubereiten.«17

14 Ebenda. 15 Das Fischereiabkommen legte fest, daû 50 % des Fanges Mosambik behaÈ lt und 50 % die DDR bekommt, mit deren Trawlern gefischt wurde. Vergleichbare Abkommen gab es auch mit der Sowjetunion. 16 Protokoll des PolitbuÈ ros vom 11.1.1977: Reise des Ministers fuÈ r AuswaÈ rtige Angele- genheit Oskar Fischer nach Ostafrika. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-2035, Bl. 40. 17 Ebenda.

148 Hinweise auf eine Kooperation der Sicherheitsapparate fanden sich in den eingesehenen Berichten des Auûenministers an das PolitbuÈ ro nicht. Nach einigem Abwarten intensivierte die DDR ihre UnterstuÈ tzung der Volksrepublik Mosambik eher zoÈ gerlich. Die FuÈ hrung der SED verfuÈ gte zu diesem Zeitpunkt uÈ ber keine Konzepte, die den UÈ bergang von der Beihilfe in den Exilcamps der FRELIMOzu den Bitten einer Regierungsmacht in einem FlaÈ chenstaat haÈ tten begleiten koÈ nnen. Die Interessen gegenuÈ ber den jungen Nationalstaaten gingen uÈ ber die Darstellung der eigenen Positionen und Poli- tik kaum hinaus. Trotz klarer Bitten der mosambikanischen FuÈ hrung scheute man vor einem oÈ konomischen Engagement noch zuruÈ ck.

Im Februar 1977 fand der erste FRELIMO-Kongreû nach der errungenen UnabhaÈ ngigkeit auf heimischem Boden statt. 300 Delegierte versuchten unter Anleitung der FRELIMO-FuÈ hrung einen Entwicklungsweg fuÈ r Mosambik zu finden. Die Versammlung ist als III. FRELIMO-Kongreû in die Geschichte Mosambiks eingegangen. Als Entwicklungsstrategie wurde ein »groûer Sprung« mittels groûflaÈ chiger landwirtschaftlicher Einheiten, Vorrang der in- dustriellen Groûprojekte vor baÈ uerlicher Familienstruktur und Einsatz von »Dynamisatoren«18 festgelegt. Die waÈ hrend der BefreiungskaÈ mpfe eingetrete- ne Stagnation sollte uÈ berwunden und das Produktionsniveau vom Jahre 1973 bis zum Jahr 1980 wieder erreicht werden. Den sozialistischen Staaten in Eu- ropa wurde bei diesem Vorhaben eine gewichtige Rolle zugedacht. Auf diesem Kongreû sprach PolitbuÈ romitglied Werner Lamberz als rang- hoÈ chster osteuropaÈ ischer Politiker. Die Sowjetunion hatte nur einen Abtei- lungsleiter aus dem ZK der KPdSU entsandt. Innerhalb der Delegation der SED fungierte der zustaÈ ndige Abteilungsleiter fuÈ r Afrika bzw. die Entwick- lungslaÈ nder beim ZK der SED als SekretaÈ r der Delegation.19 Das MfS hatte auf Bitten der FRELIMOvor dem III. Kongreû in Schnellkursen fuÈ r diese Groûveranstaltung die Anleitung und das Training von Spezialeinheiten des Personen- und Staatsschutzes uÈ bernommen. Bei der Stabilisierung der Macht engagierte sich die DDR fruÈ hzeitig durch UnterstuÈ tzungen im Rechts-, Staats- und Sicherheitswesen. Ihre Sicherheitsorgane galten nicht nur bei befreunde- ten Bewegungen und Eliten als besonders erfolgreich. Am Rande des Kongresses kam es zu einem Treffen zwischen Werner Lamberz und PraÈ sident Samora Machel. Die Rede von Werner Lamberz vor den Delegierten muû die FuÈ hrung der FRELIMOsehr beruÈ hrt haben. Mit be- eindruckenden Worten beschreibt Samora Machel die Beziehungen zur SED: »Die SED hat uns von Anfang an verstanden, uns Vertrauen entgegenge- bracht und unsere Erfahrungen respektiert. Sie hat uns nichts aufgezwun- gen, sondern gab ein Beispiel echter bruÈ derlicher Zusammenarbeit. Wir bewundern die DDR sehr. Oftmals stehen wir vor den gleichen Grundpro-

18 Das waren meist junge Menschen, die, begeistert von der UnabhaÈ ngigkeit oder ge- schickt von der FRELIMO, in entfernte Gegenden des Landes fuhren, die Erkenntnisse der FRELIMOverbreiteten und den neuen Staat mit aufbauen bzw. andere zum Auf- bau ermuntern sollten. 19 Vgl. GespraÈ ch mit Dr. Friedel Trappen am 19.5.1999, im Anhang.

149 blemen. Sie haben den staÈ rksten imperialistischen Gegner Europas an ihrer Grenze. Und wir haben SuÈ dafrika. Das unterschaÈ tzen wir nicht. Aber unser Problem ist nicht, was unsere Feinde uÈ ber uns sagen. Wir wissen, was wir wollen. Wir haben uns fuÈ r den Fortschritt, fuÈ r den Sozialismus entschieden. Wir werden Kommunisten. =¼) Die SED stellt keine Diplome uÈ ber revolu- tionaÈ res Verhalten aus, wie andere. =¼) Unsere oÈ konomischen Beziehungen werden noch viele Impulse durch die politischen Beziehungen erhalten. Selbst wenn es in oÈ konomischen Fragen Schwierigkeiten geben sollte, poli- tisch halten wir fest zusammen.«20 Diese persoÈ nliche Begegnung und das klare Bekenntnis zum Sozialismus der inzwischen zur marxistisch-leninistischen Partei erklaÈ rten FRELIMOlieûen immer engere Bande zwischen beiden LaÈ ndern entstehen. Vorrang aber hatte der Ausbau der Parteibeziehungen. Werner Lamberz, der keine wirtschaftli- che Verantwortung im PolitbuÈ ro und Sekretariat des ZK der SED trug, sprach trotz des wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Schwerpunktes des FRELIMO-Kongresses kaum oÈ konomische Fragen an. Zumindest spie- gelt sich das in seinem Bericht nicht wider. Er vereinbarte lediglich die zeitwei- se Entsendung von drei Gesellschaftswissenschaftlern zur Erstellung von Par- teilehrbuÈ chern, eines Genossen fuÈ r die DurchfuÈ hrung von Wahlen und bot fuÈ r drei FRELIMO-Genossen einen Urlaubsaufenthalt in der DDR an. Im Ge- genzug sollten zwei Genossen der SED im Urlaub die SonnenaufgaÈ nge am In- dischen Ozean genieûen duÈ rfen. Der Bericht uÈ ber den III. FRELIMO-Kon- greû schlieût: »Das ZK der SED beauftragt das SolidaritaÈ tskomitee der DDR, verbindliche Festlegungen mit der Partei der FRELIMOuÈ ber die Ver- staÈ rkung der SolidaritaÈ t zu treffen.«21 Die Ergebnisse dieser Reise von Werner Lamberz stehen noch ganz in der »Tradition« des Abwartens und des Ausbaus der »weichen« Parteibeziehun- gen. Zu diesem Zeitpunkt begrenzte auch die sogenannte Kaderfrage in der DDR die EinsatzmoÈ glichkeiten der DDR-Experten. Es gab nur sehr wenige Interessenten mit Auslandserfahrungen und ausreichenden Sprachkenntnis- sen, denn die Neuordnung und Erweiterung der Regionalwissenschaften22 er- folgte erst ab 1979 an drei UniversitaÈ ten der DDR.

Im FruÈ hjahr 1977 gingen bei der SED-FuÈ hrung immer deutlichere Meldungen von der die Existenz gefaÈ hrdenden Devisenknappheit ein. Im Juni unternahm Werner Lamberz seine verwegene Kaffeefahrt durch mehrere afrikanische LaÈ nder. Am 28.Juli1977 beschloû das PolitbuÈ ro die Exportoffensive gegenuÈ ber Ent- wicklungslaÈ ndern und faûte den innenpolitisch brisanten Kaffeebeschluû.

20 Protokoll des PolitbuÈ ros vom 15.2.1977: Bericht uÈ ber den III. FRELIMO-Kongreû vom 3.±7.2.1977. BAZ DY J IV 2/2 A-2044. 21 Ebenda. 22 In den Regionalwissenschaften wurden vor allem Sprach- und WirtschaftsstudiengaÈ nge der EntwicklungslaÈ nder kombiniert. Vgl. Hafez, Kai: Orientwissenschaften in der DDR ± Zwischen Dogma und Anpassung 1969±1989. Hamburg 1995.

150 Erich Honecker 2.v.r.) und Werner Lamberz r.) empfangen den SekretaÈr des ZK der FRELIMO, Jorge Rebelo, 2.v.l.) am 25. Juli 1977 in Berlin.

Unmittelbar darauf, am 29.Juli1977, wurde Dieter Uhlig von Alexander Schalck-Golodkowski beauftragt, fuÈ r einen laÈ ngerfristigen Einsatz nach Mo- sambik zu gehen.23 Gleichzeitig wurde zum Stand der Wirtschaftsbeziehungen mitgeteilt: »Obwohl seitens der DDR eine Botschaft im Lande dort seit 2 Jahren be- steht sowie auch Berater, insbesondere auf dem Gebiet Landwirtschaft, ein- gesetzt wurden, ist bisher keine Entwicklung der Auûenhandelsbeziehungen zustande gekommen. Es wird eingeschaÈ tzt, daû bestimmt MoÈ glichkeiten be- stehen ¼« 24 Zur beabsichtigten Einbeziehung Mosambiks in die Exportoffensive waren diesem Auftrag intensive Beratungen des Sekretariates des ZK der SED vor- ausgegangen. Das Sekretariat beriet am 18. Juli1977 uÈ ber einen Besuch des FRELIMO-SekretaÈ rs fuÈ r Propaganda, Jorge Rebelo, der sich als »Counter- part« zum PolitbuÈ ro-SekretaÈ r Werner Lamberz, der ebenfalls fuÈ r Propaganda zustaÈ ndig war, in der DDR aufhielt. Am 19.Juli1977 beriet das Sekretariat uÈ ber den »Bericht uÈ ber die TaÈ tigkeit der Spezialistendelegation des Ministeri-

23 Vgl.Treffbericht von IM »Henry« vom 1.8.1977. BStU MfS AJM 7735/91, Bd.3, Bl.236. 24 Ebenda.

151 ums fuÈ r Geologie in der VR Mosambik in der Zeit vom 05.bis 28. Juni1977«. Wie es zur Anforderung bzw. zur Entsendung der Geologen gekommen war, konnte bisher nicht ermittelt werden. Der Bericht stellt die MoÈ glichkeit der Erkundung und FoÈ rderung von Mineralen und Metallen in Aussicht. Am 29.Juli1977 wurden Dieter Uhlig wie auch die fuÈ r die UnterstuÈ tzung des FRELIMO-Apparates vorgesehenen Gesellschaftswissenschaftler entsandt. Die UÈ bereinstimmung des Entsendungstages muû nicht direkt abgestimmt ge- wesen sein. Zufall war es jedoch nicht. Hand in Hand gingen der Gesell- schaftswissenschaftler fuÈ r die Ideologie und der AuûenhaÈ ndler fuÈ r den Ge- winn nach Mosambik. In der Folge der Beratungen im Juni und Juli wurden drei StuÈ tzen ver- staÈ rkt, die lange Zeit das GeruÈ st der Zusammenarbeit zwischen beiden LaÈ n- dern bilden sollten: ideologische UnterstuÈ tzung und Anleitung der propagan- distischen und kadermaÈ ûigen Arbeit zwischen beiden Einheitsparteien, die Exportoffensive der DDR mit der Absicht der Rohstoffsicherung und als ver- mittelndes Element Regierungsberatungen fuÈ r den Staatsaufbau und zur Ab- sicherung der prognostizierten Ergebnisse der hektisch einsetzenden Zusam- menarbeit. Den Zeitpunkt zu diesem Sprung in eine neue QuantitaÈ t der Kooperation bestimmten vor allem die oÈ konomischen und finanziellen Schwierigkeiten in der DDR. Es wurde von seiten der DDR erwartet, daû aus dem Handel mit Mosambik Gewinne erzielt werden koÈ nnten, um den chronisch defizitaÈ ren Westhandel der DDR-Wirtschaft mit zu entlasten. Auch die schon laÈ nger vor- liegenden umfangreichen Erwartungen und Bitten der mosambikanischen Re- gierung foÈ rderten das staÈ rkere Engagement. Im Unterschied zu AÈ thiopien, wo eine akute Krise durch die Kaffeeimporte gemeistert werden sollte, wurden die ErtraÈ ge aus dem Handel mit Mosambik eher mittelfristig erhofft. Die Troika Ideologietransfer, Auûenwirtschaft und Regierungsberatung fand sich, wenn auch in abgewandelten Formen, unter den Begriffen: ord- nungs- und rechtspolitischer Rahmen, Exportorientierung und Consulting auch in vielen westlichen entwicklungpolitischen Konzepten wieder.

Schon wenige Wochen spaÈ ter, zur Leipziger Herbstmesse 1977, konnte eine hochrangige Delegation aus Mosambik begruÈ ût werden. Umfangreiche Ver- einbarungen wurden unterschrieben. Bis zum 15. November 1977 brachten beide Seiten zusaÈ tzliche, weitreichen- de Abkommen mit wirtschaftlichen Inhalten zwischen der DDR und Mosam- bik unter Dach und Fach.25 Bereits im Oktober 1977 fand ± vergleichbar dem auslandspolitischen Darstellungswert der Industriemesse vom November 1977 in Addis Abeba ± in Maputo eine »Woche der Freundschaft DDR ±Mo- sambik« statt. Die DDR praÈ sentierte sich als progressives, weltoffenes Indu- strieland im Herzen des fernen Europa, das seinen BuÈ rgern beachtlichen

25 Vgl. Beauftragter fuÈ r Verhandlungen betreffend die UÈ berleitung voÈ lkerrechtlicher Ver- traÈ ge der DDR: Schreiben vom 14.9.1992. AuswaÈ rtiges Amt, Bonn. 50A ± 505.27/a DDR/MOS.

152 Wohlstand bieten konnte. Ein Straûenzug wurde in dieser Woche in »Straûe der DDR« umbenannt. Der Einsatz von Sonderbeauftragten des ZK der SED aus dem Hause Ko- Ko trug entscheidend dazu bei, daû Lieferungen der DDR in wenigen Mona- ten vertraglich gebunden, »transportmaÈ ûig« abgesichert und tatsaÈ chlich voll- zogen wurden. Jedes Handelsschiff war langfristig verplant und kannte seine Routen Jahre im voraus. Die Kaplinie war urspruÈ nglich nicht vorgesehen. Ge- neraldirektoren verfolgten neben den groûen, zentralen PlaÈ nen ihre eigenen PlaÈ ne und warteten ± trotz der Absatzprobleme ± nicht auf Exportoffensiven in LaÈ nder, auf deren Boden die eigenen Vertreter noch nie einen Fuû gesetzt hatten. Es bedurfte besonderer logistischer FaÈ higkeiten, nicht nur im laufen- den FuÈ nfjahrplan, sondern mitten im produktionstechnisch rollenden Jahr eine Exportoffensive von erheblichem Ausmaû zu starten. Das vermochte nur der Bereich Kommerzielle Koordinierung mit seinem Mix aus oÈ konomischer Stimulation, der Extraversorgung zuverlaÈ ssig mitarbeitender Betriebe mit technologischen Einrichtungen und Instrumenten aus dem Westen und dem Verweis auf die HoÈ he der Etage, in der die BeschluÈ sse beraten wurden. Von den Verantwortlichen der DDR wurde die Beauftragung von KoKo vor allem als hochrangige politische Entscheidung und weniger als von oÈ konomischen ErwaÈ gungen und Zielen bestimmt angesehen.26 Der Stand der politischen Beziehungen zu Mosambik im Herbst 1977 wur- de in einem Bericht der Staatlichen Plankommission wie folgt zusammenge- faût: »Aufgrund des groûen Vertrauens, das die DDR bei der FuÈ hrung der FRELIMOund der VRM besaû, bestanden gute Voraussetzungen, die Be- ziehungen der SolidaritaÈ t und des gegenseitigen Vorteils weiterzuentwickeln und einen Beitrag zur weiteren Festigung des antiimperialistischen Zusam- menwirkens der sozialistischen Staatengemeinschaft mit den jungen Staaten sozialistischer Orientierung Afrikas zu leisten.«27 Innerhalb eines Vierteljahres hatte sich die Politik gegenuÈ ber Mosambik deut- lich gewandelt. SolidaritaÈ t wurde auf die Handelskooperation bezogen, die ausgehandelten Wirtschaftsformen als solidarischer Ausdruck der Beziehun- gen verstanden. Es kam ab Sommer 1977 zur verstaÈ rkten oÈ konomischen Nutzung der im Vergleich zu AÈ thiopien und Angola langjaÈ hrigen Beziehungen. Die kurzzeitige »EffektivitaÈ t« der akquirierten AbschluÈ sse ist beeindruckend. Innerhalb weniger Wochen vervielfachte sich der Auûenhandelsumsatz zwi- schen beiden LaÈ ndern. Die DDR-Wirtschaft erwies sich als liefer- und damit als leistungsfaÈ hig. Der Regierungskredit gab den Kombinaten die finanzielle Ab- stuÈ tzung. Die Zuordnung Mosambiks zum »Nichtsozialistischen Wirtschaftsge- biet«, zur Dollar-Region, hatte eine stark stimulierende Wirkung. Gleichzeitig war diese Einteilung eine der Voraussetzungen, daû der Bereich KoKo an dem

26 Vgl. GespraÈ ch mit Prof. H. Matthes am 9.12.1998, im Anhang. 27 Staatliche Plankommission: Zu den oÈ konomischen Beziehungen der DDR zur VRM, 1.11.1977. BAZ DY 30 22 190.

153 AfrikageschaÈ ft Interesse hatte und beteiligt wurde. Da die Bezahlung ausge- waÈ hlter Fahrzeuge und AusruÈ stungen zu einem spaÈ teren Zeitpunkt ± vor allem durch noch zu schuÈ rfende Rohstoffe ± festgelegt wurde, sah man in Mosambik die Lieferungen der DDR in den ersten Jahren auch als Hilfe an. Bezeichnend fuÈ r diese Art der Wirtschaftsanbahnung und des Auûenhan- dels ist das »Sofortprogramm« vom September 1977.

5.1.1 Das »Sofortprogramm« vom 13. September 1977

Auf der Leipziger Herbstmesse wurde am 13. September 1977 eine »Vereinba- rung zur schnellen Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit« mit ei- ner Laufzeit bis Ende 1978 abgeschlossen, welche u. a. DDR-Exporte nach Mosambik in HoÈ he von 68,7Mio.VM und Importe aus Mosambik in HoÈ he von 4,3Mio.VM vorsah.28 Im Rahmen dieser Vereinbarung lieferte die DDR kurzfristig 1010 LKW W50 und bevorzugt Landmaschinen, Straûen- und Nachrichtentechnik. UnterstuÈ tzung sollte bei der Reparatur und dem Ausbau des Stromnetzes und bei der Produktion von GuÈ terwaggons gegeben werden. Mosambik verpflichtete sich »uÈ ber die in der Vereinbarung auf dem Gebiet der Geologie und des Bergbaus vom 13. September 1977 genannten minerali- schen Rohstoffe hinaus, die DDR bevorzugt mit landwirtschaftlichen Pro- dukten und Erzeugnissen, insbesondere CashewnuÈ sse, Tee, Sisal, Copra, Ei- weiûfuttermittel und ZitrusfruÈ chte, zu beliefern«.29 Der zugunsten der DDR per 31.Dezember 1978 zu erwartende Saldo in HoÈ he von 80Mio.VM wurde mit einer Laufzeit von fuÈ nf Jahren bei RuÈ ckzahlung ab 30. Juni1979 in zehn Halbjahresraten und einem Zinssatz von 5 Prozent p.a. kreditiert. Dazu be- schloû das Sekretariat des ZK der SED am 11.Oktober 1977 die GewaÈ hrung eines Regierungskredites in HoÈ he von 50 Mio. VM. Die Bitte der mosambikanischen Regierung, den ersten umfangreichen Kre- dit mit guÈ nstigen RuÈ ckzahlungskonditionen zu vereinbaren, wurde aus Prin- zip abgelehnt, weil befuÈ rchtet wurde, daû ein solches Beispiel in anderen LaÈ n- dern Schule machen koÈ nnte. Dabei erwarteten die Mosambikaner keine entwicklungspolitischen Sonderkonditionen von unter 1Prozent, sondern nur die eher uÈ blichen 3 Prozent bei einer ruÈ ckzahlungsfreien Zeit von fuÈ nf Jahren und einer Gesamtlaufzeit von zwoÈ lf Jahren. Dem Wunsch wurde nicht ent- sprochen. Vielmehr lieû Schalck seine Vorstellungen hinsichtlich der Kredit- vergabe kernig enden: »Dieser Standpunkt der DDR sollte auch in dem vorgesehenen GespraÈ ch Genosse Stoph, Genosse Lamberz, Genosse Machungo unmiûverstaÈ ndlich dargelegt werden ¼ Mit kommunistischem Gruû.«30

28 Vgl. Bericht uÈ ber die Verhandlungen mit der Regierungsdelegation der VRM vom 6.bis13.9.1977 in Leipzig und Berlin, 21.9.1977. BAZ DY 30 22 190. 29 Ebenda. 30 Brief von A. Schalck an G.Mittag vom 8.9.1977. BAZ DY 30 22 190.

154 Die Mosambikaner lenkten ein, akzeptierten den Kreditrahmen und bezogen die Fahrzeuge. Unterschiede in oÈ konomischen Fragen sollten ja die politische Gemeinsamkeit nicht gefaÈ hrden. Das »Sofortprogramm« schuf gemeinsam mit dem Regierungskredit die Basis fuÈ r eine Reihe weiterer, nachgeordneter VertraÈ ge. Ebenfalls auf der Herbstmesse 1977 wurden auch die Vereinbarung auf dem Gebiet der Geologie und des Bergbaus und ein Bankabkommen unter- schrieben. Im »Geologie-Abkommen« erklaÈ rte sich die DDR kurzfristig zur Entsendung von immerhin 38 Spezialisten bereit, wenn es zum Abschluû kom- merzieller VertraÈ ge kommen sollte. Kommerzielle VertraÈ ge bedeuteten in diesem Fall die Bezahlung der Lei- stungen der Experten durch zu liefernde mineralische Rohstoffe. WuÈ rden keine Rohstoffe in die DDR geliefert werden koÈ nnen ±, so verbrieften die Ver- traÈ ge ±, blieben die wertmaÈ ûig erfaûten Leistungen der ostdeutschen Geolo- gen als Forderungen der DDR in US-Dollar erhalten, verzinsten sich entspre- chend den Abkommen und behielten aufgrund der »HartwaÈ hrungsklausel« ihre prinzipielle RuÈ ckzahlungsnotwendigkeit auf Basis des US-Dollars bei. Als Direktive fuÈ r die Verhandlungen wurde vor der Messe festgelegt: »Zur Realisierung des Sofortprogrammes sind alle MoÈ glichkeiten zur Ver- lagerung von Importen aus dem WaÈ hrungsgebiet KD nach der VRM voll wirksam zu machen. DaruÈ ber hinaus sind von der mosambikanischen Seite angebotene Warenlieferungen maximal durch Erschlieûungen von MoÈ glich- keiten fuÈ r den Reexport dieser Waren in Anspruch zu nehmen.«31 Die Namen der Mineralien klingen wie aus einer Schatztruhe und stachelten wohl kraÈ ftig die HaÈ ndlerphantasien an: Asbest noch nicht, aber Kupfererzkon- zentrat, Tentalerz, Feldspat, Quarz, Glimmer, Industrieberyl, Wismut, Li- thium, Kaolin, Bentonit, Achat, Granat, Smaragd, Perlit, Obsidian. Funkelnde Edelsteine aus Schwarzafrika gaben den neuen Beziehungen einen besonderen Glanz. Das erste Kohleabkommen wurde ebenfalls abgeschlossen. Am 15. November 1977 unterschrieben in Berlin der DDR-Auûenhandels- minister, Horst SoÈ lle, und der Minister fuÈ r Planung und Entwicklung von Mosambik, Marcelino dos Santos, das »Abkommen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Volksrepu- blik Mosambik uÈ ber die wirtschaftliche, wissenschaftliche und technische Zu- sammenarbeit«. Die DDR erreichte die Lieferung und Montage von kompletten Industrie- anlagen, die Ausarbeitung von Dokumentationen und DurchfuÈ hrungsunterla- gen sowie die Entsendung von Experten vor allem im Zusammenhang mit An- lagen- und AusruÈ stungslieferungen auf kommerzieller Basis. Mosambik verpflichtete sich zur bevorzugten Lieferung von mineralischen Rohstoffen, einschlieûlich Kohle, an die DDR, deren FoÈ rderung in Zusammenarbeit mit der DDR erfolgen sollte. Grundlage der Abkommen waren die BeschluÈ sse des

31 Ebenda. Unter Reexport wurde der Weiterverkauf der aus Mosambik importierten Rohstoffe auf dem Weltmarkt verstanden. Die DDR trat damit unter bestimmten Um- staÈ nden als Konkurrent Mosambiks auf.

155 IX. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, die als Orien- tierung eine enge und solidarische Zusammenarbeit mit den vor kurzem unab- haÈ ngig gewordenen Staaten mit sozialistischer Orientierung vorsahen, und die BeschluÈ sse des III. Parteitages der FRELIMOzur Schaffung der materiellen, technischen und wissenschaftlichen Grundlagen fuÈ r den UÈ bergang zum Sozia- lismus. »Angesichts der Notwendigkeit, das in beiden Staaten bestehende wirt- schaftliche und wissenschaftliche Potential zu nutzen, anerkennen die Ab- kommenspartner ¼ =die) allgemein anerkannten Prinzipien des VoÈ lker- rechts, insbesondere die Prinzipien der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, der souveraÈ nen Gleichheit und des gegenseitigen Vor- teils.«32 So die PraÈ ambel des Abkommens. Die mosambikanische Regierung vertraute diesen Worten und erhoffte sich eine schnelle Industrialisierung ihres Landes, die Erschlieûung ihrer ReichtuÈ mer und eine erweiterte Rohstoffgewinnung zur Finanzierung ihrer weit gesteckten Ziele. Zudem sollte eine Verringerung der Nachteile und SchaÈ den durch die Embargos und HandelsbeschraÈ nkungen westlicher Staaten erreicht werden. Die groÈ ûten oÈ konomischen Hoffnungen gegenuÈ ber einem RGW-Land wurden dabei in die Kooperation mit der DDR gesetzt. Mit dem auf der Leipziger Herbstmesse 1977 unterzeichneten »Sofortpro- gramm« begann der Aufbau des Grundstockes fuÈ r die Auslandsschulden Mo- sambiks gegenuÈ ber der DDR. Die uÈ berdimensionierten Vorhaben, die vorwiegend ohne realistische Er- tragsberechnungen und RisikoeinschaÈ tzungen fuÈ r beide Seiten begonnen wur- den, aber auch mangelnder Respekt vor den Gegebenheiten eines afrikani- schen Landes, fehlende Kenntnis und die UÈ berschaÈ tzung der eigenen materiellen und personellen Voraussetzungen in der DDR erwiesen sich im nachhinein als die ersten Glieder einer Kette von Schulden, Zinsen und neuen Schulden.

5.2 Die Abkommen der DDR mit Mosambik

Der besondere Charakter der Beziehungen der DDR zu Mosambik kommt im System der abgeschlossenen VertraÈ ge, Abkommen, Vereinbarungen und Protokolle zum Ausdruck. Mit keinem anderen afrikanischen Land wurde eine vergleichbar groûe Anzahl von VertraÈ gen abgeschlossen.33 Die zentrale

32 Abkommen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Volksrepublik Mosambik uÈ ber die wirtschaftliche, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit vom 15.11.1977. Politisches Archiv des AuswaÈ rtigen Am- tes, Auûenstelle Berlin, o. Sig. 33 Mehr als 70 Abkommen und Vereinbarungen auf staatlicher Ebene konnten ermittelt werden. Vgl. Butters,Hannelore: Zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Mosambik. In: Heyden, Ulrich van der; Schleicher, Hans-Georg; Schleicher, Ilona: Die DDR und Afrika zwischen Klassenkampf und neuem Denken. MuÈ nster 1993, S. 165ff.

156 Leitung der auûenpolitischen und auûenwirtschaftspolitischen Vorhaben und Maûnahmen durch die Partei- und StaatsfuÈ hrung der DDR benoÈ tigte ein um- fassendes Vertragsregime auf politischer bzw. administrativer Ebene. Von 55 im Politischen Archiv des AuswaÈ rtigen Amtes, Auûenstelle Berlin, aufgefuÈ hr- ten und noch erhaltenen VertraÈ gen regelten 42 vor allem wirtschaftliche Ange- legenheiten.34 Einige vom Gegenstand her eher politischen VertraÈ gen zuzu- ordnende Dokumente schufen Voraussetzungen fuÈ r die wirtschaftliche Zusammenarbeit, wie der »Vertrag uÈ ber Freundschaft und Zusammenarbeit« vom 24.Februar 1979 oder das Luft- und Seefahrt- bzw. das Paûabkommen. Ein Abkommen uÈ ber die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gesundheits- und Sozialwesens wurde erst 1981 abgeschlossen. GemaÈ û Einigungsvertrag =Art. 12) uÈ bernahm die Bundesrepublik voÈ lker- rechtlich abgeschlossene VertraÈ ge der DDR mit Mosambik, um zu pruÈ fen, wieweit diese erloschen sind bzw. noch Verpflichtungen enthalten. Am 4.Au- gust1992 wurde fuÈ r 48 VertraÈ ge das ErloÈ schen bekanntgegeben.35 Neun VertraÈ ge bedurften zu diesem Zeitpunkt noch der PruÈ fung. Es handelte sich ausnahmslos um VertraÈ ge der wirtschaftlichen, d. h. kommerziellen Zusam- menarbeit und um Umschuldungs- bzw. Stundungsabkommen fuÈ r ehemalige Warenlieferungen und Kredite.36 Forderungen aus den Beziehungen der DDR gegenuÈ ber Mosambik sind durch die Bundesregierung auf diese Weise fiskalisch erhalten und gesichert worden. Die Bundesrepublik erkannte mit der UÈ bernahme dieser VertraÈ ge ih- re Inhalte, den Charakter sowie die Wege und UmstaÈ nde ihres Zustandekom- mens an. WaÈ hrend die Bundesregierung fast das gesamte diplomatische Corps der DDR und die staatlichen AuûenhaÈ ndler nicht in den Staatsdienst der Bundes- republik uÈ bernahm und dafuÈ r gar Sonderbestimmungen erlieû, sicherte sie sich aus den VertraÈ gen die bestehenden Forderungen und damit die FruÈ chte der Arbeit von Berufsgruppen, die sie aufgrund der Beurteilung ihrer fruÈ heren TaÈ tigkeit meinte nicht weiter beschaÈ ftigen zu koÈ nnen.

34 Leider konnten wichtige VertraÈ ge zur Expertenentsendung oder zu den mosambikani- schen Vertragsarbeitern nicht vorgelegt werden. 35 Lt. Schreiben des AuswaÈ rtigen Amtes vom 14.9.1992 an 17 Bundesministerien zuzuÈ g- lich des Bundeskanzleramtes =50 A-505.27/4 DDR/MOS) wird zur »Behandlung voÈ l- kerrechtlicher VertraÈ ge der DDR mit der VRM nach Herstellung der Einheit Deutsch- lands« mitgeteilt, daû eine fuÈ r Januar1992 anberaumte Konsultation beider Staaten uÈ ber die Behandlung der 57 VertraÈ ge zwischen beiden Staaten nicht stattfand, »da die mosambikanische Seite sich bei Ankunft der deutschen Delegation hierzu auûerstande erklaÈ rte«. Eine KlaÈ rung sollte uÈ ber den Notenweg erfolgen. Per Verbalnote vom 24.3. 1992 wurde eine Liste von 48 VertraÈ gen uÈ bermittelt, die als »erloschen« gelten sollten. Bis zum 15.5.1992 erhob die Regierung von Mosambik dagegen keinen Einwand. Per Bekanntmachung vom 4.8.1992 im Bundesgesetzblatt Teil II, S. 615ff. wurde das ErloÈ - schen veroÈ ffentlicht. 36 Unter anderem handelt es sich um das grundlegende Abkommen uÈ ber wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 15.11.1977, die Vereinbarung zur wirtschaftlichen Zusammenar- beit 1980 bis 1985, den Briefwechsel zum Regierungskredit vom 20.9.1980 in HoÈ he von 75 Mio. US-$ =als Warenverrechnungskredit), die drei Stundungsabkommen von 1983, 1985 und 1989 sowie die Warenlisten vom 13.1.1989 und 19.1.1990.

157 Armeegeneral Heinz Hoffmann 4.v.r.) empfaÈngt eine MilitaÈrdelegation der VR Mosambik unter Leitung des Verteidigungsministers, Alberto Joaquim Chipande, 4. v. l.) am 16. August 1980.

5.3Zur Reise Erich Honeckers nach Mosambik im Februar 1979

Bis zur Afrikareise von Erich Honecker im Februar 1979 wurde intensiv an der Umsetzung und ErfuÈ llung des »Sofortprogrammes« gearbeitet. Die Ver- traÈ ge endeten in der Regel im Dezember 1978. Sonderbeauftragter Dieter Uh- lig reiste mehrmals zur Kontrolle dieses Programmes nach Mosambik. Vom 4. bis 10. Juli 1978 fand in Maputo die erste Sitzung des Gemeinsamen Wirtschaftsausschusses statt. Sieben Unterkommissionen wurden gebildet: 1. Auûenhandel, Finanzen und wirtschaftliche Zusammenarbeit, 2. Bergbau und Geologie, 3. Industrie und Energie, 4. Landwirtschaft, 5. Berufsausbildung und ArbeitskraÈ fte, 6. Fischfang, 7. Transport und Nachrichtenwesen. Die Liste verdeutlicht den komplexen Anspruch der oÈ konomischen Beziehun- gen. VordergruÈ ndig waren immer die kommerziellen AbschluÈ sse. Zum Beispiel verhandelte die Unterkommission »Berufsbildung und Ar- beitskraÈ fte« unter anderem, um die in fruÈ heren Abkommen unentgeltlich von der DDR durchgefuÈ hrte Berufsausbildung zu kommerzialisieren. Im ersten

158 Anlauf konnte die Zielstellung, bis 1985 200 bis 300 mosambikanische Werk- taÈ tige37 auf kommerzieller Basis in der DDR auszubilden, nicht sofort durch- gesetzt werden. Die mosambikanische Seite bestand ausdruÈ cklich auf den be- deutend guÈ nstigeren Bedingungen des bestehenden WTZ-Abkommens. Dieser Punkt sollte spaÈ ter erneut verhandelt werden.38 Ungeachtet dieses strittigen Punktes reisten die ersten mosambikanischen Praktikanten in die DDR ein, wie am 6. September 1978 das »Neue Deutschland« meldete. Auf der politi- schen Ebene wurde, neben vielen anderen Punkten, auch dieser Dissens aus den Unterverhandlungen geregelt. Noch vor der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages wurde »im Grundsatz« versucht, die gesamte BildungsunterstuÈ tzung zu kommerzialisie- ren. Daû dies nicht immer vollstaÈ ndig durchgesetzt werden konnte, aÈ ndert an der Absicht und Beschluûlage nichts. Gelegentlich stand den Absichten der DDR-Delegation eine feste Position des mosambikanischen Partners gegen- uÈ ber, beziehungsweise ein Untergruppenmitglied der DDR setzte die Vorga- ben von »oben« nicht vollstaÈ ndig um, weil er sie nicht teilte. Manche Be- schluÈ sse und Projekte wurden in ihrer Zielrichtung und in ihren Ausmaûen zum Teil erheblich veraÈ ndert und den afrikanischen VerhaÈ ltnissen unauffaÈ llig angepaût. Beispiele dafuÈ r finden sich leider nicht in den abgelegten Akten. Sie waren aber durchaus solidarische Praxis der »internen Ebenen« und in Afrika vielfach notwendig.

Im Februar 1979 flog eine groûe Partei- und Regierungsdelegation der DDR in verschiedene LaÈ nder Afrikas. Vom 19.bis zum 24.Februar 1979 weilte sie in Mosambik. Es wurde der »Vertrag uÈ ber Freundschaft und Zusammenar- beit« mit einer Laufzeit von 20 Jahren durch Erich Honecker und der Vertrag uÈ ber die langfristige wirtschaftliche Zusammenarbeit bis 1990 durch GuÈ nter Mittag unterzeichnet. Der diplomatische HoÈ hepunkt der Beziehungen zwi- schen beiden LaÈ ndern war mit diesem Besuch erreicht. Innerhalb von nur zwei Jahren, von Februar 1977 bis Februar 1979, entwarfen, vereinbarten und ent- falteten beide Staaten vielfaÈ ltigste Beziehungen. FuÈ r jede Seite stellten diese Dimensionen Neuland dar. Die staatstragende FRELIMO-Partei fuÈ hrte und verwaltete erstmals ein Land. Die DDR hatte bisher in Afrika keine umfangreichen Erfahrungen sam- meln koÈ nnen und verfuÈ gte kaum uÈ ber fuÈ r diese Aufgaben ausreichend ausge- bildetes Personal. Zeit fuÈ r eine gruÈ ndliche Vorbereitung lieû in der Regel die zentralistische Kommandostruktur nicht zu.

37 Damit sind nicht die »Vertragsarbeiter« gemeint. 38 Vgl. Schleicher, Ilona: Berufsausbildung und Wirtschaftsbeziehungen DDR±Mosam- bik. In: Heyden, Ulrich van der; Schleicher, Hans-Georg; Schleicher, Ilona: Engagiert fuÈ r Afrika ± die DDR und Afrika II. MuÈ nster 1994, S. 179ff. Zwischen 1978 und 1988 wurden 750 Mosambikaner und Mosambikanerinnen in 12 Fachrichtungen in der DDR ausgebildet; weitere 822 SchuÈ ler der »Schule der Freundschaft« in Staûfurt er- hielten eine Berufsausbildung. Sie wurden mit dem Ende des Aufenthaltes in der DDR fast alle in die mosambikanische Armee eingegliedert. Ebenda, S. 190ff.

159 BegruÈûungder Partei- und Staatsdelegation der DDR in Maputo/Mosambik am 22. Februar 1979.

Die weitgehend nicht vorhandenen Voraussetzungen sollten durch parteikon- trollierte FuÈ hrung, Sondervollmachten und Einsatz auf der »persoÈ nlichen Ebene« ausgeglichen werden. Jedenfalls bis eine breite Ausbildung, genuÈ gend Sachkenntnis und Routine vorlaÈ gen, welche die Kontakte haÈ tten versachli- chen koÈ nnen.

Das Gesamtpaket der politischen und oÈ konomischen VertraÈ ge vom Fe- bruar 1979 wurde durch den ersten Vertrag »UÈ ber die zeitweilige BeschaÈ fti- gung mosambikanischer WerktaÈ tiger in sozialistischen Betrieben der DDR« ergaÈ nzt. Dieser sah weniger eine gediegene Berufsausbildung als vielmehr ein Lernen in der Produktion vor. Durch die DDR wurden dabei vor allem zwei Ziele verfolgt: Sie wollte ihr chronisches ArbeitskraÈ ftedefizit verringern und gleichzeitig junge Mosambikaner durch Anlernphasen in den volkseigenen Betrieben auf den spaÈ teren Einsatz in den gemaÈ û den VertraÈ gen zu errichten- den Groûprojekten vorbereiten. Bei den Berechnungen der zu erwartenden EffektivitaÈ t der Groûprojekte kam diesen »Kontingenten« des jungen Proleta- riates eine groûe Rolle zu. Die mosambikanische Seite erkannte in dem Ver- trag eine gute MoÈ glichkeit, jungen Mosambikanerinnen und Mosambikanern BeschaÈ ftigung und Verdienst anbieten zu koÈ nnen. FuÈ rs erste wurde die Ent- sendung von 2000 WerktaÈ tigen vereinbart.

160 Neben der OÈ konomie war die weitere Ausgestaltung der politischen Bezie- hungen bedeutsam. Sie waren notwendig, um bei strittigen oÈ konomischen Fragen die als gemeinsam angesehenen Ziele nicht aus den Augen zu verlie- ren. Bei dem Staatsbesuch im Februar 1979 kam es zudem zu wechselseitigen Beteuerungen der Notwendigkeit der UnterstuÈ tzung im Kampf gegen Impe- rialismus und Neokolonialismus. Auch das Versprechen gemeinsamen und vorteilhaften Handelns wurde erneuert. Mit dem Paragraphen 10 im »Vertrag uÈ ber Freundschaft und Zusammenarbeit« wurde eine Beistands- bzw. Konsul- tationsklausel aufgenommen, die sich in vergleichbaren VertraÈ gen mit AÈ thio- pien und Angola nicht wiederfindet. Sie lautet: »Falls eine Situation entsteht, die den Frieden bedroht oder ihn verletzt, werden die hohen vertragschlieûenden Seiten unverzuÈ glich miteinander in Kontakt treten, um ihre Position zur Beseitigung der entstandenen Gefahr bzw. zur Wiederherstellung des Friedens abzustimmen.«39 Dieser Paragraph kann als Ausdruck des besonderen Interesses der DDR am jungen Mosambik verstanden werden. Immerhin operierte eine stattliche An- zahl von BuÈ rgern der DDR in potentiellen und tatsaÈ chlichen militaÈ rischen Krisenregionen. Dieses Konsultationsversprechen im Konfliktfall ging die DDR-FuÈ hrung weniger in militaÈ rischer Absicht, geschweige denn mit aben- teuerlichen Zielen ein. Vielmehr hatte sie Interesse, ihre vergleichsweise hohen Auslandsinvestitionen und die DDR-BuÈ rger zu schuÈ tzen. Der Vertrag uÈ ber die wirtschaftliche Zusammenarbeit faûte fuÈ r das kom- mende Jahrzehnt die Wirtschaftsziele und Groûprojekte beider LaÈ nder zu- sammen. Unter anderem wurde der Saldenausgleich im Auûenhandel bis 1985 festgeschrieben. Mit der Unterschrift vom WirtschaftssekretaÈ r des ZK der SED, GuÈ nter Mittag, erhielt dieser Vertrag eine herausgehobene Bedeutung. Mosambik feierte die DDR-Delegation und Erich Honecker. »Die Presse schrieb anschlieûend, daû das bisher der begeistertste Empfang war, der je einem auslaÈ ndischen Staatsoberhaupt in der VRM zuteil wurde. =¼) Ich habe nie ein Land erlebt, in dem der Begriff SED, oder wie es in der portugiesischen AbkuÈ rzung heiût, PSUA, groûen Teilen der BevoÈ lke- rung so gewohnt und fluÈ ssig von den Lippen geht, als wuÈ rde sie diesen Aus- druck mehrmals taÈ glich benuÈ tzen.«40 StaatspraÈ sident Samora Machel hatte die Delegation auch auf dem gemeinsa- men Empfang als »Vertreter aller VoÈ lker, die Frieden und Gerechtigkeit lie- ben« aÈ uûerst herzlich begruÈ ût und sie gebeten, »sich wie zu Hause zu fuÈ h- len«.41 Die SED sei fuÈ r die FRELIMOeine Quelle der Inspiration. Erich Honecker erwiderte: »Die WaÈ rme, die uns entgegenschlaÈ gt, ist vor allen Din- gen eine revolutionaÈ re WaÈ rme.« Und er fuÈ gte hinzu: »Wir sind nach Mosam- bik, in unsere zweite Heimat geflogen. =Beifall)«42

39 Politisches Archiv des AuswaÈ rtigen Amtes, Auûenstelle Berlin, o. Sign. 40 Treffbericht IM »Henry« vom 12.MaÈ rz 1979. BStU MfS HA XVIII, Nr. 8639, S. 45. 41 Stenografische Mitschriften des GespraÈ ches S. Machel und E. Honecker mit Delegatio- nen am 22.2.1979, 16.00Uhr bis 20.00Uhr. BAZ DY 30 J IV 2/2 A-2215. Das gesamte Protokoll umfaût 109 Seiten. 42 Ebenda.

161 Erich Honecker berichtete von der hohen Akkumulationsrate in der DDR, die den Fortschritt garantiert, und fuÈ hrte aus, daû die DDR ein rohstoffarmes Land sei. »In seinen AusfuÈ hrungen stellte Samora Machel die Frage, warum die DDR, wenn sie in der Lage ist, 250Mio.t Braunkohle zu foÈ rdern, nicht 1Prozent, naÈ mlich 2,5Mio.t Steinkohle, in Mosambik foÈ rdern kann.«43 Das vor allem durch die RepraÈ sentanten der DDR verbreitete Bild eines be- deutenden Industrielandes erzeugte bis in die hoÈ chsten Kreise Mosambiks sehr hohe Erwartungen. Immer wieder muûten sie enttaÈ uscht werden, zumal Mosambik vor allem an einer elementaren Versorgung der BevoÈ lkerung mit Nahrung, Kleidung und Wohnraum interessiert war. Die DDR aber wollte eher die eigenen VersorgungsengpaÈ sse meistern. Am Tag des Abfluges trafen sich Samora Machel und Erich Honecker noch zu einem langen, vier Stunden waÈ hrenden VieraugengespraÈ ch. Von diesem gibt es einen kurzen Aktenvermerk, demzufolge Erich Honecker drei Viertel der Zeit sprach und fast nur oÈ konomische Probleme der DDR bzw. seine Er- wartungen an Mosambik vortrug. Er bat um ErdoÈ l- und Erdgaserkundungs- und SchuÈ rfrechte. Er sprach die KuÈ stenfischerei an und die Bananenproduk- tion. Hinsichtlich der Einhaltung aller Vereinbarungen schlug er eine general- stabsmaÈ ûige Arbeitsweise vor. Daraufhin erwiderte Samora Machel, daû ± wenn die DDR unbedingt einen Generalstab haben wolle ± das schon be- stehende Gremium so benannt werden koÈ nne. Erich Honecker bat nachdruÈ cklich um zentralistische Instrumente fuÈ r die DDR in Afrika, um die Versorgung seines Landes mit Rohstoffen und land- wirtschaftlichen Produkten zu sichern. Samora Machel benannte abschlie- ûend eher zuruÈ ckhaltend sein uÈ bergreifendes Ziel, mit Mosambik zu beweisen, daû der Sozialismus in jedem Teil der Welt errichtet werden koÈ nne, und dazu gehoÈ re vor allem eine minimale Grundversorgung der BevoÈ lkerung. Neben all den Beispielen bester Freundschaft und BruÈ derlichkeit in den offiziellen Tischreden und Toasts waÈ hrend des Staatsbesuches traÈ gt dieses GespraÈ ch Spuren von weitgehenden Interessenunterschieden. Die beiden Staatsober- haÈ upter spuÈ rten die Grenzen gegenseitiger Anteilnahme in den zum Ausdruck gebrachten Erwartungen, die die jeweiligen Sorgen um den Bestand der ge- meinsamen Idee in recht unterschiedlichen LaÈ ndern ausdruÈ ckten.

Wieder in der DDR angekommen, wertete wenige Tage spaÈ ter GuÈ nter Mittag mit stellvertretenden MinisterpraÈ sidenten und wichtigen Ministern sowie StaatssekretaÈ ren die Afrikareise aus. Zu Mosambik wurde berichtet, daû die DDR sich direkt an der paritaÈ tischen Leitung der Rohstoffbetriebe und am Gewinn beteiligen soll und daû die HaÈ lfte der erzeugten Rohstoffe in die DDR exportiert wird. »Im GespraÈ ch zwischen Erich Honecker und Samora Machel habe dieser Teil der Zusammenarbeit eine wichtige Rolle gespielt. Es sei davon gespro- chen worden, einen gemeinsamen Generalstab zu schaffen zur Ankurbelung

43 Ebenda, S. 47.

162 der oÈ konomischen Entwicklung im beiderseitigen Interesse und zum beider- seitigen Vorteil ¼ Die Verantwortlichkeit dafuÈ r liegt bei Genossen Alex S C H A L C K.«44

In der Folge dieser Auswertung wurde eine »Komplexe Konzeption der Zu- sammenarbeit« unter Leitung von Alexander Schalck-Golodkowski ausgear- beitet. Sie fuÈ hrte die Konzentration auf die Sicherung der DDR-Interessen fort. Mit der von hoÈ chster Stelle ausgerufenen »generalstabsmaÈ ûigen Leitung« setzte ein fuÈ r die DDR beispielloser Austausch mit einem Entwicklungsland ein. In Berlin wurde im Mai 1979 in der Handelspolitischen Abteilung =HPA) des Bereiches KoKo der Schwerpunktsektor Mosambik eingerichtet. Zum 30. Jahrestag der DDR, am 7.Oktober 1979, begann die Arbeit der Wirtschaftspo- litischen Abteilung =WPA) in Maputo, die direkt KoKo unterstellt war und als Auûenstelle der HPA fungierte.45 In der Regel mit vier bis fuÈ nf Planstellen aus- gestattet, galt die WPA nicht als uÈ berdimensioniertes BuÈ ro. Die politischen Vollmachten uÈ berstiegen die Ausstattung um ein Mehrfaches. Neben der WPA unterhielt die Botschaft der DDR noch eine eigene handelspolitische Abteilung ± ebenfalls HPA genannt ± mit Handelsrat und HandelssekretaÈ ren, die fuÈ r den Warenverkehr jenseits der Schalck-Connection zustaÈ ndig waren. Kennzeichnend fuÈ r die im Februar 1979 in Maputo abgeschlossenen Ver- traÈ ge war die weitgehende Mischung bzw. fehlende Trennung zwischen kom- merziellen und nichtkommerziellen Vorhaben. So sollte die Anzahl der Experten und Spezialisten im Rahmen der wissen- schaftlich-technischen Zusammenarbeit =WTZ) von 50 im Jahre 1979 auf 200 im Jahre 1985 erhoÈ ht werden. Eigentlich eine stattliche Zahl. Sogenannte WTZ-Abkommen galten meist als nichtkommerzielle VertraÈ ge, d. h., ein Groûteil der Kosten wurde von den entsendenden Ministerien und Betrieben der DDR getragen. Schritt fuÈ r Schritt sollte dies veraÈ ndert werden. Die Zahl der Experten stieg um so schneller, je mehr kommerzielle VertraÈ ge ausgehandelt werden konnten. Die Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder ach- tete sehr darauf, daû die VerguÈ tung nicht vernachlaÈ ssigt wurde. Die Berater im Bereich der Volksbildung und die UniversitaÈ tsdozenten wurden aber wei- terhin meist im Rahmen der staatlichen Hilfeleistungen entsandt. Diese Mittel wurden aus dem Staatshaushalt genommen und vom Ministerium eingeplant. In den zwei Jahren nach dem Staatsbesuch wurden neben den schon be- stehenden Projekten ± Gewinnung der Steinkohle in Moatize, der Erkundung mineralischer Rohstoffe und dem Krustentierfang mit den Rostocker Traw- lern vor der KuÈ ste des Indischen Ozeans ± weitere groÈ ûere Industrieprojekte begonnen: so zum Beispiel eine gemeinsame Radioproduktion fuÈ r den inter- nationalen Markt. Bauteile aus der DDR sollten bei der Herstellung mit ver- wendet werden. Eine industrielle Produktion von Alkohol und eine Leuchten- fabrikation fuÈ r den VEB Narva Berlin waren vorgesehen. Der Aufbau des groÈ ûten Textilkombinates des suÈ dlichen Afrika in Mocuba wurde vereinbart,

44 Treffbericht IM »Henry« vom 7.3.1979. BStU MfS Ha XVIII, Nr. 8639. 45 Vgl. GespraÈ ch mit Prof. Dr. H. Matthes am 9.12.1998, im Anhang.

163 ein LKW-Montagewerk sollte erstellt und der Waggonbau rekonstruiert wer- den. Waggons wurden unter anderem zum Transport der Steinkohle zum UÈ berseehafen in Beira benoÈ tigt. Eine besondere Stellung nahmen die Planun- gen von zehn Groûfarmen mit einer prognostizierten landwirtschaftlich zu nutzenden GesamtflaÈ che von 100000 bis 120000 ha ein. Die aktive Umsetzung der Vorhaben fiel in die Zeit der haÈ ufiger werdenden UÈ berfaÈ lle der militaÈ rischen Banden, meist der RENAMO. Deren KaÈ mpfe mit der regulaÈ ren mosambikanischen Armee und vor allem die Sabotageakte ge- gen BruÈ cken, Bahngleise und Konvois beeintraÈ chtigten den Aufbau einer Vielzahl von Projekten aus den verschiedensten LaÈ ndern. Ab 1982 konnte die Regierung die Kontrolle uÈ ber Teile des Landes nicht mehr gewaÈ hrleisten. Zeitweise wurde damit gerechnet, daû die Hauptstadt Maputo von den Rebellen eingenommen werden wuÈ rde. Dieser latente, uÈ ber weite Strecken buÈ rgerkriegsaÈ hnliche Zustand stoÈ rte auch die Errichtung und das Betreiben der Projekte mit DDR-Beteiligung sehr. Das Anwachsen dieser KaÈ mpfe fiel in die Zeit, als erste MaÈ ngel der ProjektdurchfuÈ hrung deutlich wurden. Die Vorkehrungen fuÈ r die notwendige Sicherheit der DDR-BuÈ rger in den Projekten behinderten oft deren Aufbau. Trotz langanhaltender Unsicherheiten und Gefahren reicht der BuÈ rgerkrieg in Mosambik nicht aus, um saÈ mtliche MiûstaÈ nde zu erklaÈ ren. Sicher war er eine der bedeutenden Ursachen. Er brachte Leid und verschlang viele lebens- notwendige GuÈ ter. Gleichzeitig gab er aber auch einer Anzahl von Projekten ein Alibi, indem Fehlplanungen oder Miûmanagement immer hinter den la- tenten Kriegsbedingungen versteckt werden konnten. Die Vorhaben setzten auf den Staat als hauptsaÈ chlichen EntwicklungstraÈ - ger und beruÈ cksichtigten weitgehend die natuÈ rlichen, oÈ konomischen und men- talen Voraussetzungen der Menschen und des Landes nicht. Auf den Staat ausgerichtete Groûprojekte waren natuÈ rlich keine alleinige SpezialitaÈ t der DDR. Von vielen internationalen Entwicklungsexperten wurden diese vorge- schlagen. In Mosambik verfuÈ gten die gemeinsam mit der DDR geplanten bzw. von ihr vorgeschlagenen Projekte oft uÈ ber die groÈ ûten Dimensionen. Doch die groûen EntwuÈ rfe von zwanzigjaÈ hriger Freundschaft inspirierten nur einige Jahre. Das »Schicksal« der abrupten EinbruÈ che des Auûenhandelsumsatzes nach Abschluû der auf Jahrzehnte konzipierten Freundschafts- und Beistandspakte mit der DDR teilte Mosambik mit AÈ thiopien und Angola. Die UnterstuÈ tzung durch den GeneralsekretaÈ r und den eingesetzten Generalstab mit der Arbeits- gruppe »M«, wie die HPA auch noch genannt wurde, konnten den in kuÈ rze- ster Zeit aufgeblaÈ hten Wirtschaftsbeziehungen keine tragfaÈ hige Substanz ver- leihen.

164 5.3.1 Exkurs: Landwirtschaftliche Groûprojekte

Groûvorhaben der Landwirtschaft waren 1979 neu in den Maûnahmeplan der Zusammenarbeit aufgenommen worden. In den Vereinbarungen von 1977 konnte man diese noch nicht finden, obwohl bereits 1975 und 1976 Landwirt- schaftsberater und Fischereiexperten nach Mosambik entsandt wurden.46 Zehn Groûfarmen zur Getreideproduktion mit einer zu bearbeitenden land- wirtschaftlich nutzbaren GesamtflaÈ che von bis zu 120000ha und eine Bana- nenplantage mit bis zu 20000ha wurden in den AgraringenieurbuÈ ros von Dresden, Neubrandenburg und Leipzig entworfen. Den Auftrag erteilte die Handelspolitische Abteilung des Bereiches KoKo dem Landwirtschaftsmini- sterium, welches die ihm zugeordneten Betriebe anwies. Zuvor waren die Vor- haben durch die Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder und das PolitbuÈ ro der SED gebilligt worden. Im »Komplexprogramm Mosambik« vom Mai 1979, durch welches das »Sofortprogramm« vom September 1977 abgeloÈ st wurde, war zur Zielstellung dieser Groûbetriebe ausgefuÈ hrt: »Zur Auslastung des vorhandenen Potentials der VRM an landwirtschaft- licher NutzflaÈ che und ArbeitskraÈ ften sind VorschlaÈ ge fuÈ r die Bildung ge- meinsamer Landwirtschaftsbetriebe der Getreide- und Futtermittelproduk- tion auszuarbeiten mit dem Ziel, 50Prozent der erzeugten Produktion in die DDR zu liefern und dadurch spaÈ testens ab 1983 ca. 50 Mio.VM NSW-Im- porte abzuloÈ sen.«47 Der »50-Prozent-SchluÈ ssel« wurde auch bei den mineralischen und fossilen Rohstoffen angewandt. Beide Seiten verstanden ihn als Ausdruck der Koope- ration zum gegenseitigen Vorteil. Er vermittelte einen grundsaÈ tzlichen politi- schen Willen, beinhaltete ein hohes Maû an Gleichberechtigung und gab vor, bei der LoÈ sung wichtiger Existenzfragen beider LaÈ nder helfen zu koÈ nnen. Mo- sambik war in dieser Zeit zur Linderung elementarer Not auf Nahrungsmittel- lieferungen der internationalen Hilfswerke angewiesen. Die DDR benoÈ tigte groûe Mengen zu importierender Futtermittel vor allem fuÈ r die Schweine- und Rindermast, denn neben der Versorgung der eigenen BevoÈ lkerung spielte der Westexport von »Lebendvieh« fuÈ r die Devisenwirtschaft der DDR eine gewichtige Rolle. Alexander Schalck-Golodkowski verfuÈ gte durch seine Ver- bindungen zur den bayerischen Fleisch- und Wurstverarbeitern Merz und Moxel uÈ ber hervorragende AbsatzmoÈ glichkeiten. Der Bedarf an Frischfleisch der Bayern konnte oft nicht gestillt werden. Wertvolle GeschaÈ fte drohten ver- lorenzugehen. Die seit den 60er Jahren vollstaÈ ndig kollektivierte Landwirt- schaft erbrachte nicht die notwendigen ErtraÈ ge an Futtergetreide fuÈ r die Ei-

46 Vgl. KuÈ hne, Winrich: Die Politik der Sowjetunion in Afrika. Baden-Baden 1983, S. 151ff. Demnach ist nicht geklaÈ rt, ob die abgeschlossenen VertraÈ ge internationalen Gepflogenheiten und Preisbedingungen bei der Vergabe von Fangrechten entsprachen. »Denkbar ist dennoch, daû sich LaÈ nder wie Mosambik und Angola aufgrund ihrer Fi- nanzschwaÈ che veranlaût gesehen haben, guÈ nstige Konditionen beim Einkauf sowjeti- scher Waffen mit einem Entgegenkommen bei der Vergabe von Fischfangrechten zu beantworten, dies aber spaÈ ter bedauerten.« Ebenda, S. 153. 47 Komplexe Konzeption DDR±Afrika 1979 vom 5.5.1979. BAZ DY 30 J/2/3A/3379.

165 genversorgung und den Export. Die Sowjetunion lieferte in immer geringeren Mengen Futtergetreide als Grundlage fuÈ r die Mast. Ende der 70er und An- fang der 80er Jahre kam es zu zum Teil drastisch spuÈ rbaren VersorgungsluÈ k- ken bei Fleischereiwaren in der DDR. ExportmoÈ glichkeiten oder Versor- gungsverpflichtungen standen sich auch an der »Frischfleischstrecke« als Konkurrenten gegenuÈ ber. Ursache war vor allem das fehlende Futtergetreide. Zwischen 1971 und 1981 muûte die DDR fuÈ r Mastfuttermittelimporte die enorme Summe von 15 Mrd. VM ausgeben.48 Vor diesem Hintergrund ist auch das Interesse des Bereiches KoKo an lang- fristigen und gesicherten BezugsmoÈ glichkeiten nachvollziehbar. Er erhoffte sich durch die potentiellen Futtermitteleinfuhren aus »eigener, afrikanischer Produktion« die UÈ berwindung von EngpaÈ ssen und Devisen. Innerhalb des Partei- und Staatsapparates der DDR gab es insbesondere uÈ ber diese Projekte erhebliche Diskussionen.49 Und zwar weniger uÈ ber die Tatsache, daû moÈ glichst alle landwirtschaftlichen Ressourcen Mosambiks fuÈ r die Versorgung der eigenen BevoÈ lkerung zur VerfuÈ gung gestellt bzw. erschlos- sen werden sollten, als vielmehr uÈ ber die GroÈ ûenordnungen der Farmen. Die landwirtschaftlichen Groûbetriebe wurden von manchen als uÈ berdimensio- niert und fuÈ r die MoÈ glichkeiten der DDR-Betriebe nicht zu bewaÈ ltigend ange- sehen. Hinzu kam, daû die DDR-Spezialisten nicht uÈ ber Erfahrung fuÈ r derar- tige Unternehmen verfuÈ gten. Bereits in der Planungsphase wurden die Vorhaben als phantastisch und gigantisch bezeichnet. Eine kleinere Version mit ca. 1000ha muûte konzipiert werden. Alle fachlichen EinwaÈ nde wurden nicht beruÈ cksichtigt. Es kam zum Beschluû uÈ ber den Aufbau der Betriebe. Der Zugang zu Regierungskrediten wurde geschaffen. Das Interesse der Han- despolitischen Abteilung und der mit ihr kooperierenden Kombinate der DDR an Exporten von Landmaschinen und AusruÈ stungen im Rahmen von Krediten war groû. So wurden Traktoren, Saat und Erntemaschinen geliefert, ohne daû einer der zehn Standorte ausreichend ausgewiesen war. Auch die Argumente und Interventionen der Abteilungsleitung fuÈ r Internationale Ver- bindung des ZK der SED blieben ungehoÈ rt. Sie hielten sowohl dem Export- plandruck der Kombinate wie auch den vagen Erwartungen des Bereiches KoKo auf zukuÈ nftige Futtermittelimporte nicht stand. Der Zusammenhang von sozialistischer Hilfeleistung gegenuÈ ber Entwick- lungslaÈ ndern, der geplanten Futtermittelproduktion in Mosambik, Fleischex- port und Alexander Schalck ist offensichtlich. »Ein scheinbar unbedeutender GeschaÈ ftszweig der Firma F. C. Gerlach, mit Sitz in Berlin-Pankow [einer von dem Bereich KoKo und dem MfS ge- fuÈ hrten Handelsvertretung, d. Verf.], war die Vermittlung von Schlachtvie- himporten in die Bundesrepublik, wobei es sich um AbschluÈ sse handelte, die sich auf jaÈ hrlich 100 Mio. DM beliefen. Der Fleischexport nahm mit den Jahren stetig zu. Je groÈ ûer die Auûenverschuldung wurde, desto mehr

48 Vgl. Pirker, Th.: Der Plan als Befehl und Fiktion. Opladen 1995, S. 320. 49 Vgl. GespraÈ ch mit Prof. Dr. H. Matthes am 9.12.1998 und mit Dr. F. Trappen vom 19.6.1999, im Anhang.

166 wurde Schlachtvieh uÈ ber die Grenze geschafft. Riesengroûe Fleischkombi- nate entstanden in der DDR mit einem Milliardeneinsatz einzig zu dem Zweck, mit den Fleischausfuhren das schnelle Geld zur VerfuÈ gung zu ha- ben. Bei Maschinen und Anlagen ± dem Hauptzweig des DDR-Exportes ± kamen die dringend benoÈ tigten Devisen erst viel spaÈ ter; vielfach muûten GeschaÈ fte sogar noch vorfinanziert werden. Die leicht verderblichen Le- bensmittelexporte hingegen brachten »cash money« ± bar auf die Hand.«50 Eigens zur Steigerung der Sonderlinie »Frischfleisch« reiste der GeschaÈ ftsfuÈ h- rer von F. C. Gerlach, Simon Goldstein, 1976 aus der DDR aus und siedelte nach Bayern uÈ ber. Direkt auf dem FirmengelaÈ nde der Fleischexportfirma MaÈ rz in Rosenheim eroÈ ffnete er sein BuÈ ro. UÈ ber diese Kontakte wurde spaÈ ter auch der »rettende Strauûkredit« fuÈ r die DDR vorbereitet. Dem Rosenheimer FleischgroûhaÈ ndler MaÈ rz sind durch Alexander Schalck fuÈ r seine Kontakt- arbeit langfristige und umfangreiche Frischfleischlieferungen versprochen worden. Auch dafuÈ r muûte Vieh in der DDR gemaÈ stet werden. Das dafuÈ r notwendige Mastfutter sollte unter anderem in den landwirtschaftlichen Groûprojekten in Mosambik und AÈ thiopien produziert werden.

Die DDR-Spezialisten bekamen die Futtergetreideproduktion nicht in den ge- planten Dimensionen in Gang. Der Groûteil der GeraÈ tschaften verrostete un- genutzt in den HaÈ fen und an schnell ausgewiesenen Standorten. Lediglich in der Region Lichinga in der Nordregion Niassa kam es zu einem landwirt- schaftlichen Projekt, das sich vor allem kleinen Kooperativen als Zielgruppe zuwandte. Dabei engagierten sich die Projektverantwortlichen und das Perso- nal aus der DDR ohne intensive RuÈ ckkopplung mit den Zentralen in Ostber- lin fuÈ r die Menschen dieser Region. Durch persoÈ nlichen Einsatz und Improvi- sation gelang es vielen von ihnen, manche schon in der DDR verursachten Schwierigkeiten auszugleichen und Planungsfehler teilweise zu korrigieren.51 Auch persoÈ nlicher Einsatz vor Ort konnte die grundlegende Ausrichtung der Vorhaben nicht veraÈ ndern. Der Umfang der landwirtschaftlichen Maschinen- lieferungen war »projektgemaÈ û« auf die zu bearbeitenden FlaÈ chen ausgelegt. Eine Beeinflussung der Lieferungen war von Mosambik aus kaum moÈ glich. Die Groûmaschinen konnten in der weitgehend von Subsistenzwirtschaft ge- praÈ gten mosambikanischen Agrarwirtschaft kaum eingesetzt werden. Im guÈ n- stigen Fall wurden sie auf schon bestehenden Staatsfarmen abgestellt, wo sie ohne ausreichenden Service oft nur kurze Zeit zum Einsatz kamen. Da die Groûfarmen meist gar nicht gegruÈ ndet wurden oder zum Arbeiten kamen, wurde Mosambik auch nicht in die Lage versetzt, die in Rechnung gestellten vorerst kreditierten Landmaschinen bezahlen zu koÈ nnen. Die von dem Ge- meinschaftsgeschaÈ ft erhoffte Verbesserung des Angebotes an Grundnah- rungsmitteln fuÈ r die mosambikanische BevoÈ lkerung setzte nicht ein. Letztlich belieû der 50-Prozent-SchluÈ ssel das Risiko zu 100 Prozent bei Mosambik, da

50 Bahrmann, Hannes; Fritsch, Peter-Michael: Sumpf ± Privilegien, Amtsmiûbrauch, SchiebergeschaÈ fte. Berlin 1990, S. 37f. 51 Vgl. GespraÈ ch mit Prof. Dr. Matthes am 9.12.1998, im Anhang.

167 DDR-Technik im Einsatz 1985). die unnuÈ tzen und verdorbenen Lieferungen an Material und Maschinen in die Handelsbilanz eingeflossen sind. Von erheblichen Schwierigkeiten in den Sektoren Landwirtschaft und Tex- tilproduktion berichtete Alexander Schalck-Golodkowski bereits im Herbst 1979 in einem Bericht zum 30. Jahrestag der DDR: »Die StoÈ rversuche des Klassengegners auf dem Textilgebiet und bei landwirtschaftlichen Produkten fuÈ hrten dazu, daû die Kollektive nur mit auûerordentlich groûen Anstrengun- gen die gesteckten Ziele erreichen konnten.«52 Mit Hilfe des »Klassengegners« konnte er in leichtem Spiel nicht nur die gravierenden Fehler seines Bereiches hervorragend ideologisieren, sondern auch die Fehler abschieben und deren negative Auswirkungen verdraÈ ngen. Der Dynamik des Weltmarkts nach 1975 waren weder die RGW-Staaten als Gemeinschaft noch einzelne sozialistische LaÈ nder ausreichend gewachsen. Die Sowjetunion antwortete auf die Herausforderungen unter anderem mit OÈ lpreiserhoÈ hungen fuÈ r ihre Exporte in die verbuÈ ndeten Staaten. Auch wirt- schaftliche SchwaÈ chen der groûen Bruderstaaten beruÈ hrten die DDR direkt. Unter welcher Anspannung die FuÈ hrung der DDR teilweise stand, die sich zum Beispiel auch in der Projektgestaltung gegenuÈ ber Mosambik widerspie- gelte, zeigen die folgenden Passagen aus GespraÈ chen zwischen Erich Honek-

52 Kampfprogramm zum 30. Jahrestag der DDR. Bundesdrucksache 12/3462, Band 455, S.758.

168 ker und Leonid IljitschBreschnew, dem Partei- und StaatsfuÈ hrer der Sowjet- union, die aufgrund der Hochrangigkeit des »Getreide-Problems« und der au- ûenpolitischen Dimension in Ausschnitten wiedergegeben werden sollen. Beim Krim-Treff 1978, einem der sommerlichen ZusammenkuÈ nfte der ost- europaÈ ischen KP-GeneralsekretaÈ re mit dem KPdSU-Chef, ging dieser in ei- nem GespraÈ ch mit Erich Honecker u. a. auf zuvor eingereichte Bitten ein: »Zu einigen konkreten Bitten Eurerseits: Du verstehst sicher gut, Erich, wenn es sich um Getreide handelt, dann haÈ ngt alles von der Ernte ab. Un- sererseits war die Einstellung zu Euren Bitten stets positiv. Das ganze Pro- blem liegt darin, daû wir die entsprechenden MoÈ glichkeiten haben muÈ ssen, und die sind gegenwaÈ rtig begrenzt. Ich spreche taÈ glich mit den Genossen in den Gebieten. =¼) Es ist kalt und der Wind weht scharf. Du kannst Dir vorstellen, daû unter diesen Bedingungen es mir jetzt nicht moÈ glich ist, Dir eine Euren Bitten entsprechende Antwort zu geben. =¼) Das Gesagte trifft auch fuÈ r die Fragen der Lieferungen von Rohstoffen, Nicht-Eisenmetallen sowie Waren zu, die Ihr gegenwaÈ rtig in der BRD kauft. =¼) Honecker: Bis 1975 ¼ haben wir in einem durchschnittlichen Umfang von 1,5Mio. Tonnen jaÈ hrlich Getreide aus der UdSSR erhalten. In den Jahren 1976 bis 1978 hat die Sowjetunion uns kein Getreide geliefert. Wir muûten umfangreiche GetreidekaÈ ufe im kapitalistischen Ausland taÈ tigen. DafuÈ r muûten wir in den Jahren 1975 bis 1978 rd. 1,4 Mrd. Dollar aufwenden, was 3,5 Mrd. Valutamark bzw. rd. 1Mrd. Rubel entspricht. Das hat unsere Zahlungsbilanz sehr belastet.«53 Honecker bat dringend darum, eine jaÈ hrliche Lieferung von mindestens 1,5Mio. Tonnen wieder aufzunehmen. Auûerdem bat er um UnterstuÈ tzung, daû in moÈ glichst groûem Umfang Waren, welche die DDR aus der BRD be- ziehen muûte, durch Lieferungen aus der Sowjetunion abgeloÈ st werden. Die Notwendigkeit der DDR, Futtergetreide vor allem zur Fleischproduk- tion gegen »harte Devisen« einfuÈ hren zu muÈ ssen, hielt auch in den Jahren 1979 bis 1984 an. Gleichzeitig erhoÈ hte die Sowjetunion die ErdoÈ lpreise gegenuÈ ber der DDR und verringerte die Liefermengen. Die Handels- und Zahlungsbilanz verschlechterte sich weiter. Die RepraÈ sentanten der KPdSU begruÈ ndeten die LiefereinschraÈ nkungen mit der wirtschaftlichen Lage in der Sowjetunion, ins- besondere der Landwirtschaft. Am 21. Oktober 1981 fuÈ hrte ZK-SekretaÈ r Rus- sakow im Auftrage von Leonid Iljitsch Breschnew ein GespraÈ ch mit Erich Ho- necker, der zuvor zwei Briefe an Breschnew geschrieben hatte, in denen er die vorgesehene ErdoÈ lpreiserhoÈ hung und Minderung der Verkaufssumme kriti- sierte und um UÈ berpruÈ fung der Entscheidung bat. SekretaÈ r Russakow erlaÈ u- terte den abschlaÈ gigen Bescheid: »Allein bei Getreide fehlen Dutzende von Millionen Tonnen. Wir stehen vor einem Resultat, das fast beispiellos in unserer Geschichte ist. =¼) Ganz be- stimmte Reserven sind schon angegriffen, und das geschieht bei der gegen- waÈ rtigen internationalen Situation und der Wahnsinnspolitik von Reagan, die die allergroÈ ûten internationalen Spannungen mit sich bringt. Leider be-

53 Staadt: Auf hoÈ chster Stufe, S. 25f. GespraÈ ch vom 25.7.1978.

169 steht der einzige Ausweg fuÈ r uns, den wir sehen, nur im Ankauf von Getreide und Zucker im Ausland gegen Devisen. Ihr koÈ nnt versichert sein, Genossen, wir haben vielfach alle unsere MoÈ glichkeiten gepruÈ ft, aber als real erwies sich dabei nur der erhoÈ hte Export von ErdoÈ l in kapitalistische LaÈ nder. =¼) Im Verlauf des Bestehens der sozialistischen Staatengemeinschaft haben wir so oft in mancher schwierigen Situation geholfen. Jetzt bitten wir Euch um Hil- fe. Wir wissen uns keinen anderen Rat und kennen keinen Ausweg. Genosse Breschnew sagte mir, wenn Du mit Genossen Honecker sprichst, sag ihm, daû ich geweint habe, als ich unterschrieb. =¼) Es ist fuÈ r uns selbst sehr schlimm, daû es am Vorabend des 75. Geburtstages von Leonid Iljitsch Breschnew zu einer solchen Verschlechterung der Beziehungen kommt. Honecker: Es dreht sich nicht um eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen der DDR und der Sowjetunion. Ich betone dies mit aller Klarheit, es gibt nichts, aber auch gar nichts, was unsere Beziehungen verschlechtern kann. Aber ich bitte Dich Genosse, Leonid Iljitsch Breschnew offen zu fra- gen, ob es 2 Mio. Tonnen ErdoÈ l wert sind, die DDR zu destabilisieren und das Vertrauen unserer Menschen in die Partei- und StaatsfuÈ hrung zu er- schuÈ ttern. Glaube mir, ich habe in den letzten Monaten wenig geschlafen, seitdem wir Eure Mitteilung erhalten haben. =¼) Russakow: Genosse Leonid Iljitsch hat mich beauftragt, dem PolitbuÈ ro der SED mitzuteilen, in der UdSSR gibt es ein groûes UngluÈ ck. Wenn Ihr nicht bereit seid, die Folgen dieses UngluÈ cks mit uns gemeinsam zu tragen, dann besteht die Gefahr, daû die Sowjetunion ihre gegenwaÈ rtige Stellung in der Welt nicht halten kann, und das hat dann Folgen fuÈ r die sozialistische Ge- meinschaft. Honecker: Wir waÈ ren sofort bereit zuzustimmen, aber wir koÈ nnen nicht ja sagen, denn wir wissen, es geht um die StabilitaÈ t der DDR. Bei uns in der DDR Betriebe zu schlieûen, hat eine ganz andere Auswirkung als in Polen. Nicht eine Minute duÈ rfen wir die GefaÈ hrlichkeit des elektronischen Krieges unterschaÈ tzen, die durch Rundfunk und Fernsehen auf die DDR durch den Westen gerichtet ist. Wir muÈ ssen uns das Vertrauen des Volkes erhalten. Wir sind tief betroffen von dem UngluÈ ck, welches uÈ ber die UdSSR gekom- men ist, obwohl ich keine Details kenne. Aber das UngluÈ ck darf nicht noch groÈ ûer werden, und deshalb bitte ich, erneut die Entscheidung zu uÈ berpruÈ - fen. Die stabile Lage in der DDR hat doch auch eine groûe internationale Bedeutung. Die Lage in Polen waÈ re ganz anders, wenn es die DDR nicht gaÈ be, und daher sollte man uÈ ber die Entscheidung nochmals nachdenken. Die DDR ist so stark, wie ihre Partei, die SED, im Volk verankert ist. Wir koÈ nnen keinen RuÈ ckwaÈ rtsgang einschalten. Russakow: Es geht um euer Volk und unser Volk. =¼) Wir haben das ganze Volk mobilisiert, um zu ernten, was wir ernten koÈ nnen. Ich will die Zahlen nicht nennen; die Zahlen unserer Ernte sind schrecklich. Sie, Genosse Ho- necker, kennen doch unser Volk. Sie wissen, wie wir leben. Sie haben selbst bei uns gelebt. Honecker: Um was es geht, das ist das VermaÈ chtnis unserer toten Genos- sen, die ihr Leben fuÈ r ein sozialistisches Deutschland gegeben haben. Um

170 was es geht, das sind die Millionen gefallener sowjetischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg und darum, daû ihr Sieg von niemandem geraubt wird. Wenn es notwendig ist, bilden wir doch eine Weltunion der sozialistischen LaÈ nder. Die DDR wuÈ rde sich daran beteiligen. Ich moÈ chte nochmals sagen, die getroffene Entscheidung kann sich nur gegen die DDR wenden. Ein- schlieûlich ihrer internationalen Stellung.«54 Die Entscheidung auf sowjetischer Seite, die ErdoÈ lpreise zu erhoÈ hen und gleichzeitig die Liefersumme zu verringern, wurde nicht revidiert. Die vertraulichen GespraÈ che zeugen von dem Ernst der Lage auf beiden Seiten und den ExistenzaÈ ngsten mit geostrategischer Bedeutung. Die von der Sowjetunion aufgrund der eigenen wirtschaftlichen SchwaÈ chen und des Welt- marktgeschehens geaÈ nderte Handelspolitik in bezug auf den ErdoÈ lexport und die KalamitaÈ ten der sowjetischen Landwirtschaft, die den Getreideexport zu- sammenbrechen lieûen, gefaÈ hrdeten die StabilitaÈ t der DDR. In ihrer Rolle als »Frontstaat« bekam sie dies besonders stark zu spuÈ ren. Ihre IdentitaÈ t und Le- gitimation zog die SED aus der fuÈ r sie historisch begruÈ ndeten, grundsaÈ tzlich besseren Existenz des zweiten deutschen Staates. Die wirtschaftlichen Bezie- hungen zu Afrika waren in diesen Existenzkampf eingebunden.

5.4 Zur Zusammenarbeit 1980 bis 1989

Zu Beginn des neuen Jahrzehnts der Zusammenarbeit zwischen Mosambik und der DDR und nur ein knappes Jahr nach dem gefeierten Freundschafts- vertrag wuûte bereits ein kleiner Kreis von Verantwortlichen beider LaÈ nder, daû auf dem »Gebiet der OÈ konomie« die gemeinsame Basis viel schmaler war, als die Vielzahl der Vereinbarungen und die IntensitaÈ t der Beziehungen glau- ben machen wollten. Die Vorhaben verzoÈ gerten sich oder kamen uÈ ber Ver- lautbarungen nicht hinaus. Mosambik zog kaum Nutzen aus den Groûpro- jekten mit der DDR. Der »Arbeiter- und Bauernstaat« wurde auch als Monopolist wahrgenommen, der sich uÈ ber seine realen MoÈ glichkeiten nicht ausreichend Rechenschaft gab und kostspielige Planszenarien entwarf. Die DDR sah gleichfalls ihre Erwartungen nicht erfuÈ llt. Alles war logistisch auf- wendiger als angenommen. Die Betriebe in der DDR waren an kurzfristigen Exportlieferungen interessiert, verzoÈ gerten aber die Entsendung der Experten. Sie bauten nur unwillig und zoÈ gerlich Servicestationen auf. Trotz der beginnenden ErnuÈ chterung, erkennbarer RuÈ ckschritte und offen- sichtlicher MaÈ ngel blieb die DDR durch die umfangreichen Verpflichtungen noch bis Mitte der 80er Jahre der Hauptwirtschaftspartner der sozialistischen LaÈ nder fuÈ r Mosambik. 1981 betrug der Export Mosambiks in die DDR 85Prozent des gesamten Anteils der sozialistischen Staaten.55 Produkte, Fahr-

54 Ebenda. 55 Beschluû des Ministerrates VVS B 2±845/82: Bericht von der GWA vom 23.9.1982. BZDL2 KoKoN1.

171 Der PraÈsident der FRELIMO, Samora Machel, und Erich Honecker bei einem Besuch der Saale- stadt Halle am 19. September 1980.

zeuge und Personal der DDR waren in der Hauptstadt Maputo und in einigen Teilen des groûen Landes sichtbar und praÈ sent. Dies kam auch in der oÈ ffentlichen WertschaÈ tzung und auûenpolitischen Be- deutung der DDR fuÈ r Mosambik in den fruÈ hen 80er Jahren zum Ausdruck. Einer Studie der Stiftung »Wissenschaft und Politik« aus dem Jahre 1983 zu- folge, die traditionell das AuswaÈ rtige Amt beraÈ t, fuÈ hrte die DDR als erster Staat nach dem ANC die Liste der nach ihrer »aggregierten Bedeutung ausge- waÈ hlten LaÈ nder fuÈ r die mosambikanische Auûenpolitik« an. Es folgten Sim- babwe und die UdSSR. Die Bundesrepublik Deutschland lag weit abgeschla- gen auf Platz 24 bei 30 ausgewerteten Staaten und Befreiungsbewegungen.56 Auch wenn der Bewertung vom Autor nur »ein heuristischer Gebrauchs- wert«57 zugemessen wird, in dieser EinschaÈ tzung spiegelte sich das hohe Anse- hen der DDR in der mosambikanischen OÈ ffentlichkeit der fruÈ hen 80er Jahre. Die Beurteilung stuÈ tzte sich auf die Auswertung von oÈ ffentlich zugaÈ nglichen Meldungen, Berichten und Statistiken vor allem in Mosambik. Die meisten

56 Die Erhebung umfaûte die sicherheitspolitische, wirtschafts- und entwicklungspoliti- sche sowie politisch-ideologische Bedeutung fuÈ r Mosambik. Vgl. Weimer, Bernhard: Die mosambikanische Auûenpolitik 1975±1982. Merkmale, Probleme, Dynamik. Ba- den-Baden 1983 =Stiftung Wissenschaft und Politik: Akuelle Materialien zur internatio- nalen Politik.), S. 27. 57 Ebenda, S. 29.

172 der Projekte waren begonnen bzw. ausgerufen worden. Die Vielzahl der Ver- traÈ ge und Kontakte erbrachte eine Reihe von Meldungen und Berichte uÈ ber angekuÈ ndigte Projekte mit sich. Der hohe Rang der WertschaÈ tzung der DDR aus dem Jahre 1983 gibt einen richtigen Eindruck, diesen allerdings zeitlich verzoÈ gert, wieder. Bereits 1983 wurde der neue Leiter der diplomatischen Ver- tretung der DDR in Mosambik mit der Sicherung des Erreichten und der Re- duzierung und gar Abwicklung der Beziehungen beauftragt.58 1979 nahm eine Delegation Mosambiks an den Verhandlungen des RGW als »Beobachter« teil, 1980 als Gast. Mosambik hatte die Aufnahme als Voll- mitglied in den RGW beantragt und erhoffte sich durch diesen Schritt eine Gleichbehandlung mit Kuba, vor allem aber eine Intensivierung des Handels mit den oÈ stlichen StaatshandelslaÈ ndern. Im Sommer 1981 wurde der Antrag abgelehnt.59 Der RGW und damit das Lager um die Weltmacht Sowjetunion war an die Grenze seiner Aufnahme- und AusdehnungsfaÈ higkeit gekommen. Nach der Mongolei und Kuba war die Sozialistische Republik Vietnam auf der 32. Ta- gung des RGW im Sommer 1978 als letztes Land auûerhalb der vom Zweiten Weltkrieg bestimmten EinfluûsphaÈ re in die »Gemeinschaft der gegenseitigen Wirtschaftshilfe« aufgenommen worden. In wenigen Jahren hatte sich die weltpolitische Lage geaÈ ndert. Die Schwierigkeiten und AufbruÈ che in Polen zu Beginn der 80er Jahre wa- ren davon ebenso beeinfluût wie die offenere Politik von Erich Honecker ge- genuÈ ber der Bundesrepublik oder das Engagement der sozialistischen Staaten in Afrika. Statt »Territorialgewinn« oder Aufbauhilfe bestimmten Konsoli- dieren und RuÈ ckzug die Tagesordnung des Staatssozialismus. Fast zeitgleich mit der Ablehnung der Aufnahme Mosambiks in die Ge- meinschaft der Gegenseitigen Wirtschaftshilfe im Sommer 1981 begann sich allmaÈ hlich das VerhaÈ ltnis zwischen der DDR und Mosambik abzukuÈ hlen. Die Verhandlungen wurden schwieriger. Immer haÈ ufiger wurden auch GuÈ ter aus dem »nichtzivilen« Bereich nach Mosambik geliefert. Die buÈ rgerkriegsar- tigen KaÈ mpfe im Landesinneren verstaÈ rkten sich seit 1981 deutlich. Die Phase der groûen Projektversprechen und gemeinsam geplanter Betriebe wurde ab- geloÈ st durch eine Phase der Sicherung der Vorleistungen, Warenlieferungen und Kreditlinien seitens der DDR und eines allmaÈ hlichen HerausloÈ sens aus den VertraÈ gen durch die Regierung Mosambiks. Im September 1982 wurde notiert: »Erstmals traten uÈ berfaÈ llige Forderungen der Bezahlung von DDR-Liefe- rungen ± hauptsaÈ chlich fuÈ r den nichtzivilen Bereich ± auf, die per 30.6.1982 9,7Mio. US-Dollar betrugen. Die VRM vertritt den Standpunkt, daû fuÈ r Lieferungen zur StaÈ rkung der Verteidigungsbereitschaft Sonderbedingun- gen gewaÈ hrt werden sollten.«60

58 Vgl. GespraÈ ch mit Prof. Dr. H. Matthes am 9.12.1998, im Anhang. 59 Ebenso die AntraÈ ge von AÈ thiopien und Angola. 60 Beschluû des Ministerrates VVS B 2±845/82: Bericht von der GWA vom 23.9.1982. BAZ DL 2 KoKo. 1. Leiter der DDR-Delegation auf dem GWA war Dieter Uhlig.

173 Am 15.Mai1982 wurde in einem Treffbericht vermerkt: »Mosambik: benoÈ tigt dringend Panzerabwehrmittel; in groÈ ûeren Teilen Mosamb. Bandenaktionen; Alexander Schalck-Golodkowski: Mosamb. be- kommt solche Waffen nur gegen KD. Es geht primaÈ r um die Existenz der DDR.«61 Der KoKo-Chef hatte sich schon laÈ ngst einen Reim auf die Zusammenarbeit mit Mosambik gemacht.

Vor allem die LandbevoÈ lkerung wurde in militaÈ rische Auseinandersetzungen verwickelt und litt unter den schwadronierenden Banden. Einige der Groû- projekte der DDR waren Ziele von Angriffen der RENAMOund wurden zum Teil erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Ab 1983 kann von der Abwicklung der intensiven Beziehungen gesprochen werden. Ein »aktualisiertes Konzept« fuÈ r Mosambik wurde im FruÈ hjahr 1984 beschlossen. Es kam einer Revision der Programme uÈ ber die Zusammenarbeit von 1977 und 1979 gleich. Die Ausfuhren der DDR nach Mosambik fielen von 190,116 Mio. VM 1982 um immerhin 50 Prozent auf 81,604 Mio. VM 1983. In der offiziellen Darstellung der Beziehungen spiegelte sich dies nicht wider. Das »aktualisierte Konzept« stelle eine Anpassung an die Interessen der DDR sowie an die veraÈ nderte globale Lage dar. Schon auf dem IV. FRELIMO-Kongreû im Herbst 1983 wurde der Anfang der 80er Jahre entscheidend von DDR-Beratern mit erarbeitete Entwicklungs- plan PPI =Plano Pespectivo Indicativo) zuruÈ ckgezogen. Vor allem wegen »des verheerenden Scheiterns der Groûprojekte«.62 Mosambik oÈ ffnete sich immer weiter den westlichen LaÈ ndern, ohne das Interesse an den sozialistischen LaÈ n- den und der DDR aufzugeben.

Der Prozeû sich lockernder Bindungen zwischen Mosambik und der DDR verbesserte die Beziehungen zwischen Mosambik und der Bundesrepublik. Diese waren uÈ ber Jahre unterkuÈ hlt und vernachlaÈ ssigt worden. Die Bundesre- publik bezog Mosambik als eines der aÈ rmsten LaÈ nder der Welt aus politischen und rechtlichen GruÈ nden nicht mit in ihre Konzepte und Strategien der Ent- wicklungszusammenarbeit sowie der Verbesserung der Grundversorgung ein. Nach dem Scheitern der Hallstein-Doktrin hatte sie eine weitere, speziell deutsch-deutsche Variante eines stellvertretenden Ost-West-Konfliktes in Ent- wicklungslaÈ ndern, die sogenannte Berlin-Klausel, entworfen. Die Bundesre- publik verlangte von Staaten, die Entwicklungshilfe erhalten wollten, daû in die entwicklungspolitischen VertraÈ ge die »Standard-Berlin-Klausel« aufge- nommen wird. Diese besagte vor allem, daû Berlin-West zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gehoÈ re und kein politisches Sondergebiet sei, wie es die DDR aufgrund des »Vier-MaÈ chte-Abkommens« interpretierte. Die DDR sprach vom Status einer »besonderen politischen Einheit Westberlin«.

61 Treffbericht IM »Henry« vom 17.5.1982. Bundesdrucksache 12/7600, S. 1268f. 62 Halbjahresbericht II/1986 vom RepraÈ sentanten des BuÈ ros Maputo der Friedrich- Ebert-Stiftung, S. 2.

174 Bis 1981 wurde von Mosambik nach vorheriger RuÈ ckkopplung mit der DDR die Anerkennung der »Berlin-Klausel« strikt abgelehnt. Dies hatte zur Folge, daû Mosambik nicht nur von der Entwicklungshilfe der Bundesrepu- blik, sondern auch ± durch die Verankerung der »Berlin-Klausel« in den Lome -II-Abkommen ± von der UnterstuÈ tzung aus zentralen Fonds der Euro- paÈ ischen Gemeinschaft ausgeschlossen war. Ein groûes Opfer dieses armen Landes fuÈ r einen »innerdeutschen« Streit, denn die DDR wiederum band ihre Kooperation lange Zeit an die Ablehnung der »Berlin-Klausel«. Die veraÈ nderte weltpolitische Lage und der inzwischen aufgrund der realen Leistungen der DDR eingezogene Realismus ermoÈ glichte Mosambik 1982 die Akzeptanz der »Standard-Berlin-Klausel« gegenuÈ ber der Bundesrepublik. Am 21. Juni 1982 trafen sich in Bonn die Auûenminister Hans-Dietrich Genscher und Joaquim Alberto Chissano und vereinbarten ein »Abkommen uÈ ber entwicklungspolitische Kooperation«, in welchem Mosambik im No- vember 1982 die »Berlin-Klausel« mit unterschrieb. Die Beziehungen zur Bun- desrepublik begannen allmaÈ hlich sich aufzubauen. Die Hauptabteilung AufklaÈ rung des MfS sah in diesem Vorgang eine Ver- schaÈ rfung des Klassenkampfes: »BRD nutzt Mittlerrolle Portugals und versucht, in M. vor allem auf wirt- schaftlichem Gebiet aktiv zu werden. Als Erfolg wertet BRD kuÈ rzlich er- folgte Akzentuierung der Westberlin-Klausel durch M. Als naÈ chster Schritt ist mit Beitritt M. zum Lome -II-Abkommen zu rechnen. Damit Erwartung verbunden, daû Angola Beispiel folgen wird. Die gegenwaÈ rtige Gesamtsi- tuation in M. ist von einer VerschaÈ rfung des Klassenkampfes gekennzeich- net. Es muû jederzeit mit einer Zuspitzung der Lage gerechnet werden.«63 UnabhaÈ ngig von der notwendigen Verbesserung der Beziehungen zur Bundes- republik blieben die Kontakte zur DDR in diesem Zeitabschnitt die vielfaÈ lti- geren und wichtigeren Verbindungen. Im MaÈ rz 1983 weilte Samora Machel als einziges Staatsoberhaupt auf der groûen Karl-Marx-Konferenz der SED in Ostberlin, an der Delegationen von kommunistischen Parteien sowie Arbei- terparteien aus uÈ ber 100 LaÈ ndern teilnahmen.

Am 16. MaÈ rz 1984 unterzeichneten Mosambik und SuÈ dafrika den Vertrag uÈ ber »Nicht-Angriff und gute Nachbarschaft« am gemeinsamen Grenzfluû Nkomati. Der Vertrag von Nkomati versuchte, eine Normalisierung der Be- ziehungen beider LaÈ nder anzubahnen. Der Kern des Vertrages war nicht pri- maÈ r ein Wirtschaftsabkommen, sondern ein »Anti-Subventionsabkommen« und sollte zur Befriedung der Region am Kap der Guten Hoffnung beitragen. Der Vertrag hatte vor allem das Ziel, die Beendigung der UnterstuÈ tzung und Subventionierung der jeweiligen Gegner der beiden Unterzeichnerstaaten her- beizufuÈ hren. Mosambik verpflichtete sich zur Schlieûung von ANC-Basisla- gern und der Ausweisung =nicht zur Auslieferung!) von ca. 800 ANC-KaÈ mp- fern. SuÈ dafrika sagte im Gegenzug den Abbruch der finanziellen, materiellen

63 Brief von GOM. Wolf an AG E.Mielke vom 10.Dezember 1982: EinschaÈ tzung zu eini- gen aktuellen Entwicklungstendenzen in Mosambik. BStU MfS 5494 ZAG BLG, 184.

175 und logistischen UnterstuÈ tzung der RENAMOzu. Mosambik erhoffte sich eine Beruhigung der militaÈ rischen Lage, die Entlastung des Staatshaushaltes durch verringerte MilitaÈ rausgaben und eine verstaÈ rkte wirtschaftliche Koope- ration mit SuÈ dafrika. In diesem FruÈ hjahr begannen auch die Verhandlungen der Regierung Mosambiks mit der Weltbank und dem WeltwaÈ hrungsfonds. Neue Impulse fuÈ r den dringend notwendigen wirtschaftlichen Aufbau Mo- sambiks erhoffte sich die FRELIMO-FuÈ hrung vor allem von westlichen LaÈ n- dern und deren weltweit agierenden Agenturen. Westliche Kreditgeber traten nun an die Stelle der zuruÈ ckweichenden oÈ stlichen LaÈ nder. Daû dieser Wandel unter der kontinuierlichen FuÈ hrung ein und derselben Partei und eines lang- jaÈ hrigen PraÈ sidenten erfolgte und kein abrupter Wechsel mit groûen BruÈ chen war, ist kennzeichnend fuÈ r die mosambikanische Politik und ihre FuÈ hrungs- kraÈ fte. Bei aller politischen Eindeutigkeit verloren sie die uÈ bergreifenden na- tionalen Interessen des Landes nicht aus den Augen und waren zu neuen Schritten bereit. Seit 1984 verstanden sie es, mit beiden Seiten, Ost und West, zusammenzuarbeiten. Nachdem die mosambikanische Regierung klar erkennen muûte, daû die sozialistischen Staaten nur eingeschraÈ nkte Ressourcen fuÈ r die soziale und oÈ konomische Entwicklung ihres Landes aufbrachten und um die eigene Exi- stenz zu kaÈ mpfen hatten, war diese Entscheidung folgerichtig. Das von der Weltbank geforderte Strukturanpassungsprogramm zur »Wirtschaftlichen Gesundung« setzte erst im Jahre 1987, nach fast drei Jahren Analyse, Bera- tung und Kontrolle von Auflagen ein. Die wirtschaftliche und soziale Lage der BevoÈ lkerung verbesserte sich dadurch kaum.

Ab 1985 bemuÈ hte sich die DDR verstaÈ rkt, ihre HandelsbilanzuÈ berschuÈ sse und Guthaben in Mosambik im Zuge einer Strategie der Schadensbegrenzung abzubauen. Es wurden verstaÈ rkt Produktionsarbeiter aus Mosambik einbezo- gen, die in Betrieben der DDR zum Einsatz kamen. Die oÈ konomischen Beziehungen reduzierten sich von Jahr zu Jahr, ebenso die auûen- und sicherheitspolitischen Kontakte; 1985 war das Ausgangsni- veau vom FruÈ hjahr 1977 wieder erreicht. Es weilten noch ca. 150 BuÈ rger der DDR in Mosambik.

Die Interessen und die Politik des Ostblocks in Afrika lassen sich an den Be- ziehungen der DDR zu Mosambik nachzeichnen. Einer ruckartigen Erweite- rung der Zusammenarbeit in einigen LaÈ ndern Afrikas, das bei manchen Poli- tikern des Kontinentes Erwartungen naÈ hrte und bei westlichen Beobachtern AÈ ngste schuÈ rte, stand ein fast ebenso unerwartetes Erlahmen des Engage- ments und ein allmaÈ hliches HerausloÈ sen aus der eingegangenen Verantwor- tung gegenuÈ ber. Die oÈ konomisch angeschlagene DDR wollte aus den in Afri- ka eingegangenen Beziehungen langfristigen Nutzen ziehen. Sie hoffte, daû oÈ konomische Gegenseitigkeit und politische Gemeinsamkeiten groÈ ûer sind als unterschiedliche Interessen und Ausgangslagen. Die SolidaritaÈ t wurde als die gemeinsame Grundlage angesehen und zur Beschleunigung der oÈ konomischen Zusammenarbeit herangezogen. Durch fehlende kritische Analysen, die weit-

176 gehende Orientierung auf einseitige Vorteile, Managementfehler und unzurei- chende Sachkenntnis, gekoppelt mit unangemessen kurzen Planungs- und RealisierungszeitraÈ umen, »entwickelten« sich viele Bereiche der oÈ konomi- schen Beziehungen zum Nachteil und Schaden fuÈ r Mosambik. Das Engage- ment erwies sich auch fuÈ r die Wirtschaft der DDR als VerlustgeschaÈ ft, so daû man von einer Beziehung zum »gegenseitigen Nachteil« sprechen kann, deren Ursachen zum weitaus groÈ ûten Teil in den zentralistischen Strukturen der DDR zu suchen sind. Ein besonderes Charakteristikum der Kooperation beider LaÈ nder war die KomplexitaÈ t der Verbindungen. Die DDR verstand sich zeitweise als »Mut- terland« gegenuÈ ber Mosambik. Ein langjaÈ hriger Berater in Maputo kam zu den Schluû, daû »die Beziehun- gen der DDR zu Mosambik sich neokolonialistischen Dimensionen annaÈ - hern«.64 Diese Sicht bestaÈ tigt auch ein ehemaliger Beobachter in Maputo: »Aus der Kombination des politischen Faktors der ­privilegierten Bezie- hungen¬ mit dem ausgepraÈ gten oÈ konomischen Eigeninteresse der sozialisti- schen Partnerstaaten gerieten die Kooperationsbeziehungen in die NaÈ he ty- pisch-kolonialwirtschaftlicher AustauschverhaÈ ltnisse und im Vergleich zu den wirtschafts- und entwicklungspolitischen Leistungen westlicher Staaten unter zunehmende negative Bewertung. AÈ hnliches gilt trotz aller politischen Rhetorik im Kern auch fuÈ r die MilitaÈ rhilfe, deren QualitaÈ t und EffektivitaÈ t in ihrer konventionellen Ausrichtung den sicherheitspolitischen Anforde- rungen nicht gerecht wird, und die ± soweit bekannt ± prinzipiell kommer- ziell abgewickelt wird.«65

Auf den Handel mit militaÈ rischen GuÈ tern soll nur kurz eingegangen werden. Er war ein nachgeordneter, aber regelmaÈ ûiger Bestandteil der Kooperation. In der zweiten HaÈ lfte der 80er Jahre verstaÈ rkte er sich. Die militaÈ rischen Lieferungen nach Mosambik wurden ± entsprechend der LaÈ nderaufteilung des RuÈ stungsguÈ terhandels der DDR ± vor allem durch den ITA, den Ingenieurtechnischen Auûenhandel, betrieben. Diesen leitete lange Zeit einer der stellvertretenden Minister fuÈ r Auûenhandel der DDR als Offi- zier der Nationalen Volksarmee, Generalmajor SchoÈ nherr. Generalmajor SchoÈ nherr war auch staÈ ndiges Mitglied der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ n- der. Daneben betrieb die IMES GmbH, die als KoKo-Firma gefuÈ hrt wurde, Waffenhandel mit Mosambik. Dem Sonderbeauftragten gegenuÈ ber wird die mosambikanische FuÈ hrung die Mehrzahl der Bitten nach militaÈ rischen Liefe- rungen aus der DDR ausgesprochen haben. Diese Lieferungen wurden in der Regel uÈ ber die Verrechnungs- bzw. Regierungskredite »bezahlt« und sind in die Handelssalden eingegangen. Gelegentlich gab es auch Waffenlieferungen

64 Abschluûbericht des RepraÈ sentanten des BuÈ ros Maputo der Friedrich-Ebert-Stiftung im Rahmen des gesellschaftspolitischen Beraterprogrammes suÈ dliches und oÈ stliches Afrika, Zeitraum 1984±1987. Maputo-Bonn 1987, S. 11. Projektnummer: G 7 728 686. 65 Adam, Erfried: Mosambik: Im 12. Jahr am Ende? Wirtschaftskatastrophe und AnsaÈ tze wirtschaftspolitischer Neuorientierung seit dem IV. Kongreû. In: afrika-spektrum, 21 =1986) 3, Sonderdruck, S. 354.

177 der »speziellen SolidaritaÈ t«, die aus dem Staatshaushalt oder uÈ ber das Solida- ritaÈ tskomitee der DDR und den ihm unterstellten Spendenfonds finanziert wurden und als unentgeltliche Lieferungen anzusehen sind.66 Nach Mosambik wurden seit Anfang der 80er Jahre verstaÈ rkt Waffen verkauft. In der Zeit von 1980 bis 1985 wurde Mosambik beim ITA als eines der wichtigen HandelslaÈ n- der gefuÈ hrt. Danach fehlt Mosambik in den Auflistungen.67 MoÈ glicherweise wurde der Handel ab dieser Zeit uÈ ber die IMES GmbH abgewickelt. FuÈ r das Jahr 1985 fanden sich BeschluÈ sse uÈ ber die Lieferungen militaÈ rischen GeraÈ tes. StaatspraÈ sident Samora Machel hatte die DDR mehrmals dringend um mili- taÈ rische UnterstuÈ tzung gebeten. Die MilitaÈ rs der NVA reagierten sehr zuruÈ ck- haltend und uÈ berlieûen die Versorgung der mosambikanischen Armee gern der Sowjetunion. Auch die materielle Basis der bewaffneten Einheiten in der DDR war schmal. Die NVA schien um ihre Wehrkraft zu bangen. Egon Krenz brachte im Februar einen Antrag zur militaÈ rischen UnterstuÈ tzung Mo- sambiks im PolitbuÈ ro ein. Es sollten fuÈ r ca. 1,9 Mio.Mark Lieferungen der NVA aus ihren planmaÈ ûig ausgesonderten BestaÈ nden beschlossen werden. Erich Honecker erklaÈ rte sich einverstanden.68 Ob diese Summe die Lieferun- gen des gesamten Jahres umfaût, konnte nicht festgestellt werden. Es sollten vor allem SchutzumhaÈ nge, Decken mit NVA-Kennzeichnung, FelddienstanzuÈ ge und Gurtkoppel mit Schloû und DDR-Staatsemblem sowie Feldflaschen und Kochgeschirr versendet werden. Die Lieferungen des MfS fuÈ r das Schutzbataillon der Sicherheitsorgane der VRM, das heiût fuÈ r den Staats- und Personenschutz, wurden in diesem Jahr mit 4,027Mio. Mark an- gegeben. Im Rahmen der »Bereitstellung materiell-technischer AusruÈ stungen fuÈ r bestimmte Truppenteile der mosambikanischen Armee« bat Generaloberst Streletz den Stellvertreter des Ministers und Chef fuÈ r Technik und Bewaff- nung der NVA =ohne Anrede) am 7. Januar1986, »Verbindung mit dem Soli- daritaÈ tskomitee der DDR aufzunehmen und MoÈ glichkeiten der Finanzierung dieser Hilfslieferungen abzustimmen«.69 Durch die Abteilung des ZK der SED wurde das SolidaritaÈ tkomitee der DDR nicht regelmaÈ ûig, aber von Mal zu Mal beauftragt, auch diese Lieferungen aus seinem Spendenaufkommen zu bezahlen. Trotz des in deeskalierender Absicht abgeschlossenen Vertrages mit der Re- publik SuÈ dafrika vom MaÈ rz 1984 kam es nicht zu der erhofften EindaÈ mmung der KaÈ mpfe mit der RENAMOund der notwendigen Befriedung im Land. Die UnterstuÈ tzung der RENAMOaus der »Kapregion« erfolgte durch »nichtstaatliche«, von SuÈ dafrika aus operierende Organisationen fast unge- hindert weiter. Es ist bis 1989 von Waffenlieferungen der DDR nach Mosam- bik bzw. dem Handel mit »spezieller Nomenklatur« auszugehen. Im 1989 auf-

66 Es ist davon auszugehen, daû in den derzeitigen ForderungsbestaÈ nden der Bundesregie- rung gegenuÈ ber Mosambik erhebliche Summen auf Waffenlieferungen zuruÈ ckgehen. Diese Waffenlieferungen erfolgten in eine Krisenregion. 67 Vgl. horizont 1 und 2/1990, jeweils S. 32f. 68 Vgl. Brief von E.Krenz an E.Honecker vom 6.3.1985 mit Anlagen. BMA FB VA-01± 32 277. 69 NVA, Strauûberg: Hausmitteilung 491 042 vom 7.1.1986. BMA FB VA-01±32300.

178 gestellten »Protokoll uÈ ber Waren und Lieferungen fuÈ r das Jahr 1990« wurden bei einem Gesamtvolumen von 10Mio. US-Dollar 4,5Mio. US-Dollar fuÈ r mi- litaÈ risches GeraÈ t ausgewiesen. Diese Lieferungen sollten uÈ ber einen Kredit mit 8 Prozent Zinsen p. a. abgesichert werden. In der zweiten HaÈ lfte der 80er Jah- re wird der Anteil militaÈ rischer GuÈ ter im Handel mit Mosambik schaÈ tzungs- weise zwischen 25 und 50Prozent betragen haben.

Auf zwei VorgaÈ nge der fruÈ hen 80er Jahre im Zusammenhang mit Mosambik soll noch hingewiesen werden: auf eine sieben Jahre lang immer wieder abge- lehnte Reise von Vertretern der Evangelischen Kirchen nach Mosambik und den Besuch des bayerischen MinisterpraÈ sidenten, Franz-Joseph Strauû, 1983 in der DDR, nachdem er den ersten Milliardenkredit ± verbuÈ rgt durch die Bundesregierung ± eingefaÈ delt hatte.

Im Oktober 1982 reiste eine kleine Delegation des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR nach Mosambik. Sie wurde vom Leiter des Sekretariates des Kirchenbundes, Oberkonsistorialrat Manfred Stolpe, geleitet. Besucht wurde der Nationale Christenrat von Mosambik, der Zusammenschluû der meist nichtkatholischen Kirchen. OÈ kumenische Reisen waren fuÈ r Mitarbeiter von Kirchenleitungen in der DDR keine Seltenheit, sie waren aber auch nicht haÈ ufig. Das Besondere dieser Reise war, daû sie uÈ ber sieben Jahre durch die staatlichen Stellen der DDR verhindert wurde. Bereits im April 1975 bat Philipp Potter, der damalige GeneralsekretaÈ r des Weltrates der Kirchen in Genf, den StaatssekretaÈ rfuÈ r Kirchenfragen der Re- gierung der DDR, Klaus Gysi, die DDR moÈ ge eine Delegation zum Nationa- len Christenrat entsenden. Erfahrungen von Kirchen innerhalb sozialistischer Gesellschaftsordnungen sollten ausgetauscht werden. Gysi versprach Unter- stuÈ tzung und positive PruÈ fung. Noch im gleichen Jahr wurden GespraÈ che uÈ ber die Finanzierung von SchulbuÈ chern fuÈ r den Unterricht in den FRELI- MO-Camps zwischen Mitarbeitern des Bundes der Evangelischen Kirchen und dem SolidaritaÈ tskomitee der DDR gefuÈ hrt. Es kam zur Vereinbarung, daû aus Mitteln des Antirassimus-Programmes der Kirchen in der DDR 300000 M zur VerfuÈ gung gestellt werden.70 Die Kirchen suchten neben den »klassischen« Verbindungen der Missionswerke neue Partner in UÈ bersee und bemuÈ hten sich, globale Partnerschaften im nachkolonialen Zeitalter zu gestal- ten. Eine vom Volk getragene Befreiungsbewegung, die staatstragende Funk- tionen uÈ bernommen hatte, schien gerade richtig. Durch die FuÈ hrung der DDR erwartete man Toleranz, wenn nicht gar FoÈ rderung. Dem war nicht so. Die FuÈ hrung der DDR hatte kein Interesse an diesen progressiven Kirchen- kontakten. Im Juli 1978 verfaûte die OÈ kumeneabteilung des Kirchenbundes ein mehr- seitiges Papier mit dem Titel »FuÈ nfter gescheiterter Versuch, eine Besuchsreise

70 Die Kirchen der DDR hatten sich bei ihrem Zusammenschluû auch am Weltrat der Kirchen orientiert und beteiligten sich im Rahmen der ihnen eingeraÈ umten MoÈ glichkei- ten am Antirassismus-Programm der Genfer Organisation seit 1971.

179 zum Nationalen Christenrat in Mosambik zu entsenden«.71 Akribisch werden 25 VorstoÈ ûe beim Staat zur GewaÈ hrung der Delegation aufgelistet. Die Kir- chenleitung befaûte sich mehrmals mit dieser Reise. Die DDR-BehoÈ rden be- haupteten stets, die mosambikanische Seite wuÈ rde keine Einreise erlauben. Sie wuÈ rden um die besondere Stellung der Kirchen in der DDR wissen. Zudem seien die Kirchen in Mosambik revolutionaÈ r noch nicht ausreichend gefestigt. Dem wurde erwidert, daû der mosambikanische VizepraÈ sident, Marcelino dos Santos, dem GeneralsekretaÈ r des Weltrates der Kirchen, Philipp Potter, er- klaÈ rt hatte, daû dem Besuch einer Kirchendelegation aus der DDR von der Seite Mosambiks nichts im Weg steht. Der Nationale Christenrat hatte inzwi- schen fuÈ nf ausfuÈ hrliche Besuchsprogramme entworfen, die alle hinfaÈ llig wa- ren. Der Kirchenbund betonte in seinem Schreiben nochmals, »daû eine Kir- che, die sich bewuût als Kirche im Sozialismus verstehe und ihre SolidaritaÈ t mit dem um seine Befreiung kaÈ mpfenden Volk von Mosambik schon vor der UnabhaÈ ngigkeit des Landes unter Beweis gestellt habe, sich durch Delegierte in Mosambik artikulieren koÈ nne«.72 Zudem wuÈ rden die Gemeinden, die sich am Antirassismus-Programm beteiligt haÈ tten, diese Entscheidung nicht ver- stehen. Das Staatssekretariat fuÈ r Kirchenfragen wiegelte ab und versprach Vermittlung eines GespraÈ ches mit einem Vertreter des Ministeriums fuÈ r Aus- waÈ rtige Angelegenheiten. Es signalisierte: Wir sind die falsche Adresse. Das Treffen der Kirchenleitung mit Erich Honecker vom 6.MaÈ rz war erst wenige Monate voruÈ ber. Es sollte noch vier Jahre dauern, bis die »Stolpe-Delegati- on« ausreisen konnte. Auch Einreisen von Kirchenvertretern aus Mosambik wurden erschwert. Die DDR-FuÈ hrung verlangte fuÈ r den Flug einer Delega- tion Maputo±Ostberlin±Maputo mit der staatseigenen DDR-Linie »Inter- flug« 36708,00 DM fuÈ r eine kleine Delegation. Die Kirchenleitung versuchte mehrmals, diese Kostenstellung in DM abzuwehren. Nicht zuletzt, weil sie die Gefahr sah, ihr oÈ kumenisches Engagement ± gerade im Kontakt mit Kirchen der sogenannten Dritten Welt, die sich auf dem Weg zum Sozialismus befin- den ± koÈ nnte unglaubwuÈ rdig werden, wenn sie andere westliche Kirchen um UÈ bernahme der Kosten bitten muû. Erst vom 3. bis 18. Oktober 1982 reiste die Delegation des Kirchenbundes nach Maputo. Der zweiseitige Bericht an die Kirchenleitung73 ist konkret und plastisch. Im siebenten Jahr der Revolution waren die Lebensmittel rationiert. Berichtet wird zum Beispiel von Zuteilungen: monatlich zwei kg Reis und ein Liter OÈ l, von Hunger im Norden und von akutem Mangel an Bekleidung. Aber auch von kirchlicher Versammlungsfreiheit und einem beruhigten Ver- haÈ ltnis zwischen Kirchen und dem Staat. Zu den von den Kirchen der DDR bezahlten Materiallieferungen schreibt Manfred Stolpe:

71 BfdW DDR 70, Tb.-Nr. 3855±1409/78 vom 31.7.1978. Hauptarchiv des Diakonischen Werkes =ADW). 72 Ebenda. 73 Kirchenhilfe fuÈ r Mosambik ± eine Hintergrundinformation, 19.10.1982, Konzept Tb- Nr. 3855±2063/82. EZA Berlin 101/1534±1537.

180 »Kirchenhilfe aus der DDR hat die Funktion der politischen Flankierung westlicher Kirchenhilfe. Sie bedeutet daruÈ ber hinaus eine Aufwertung der Kirchen gegenuÈ ber der FRELIMO, da die DDR der wichtigste Entwick- lungshelfer und das sozialistische Vorbild fuÈ r Mosambik ist. Zugleich zeigt Hilfe von Kirchen aus sozialistischen LaÈ ndern den Christen in Mosambik, daû der Weg zum Kommunismus keineswegs das Ende des Christentums bedeutet. Dies wird besonders dankbar vermerkt.«74 In einer weiteren Auswertung der Reise schlug die Delegation u. a. die Entsen- dung von Entwicklungshelfern durch die Kirchen vor. Es muûten noch weite- re fuÈ nf Jahre vergehen und zaÈ he Verhandlungen gefuÈ hrt werden, bis der Kir- chenbund 1987 einen Wasserbauingenieur in ein Projekt des Genfer Weltrates der Kirchen nach Kambodscha und eine Krankenschwester nach Tansania entsenden konnte. Beide PersonalvorschlaÈ ge wurden dem Kirchenbund vom oÈ kumenischen Arbeitskreis INKOTA75 unterbreitet. Ein Grund fuÈ r diese VerzoÈ gerungen waren Forderungen der Regierung der DDR nach Erstattung ausfallender Arbeitsleistungen als Grund von Entsen- dungen von ArbeitskraÈ ften aus volkseigenen Betrieben in US-Dollar. Der Staat erwartete ca. 1500 US-Dollar pro Monat von den Kirchen, mit der Be- gruÈ ndung, dies koÈ nne die Genfer OÈ kumene bezahlen, da sie uÈ ber Valuta ver- fuÈ ge. Die Forderung war um so merkwuÈ rdiger, da die Arbeitskollektive zuge- sagt hatten, die ArbeitsausfaÈ lle wenigstens teilweise ausgleichen zu wollen. FuÈ r die Kirchen war die Forderung des Staates nicht annehmbar, da sie sich gerade auf diese Weise an der weltweiten oÈ kumenischen Arbeit beteiligen und mit der Entsendung von FachkraÈ ften fuÈ r die vielfaÈ ltig erfahrene UnterstuÈ t- zung aus dem Ausland bedanken wollte. FuÈ r diese Absicht Devisen von der Evangelischen Kirche Deutschland oder dem Weltrat der Kirchen zu erbitten, wurde als geradezu paradox angesehen. In der Logik der DDR-FuÈ hrung war solch eine Forderung nur konsequent. Vielleicht hoffte man im Hause Schalck im Verborgenen schon auf ein neues KirchengeschaÈ ft. Neben dem Kirchenge- schaÈ ft A, der Mitfinanzierung der Kirchen in der DDR durch Valuta, und dem KirchengeschaÈ ft B, den durch das Diakonische Werk im Auftrag der Bundesregierung erfolgten HaÈ ftlingsfreikaÈ ufen, waÈ re ein KirchengschaÈ ft C eine reizvolle Erweiterung gewesen. Die Christen haÈ tten ihre NaÈ chstenliebe uÈ ben und ihr Fernweh pflegen koÈ nnen, so vielleicht die ErwaÈ gung, und die AusfaÈ lle der DDR aufgrund der immer geringeren Vermittlung von DDR- Spezialisten auf kommerzieller Basis nach Afrika haÈ tten wenigstens in kleinen Teilen ausgeglichen werden koÈ nnen. Die Kirchen in der DDR konnten bis 1990 weder Entwicklungshelfer oder Kooperanten nach Mosambik noch nach AÈ thiopien oder Angola entsenden. Der Staat wollte sich in diesen LaÈ ndern nicht in die Karten schauen lassen, zumal keine Dollar zu erwarten waren.

74 Ebenda. 75 INKOTA: Information, Koordination, Tagungen zu Problemen der Zwei-Drittel-Welt e.V. Entwicklungspolitisches Netzwerk in Ostdeutschland.

181 Dessenungeachtet bildete sich in einigen Gemeinden eine bemerkenswerte UnterstuÈ tzung von Christen aus Mosambik heraus. Diese BemuÈ hungen wur- den im Arbeitskreis Mosambik beim Bund der Evangelischen Kirchen koordi- niert. Mit der Bildung von Treffpunkten fuÈ r AuslaÈ nder in Kirchgemeinden, den sogenannten Cabanas, erfuhren die Beziehungen der Kirchen zu Mosam- bik in der zweiten HaÈ lfte der 80er Jahre eine besonders konkrete Form. Mo- sambikanische Vertragsarbeiter, die oft aus christlichen Familien stammten, besuchten haÈ ufig diese BegegnungsstaÈ tten, feierten und tanzten ausgiebig und erhielten, soweit moÈ glich, auch rechtliche Beratung hinsichtlich der Probleme in den Groûbetrieben.

Der Besuch des bayerischen MinisterpraÈ sidenten Franz-Joseph Strauû in der DDR im August 1983 beruÈ hrte die Beziehungen der DDR zu Mosambik nur indirekt, verweist aber auf die Lage der DDR in der ersten HaÈ lfte der 80er Jahre. Strauû gilt als »EinfaÈ dler« des ersten Milliardenkredites vom Sommer 1983, der die DDR von einer weiteren ZahlungsunfaÈ higkeit entlasten sollte. Neben einer eher kurzfristigen finanziellen Entspannung hatte der gewaÈ hrte Kredit vor allem eine psychologische Wirkung in der internationalen Bankenwelt zu- gunsten der DDR. Eine Milliarde DM kann eine stattliche Summe sein und eine breite Wirkung entfalten. In Anbetracht des notwendigen Bedarfes der DDR muûte die Milliarde aber eher als ein »Tropfen auf den heiûen Stein« angesehen werden. Am 29. Juni 1983 buÈ rgte das Bundeskabinett fuÈ r den Kredit. Gleich im Au- gust flog Franz-Josef Strauû mit seiner Privatmaschine in die DDR ein und traf neben Alexander Schalck auch Erich Honecker auf dessen Jagdsitz »Hu- bertusstock« in der Schorfheide, noÈ rdlich von Berlin. Unter den MaÈ nnern wurden Dank und Anerkennung ausgetauscht. Begonnen hatte das Unterneh- men »Strauû-Kredit« ebenfalls in einem GaÈ stehaus, dem des FleischhaÈ ndlers und Wurstherstellers Joseph Merz im bayerischen Wald. Enden sollte es nun ebenso zuÈ nftig in einem GaÈ stehaus mitten in der preuûischen Heide. Die Ver- kuÈ ndung des Kreditvertrages im Sommer 1983 war eine politische Sensation. Die Geheimhaltung war wiederum perfekt. Im PolitbuÈ ro wuûten von diesem Deal nur Erich Honecker, GuÈ nter Mittag und Alexander Schalck-Golodkow- ski. Die Herren rechneten vor allem mit AÈ rger aus Moskau und hielten dicht. Sie vermuteten ZutraÈ ger in den eigenen Reihen. Franz-Josef Strauû, der fuÈ r politische UÈ berraschungen immer gut war, galt in der DDR als der Prototyp des »reaktionaÈ ren Klassenfeindes«. Bei der be- absichtigten UÈ bergabe von Informationen und Dokumenten zu den »neuko- lonialen Absichten der Bundesrepublik« durch das MfS an den libyschen Staatschef al Gaddafi im Dezember 1977 wurde Franz-Josef Strauû bestimmt mit einer umfangreichen Sammlung gewuÈ rdigt. GegenuÈ ber den VerhaÈ ltnissen in der DDR hielt er mit seiner klaren Meinung nicht hinter dem Berg. Trotz- dem sah Erich Honeckers kleiner Kreis ihn als hilfreichen »BuÈ rgen« in der akuten Finanzkrise von 1983 an, nachdem Alexander Schalck bei dezenten

182 Anfragen ob der GewaÈ hrung eines groÈ ûeren Kredites von Bonn immer nur negative Antworten bekam. Das von Franz-Josef Strauû in den DDR-Medien aufgebaute Bild hinderte beide Seiten nicht an zuÈ gigen Verhandlungen, nachdem der GespraÈ chsfaden geknuÈ pft war. Schalck-Golodkowski verstand es u. a., den Ehrgeiz von Strauû gegenuÈ ber den Bonnern anzustacheln. Franz-Josef Strauû wurde in der DDR, aber auch bei Teilen der bundes- deutschen OÈ ffentlichkeit, nicht nur als vitaler »Verfechter des Kapitals und der Monopole« angesehen, sondern auch als wichtiger Freund des Apartheid- regimes in SuÈ dafrika und als aktiver UnterstuÈ tzter der in Mosambik operie- renden RENAMO.76 Diese kaÈ mpfte gegen die von der DDR und der SED un- terstuÈ tzte FRELIMOund die Streitkra È fte Mosambiks. Auch wurden der RENAMOAngriffe auf mehrere Projekte der DDR in Mosambik zugeschrie- ben. Besonders in den Jahren 1982 und 1983 verstaÈ rkte die RENAMOdie KaÈ mpfe in Mosambik und ihr BemuÈ hen um internationale Anerkennung. Ei- nige christ-demokratische und christlich-soziale Kreise fungierten in Europa als wichtige Verbindungsstellen. Von westlichen Regierungen wurde im Jahre 1983 die Entwicklung in Mo- sambik aufmerksam beobachtet und unterschiedlich bewertet. Die von Hel- mut Kohl gefuÈ hrte Bundesregierung mit dem aus der sozialliberalen Koalition stammenden Auûenminister Hans-Dietrich Genscher unterstuÈ tzte den Weg der USA. Diese wollte mit diplomatischen Mitteln die beginnende OÈ ffnung Mosambiks nach Westen foÈ rdern. So nahm die USA im Juli 1983 wieder di- plomatische Beziehungen zu Mosambik auf. Die von Vertretern der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung und Hans- Seidel-Stiftung unterhaltenen Kontakte zur RENAMOstoÈ rten die US-Ameri- kaner dabei heftig. Sie vermuteten, daû ein international gestuÈ tzter RENA- MO-PraÈ sident Samora Machel von der FRELIMOwieder sta È rker in die Arme der Sowjetunion treiben wuÈ rde. Besonders veraÈ rgert war das State De- partment uÈ ber ein geheimes Treffen in MuÈ nchen. Am 4.November 1983 hatte sich Franz-Josef Strauû mit einer Delegation der RENAMOunter Leitung ih- res PraÈ sidenten, Alfredo Dhlakama, getroffen. Dieser beschrieb gegenuÈ ber dem CSU-Chef die Lage fuÈ r die RENAMOin rosigen Farben. Er sprach da- von, daû man das »linke FRELIMO-Regime Machels« innerhalb von zwei Jahren aus der Regierung vertreiben wuÈ rde und die Verantwortlichen nicht vor ein Gericht stellen, sondern »eliminieren« oder dem Volkszorn uÈ berlassen wolle.77 Den USA war die Sache so wichtig, daû sie einen UnterstaatssekretaÈ r des State Department ins Kanzleramt schickten. SpaÈ ter wurde berichtet, die USA seien »stocksauer« und saÈ hen es als »unstatthaft« an, wenn die BRD

76 Vgl. Strategisch ist der Krieg gewonnen. FR-GespraÈ ch mit dem GeneralsekretaÈ r der Rebellenbewegung RENAMOin Mosambik. In: Frankfurter Rundschau vom 22.10.1984; Ein Bayer bei den Buren. In: Stern vom 28.11.1988; Strauû bemuÈ ht sich um eine Friedenskonferenz im suÈ dlichen Afrika. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.1.1988. 77 Nach: Der Spiegel vom 2.1.1984.

183 Oppositionspolitiker aus Mosambik empfaÈ ngt.78 Die USA wollten zu diesem Zeitpunkt eine OÈ ffnung mit Wirtschafts- und Entwicklungshilfe erreichen. Nach Aussage von ehemaligen Mitarbeitern der Auûen- und Auûenwirt- schaftspolitik wurden 1983 die Spannungen zwischen der offiziellen Afrikapolitik der DDR und dem von Franz-Josef Strauû mit unterstuÈ tzten Afrikaengagement nur, wenn uÈ berhaupt, hinter verschlossenen TuÈ ren und vorgehaltenen HaÈ nden besprochen. Die OÈ konomie der bedrohten Existenz lieû der DDR-FuÈ hrung kei- nen Spielraum.

5.5 Das Engagement der DDR im Steinkohlerevier von Moatize, Provinz Tete

5.5.1 Zur Geschichte des Steinkohlereviers Moatize und den AnfaÈ ngen des Engagements der DDR Am Beispiel des Engagements der DDR im Steinkohlegebiet von Moatize in der Provinz Tete soll die »KomplexitaÈ t« der Vorgehensweise der DDR in Mo- sambik aufgezeigt werden. 79 Von den Provinzen des KuÈ stenstaates Mosambik ragt die Provinz Tete am weitesten in den afrikanischen Kontinent hinein. Das fast die FlaÈ che der ehe- maligen DDR umfassende, 100724 qkm groûe Gebiet wird von Simbabwe im Westen, Sambia im Norden und Malawi im Osten umschlossen. Zum SuÈ den hin oÈ ffnet sich die Provinz dem Staatsgebiet von Mosambik. Tete ist ein abge- legenes und duÈ nn besiedeltes Gebiet. Weniger als zehn Einwohner gibt die Statistik auf einem Quadratkilometer an. Der Sambesi durchzieht ± aus dem Innern des Kontinents kommend und zum Indischen Ozean flieûend ± die Provinz. Die Provinz wird neben der laÈ ndlichen und abgeschiedenen Lage durch zwei Groûprojekte gekennzeichnet: den noch 1975 weitgehend fertigge- stellten Cabora-Bassa-Staudamm mit den Wasserkraftwerken und das Stein- kohlegebiet in Moatize, unweit der Provinzhauptstadt Tete, die der Provinz auch ihren Namen gab. Durch die Lage am Sambesi lieû sich die Gegend um Tete fuÈ r die Portugie- sen fruÈ hzeitig erschlieûen. Schon 1761 wurde der Marktflecken Tete durch ein Dekret des KoÈ nigs von Portugal zur Stadt erhoben. Berichtet wird weiter, daû der englische Afrikareisende David Livingstone zwischen 1841 und 1873

78 Ebenda. 79 Dieser Abschnitt stuÈ tzt sich u. a. auf KuÈ nanz, Heide: Das Steinkohleprojekt Moatize zwischen solidarischer Hilfeleistung und kommerziellem Anspruch. In: Heyden, Ulrich van der; Schleicher, Hans-Georg; Schleicher, Ilona: Die DDR und Afrika zwischen Klassenkampf und neuem Denken. MuÈ nster 1993, S. 174±191 =im folgenden: KuÈ nanz: Steinkohleprojekt Moatize); auûerdem auf GespraÈ che mit der Autorin, die 1984/85 als UÈ bersetzerin in Moatize arbeitete, sowie auf das GespraÈ ch mit Alfred BoÈ hm, Neuwir- schnitz/Erzgebirge am 15.12.1998. Er arbeitete als Direktor fuÈ r Arbeiterversorgung von 1978 bis 1985 in Moatize und war zeitweise amtierender Leiter der DDR-Delegation.

184 mehrmals durch Tete reiste und sich auch laÈ ngere Zeit in der Gegend aufhielt. Unter anderem erkundete er die damals schon bekannten Kohlevorkommen. Bereits 1836 soll an Bord des englischen Dampfers »Nemesis« Kohle aus dem Raum Moatize/Tete zur Probe verheizt worden sein. Livingstone hatte davon erfahren. Er erkundete daraufhin die Gegend und prognostizierte dem Stand- ort Tete aufgrund der in den Uferabrissen des Sambesi und des Rio Revubue anstehenden KohlefloÈ ze groûe Kohlevorkommen. Heute wird das Vorkom- men in der Provinz Tete am Sambesi auf 200 bis 250 Mio. t Steinkohle ge- schaÈ tzt. FuÈ r die gesamte Republik Mosambik werden Steinkohlevorkommen von bis zu 11 Mrd. t angenommen.80

Im Jahre 1870 wurde eine erste »Companhia de Zambezia« durch Portugiesen in Paris gegruÈ ndet, die fuÈ r 20 Jahre den Kohleabbau uÈ bernehmen sollte. Bis 1920 wurde Kohle vor allem fuÈ r die Dampfschiffahrt auf dem Sambesi gefoÈ r- dert. Ab 1920 wurde die erste Steinkohle in den Seehafen von Beira verschifft. In den 30er und 40er Jahren wurden zwischen 10000 t und 15000t Steinkohle gefoÈ rdert, 1935 arbeiteten im Revier sechs EuropaÈ er und ca. 400 afrikanische Bergleute, einige kamen aus dem Gebiet von Malawi. Bis 1975 wurde die Produktion um ein vielfaches gesteigert. Mit der von Portugal erreichten UnabhaÈ ngigkeit und dem weitgehenden Verlassen der Gruben durch das europaÈ ische Leitungspersonal81 kam es zu Produktionsein- bruÈ chen sowie einer erheblichen GefaÈ hrdung der Grubensicherheit und der einfahrenden Bergleute.

JaÈhrliche Steinkohleproduktion im Revier Moatize 1945 bis 1975:82

Jahr Produktion in t 1945 11.871 1950 55.970 1955 173.546 1960 269.625 1970 351.016 1975 574.845

Mit diesem FoÈ rderergebnis hatte sich der Steinkohlebergbau zum groÈ ûten Be- trieb Mosambiks entwickelt. Er wurde bis zu seiner Verstaatlichung im Jahre 1978 von einer gemischten belgisch-portugiesischen Gesellschaft, der »Com- panhia Carbonifera de MocË ambique =CCM)«, gefuÈ hrt. Im Industrialisie-

80 Lt. Bundesamt fuÈ r Statistik: LaÈ nderbericht Mosambik 1989. Wiesbaden 1989, S. 50. 81 Von den 1974 in Mosambik lebenden 200000 Portugiesen waren 1976 nur noch 20000 im Land. 82 Angaben nach Aufzeichnungen von A. BoÈ hm, NeuwuÈ rschnitz/Erzgebirge.

185 rungskonzept der FRELIMOspielte die CCM neben dem Cabora-Bassa- Stausee die herausragende Rolle. Da eines der tragenden Motive der Afrikapolitik der DDR die UÈ berwin- dung des Devisenmangels und der chronischen Rohstoffknappheit war, lag es nahe, das Steinkohlevorkommen von Moatize in diese Strategie mit einzubau- en. Die Ausmaûe der mosambikanischen Rohstoffvorkommen lieûen den Phantasien der Verantwortlichen und Beauftragten in der DDR weiten Raum. Gleichzeitig stellte die Grube ein nationales Symbol dar. An ihr muû- ten sich die besten Freunde beweisen. Am Beispiel des »Projekt Steinkohle M«, dem mit Abstand aufwendigsten und umfangreichsten Vorhaben der DDR in EntwicklungslaÈ ndern, lassen sich Mechanismen und Vorgehensweisen der SED-FuÈ hrung und ihrer Nomenkla- tura gegenuÈ ber ausgewaÈ hlten jungen Nationalstaaten Afrikas beschreiben. Die Besonderheiten des Engagements der DDR in Mosambik und AÈ thiopien, abgeschwaÈ cht wohl auch in Angola, resultierten aus der Verwaltung der oÈ ko- nomischen Beziehungen durch den Bereich KoKo. Das Engagement der DDR in Moatize erstreckte sich uÈ ber den Zeitraum von 1976 bis 1989, wobei in den Jahren 1978 bis 1982 der intensivste Ab- schnitt dieser Zusammenarbeit zu verzeichnen war. Zwischen 1978 und 1990 arbeiteten rund 500 als Spezialisten entsandte OÈ konomen, Ingenieure, Berg- leute, PaÈ dagogen, Landwirte, AÈ rzte und Krankenschwestern zur UnterstuÈ t- zung des Steinkohleabbaus dort. In welchen Schritten vollzog sich der Ausbau des Projektes Moatizer Steinkohle?

Im September 1976 kam es in der Grube Chipanga VI des Reviers Moatize zu einer verheerenden Schlagwetterkatastrophe. Achtundneunzig mosambikani- sche Bergleute verungluÈ ckten toÈ dlich. Die Regierung der Volksrepublik Mo- sambik bat aufgrund der desolaten Lage im Kohlerevier verschiedene LaÈ nder um UnterstuÈ tzung, so auch die DDR. Im Dezember 1976 flog eine Delegation der DDR, u. a. mit Vertretern der Obersten BergbehoÈ rde, der Vereinigung Volkseigener Betriebe =VVB) Steinkohle des Ministeriums fuÈ r Kohle und Energie und des Bereiches Kommerzielle Koordinierung nach Moatize. Ein Zustandsbericht uÈ ber den technischen und materiellen Umfang der Katastro- phe sowie ein sicherheitstechnisches Minimalprogramm wurden erarbeitet. Daraufhin verlangte die Regierung von Mosambik von den portugiesischen Betreibern der Gruben, ein Mindestmaû an notwendigen Sicherheitsvorkeh- rungen vorzunehmen. Diese wurden nicht in Angriff genommen. Im August 1977 stuÈ rzten durch ein weiteres SchlagwetterungluÈ ck mehrere Stollen ein. SechsundfuÈ nfzig mosambikanische Bergleute verloren ihr Leben. In der Folge dieses UngluÈ cks kam es zu Unruhen auf dem GrubengelaÈ nde, u. a. wurde der Direktor der CCM umgebracht. Die Bergleute weigerten sich, in die Gruben einzufahren. Erneut wandte sich die mosambikanische Regierung mit Gesuchen um Un- terstuÈ tzung an die Vereinten Nationen und verschiedene LaÈ nder. RumaÈ nien entsandte zwoÈ lf Bergbauexperten. Die DDR schickte unter groûer Eile im Ja-

186 nuar 1978 mit drei Sondermaschinen der Interflug 50 Bergleute und 8 t Mate- rial. Was waren die BeweggruÈ nde, daû die DDR als Hauptauftragnehmer fuÈ r die Wiederaufnahme der Steinkohleproduktion in Moatize ausgewaÈ hlt wur- de? Die seit Juli 1977 entfalteten »dynamischen« AktivitaÈ ten der DDR gegenuÈ ber Mosambik betrafen schwerpunktmaÈ ûig auch die Steinkohle. Im August 1977 weilte erstmals der Sonderbeauftragte Dieter Uhlig in Mosambik und erlaÈ uterte gegenuÈ ber dem mosambikanischen Minister fuÈ r Planung und nationale Ent- wicklung, Marcelino dos Santos, und dem Minister fuÈ r Industrie und Handel, Machungo, unter Bezugnahme auf GespraÈ che des FRELIMO-SekretaÈ rs Jorge Rebelo mit Erich Honecker und Werner Lamberz im Juli in Berlin die Bitte um Verhandlungen uÈ ber eine langfristige wirtschaftliche Zusammenarbeit auf aus- gewaÈ hlten Gebieten. Nach den Vorstellungen der DDR hieû das u. a.: »Einleitung von Maûnahmen im Sinne eines Sofortprogrammes auf beiden Seiten. Benennung von kompetenten Verhandlungspartnern und konkrete Angebote uÈ ber Mengen, Preise, Liefertermine.«83 Auf der Leipziger Herbstmesse im September 1977 wurde dann durch Alexan- der Schalck mit einer mosambikanischen Regierungsdelegation das »Sofort- programm« vereinbart. Von den vereinbarten Lieferungen aus Mosambik sei- en 13,7Mio. VM »entspr. KD-Importplan DDR« anzusehen, berichtet Schalck in seinem Brief vom 8. September 1977 aus Leipzig an GuÈ nter Mit- tag.84 Bei diesem Posten wird es sich vor allem um Steinkohle gehandelt ha- ben, die aufgrund der polnischen LieferausfaÈ lle gegen konvertierbare Devisen auf dem Weltmarkt haÈ tten gekauft werden muÈ ssen. Festgelegt wird u. a., daû sich die Beauftragten beider Seiten »in Maputo regelmaÈ ûig, und zwar bis En- de Oktober 1977 mindestens einmal woÈ chentlich und danach einmal monat- lich treffen werden«.85 In einem »Bericht uÈ ber den Stand der oÈ konomischen Beziehungen zur VRM« vom September 1977 fuÈ r das PolitbuÈ ro erklaÈ rten, sich auf das Messe- geschaÈ ft beziehend, Gerhard SchuÈ rer und Alexander Schalck: »Um den zu erwartenden Aktivsaldo der DDR so gering wie moÈ glich zu halten, wird gegenwaÈ rtig uÈ berpruÈ ft, inwieweit fuÈ r angebotene Waren der VRM, die nicht im Rahmen des Importplanes der DDR gekauft werden koÈ nnen, MoÈ glichkeiten des Reexportes bestehen.«86 Der VerhandlungsfuÈ hrer und Kohleminister der DDR, Klaus Siebold, landete im September 1977 aus Maputo kommend in Rom, um Erkundungen wegen eines moÈ glichen Weiterverkaufs von mosambikanischer Steinkohle auf dem westeuropaÈ ischen Markt einzuholen. Die Hochrangigkeit des Themas Reexport beschreibt eine Ausarbeitung der Staatlichen Plankommission vom 1. November 1977 mit dem Titel »Zu den

83 Niederschrift von Dieter Uhlig uÈ ber das GespraÈ ch am 13.8.1977. BAZ DY 30 22 190. 84 BAZ DY30 22 190. 85 Vereinbarung uÈ ber ein Sofortprogramm zwischen der DDR und Mosambik § 13. BAZ DY 30 22 187. 86 BAZ DY 30 22 187.

187 oÈ konomischen Beziehungen der DDR zu der VRM ± Bedeutung, Stand, Ge- staltung«: »UÈ ber die Planimporte hinaus werden die von der VRM angebotenen mine- ralischen und landwirtschaftlichen Rohstoffe und Erzeugnisse mit dem Ziel gepruÈ ft, diese Waren durch KaÈ ufer des Bereiches Kommerzielle Koordinie- rung maximal fuÈ r den Reexport zu nutzen.«87 Dies bedeutet, daû wenigstens der ErloÈ s jeder Tonne Steinkohle oder Getreide uÈ ber den Plan in die Kassen von Schalcks Bereich KoKo flieûen sollte. Der Gewinn dieses Bereiches wurde bekanntlich auf vielfaÈ ltige Weise eingesetzt und floû in ganz unterschiedliche KanaÈ le. In welchem Umfang Reexporte vorgenommen wurden, konnte nicht festge- stellt werden. Mehrere GespraÈ chspartner bestaÈ tigten die DurchfuÈ hrung von Reexporten.88 Die Aussichten auf ein spezielles Devisen-GeschaÈ ft werden ein zusaÈ tzlicher Ansporn fuÈ r aktive GeschaÈ ftsanbahnungsbemuÈ hungen des Berei- ches KoKo gewesen sein.

5.5.2 Die gemeinsame Leitung des Betriebes

Anfang Januar landeten drei Sondermaschinen aus der DDR in Maputo und flogen kurz darauf nach Moatize weiter. Die Bergbaukumpel machten sich so- gleich an die »AufwaÈ ltigung« der Gruben, die nach dem letzen Schlagwetter- ungluÈ ck von Mosambikanern nicht mehr betreten worden waren. Dem Einsatz der Bergleute aus der DDR ist es vor allem zu verdanken, daû der Fluch von den Bergwerken genommen wurde. Mehrere Monate nach dem UngluÈ ck bestatteten sie die Opfer, die in der uÈ ber 40 Grad Celsius heiûen Grube gelegen hatten, und richteten in einem Stollen eine GrabstaÈ tte her. Dadurch wurden die SchaÈ chte fuÈ r die mosambikanische BevoÈ lkerung befriedet und die boÈ sen Geister gebannt. Die afrikanischen Kumpel fuhren nach und nach wie- der ins Bergwerk ein. Die Kumpel aus der DDR brachten die Bergsicherheit weitgehend in Ordnung, bauten einen medizinischen StuÈ tzpunkt vor allem fuÈ r die einheimischen Bergarbeiter auf, fuhren als »Weiûe« taÈ glich in die »teufli- schen« Gruben ein und vermittelten so Vertrauen in die Bergwerke. Vom 15. bis 28. Februar 1978 weilte der Sonderbeauftragte in der mosam- bikanischen Hauptstadt89 und sprach die naÈ chsten Schritte mit wichtigen Per-

87 BAZ DY 30 22 190, S. 8. 88 WaÈ hrend der Verhandlungen des GWA-Vorsitzenden vom 14.±18.12.1978 in Maputo telegrafierte G.SchuÈ rer an K.Siebold, er moÈ ge »in den Importvertrag die MoÈ glichkei- ten des Reexportes der Kohle aufnehmen.« Die mosambikanische Seite lehnte dies ab, konnte sich aber ein Gutschreiben der durch Reexport erzielten Devisen zur Bezahlung von Lieferungen aus der DDR vorstellen. Die Verhandlungen sollten spaÈ ter wieder auf- genommen werden. Vgl. Information uÈ ber Arbeitstreffen vom 18.12.1978. BAZ DY 22191. 89 Vgl. Bericht D.Uhlig, von A. Schalck am 6.3.1978 an G. Mittag gesandt. BAZ DY30 22 191.

188 soÈ nlichkeiten durch. Er traf u.a. vier Minister und drei Nationaldirektoren. Zum Bereich »Steinkohle M« fuÈ hrte er aus: »UÈ ber die Arbeit der DDR-Bergleute in Moatize wird im ganzen Land po- sitiv gesprochen. Sie wird als ein Beispiel fuÈ r Organisiertheit, Disziplin und Einsatzbereitschaft hervorgehoben und als konkreter Ausdruck internatio- naler Hilfe gewertet.«90 Er bereitete von seiten der DDR die Verstaatlichung der Gruben vor, die sei- nen Aussagen zufolge von der mosambikanischen Seite zum fruÈ hestmoÈ glichen Zeitpunkt gewollt wurde. Dieter Uhlig sprach auch die Anwesenheit der mit den DDR-Spezialisten konkurrierenden rumaÈ nischen Experten an. Die Mini- ster dos Santos und Machungo erklaÈ rten, diese seien private Vertragsange- stellte, und bekraÈ ftigten: »Die Regierung von Mosambik hat eine Vereinba- rung mit der DDR und wird diese Punkt fuÈ r Punkt erfuÈ llen.«91 Ende April 1978 wurde mit der Aufnahme der FoÈ rderung der Steinkohle in Moatize wie- der begonnen. Den FoÈ rderbeginn begleitete der Sonderbeauftragte von Ma- puto aus. Am 24. April 1978 wurde eine ErgaÈ nzung zum »Kohleabkommen« vom 15. November 1977 abgeschlossen. In ihr wurde festgelegt, daû die Stellen der lei- tenden Mitarbeiter in »gegenseitiger UÈ bereinstimmung« zu besetzen sind. Mo- sambik stellte den Generaldirektor, die DDR den oÈ konomischen und damit kaufmaÈ nnischen Direktor. Als Leitungsmethode wurde vertraglich geregelt: Die Leitung erfolgt nach den Erfahrungen der sozialistischen Wirtschaft der DDR und unter BeruÈ ck- sichtigung der Erfahrungen und Bedingungen Mosambiks. Die materielle und technische Basis fuÈ r die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die berufs- technische Ausbildung der mosambikanischen Bergleute sollte durch Hilfe der DDR angehoben werden. Vorgesehen wurden: ein Wohnkomplex; kader- maÈ ûige, technische und materielle VerstaÈ rkung auf dem Gebiet der vorbeu- genden medizinischen Betreuung im Grubenkomplex; die Schaffung einer Berufsschule; die Schaffung eines landwirtschaftlichen Betriebes zur Verbesse- rung der Versorgung der Bergleute. ZusaÈ tzlich wurde eine moÈ gliche Tagebauerschlieûung der Steinkohle verein- bart. Die mosambikanische Seite verpflichtete sich, die Unterbringung der Techniker der DDR zu sichern. Beide Seiten stimmten darin uÈ berein, die Intensivierung dieser Zusammen- arbeit auf kommerzieller Grundlage zu realisieren. Es wurden keine Zahlen genannt. Die Seite der VRM erklaÈ rte ihre Bereitschaft, der DDR Kokskohle, die in Zusammenarbeit mit der DDR gefoÈ rdert wird, in noch festzulegenden Mengen zu liefern. Die DDR aÈ uûerte die Absicht, jaÈ hrlich ca. 200000t Koks- kohle zu importieren. Die zum Import vorgesehene Menge an Kokskohle haÈ tte zum damaligen Weltmarktpreis einen Wert von jaÈ hrlich ca. 12 Mio.US- Dollar betragen.

90 Ebenda. 91 Ebenda.

189 Die ErgaÈ nzung wurde durch die jeweiligen Fachminister unterzeichnet. Un- mittelbar danach wurde die Kohleproduktion wieder aufgenommen. Drei Wochen spaÈ ter, am 12.Mai 1978, erfolgte die Verstaatlichung der por- tugiesischen Steinkohlefirma in Tete/Moatize. Es wurde die »Empresa Nacio- nal de CarvaÄ o de MocË ambique CARBOMOC« gegruÈ ndet. Langfristig be- stand die Absicht, »einen Teil des Steinkohlebedarfs der DDR kostenguÈ nstig unterhalb des Weltmarktpreises zu decken«92. Bis zum Jahresende 1978 wurde die technische, soziale und oÈ konomische Leitung des Betriebes durch die DDR uÈ bernommen. Die den Unterlagen der BuÈ ros GuÈ nter Mittag, Alexander Schalck und Die- ter Uhlig zu entnehmende Hektik bei der Entwicklung des »Projektes M« be- schreibt eine Reportage, die unter anderem uÈ ber die Verstaatlichung der Gru- be berichtet, folgendermaûen: »Im April 1978 waren fast alle DDR-Spezialisten wieder zu Hause. Auch Sik sollte zuruÈ ckfliegen. Er kam nur bis Maputo, dort schickte ihn der DDR-Botschafter noch ein Mal nach Moatize. ­Hilf den mosambikani- schen Freunden, daû sie ihre Verpflichtungen erfuÈ llen ± bis zum 01. Mai soll Chipanga III wieder arbeiten. Es muû zur Maifeier hier in Maputo ver- kuÈ ndet werden.¬ =¼) Am 10. Mai sollte erneut Abreise sein, die unwider- ruflich letzte Abreise aus Moatize. Er stand schon im Passagierraum des Flughafens. Koffer abgefertigt, Freunde umarmt. Sehnsucht nach dem Bauernhaus im Erzgebirge. Die ­Boeing¬ aus der Hauptstadt war gelandet, sollte in wenigen Minuten mit Sik zuruÈ ckfliegen. Da klopfte ihm Soares =der Vertreter der VR Mosambik im Aufsichtsrat des Kohlegrubenkon- zerns, 10 Prozent Aktien) auf die Schulter: ­Auftrag von eurem Botschafter ± ich muû dich am Abflug hindern! Alles andere heute abend bei mir zu Hause.¬ Das Haus war verdunkelt. Im Hause saûen der Polizeichef von Te- te, ein Regierungsbeamter, ein Sicherheitsbeauftragter und Soares. Kurz und buÈ ndig verkuÈ ndete der Polizeichef: ­Morgen um 11.00Uhr werden wir ohne Vorwarnung die Companhia CarbonõÂ fera de MocË ambique verstaatli- chen.¬ Frelimo-Posten bewachten in der Nacht die Gruben und die Verwal- tung.«93 Am kommenden Tag wurde die Verstaatlichung verkuÈ ndet. Mosambikaner und DDR-BuÈ rger stellten die Direktoren. Die mit heiûer Nadel zusammenge- hefteten PlanversatzstuÈ cke, ungepruÈ ften Hoffnungen und geheimen Anord- nungen zur Errichtung einer Enklave der DDR auf afrikanischem Boden wur- den nun umgesetzt. Die gemeinsame Leitung des Grubenunternehmens gestaltete sich kompliziert. Zu den aÈ uûeren Bedingungen kamen Abstim- mungsschwierigkeiten mit dem mosambikanischen Leitungspersonal. Damit eine einheitliche parteimaÈ ûige und auûenpolitische Leitung gegeben war, wur- de der 1. SekretaÈ r der Botschaft der DDR »verdeckt« in Moatize als Parteise- kretaÈ r stationiert. 94

92 KuÈ nanz: Steinkohleprojekt Moatize, S. 176. 93 Scherzer, Landolf: Bom dia, weiûer Bruder. Rudolstadt 1984, S. 178. 94 A. BoÈ hm in einem GespraÈ ch mit dem Verf.

190 Unmittelbar nach der Verstaatlichung wurden erstmals BombenanschlaÈ ge auf die Eisenbahnlinien von Moatize nach Beira, der Hafenstadt am Indi- schen Ozean veruÈ bt.Ehemalige auslaÈ ndische Handelspartner verweigerten die Lieferung von Ersatzteilen fuÈ r GrubenausruÈ stungen.Das Engagement der DDR wurde als Provokation aufgefaût.Noch im FruÈ hjahr 1978 muûte eine Grubenwehr gebildet werden.

5.5.3 Der Maûnahmeplan

Schon am 2.Juni 1978, nur fuÈ nf Wochen nach der Unterzeichnung der ErgaÈ n- zung des »Kohlevertrages« und drei Wochen nach der Verstaatlichung, be- schloû das PraÈ sidium des Ministerrates der DDR »Maûnahmen zur weiteren Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen der DDR und der VRM auf dem Gebiet des Bergbaus und der geologischen Erkundung«.95 In einem Feststel- lungsprotokoll vom 21.Juni 1978 96 zum Maûnahmeplan in ErfuÈ llung des Be- schlusses des Ministerrates wurden alle Schritte »zur GewaÈ hrleistung der lei- tungsmaÈ ûigen Voraussetzung« fuÈ r das Groûunternehmen »Steinkohle M« beschrieben.ZwoÈ lf Ministerien waren mit hohen und hoÈ chsten Mitarbeitern eingebunden, aber auch Betriebe und die »Akteure« der DDR-SolidaritaÈ tsbe- wegung: das SolidaritaÈ tskomitee, der Bundesvorstand des FDGB und der Zentralrat der FDJ.Mit der praktischen DurchfuÈ hrung wurde das Gas- und Braunkohlekombinat »Schwarze Pumpe«, das dem Ministerium fuÈ r Kohle und Energie =MKE) unterstellt war, betraut. Die Verantwortung uÈ bernahm eine »Stabsgruppe ­Steinkohle Moatize¬«. Unter anderem wurde festgelegt, daû bis zum 1.Juli 1978 Kadervorschla È ge eingereicht werden sollen. »In die Auswahlarbeit ist der kuÈ nftige SekretaÈ r der Parteiorganisation der SED in Moatize mit einzubeziehen.Kaderpolitisch bereits gepruÈ fte VorschlaÈ - ge der fuÈ r den Einsatz in der CARBOMOC vorgesehenen Leitungskader und Spezialisten sind bis zum 07.Juli 1978 an den Leiter der Kaderkommission im Ministerium fuÈ r Kohle und Energie =MKE) zu uÈ bergeben.«97

Weiter wurde ausgefuÈ hrt: ± AHB LIMEX wird fuÈ r den Leistungsexport, d.h. die Sicherung der regel- maÈ ûigen Abrechnung der Lohnleistungen der Spezialisten der DDR durch die mosambikanische Seite, verantwortlich gemacht, der AHB Bergbau und Handel fuÈ r den Kohleimport. ± 40 mosambikanische Praktikanten sollen in Bergbautechnik =wohl als Counterparts) ausgebildet werden. ± In Abstimmung der Leistungen fuÈ r den Aufbau der medizinischen Betreu- ung, die von seiten der DDR a) kommerziell verrechnet werden und b) aus

95 VVS B 2±563/78.BAD DZ 8 7366±662 066. 96 Ebenda. 97 Ebenda.

191 SolidaritaÈ tsleistungen gedeckt werden koÈ nnen, ist der Umfang festzulegen, verantwortlich sind das Ministerium fuÈ r Gesundheitswesen und das Solida- ritaÈ tskomitee. ± Der Einsatz einer FDJ-Brigade der Freundschaft in der VRM erfolgt in Moatize und wird mit der Berufsausbildung mosambikanischer Jugendli- cher verbunden. ± Vertreter des Vorsitzenden des SolidaritaÈ tskomitees sind fuÈ r die Konzentra- tion von SolidaritaÈ tsaktionen der DDR auf den Komplex Moatize verant- wortlich.98

Der Kohlevertrag vom 24.April 1978 loÈ ste in der DDR groûe AktivitaÈ ten aus. Noch im September sollten die naÈ chsten Kontingente von bergmaÈ nnischen Vorarbeitern per Sondermaschinen nach Mosambik fliegen.Im August wurde bereits mit dem Bau der ersten von 50 WohnhaÈ usern begonnen.In einem atem- beraubenden Tempo sind in diesem Maûnahmeplan Zielstellungen, Termin- verbindungen und Verantwortlichkeiten der DDR-Ministerien aufgefuÈ hrt.Die medizinischen Leistungen wurden auf kommerzielle, d.h. von Mosambik zu bezahlende, MoÈ glichkeiten hin untersucht, ehe sie durch das SolidaritaÈ tskomi- tee als export- bzw.importfoÈ rdernde flankierende Maûnahmen materiell uÈ ber- nommen werden muûten.Es erfolgte eine bemerkenswerte Konzentration der KraÈ fte und Ressourcen in der DDR auf die Gruben in Moatize. Im Juli 1978 tagte in Maputo der erste Gemeinsame Wirtschaftsausschuû =GWA) DDR ±Mosambik.Am 12.Juli1978 berichtete der Delegationsleiter Klaus Siebold Erich Honecker unter anderem, daû 170000t Kokskohle als Importe in die DDR vertraglich vereinbart worden waÈ ren.99 Im Dezember wird berichtet, daû in Moatize 240000t Kohle gefoÈ rdert wur- den.Das bedeutet, gut 70 Prozent der gesamten FoÈ rdermenge des staatlichen mosambikanischen Steinkohlebergbaubetriebes CARBOMOC wurden in die- sem Jahr in die DDR geliefert bzw.sollten als Bestandteil der »Ware-gegen- Ware«-GeschaÈ fte geliefert werden.Aus einem »Vorschlag fuÈ r die Warenliste 1979±1980 fuÈ r die GWA«100 laÈ ût sich entnehmen, daû der DDR die Tonne Kokskohle mit 30US-Dollar beim Import aus Mosambik berechnet wurde.101 Damit lag der Preis fast 50Prozent unter dem Weltmarkt. FuÈ r 1979 wurde ein FoÈ rderumfang von 515000 t in den Plan eingestellt. Gute Voraussetzungen fuÈ r die in »groÈ ûerem Umfang zu erwartenden Roh- stofflieferungen« waren scheinbar gegeben.Die OÈ konomen und Parteiarbeiter aus Berlin und Lauchhammer und die Vorarbeiter aus den »ausgekohlten« Revieren um Zwickau und Oelsnitz in Sachsen hatten bei »partnerschaftlicher Leitung« die CARBOMOC fest in ihrer Hand und in Vorbereitung des Besu- ches von Erich Honecker im Februar 1979 alles gegeben, damit die mosambi- kanischen Bergleute Exportkohle foÈ rdern konnten.

98 Ebenda. 99 Vgl.Maûnahmeplan.BAZ DY 30 22 191. 100 BAZ DY 30 22 191. 101 Der Weltmarktpreis lag 1979 bei ca.60US-$.Angaben fu È r Steinkohle vom Bundes- verband fuÈ r Steinkohlebergbau e. V. Essen vom 12.1.1997 als »GrenzuÈ bergangswert«.

192 5.5.4 Groûe PlaÈ ne und fruÈ hzeitige Schwierigkeiten

Auch fuÈ r die DDR-Kolonie in Moatize stellte der Staatsbesuch der DDR-Dele- gation einen HoÈ hepunkt dar, auch wenn Erich Honecker selbst nicht an den Sam- besi flog.Fast alle vor Februar 1979 abgeschlossenen Vereinbarungen wurden im Rahmen des »Sonderprogrammes« auf ihre Erweiterbarkeit bis zum Jahre 1990 uÈ berpruÈ ft.Dies betraf auch die Kohle- und BergbauvertraÈ ge.Sie galten als die wichtigsten Vereinbarungen.Darum wurden in »Auswertung der Reise des Ge- nossen GeneralsekretaÈ rs« die Kompetenzen von Alexander Schalck-Golodkow- ski und der Handels- und Afrikaabteilung des Bereiches KoKo erneut erweitert. Die Ausweitung der koordinierenden Kompetenzen auf den Bereich Schalck geschah trotz der schon im Dezember 1978 geaÈ uûerten Zweifel an den erhofften oÈ konomischen Erfolgen fuÈ r die DDR mittels des »Sofortpro- grammes«. In einem Brief vom 5.Dezember 1978 von Klaus Siebold an Gerhard SchuÈ - rer als Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates und Chef der Staatli- chen Plankommission heiût es: »In der Versorgung der DDR mit festen Brennstoffen ist eine auûerordent- lich ernste Situation entstanden.Seit 1976 hat die VR Polen gegenuÈ ber den VertraÈ gen rd.2 Mio.t Steinkohle nicht geliefert.Die Staatsreserve muûte herangezogen werden.Auch die Braunkohlenbrikettbesta È nde verringerten sich.1978 entstand gegenuÈ ber der Staatsplanbilanz bei der BevoÈ lkerung ein Mehrbedarf von rd.500000t Braunkohlebrikett.Unsere bisherige Konzep- tion fuÈ r den Einsatz von Steinkohle aus der VR Mosambik ging davon aus, die Eignung von verkokbarer Steinkohle zu pruÈ fen und damit den Import der verkokbaren Steinkohle aus der BRD abzuloÈ sen.«102 Die mosambikanische Kohle wies eine andere Zusammensetzung als die Koh- le der erzgebirgischen LagerstaÈ tten auf.Das erforderte noch weitere Groûver- suche zur PruÈ fung der Verkokbarkeit.»Das bedeutet, daû 1979 die AbloÈ sung der verkokbaren Steinkohle aus der BRD nicht moÈ glich ist.«103 Aufgrund der unzureichenden PruÈ fung der besonderen Merkmale der mo- sambikanischen Steinkohle durch die Fachministerien und den Bereich KoKo traten schon fruÈ hzeitig grundsaÈ tzliche Probleme bei dem Einsatz der Stein- kohle als Kokskohle auf.In Fachkreisen der DDR machte das GeruÈ cht die Runde, es handle sich um minderwertige Salzkohle mit hohen Ascheanteilen. Tatsache war, die Kohle war in der einzigen Steinkohlenkokerei der DDR in Zwickau nicht verkokbar.Diese Kohle lieû sich nicht mit der vorhandenen Technologie und den vorraÈ tigen Zusatzstoffen verarbeiten, obwohl sie hoch- wertig war und aus fast reinem Anthrazit bestand.Ein gravierender Planungs- fehler, der die Kohle fuÈ r die DDR weitgehend wertlos machte.Als Kohle- staub zermahlen, wurde die mosambikanische Kohle zeitweise bei der Zementproduktion in der DDR zugesetzt, um wenigstens noch einen gewissen Nutzen zu erreichen.

102 BAZ DY 30 22 194. 103 Ebenda.

193 Weitere Planungsschwierigkeiten brachte die Vorstellung mit sich, daû eine fast problemlose UÈ bertragung von saÈ chsischen Steinkohlebergbauerfahrun- gen auf den mosambikanischen Bergbau moÈ glich sei.Ohne PruÈ fung der realen Voraussetzungen und der Bereitschaft der Bergleute fuÈ r EinsaÈ tze jenseits des AÈ quators wurden weitreichende VertraÈ ge abgeschlossen, aus denen sich per- manente Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Grubenmaterial und FachkraÈ ften ergaben.

Obwohl es ernsthafte Zweifel an der Nutzbarkeit der Kohle in der DDR gab, entbrannte ein Streit um deren Verwendung.In dem bereits erwaÈ hnten Brief vom 5.Dezember 1978 bat Klaus Siebold dringlich, daû die fuÈ r 1979 vorgese- henen 170000 t mosambikanische Steinkohle »zur Verteidigung des Entwur- fes fuÈ r den Volkswirtschaftsplan 1979 des Ministeriums fuÈ r Kohle und Ener- gie in den Plan und die Bilanzen aufgenommen werden«.104 Er muûte »seine« Kohle vor dem Zugriff von Alexander Schalck-Golodkowski retten.Die un- terschiedlichen Interessen sind klar zu erkennen: Klaus Siebold als »Kohlemi- nister« und Vorsitzender des GWA benoÈ tigte die Steinkohle fuÈ r die Verteidi- gung seines Planes.Alexander Schalck, unterstu È tzt durch Gerhard SchuÈ rer, wollte die Devisenbilanz der DDR nicht nur durch Importe »Ware gegen Wa- re« passiv entlasten, sondern auch durch direkte VerkaÈ ufe der Kohle im west- lichen Ausland aktiv verbessern.Konflikte mit moÈ glichen Verkaufsinteressen der mosambikanischen Seite wurden nicht gesehen.Eine Einwilligung seitens der mosambikanischen Regierung zum Weiterverkauf an Dritte lag nicht vor. In Moatize selbst kam es schon Ende 1978 durch die Verantwortlichen aus der DDR zu einer veraÈ nderten EinschaÈ tzung: BemaÈ ngelt wurden die Lei- stungsfaÈ higkeit der mosambikanischen »Struktureinheiten« des Staates und der Wirtschaft, die fehlende straffe Organisation und Leitung sowie die ent- taÈ uschend schwache militaÈ rische Potenz zur Absicherung der Betriebe.105 Dessenungeachtet wurde kraÈ ftig investiert und aufgebaut.Im FruÈ hjahr 1979 wurde mit dem Kohleabbau in der Grube Chipanango VIII begonnen, und die Grube III bekam einen neuen Ventilatorschacht.1981 wurden weitere 20 WohnhaÈ user gebaut, nachdem bereits 1978 50 Wohnobjekte errichtet worden waren.Eine Trockensiebanlage kam hinzu und eine Werkstatt fuÈ r Schlagwet- terschutz.Der Grubenkomplex wurde an die Stromversorgung des Cabora- Bassa-Krafwerkes angeschlossen.Eine Bitte, die Erich Honecker Samora Ma- chel persoÈ nlich vorgetragen hatte.Als im September 1982 mit den vorzuberei- tenden Arbeiten fuÈ r das kuÈ nftige TagebaugelaÈ nde begonnen wurde, foÈ rderte die DDR in drei Tiefgruben und bereitete zwei weitere, Chipanango IX und X, fuÈ r die Ausbeute vor.Dieser Einsatz schlug sich in der FoÈ rderquote nieder. Die einheitliche Leitung des gesamten Mosambik-Einsatzes der DDR durch Alexander Schalck und Dieter Uhlig, verstaÈ rkt durch die ArbeitsstaÈ be

104 Ebenda. 105 Ein nur 5 km vom DDR-Lager in Moatize entferntes Camp der simbabwischen Be- freiungsbewegung wurde im Dezember 1978 durch suÈ drhodesische MilitaÈ rflugzeuge angegriffen.

194 »M«, erreichte, daû zwischen 1979 und 1982 die KohlefoÈ rderung stetig an- stieg.1981 konnten 534546t Steinkohle 106 ans Tageslicht gebracht werden. Der Stand von 1975 war damit uÈ berboten.Trotzdem konnten der Export in die DDR nur zu 75,8 Prozent und die Bereitstellung fuÈ r den mosambikani- schen Binnenmarkt nur zu 62,8 Prozent erreicht werden.Die vorhandenen Ei- senbahnwaggons auf der Strecke von Moatize zur Hafenstadt Beira hatten eine zu geringe KapazitaÈ t.Zudem war die Strecke haÈ ufig Ziel von Terroran- schlaÈ gen der inlaÈ ndischen Banden.Seit Mitte 1982 war der Schienenweg fast nicht mehr zu benutzen.Der Transport mit LKW im Konvoi war sehr auf- wendig und gefaÈ hrlich.Die KohlefoÈ rderung beherrschten die Techniker aus der DDR mit ihren mosambikanischen Kollegen im groûen und ganzen.107 Das Projekt Moatize scheiterte an der »Transportfrage«. Es kam im Jahre 1982 zu einem dramatischen Einbruch der FoÈ rderzahlen. Die Kohle lag auf Halde.Der Wind blies sie aus, und der Regen wusch sie weg. Es machte keinen oÈ konomischen Sinn mehr, staÈ ndig Steinkohle zu produ- zieren, die nicht abtransportiert werden konnte.Neben der seit 1982 verstaÈ rkt einsetzenden BandentaÈ tigkeit erwies sich das Projekt aufgrund der Planungs- fehler und der sich daraus ableitenden technologischen und verkehrstechni- schen Umsetzungen als groûer Schaden fuÈ r beide Seiten.Trotz des umfangrei- chen Einsatzes von Menschen und Material zeichnete sich ein Desaster ab.

JaÈhrliche Steinkohleproduktion im Revier Moatize 1978 bis 1983:108

Jahr Produktion in t 1978 236.177 1979 319.608 1980 408.543 1981 534.546 1982 66.577 1983/Plan 58.713 /150.000 1984 66.855 1985 20.400 1986 4.215 1987 43.319 1988 23.859 1989 59.205

106 Vgl.KuÈ nanz: Steinkohleprojekt Moatize, S.178. 107 Vgl.GespraÈ ch des Verf. mit Prof. Dr. Matthes am 9.12.1998, im Anhang. 108 Angaben nach Aufzeichnungen des ehemaligen Arbeitsdirektors und zeitweisen Dele- gationsleiters in Moatize, A.BoÈ hm, NeuwuÈ rschnitz/Erzgebirge.

195 Daû unbeeindruckt von den realen Produktionszahlen, deren Einbruch sich bereits Mitte 1982 dramatisch abzeichnete, weiterhin an der afrikanischen Wirklichkeit vorbei geplant wurde, zeigt ein »Beschluû des PolitbuÈ ros uÈ ber den Vorschlag der UdSSR eines Generalabkommens uÈ ber die Zusammenar- beit bei der komplexen Erschlieûung der LagerstaÈ tten Moatize zwischen den interessierten RGW-LaÈ ndern und der VRM« vom 20.Oktober1982.In ihm werden die Prognosen der DDR uÈ ber die Steinkohlegewinnung mitgeteilt.Als Hintergrund des Vorschlages der UdSSR ist eine Bitte der mosambikanischen Regierung an den RGW zu vermuten, die KohlefoÈ rderung im neu zu erschlie- ûenden Tagebau auf breitere Schultern zu stellen.Mosambik traute nach den bisherigen vier Jahren der Zusammenarbeit wohl dem Management der DDR nicht mehr im notwendigen Umfang.

Folgende Entwicklung bei der Erzeugung absetzbarer Steinkohle wird einge- schaÈ tzt:109

1983 1985 1990 Steinkohle 430.000 800.000 3.000.000 davon verkokbar 235.000 440.000 1.600000

Die Lieferungen und Leistungen der DDR sollten auf Grundlage bilateraler Vereinbarungen durch Steinkohlelieferungen der VRM bezahlt werden.Da- zu war folgende Entwicklung der Steinkohleimporte aus der VRM anzu- streben:

1983 1985 1990 Steinkohle 150.000 400.000 700.000 davon verkokbar 120.000 280.000 530.000

Ohne reale Aussicht auf einen gewinnbringenden und sachgerechten Einsatz der Steinkohle hielt die Regierung der DDR an der Regel fest, bis zu 50 Pro- zent der KohlefoÈ rderung beanspruchen zu koÈ nnen.Dieser Anspruch wurde fest in den Maûnahmeplan zur Tilgung der DDR-Kredite eingebaut.110

109 Vgl.BAC DL 2 KoKo 1, S.117. 110 »Die DDR erhaÈ lt als Hauptposition zur RuÈ ckzahlung der Kredite bis zu 50 % der im Tiefbau gefoÈ rderten Steinkohle.« Beschluû des PraÈ sidiums des Ministerrates: VVS B 2 359/82.BAC DL 2 KoKo 1, S.108.

196 5.5.5 Wachsende Schwierigkeiten seit 1982

Die erste Phase des Steinkohlebergbaus in Moatize unter Leitung der DDR wurde mit der UÈ bergabe verschiedener Sozialeinrichtungen an die werktaÈ tigen Bergarbeiter durch den PraÈ sidenten des SolidaritaÈ tskomitees, Kurt Seibt, im Sommer 1982 ± auf dem HoÈ hepunkt der Produktion ± abgeschlossen. Vom Einbruch der KohlefoÈ rderung 1982 konnte sich der »DDR-gestuÈ tzte« Kohlebergbau nicht mehr erholen.Die Unsicherheit auf den Transportwegen nahm weiter zu. Die RentabilitaÈ t des Steinkohlebetriebes CARBOMOC sank in den folgen- den Jahren rapide.»Die HoÈ he der Einnahmen aus dem Kohlenverkauf 1984 deckte nur noch 66,5Prozent der Lohnkosten fuÈ r die DDR-Spezialisten.«111 Die DDR draÈ ngte auf Reduzierung der Produktion und damit auf die Verrin- gerung der Anzahl der eingesetzten Spezialisten.Mosambik beabsichtigte im Gegensatz dazu, seinen wichtigsten Staatsbetrieb auf vollen Touren weiterlau- fen zu lassen, und bejahte die Produktion auf Halde, denn der Krieg sei bald zu Ende, und dann sei die Bahn nach Beira wieder benutzbar.112 Zudem benoÈ - tigte die mosambikanische Seite Erfolgsmeldungen fuÈ r die Einwerbung neuer internationaler Kredite. Im Dezember 1984 wurden im Norden Mosambiks sieben Landwirtschafts- experten der DDR von Mitgliedern einer militaÈ rischen Bande der RENAMO uÈ berfallen und umgebracht.Ein Bus war mitten in der Savanne angehalten und viele der Insassen aus naÈ chster Nahe erschossen worden.113 Der lange befuÈ rchtete Ernstfall war eingetreten.Die Order aus Berlin fuÈ r die Verantwortlichen in Mosambik lautete klar: Sicherheit zuerst ± keine Op- fer! Die DDR verhaÈ ngte fuÈ r ihre Spezialisten Einreiseverbote nach Mosam- bik.Mit jeder Heimreise verringerte sich das DDR-Team.Im Mai 1985 waren zeitweise nur noch 25 BuÈ rger der DDR in Moatize im Einsatz. Nach dem Flugzeugabsturz, bei dem PraÈ sident Samora Machel am 19.Ok- tober 1986 ums Leben kam, zog die DDR ohne vorherige RuÈ cksprache mit den mosambikanischen Partnern alle DDR-BuÈ rger kurzfristig aus Mosambik und damit auch aus Moatize ab.Ein einschneidender Vorgang.Der gro È ûte Staatsbetrieb Mosambiks stand ploÈ tzlich ohne funktionierende Leitung da. Die schon 1985 an einem Tiefpunkt angelangten Produktionszahlen sanken auf minimale 4215 t im Jahre 1986.Diese FoÈ rdermenge entsprach einer Ta- gesproduktion von weniger als 20t.Die Regierung der Volksrepublik Mosam- bik beschwerte sich bei der DDR-FuÈ hrung. In einem Beschluû des PraÈ sidiums des Ministerrates der DDR vom 20.Ja- nuar 1987 heiût es dazu:

111 Energiewerk Schwarze Pumpe, Akte Moatize: E5PAG 3567,1.Zit nach: Ku È nanz: Steinkohleprojekt Moatize, S.183. 112 Ebenda, S.182f. 113 Neben den sieben Experten aus der DDR wurden einige ihrer mosambikanischen Be- gleiter sowie zwei Priester, zwei italienische, portugiesische, jugoslawische und ein schwedischer Berater teilweise durch Kopfschuû umgebracht.

197 »Die kurzfristige und mit der VRM-Regierung nicht abgestimmte RuÈ ckfuÈ h- rung der DDR-Spezialisten wird als eine einseitige Maûnahme mit negati- ven politischen Auswirkungen und oÈ konomischen Verlusten fuÈ r die VRM bewertet.Die VRM-Seite erwartet eine kurzfristige Entscheidung zur RuÈ ck- fuÈ hrung der DDR-Spezialisten nach Moatize.Einer weiteren Reduzierung des Kollektives ist sie bereit zuzustimmen.«114 Dem Protest wurde stattgegeben.Einige Spezialisten wurden erneut entsandt. Dennoch: »Mangelndes Vertrauen und nicht mehr uÈ berbruÈ ckbare Spannun- gen kennzeichneten die letzte Phase der Zusammenarbeit beider LaÈ nder in diesem Projekt.«115

Mit Wirkung vom 1.Januar 1988 uÈ bernahm die mosambikanische Seite die oÈ konomische Leitung des Komplexes CARBOMOC.Am 27.Juli 1989 be- schloû der Ministerrat: »Die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der VRM auf dem Gebiet des Steinkohlebergbaus ist ab 1990 einzustellen.Die Gu È ltigkeit der be- stehenden staatlichen und kommerziellen Vereinbarungen ist zum naÈ chst- moÈ glichen Zeitpunkt zu beenden.«116 Der Beschluû sah vor, den Einsatz einer kleinen Gruppe von Spezialisten zur Bergbausicherung, einschlieûlich technischer Hilfe, vertraglich zu gewaÈ hrlei- sten.Die Kumpel aus der DDR waren als Spezialisten der Bergbausicherung vor zehn Jahren gerufen worden.Sie sollten ihr Engagement als Bergbausi- cherungstechniker wieder beenden.Die einzelnen Phasen im Bergbauprojekt Moatize charakterisieren die Abschnitte der Beziehungen zwischen der DDR und Mosambik im allgemeinen.

Der Anlage zum Beschluû uÈ ber den Ausstieg ist zu entnehmen, daû die DDR von 1978 bis 1988 Lieferungen und Leistungen, einschlieûlich geologischer Er- kundungen, von ca.30,5Mio.US-Dollar erbracht hat.Dem stehen 450600t Steinkohlelieferungen im Zeitraum von 1979 bis 1982 im Wert von 16,4 Mio. US-Dollar gegenuÈ ber. Bis Ende 1988 erfolgten SolidaritaÈ tslieferungen in HoÈ he von ca.21Mio. Mark.117 80 Facharbeitern wurde eine Berufsausbildung118 und 30 Hoch- und Fachschulkadern ein Studium ermoÈ glicht.Zwei von fuÈ nf Gruben wurden aus

114 BAZ DL 2 KoKo 1, S.39. 115 KuÈ nanz: Steinkohleprojekt Moatize, S.184. 116 Beschluû des Ministerrates 124/4/89.BAZ DL 2 KoKo 1. 117 Nach Ausagen von Mitarbeitern der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK der SED kann nicht ausgeschlossen werden, daû aus SolidaritaÈ ts- und Spendenmitteln der DDR errichtete Objekte in den Handelsbilanzen mit enthalten sind und bei Ab- rechnungen als kommerziell errichtete Objekte aufgefuÈ hrt wurden, d.h. gegebenen- falls heute noch Bestandteile der Schulden Mosambiks sind. 118 Diese geringe Zahl ist bemerkenswert, da offiziell die FDJ-Freundschaftsbrigade in Moatize uÈ ber mehrere Jahre mit der Berufsausbildung betraut war.Nach Aussage von DDR-Spezialisten baute die FDJ-Brigade aber vor allem die WohngebaÈ ude fuÈ r die DDR-BuÈ rger und fuÈ r Mosambikaner und hielt sie instand.Dabei wurden Mosam- bikaner auch in Handwerkstechniken unterwiesen.

198 Anlagen des Bergbaubetriebes »Carbomoc« von Moatize/Provinz Tete 1980). bergbautechnischen und oÈ konomischen GruÈ nden geflutet.Die vom mosambi- kanischen Staat zu tragenden Verluste betrugen bei der UÈ bernahme der oÈ ko- nomischen Leitung 1988 2,5Mio.US-Dollar jaÈ hrlich.Die lange Zeit gelobten Gruben von Moatize wurden nun aufgrund der GasgefaÈ hrdung zu den ge- faÈ hrlichsten Steinkohlegruben der Welt gerechnet.Die Regierung von Mo- sambik ging von einer Fortsetzung der PraÈ senz der DDR im Steinkohleberg- bau aus und erwartete weitere UnterstuÈ tzung.Doch die DDR konnte dieser Erwartung nicht entsprechen.Statt dessen endet der Bericht mit folgender Be- merkung: »Mosambik ist vorzuschlagen, die vorhandenen Gruben zu schlieûen.Ein solcher Schritt ist fuÈ r die VRM-Seite von groûer politischer und sozialer Tragweite.Es ist deshalb erforderlich, die VRM-Seite in einer UÈ bergangs- phase bis zum Jahre 1995 weiter zu unterstuÈ tzen.«119 Unmittelbar vor ihrem eigenen Zusammenbruch verabschiedete sich die DDR aus dem umfangreichsten und am intensivsten betriebenen Vorhaben ihrer Zusammenarbeit in den EntwicklungslaÈ ndern.Hervorzuheben ist, daû bei all den weitgehend als erfolglos anzusehenden Schwerpunktprojekten und Maûnahmen ± nicht nur auf dem Gebiet der Geologie und des Bergbaus ± eine hohe KontinuitaÈ t der Verantwortlichen zu verzeichnen ist.In den zwoÈ lf

119 Beschluû des Ministerrates 124/4/89.BAZ DL 2 KoKo 1.

199 Jahren zwischen 1977 und 1989 agierten die gleichen EntscheidungstraÈ ger und Verantwortlichen bei der Erarbeitung und praktischen Umsetzung ihrer meist eigenen BeschluÈ sse.Dennoch sind sie sowohl unter kommerziellen Gesichts- punkten als auch bei der GewaÈ hrung von UnterstuÈ tzung und SolidaritaÈ t ge- scheitert.Den Schaden muû Mosambik heute weitgehend allein tragen. Auf keinem Blatt der umfangreichen AktenbestaÈ nde fanden sich Hinweise auf Diskussionen zu entwicklungspolitischen Fragestellungen.Mehrere tau- send mosambikanische Bergarbeiter lebten mit ihren Familien auf dem Gru- bengelaÈ nde oder in den DoÈ rfern der Umgebung.Viele verdingten sich als Wanderarbeiter.Manche kamen aus Malawi.Fu È r die afrikanischen Bergleute waren die »neuen Weiûen« keine einfachen GegenuÈ ber.Die VerhaÈ ltnisse fuÈ r beide Seiten erwiesen sich als recht schwierig.Unbeeindruckt von miûlichen UmstaÈ nden, Spannungen und EnttaÈ uschungen setzten sich etliche DDR-Kol- legen weit uÈ ber das »normale« Maû fuÈ r gute Arbeitsbedingungen ihrer afrika- nischen Kollegen ein.

Einige Fragen koÈ nnen im Rahmen der Studie nicht beantwortet werden: In welchem Umfang erfolgte der Reexport von Steinkohle? In welche Kassen sind moÈ gliche Gewinne geflossen? Hat der Bereich KoKo fuÈ r die Anbahnung und Koordinierung von GeschaÈ ften Provision berechnet wie bei anderen Ge- schaÈ ften auch?120 In welchem Ausmaû flossen Mittel aus dem Spendenauf- kommen der BevoÈ lkerung der DDR in die Handelsbilanzen mit ein?

Zur Bezahlung der DDR-Spezialisten in Mosambik und speziell in Moatize konnte folgendes ermittelt werden: Nach Unterlagen des Gas- und Kohle-Kombinates »Schwarze Pumpe« be- trug Anfang der 80er Jahre in Moatize die monatliche VerguÈ tung fuÈ r einen Hochschulkader aus der DDR 1300US-Dollar und fuÈ r einen Fachschulkader 1200US-Dollar.Diese Summen wurden von der VR Mosambik an den Au- ûenhandelsbetrieb LIMEX entrichtet bzw.buchungsmaÈ ûig erfaût.121 Es wur- de auch von monatlichen SaÈ tzen pro Spezialisten in HoÈ he von 1800US-Dol- lar berichtet.122 In der Hochphase des Einsatzes weilten 152 BuÈ rger aus der DDR in Moatize.Erhebliche Lohnzahlungen sind den Konten der DDR demnach gutgeschrieben worden.123 Die DDR-Spezialisten bezogen ihren Lohn in der DDR weiter.Daneben bekamen sie ein Taschengeld in mosambikanischer WaÈ hrung ausgezahlt.Die- ses konnten sie in US-Dollar oder DM umtauschen, spaÈ ter dann in Einkaufs-

120 Laut einem Gutachten fuÈ r den Schalck-Untersuchungsausschuû des Deutschen Bun- destages waren es bis zu 44 % des Gesamtpreises. 121 Diese pauschalen Zahlungen je Spezialisten sollen aufgrund politischer Anliegen »weit unter den international uÈ blichen und auch fuÈ r DDR-Spezialisten in anderen LaÈ ndern vertraglich gebundenen Preisen =ca.50 %) gelegen haben«.Ku È nanz: Steinkohleprojekt Moatize, S.188. 122 Vgl.Scherzer: Bom dia. 123 ZuruÈ ckhaltende UÈ berschlaÈ ge fuÈ r die kommerziellen GehaÈ lter der DDR-Spezialisten in Moatize ergeben eine Summe zwischen 10 und 15 Mio.US-$, die Mosambik im Laufe der zehn Jahre, neben den Kohlelieferungen, an die DDR gezahlt haben koÈ nnte.

200 gutscheine fuÈ r die Intershop-GeschaÈ fte in der DDR.Diese Devisenbetra È ge waren fuÈ r den einzelnen eher gering.Das schloû nicht aus, daû die Speziali- sten ihnen oft einen besonderen Wert zumaûen.

5.5.6 Zum Alltag in Moatize

Zum besseren VerstaÈ ndnis der besonderen Bedingungen des Engagements der BuÈ rger der DDR in Moatize soll auf das Leben im Revier Moatize eingegan- gen werden, soweit es sich von einem Auûenstehenden erschlieûen laÈ ût. Der enorme oÈ konomische und administrative Druck, der auf dem Vorha- ben Moatize lastete, spiegelte sich auch im Alltag der Grubenkolonie wider. Viele Spezialisten reisten erst nach langer Beratung und UÈ berzeugungsarbeit nach Afrika.Die Fremde und eine gewisse Geheimnistuerei um die EinsaÈ tze wirkten auf die Spezialisten oftmals nicht einladend.Trotzdem fanden sich immer wieder Mitarbeiter.Sie spuÈ rten die MuÈ hen des Alltags, aber auch die groûe oÈ konomische und symbolische Bedeutung ihrer Arbeit in der Provinz Tete.Eingereist in der Hoffnung, tatkraÈ ftig helfen zu koÈ nnen, und motiviert von dem fuÈ r die BuÈ rger der DDR nichtalltaÈ glichen Ortswechsel, wurden sie schnell von den laÈ hmenden VerhaÈ ltnissen und Bestimmungen uÈ berrascht. Weit weg von der Heimat waren sie wieder mitten in der DDR angekommen. Auch der Leistungsdruck war in den Aufbaujahren groû. In einer handschriftlichen Mitteilung schreibt der Leiter der DDR-Delega- tion, Genosse Hille, an den Beauftragten des ZK der SED in Moatize, Genos- sen Westphal: »Werter Gen.W.!Ich erwarte, daû Du den Aufbau unter Par- teikontrolle stellst und die gesamte Delegation zur Mitarbeit sowohl nach Arbeitende wie auch an Sonn- und Feiertagen gewinnst.« »Gewinnst« wurde durchgestrichen und mit »verpflichtest« ersetzt.124 Die gesamte Belegschaft muûte mit Sonderschichten die Planvorgaben mei- stern. Mitte 1982 war dann der Ausbau der technischen und sozialen Anlagen weitgehend abgeschlossen.Ein KuÈ chen-125 und Kulturzentrum, KindergaÈ rten, eine landwirtschaftliche Farm126 mit 45ha NutzflaÈ che zur Versorgung und eine Kegelbahn fuÈ r Brigadefeiern und die mosambikanischen Bergleute waren aus Spendengeldern errichtet worden. Die Siedlung am Rio Moatize praÈ gten neben den ArbeiterhaÈ usern fuÈ r die mosambikanischen Bergleute vor allem die aus der DDR gelieferten Fertig- teilhaÈ user und das zentrale Kulturzentrum inmitten der kargen afrikanischen Savannenlandschaft.Diese Geba È ude wurden u.a. mit UnterstuÈ tzung der

124 Schriftwechsel Kombinat Schwarze Pumpe ± SolidaritaÈ tskomitee.BAD-8073±661± 573. 125 Die ZentralkuÈ che versorgte 1200 bis 1300 Personen neben dem DDR-Personal: ca. 400 Grubenarbeiter und 800 bis 900 der lokalen Armeeinheit, die zum Schutz des La- gers auf dem GelaÈ nde stationiert war. 126 1983 wurden 879 Rinder, 275 Schweine und 240 Ziegen und Schafe gehalten.

201 Kultur- und SozialgebaÈude in Moatize 1982).

FDJ-Brigaden »Ernst ThaÈ lmann« und »Sigmund JaÈ hn« im Rahmen der »pra- xisnahen Ausbildung«127 errichtet und von ihr unterhalten.Auf dem GelaÈ nde befanden sich auch die UnterkuÈ nfte der Betriebsmiliz.Der Eingang des Gru- benkomplexes war durch einen Schlagbaum gekennzeichnet. FuÈ r die DDR-BuÈ rger bestand ein sogenanntes Kontaktverbot.Dies wurde so- wohl gegenuÈ ber BuÈ rgern aus dem »Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet« als auch gegenuÈ ber den Mosambikanerinnen und Mosambikanern ausgesprochen. Eine ehemalige UÈ bersetzerin beschreibt die Auswirkungen folgendermaûen: »Existierten auch im Ausland gegebenermaûen keine Mauern, wurden DDR-BuÈ rger praktisch angehalten, Mauern zwischen den Menschen zu zie- hen.=¼) Besonders belastend war, daû diese Verhaltensweise auch die mit- reisenden DDR-Kinder unter Druck setzte, die in einem DDR-internen Kindergarten bzw.in einer eigenen Schule unter sich blieben.Einerseits wurde ihnen vermittelt, nicht mit den »schwarzen« Kindern zu spielen =Sau- berkeit, Krankheiten); andererseits waren an Festtagen auch mosambikani- sche Kinder anwesend, die nun ihrerseits mit den deutschen Kindern spielen wollten.Da standen nun die DDR-Kinder mit ihren HaÈ nden auf dem RuÈ k- ken und wuûten vor lauter ZwaÈ ngen nicht, wie sie reagieren sollten.«128

127 Vgl.Arbeitsentschlieûung Grundorganisation der SED Steinkohle Moatize.Dezem- ber 1993.BAZ DY 30 27 482/2. 128 KuÈ nanz: Steinkohleprojekt Moatize, S.187.

202 Auch wenn das Kontaktverbot nicht strikt einzuhalten war, praÈ gte es doch die AtmosphaÈ re des Zusammenlebens und zeigte tiefe Spuren im Alltag.War das Verbot nicht einzuhalten, muûten Kontaktmeldungen nachgereicht wer- den.Bei Versto È ûen wurde mit der »Endausreise« gedroht.Ausflu È ge in die Umgebung gab es fuÈ r die DDR-BuÈ rger auch in den »ruhigeren Zeiten« bis 1982 selten.Mit der Zunahme der militaÈ rischen Aktionen in der Region Tete bzw.nach der Ermordung der sieben DDR-Mitarbeiter wurde die Ausgangs- sperre auf 18.00Uhr festgelegt. AusfluÈ ge waren jetzt streng verboten.Besuche in der Provinzhauptstadt Tete waren nur noch einem sehr kleinen Kreis ge- stattet. Durch die steigende IntensitaÈ t des BuÈ rgerkrieges nahm die GefaÈ hrdung der DDR-Spezialisten zu.Sicherheitsvorkehrungen waren notwendig.Eine mo- sambikanische Milizeinheit mit mehreren hundert AngehoÈ rigen war auf dem GrubengelaÈ nde stationiert. In ausgewaÈ hlten HaÈ usern von DDR-Delegationsmitgliedern wurden Waf- fen gelagert.Einige fuhren zu SchieûuÈ bungen auf die SchieûplaÈ tze der sowjeti- schen MilitaÈ rberater nach Tete. Das aus der DDR mitgebrachte SelbstverstaÈ ndnis und ein fuÈ r diese Krisen- region notwendiges Sicherheitskonzept verstaÈ rkten die Geschlossenheit des Camps. Die Lieferung fast aller GebrauchsguÈ ter aus der DDR steigerte die Autar- kie und foÈ rderte die Isolation.Von Flaschenbier uÈ ber Toilettenartikel bis zu Kleidung und WaÈ sche wurden alle Dinge des taÈ glichen Bedarfs direkt aus der Heimat nach Moatize geschafft. In den Akten des SolidaritaÈ tskomitees sind umfangreiche Lieferlisten uÈ ber scheinbar kuriose Dinge zu finden.Zum Beispiel wurden bedruckte Tischdek- ken, Socken, 2,5 t Waschmittel »Spee« sowie 350 StuÈ ck WeinglaÈ ser GroÈ ûe 2 »Saphir« und GroÈ ûe 4 »Saphir«, 138 StuÈ ck LikoÈ rglaÈ ser »Saphir« und 360 Ko- gnakschwenker »Saphir«129geliefert.Die Gla È ser wurden gleich wieder rekla- miert.Genosse Hille, Leiter der DDR-Delegation, schrieb uÈ ber das Solidari- taÈ tskomitee an den VEB »Lausitzer Glas« Bernsdorf bezuÈ glich 1050 Sekt-, Wein- und LikoÈ rglaÈ ser sowie Kognakschwenker zum StuÈ ckpreis von 2,00M bis 4,90M: »Wegen ihres unzumutbaren Aussehens muÈ ûten alle GlaÈ ser in Moatize aus dem Verkehr gezogen werden.Um das Ansehen unserer Republik im Aus- land nicht weiter zu gefaÈ hrden, sollte schnellstmoÈ gliche Ersatzlieferung an- gestrebt werden.In diesem Zusammenhang mo È chte ich die politische Be- deutung dieses Kulturzentrums besonders hervorheben, da alle groûen gesellschaftlichen Ereignisse der Provinz Tete in diesem Komplex durchge- fuÈ hrt werden und haÈ ufig auslaÈ ndische GaÈ ste dort weilen.Bereits am Ein- gang zum Kulturzentrum werden alle Besucher durch eine Tafel darauf auf- merksam gemacht, daû dieser Komplex ein SolidaritaÈ tsgeschenk der WerktaÈ tigen der DDR ist.«130

129 Vgl.Abrechnung Moatize 1981±1983.BAD DZ 8 8073±661±573. 130 Ebenda.

203 5.5.6.1 Zur Rolle des SolidaritaÈtskomitees in Moatize Die Finanzierung der in Moatize notwendigen VerbrauchsguÈ ter erfolgte zum Teil durch das SolidaritaÈ tskomitee der DDR, zum Teil waren die Leitbetriebe dafuÈ r zustaÈ ndig.Diese wiederum lieûen sich oft die Kosten beim SolidaritaÈ ts- komitee erstatten. Mosambik nahm im Aufgabenkatalog des Komitees einen breiten Raum ein. Kurt KruÈ ger teilte der GWA mit, daû das SolidaritaÈ tskomitee fuÈ r den Zeitraum 1981 bis 1985 folgende Verantwortlichkeiten in Mosambik uÈ bernimmt:131

Steinkohle M jaÈ hrlich 5,00 Mio.Mark Betrieb: Gaskombinat Schwarze Pumpe Pegmatik-Objekt 1,00 Mio.Mark Mansfeld-Kombinat Landwirtschaftsproduktion 2,50 Mio.Mark noch unbekannt Objekt Zementproduktion 0,75 Mio.Mark VEB Zementwerke Dessau Jugendobjekt Matoundo 5,00 Mio.Mark nur 1981/82 Baustelleneinrichtung 2,00 Mio.Mark nur 1981/82 Gleisbau Moatize-Beira

Diese Finanzmittel wurden durch die das jeweilige Objekt leitenden Betrie- be pauschal beim SolidaritaÈ tskomitee angefordert und eigenstaÈ ndig ausgege- ben.Die Besorgung der durchaus raren GuÈ ter und den Transport organisier- ten die Betriebe in der Regel uÈ ber kleine eigene Abteilungen. Im »Bericht uÈ ber die AktivitaÈ ten 1981 und die Schwerpunkte 1982« vor dem Politischen Rat des SolidaritaÈ tskomitees vom 4.MaÈ rz 1982 fuÈ hrt der PraÈ - sident des Komitees aus: »Eine gute Zusammenarbeit entwickelt sich zwischen dem SolidaritaÈ tsko- mitee der DDR und der VRM.Dank einer konstruktiven Kooperation mit dem GWA DDR ±VRM wirkt der Einsatz der SolidaritaÈ tsgelder beispiel- haft.In Mosambik kommt unser Bestreben bisher am besten zum Tragen, SolidaritaÈ tsleistungen mit auûenpolitischen und auûenwirtschaftlichen Be- ziehungen und Interessen der DDR zu verbinden.Einige Beispiele: Das Zentrum fuÈ r Kultur, Bildung und Arbeiterversorgung im Steinkohlenberg- bau Moatize geht seiner Fertigstellung entgegen und soll am 20.Jahrestag der FRELIMO, am 25.Juni, offiziell u È bergeben werden.Bisher sind aus Spenden der DDR-BevoÈ lkerung uÈ ber 8 Mio.M aufgewendet worden.Bei dem oÈ konomisch wichtigen Gleisanlagenbau fuÈ r die Strecke Moatize±Beira hilft das SolidaritaÈ tskomitee bei der Baustelleneinrichtung mit 3,5 Mio. Mark.=¼) Diese Beispiele zeigen, daû der effektive Einsatz unserer Solida- ritaÈ tsmittel in der VRM verbessert werden konnte.«132

131 Brief vom GeneralsekretaÈ r K.KruÈ ger an den Vorsitzenden des Gemeinsamen Wirt- schaftsausschusses DDR±Mosambik vom 2.7.1981. BAD DZ 8 7375±662±075. 132 BAD DZ 8 7422±660±022.

204 Die Versorgung sowohl der BuÈ rger aus der DDR als auch der schwarzen Mi- nenarbeiter wurde uÈ ber den Leitbetrieb »GAS- und Kohlekombinat Schwarze Pumpe« Lauchhammer organisiert.Das SolidaritaÈ tskomitee stellte dafuÈ rjaÈ hr- lich die vom ZK der SED und der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder be- schlossenen Summen zur VerfuÈ gung. Zur Versorgung mit GuÈ tern des taÈ glichen Bedarfes der BuÈ rger aus der DDR war in Moatize ein eigener Laden errichtet worden, der die Funktion eines doÈ rflichen »Konsum« oder der Betriebsverkaufsstelle erfuÈ llte.In der na- hen Provinzstadt Tete war die Versorgung sehr eingeschraÈ nkt.Die Verpfle- gung der zeitweise bis zu 150 »Moatizern«, wie sich die BuÈ rger der DDR nannten, haÈ tte zu groûen Schwierigkeiten gefuÈ hrt. Von Wichtigkeit war auch die ErnaÈ hrung der mosambikanischen Kohle- kumpel, die unter Anleitung der Vorarbeiter aus der DDR die Kohle aus dem Berg holen muûten.Im Jahr der groÈ ûten KohlefoÈ rderung 1981 waren 2705 Mosambikaner bei der Grubengesellschaft beschaÈ ftigt.Davon arbeiteten 1455 unter Tage.Die Anzahl der mosambikanischen Kohlekumpel bestimmte die KapazitaÈ t der GroûkuÈ che.Bis zu 2000 Tagesportionen an Hauptgerichten konnten in der GroûkuÈ che zubereitet und bis zu 10000 BroÈ tchen gebacken werden.Neben der Bereitstellung von Lebensmitteln erfolgte auch die medizi- nische Betreuung der afrikanischen Kumpel im Kohlecamp. Die Beschaffung der ausreichenden Mengen an Lebensmitteln stellte eine groûe Herausforderung dar.Als eine Sa È ule der Versorgung in Moatize galt der eigene landwirtschaftliche Betrieb.Er hielt bis zu 1000 StuÈ ck Vieh auf sei- nen Weiden.Aufgrund seiner kontinuierlich steigenden ErtraÈ ge genossen die Mitarbeiter des Bereiches »Arbeiterversorgung« groûes Ansehen und trugen uÈ ber lange Zeit zum sozialen Frieden im Grubenbetrieb bei.Die andere SaÈ ule der Versorgung stellten die Lieferungen aus der DDR dar. Nach einer Aufstellung wurden folgende Produkte fuÈ r die Arbeiterversor- gung im Jahre 1982 bereitgestellt: ± 20000 kg Fertigsuppen ± 12000 kg Milchpulver ± 24000 StuÈ ck Kernseife ± 2000 StuÈ ck Toilettenseife ± 3000 StuÈ ck Decken ± 5000 StuÈ ck Aluteller ± 5000 StuÈ ck Plastiktrinkflaschen.133

Im gleichen Jahr wurde durch das Kombinat Schwarze Pumpe beim Solidari- taÈ tskomitee die Finanzierung der AusruÈ stung fuÈ r 500 MilizionaÈ re angefordert. Es handelte sich wohl um die militaÈ rische Grubenwacht.Unter anderem wur- den Mittel fuÈ r 300 StuÈ ck SturmgepaÈ ck und 1000 Socken, insgesamt 6,5 t Ma- terial, erbeten.

133 Abrechnung Moatize 1981±1983.BAD DZ 8 8073±661±573.

205 Diese Arbeitsteilung der solidarischen Hilfe, im Komitee Spenden sammeln und Spenden weiterleiten, in den Betrieben Material beschaffen und transpor- tieren, wurde bei SchwerpunktlaÈ ndern angewandt.Die unmittelbare Einbin- dung und Steuerung der Verwendung der SoliguÈ ter wird in einem »Brief des Botschafters der DDR in Mosambik an den GeneralsekretaÈ r des SolidaritaÈ ts- komitees« vom 10.Januar 1986 beschrieben: »In Abstimmung ¼ moÈ chte ich folgende Konkretisierungen der VorschlaÈ ge fuÈ r weitere Gebiete der SolidaritaÈ tsleistungen uÈ bermitteln: 1.Bei der Unterstu È tzung der Sicherung moÈ glicher hoher Importe der DDR aus der VRM durch zielgerichtete SolidaritaÈ tslieferungen gehen wir davon aus, daû uÈ ber die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen die Arbeitsergebnisse der WerktaÈ tigen in den entsprechenden Bereichen stimu- liert sowie das Interesse und die Bereitschaft der VRM-Exporteure zur Lie- ferung an die DDR gefoÈ rdert wird.Das betrifft sowohl bereits traditionelle Importlinien, wie SuÈ d- und ZitrusfruÈ chte =DDR-Importeur AHB-Fruchti- mex), KaschunuÈ sse =AHB Genuûmittel) Sisalgarn =Textilkommerz) und Kobra =AHB Nahrung) sowie neu zu erschlieûende ImportmoÈ glichkeiten, deren RealisierungsmoÈ glichkeiten gegenwaÈ rtig noch gepruÈ ft werden.=¼) 2.Nach Informationen des Leiters der wirtschaftspolitischen Abteilung un- serer Botschaft wurden bereits die fuÈ r 1986 geplanten SolidaritaÈ tsleistungen zur UnterstuÈ tzung der Schwerpunktobjekte der wirtschaftlichen Zusam- menarbeit, einschlieûlich jener mit moÈ glichem Drittlandexport =Leuchten-, Radio- und Alkoholproduktion), mit dem SolidaritaÈ tskomitee der DDR abgestimmt.«134

5.5.6.2 Exkurs: SolidaritaÈtskomitee der DDR Das SolidaritaÈ tskomitee der DDR, das bisher vor allem im Zusammenhang mit den Kohlengruben in Moatize erwaÈ hnt wurde, verdient im Grunde eine eigene Untersuchung.135 Seine Arbeit wird sehr verschieden beurteilt.Die Spannbreite der Meinungen kann vereinfacht in zwei Polen beschrieben wer- den.Von den einen wird das Komitee als besonderer Ausdruck des ausge- praÈ gten nichtkommerziellen und selbstlosen, wenn auch ambivalenten Solida- ritaÈ tsverstaÈ ndnisses der FuÈ hrung und BevoÈ lkerung der DDR angesehen.136 Von anderen wird es als fast ausschlieûlich verdeckt agierender Arm des kom-

134 BAD DZ-8 7368. 135 Verwiesen wird hier u.a. auf die Arbeiten von Ilona Schleicher. Sie ist seit 1996 Mit- glied des Vorstandes des Vereins »SolidaritaÈ tsdienst International e.V.=SODI)« Ber- lin, der aus dem ehem.SolidaritaÈ tskomitee der DDR hervorgegangen ist.Vgl.auch: Bericht der UnabhaÈ ngigen Kommission zur UÈ berpruÈ fung des VermoÈ gens der Parteien und Massenorganisationen der DDR.Bundesdrucksache 13/5377, Bd.4, S.127±144. 136 U.a.:Schleicher, Ilona: DDR-Solidarita È timsuÈ dlichen Afrika ± Auseinandersetzung mit einem ambivalenten Erbe.Berlin 1999.

206 munistischen Waffenschmuggels und revolutionaÈ rer Kolonialkriege bezeich- net.137 Zum besseren VerstaÈ ndnis des Komitees soll kurz auf die Arbeit und Funktion dieses Komitees eingegangen werden. Der erste VorlaÈ ufer des Komitees, der »Fonds fuÈ r die UnterstuÈ tzung der nationalen und Freiheitsbewegungen von den afrikanischen Staaten und ab- haÈ ngigen Gebieten«, wurde am 17.Februar 1960 durch Beschluû des ZK der SED gegruÈ ndet.Ihm folgten weitere regionale oder la È nderbezogene, meist von der SED eingerichtete UnterstuÈ tzerkomitees.In den ersten Jahren war die Verwaltung des Fonds dem Nationalrat der nationalen Front beigeordnet.Im Zusammenhang mit der UnterstuÈ tzung der chilenischen Emigranten im Jahre 1973 kam es zur Straffung der Organisation mit dem Namen »SolidaritaÈ tsko- mitee der DDR«.Das Komitee war eine dem Sekretariat des ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen =IV), und damit dem PolitbuÈ ro unter- stellte und weisungsgebundene Einrichtung mit der Funktion eines zentralen, wenn auch nicht mit »Durchgriffsrechten« ausgestatteten Staatsorgans.Offi- ziell koordinierte es die SolidaritaÈ tsaktionen der gesellschaftlichen Organisa- tionen, Institutionen und der BuÈ rger der DDR.Diese nichtkommerzielle Ko- ordinierung erfolgte ab Mitte der 80er Jahre vor allem durch das zentrale Verwalten der Spenden von gesellschaftlichen und staatlichen Organisationen, vor allem der Gewerkschaften, der bewaffneten Organe, Handwerkskam- mern, gegenseitigen Bauernhilfen, um nur einige zu nennen, und der direkten Spenden der BevoÈ lkerung.Die Auswahl der LaÈ nder oder Befreiungsbewegun- gen, die Materiallieferungen erhielten oder Stipendien zur Ausbildung ange- boten bekamen, hielt sich streng an die Vorgaben der Partei.Bis auf wenige Ausnahmen im Rahmen bilateraler Kontakte zu anderen auslaÈ ndischen Soli- daritaÈ tskomitees fuÈ hrte das DDR-Komitee keine selbstaÈ ndigen Projekte durch.Es war auch im »vordiplomatischen Feld« taÈ tig, d.h., es unterhielt Be- ziehungen unterschiedlicher Art zu Befreiungsbewegungen.So waren die Ver- tretungen der PLO, der FRELIMO vor 1975 oder des ANC in Ostberlin beim SolidaritaÈ tskomitee und nicht bei der Regierung der DDR akkreditiert. Das verwaltete Spendenaufkommen belief sich in den 80er Jahren auf rund 200Mio.Mark der DDR.Wobei ca.100Mio.vom Freien Deutschen Ge- werkschaftsbund =FDGB) zentral uÈ berwiesen wurden.Mittels eines Beschlus- ses der Partei war der FDGB beauftragt worden, jaÈ hrlich von den Mitgliedern eingesammelte SolidaritaÈ tsgelder in den zentralen Fonds einzuweisen.Das »Organ zur Koordinierung der staatlichen und nichtstaatlichen internationa- len SolidaritaÈ t der DDR ¼ stuÈ tzt sich =dabei) auf eine breite SolidaritaÈ tsbewe- gung aller Schichten des Volkes«.138 JaÈ hrlich gab es einen Bericht vor der Kommission EntwicklungslaÈ nder durch den PraÈ sidenten des SolidaritaÈ tsko- mitees Kurt Seibt, der gleichzeitig Vorsitzender der Zentralen Revisionskom-

137 Vgl.Bensch, Georg: To È dliche Entwicklungshilfe ± DDR-Waffenhilfe fuÈ r die Dritte Welt ± 18000 MilitaÈ rspezialisten im Einsatz. DOD, Dossier 12/1985 vom 21.3.1985, Bremen, BuKo-RuÈ stungskampagne Archiv. 138 WoÈ rterbuch der Auûenpolitik und des VoÈ lkerrechts.Berlin 1985 .

207 mission des ZK der SED war.Mitarbeiter des Komitees sind nach Aussage des letzten GeneralsekretaÈ rs niemals vor die Kommission geladen worden.139 1988 arbeiteten 38 Mitarbeiter im Komitee.Bei der Bereitstellung von Wa- ren zur Versendung kam es durch die geringe Warendecke in der DDR immer wieder zu Schwierigkeiten.Das Komitee, obwohl oft propagandistisch her- ausgestellt, galt nicht als PlantraÈ ger.Das hieû, seine MaterialwuÈ nsche wurden nicht in den Plan eingestellt, was zur Folge hatte, daû in der Regel nur UÈ ber- planbestaÈ nde fuÈ r die SolidaritaÈ tsleistungen zur VerfuÈ gung standen.Versandt wurden demzufolge meist Waren, die sich weder in Devisen verkaufen noch auf dem Binnenmarkt gegen DDR-Mark veraÈ uûern lieûen. Die in den fruÈ hen 80er Jahren jaÈ hrlich in dreistelliger MillionenhoÈ he einge- henden Spenden der BevoÈ lkerung besorgte die ParteifuÈ hrung wegen der »ma- teriellen Sicherung«.Am 26.Mai1982 befaûte sich das Sekretariat des ZK der SED mit den aufgelaufenen Mitteln.Die »Unabha È ngige Kommission zur UÈ berpruÈ fung des VermoÈ gens der Parteien und Massenorganisationen der DDR« kommentierte den Vorgang wie folgt: »Mit der BegruÈ ndung, UÈ bertreibungen bei den SolidaritaÈ tsspenden zu ver- hindern und ein Wetteifern nach hoÈ chsten Spendenaufkommen in Betrie- ben und Einrichtungen bei dem Erringen des Titels ­Kollektiv der sozialisti- schen Arbeit¬ zu vermeiden, legte das Sekretariat des ZK der SED u.a.fest, daû die Freiwilligkeit der SolidaritaÈ tsspenden zu garantieren und der hoÈ ch- ste Wert der SolidaritaÈ tsmarken des FDGB von 50 Mark auf 10 Mark her- abzusetzen sei.Alle zusaÈ tzlichen Sammlungen in Betrieben und Einrichtun- gen mit gewerkschaftlichen Grundorganisationen =z.B. JahresendpraÈ mien, PraÈ mien fuÈ r Sonderschichten oder aus anderen AnlaÈ ssen) wurden unter- sagt.«140 So setzte sich das PolitbuÈ ro der SED auf seine eigene Weise fuÈ r den freiwilli- gen Charakter der Spenden ein. Die Warenproduktion hielt mit dem im Spendenaufkommen zum Aus- druck kommenden SolidaritaÈ tsbewuûtsein der BevoÈ lkerung bzw.der gezielten Organisation der Sammlungen nicht Schritt. Wenige Monate spaÈ ter, am 16.November 1982, faûte das PolitbuÈ ro den Be- schluû, Mitttel der staatlichen Hilfsleistungen, die bisher uÈ ber den Haushalts- plan der Regierung bereitgestellt wurden, durch Gelder des Komitees zu erset-

139 Lt.A.Reichardt im Gespra È ch mit dem Verfasser am 12.Februar 1999: Seiner Erinne- rung nach war auch K.Seibt nie zur Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder geladen, noch haÈ tte das Komitee jemals eine Vorlage fuÈ r die Kommission erstellt.Das Komitee haÈ tte immer selbstaÈ ndig die UmfaÈ nge der Leistungen mit den Spenden anweisenden Organsationen erhoben und diese der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK der SED gemeldet.Mit der Abteilung Internationale Verbindungen haÈ tte es ein ver- trauensvolles Miteinander gegeben. 140 Bundesdrucksache 13/5377, Bd.4, S.131 . Nach Auskunft von A.Reichardt wurde der Beschluû im Umfeld von G.Mittag vorbereitet. PolitbuÈ romitglied H.Tisch, der ihn einbrachte, haÈ tte ihn nur widerwillig unterschrieben.Bis 1984 muûte sich das Ko- mitee mehrmals gegen eine Unterstellung in einen der Bereiche des ZK-SekretaÈ rs fuÈ r Wirtschaft wehren.Dabei wurde es von der Abteilung Internationale Verbindungen unterstuÈ tzt.

208 zen.Dieser Beschluû betraf vor allem die Ausbildungsleistungen in der DDR und war Bestandteil eines groûen Planes zum verstaÈ rkten Export nichtmate- rieller GuÈ ter und Leistungen in EntwicklungslaÈ nder.Innerhalb eines Jahres wurden Kosten fuÈ r Ausbildungsleistungen in der DDR in zweistelligen Millio- nensummen durch das SolidaritaÈ tskomitee bezahlt.Die entsprechenden Mini- sterien oder Staatssekretariate reichten jeweils zum Jahresende die Rechnungen ein.Beide BeschluÈ sse spiegeln sich in den Statistiken des Komitees wider.Nach Berechnungen der »UnabhaÈ ngigen Kommission« erzielte das Komitee zwischen 1961 und 1989 Gesamteinnahmen von 3,7218 Milliarden Mark der DDR. Das SolidaritaÈ tskomitee der DDR wandelte sich uÈ ber wenige Zwischenstu- fen am 6.Oktober 1990 in den privatrechtlich organisierten Verein »Solidari- taÈ tsdienst International =SODI)« mit Sitz in Berlin um.Unter anderem auf DraÈ ngen des Entwicklungspolitischen Runden Tisches und nach einem ge- richtlichen Vergleich mit der Treuhandanstalt wurde der groûe Teil des ver- bliebenen VermoÈ gens des Komitees in die 1994 gegruÈ ndete Stiftung »Nord- SuÈ d-BruÈ cken«, ebenfalls mit Sitz in Berlin, uÈ berfuÈ hrt.Die Stiftung fo È rdert Projekte der Entwicklungszusammenarbeit und der entwicklungspolitischen Bildung von gemeinnuÈ tzigen Vereinen aus Ostdeutschland.

Mosambik nahm in der Arbeit des SolidaritaÈ tskomitees einen groûen Raum ein. Nach Unterlagen des Komitees wurden zwischen 1962 und 1989 fuÈ r die FRELIMO bzw.die Volksrepublik Mosambik 148,2 Mio.Mark der DDR zur VerfuÈ gung gestellt.Dies stellt mit Abstand den gro È ûten Betrag fuÈ r ein Land bzw.eine Befreiungsorganisation im suÈ dlichen Afrika dar.Auf die Jahre verteilt, gliedern sich die Leistungen wie in der folgenden Tabelle gezeigt auf. Nach deutlichem Anstieg der Hilfeleistungen in der ersten HaÈ lfte der 70er Jahre kam es in der zweiten HaÈ lfte zu einer StabilitaÈ t auf hohem Niveau.Zwi- schen 1979 und 1983 ist erneut ein weiterer Anstieg, verbunden mit kraÈ ftigen Schwankungen, festzustellen.Durch die UÈ bernahme der Stipendienprogram- me aus dem Staatshaushalt wurde in den 80er Jahren der hohe Sockel gehal- ten.Die Gelder fuÈ r die Ausbildungsleistungen kamen in der DDR zum Ein- satz.Die materielle Hilfe in Mosambik selbst verringerte sich spuÈ rbar.

Die VorwuÈ rfe, das SolidaritaÈ tskomitee der DDR sei an Lieferungen, der FoÈ rderung von Lieferungen oder der Finanzierung von militaÈ rischen GuÈ tern und Waffen beteiligt gewesen, wurde immer wieder erhoben, obwohl lei- tende Mitarbeiter dies immer wieder bestritten.Es ist bekannt, daû zum Teil erhebliche Waffenlieferungen der DDR, vor allem nach Afrika, aus Mitteln des SolidaritaÈ tskomitees bezahlt worden sind.So wurde 1976 milita È risches GeraÈ t im Wert von 106 Mio.M in einer Eilaktion durch die DDR nach Angola geschafft.Die gesamte Summe wurde aus Mitteln des Solidari- taÈ tskomitees finanziert.141

141 Dies bestaÈ tigte der stellvertretende Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK der SED im GespraÈ ch mit dem Autor am 19.5.1999.

209 Als solidarisch unentgeltlich) ausgewiesene Lieferungen und Leistungen der DDR und des SolidaritaÈ tskomitees der DDR fuÈ r die FRELIMO und die Volksrepublik Mosambik 1970±1989 in TM)142

Jahr Gesamtleistungen Hilfslieferungen Hilfslieferungen Ausbildungs- der DDR und Ausbildungs- des SK leistungen des SK leistungen des SK 1970 37,7 k.A. 1971 681,1 1972 123,0 1973 1.321,2 1974 5.082,8 1975 13.215,4 13.215,4 1976 11.835,3 11.835,3 1977 11.677,9 11.677,9 1978 11.147,6 11.157,6 1979 14.000,0 14.968,3 1980 16.000,0 11.628,3 1981 15.000,0 44.871,8 43,2 1982 27.068,8 27.068,8 83,1 1983 18.900,0 21.541,7 10.778,3 10.763,4 1984 17.000,0 16.676,5 5.290,4 11.386,1 1985 24.600,0 21.184,3 7.405,7 13.778,6 1986 20.600,0 19.701,2 3.244,8 16.456,4 1987 31.900,0 31.978,7 10.698,9 21.279,8 1988 25.200,0 23.411,6 3.698,6 19.713,0 1989 19.100,0 13.716,1 3.154,3 10.561,8

142 Diese Zusammenstellung beruht auf der Ausarbeitung von Schleicher, Ilona: Statisti- sche Angaben zur SolidaritaÈ t mit Befreiungsbewegungen und Staaten im SuÈ dlichen Afrika.In: Heyden, Ulrich van der; Schleicher, Hans-Georg; Schleicher; Ilona: Enga- giert fuÈ r Afrika ± die DDR und Afrika II.MuÈ nster, Hamburg 1994, S.147ff.Die Au- torin stuÈ tzt sich auf BeschluÈ sse des Sekretariates des ZK und des PolitbuÈ ros der SED sowie auf Angaben des SolidaritaÈ tskomitees.In den Angaben sind auch Lieferungen oder Leistungen von sogenannten gesellschaftlichen KraÈ ften enthalten: zum Beispiel die uÈ ber staatliche Stellen oder das Komitee durchgefuÈ hrten Lieferungen kirchlicher Organisationen an ihre Partnerorganisationen, wie der »Aktion Brot fuÈ r die Welt«. Durch wechselnde Berechnungsarten kann keine abschlieûende UÈ bersicht erstellt und konnten die zum Teil deutlich werdenden Differenzen in dem Beitrag nicht geklaÈ rt werden.

210 Auf einem Sonderblatt vom Februar 1983, gekennzeichnet mit »GVS« =Ge- heime Verschluûsache) und uÈ berschrieben mit »Anlage fuÈ r die Mitglieder des Sekretariates des ZK der SED«, also nur fuÈ r die 13 SekretaÈ re des ZK be- stimmt und nicht fuÈ r das gesamte PolitbuÈ ro, werden SolidaritaÈ tsleistungen »Auf dem Gebiet der ­Verteidigung und Sicherheit¬ fuÈ r das Jahr 1982 in einer GesamthoÈ he von 81Mio.Mark« benannt.Zur Finanzierung, so geht daraus hervor, wurden 60Mio.M aus dem Staatshaushalt und 21Mio.M aus Mitteln des SolidaritaÈ tskomitees eingesetzt.143 FuÈ r 1983 sind fuÈ r vergleichbare Zwecke 10Mio.M eingeplant gewesen.Es gibt keinen Grund, an der Umsetzung des Beschlusses zu zweifeln. Dem damaligen ParteisekretaÈ r des SolidaritaÈ tskomitees war von derartigen VorgaÈ ngen und MittelabfluÈ ssen nach eigenen Angaben nichts bekannt.144 Der ehemalige GeneralsekretaÈ r des Komitees erklaÈ rte, daû es waÈ hrend seiner TaÈ - tigkeit, zwischen 1982 und 1989, keine militaÈ rische UnterstuÈ tzung durch das SolidaritaÈ tskomitee gegeben habe.Auch habe er keine Gelder zur Finanzie- rung von Waffen angewiesen. In einer vom Ministerrat der DDR am 23.Oktober 1985 beschlossenen »Spezielle=n) Exportordnung« ist unter der UÈ berschrift »Hilfslieferungen und -leistungen« festgeschrieben, daû die Verantwortung fuÈ r die Waffenliefe- rungen »auf der Grundlage der BeschluÈ sse und Aufgabenstellungen der Partei- und StaatsfuÈ hrung in Verantwortung des Ministers fuÈ r Nationale Verteidigung erfolgt.=¼) Der Minister fuÈ r Nationale Verteidigung hat mit dem General- sekretaÈ r des SolidaritaÈ tskomitees der DDR die Erstattung von Aufwendun- gen fuÈ r bestimmte Hilfslieferungen und -leistungen aus dem SolidaritaÈ ts- fonds zu vereinbaren.«145 Die rechtliche Verankerung war somit gegeben und wurde angewandt.

Einen weiteren Versuch des Bereiches Kommerzielle Koordinierung, das Soli- daritaÈ tskomitee einzuschalten, dokumentiert ein spezieller »GeschaÈ ftsanbah- nungsvorgang«.Derlei Praktiken waren im Komitee wohl eher eine Ausnah- me und auch nicht typisch fuÈ r das SelbstverstaÈ ndnis der Mitarbeiter hinsichtlich ihrer dortigen TaÈ tigkeit.146 Sie zeigen allerdings Versuche der Ein- bindung des Komitees in spezielle Praktiken des Auûenhandels. In einer Entscheidungsvorlage, die von Alexander Schalck-Golodkowski und dem GeneralsekretaÈ r des SolidaritaÈ tskomitees der DDR, Achim Reichert,

143 Protokoll des Sekretariates des ZK der SED, 16.2.1983. BAZ DY 30 J/IV/2/3A/3903. 144 Im GespraÈ ch mit dem Autor am 14.4.1997. 145 Ordnung zur Leitung, Planung und DurchfuÈ hrung des speziellen Exportes in die Teil- nehmerstaaten des Warschauer Vertrages, andere sozialistische LaÈ nder, Entwick- lungslaÈ nder und progressive nationale Befreiungsbewegungen sowie zu speziellen Hilfslieferungen und -leistungen an EntwicklungslaÈ nder und progressive nationale Be- freiungsbewegungen ± kurz: Spezielle Exportordnung.VVSB 950 260.BStU-Mfs AGM 634, Bl.127±143. 146 Im GespraÈ ch am 12.2.1999 bestaÈ tigte A.Reichert den Vorgang. Aus humanistischen GruÈ nden sei man auf den Vorschlag eingegangen und haÈ tte ihn ± als zum Auftrag des Komitees gehoÈ rig ± unterschrieben.

211 bzw.seinem Stellvertreter Wolfgang Krause sowie Gesundheitsminister Lud- wig Mecklinger am 17.April 1986 unterschrieben wurde, ist zu lesen, daû mit der neuen FuÈ hrung in Uganda AusruÈ stungslieferungen fuÈ r die Nationale Wi- derstandsarmee im Wert von 15 Mio.US-Dollar vertraglich gebunden wur- den.Es war vorgesehen, das Nutzfahrzeug L60 in Uganda zu testen und als Standard-Truppentransporter bei der nationalen Widerstandsarmee Ugandas einzufuÈ hren.Von der UÈ bernahme der Heilbehandlung verwundeter AngehoÈ ri- ger der nationalen Widerstandsarmee erhoffte man sich positive Auswirkun- gen zugunsten der DDR im Konkurrenzkampf mit westlichen Waffenanbie- tern. 50 Prozent der anfallenden Kosten sollte Uganda in US-Dollar bezahlen, und 50 Prozent der Kosten sollte das SolidaritaÈ tskomitee aus Spendenmitteln finanzieren.Im Vorfeld gab es mehrere GespraÈ che in der ugandischen Haupt- stadt Kampala uÈ ber den Bezug von Rohkaffee durch die DDR im Rahmen von »Ware-gegen-Ware-GeschaÈ ften«.147 Der GeschaÈ ftsfuÈ hrer der IMES GmbH, Herr Wiechert, weilte in dem ostafrikanischen Land und sandte am 17.Februar 1986 an Alexander Schalck-Golodkowski und den Stellvertreter von Auûenminister Fischer, Gert KoÈ nig, ein Blitztelegramm.148 Im »Ergebnis erster Verhandlungsrunden mit Vertretern Oberkommando« wird eine Liste des Sofortbedarfs uÈ bermittelt.Sie entha È lt WuÈ nsche nach mehreren hundert FlakgeschuÈ tzen, Granat- und Feuerwerfern sowie dazugehoÈ riger Munition einschlieûlich je 10000 Antitank- und Handgranaten.UÈ ber die Zahlungsmo- dalitaÈ ten wird gesagt: »Partner pruÈ ft Sofortbedarf und Zahlung mit Kaffee fuÈ r restliche Positionen.«149 Mit der Kopfzeile »Alexander Schalck-Golod- kowski Berlin, 19.Februar 1986« ist dem Telegramm ein Schreiben an GuÈ nter Mittag beigefuÈ gt: »Soeben ist beiliegender Funkspruch aus Kampala eingetroffen.Ich emp- fehle, daû Genosse Streletz beauftragt wird, im Zusammenwirken mit dem Minister fuÈ r Staatssicherheit und dem Minister des Innern gewuÈ nschte Waf- fenlieferungen, die nicht im Bestand des Bereiches bzw.der Staatsreserve sind, in diesem Falle zum Export anzubieten.Alle technischen Fragen =Lufttransport) werden von mir parallel vorbereitet.DaruÈ ber hinaus wer- den die in unserem Bestand vorhandenen Waffen und GeraÈ tschaften zur Angebotsabgabe vorbereitet.Genosse Mielke wurde u È ber den Inhalt des Telegramms informiert.Bitte um Entscheidung.Mit kommunistischem Gruû.Anlage.« 150 Das »DreiecksgeschaÈ ft« Verwundete ±Kaffee±Waffen kam wohl nicht zu- stande.Nach Aussage von A.Reichert wurden verwundete Ka È mpfer der ugandischen Widerstandsarmee nicht zur Heilbehandlung in die DDR einge- flogen.

147 Lederer, Andrea: Erster abweichender Bericht zum Bericht des 1.Schalck-Untersu- chungsausschusses der Abgeordneten.Bundesdrucksache 12/7650, S.25.Mat.:A 94, Bd.3, Bl.549ff. 148 Telegramm vvs-t-b; 104±43/86.BAC DL-2-KoKo 3, Bl.551±553. 149 Ebenda. 150 Ebenda.Das Schreiben ist nicht unterzeichnet.

212 Allerdings stammen noch heute bestehende Schulden Ugandas gegenuÈ ber der Bundesrepublik aus dem Jahre 1986.Die KoKo-Waffenhandelsfirma IMES konnte in diesem Jahre einiges militaÈ risches GeraÈ t verkaufen.Als Marktvorteil wird wohl die Zusage sofortiger Lieferung gedient haben.Der Bereich KoKo unterschied nicht aufwendig und kompliziert zwischen Krisen-, Spannungs- und Nichtkrisengebieten.

5.5.6.3. Die Sicherheit der BuÈrger der DDR und ihr VerhaÈltnis zur mosambikanischen BevoÈlkerung in Moatize Mit dem UÈ berfall auf Landwirtschaftsexperten der DDR in der NaÈ he von Lichinga, Provinz Niassa, am 6.Dezember 1984 verschaÈ rften sich die Lage und die Sicherheitsmaûnahmen.Beauftragte des MilitaÈ rattacheÂs weilten dar- aufhin mehrmals in Moatize, um die Sicherheitslage zu sondieren und das mo- sambikanische Schutzbataillon bei der Ausbildung zu unterstuÈ tzen.Gleichzei- tig wurden die DDR-BuÈ rger »sicherheitstechnisch geschult«.In einem Bericht vom November 1985 heiût es: »Im Resultat zielstrebiger Arbeit der staatlichen Leitung des DDR-Kollek- tives, des ParteisekretaÈ rs und der Sicherheitsbeauftragten zur kontinuierli- chen Durchsetzung der getroffenen Festlegungen zur GewaÈ hrleistung der Sicherheit der DDR-BuÈ rger wurde ein insgesamt stabilisiertes Sicherheits- gefuÈ hl entwickelt.Der Einsatz der ObjektsicherungskraÈ fte und die zeitweili- ge Arbeit der Offiziere der NVA hat weitgehend positive Auswirkungen. Das gut organisierte Informations-, Melde- und Alarmierungssystem im Kollektiv in Moatize, die praktische DurchfuÈ hrung der Schieûausbildung mit dem festgelegten Personalbestand sowie die AusruÈ stung mit Waffen ha- ben das VerantwortungsgefuÈ hl der DDR-BuÈ rger fuÈ r ihre Sicherheit und da- mit insgesamt das SicherheitsgefuÈ hl gestaÈ rkt.«151 Ein regulaÈ res Schutzbataillon der Armee Mosambiks =FPLM) sollte, wie mit dem Minister fuÈ r Staatssicherheit und Nationale Verteidigung bereits 1984 abgestimmt worden war, in Moatize gebildet werden.AusruÈ stungsgegenstaÈ n- de waren ± durch die DDR bereits geliefert ± vorraÈ tig. Eine in der Verwaltung taÈ tige Mitarbeiterin der Delegation der DDR, die sich zum gleichen Zeitpunkt in Moatize aufhielt, beschrieb die Situation wie folgt: »Ein ausgefeiltes Alarm- und Meldesystem sollte Sicherheit vermitteln; die Bespitzelung durch die Mitarbeiter der Staatssicherheit verschaÈ rfte das Kontaktverbot und erhoÈ hte das Risiko, diese uÈ berzogenen Maûnahmen zu umgehen.=¼) Der Prozeû der Einigelung und Abkapslung setzte verstaÈ rkt zu einem Zeitpunkt ein, als sich im arbeitstechnischen Bereich die Probleme und Spannungen staÈ ndig verschaÈ rften.Von ehrlicher Freundschaft und So- lidaritaÈ t war nichts zu spuÈ ren; ebensowenig von der einfachen Wahrheit, Gast in einem anderen Land zu sein.Der latente Haû gegenuÈ ber Afrikanern

151 Bericht von der Dienstreise nach Mosambik, 18.11.1985. BAF MA VA-01/32 277.

213 Lageplan der von der DDR errichteten ArbeiterunterkuÈnfte und WohnhaÈuser in Moatize.

kam allmaÈ hlich zum Vorschein.Die Objektsicherungskra È fte legitimierten ihn durch unverhohlen rassistisches Auftreten.«152 Ein Beispiel fuÈ r die Deformationen, wie sie durch die Isolation und abgeschie- dene Lage gefoÈ rdert wurden, ist der Umgang mit der Familie Fensterseifer durch die Koloniegemeinde.Die Geschichte wurde von ehemaligen Moatizer Spezialisten erzaÈ hlt.Eine nach dem Putsch 1973 in die DDR emigrierte Chi- lenin und ihr nach dem MilitaÈ rputsch 1968 aus Brasilien ebenfalls in die DDR

152 KuÈ nanz: Steinkohleprojekt Moatize, S.189.

214 geflohener Mann, Nachfahre deutscher Revolutionsemigranten von 1848 aus dem Badischen, wurden ausgegrenzt und zuruÈ ckgestoûen.Beide hatten in der DDR studiert.Sie diplomierte uÈ ber Biologie in Halle, er uÈ ber Landwirtschaft. Sie heirateten und bekamen zwei Kinder, die durch Geburt BuÈ rger der DDR wurden.Auf dem Umweg uÈ ber Brasilien, wo die VerhaÈ ltnisse sich zeitweise normalisiert hatten, kam die Familie mit ihren Kindern nach Mosambik und wollte beim Aufbau mithelfen.Die mosambikanischen BehoÈ rden schickten sie nach Moatize, da es dort einen deutschen Kindergarten und eine Schule gab. Die Kinder sprachen perfekt deutsch.Durch die Leitung der DDR-Delegati- on in Moatize wurden die Kinder nicht in die entsprechenden Klassen aufge- nommen, da sie keine DDR-BuÈ rger mehr seien.Private Kontakte waren durch die Kontaktregeln im Moatizer Geltungsbereich von »Klein-DDR« er- schwert.Letztlich reiste die Familie nach einiger Zeit wieder ab, obwohl Arbeit und Bezahlung durch die mosambikanischen BehoÈ rden vorhanden waren. Manche Delegationsmitglieder haben versucht, partnerschaftliche Bezie- hungen aufzubauen, und sich nicht staÈ ndig um widersinnige Anordnungen ge- kuÈ mmert.Sie waren in der Minderzahl. Die Ursachen fuÈ r das unaufgeschlossene Verhalten werden auf verschiede- nen Ebenen zu suchen sein.Als ein Grund muû das in sich geschlossene Aus- wahlverfahren angesehen werden.Wer »drin« war, gehoÈ rte dazu und hielt sich an die Regeln, die er vorfand.Hinzu kamen das eher gering ausgebildete ent- wicklungspolitische Bewuûtsein der Kaderermittler, die eindeutig oÈ konomi- sche Ausrichtung des Groûprojektes sowie die obligatorische Geheimhaltung. Die durch die Auswirkungen des BuÈ rgerkrieges und die Dienstvorschriften auferlegten BeschraÈ nkungen sowie die kuÈ nstliche Abgeschlossenheit der DDR-BuÈ rger in Kombination mit den unbefriedigenden Arbeitsergebnissen fuÈ hrten spaÈ testens seit Mitte der 80er Jahre zu weitverbreiteter Frustration und auch zu rassistischen Erscheinungen, die sich auch innerhalb der Arbeits- kollektive und auf dem eigenen GelaÈ nde aÈ uûerten. Im Vergleich mit anderen auslaÈ ndischen Spezialisten oder Kooperanten empfanden die BuÈ rger der DDR sich oft im Nachteil und spuÈ rten eine offene oder verdeckte Zweitklassigkeit.Die lang andauernde Trennung von Kindern und Familien, die AbhaÈ ngigkeit von den »Lieferungen aus der Heimat« sowie die wenigen MoÈ glichkeiten zur Zerstreuung, verbunden mit den ideologisch verpackten und uÈ bersteigerten ParteiauftraÈ gen, lieûen nicht wenige Delega- tionsmitglieder in eine resignierte Stimmung fallen. Nur selten ist uÈ ber Moatize in der DDR berichtet und geschrieben worden. Eine Ausnahme bildet der Schriftsteller Landolf Scherzer.Scherzer arbeitete mehrere Monate in den FDJ-Brigaden der Provinz Tete und beschrieb in Re- portagen seinen Aufenthalt.153 Drei Episoden sollen einem besseren VerstaÈ nd- nis des Moatizer Alltags dienen, wobei VerkuÈ rzungen nicht zu vermeiden sind.Scherzer beschreibt ein GespraÈ ch mit dem Gouverneur der Provinz Tete,

153 Scherzer, Landolf: Das Camp von Matundo.Berlin 1986 =im folgenden: Scherzer: Das Camp).

215 der als Student an der Technischen Hochschule in Ilmenau, ThuÈ ringen, stu- diert hatte: »Ich fragte ihn, ob er mir helfen koÈ nnte, mal raus aus dem Camp zu kom- men, wenigstens bis nach Angonia.Was sollte ich sonst schreiben u È ber Land und Leute? Er griente, natuÈ rlich koÈ nne er mich nach Angonia fahren lassen, sogar zum Schutz ein paar Soldaten mitgeben, aber er habe die Weisung des DDR- Verantwortlichen gelesen ¼, und Weisungen seien allmaÈ chtiger als er, das wisse er noch aus seiner Studentenzeit in Ilmenau.«154 Nach einem schweren Arbeitstag, es wurde lang erwarteter Zement abgeladen, schreibt Scherzer in sein Reportagetagebuch: »Und wir spuÈ lten den Staub mit Connys und Orihes Rum hinunter.WaÈ h- rend wir schluckten, verschoÈ nte Liane unsere Fenster.Der FDJ-Zentralrat hatte uns Dederonstores geschickt.Zwar bruÈ hten wir Junggesellen Tee und Kaffee immer noch in derselben Kanne, zwar fehlte ein groûer Tiegel, das Besteck benutzten wir abwechselnd, die zwanzig Schallplatten =davon drei- mal Paul-Linke-Melodien) kennen wir auswendig ± wenigstens Dederonsto- res vor den Fenstern.«155 Zur Situation der Familien der Delegationsmitglieder, deren Kinder oft in Inter- naten in der DDR untergebracht werden muûten und die zu jaÈ hrlichen Ferien- spielen nach Mosambik geflogen wurden, laÈ ût er einen Vater zu Wort kommen, der einen aufregenden Tag fuÈ r die Kinder im GelaÈ nde organisiert hatte: »­Das schlimmste an der Arbeit in Afrika ist nicht die Hitze, auch nicht die Malaria, das schlimmste ist, wenn man die Kinder allein zu Hause lassen muû.Mein Junge ist seit acht Jahren im Heim des Auûenministeriums, so als ob er keine Eltern hat.Ab und an ein Paket.Wenn er hier ist, sage ich nichts, ich fuÈ hle mich so, als ob ich eine Schuld abtragen muû ¼¬ WaÈ hrend der RuÈ ckfahrt prescht Conny mit vierzig Kilometer in der Stunde uÈ ber die Piste.­Damit sie wenigstens merken, daû sie in Afrika sind.¬Ich sage: Fahr langsam, das Auto wird noch gebraucht, und Ersatzteile gibt es keine.«156 NatuÈ rlich gab es auch ZaÈ rtlichkeiten und SonnenuntergaÈ nge, herzliches La- chen und die gemeinsame Freude beim Verlassen des dunklen Schachtes nach einer langen Schicht.HaÈ ufiger wird aber von den eher bedruÈ ckenden Erlebnis- sen erzaÈ hlt. Viele der nach Mosambik ausgereisten Spezialisten fanden sich in einer gespal- tenen Wirklichkeit wieder.Auf der einen Seite waren sie ausgewaÈ hlte und zum Teil privilegierte BuÈ rger der DDR, die ins weit entfernte und unerreichbare Aus- land reisen durften.Auf der anderen Seite wurden sie, obwohl Vertreter eines Hauptpartners von Mosambik, kaum mit Annehmlichkeiten ausgestattet und nicht immer mit Sympathie bedacht.157 Verunsicherung war haÈ ufig das Ergebnis.

154 Ebenda, S.63. 155 Ebenda, S.87. 156 Ebenda. 157 Dies berichteten mehrere DDR-Spezialisten.Vgl.auch: Halbjahresbericht II/1984 vom Januar 1985 des RepraÈ sentanten des BuÈ ros Maputo der Friedrich-Ebert-Stiftung, S.7.

216 Die Motivationen fuÈ r den Einsatz in Moatize waren sehr verschieden.Ne- ben Fernweh, Parteiauftrag und dem ehrlichen Verlangen, konkrete Solidari- taÈ t leisten zu wollen ± Motive, die vor allem in den ersten Jahren eine groÈ ûere Bedeutung hatten ±, spielten bestimmt auch UÈ berdruû und Langeweile in der DDR sowie Abenteuer- und Entdeckerlust eine Rolle, und nicht zu vergessen: die materiellen Annehmlichkeiten durch regelmaÈ ûigen Lohn in der Heimat und alimentoÈ se Versorgung im Lager. »FuÈ r die uÈ beraus groÈ ûte Zahl von DDR-BuÈ rgerInnen war der ausschlagge- bende Faktor fuÈ r die AttraktivitaÈ t eines Einsatzes in Moatize der materielle Anreiz, denn die AufwandsentschaÈ digung fuÈ r einen Auslandseinsatz wurde in Devisen geleistet.Parallel dazu lief das heimatliche Gehalt in DDR- WaÈ hrung auf dem Konto weiter, das sich durch SonderzuschlaÈ ge noch be- traÈ chtlich erhoÈ hte.Luxusartikel westlicher Herkunft ru È ckten dadurch fuÈ r die gluÈ cklichen DDR-BuÈ rgerInnen in erreichbare NaÈ he, die dafuÈ r auch die erfahrene UnmuÈ ndigkeit bei der ValutauÈ berweisung tolerierten.Die Aus- zahlung der Devisen erfolgte nicht in bar, sondern als Transfer auf ein Kon- to in der DDR, dessen Betrag dann im DDR-eigenen AÈ quivalent »Forum- Scheck« ausgezahlt wurde.Dabei waren die zwischen der DDR und Mo- sambik fuÈ r DDR-Spezialisten vereinbarten Kosten um ein Vielfaches gerin- ger als fuÈ r westliche Kooperanten.«158

5.6 Exkurs: Gold

Parallel zur KohlefoÈ rderung liefen umfangreiche Erkundungen der DDR nach Goldvorkommen und anderen seltenen Mineralien in den mosambikani- schen Bergen, meist in der Region von Monica.Geologische Trupps der DDR waren fruÈ hzeitig ins Land geschickt worden.VertraÈ ge sollten im Som- mer 1978 als Grundlage fuÈ r weitere Erkundungen und moÈ gliche SchuÈ rfrechte unterzeichnet werden. Am 22.Juni 1978 erhielt Alexander Schalck-Golodkowski vom DDR-Bot- schafter in Maputo ein Telegramm, in dem der Botschafter mitteilte, daû die Regierung von Mosambik einem Absatz der »Vereinbarung uÈ ber die Zusam- menarbeit bei der geologischen Erkundung von GoldlagerstaÈ tten« nicht zu- stimme.159 Inhalt des strittigen Absatzes war die Lieferung von 50 Prozent der Produk- tion an die DDR zur Bezahlung der von ihr erbrachten Leistungen.Als Be- gruÈ ndung fuÈ r die Ablehnung dieser Standardformel wurde die fehlende Kenntnis uÈ ber die GroÈ ûe der LagerstaÈ tten und ihre NutzungsmoÈ glichkeiten angegeben.Die mosambikanische Seite war miûtrauisch gegenuÈ ber der DDR geworden und schlug vor, die Menge und Bedingungen der Lieferung von Gold in HandelsvertraÈ gen gesondert zu vereinbaren.Alexander Schalck-

158 KuÈ nanz: Steinkohleprojekt Moatize, S.188. 159 BAZ DY 30 22 191.

217 Golodkowski wollte keinen Kompromiû in diesem Punkt zulassen.Statt des- sen schlug er in seinem Brief an GuÈ nter Mittag vor: »Sollte im Ergebnis dieser Verhandlungen der prinzipielle Standpunkt der DDR weiterhin nicht durchsetzbar sein, ist Genosse Siebold bevollmaÈ ch- tigt, in Abweichung des Beschlusses des Sekretariates des ZK der SED fol- genden Kompromiû zu diesem Punkt zu unterbreiten: VRM erklaÈ rt die Bereitschaft, der DDR Gold zu liefern.Die DDR erklaÈ rt ihre Bereitschaft, 100 Prozent des durch die zu gruÈ ndende Gemischte Pro- duktionsgesellschaft gefoÈ rderten Goldes zu erwerben.=¼) Um diesen Kom- promiû nicht einseitig zu Lasten der DDR einzugehen, ist in diesem Fall gleichzeitig der Punkt 3 der Vereinbarung so zu veraÈ ndern, daû die Durch- fuÈ hrung der erforderlichen geologischen Erkundungsarbeiten auf einen Zeitraum von zwei Jahren ausgedehnt wird.«160 Durch diesen Vorschlag haÈ tten sich die Mosambik in Rechnung gestellten Er- kundungskosten verdoppelt.Ebenso ha È tte sich im »Ware-gegen-Ware-Ge- schaÈ ft« der Betrag verdoppelt, mit dem die DDR das gegebenenfalls zu erwer- bende Gold »bezahlt« haÈ tte. Das GeschaÈ ft schien zu diesem Zeitpunkt fuÈ r den Bereich KoKo trotz der Begrenzung des generellen »Zugriffes« lukrativ.Die DDR-Geologen wurden von ihren Heimatbetrieben in DDR-Mark bezahlt.Die Goldvorkommen konnten bei FuÈ ndigkeit durch KoKo veraÈ uûert und die Gewinne einbehalten werden.Im Vorgriff auf die optimale Verwertung moÈ glicher Goldvorkommen wurde ebenfalls Ende der 70er Jahre durch die KoKo-Firma »Kunst- und An- tikhandel« ein mehrjaÈ hriger GeschaÈ ftskontakt zu der suÈ dafrikanischen Firma »Montagu Ltd.« mit Sitz in Montagu, 400 km noÈ rdlich von Kapstadt, aufge- baut und gehalten.161 Das mosambikanische Gold sollte wohl unter Brechung des wirtschaftlichen und politischen Embargos gegenuÈ ber dem Apartheid-Re- gime von SuÈ dafrika und unter Miûachtung von UN-Resolutionen maximal vermarktet werden.Zu dem erhofften Goldabbau kam es nicht.Bis 1987 wur- de um die Bezahlung der ergebnislos verlaufenen Golderkundungen gestrit- ten.Im Gemeinsamen Wirtschaftsausschuû im Mai 1987 wurde vermerkt: »Mosambik wollte die von der DDR uÈ ber Jahre in Rechnung gestellten 1,9 Mio.US-Dollar fuÈ r geologische Golderkundung nicht anerkennen.Ver- handlungsvorschlag der DDR: Summe in die Lohntransferleistungen der Vertragsarbeiter einbeziehen.«162 Die mosambikanische Seite muû diesem Angebot zugestimmt haben.Jeden- falls fanden sich danach keine Notizen mehr zum Gold.Offensichtlich wurden mit den einbehaltenen Lohnleistungen mosambikanischer Arbeiter offene Rechnungen der fehlgeschlagenen Gewinnung des gelben Metalls beglichen.

160 Ebenda. 161 Lt.Mitteilung von Herrn Werner Jenke, Abteilungsleiter KoKo-Firmen im Direkto- rat SondervermoÈ gen der Bundesanstalt fuÈ r vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, Berlin, am23.5.1998 gegenuÈ ber dem Verf. 162 Direktive Mai 1987 fuÈ r GWA.BAZ DE 1 55 151.

218 Auch Erkundungs- und Importvorhaben fuÈ r Kupfer, Pegmatit, Tantalit163, Fluûspat und Edelsteine befanden sich in der Vorbereitung.Eine Art »Kron- kolonie« wollte der Bereich KoKo fuÈ r die DDR in Mosambik schaffen.Ein Standardwerk der DDR zu Afrika beginnt den Beitrag uÈ ber Mosambik mit folgendem Satz: »Der Grund, warum das Montmotopa-Reich, welches auf dem Gebiet der heutigen Republik Mosambik liegt, 1629 portugiesische Kolonie wurde, waren deren Goldvorkommen.«164

5.7 Zum Einsatz von BuÈ rgern der DDR in Mosambik als Experten und Spezialisten

Neben den politischen Kontakten und persoÈ nlichen Freundschaften zu einzel- nen Mitgliedern der FRELIMO-FuÈ hrung bildeten vor allem die Vielzahl der Spezialisten, Experten und Berater der DDR die Grundlage des BuÈ ndnisses zwischen beiden LaÈ ndern.Ob Bildungsberater mit einem fuÈ r Mosambik guÈ n- stigen KWZ-Vertrag oder Expertin fuÈ r tropische Landwirtschaft, ob Geologe im Rahmen von kommerziellen VertraÈ gen oder FDJ-Brigadist beim Fertigen von Hohlblocksteinen, die meisten haben an ihren Einsatzorten versucht, un- ter schwierigen Bedingungen das Beste zu leisten und eine solide Arbeit abzu- liefern.Sie haben mit ihren Partnern gemeinsam probiert, Schritt fuÈ r Schritt die angestrebten Ziele zu erreichen oder Ressourcen zu erhalten.Die geopoli- tischen, aber noch staÈ rker die innenpolitischen VerhaÈ ltnisse in Mosambik und in der DDR waren fuÈ r diese BemuÈ hungen nicht besonders guÈ nstig.Die mate- riellen und arbeitstechnischen Voraussetzungen unterschritten oft die Grund- voraussetzungen fuÈ r geordnete ArbeitsablaÈ ufe.Parteiauftrag und Plan standen uÈ ber gruÈ ndlicher Vorbereitung.Jeder Einsatzplatz galt direkt oder abgeleitet als oÈ konomischer BewaÈ hrungsort und politische Feuerprobe. Ein groûer Teil der Reisekader wuûte von den Ausmaûen des Engagements der DDR nicht allzuviel.Die Funktion des Bereiches KoKo innerhalb der Wirtschaftspolitik der SED-FuÈ hrung war dem Personal der DDR in Mosam- bik kaum besser bekannt als der BevoÈ lkerung im Heimatland.Aber fast alle, die laÈ ngere Zeit in Mosambik weilten, wuûten um den Einfluû und den schnel- len Zugang der Mitarbeiter der WPA zu den MaÈ chtigen.Und sie waren oft beeindruckt von der Achtung, die den aus Berlin haÈ ufig anreisenden KoKo- Mitarbeitern durch die mosambikanischen Beamten und FRELIMO-Mitglie- der bezeugt wurde.Der uÈ berwiegende Teil der Entsandten interessierte sich kaum fuÈ r die groûen ZusammenhaÈ nge.Die Erschwernisse in den eigenen Pro- jekten fuÈ llten oft genug den Tag aus.Von potentiellen Reisekadern wurde we-

163 »Die fuÈ r den Zeitraum 1982 bis 1985 vereinbarten Tantalit-Importe im Wert von ca. 20 Mio.US-$ sind fuÈ r die DDR-Mikroelektronik eine entscheidende Voraussetzung fuÈ r die Fertigung hochwertiger elektronischer Bauelemente, die den neuesten Stand in der Nachrichtentechnik und MilitaÈ rtechnik bestimmen.« BAZ DL 2 KoKo 1, S. 109. 164 Brehme, Gerhard; Kramer, Hans =Hrsg.): Afrika ± kleines Nachschlagewerk. Berlin 1985, S.352.

219 niger die Sehnsucht nach Transparenz von Entscheidungsprozessen als viel- mehr ein weitgehendes VerstaÈ ndnis fuÈ r die Notwendigkeit militaÈ rischer Struk- turen in zivilen Bereichen erwartet.Die BuÈ rger der DDR erlebten ihre Situa- tion mit reichlicher Verwirrung.In der DDR galten sie als privilegiert, weil sie reisen konnten.Kamen sie aber an dem Platz an, der ihnen in der Heimat die Privilegien sicherte, waren diese meist verschwunden.Die Reisekader muûten nun ploÈ tzlich, nach Verlassen der Interflug-Maschine, weitgehend ohne Vor- teile leben und lernen, mit EinschraÈ nkungen umzugehen.Die Devisen waren auf einmal aÈ uûerst knapp, und Kontakte durften nicht ohne weiteres geknuÈ pft werden.Hinzu kam ± jedenfalls in der Hauptstadt Maputo ±, daû die Exper- ten und Berater der DDR sowie ihre Arbeit haÈ ufig mit Kollegen aus anderen LaÈ ndern verglichen wurden.Das kannte man in der DDR so nicht. Bis heute stellen die Experten, Spezialisten, Diplomaten und Reisekader eine Berufsgruppe dar, uÈ ber die in der breiten OÈ ffentlichkeit wenig bekannt ist. In Mosambik weilten zeitweise bis zu 1200 BuÈ rger der DDR gleichzeitig. Zudem waren immer DDR-BuÈ rger im Auftrag der SicherheitskraÈ fte und der Partei oder auch AuûenhaÈ ndler im Land, die meist nicht in Listen erfaût wur- den.Die mit Abstand meisten DDR-BuÈ rger waren in den Jahren 1981 und 1982 in Mosambik. Berater der Partei sowie Experten mit WTZ- und KWZ-VertraÈ gen weilten seit 1975 in Mosambik.Sie waren in die StellenplaÈ ne der entsendenden Betrie- be integriert oder wurden aus dem Haushaltsplan der DDR finanziert.Im Rahmen der weiteren Kommerzialisierung der Beziehungen zur Dritten Welt im Ergebnis der Arbeit der »Mittag-Kommission« wurde ab 1978, spaÈ testens seit 1982 auch bei WTZ- und KWZ-Experten weitgehend nach oÈ konomischen Richtlinien entsandt.165 Neben den laÈ ngerfristig abgeschlossenen WTZ- und KWZ-VertraÈ gen sind die damit verbundenen kommerziellen Erwartungen ein Grund fuÈ r die GleichmaÈ ûigkeit bei der Entsendung von Experten, auch unab- haÈ ngig von politischen Interessen. Um ein reales Bild zu erhalten, muû noch die nur schwer aufzugliedernde Anzahl von Botschaftsmitarbeitern, Sicherheits-, MilitaÈ r- und Parteiberatern, AuûenhaÈ ndlern und Mitgliedern der FDJ-Brigaden sowie das Servicepersonal von Betrieben hinzugerechnet werden.FuÈ r 1977 beispielsweise werden 44 Ex- perten angegeben.Im Lande waren aber ca.150 DDR-Bu È rger.166 Am 8.De- zember 1984 waren 701 DDR-BuÈ rger in Mosambik, davon 341 MaÈ nner, 257 Frauen und 103 Kinder.499 lebten in Maputo und 74 arbeiteten in Moa- tize.167

165 »Die WTZ- und KWZ-Experten muûten seit 1982 ­verkauft¬ werden.Das war unseren Partnern nur schwer zu vermitteln.« H.-G. Schleicher, langjaÈ hriger diplomatischer Mitarbeiter und Botschafter der DDR in Afrika, im GespraÈ ch mit dem Verf.am 14.10.1996. 166 Treffbericht IM »Henry« gegenuÈ ber HA XVIII/7, 2.11.1977. BStU MfS AJM 77335/ 91, Bd.3, Bl.241. 167 Vgl. Erste Informationen zu dem Vorfall am 6.12.1984 bei Lechinga. BStU MfS Z 3407.

220 Bemerkenswert ist der hohe Anteil an Frauen und Kindern. Dies koÈ nnte un- ter anderem gegen die Vermutung sprechen, im DDR-Kontingent sei ein uÈ ber- durchschnittlich hoher Anteil von AngehoÈ rigen bewaffneter Organe verbor- gen. Zudem weist diese Zahl aufden hohen Stellenwert der Familie in der DDR hin, der jedenfalls zeitweise bei den AuslandseinsaÈ tzen beruÈ cksichtigt wurde. In Moatize und an der Botschaft in Maputo waren KindergaÈ rten einge- richtet worden. Im Kohlerevier gab es zeitweise eine Schulbetreuung.

UÈ bersicht zum Einsatz von Experten und Spezialisten in Mosambik, Stand Oktober 1987168

Gesamt WTZ KWZ 1976 28 15 13 1977 44 27 17 1978 64 34 30 1979 129 55 74 1980 161 69 92 1981 169 51 118 1982 176 46 130 1983 193 49 143 1984 195 50 145 1985 165 44 121 1986 159 47 112 1987 128 39 82

Deutlich wird der vermehrte Einsatz dieser Experten nach dem Abschluû des Freundschaftsvertrages im Februar 1979. Im VerhaÈ ltnis zur Gesamtzahl der DDR-BuÈ rger in Mosambik wurde aber bei den »unentgeltlichen« Exper- ten ein Tiefstand erreicht. Ihr Anteil betrug in der Zeit der besonderen oÈ kono- mischen Anstrengungen kaum 15 Prozent. In dieser Zeit kamen verstaÈ rkt Ein- reisen durch AbschluÈ sse von kommerziellen VertraÈ gen hinzu. Interessant ist auch die Aufgliederung nach Einsatzbereichen und -orten.169

168 A. Schalck: Konzeption fuÈ r weiteren Einsatz von Experten und Spezialisten, 30.10.1987. BAZ DE 1 55 151. 169 A. Schalck: Konzeption fuÈ r WTZ- und KWZ-Experten, Regierungsberater und Spe- zialisten mit kommerziellen VertraÈ gen fuÈ r Mosambik 1988 bis 1990. BAZ DE 155150.

221 Einsatzbereiche der WTZ-Spezialisten, Stand: Oktober 1987

Landwirtschaft 10 Finanzen/Bank 3 Industrie/Verkehr/Bauwesen 18 Binnenhandel 2 Staat und Recht 2 Berufsbildung 11 Fernmeldewesen 4 Statistik 6

Einsatzbereiche der KWZ-Spezialisten, Stand: Oktober 1987

Volksbildung 50 Hoch- und Fachschulwesen 35 Gesundheitswesen 23 Sport 2

Eine bedeutende Anzahl von Experten und Expertinnen wurden im paÈ dagogi- schen Bereich eingesetzt.

Einsatzbereiche der Regierungsberater, Stand: Oktober 1987

Im PraÈ sidialamt 1 ?fuÈ r staatl. Verwaltung) Beim Leiter des Sekretariates des Ministerrates 1 Beim Gouverneur der Bank von Mosambik 1 Im Ministerium fuÈ r mineralische Ressourcen 2 Beim Minister fuÈ r Planung 1 Bei der Nationalen Plankommission 3

Die Spezialisten aufkommerzieller Basis wurden 1987 mit 56 planmaÈ ûigen und 43 besetzten Stellen angegeben.170 Das Kaderproblem ist offensichtlich. Der in- offizielle Staatstitel »Reisekader NSW« kann bei weitem nicht so lukrativ ge- wesen sein wie sein Ruf. Die damit einhergehenden Bindungen fuÈ r die BuÈ rger muÈ ssen relativ groû gewesen sein. Jedenfalls muûten sich verschiedene Gremien regelmaÈ ûig mit ungeloÈ sten »Kaderfragen« beschaÈ ftigen. Weiterhin ist festzu- halten, daû die Anzahl der kommerziellen VertraÈ ge bei den Planstellen nur die

170 Ebenda.

222 knappe HaÈ lfte und bei den besetzten Stellen ein gutes Drittel der WTZ- und KWZ-VertraÈ ge ausgemacht hat. Im Juli 1980 wurden noch 157 Spezialisten auf kommerzieller Basis im mosambikanischen Einsatz angegeben. Fragen zur HoÈ he und zur Form der VerguÈ tung der Experten und Berater unterschiedlicher Vertragsarten wurden schon aufgeworfen. Es ist davon aus- zugehen, daû mit dem Beginn der Koordinierung der Afrikabeziehungen durch den Bereich KoKo Druck hinsichtlich einer steigenden Bezahlung der Experten aufdie entsendenden Betriebe der DDR und aufMosambik selbst ausgeuÈ bt wurde. Eine Berechnung der Zahlen fuÈ r das Jahr 1977 belegt, daû bei den Experten mit WTZ- und KWZ-VertraÈ gen die »Valutakostendeckung« 119,8Prozent, aber die »Gesamtkostendeckung« nur 32,7Prozent betraÈ gt.171 Trotz der immer wieder aufkommenden Zweifel uÈ ber den Sinn und Erfolg der eigenen Arbeit, dem Zwiespalt, einerseits Mosambik helfen zu wollen und gleichzeitig Devisen fuÈ r die DDR erwirtschaften zu muÈ ssen, und nicht weniger EinschraÈ nkungen im Alltag, ist die aÈ uûerst geringe Anzahl von sogenannten RepublikfluÈ chtlingen unter den AuûenhaÈ ndlern, Spezialisten, Experten und Beratern sowie den mit ausreisenden FamilienangehoÈ rigen bemerkenswert.

Einsatzorte der Spezialisten mit »kommerziellen VertraÈ gen«, Stand: Oktober 1987172

Einsatzort: Plan Ist Steinkohle Moatize 18 17 Textilkombinat Mocuba 0 10 Zementindustrie 8 7 Eisenbahn 4 4 Bauwesen 5 1 Waggonbau 7 1 GetraÈ nkeindustrie 3 1 Geologie 4 0 Radio/Leuchtenproduktion 2 0 Fischerei 5 2

171 Zu einigen Aspekten der gegenseitigen politischen Entwicklung in AÈ thiopien und der VR Mosambik und ihrer Auswirkungen aufdie oÈ konomischen Beziehungen der sozia- listischen Staatengemeinschaft, speziell mit der DDR, 9.4.1979, mit Schreiben vom 18.4.1979 von A.Schalck an G. Mittag. BAZ DY 30 22 194. 172 Ebenda.

223 5.8 Zur TaÈ tigkeit des Ministeriums fuÈ r Staatssicherheit in Mosambik Ein Grund fuÈ r die wenigen FluchtfaÈ lle kann in der Arbeit des Ministeriums fuÈ r Staatssicherheit gesehen werden. UÈ ber die Rolle des MfS in Afrika halten die Mutmaûungen und GeruÈ chte an. Der ehemalige Chefder legenda È ren Hauptverwaltung AufklaÈ rung, Markus Wolf, widmete in seinen Memoiren der Dritten Welt und vor allem Afrika ein eigenes Kapitel.173 Das MfS wird oft in Verbindung mit dem Ausbau der Staatssicherheitsorgane von AÈ thiopien und Mosambik genannt. Vorab festzuhalten ist, daû Afrika kein Hauptopera- tionsgebiet des MfS war. Der »Frontstaat« DDR sah die gefaÈ hrlichsten Geg- ner vor der eigenen HaustuÈ r und dahinter, im eigenen Land. Afrika war fuÈ r die Leitung des MfS sehr weit weg, auch wenn regelmaÈ ûig die SolidaritaÈ tsbei- traÈ ge gezahlt und die Marken geklebt wurden. Da waren die Mitarbeiter des MfS nicht viel anders als die durchschnittlichen DDR-BuÈ rger. Trotzdem, ohne Hintergrund und ausreichend Stoff schreibt ein ehemaliger Stellvertreter von Erich Mielke kein spezielles Kapitel. Die »Sicherheit« war schon vor Ort in Afrika. Im Zusammenhang mit den ausgewaÈ hlten EntwicklungslaÈ ndern und spe- ziell in bezug aufMosambik sind vor allem drei Aufgaben des Ministeriums von Belang. Zum einen waren die AngehoÈ rigen der »Firma,« wie sich das MfS auch selbst bezeichnete, in Mosambik fuÈ r die Sicherheit der Menschen aus der DDR und fuÈ r die Absicherung der Produktion in den Groûprojekten verantwortlich. Zum anderen muû die Mitarbeit des Ministeriums bei der Auswahl der Reisekader in der DDR genannt werden. Diese Aufgaben wur- den nicht speziell fuÈ r Mosambik oder Afrika »erfunden«, sondern waren eher eine Fortsetzung gaÈ ngiger DDR-Praxis aufeinem anderen Kontinent. Von diesen beiden TaÈ tigkeiten unterschied sich die UnterstuÈ tzung und Beratung der Sicherheitsorgane der FRELIMO-Regierung durch das MfS deutlich. Wie die SED-Genossen kamen die meisten FRELIMO-Vertreter aus dem ak- tiven Widerstand. Beide Seiten verfuÈ gten uÈ ber Erfahrungen beim KaÈ mpfen und beim Verteidigen. Sie hatten ihre LaÈ nder, ihren Einfluû und ihre MachtfuÈ lle nicht durch Wahlen und das Gewinnen von Menschen und Mehrheiten, sondern vor allem durch das Besiegen von Gegnern erhalten. Das verband und schuf gute Voraussetzungen fuÈ r die Zusammenarbeit. Entscheidend waren aber immer die Vorgaben der Partei. Die Leitung des MfS bestimmte nicht unabhaÈ ngig oder gar frei ihre Politik. So war es nicht bei KoKo, so war es auch nicht beim MfS. Aus der Notwendigkeit heraus, nun bald einen unabhaÈ ngigen Staat organi- sieren zu muÈ ssen, bat der designierte StaatspraÈ sident von Mosambik die SED- FuÈ hrung schon waÈ hrend eines Besuches im Dezember 1974 um UnterstuÈ tzung beim Aufbau des »Sektors Sicherheit«. An wen haÈ tte er sich auch wenden sol- len? Die westlichen Staaten sorgten sich eher um das abtruÈ nnige linke Portu- gal der »Nelkenrevolution« und dessen schwankendes VerhaÈ ltnis zur NATO. Die Sowjetunion war als Partner eigentlich zu groû. Sie wurde vor allem fuÈ r

173 Wolf, Markus: Spionagechef im geheimen Krieg ± Erinnerungen. MuÈ nchen 1998.

224 den materialintensiven, militaÈ rischen Aufbau benoÈ tigt. Zudem war sie weitge- hend in Angola gebunden Die Arbeitsteilung leuchtete in gewisser Weise ein: Hardware von der Sowjetunion, weil sie uÈ ber die militaÈ r-industriellen Kom- plexe verfuÈ gte und als Weltmacht Schutzmacht sein sollte, Software aus der DDR. Beratung, Konzepte und leichte Waffen aus der eigenen UÈ berproduk- tion. Die Anliegen und die Notwendigkeit des Staats- und Sicherheitsaufbaus verstanden die DDR-Genossen gut, sahen sie sich selbst doch staÈ ndig in einen Abwehr- und Verteidigungskampfverwickelt. Unter anderem deswegen ver- fuÈ gte die DDR uÈ ber fuÈ r ihre VerhaÈ ltnisse uÈ ppig ausgestattete Sicherheitsappa- rate. Aufdiesem Gebiet gab es umfangreichere Ressourcen und auch mehr Erfolge als in der OÈ konomie. Immerhin hatte man vor den Augen der Welt die Mauer in Berlin gezogen, damalige Weltpolitik gestaltet und ihr ein Sym- bol errichtet. Die »Sicherheit« sollte damit dauerhaft fuÈ r die SED gerettet sein. Jedenfalls konnte auf diesem Sektor ohne groûe Not schnell gehandelt und mit der Arbeit begonnen werden. Am 8. Januar 1975 beschloû das ZK der SED die Ausbildung von 250 FRELIMO-Guerillas zu SicherheitskraÈ f- ten.174 In diesem Beschluû liegt der Ursprung der langjaÈ hrigen Zusammenar- beit der Sicherheitsorgane beider LaÈ nder. Bis zum Tag der UnabhaÈ ngigkeit, der schon festgelegt war, muûte diese Aufgabe abgeschlossen sein, muûten die Mannschaften vor allem fuÈ r den Personenschutz stehen. Es war nur noch ein knappes halbes Jahr Zeit.

Mit der Ausbildung wurden sowohl das MfS und das Ministerium des Innern fuÈ r den regulaÈ ren Polizeibetrieb als auch die Grenztruppen beauftragt. Diese Kombination diente wohl dazu, moÈ glichst viele staatliche Aufgaben vermit- teln zu koÈ nnen. Mit dem Schnellprogramm wurde eine »Ministerratsgruppe« gebildet. Diese bestand nach dem Ende der ersten Ausbildungsphase weiter und diente gleichzeitig als »Tarnbegriff« fuÈ r alle Spezialisten aus sicherheitsre- levanten Gebieten, die spaÈ ter noch in Mosambik eingesetzt wurden. Die Mini- sterratsgruppe agierte als relativ selbstaÈ ndige GroÈ ûe mit sehr guten Beziehun- gen zu den jeweiligen Botschaftern.175 Die SelbstaÈ ndigkeit resultierte nicht nur aus der Gewichtigkeit der Ministerien, die vertreten wurden, oder aus be- sonderen Geheimhaltungsstufen, sondern auch schlicht aus der Tatsache, daû diese »Gruppe« vor der Errichtung der Botschaft gebildet worden war. Die PersonalstaÈ rke der Ministerratsgruppe entwickelte sich in AbhaÈ ngigkeit vom wirtschaftlichen Engagement. 1983 waren es rund 40 Berater, Spezialisten fuÈ r Personenkontrolle und AufklaÈ rung, FeindbekaÈ mpfung und Fototechnik, Kri- minalisten und Zollbeamte, einfache Techniker oder auch mal ein Fuûball- trainer. 1986 waren noch 19 MfS- und 9 MdI-AngehoÈ rige Mitglieder der Be- ratergruppe. Vierzig Berater sind keine Kleinigkeit und das Vierfache der eingesetzten Regierungsberater ziviler Ministerien. Ihre Wirkung soll nicht verniedlicht

174 Vgl. Schleicher, Hans-Georg; Engel, Ulf: DDR-Geheimdienst und Afrika-Politik. In: Auûenpolitk ± Zeitschrift fuÈ r internationale Fragen. Jg. 47, IV/96, S. 399ff. 175 Vgl. GespraÈ ch mit Prof. Dr. H. Matthes am 9.12.1998.

225 werden. Andererseits geben die Unterlagen keinen Anlaû zu einer uÈ bermaÈ ûi- gen Aufwertung der Arbeit des MfS in Mosambik. Diejenigen, die dazu nei- gen, uÈ berbewerten das MfS mit seinen AktivitaÈ ten als »Vorreiter des kommu- nistischen Kolonialismus«176 oder als besonders effizientes und nachhaltiges Instrument der Afrikapolitik der DDR177. Das MfS hatte kaum eigene Inter- essen und auch keine Vorreiterrolle. Ebensowenig taugt es zur nachtraÈ glichen Ausbesserung der Beziehungen. Auch in Afrika war es »nur« ein Instrument der Partei. Ein nur schwer zu bestimmender Teil der BeratertaÈ tigkeit war Ideologisie- rung sowie VerstaÈ rkung bzw. Vermittlung von Klassenkampfmotiven und Feindbildern. Diese Beratungen dienten nicht zur Deeskalierung der gegenein- ander kaÈ mpfenden einheimischen Kriegsparteien, eher der VerlaÈ ngerung des Leides. Die zu Verhandlungen fuÈ hrenden GespraÈ che zwischen der FRELIMO und der RENAMO haben Vertreter von Kirchen begonnen. Auch werden die Berater des MfS nicht diejenigen gewesen sein, die SuÈ dafrika als notwendigen, weil die Region bestimmenden und einfluûreichen Verhandlungsparter vorge- schlagen haben. Aber Kriegstreiber waren sie eher nicht. Das Schulungsprogramm des MfS enthielt VerhoÈ rmethoden und Zerset- zungsmaûnahmen. Mehrere Diplomarbeiten aus dem Institut fuÈ r Internatio- nale Beziehungen an der Hochschule des MfS wurden fuÈ r die TaÈ tigkeit in Afrika angefertigt. Ein nicht geringer Teil der Berater versuchte nach DDR-eigenem VerstaÈ nd- nis, Polizeihilfe zu leisten und den zentralistischen Staat mit aufzubauen. Als ihr Ziel sahen sie die UnterstuÈ tzung der Konsolidierung der errungenen Macht, die der FRELIMO auch international uÈ bertragen worden war, an. Dazu gehoÈ rten alle BemuÈ hungen, den Einfluû der DDR auf die mosambika- nische Politik und Wirtschaft zu sichern, aber ebenso der Personenschutz fuÈ r Regierungsmitglieder, der Grenzschutz und auch der Sport. Zum Beispiel sollte ein Fuûballtrainer des vom MfS-Minister Erich Mielke persoÈ nlich ge- foÈ rderten Serienfuûballmeisters »SC Dynamo Berlin« einen entsprechenden Club in Maputo aufbauen. Nicht alle Berater muûten unmittelbar der Welt- revolution dienen. Mit der »Exportoffensive« gegenuÈ ber Mosambik wuchs die Bedeutung des MfS in Mosambik. Im Dezember 1977 wurde berichtet, daû der PraÈ sident Sa- mora Machel gegenuÈ ber dem Sonderbeauftragten geaÈ uûert habe: » ¼ daû jetzt, nachdem die OÈ konomie klar ist, wir auch politisch weiterge- hen, ¼ daû der PraÈ sident fuÈ r die Zusammenarbeit mit der DDR vor allen Dingen drei Gebiete sieht: die Partei, wo er also sehr eng mit der SED zu- sammen arbeiten will, was den weiteren Aufbau der Partei, die Durchorga- nisierung betrifft, 2. die Justiz, einschlieûlich Sicherheit ± also Polizei, Staatssicherheit usw. ± und 3. Staatsapparat«.178

176 Vgl. Bensch, Georg: ToÈ dliche Entwicklungshilfe. DDR-Waffenhilfe fuÈ r die Dritte Welt. Dossier 12/1986 vom 21.3.1985. Bremen, BuKo-RuÈ stungskampagne, Archiv. 177 Vgl. Schleicher, Hans-Georg; Engel, Ulf: DDR-Geheimdienst und Afrika-Politik. In: Auûenpolitik ± Zeitschrift fuÈ r internationale Fragen. Jg. 47, IV/96, S. 408. 178 Treffbericht »IM Henry« vom 28.12.1977. BStU MfS AJM 7735/91, Bd. 3, Bl. 255.

226 Nun kam es zu einer ersten offiziellen Vereinbarung der Staatssicherheitsmini- sterien beider LaÈ nder, die am 29. August1978 in Berlin unterzeichnet wurde. Im MinistergespraÈ ch knuÈ pfte Erich Mielke an die Vorleistungen an: »Das MfS hat seit 1975 nach besten KraÈ ften der Bitte des von uns hochge- schaÈ tzten ersten PraÈ sidenten, Genossen Samora Machel entsprochen, den Auf- bau des revolutionaÈ ren Sicherhheitsorganes in der VRM zu unterstuÈ tzen.«179 Es wurde sich der gegenseitigen UnterstuÈ tzung, der Beratung und Ausbildung durch das MfS der DDR und Hilfeleistungen »entsprechend den MoÈ glichkei- ten« versichert. Hervorzuheben ist folgender Passus: »Das MfS unterstuÈ tzt gleichfalls beim Erwerb von Materialien und AusruÈ - stungen aufder Basis von zwischen den Einrichtungen des Auûenhandels beider LaÈ nder abgeschlossener VertraÈ ge.«180 Dieser Passus sollte wohl die kommerziellen Lieferungen regeln. Zugleich er- oÈ ffnete diese Regelung Wege, daû Lieferungen des MfS in die PlaÈ ne des Mini- steriums fuÈ r Auûenhandel und damit des Bereiches KoKo eingestellt werden konnten.181

Aus Planungslisten fuÈ r die materielle UnterstuÈ tzung geht hervor, daû vor al- lem fuÈ r das »Schutzregiment« in Maputo Material der unterschiedlichsten Art geliefert wurde. Zum Beispiel gab es im Jahre 1984 UnterstuÈ tzung im Wert von 7Mio. Mark.182 1988 war geplant, fuÈ r 4,2 Mio. Mark im »Rahmen der SolidaritaÈ t« UnterstuÈ tzung zu gewaÈ hren. Zwischen 1977 und 1989 wurden jaÈ hrlich Lieferungen zwischen ca. 3 und 7 Mio. Mark nach Mosambik ge- sandt. Neben diesen unentgeltlichen Lieferungen gab es auch kommerzielle Lieferungen des MfS an das »Bruderorgan«. Unter der Rubrik »offene Forde- rungen gegenuÈ ber Mosambik« werden im MaÈ rz 1988 1076882,92US-Dollar festgehalten.183 Die Forderungen gehen z. T. bis aufdas Jahr 1980 zuru È ck. Damals wurden PapierhaÈ cksler zur Aktenvernichtung, Gewehre und Patro- nen geliefert. Bei bereits eingegangenen Zahlungen war vermerkt: »RuÈ ckzah- lung in US-Dollar erfolgt an Staatshaushalt«184. Dieser Vermerk ist der einzig gefundene Beleg, der einen Hinweis auf BarruÈ ckzahlungen von mosambikani- schen Stellen an die DDR gibt.

179 Hinweis fuÈ r das GespraÈ ch des Gen. Minister mit dem Minister fuÈ r Staatssicherheit der VR; GM M.M: am 28.8.1978. BStU MfS ZAIG 5120, Bl. 12. 180 BStU MfS-Dokumenten-Stelle ?o. Sig., o. Pag.). 181 M. Wolf schreibt zu den Waffenlieferungen seines Ministeriums ?ohne konkreten Be- zug aufMosambik): »Im uÈ brigen tat sich die DDR durch Waffenlieferungen erst im letzten Jahrzehnt ihres Bestehens hervor; Regierungsabkommen regelten die Lieferun- gen, die entweder uÈ ber die Armee oder uÈ ber eine regierungseigene Auûenhandelsfirma des Bereiches Kommerzielle Koordinierung erfolgten.« Wolf: Spionagechef im gehei- men Krieg, S. 375. 182 Konkret handelte es sich hierbei um Waffen, Munition, AusruÈ stungen fuÈ r das Organ und das Schutzregiment, Fahrzeuge und UnterkuÈ nfte. AÈ thiopien erhielt im gleichen Jahr 100000 M fuÈ r Fototechnik und Ausstattung fuÈ r die Schule des Organs. BStU MfS Abt. X 93, Bl. 24. 183 Offene Forderungen gegenuÈ ber Mosambik, MaÈ rz 1988. BStU MfS, Abt. Finanzen 1393, Bl.34. 184 BStU MfS, Abt. Finanzen 1419, Bl. 3.

227 Die Kaderausbildung mosambikanischer SicherheitskraÈ fte durch das MfS erfolgte uÈ ber den gesamten Zeitraum. So wurden zum Beispiel 1987 35 Offi- ziere in LeitungstaÈ tigkeit ausgebildet und eine nicht genannte Anzahl von Per- sonen zu einem »Qualifizierungskurs fuÈ r UntersuchungsfuÈ hrer« in die DDR eingeladen. FuÈ r das letzte GespraÈ ch der Sicherheitsminister aus der DDR und Mosam- bik im August 1988, nachdem die schwierige oÈ konomische Lage in der DDR beschrieben und die Gefahren der inneren Opposition der DDR benannt wur- den, haÈ lt der Sprecherzettel fuÈ r Erich Mielke als abschlieûenden Punkt fest: »Auch weiterhin gilt das Prinzip der gemeinsamen Verantwortung fuÈ r den Schutz der an gemeinsamen oÈ konomischen Projekten eingesetzten Kader der DDR und Mosambiks. ± Unbedingt notwendig sind dabei gewissen- hafte Lageanalysen und gegenseitige Informationen, um jeweils rechtzeitig die erforderlichen vorbeugenden Maûnahmen einleiten zu koÈ nnen.«185 Durch den BuÈ rgerkrieg in Mosambik befand sich das MfS allerdings auf recht »heiûem« GelaÈ nde. An Kampfhandlungen scheint sich das MfS nicht beteiligt zu haben. Die DDR-Berater galten aufdiesem Gebiet als zuruÈ ckhaltend, was durchaus VorwuÈ rfe seitens der mosambikanischen Partner eingebracht haben soll. Wenn die Vertreter der DDR ihre Sicherheitsbedenken vortrugen, soll ih- nen gelegentlich entgegengehalten worden sein: Und wir dachten, ihr seid in Spanien bei der Verteidigung der Republik gegen Franco dabeigewesen. Markus Wolf, bis 1986 Chef der AuslandsaufklaÈ rung des MfS, beschreibt die Motive fuÈ r das Handeln »seiner Leute« folgendermaûen: »Wir waren uÈ berzeugt, durch das, was wir leisteten, das Freiheitsstreben der afrikanischen VoÈ lker zu unterstuÈ tzen. Das war vielleicht eine etwas nai- ve Vorstellung, doch die meisten unserer Leute, die in jenen Jahren in der ­Dritten Welt¬ taÈ tig waren, empfanden sich nicht so sehr als Geheimdienst- ler, sondern als Mitakteure in einem revolutionaÈ ren Prozeû.«186 UÈ ber das Engagement des MfS in Mosambik, fuÈ r das er nur auffaÈ llig wenig Zeilen aufwendet, schreibt er: »In Mosambik unterstuÈ tzten wir gemeinsam mit kubanischen und sowjeti- schen Beratern die Regierungspartei FRELIMO gegen die RENAMO- Rebellen, die von den Apartheidregimes Rhodesiens und SuÈ dafrikas finan- ziert wurden. Sechs Jahre lang investierte das Ministerium fuÈ r Staatssicher- heit betraÈ chtliche Mittel in Ausbildung und AusruÈ stung eines Sicherheits- dienstes, doch der BuÈ rgerkrieg wurde unentwirrbar. MachtkaÈ mpfe innerhalb der Regierung von Mosambik erschwerten uns eine effektive Un- terstuÈ tzung in gleichem Maûe wie die Uneinigkeit zwischen KGB und dem sowjetischen MilitaÈ ruÈ ber den richten Weg, die Konflikte zu reduzieren, und deshalb beschraÈ nkten wir uns zuletzt auf Lieferungen technischer Hilfs- mittel und ausgemusterter NVA-Waffen.«187

185 Zur Beratung und Anleitung bei der DurchfuÈ hrung der Aktion M. BStU MfS ZAIG 5120, Bl. 20. ?»Aktion M« war die MfS-Bezeichnung fuÈ r Moatize.) 186 Wolf: Spionagechef im geheimen Krieg, S. 366. 187 Ebenda, S. 376.

228 Das im Vergleich zu den anderen EinsatzlaÈ ndern wie AÈ thiopien, Angola oder gar Tansania/Sansibar um ein Vielfaches groÈ ûere Engagement des MfS in Mosambik lag vor allem in seinem Hauptauftrag, der Sicherung des besonde- ren oÈ konomischen Interesses der DDR in diesem Land, begruÈ ndet. Es galt, sowohl Leib und Leben der BuÈ rger der DDR zu schuÈ tzen als auch die Pro- duktion und die Errichtung der Groûprojekte zu uÈ berwachen. Im Vorfeld mit der PruÈ fung der Reisekader beauftragt, verfuÈ gte das MfS uÈ ber ein weiteres grundsaÈ tzliches Instrument der Beeinflussung. Bei einem Aufenthalt von zeit- weise 1200 DDR-BuÈ rgern war dies eine herausgehobene MoÈ glichkeit, die QualitaÈ t der zu leistenden Arbeit zu beeinflussen. Teilweise agierten die verschiedenen Hauptabteilungen des MfS in Mosam- bik gleichzeitig. Konkurrenzen blieben dabei nicht aus. In Mosambik war die HA XVIII »Sicherung der Volkswirtschaft« einer der Hauptakteure. Der Son- derbeauftragte der Partei und Regierung gehoÈ rte zu den kontinuierlichen Mit- arbeitern. Im Jahr 1984 kam es zu einer Neugliederung der Hauptabteilung XVIII. Eine eigene Arbeitsgruppe zur Absicherung und UnterstuÈ tzung der TaÈ tigkeiten des Arbeitsbereiches von Alexander Schalck-Golodkowski mit zeitweise 80 hauptamtlichen Mitarbeitern wurde gebildet. Durch den Vertrag von Nkomathi, den Beitritt Mosambiks zu Weltbank und WeltwaÈ hrungs- fonds und die Verringerung des oÈ konomischen Engagements der DDR kam es wohl zu einer Verlagerung der Kompetenzen. Die Hauptverwaltung Auf- klaÈ rung ?HV A) von Markus Wolfu È bernahm die FederfuÈ hrung uÈ ber einige IM der Abteilung XVIII, so auch im konkreten Fall der WPA in Maputo: »1. Die Wirtschaftspolitische Abteilung [WPA-Maputo, Mosambik-BuÈ ro der Abteilung »Handelspolitik des Bereiches KoKo«; d. Verf.] wird zukuÈ nf- tig in das Sicherheitssystem der HV A IX/B voll integriert. 2. Die AG BKK [Sicherungsbereich KoKo im MfS, aus der HA XVIII hervorgegangen; d. Verf.] uÈ bergibt die IMs waÈ hrend ihres langfristigen Auslandsaufenthaltes in Mosambik zur operativen Nutzung an die HV A IX/B.«188 Anzunehmen ist, daû mit der nun staÈ rker zum Westen ausgerichteten Politik Mosambiks und den haÈ ufigeren Kontakten zu SuÈ dafrika die HVA diese MoÈ g- lichkeiten zur Spionage nutzen wollte. Maputo blieb damit fuÈ r das MfS ein wichtiger StuÈ tzpunkt in der suÈ dlichen HemisphaÈ re. Mit der zum Teil generalstabsmaÈ ûigen UnterstuÈ tzung und Anleitung des Bereiches KoKo und der TaÈ tigkeit des Sonderbeauftragten sicherte sich das MfS Kontroll- und weitreichende EinfluûmoÈ glichkeiten bei der Ausgestaltung der Beziehungen der DDR zu Mosambik. Es ist davon auszugehen, daû die verantwortlichen Personen aufseiten der DDR grundsaÈ tzlich eine Interessens- uÈ bereinstimmung mit dem MfS verband. Auf dem Gebiet der Wirtschaft wird die Einfluûnahme des MfS weniger durch aktive Steuerung denn vor allem durch die »reibungslose« Absicherung der von PolitbuÈ ro und dem Sekretariat des ZK der SED festgelegten Maûnahmen und Objekte bestimmt gewesen

188 Vermerk uÈ ber eine Absprache mit der HV A IX/B. 14.6.1984. BStU MfS BKK 292, Bl.22.

229 sein. Nicht nur der Sonderbeauftragte fuÈ r Mosambik, auch die Beauftragten fuÈ rAÈ thiopien und Angola standen in einem BerichtsverhaÈ ltnis zum MfS. Die Erfolge der Berater bzw. die Sicherheitskooperationen des MfS in Mo- sambik und generell in Afrika werden unterschiedlich bewertet: Ein Beobach- ter aus Maputo stellte 1985 fest: »Und es kann als sicher angenommen werden, daû die auslaÈ ndischen Berater ?vor allem der DDR), die den Aufbau des Sicherheitsapparates unterstuÈ tzen und diesen strukturieren, sich keine groûe Sympathie erworben haben.«189 Eine 1997 verfaûte Studie kommt, mehrere LaÈ nder in Afrika betrachtend, zu folgendem Ergebnis: »So stellte die MilitaÈ r- und Sicherheitskooperation wenn auch nicht den umfangreichsten, so doch einen SchluÈ sselbereich fuÈ r den relativen Erfolg der Afrikapolitik der DDR dar. ?¼) Durch ¼ den Aufbau von dauerhaften Sicherheitsstrukturen ¼ ?neben Ideologie- und Wertetransfer, sowie Aus- bildung von Personen) wurde ein langfristig wirksamer Einfluû ausgeuÈ bt, der uÈ ber den unmittelbaren Bereich der Sicherheitskooperation hinaus- reichte.«190 Insider erklaÈ rten, die Mosambikaner haÈ tten den Kernbereich ihres Sicher- heitsgeschaÈ ftes den DDR-Beratern nicht offenbart.191

5.9 Die mosambikanischen Vertragsarbeitnehmer als VerrechnungsgroÈ ûe innerhalb der oÈ konomischen Beziehungen

Ein bisher kaum erforschtes Kapitel der Beziehungen zwischen der DDR und Mosambik stellt die Anwerbung und die TaÈ tigkeit von mehreren zehntausend mosambikanischen Arbeitern in Betrieben der DDR dar. Zwischen 1979 und 1989 arbeiteten insgesamt 21600 Mosambikaner und Mosambikanerinnen in der DDR.192 An dieser Stelle kann lediglich versucht werden, einige oÈ konomische Hin- tergruÈ nde des Einsatzes der Vertragsarbeiter193 zu erhellen. Zum genaueren VerstaÈ ndnis der LebensumstaÈ nde der mosambikanischen Arbeiter in der DDR muÈ ssen auch die sozialen Belange und Auswirkungen aufdie mosambi- kanischen BuÈ rger mit beruÈ cksichtigt werden.194

189 Halbjahresbericht II/1984 vom Januar 1985 des RepraÈ sentanten des BuÈ ros Maputo der Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 7. 190 Engel, Ulf; Schleicher, Hans-Georg: Thesen zur Afrikapolitik der beiden deutschen Staaten. Hamburg 1997, S. 17f. 191 Botschafter H. Matthes gegenuÈ ber dem Verf. 192 Heyden, Ulrich van der; Schleicher, Hans-Georg; Schleicher, Ilona: Die DDR und Afrika II, S. 188. 193 »Vertrags- oder Regierungsarbeitnehmer« sind bundesdeutsche Begriffe. In der DDR wurde die Bezeichnung »mosambikanische WerktaÈ tige« verwendet. 194 Vgl. Marburger, Helga ?Hrsg.): Wir haben unseren Beitrag zur Volkswirtschaft gelei- stet. Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Situation der Vertragsarbeitnehmer der ehem. DDR vor und nach der Wende. Frankfurt a. M. 1993. MuÈ ggenburg, Andreas: Die auslaÈ ndischen Vertragsarbeitnehmer in der ehemaligen DDR. Berlin 1996. Sextro,

230 Bereits mit Datum vom 3.November 1977 findet sich in den Unterlagen des BuÈ ros GuÈ nter Mittag eine »Stellungnahme zum Vorschlag der VR Mosambik uÈ ber die Ausbildung mosambikanischer Arbeiter in Betrieben der DDR«. Sie wurde erstellt vom Staatssekretariat fuÈ r Arbeit und LoÈ hne der DDR und nicht ± wie zu erwarten waÈ re ± vom Staatssekretariat fuÈ r Berufsausbildung, welches fuÈ r Facharbeiterausbildung, auch von AuslaÈ ndern, zustaÈ ndig war. In der Stellungnahme heiût es u. a.: »Die VR Mosambik will 1978 und 1979 jeweils 2000 Arbeiter in die DDR zur einjaÈ hrigen praktischen Ausbildung entsenden. Die besten Arbeiter un- ter ihnen sollen die MoÈ glichkeit einer zweijaÈ hrigen Ausbildung ?Ausbildung in bestimmten Spezialisierungen) erhalten.«195 Das Staatssekretariat fuÈ r Arbeit und LoÈ hne lehnte ab und begruÈ ndete: »Die BeschaÈ ftigung mosambikanischer WerktaÈ tiger nur mit Arbeiten, die keinerlei Bildungsvoraussetzungen erfordern, ist aus politischen ErwaÈ gun- gen nicht vertretbar und hat auch keinerlei Nutzen fuÈ r die mosambikani- sche Volkswirtschaft. Den Industriebetrieben wuÈ rden auûerdem produk- tionsorganisatorische und technologische Schwierigkeiten entstehen, die sie nicht oder nur mit einem unvertretbar hohen Aufwand loÈ sen koÈ nnten. Auf- wand und Nutzen, die mit einem solchen Einsatz fuÈ r beide Seiten entstehen, rechtfertigen deshalb die Ausbildung mosambikanischer Jugendlicher in dieser vom Partner vorgeschlagenen Form nicht.«196 Es wurde unabhaÈ ngig davon vorgeschlagen, die Ausbildung von 100 mosam- bikanischen Jugendlichen in Einrichtungen der Berufsausbildung durch den StaatssekretaÈ rfuÈ r Berufsausbildung zu vereinbaren. HintergruÈ nde dieser Bitte aus Mosambik sind zum einen die von der FRELI- MO beabsichtigte »Industrialisierung« und die traditionell groûe Zahl von Wanderarbeitern, die in den Goldminen SuÈ dafrikas BeschaÈ ftigung fanden. Zum anderen auch der notwendige Ersatz fuÈ r die aus dem Lande gegangenen portu- giesischen Facharbeiter. Nach der Ausrufung der UnabhaÈ ngigkeit in Maputo 1975 ergaben sich zwangslaÈ ufig Schwierigkeiten auf diesem Feld. SuÈ dafrika kuÈ n- digte die VertraÈ ge uÈ ber den Einsatz von Wanderarbeitern. Das bedeutete fuÈ rden Staat Mosambik und fuÈ r die Wanderarbeiter erhebliche finanzielle Einbuûen. Aufgrund der KuÈ ndigung der »Goldoption«197 verringerten sich Mosambiks Deviseneinnahmen aus dem Verkaufvon Wanderarbeitern an Su È dafrika von rund 150 Mio. bis 175 Mio. US-Dollar im Jahre 1975 aufweniger als 15 Mio. US- Dollar im Jahre 1978. Die ausbleibenden GelduÈ berweisungen der Wanderarbei- ter an ihre Familien verringerten vor allem im SuÈ den Mosambiks die Kaufkraft, erschwerten die Lebenshaltung und stellten den Staat vor unerwartete Probleme.

Uli: Gestern gebraucht ± heute abgeschoben. Die innenpolitische Kontroverse um die Vertragsarbeitnehmer der ehemaligen DDR. SaÈ chsische Landeszentrale fuÈ r politische Bildung, Dresden 1996. 195 Stellungnahme des Staatssekretariates Arbeit und LoÈ hne zum Vorschlag der VRM uÈ ber die Ausbildung mosambikanischer Arbeiter in Betrieben der DDR, 3.11.1977. BAZ DY 30 22 190 ?BuÈ ro Mittag). 196 Ebenda. 197 Goldoption: Bezeichnung der VertraÈ ge uÈ ber die Wanderarbeiter in den Goldminen.

231 WaÈ hrend der »dynamischen« Vorbereitungen des Staatsbesuches und des Abschlusses des Freundschaftsvertrages 1979 muû die Bitte erneut verhandelt worden sein. Die DDR-FuÈ hrung hatte inzwischen Interesse an mosambikani- schen WerktaÈ tigen. PloÈ tzlich waren auch die ErwaÈ gungen von 1977, es sei »politisch nicht vertretbar«, hinfaÈ llig. Eine BegruÈ ndung dafuÈ r wurde nicht ge- geben. Aus dem Ersuchen um Aufnahme von Arbeitern zur Ausbildung in Be- trieben war nun ein »Programm zur zeitweiligen BeschaÈ ftigung von mosambi- kanischen WerktaÈ tigen« geworden. Im Rahmen des Freundschafts- und Staatsbesuches wurde zeitgleich mit anderen grundlegenden VertraÈ gen am 24.Februar 1979 ein »Abkommen uÈ ber die zeitweilige BeschaÈ ftigung mosambikanischer WerktaÈ tiger in sozialistischen Betrieben der DDR« durch GuÈ nter Mittag, als ZK-SekretaÈ rfuÈ r Wirtschaft, und Marcelino dos Santos, als Planungs- und Entwicklungsminister, unter- zeichnet.198 Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 lautet: »Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ermoÈ glicht 2000 BuÈ rgern der Volksrepublik Mosambik fuÈ r die Dauer von jeweils vier Jahren die Aufnahme einer bezahlten BeschaÈ ftigung in sozialistischen Betrie- ben.«199 Die mosambikanischen WerktaÈ tigen sollten im Produktionsprozeû aus- schlieûlich an solchen ArbeitsplaÈ tzen eingesetzt werden, die im Zusammen- hang mit der vorgesehenen beruflichen Aus- und Weiterbildung die Vermitt- lung eines hohen Maûes an Kenntnissen und Fertigkeiten ermoÈ glichen. Festgelegt wurde, daû fuÈ r die BeschaÈ ftigung in Betrieben der DDR mosam- bikanische BuÈ rger zwischen 18 und 25 Jahren ?maÈ nnlich und weiblich) zu de- legieren seien, die gesundheitlich geeignet sind und durch das Ministerium fuÈ r Arbeit von Mosambik ausgewaÈ hlt wurden. Die Einreise sollte ohne Familien- angehoÈ rige erfolgen. Die Reise mosambikanischer WerktaÈ tiger in dritte LaÈ n- der war ausgeschlossen. Die mosambikanischen Arbeiter sollten 25 Prozent des Nettolohnes nach Mosambik transferieren koÈ nnen. »Alle mit dem Einsatz der mosambikanischen WerktaÈ tigen verbundenen Zahlungen und UÈ berweisungen erfolgen uÈ ber die bestehenden Sonderkon- ten der Vereinbarung vom 15. November 1977.«200 Als vorrangige Einsatzbereiche des Abkommens wurden aufgefuÈ hrt: ± Braunkohlebergbau ± Kupferbergbau/Verarbeitung ± Herstellung von Lastkraftwagen ± Textilindustrie ± Landwirtschaft. Jedem vorgesehenen Einsatzschwerpunkt der mosambikanischen WerktaÈ tigen in der DDR-Industrie kann ein Groûprojekt aus der »Komplexen Konzeption der Zusammenarbeit mit Mosambik« von Alexander Schalck-Golodkowski

198 Politisches Archiv des AuswaÈ rtigen Amtes ± Auûenstelle Berlin, o. Sig. Handschriftli- cher Vermerk: »GeloÈ scht: 8.6.1989«. 199 Ebenda. 200 Ebenda.

232 zugeordnet werden. Die Absicht war, so ist zu schlieûen, daû die mosambika- nischen Arbeiter nach vier Jahren »zeitweiser BeschaÈ ftigung« in den Braun- kohletagebauen der Niederlausitz direkt im mosambikanischen Steinkohlere- vier von Moatize zum Einsatz kommen. Die Kenntnisse des Mansfelder Kupferbergbaus haÈ tten bei der Erz- und Goldgewinnung im mosambikani- schen Bergland angewandt werden koÈ nnen. Die Arbeiter aus den LKW-Wer- ken waren demnach fuÈ r das geplante Montagewerk der W-50-Reihe und die Mosambikanerinnen aus der DDR-Textilindustrie fuÈ r das konzipierte Textil- kombinat in Mocuba vorgesehen. Durch die Unterschrift von GuÈ nter Mittag ist das »Einreiseprogramm« als oÈ konomische Maûnahme gekennzeichnet. Schon ein halbes Jahr spaÈ ter wurden fuÈ r 1980 3000 ArbeitskraÈ fte aus Mosam- bik in der Volkswirtschaft eingeplant.201 Was fuÈ r neue UmstaÈ nde koÈ nnten eingetreten sein, die die Ablehung von 1977 hinfaÈ llig gemacht haben? Im »Abkommen zwischen den Regierungen der DDR und der VRM uÈ ber die Bezahlung von Warenlieferungen und Leistungen zwischen beiden Staa- ten«202 vom 7. November 1979 findet sich die Liste C »Export der VRM in die DDR fuÈ r das Jahr 1980«. Unter Position 18 ist verzeichnet: »Leistungen: 3,3Mio. US-Dollar«, ohne diese genauer zu erklaÈ ren. Es ist zu vermuten, daû unter dem Begriff »Leistungen« die Transfer-Leistungen zu verstehen sind, die die mosambikanischen Arbeiter als Bestandteil ihres monatlichen Lohnes erarbeiteten und die gegebenenfalls in der DDR verbleiben sollten.203 Welche anderen »Leistungen« ± also audruÈ cklich keine Waren oder GuÈ ter ± haÈ tte Mo- sambik an den »zehntgroÈ ûten Industriestaat der Welt«, die DDR, sonst »ex- portieren« koÈ nnen?

Weiter ist der Frage nachzugehen, ob bereits mit dem ersten Einsatz von mo- sambikanischen Vertragsarbeitern der Abbau des DDR-AuûenhandelsuÈ ber- schusses gegenuÈ ber Mosambik durch die Verwendung des Lohntransfers ge- plant war. Bei einem Wert in HoÈ he von 3,3 Mio. US-Dollar waÈ ren, bei BestaÈ tigung dieser Vermutung, mehr als50 Prozent des im Abkommen preis- spezifizierten »Exportes« von Mosambik in der DDR als sogenannte Trans- ferleistungen festgelegt worden. Aufgrund des 1978 und 1979 hektisch erzeugten AuûenhandelsuÈ berschusses von uÈ ber 200Mio. VM suchten die AuûenhaÈ ndler beider Seiten nach »export- faÈ higen« Leistungen, die fuÈ r die DDR von Interesse sein koÈ nnten. In den Au- gen der Verantwortlichen schien der Einsatz von ArbeitskraÈ ften dafuÈ r geeig- net zu sein. Dabei trafen sich die verschiedenen Interessen: Mosambik suchte einen Ersatz fuÈ r die nicht mehr zur VerfuÈ gung stehenden ArbeitsplaÈ tze der Wanderarbeiter in SuÈ dafrika, erhoffte sich Ausbildungshilfe und die StaÈ rkung

201 Komplexe Konzeption DDR±Mosambik vom 17.9.1979. BAZ DY 30 J/V2/3A/3379. 202 Politisches Archiv des AuswaÈ rtigen Amtes ± Auûenstelle Berlin, o. Sig. Das Abkom- men wurde fuÈ r die Regierung der DDR von D. Uhlig unterzeichnet. 203 Der Begriff »Leistungen« wurde auch gelegentlich verwandt, wenn die von Mosambik zu zahlenden VerguÈ tungen der DDR-Spezialisten mit kommerziellen VertraÈ gen in die PlaÈ ne eingestellt wurden.

233 bzw. Schaffung der Arbeiterklasse. Die DDR wollte ihr ArbeitskraÈ ftedefizit mildern, den HandelsuÈ berschuû verringern und Facharbeiterressourcen fuÈ r die zukuÈ nftigen Groûbetriebe in Mosambik anlegen. Diese Praxis wurde bis zum Ende der DDR fortgefuÈ hrt und ausgeweitet. Die Ansicht, daû erst seit 1985/86 die Anwerbung der Vertragsarbeitnehmer unter primaÈ roÈ konomischen Gesichtspunkten und bis dahin vor allem »im Rahmen internationaler SolidaritaÈ t« erfolgte, kann nicht bestaÈ tigt werden.204

Bis 1985 stieg die Zahl der mosambikanischen WerktaÈ tigen in der DDR lang- sam, aber stetig aufca. 5000. Zum 31. September 1987 zaÈ hlte die HAXVIII des MfS 7800 mosambikanische WerktaÈ tige in der DDR.205 FuÈ r 1988 waren 4500 weitere mosambikanische WerktaÈ tige zum Einsatz in DDR-Betrieben zwecks Schuldenabbau vorgesehen. Hintergrund ist ein »Erneutes Ersuchen der PraÈ sidenten der FRELIMO und der VRM aufweitreichende UnterstuÈ t- zung« vom 5. Juni 1987. Dabei ging es vor allem um 260 Mio. US-Dollar, die bis 1990 durch Mosambik an die DDR zu zahlen gewesen waÈ ren.206 Der moÈ g- lichst zu besseren Bedingungen als denen des »Pariser Clubs« erbetenen Stun- dung sollte unter bestimmten Voraussetzungen zugestimmt werden: »1. Berechnung der VerguÈ tungssaÈ tze fuÈ r WTZ- und KWZ-Spezialisten auf US-Basis zu dem vor der 1. Abwertung des Metical guÈ ltigen Umrechnungs- verhaÈ ltnis, 2. Verrechnung der Einnahmen aus SpezialistenverguÈ tung ¼ ?uÈ ber) ein zu schaffendes Devisenkonto mit den Ausgaben der Botschaft, einschlieûlich der Handelspolitischen Abteilung, 3. ErhoÈ hung der Anzahl der in die DDR zu entsendenden WerktaÈ tigen ab 1988 aufinsgesamt 13000.« 207

204 Vgl. MuÈ ckenburg, Andreas: Die auslaÈ ndischen Vertragsarbeitnehmer in der ehem. DDR. Berlin 1996, S. 8 ?im folgenden: MuÈ ckenburg: Vertragsarbeitnehmer). 205 JahreseinschaÈ tzung zur politisch-operativen Lage unter den auslaÈ ndischen WerktaÈ ti- gen in der DDR. 19.10.1987. BStU MfS HX XVIII, Nr. 5881. Insgesamt weilten 95400 auslaÈ ndische ArbeitskraÈ fte in der DDR. »Vorkommnisse mit mosambikani- schen WerktaÈ tigen im September 1987 belegen, daû diese AuslaÈ ndergruppe zuneh- mend Provokationen von DDR-BuÈ rgern ausgesetzt ist.« Ebenda, Bl. 8. »120 mosam- bikanische WerktaÈ tige muûten aus disziplinarischen GruÈ nden vorzeitig zuruÈ ckgefuÈ hrt werden.« Ebenda, Bl. 7. 206 Vgl. Vorlage fuÈ r das PolitbuÈ ro des ZK der SED, Betrifft: Festlegung in Beantwortung der Botschaft des PraÈ sidenten der FRELIMO-Partei und VR Mosambik an den Ge- neralsekretaÈ r des ZK der SED, Genossen Erich Honecker, vom 5.6.1987, o. D. BAZ DL 2 KoKo 2. Auûenminister O.Fischer stimmte der Vorlage am 21.8.1987 zu. Als Einreicher sind aufgefuÈ hrt: G.SchuÈ rer; O.Fischer; G. Beil; E.HoÈ fner; A.Schalck; K.Singhuber. 207 Ebenda. Direkt im Anschluû an diese Bedingungen wird ausgefuÈ hrt: »Der Export der DDR nach der VRM ist auch in den naÈ chsten Jahren entsprechend den bestehenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen vorrangig auf Lieferungen und Leistungen fuÈ r den Bereich der Landesverteidigung und die Schwerpunktobjekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ... zu konzentrieren.«

234 Im Vorfeld des Ersuchens des PraÈ sidenten von Mosambik um Schuldenerlaû bzw. Stundung richtete Alexander Schalck-Golodkowski ein aufden 28. Mai 1987 datiertes Schreiben an den Stellvertreter des Vorsitzenden des Minister- rates und Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission, Gerhard SchuÈ rer. In diesem Schreiben uÈ bersandte er den Entwurfeiner Vorlage fu È r das PolitbuÈ ro des ZK der SED uÈ ber »Maûnahmen zur Sicherung der Neueinreise von 4500 mosambikanischen WerktaÈ tigen und ihres Einsatzes in sozialistischen Betrie- ben der DDR im Jahre 1988« 208. Als Einreicher der Vorlage ist GuÈ nter Mit- tag ausgewiesen. Die fuÈ r 1988 vorgesehene Verdopplung der Anzahl der mosambikanischen WerktaÈ tigen in der DDR auf13000 wird ausfu È hrlich begruÈ ndet: ±»UÈ ber den von der VRM-Seite fuÈ r ihre WerktaÈ tigen zur Pflicht erhobenen Transfer von Lohnteilen ist eine Reduzierung der jaÈ hrlichen entstehenden Aktivsalden zugunsten der DDR moÈ glich. ± Mit Einsatz von insgesamt 13000 mosambikanischen WerktaÈ tigen wird sich der Pflichttransfer wie folgt erhoÈ hen: 1986 4,6 ?Mio. CL-$) 1987 14,7 1988 18,1 1989 26,2 1990 27,3«209 ± Nach Berechnungen des Ministeriums der Finanzen der DDR betrug der durchschnittliche Anteil eines mosambikanischen WerktaÈ tigen am 1986 produzierten Nationaleinkommen der DDR netto 18482 Mark. Der Ein- satz von insgesamt 13000 mosambikanischen WerktaÈ tigen ab 1988 ent- spricht demnach einem jaÈ hrlichen Beitrag zum Nationaleinkommen von ca. 240 Mio. Mark. ± »Mit dem Einsatz zusaÈ tzlicher WerktaÈ tiger aus Mosambik kann der RuÈ ck- gang bzw. die Beendigung des Einsatzes polnischer und kubanischer Werk- taÈ tiger teilweise kompensiert werden.«210

Dieser Vorlage schloû sich das PolitbuÈ ro nicht an. Es sollten noch groÈ ûere Summen erbracht werden. In einem spaÈ teren Dokument wurde mitgeteilt, daû im Dezember 1987 dem Stundungsersuchen von Mosambik nicht stattgegeben wurde: »GemaÈ û Auftrag [d. PolitbuÈ ros; d. Verf.] wurde eine neue Variante erarbei- tet, die vorsah, das Problem des Abbaus des Guthabens der DDR uÈ ber die Verrechnung des Transfers fuÈ r den erweiterten Einsatz von mosambikani- schen WerktaÈ tigen in der DDR zu loÈ sen.«211

208 BAZ DL-2 KoKo 2. 209 Ebenda. 210 Ebenda. 211 Beschluû des PolitbuÈ ros vom 28.6.1988. BAZ DL-2 KoKo1, S. 15.

235 Die fuÈ r 1988 eingeplanten Neueinreisen von 4500 WerktaÈ tigen wurden auf 7500 erhoÈ ht.212 In diesen Neueinreisen sah die DDR-FuÈ hrung einen Ausweg fuÈ r die nichterfolgte Entschuldung. Die mosambikanische Seite stimmte zu. Ein Kompromiû mit Langzeitwirkung wurde bestaÈ tigt. Die »Entschuldungs- leistungen« wurden aufgrund der neuen Zahlen neu berechnet. In der nun guÈ l- tigen Variante wurden fuÈ r 1990 37,3 Mio. VM an Stelle von 27,3 Mio. VM ± wie in der alten Fassung ± errechnet.213 Am 28. Juni 1988 beschloû das PolitbuÈ ro, fuÈ r 1989 die Zahl der mosambi- kanischen Arbeiter nochmals aufinsgesamt 18000 zu erhoÈ hen, um »das Gut- haben von 367,2 Mio. ¼ auf66,4 Mio. Clearing US-Dollar bis 1995« zu redu- zieren.214 FuÈ r die Jahre 1992 bis 1995 wurden Transferleistungen pauschal mit 40 Mio. CL-Dollar angegeben. Mit 18 000 mosambikanischen Vertragsarbeitern sollte nach der Planung der SED-FuÈ hrung die HoÈ chstzahl an Einreisen 1989 erreicht werden. Entspre- chend dem Abbau der Schulden war dann eine Reduzierung der Zahlen vor- gesehen. Die Kritik der mosambikanischen Regierung gegenuÈ ber der Praxis der DDR wurde in diesem Fall dokumentiert. Dies laÈ ût entweder aufihre Bedeu- tung schlieûen oder aufveraÈ nderte Beziehungen. Insgesamt sind Mitteilungen uÈ ber die kritischen Haltungen von Mosambik aÈ uûerst selten in den vorgefun- denen Akten abgelegt. In einem Bericht215 uÈ ber die aufdem PolitbuÈ robeschluû basierenden Ver- handlungen zum Abbau der Guthaben treten die Meinungsverschiedenheiten deutlich hervor. Die Verhandlungen fuÈ r die DDR fuÈ hrte der Sonderbeauftragte fuÈ r Mosam- bik in Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des GWA. Mosambik war durch den Finanzminister Abdul Magid Osman vertreten. »Aufder Grundlage der am 28. Juni 1988 vom PolitbuÈ ro des ZK der SED bestaÈ tigten ­Maûnahmen zur Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zwi- schen der DDR und der VRM bis 1995 im Sinne einer beidseitigen befriedi- genden LoÈ sung zum Abbau des Guthaben der DDR¬ wurde der Vorschlag der DDR erlaÈ utert, das Guthaben uÈ ber den erweiterten Einsatz von mo- sambikanischen WerktaÈ tigen in der DDR bis 1995 weitgehend abzubauen.

212 Diese BeschluÈ sse brachten erhebliche logistische Probleme mit sich. TaÈ glich muûten bis zu 40 Personen ausgesucht und medizinisch untersucht werden. WoÈ chentlich wa- ren bis zu 160 Mosambikaner per Flugzeug in die DDR zu bringen. GemaÈ û der Dyna- mik, die PolitbuÈ robeschluÈ sse mit sich brachten, gab es oft keine ausreichende Zeit, ge- eignete Wohnquartiere zu finden oder die DDR-WerktaÈ tigen in geeigneter Weise auf die neuen GaÈ ste und Kollegen vorzubereiten. 213 Schreiben von A. Schalck an G. SchuÈ rer vom 28.1.1988 mit Vorlage: Maûnahmen zur Sicherung der Neueinreise von zusaÈ tzlichen 3500 mosambikanischen WerktaÈ tigen und ihres Einsatzes in sozialistischen Betrieben der DDR im Jahre 1988. BAZ DE 1 55 151/2. 214 Ebenda. Vgl. auch: MuÈ ckenburg: Vertragsarbeitnehmer, S. 10. 215 Bericht uÈ ber die Verhandlung mit dem Finanzminister der Volksrepublik Mosambik, Genossen Abdul Magid Osman, zum Abbau des Guthabens der DDR, 11.7.1988, Un- terschrift Uhlig. BStU MfS AJM 7735/91, Bd. 6, Bl. 16±18.

236 Dem Genossen Magid wurde erklaÈ rt, daû die DDR aufgrund der Vielzahl der vorliegenden AntraÈ ge nicht in der Lage ist, weitere Stundungen zu ver- einbaren. Der Genosse Magid entgegnete, daû der Vorschlag der DDR fuÈ r die VRM aus finanziellen und moralischen GruÈ nden unannehmbar sei. Mosambik habe alle GlaÈ ubiger gebeten, die faÈ llig werdenden Forderungen bei niedrig- sten Zinsen fuÈ r mindestens 15 Jahre zu stunden.

Die Mehrheit der LaÈ nder ist bereits daraufeingegangen. Im Rahmen des Pariser Clubs ist eine UÈ bereinkunft erzielt worden. ?¼) Diese UÈ berein- kuÈ nfte seien fuÈ r Mosambik guÈ nstiger als die VorschlaÈ ge der DDR. Der Vorschlag der DDR bedeute in der Praxis, daû die DDR das einzige Land sei, was eine sofortige RuÈ ckzahlung der Schulden Mosambiks fordere ?Kapital und Zinsen). Dies sei angesichts der menschlichen Not in Mosam- bik nicht verstaÈ ndlich. Aufden konkreten DDR-Vorschlag eingehend, stellte der VRM-Minister die Frage, weshalb die DDR das Recht fuÈ r sich in Anspruch nehme, die Forderungen gegenuÈ ber Mosambik aus dem Transfer seiner ArbeitskraÈ fte zu tilgen. Er machte daraufaufmerksam,daû die VRM durchaus das Recht habe, die Transferleistungen zur LoÈ sung innerer Probleme zu verwenden. Wenn man das Problem zuspitzt, so Genosse Magid, koÈ nne Mosambik auch die Forderung erheben, einen Teil des Transfers der ArbeitskraÈ fte in konvertierbaren Devisen zur VerfuÈ gung gestellt zu bekommen. Gerechtfer- tigt sei aufjeden Fall, erhoÈ hte Exporte der DDR in die Volksrepublik Mo- sambik daraus zu bezahlen. In seiner Erwiderung erlaÈ uterte Genosse Uhlig nochmals die groûzuÈ gigen Bedingungen, die die DDR Mosambik jahrelang zur RuÈ ckzahlung der Schulden gewaÈ hrt hat, und die Vorteile des Abbaues des Guthabens uÈ ber den erweiterten Einsatz von ArbeitskraÈ ften.«216 Abschlieûend wurde daraufhingewiesen, daû mit der Anwerbung zusaÈ tzlicher ArbeitskraÈ fte auch innere Probleme Mosambiks geloÈ st werden koÈ nnten. 1988 kam es zu keiner Stundung oder gar Schuldenstreichung durch das PolitbuÈ ro.217 Es kam zur groÈ ûten Einreisewelle von mosambikanischen Arbei- tern und Arbeiterinnen, die es in den zehn Jahren der Vertragsregelung gab. Die tatsaÈ chlichen Einreisen mosambikanischer WerktaÈ tiger zwischen 1979 und 1989 stellen sich wie folgt dar:218

Jahr 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 19861987 1988 1989 Ein- 447 2.839 2.618 Keine 382 Keine 1.347 2.896 3.203 6.464 1.992 reisen

216 Ebenda. 217 WaÈ hrend die DDR auf5 % Zinsen bestand, verzichteten die UdSSR, Schweden und die Republik SuÈ dafrika ganz auf Zinsen, Italien schlug 1,5%, Kuba 2% und Portugal 3% vor. 218 Nach: Riede, Almut: Erfahrungen von Arbeitsemigranten in der DDR. Berlin 1992, S. 5.

237 Aufgrund der hohen Forderungen der DDR gegenuÈ ber Mosambik kam es im Mai 1989 erneut zu Umschuldungsverhandlungen. Diese erwiesen sich als aÈ uûerst schwierig. Aus Informationen zum Stand der Umschuldungsverhand- lungen sowie der dazugehoÈ rigen Direktiven ging hervor: »Zur Durchsetzung dieses Konzeptes haben inzwischen drei Verhandlungs- runden stattgefunden. Es konnte keine Einigung erzielt werden. ?¼) Das Problem wurde in den Verhandlungen bis zur moÈ glichen RuÈ ckfuÈ hrung der WerktaÈ tigen nach Mosambik zugespitzt. Trotzdem bleibt die VRM-Seite bei ihrer Forderung. ?¼) Die bisherigen Verhandlungen zeigen, daû die VRM- Seite die bisherige Praxis, wonach der Transfer ihrer WerktaÈ tigen in voller HoÈ he zum Guthabenabbau beitraÈ gt, erneut nicht akzeptieren wird.«219 Unter anderem gab es in Mosambik Probleme mit den privaten Geldtransferlei- stungen der Vertragsarbeiter zur UnterstuÈ tzung der in Mosambik verbliebenen Familien. Die Regierung Mosambiks konnte die ins Land flieûende Kaufkraft nicht mit Waren abdecken. Sie forderte von der DDR deshalb zusaÈ tzliche Wa- renlieferungen. In den Direktiven fuÈ r die anstehenden Verhandlungen heiût es: »Unter BeruÈ cksichtigung des Zieles, oÈ konomisch maximale Bedingungen fuÈ r die Deutsche Demokratische Republik zu erreichen, ¼ ist die geltende Transferregelung dahingehend zu veraÈ ndern, den bisherigen Transfer von Lohnanteilen um die HaÈ lfte zu verringern. ?¼) Bleibt die VRM bei der For- derung, 50Prozent des fuÈ r 1989 und 1990 zu erwartenden Lohntransfers durch zusaÈ tzliche Warenlieferungen auszugleichen, ist der Leiter der Dele- gation bevollmaÈ chtigt, dem bis zu einer HoÈ he von maximal 35 Mio. US- Dollar zuzustimmen.« 220 Im Rahmen der sich anschlieûenden Verhandlungen kam es zu Umschuldun- gen in HoÈ he von maximal 160 Mio. US-Dollar. UÈ ber die Reduzierung der zwischen den Regierungen strittigen Transferleistungen wurde nichts bekannt. Die Verhandlungen fuÈ hrten die stellvertretende Finanzministerin Hertha KoÈ - nig und Sonderbeauftragter Dieter Uhlig.

UÈ ber den praktischen Vollzug des Lohnanteiltransfers und den Nutzen fuÈ r die mosambikanischen BuÈ rger ist noch wenig bekannt. Die Transferleistungen enthielten zwei unterschiedliche Bestandteile: Lohnanteile und AnspruÈ che auf Kranken- und Rentenleistungen. Die mosambikanischen Vertragsarbeiter sollten gemaÈ û DDR-Recht durch ihre Arbeit in der DDR mittels zentralem Transfer landesuÈ bliche RentenanspruÈ che in Mosambik erwerben koÈ nnen.221 »Befragte ehemalige Vertragsarbeiter konnten dazu keine AuskuÈ nfte ma- chen und verfuÈ gen auch uÈ ber keinerlei schriftliche Unterlagen zu dieser Pro- blematik.«222

219 Informationen zum Stand der Umschuldungsverhandlungen mit der VRM. Anlage zum Beschluû des PolitbuÈ ros des ZK der SED vom 9.5.1989 BAZ DL-2 KoKo 1. 220 Ebenda. 221 Vgl. Stier, Peter u. a.: Entschuldung und nicht-kommerzielle Umwelt- und Entwick- lungsfonds am Beispiel Mosambik. Studie im Auftrag der Stiftung Nord-SuÈ d-BruÈ k- ken. Berlin 1996, S. 42. 222 Ebenda.

238 Personen, die intensiv mit der Betreuung von mosambikanischen Vertragsar- beitern vor und nach 1989 befaût waren, bewerten den Transfer fuÈ r den ein- zelnen Arbeitnehmer sehr unterschiedlich.223 Durch die direkte Bindung des Einsatzes der Vertragsarbeiter an den Ab- bau des Aktivsaldos der DDR gegenuÈ ber Mosambik ist davon auszugehen, daû Teile des Lohntransfers und der Kranken- und RentenanspruÈ che aus den vertraglichen Verpflichtungen224 der DDR der mosambikanischen Regierung nicht in voller HoÈ he zur Weitergabe an die Vertragsarbeiter bzw. deren Fami- lien zur VerfuÈ gung standen. Den Arbeiterinnen und Arbeitern aus Mosambik ist dadurch moÈ glicherweise ein Verlust entstanden. Daraus koÈ nnten sich Kon- sequenzen auf finanz-, sozial- und entwicklungspolitischem sowie ggf. juristi- schem Gebiet ergeben. VerstaÈ rkt fragen ehemalige Vertragsarbeiter nach ih- nen »vorenthaltenen AnspruÈ chen« und einer vergleichbaren Behandlung der mosambikanischen Arbeiter mit »Gastarbeitern« in Westdeutschland und ost- deutschen DDR-WerktaÈ tigen, die in das bundesdeutsche Rentensystem inte- griert wurden.225

5.10 Der Auûenhandel der DDR mit Mosambik

Mosambik bot fuÈ r die StaatshandelslaÈ nder Ende der 70er Jahre eine gute Aus- gangslage. Ein afrikanisches Land mit relativ guter Infrastruktur, wenig ethni- schen Konflikten, rohstoffreichen Bergen und groûen FischgruÈ nden im Indi- schen Ozean, gut mit dem Schiff zu erreichen, duÈ nn besiedelt und kaum Mangel an landwirtschaftlich zu nutzenden FlaÈ chen. All das waren ± zusam- men mit der FRELIMO-Einheitspartei, die sich marxistisch-leninistisch orien- tierte ± gute Voraussetzungen fuÈ r intensive Beziehungen. Im fuÈ r beide LaÈ nder entscheidenden Jahr 1978 faûte das PolitbuÈ ro der SED in bezug aufden Au- ûenhandel einen weitreichenden Beschluû: »Das strategische Ziel in der weiteren Vertiefung der oÈ konomischen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit mit der VR Mosambik besteht darin, die junge Volksrepublik mit Hilfe und UnterstuÈ tzung der DDR zu einem zuverlaÈ ssigen Handelspartner zu entwickeln, der die DDR

223 Die Ansichten bzw. Kenntnisse reichen von keinerlei Auszahlung von Geldern in Mo- sambik uÈ ber regelmaÈ ûige Auszahlungen durch staatliche Stellen bis hin zur einmalig ausgezahlten Summe bei Ankunft im Heimatland. Vgl. auch: MuÈ ckenburg: Vertrags- arbeitnehmer, S. 20. 224 »Es konnten bis jetzt noch nicht eindeutig die juristischen Grundlagen dieses Verfah- rens geklaÈ rt werden.« Ebenda, S. 42. 225 So Euse bio Demba in der deutsch-mosambikanischen Zeitschrift »Unser Journal« Maputo, Berlin, April 1998, S. 4. Sein ehemaliger Betrieb schrieb zu seinen von ihm errechneten Rentenforderungen in HoÈ he von 23000 DM: »Aufgrund des ArbeitskraÈ f- teabkommens der ehem. DDR mit Mosambik ist zum Ausgleich hierfuÈ r der im Ar- beitskraÈ fteabkommen festgelegte Betrag an Ihren Heimatstaat uÈ berwiesen worden. Wir empfehlen Ihnen, sich an die Sozialversicherung Ihres Heimatstaates zu wenden, die die in der ehem. DDR zuruÈ ckgelegten Zeiten nach ihren Rechtsvorschriften zu ent- schaÈ digen hat.«

239 langfristig und stabil mit wichtigen mineralischen und landwirtschaftlichen Rohstoffen beliefert und zugleich den Absatzmarkt mit wachsender Auf- nahmefaÈ higkeit fuÈ r typische DDR-Exporterzeugnisse darstellt. Diesem wirtschaftspolitischen Ziel sind alle AktivitaÈ ten aufdem Gebiet der Indu- striekooperation, der wissenschaftlich-technischen und der kulturell-wissen- schaftlichen Zusammenarbeit, der unmittelbaren Marktarbeit, des Aufbaus der aÈ uûeren Absatz- und Bezugsorganisationen, der Messe und Ausstel- lungstaÈ tigkeit usw. unterzuordnen.«226 Das oÈ konomische Primat der Interessen der DDR statt der nach auûen immer wieder propagierten »internationalen SolidaritaÈ t« war damit fest umrissen. Es wurden oft ohne RisikoabwaÈ gung GeschaÈ fte angebahnt, so daû den groûen Erwartungen bald herbe ErnuÈ chterung gegenuÈ berstand. Drei, vier Jahren des Aufbaus folgten sieben Jahre Abwicklung. Was blieb, waren nichtliquide Gut- haben fuÈ r die eine und ein Berg von Schulden fuÈ r die andere Seite. Im Auûenhandel Mosambiks mit den sozialistischen LaÈ ndern war die Vor- rangstellung der DDR zeitweise sehr groû. Sie uÈ bertrafsogar die Sowjetunion um ein Vielfaches. Zwischen 1977 und 1982 betrug der Anteil der DDR am Export Mosambiks in die StaatshandelslaÈ nder zwischen 63,9 Prozent und 95,7 Prozent ?!). Alle Waren gingen nach Ostberlin. Der extrem hohe Export- anteil der DDR zwischen 1979 und 1982 resultierte weitgehend aus den Stein- kohlelieferungen aus Moatize. Vor allem durch die Einwirkungen des Krieges konnten diese Lieferungen nicht fortgesetzt werden. Das fuÈ hrte unter anderem zur Schieflage der Bilanz und muû als eine der wesentlichen Ursachen fuÈ r die AuûenhandelsuÈ berschuÈ sse der DDR angesehen werden. FuÈ r Exportbetriebe der DDR war der Handel mit Mosambik durchaus at- traktiv, da ± dank der Kredite auch unabhaÈ ngig von der Lage vor Ort ± die Bezahlung, noch dazu in Dollar, gesichert war. Das ermunterte zu Fehlliefe- rungen, die Mosambik meist zu bezahlen hatte.

Insgesamt ist festzuhalten, daû der erfolgte Warenaustausch weit entfernt da- von war, eine »neue Wirtschaftsordnung« zu etablieren oder wenigstens ihren Kriterien naÈ herzukommen. Im Gegenteil, oft spiegelte er die schlechte Va- riante herkoÈ mmlicher Muster zwischen Industrie und EntwicklungslaÈ ndern wider: teure VerarbeitungsguÈ ter im Tausch gegen billige Rohstoffe. In einigen VertraÈ gen und Projekten pochte die DDR aufpolitisch erfochteneMonopol- stellungen und nutzte das bestehende Ungleichgewicht der vom Kolonialis- mus gepraÈ gten Weltwirtschaftsstrukturen zwischen Nord und SuÈ d. Sie verlieû die Ebene des »Kolonialwarenhandels« nicht. Sie haÈ tte sich selbst uÈ berwinden muÈ ssen, im doppelten Sinne des Wortes. Noch bevor 1989 das Ende der DDR eingelaÈ utet wurde, erreichte ihre Au- ûenhandelsdynamik einen Tiefstand, der dem Ausgangsniveau von 1977 na- hekam. Nach kaum mehr als zehnjaÈ hrigem Engagement im SuÈ dosten von

226 Direktive fuÈ r die Beratungen der GWA im Juli 1978. STA ZPA J IV/2/3/2709. Zit. nach: Heyden; Schleicher; Schleicher?Hrsg): Die DDR und Afrika II, S. 183.

240 Afrika hinterlieû die DDR einen Schuldenberg, der ihrer Auûenhandelspolitik fortdauernde AktualitaÈ t verleiht. Zum Tag der WaÈ hrungsumstellung in Deutschland am 1. Juli 1990 betrugen die Schulden Mosambiks aus ihren Handelsbeziehungen mit der DDR 440 Mio. DM.

5.10.1 Die UmsaÈ tze im Auûenhandel DDR ± Mosambik

Zusammensetzung der UmsaÈ tze im Auûenhandel DDR±Mosambik 0Angaben bis 1979 in 1 Mio.VM, ab 1980 in 1 Mio.DM)

Jahr Umsatz Einfuhr Ausfuhr Bis 1976 Keine Angaben 1977 24,9 1978 130,5 1979227 227,3 1980 133,870 46,779 87,091 1981 211,146 104,169 106,977 1982 267,563 77,447 190,116 1983 115,888 34,284 81,604 1984 79,060 48,410 30,650 1985 69,472 25,120 44,352 1986 52,077 15,625 36,452 1987 44,657 14,971 29,686 1988 32,462 15,586 16,876 1989 28,104 18,517 9,587 Gesamt 1980±89228 1.034,299 400,908 633,391

227 Statistische JahrbuÈ cher der DDR, Berlin-Ost. Angaben von 1976 bis 1979 in 1 Mio. Va- luta-Mark. Seit 1976 wurden aufWeisung von G.Mittag nur noch UmsaÈ tze bekanntge- geben. 228 UmsaÈ tze im Auûenhandel 1975 und 1980 bis 1989. Sonderreihe mit BeitraÈ gen fuÈ r das Gebiet der ehemaligen DDR. Statistisches Bundesamt, Heft 9. Wiesbaden 1993. An- gaben in effektiven Preisen 1 Mio. DM.

241 Zusammensetzung des Exports und Imports von Mosambik, aufgeteilt nach LaÈndergrup- pen bzw. LaÈndern in Prozent fuÈr die Jahre 1975 bis 1985229

Export 1975 19761977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 OECD 63,4 79,5 75,3 68,5 70,5 55,9 52,1 39,9 52,5 58,9 70,0 Sozial. LaÈ nder 0,01 0,00 0,24 3,7 9,3 9,8 20,2 11,2 17,5 15,4 17,7 DDR-Anteil 0,00 0,00 0,16 2,3 8,1 9,4 13,7 9,2 10,6 12,4 12,4 von 100 % DDR-Anteil 0 0 66,4 63,9 87,2 95,5 67,7 82,3 60,5 80,5 70,3 an den Sozial. LaÈ ndern Andere 36,6 20,5 24,5 27,9 20,2 34,3 27,7 48,9 30,0 25,7 12,3 Gesamt in 5,05 4,52 4,92 5,34 8,31 9,10 9,93 8,66 5,29 4,06 3,31 Mrd. MT230 Import 1975 19761977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 OECD 62,7 60,5 59,6 47,0 41,2 36,4 43,7 39,1 57,8 52,5 50,5 BRD231 10,3 12,7 14,6 7,4 4,9 3,0 2,8 3,6 4,3 3,5 3,0 Sozial. LaÈ nder 0,53 3,83 1,08 11,2 18,0 13,8 14,1 19,5 17,1 26,4 25,4 DDR-Anteil ± 0,0 0,0 3,7 9,5 6,5 6,4 9,6 6,3 4,1 2,6 von 100 % DDR-Anteil ± ± ± 32,6 53,1 47,2 45,8 49,2 36,6 15,5 10,5 an den Sozial. LaÈ ndern UdSSR ± 2,2 0,3 0,13 0,9 1,9 1,8 4,3 7,5 19,5 19,5 UdSSR- ± 57,8 24,4 1,11 5,2 13,8 12,9 22,3 44,1 73,7 76,6 Anteil Afrikan. 24,5 17,8 21,2 18,3 17,4 14,5 20,7 312,0 17,7 16,0 14,1 LaÈ nder R. SuÈ dafrika 17,5 15,3 19,1 16,3 14,4 11,0 12,5 8,1 9,6 11,6 11,7 Andere 12,4 17,8 18,2 23,5 23,5 35,5 21,5 10,4 7,5 5,2 9,3 Gesamt in 10,47 9,06 10,82 17,20 18,58 25,92 28,32 31,57 25,57 22,9 18,3 Mrd. MT

229 Adam, Erfried: Mosambik: Im 12. Jahr am Ende? In: »Afrika-Spektrum, Institut fuÈ r Afrika-Kunde 1 ?1986) 3, S. 343. Nach Angaben der Nationalen Plankommission und der Bank von Mosambik sowie Berechnungen von E. Adam. 230 Meticais, LandeswaÈ hrung von Mosambik. 231 Bis 1974 sind keine Importe verzeichnet.

242 5.11 Exkurs: Die EntwicklungslaÈ nder in der Auûenhandels- statistik der DDR Die GeheimniskraÈ merei um den Auûenhandel hatte nicht nur eine ideolo- gisch-zentralistische und den Waffenhandel betreffende, sondern auch eine kreditwirtschaftliche Seite. Die Auûenhandelsbilanz war spaÈ testens seit 1977 schlecht, ja katastrophal. Sie muûte wegen des internationalen Ansehens der DDR und wegen der KreditwuÈ rdigkeit verdeckt gehalten werden. Dem Han- del mit den EntwicklungslaÈ ndern kam neben den erhofften Gewinnen eine weitere Funktion zu: die statistische »Bilanzstabilisierung«.232 Am 2. MaÈ rz 1976 gab GuÈ nter Mittag in Ahnung schwerer Zeiten der Staat- lichen Zentralverwaltung fuÈ r Statistik der DDR die Anweisung, nur noch zu- sammengefaûte Umsatzzahlen zu veroÈ ffentlichen. Einfuhr und Ausfuhr soll- ten getrennt dargestellt werden. Hauptmotiv war die buchtechnische Erhaltung bzw. Erzielung der KreditwuÈ rdigkeit der DDR durch die Auswei- sung einer weniger negativen bzw. gar positiven Auûenhandelsbilanz gegen- uÈ ber »HartwaÈ hrungslaÈ ndern«233. Die Verschleierung wurde zusaÈ tzlich durch die Zusammenfassung von Um- satzzahlen von »EntwicklungslaÈ ndern« ?EL) und »Kapitalistischen Industrie- laÈ ndern« ?KIL) im Begriff »Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet« ?NSW) fuÈ r die »Devisen- oder HartwaÈ hrungslaÈ nder« im Statistischen Jahrbuch der DDR gesteigert. Aus diesem Grund deckten sich die Angaben des Jahrbuches nicht mit den internationalen Erhebungen zum Auûenhandel der DDR. Deshalb fragte das US-amerikanische Wharton-Institut bei der Staatlichen Zentralverwaltung fuÈ r Statistik ?SZS) in bezug aufdie Handelsbilanzen gegenuÈ ber sog. »Hart- waÈ hrungslaÈ ndern« nach, da es mittels eigener Erhebungen fuÈ r das Jahr 1981 ein Handelsdefizit errechnet hatte.234 Die Argumentation der SZS verteidigte die Angaben einer positiven Handelsbilanz der DDR fuÈ r 1981 in HoÈ he von 59,4 Mio. US-Dollar oder 197,2 Mio. VM im Statistischen Jahrbuch umfang- reich und ermoÈ glicht eine nachtraÈ gliche UÈ berpruÈ fung. Eine im Jahre 1992 durchgefuÈ hrte Berechnung zum Handelssektor »Nicht- sozialistisches Wirtschaftsgebiet« ± differenziert in Export und Import sowie KIL und EL ± bestaÈ tigt den AuûenhandelsuÈ berschuû fuÈ r das Jahr 1981 mit dem NSW von insgesamt 197,2 Mio VM. Im Vergleich zu dem noch 1980 aus-

232 Lippe, Peter von der: Die gesamtwirtschaftlichen Leistungen der DDR-Wirtschaft in den offiziellen Darstellungen. Die amtliche Statistik der DDR als Instrument der Agi- tation und Propaganda der SED. In: Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland. Band II: Machtstrukturen und Entscheidungsmecha- nismen im SED-Staat und die Fragen der Verantwortung. Frankfurt/M. 1995, S. 1973±2086 ?im folgenden: Lippe: Die Gesamtwirtschaftlichen Leistungen). 233 Zu den »HartwaÈ hrungslaÈ ndern« zaÈ hlten neben den sog. kapitalistischen IndustrielaÈ n- dern, den SchwellenlaÈ ndern, wie Mexiko, Brasilien oder auch den Philippinen, arabi- sche bzw. erdoÈ lexportierende Staaten, wie Iran, Irak, Libyen, aber auch Syrien und Marokko sowie Angola, AÈ thiopien, Mosambik u. a. 234 Noch 1980 wies das Statistische Jahrbuch der DDR ein Defizit im Auûenhandel mit dem NSW in HoÈ he von 5,4638 Mrd. VM auf.

243 gewiesenen Defizit von ca. 5,5 Mrd. VM ?!) eine unerwartete und erhebliche Steigerung. Ein seit Jahrzehnten erstmals positives Ergebnis und eine schwar- ze Zahl im Westhandel. Ein »Beweis« fuÈ r die wiederhergestellte Wirtschafts- kraft der DDR war erbracht. Unterteilt man das leicht positive Ergebnis von 1981 nach EntwicklungslaÈ n- dern und Kapitalistischen IndustrielaÈ ndern zeigt sich, daû der UÈ berschuû aus- schlieûlich aus den Exportleistungen der DDR in die EntwicklungslaÈ nder er- zielt wurde und der »klassische« Westhandel weiterhin, wenn auch verringert, defizitaÈ r war.

Differenzierte Auûenhandelsangaben fuÈr 1981 235

Handel mit Angaben Export Import Saldo in Mio. VM236 EL 4.210,8 2.331,6 + 1.879,2 KIL 18.079,4 19.761,3 ± 1.681,9 Insges. ?NSW) 22.290,2 22.092,9 + 197,3

Unter »EL« im Bereich »Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet« wurden durch die Staatliche Zentralverwaltung fuÈ r Statistik die EntwicklungslaÈ nder der Kommission EntwicklungslaÈ nder verstanden, das heiût LaÈ nder in der Dritten Welt, deren Handel vorwiegend mit frei konvertierbaren WaÈ hrungen betrieben wurde. Das bedeutet, daû der in der Handelsbilanz von 1981 ausgewiesene UÈ ber- schuû vor allem aufder »Handels- und Anbahnungsarbeit« beruhte, die von der Kommission EntwicklungslaÈ nder beschlossen bzw. gesteuert wurde. Die- ser UÈ berschuû war ein meûbarer Erfolg fuÈ r den Einsatz der Sonderbeauftrag- ten in den einzelnen EntwicklungslaÈ ndern.237 Der HandelsuÈ berschuû war

235 Lippe: Die Gesamtwirtschaftlichen Leistungen, S. 2012, Tabelle 3.3. 236 »Die sog. ­Valutamark¬ ist uÈ berhaupt ein VerdunklungsmanoÈ ver groûen Stils. ?...) Das gerade aufdem Gebiet des Auûenhandels seitens der DDR die Sachlage vernebelt wurde und sogar Daten gefaÈ lscht wurden, ist einerseits verstaÈ ndlich ?wegen der politi- schen Brisanz des Themas), andererseits aber auch erstaunlich, denn Exporte ?Impor- te) der DDR koÈ nnen durch Importe ?Exporte) der PartnerlaÈ nder gegengerechnet wer- den.« Ebenda, S. 2013. 237 Die Auûenhandelszahlen belegen weiterhin, daû trotz des 1981 erzeugten »UÈ berschus- ses« im Handel mit EntwicklungslaÈ ndern der absolute Umsatz von 1980 mit 73312 Mio. VM auf65423 Mio. VM im Jahre 1981 zuruÈ ckgeht. Der Anteil der EL am Auûenhandelsumsatz NSW verringerte sich von 18,2% auf14,7%. Die GruÈ nde fuÈ r das deutlich verringerte Gesamtdefizit von 1981 im Vergleich zu 1980 koÈ nnen nicht beurteilt werden, da die entsprechenden Zahlen fuÈ r 1980 nicht ermittelt werden konn- ten. Deutlich ist aber, daû das Ergebnis von 1981 auch auferheblichen Einsparungen der Importe aus westlichen IndustrielaÈ ndern basiert.

244 weitgehend ein »rechnerisch« erzeugter UÈ berschuû.238 Er beruhte aufrisiko- reichen Krediten mit zum Teil aÈ uûerst geringen Sicherheiten. Die LiquiditaÈ t der Verbindlichkeiten war praktisch kaum vorhanden. In dieser Phase der Zahlungsschwierigkeiten der DDR erfuÈ llten die statisti- schen Manipulationen239 ihr fiskalisches und politisches Ziel. Das Defizit im Handel mit den kapitalistischen Industriestaaten konnte ausgeglichen werden. Die DDR geriet nicht unmittelbar in den Strudel, der durch die Zahlungsun- faÈ higkeit von Polen ausgeloÈ st wurde. Der internationale Finanzmarkt nahm diese mitgeteilte positive Entwicklung gern zur Kenntnis. Dem »hoÈ heren« politischen Ziel, der Beseitigung der drohenden Zahlungs- unfaÈ higkeit der DDR, wurde das Prinzip der kaufmaÈ nnischen und wissen- schaftlichen Sorgfaltspflicht »geopfert«.

238 Mit EntwicklungslaÈ ndern wurde 1981 in der DDR immerhin ein prozentualer Han- delsuÈ berschuû von 44,7% erreicht. Das entsprach jedoch nicht den Forderungen der EntwicklungslaÈ nder nach groÈ ûeren Export- und Weltmarktanteilen, wie sie im Rah- men der UNCTAD in den 70er und 80er Jahren immer wieder vorgelegt wurden. 239 Von der Lippe spricht vom »hemmungslosen« Miûbrauch der Wirtschaftsstatistik. Vgl. Die Gesamtwirtschaftlichen Leistungen, S. 2008f.

245 6 Hilfeleistung und Verschuldung

6.1 Zu den Hilfeleistungen der DDR gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern

Die VeroÈ ffentlichungen uÈ ber die realen oder vorgeblichen staatlichen Unter- stuÈ tzungen der IndustrielaÈ nder fuÈ r die EntwicklungslaÈ nder waren immer pro- pagandistische Vorhaben der jeweiligen Regierungen.Sie stellten zeitweise einen kleinen Nebenschauplatz des »Kalten Krieges« und des »Systemwett- streits« dar.Die o È stliche Seite kritisierte die westliche Entwicklungszusam- menarbeit als Ganzes und die ausgebreiteten Zahlen im einzelnen als Alibi, das nur der Verdeckung der weitaus hoÈ heren Ausbeutung der unterentwickel- ten LaÈ nder durch westliche Industriestaaten diene.Die westliche Seite kriti- sierte die oÈ stlichen Zahlenangaben in bezug auf die »bruÈ derlichen und solida- rischen« Hilfeleistungen als BilanzfaÈ lschung, welche die UnterstuÈ tzung der sozialistischen Staaten gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern aufbausche und schoÈ nrede.In der westlichen OÈ ffentlichkeit kam es ± im Gegensatz zur DDR ± jedoch regelmaÈ ûig auch zu kritischen Beurteilungen der von den eigenen Re- gierungen vorgelegten Zahlen. Die FuÈ hrung der DDR versuchte in den 70er Jahren, dieser Kritik aus dem Weg zu gehen, indem sie kein Zahlenmaterial uÈ ber den oÈ konomischen Wert ihrer UnterstuÈ tzung veroÈ ffentlichte.In den 80er Jahren lieû sich das nicht mehr verhindern.Zum einen war das umfangreiche Engagement der DDR in einigen LaÈ ndern laÈ ngst bekannt, zum anderen konnten tatsaÈ chliche Leistun- gen der DDR gegenuÈ ber unterentwickelten LaÈ ndern nicht ausreichend doku- mentiert werden.Sie standen fu È r Informationsarbeit im Ausland nicht zur VerfuÈ gung.Auûerdem fragten auch die EntwicklungslaÈ nder nach Fakten und wollten mehr als bloûe AbsichtserklaÈ rungen sehen. So stellte die DDR seit Anfang der 80er Jahre Angaben und UÈ bersichten zu Hilfeleistungen gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern zusammen.Diese wurden vor allem fuÈ r die internationale Arbeit und zum »Zirkulieren« bei den Vereinten Nationen herausgegeben, nicht zur Information der eigenen BevoÈ lkerung. Trotz dieser nun systematischen VeroÈ ffentlichungen wurde von Beobachtern und interessierten Wissenschaftlern weiterhin ein groûes Informationsdefizit konstatiert.Die veroÈ ffentlichten Zahlen enthielten keine Hinweise auf die Kri- terien und Konditionen der Vergabe der Mittel und der eingesetzten GuÈ ter.1 Die Informationen uÈ ber die Hilfeleistungen der DDR an EntwicklungslaÈ n- der wurden in den 80er Jahren jaÈ hrlich durch das Ministerium fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten und die Staatliche Plankommission zusammengestellt und durch das PolitbuÈ ro beschlossen.Die SED-FuÈ hrung war dabei bemuÈ ht, die

1 Vgl.Brock, Lothar; Spanger, Hans-Joachim: Die beiden deutschen Staaten in der Drit- ten Welt.Opladen 1987, S.205ff.

246 ErfuÈ llung der ehemals von den EntwicklungslaÈ ndern aufgestellten Forderung, die Industriestaaten moÈ gen sie wenigstens mit 0,7 Prozent des Bruttosozial- produkts bzw.des Nationaleinkommens unterstuÈ tzen, nachzuweisen, obwohl es sich fuÈ r sie offiziell um eine »nicht akzeptierte Zielstellung der UNO« han- delte.2 Diese Zahlenangaben der DDR, aber natuÈ rlich auch der anderen StaatshandelslaÈ nder, waren kaum mit den Angaben westlicher Staaten auf diesem Gebiet zu vergleichen.Allein die unterschiedlichen BezugsgroÈ ûen fuÈ r den Anteil an der gesellschaftlichen WertschoÈ pfung, sei er nun hinsichtlich des Bruttosozialprodukts oder des Nationaleinkommens ausgewiesen, er- schweren einen Vergleich.Da das Nationaleinkommen der StaatshandelslaÈ n- der die Dienstleistungen nicht mit einbezog, die etwa ein Drittel des Bruttoso- zialprodukts westlicher Staaten ausmachen sollen,3 ergab sich fuÈ r die sozialistischen LaÈ nder immer ein hoÈ herer Anteil an der ausgewiesenen Unter- stuÈ tzung.Abweichungen in aÈ hnlich groûen Dimensionen resultierten aus einer nach westlichem VerstaÈ ndnis unzulaÈ ssigen Einbeziehung der Auûenhandels- umsaÈ tze des von staatlichen Stellen durchgefuÈ hrten kommerziellen Handels mit EntwicklungslaÈ ndern in die Aufstellung der Hilfeleistungen. Nach oÈ stlichem VerstaÈ ndnis war dies nur geboten und berechtigt, da man den eigenen Handel durchaus auch als »unterstuÈ tzend und Hilfe leistend« an- sah und das Prinzip des »gegenseitigen Vorteils« grundsaÈ tzlich als Ausdruck solidarischer Beziehungen betrachtete.Da es in der DDR nur einen staatli- chen Handel und ein Auûenhandelsmonopol gab, war die Trennung in staat- liche Hilfe und kommerziellen Handel schwer durchzufuÈ hren.Staatlicher Handel muûte zwangslaÈ ufig kommerziell und »solidarisch« zugleich sein, da staatliche Organe theoretisch nicht gegen die GrundsaÈ tze des eigenen Staates verstoûen.Auf den Sonderfall KoKo wurde ausreichend hingewiesen. Die Einheit von staatlichem Handel und kommerziellen Interessen unter FuÈ hrung einer Politik, welche die EntwicklungslaÈ nder nach ihrem Selbstver- staÈ ndnis mit vertrat, stellte ja gerade das Neue des sozialistischen Wirtschafts- systems, die fuÈ rUÈ berlegenheit sorgende Komponente im Systemkampf dar und konnte somit nicht »herausgerechnet« werden.Das auch auf dem interna- tionalen Parkett zu hoÈ rende Motto lautete »Handel statt Hilfe« ± warum also trennen? Die DDR-FuÈ hrung fuÈ hlte sich daruÈ ber hinaus in ihren BemuÈ hungen um Anerkennung ihrer Hilfeleistungen gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern, vor al- lem durch das geringere Preis- und Gehaltsniveau sowie die niedrigeren Aus- bildungskosten in der DDR, benachteiligt und verkannt.Knapp wurde in der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder festgestellt: »Wir stellen uns falsch dar.«4 Beschlossen wurde eine Arbeitsgruppe im Auûenministerium, die drei Aufgaben zu erfuÈ llen hatte:

2 Information zur Bewertung der Hilfeleistungen der DDR an EntwicklungslaÈ nder vom 12.1.1982 vor der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder, S.1.BAZ DE 54 897. 3 Ebenda. 4 Ebenda.

247 1.Pra È zisere und vollstaÈ ndigere Erfassung aller Hilfeleistungen der DDR ge- genuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern, 2.Bewertung der Hilfeleistungen aufgrund »unserer Aufwendungen«, 3.Bewertung der Hilfeleistungen unter Zugrundelegung internationaler Maû- staÈ be fuÈ r entsprechend vergleichbare Leistungen.5

Der Grund fuÈ r diesen Auftrag zur Neubewertung waren Reaktionen auf eine erstmalige, umfassende VeroÈ ffentlichung zur Hilfe der DDR waÈ hrend der UN-Konferenz zu Problemen der am wenigsten entwickelten LaÈ nder, die im September 1981 in Paris stattfand.FuÈ r die DDR waren dort von internationa- ler Seite nur 0,037 Prozent des Bruttosozialprodukts errechnet worden.6 Da sie selbst eine weitaus groÈ ûere Summe als Hilfeleistungen angegeben hatte, muûte sie sich scharfer Angriffe erwehren.

In der Information der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder werden die An- gaben erwaÈ hnt, die nach Ansicht der DDR-FuÈ hrung vorrangig als Hilfelei- stungen zu verstehen und in die Statistik mit aufzunehmen sind: » ¼ die im vergangenen Kalenderjahr abgeschlossenen Abkommen mit EntwicklungslaÈ ndern, die Entwicklung des Auûenhandelsumsatzes, die Lie- ferungen von Anlagen und AusruÈ stungen, die Aus- und Weiterbildung von BuÈ rgern aus EntwicklungslaÈ ndern, die Entsendung von Experten und Bera- tern, SolidaritaÈ tsspenden, humanitaÈ re Hilfe usw.«7 Der gesamte Handlungskatalog der SuÈ dbeziehungen, alle kommerziellen, zah- lenmaÈ ûig erfaûbaren VertraÈ ge, einschlieûlich der militaÈ rischen Lieferungen und Leistungen, wurden damit bei der Wertermittlung beruÈ cksichtigt und als Hilfslieferungen deklariert. Die Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder scheint sich danach fuÈ r einige Zeit nicht mehr mit den Statistiken beschaÈ ftigt zu haben.Jedenfalls wurden erst ab 1985 Zusammenstellungen der Hilfeleistungen der DDR gefunden.Zu diesem Zeitpunkt wurde wohl eine Neuordnung der Erfassung vorgenommen.Jeden- falls forderte ein Hinweisblatt des Ministeriums fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenhei- ten, Abteilung Internationale OÈ konomische Organisationen vom Dezember 19858, die Angaben getrennt in EntwicklungslaÈ nder und »am wenigsten ent- wickelte LaÈ nder« gemaÈ û UNO-Nomenklatur zu unterscheiden, Doppel- oder Mehrfachnennungen zu vermeiden und die erbrachten Leistungen der Kader- ausbildung und des Experteneinsatzes gemaÈ û internationalen Bewertungs- maûstaÈ ben in US-Dollar vorzulegen. Aus verschiedenen Quellen konnten die folgenden Angaben zu den Hilfelei- stungen der DDR ermittelt werden:

5 Ebenda.Mit Punkt 3 war eine Berechnung gemaÈ û westlichen Preisen und LoÈ hnen ge- meint. 6 Ebenda. 7 Ebenda. 8 Das Hinweisblatt liegt dem Verf.vor.

248 Umfang der DDR-Leistungen fuÈ r EntwicklungslaÈ nder9

Jahr Gesamt- Anteil am Netto-Aus- Anteil am Leistungen angaben der National- zahlung der BSP in % SolidaritaÈts- DDR in Mark einkommen DDR in US- komitee in der DDR in % Dollar Mark DDR 1970 k.A. k.A. 82 Mio. k.A. 1975 k.A. k.A. 79 Mio. k.A. 1980 170 Mio.0,15 1981 1.529,7 Mio. 0,78 203 Mio. 0,16 191,2 Mio. 1982 1.587,7 Mio. 0,79 196 Mio. 0,15 211,6 Mio. 1983 1.662,4 Mio. 0,79 161 Mio. 0,12 216,1 Mio. 1984 1.800,0 Mio. k.A. k.A. k.A. 173,8 Mio. 1985 2.318,6 Mio. 0,996 k.A. k.A. 210,9 Mio. 1986 k.A. k.A. k.A. k.A. 200,2 Mio. 1987 k.A. k.A. k.A. k.A. 199,6 Mio. 1988 1.238,7 Mio. 0,48 k.A. k.A. 213,9 Mio. 1989 k.A. k.A. 208,3 Mio.

Die aufgetretenen LuÈ cken fuÈ r die Jahre 1986, 1987 und 1989 koÈ nnen zum Teil durch eine UÈ bersicht der Staatlichen Plankommission gefuÈ llt werden, die im FruÈ hjahr 1990 vor dem Entwicklungspolitischen Runden Tisch GEPR)10 gege- ben wurde.Demnach betrugen die Gesamtaufwendungen von 1986 bis 1989 fuÈ r Hilfeleistungen der DDR gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern 9245,2 Mio Mark der DDR. Diese Summe entsprach im Jahresdurchschnitt einem Anteil am produ- zierten Nationaleinkommen von 0,91 Prozent.Der Anteil der unentgeltlichen Hilfe wurde als Teilsumme in HoÈ he von 4794,5 Mio.Mark der DDR oder 0,47 Prozent des produzierten Nationaleinkommens ausgewiesen.Das bedeu- tet fuÈ r den Zeitraum von 1986 bis 1989 einen Jahresdurchschnitt von 1198,6 Mio.Mark der DDR und fuÈ gt sich in die bisherigen Angaben ein.In- teressant an dieser Aufstellung ist, daû auch die »nicht unentgeltlichen«, also

9 Angaben 1979±1984 lt.Spanger/Brock: Die beiden deutschen Staaten, S.205f.Anga- ben von 1985 lt. Beschluû des Ministerrates 225/I. 18. 85 vom 13.6.1986. BStU MfS AGM 634, Bl.146.Angaben von 1988 lt.Vorlage Kommission Entwicklungsla È nder vom 7.3.1989. BAZ DE 54 911. Angaben zum SolidaritaÈ tskomitee lt.EPD-Entwick- lungspolitik: Material V/90, S.50. 10 Vgl.Belle, Manfred: Der Entwicklungspolitische Runde Tisch in der DDR und im ver- einigten Deutschland ± Ziel, Arbeitsweise und Ergebnisse einer auûergewoÈ hnlichen In- stitution.Frankfurt/M.1996.

249 die kommerziellen Hilfeleistungen eigens erwaÈ hnt werden.Sie betragen 4550,1 Mio.Mark der DDR bzw.im Jahresdurchschnitt 1112,6 Mio.Mark der DDR, also rund die HaÈ lfte.Nach den Angaben der Staatlichen Plankom- mission wurden die unentgeltlichen Mittel zu 50 Prozent aus dem Staatshaus- halt, zu 45 Prozent vom SolidaritaÈ tskomitee und zu 5 Prozent aus Fonds soge- nannter gesellschaftlicher Organisationen, wie den Handwerkskammern, dem Konsum, der Gegenseitigen Bauernhilfe, dem Demokratischen Frauenbund oder den Kirchen, bestritten. Demzufolge koÈ nnten ± gemaÈ û einem Jahresdurchschnitt in HoÈ he von 1198,6 Mio.Mark der DDR ± ca.600 Mio.Mark der DDR als ja È hrliche staatliche Hilfeleistungen der DDR gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern auf der Basis westlicher Preise angesehen werden.

Bezieht man in diese Berechnungen nun noch den vom Auûenhandels- und Finanzministerium sowie vom Bereich KoKo zur Bewertung von Leistungen und Lieferungen der DDR oft angewandten Valutagegenwert GVGW) von ca. vier Mark der DDR zu einer Valutamark bzw.Deutschen Mark mit ein, muÈ ûte sich die Summe von 600 Mio.Mark der DDR weiter verringern.Das wuÈ rde allerdings zu einer unzulaÈ ssigen Abwertung der real erbrachten Hilfe und UnterstuÈ tzung fuÈ hren.Auûerdem wuÈ rden so Methoden der Verzerrung von Bilanzen angewendet werden, die zuvor kritisiert worden sind.

FuÈ r die im Zusammenhang mit der Studie besonders interessierenden afrika- nischen LaÈ nder wurden 80 Prozent der unentgeltlichen Hilfe durch das Spen- denaufkommen der DDR-BevoÈ lkerung in Verwaltung des SolidaritaÈ tskomi- tees abgedeckt.Gleiches gilt fuÈ r die unterstuÈ tzten Befreiungsbewegungen.Der hohe Anteil der unentgeltlichen Hilfe aus dem Staatshaushalt wird vor allem die RGW-Mitgliedstaaten Vietnam, Kuba und die Mongolei betroffen haben.

Valutamittel, also Devisen, wurden in diesen vier Jahren in HoÈ he von 65,5 Mio.VM fuÈ r Hilfeleistungen aufgewandt, vor allem fuÈ r Transporte und BefoÈ rderungen.Diese gut 15 Mio.DM pro Jahr waren ± so wird ausdru È cklich betont ± dem Staatshaushalt entnommen worden.Weiterhin gibt die Aufstel- lung bekannt, daû 19 »Brigaden der Freundschaft« unter Anleitung der FDJ in elf LaÈ ndern ihren Einsatz leisteten.Die Anzahl der »Brigadisten« wird nicht genannt. Kurz vor dem auch fuÈ r die Staatliche Plankommission noch nicht absehba- ren Ende der DDR wurde die finanzielle Seite der Leistungen gegenuÈ ber Mo- sambik resuÈ miert: »Die DDR hat seit 1975 mehr als 2,2 Mrd.Mark der DDR fuÈ r Mosambik zur VerfuÈ gung gestellt ¼ und leistete bedeutende solidarische Hilfe im Zu- sammenhang mit kommerzieller TaÈ tigkeit.Die Regierungskredite umfassen in diesem Zeitraum ca.87 Prozent der Hilfeleistungen insgesamt.Diese Unter- stuÈ tzung wurde gewaÈ hrt, obwohl die VR Mosambik ihren Verpflichtungen hinsichtlich vereinbarter Warenlieferungen nicht in vollem Umfang nach- kam ... Ab 1986 wurde eine konsequente Trennung von kommerzieller TaÈ -

250 tigkeit und Hilfeleistungen durchgesetzt.Es wurden keine Regierungs- und Sonderkredite mehr gewaÈ hrt und die solidarische UnterstuÈ tzung vor allem auf die Aus- und Weiterbildung von Kadern und die Expertenentsendung konzentriert.Diese Leistungen erhoÈ hten sich bis zum Jahre 1988 auf uÈ ber 85 Prozent der Gesamtleistungen ... Im Berichtszeitraum wurden fuÈ r 93 Mio.Mark der DDR Soforthilfe fuÈ r die UÈ berwindung der Folgen von Naturkatastrophen und Notstandssituationen gewaÈ hrt.«11

Hilfeleistungen der DDR fuÈ r Mosambik12 GAngaben in Mio.Mark der DDR oder Valutamark GVM))

1981±1985 1986 1987 1988 1989 1981±1989 Hilfeleistungen insgesamt 2.060,9 33,0 50,4 37,3 29,3 2.181,6 Davon: 1.Unentgeltliche Hilfe 265,4 27,2 45,3 33,3 23,3 368,9 darin enthalten: A: materielle Lieferungen 95,4 3,9 13,1 4,8 5,3 117,2 B: Ausbildung/Experten- entsendung: 80,7 23,3 32,2 28,5 18,0 164,7 C: Regierungsgeschenke: 87,0 ± ± ± ± 87,0

2.Regierungs- und Sonderkredite in VM 439,0 1,413 ± ± ± 440,4 Aus dem Fonds des Solidari- taÈ tskomitees finanziert 133,8 19,7 31,9 23,4 14,3 208,8

Bei der Berechnung der Jahresdurchschnittsraten fuÈ r die 80er Jahre ergeben sich nach diesen Angaben interessante Zahlen: Die »reine«, weil unentgeltliche staatliche Hilfe der DDR betrug nach Ab- zug der durch das SolidaritaÈ tskomitee eingesetzten Mittel, die in gewisser Weise als »gesellschaftliche oder gar private Mittel« betrachtet werden koÈ nn- ten, im Jahresdurchschnitt dann lediglich 18,1 Mio.Mark der DDR. Aus den Spenden der BuÈ rger der DDR wurden ± mit staatlichem Auftrag ± uÈ ber das SolidaritaÈ tskomitee immerhin 23,2 Mio.Mark der DDR eingesetzt. Davon wurden jaÈ hrlich nur materielle Lieferungen in HoÈ he von 13 Mio.Mark der DDR nach Mosambik realisiert.FuÈ r die Kader- und Berufsausbildung in der DDR sowie die Expertenentsendung wurden 17,8 Mio.Mark der DDR aufgewandt.Die sogenannten kommerziellen Hilfeleistungen schlugen dage- gen mit durchschnittlich 242,4 Mio.Mark der DDR und einer Gesamtsumme

11 Staatliche Plankommission: Hilfeleistungen der DDR gegenuÈ ber Mosambik im Zeit- raum 1981±1989 vom 31.3.1989. Material liegt dem Verf. vor. 12 Ebenda. 13 Entspricht 6 Mio.Mark der DDR.

251 von 1809,9 Mio.Mark der DDR oder, wie die Staatliche Plankommission er- mittelte, mit 87 Prozent zu Buche.Die Summe der Regierungs- und Sonder- kredite stellt die nominale HoÈ he der Ex-DDR-Forderungen zum Tag der WaÈ hrungsunion dar.

Vergleicht man die Gesamtsumme der Hilfeleistungen der DDR fuÈ r Mosambik von 1981 bis 1989 in HoÈ he von 2181,6 Mio.Mark der DDR mit Angaben uÈ ber die Ausfuhren der DDR nach Mosambik fuÈ r den gleichen Zeitraum durch das Bundesamt fuÈ r Statistik in Wiesbaden in HoÈ he von 546,3 Mio.DM, stellt dieser Betrag recht genau ein Viertel der Summe der Staatlichen Plankommission dar. Der Faktor vier war uÈ ber lange Zeit der interne Umrechnungsfaktor fuÈ r Leistungen und Produkte der DDR, um die RentabilitaÈ t im Auûenhandel ein- schaÈ tzen und steuern zu koÈ nnen.Vier Mark der DDR muûten wenigstens eine Valutamark oder DM erbringen. Sollten bei der Erstellung der Statistik fuÈ r die Hilfeleistungen die Summe aller Ausfuhren nach Mosambik und in Rechnung gestellter, in der DDR er- brachter Leistungen, wie z.B. die Kaderausbildung, einfach mal vier genom- men worden sein? Dann muÈ ûte auch danach gefragt werden, ob grundsaÈ tzlich die unentgeltlichen Hilfeleistungen Bestandteil der zahlenmaÈ ûigen Angaben des Exportes waren und diese Summen in den AuûenhandelsuÈ berschuû der DDR und damit gleichzeitig in den Negativsaldo von Mosambik gegenuÈ ber der DDR mit eingegangen sind. Sollte dem so sein, waÈ ren die unentgeltlichen Lieferungen und Leistungen noch heute integraler Bestandteil der Ex-DDR-Forderungen gegenuÈ ber Mo- sambik.Oder ist der Faktor vier nur ein Zufall, der sich schnell aufklaÈ ren lie- ûe, wenn die damaligen BerechnungsvorgaÈ nge bekannt waÈ ren?

Festzuhalten bleibt, daû die unentgeltliche Hilfe fuÈ r ein Schwerpunktland der Zusammenarbeit eher gering und nur ein Bruchteil der als Gesamtsumme der Hilfe ausgewiesenen Leistungen war.

Mit dem 1987 von der FRELIMO beschlossenen »Programm zur wirtschaft- lichen Gesundung« und der immer staÈ rker werdenden Zusammenarbeit mit westlichen Organisationen und Staaten verringerten sich der Einfluû und die PraÈ senz der DDR merklich.Zwischen 1983 und 1986 lag die Phase der Er- nuÈ chterung und der realistischeren EinschaÈ tzung des »gegenseitigen Vorteils«. Die GewaÈ hrung der UnterstuÈ tzungsleistungen wurde diesen politischen Ver- aÈ nderungen angepaût. Die letzte groûe Staatsdelegation der DDR weilte 1979 in Mosambik.Viel Zeit war inzwischen verstrichen.Schon 1987 besuchte Bundeskanzler Helmut Kohl den suÈ dafrikanischen Staat am Indischen Ozean.Eine fuÈ r ihn eher unge- woÈ hnliche Reise, die den vollzogenen leisen Wechsel und die sanfte Umorien- tierung dokumentierte.Auf allen drei Seiten, der mosambikanischen sowie der ost- und westdeutschen, hatten sich die Interessen und Notwendigkeiten geaÈ ndert.Die Bundesrepublik wollte ihre Beziehungen zu Mosambik normali- sieren und dachte keineswegs daran, den alten Platz der DDR zu uÈ berneh-

252 men.Bei den Forderungen der ehemaligen DDR gegenuÈ ber Mosambik nahm die Bundesregierung die Stelle der ehemaligen DDR-Regierung und SED- FuÈ hrung dann allerdings gern ein.

6.2 Die Ex-DDR-Forderungen gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern

Der Gegenstand der Studie, die Beziehungen der DDR zu ausgewaÈ hlten Ent- wicklungslaÈ ndern, koÈ nnte den Eindruck aufkommen lassen, es waÈ re vor allem die DDR-FuÈ hrung gewesen, welche die weitgehend ausgebliebene Entwick- lung Mosambiks in den letzten 20 Jahren verursacht haÈ tte und demzufolge auch dafuÈ r verantwortlich zu machen sei.Dem ist nicht so.Die Ursachen sind vielschichtig und die Akteure vielfaÈ ltig.Dies gilt es, auch bei der Diskussion um die Auslandsverschuldung, hier vor allem Mosambiks, zu beachten.Nur ein eher kleiner Teil des Gesamtschuldenstands von Mosambik im Ausland geht auf die HandelstaÈ tigkeit mit der DDR zuruÈ ck.Dennoch ist dies kein klei- ner Betrag.Immerhin gehen 90 % der deutschen Gesamtforderungen auf Schulden Mosambiks gegenuÈ ber der DDR zuruÈ ck. Von daher soll zum Abschluû der Studie die Problematik der Ex-DDR- Forderungen gegenuÈ ber besonders hoch verschuldeten und armen Entwick- lungslaÈ ndern am Beispiel Mosambiks genauer betrachtet werden. Mit der WaÈ hrungsunion und der Umstellung von Mark der DDR auf Deutsche Mark am 1.Juli 1990 sowie der sich anschlieûenden Deutschen Ein- heit uÈ bernahm die Bundesrepublik eine Vielzahl von Verpflichtungen, Poten- tialen, Schulden und Forderungen der DDR.Zu diesem Zeitpunkt hatte die DDR ca.49 Mrd.DM Schulden gegenu È ber meist westlichen Industriestaaten und ± was weit weniger bekannt ist ± immerhin 8,2 Mrd.DM Forderungen oder Guthaben gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern im sogenannten HartwaÈ h- rungsbereich.Diese waren vor allem im Rahmen der koordinierenden TaÈ tig- keit der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder erzielt worden. Der Westhandel der DDR war prekaÈ r defizitaÈ r.Aber im Handel mit Ent- wicklungslaÈ ndern wurden Guthaben angehaÈ uft.Nur selten konnten reale Gewinne gemacht oder bares Geld verdient werden.Die aufgelaufenen Gut- haben ± und das waren zum Jahresende 1997 trotz einiger Umschuldungsver- handlungen und Teilerlasse der Bundesregierung noch 4,5 Mrd.DM ± sind inzwischen auf die Bundesregierung uÈ bergegangen. Von diesen Forderungen belastet eine Summe von 1,3 Mrd.DM sogenannte HICP-LaÈ nder, fuÈ r deren Schuldenerlaû besonders in der Kampagne »Entwick- lung braucht Entschuldung« eingetreten wird.Die anderen 3,2 Mrd.DM ste- hen bei erdoÈ lfoÈ rdernden und arabischen Staaten wie Iran, Libyen oder Syrien als Schulden gegenuÈ ber Deutschland in den BuÈ chern.Die meisten dieser LaÈ n- der erkennen es keineswegs an, daû die Bundesregierung diese Schulden ihnen gegenuÈ ber geltend macht, und bedienen Zins- und Tilgungszahlungen nicht. Von den 1,3 Mrd.DM »DDR-Altschulden« gegenuÈ ber den HIPC-LaÈ ndern wurden wiederum 1,2 Mrd.DM vor allem durch die anleitende TaÈ tigkeit des Bereiches Kommerzielle Koordinierung und der Handelspolitischen Abtei-

253 lung erwirtschaftet.Sieben von den elf besonders hoch verschuldeten La È n- dern, naÈ mlich Angola, AÈ thiopien, Mosambik, SaÄ o Tome und Prõ ncipe, Sam- bia, Uganda und Nicaragua, wurden in der DDR-Auûenwirtschaft als Ko- Ko-LaÈ nder gefuÈ hrt, im Falle Nicaraguas allerdings nicht von der HPA. Die rechtliche Grundlage fuÈ r die UÈ bernahme der DDR-Forderungen durch die Bundesregierung bildet der Einigungsvertrag.GemaÈ û Paragraph 24, Ab- satz 1 Satz 1 ist der Finanzminister fuÈ r noch bestehende Forderungen und Verbindlichkeiten, die »im Rahmen des Auûenhandels- und Valutamonopols oder in Wahrnehmung anderer staatlicher Aufgaben der DDR bis zum 01.Juli 1990 gegenuÈ ber dem Ausland ... begruÈ ndet worden sind«, verantwortlich.Er verwaltet diese Verbindlichkeiten fuÈ r den Bund und trat diesen Teil des Erbes aufgrund des Auûenhandelsmonopols der DDR an.Auch wenn die Ex-DDR- Forderungen keine liquiden Mittel sind, stellen sie doch ein politisches Kapi- tal dar. Der Einigungsvertrag besitzt einen hohen juristischen Stellenwert, immerhin wurde er von zwei deutschen Parlamenten gebilligt.WaÈ hrend des hohen Tem- pos der deutschen Vereinigung an ihrem Beginn und der damals verbreiteten Undurchsichtigkeit der realen finanziellen VerhaÈ ltnisse aus der Zeit der SED- FuÈ hrung hatte dieser pauschale »Sicherungsparagraph« durchaus eine Berech- tigung.Leicht haÈ tten noch mehr Gelder durch VereinigungskriminalitaÈ t, auch aus dem Bereich Auûenhandel, dem Fiskus und der oÈ ffentlichen Hand abhan- den kommen koÈ nnen.Inzwischen ist aber weitgehend Klarheit uÈ ber die BestaÈ n- de, die Schulden und die Forderungen der DDR erlangt worden. GegenuÈ ber den EntwicklungslaÈ ndern, nicht nur im »HartwaÈ hrungsbe- reich«, bestehen zum Teil erhebliche Forderungen.Die DDR ist in Konkurs gegangen, und ihre FuÈ hrung wurde aus den AÈ mtern gedraÈ ngt.Die Schulden der DDR wurden auf viele Schultern verteilt und UnterstuÈ tzung gegeben.Die zahlungsunfaÈ higen SchwerpunktlaÈ nder der DDR-Afrikapolitik, in denen sich nach 1990 zum Teil auch neue Regierungen gebildet haben, wurden jedoch weiter mit Zins- und Tilgungsforderungen uÈ berzogen. Die bisherigen Bundesregierungen haben sich nur zoÈ gerlich mit der Proble- matik der Ex-DDR-Forderungen befaût und reagierten eher abweisend.Die teilweise erfolgten Verringerungen von Schulden wurden in der Zwischenzeit durch die hohen Zinsvereinbarungen der DDR meist schon wieder ersetzt. Mit der Aufrechterhaltung der Forderungen gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern steht die Bundesregierung in der Gefahr, Nutzen aus Krediten zu ziehen, die zum Teil in guter Absicht, aber meist unter Ausnutzung ideologischer AbhaÈ n- gigkeiten und der Miûachtung kaufmaÈ nnischer Sorgfaltspflicht ausgereicht wurden.Indem die Bundesrepublik die nicht geloÈ schten VertraÈ ge uÈ bernimmt, setzt sie diese mit von ihr selbst gewaÈ hrten bzw.garantierten Krediten gleich, ohne daû die Kriterien ausreichend gepruÈ ft worden waÈ ren.Dies fuÈ hrt zu einer spaÈ ten, indirekten Anerkennung der Auûenhandels- und Kreditierungspraxis der DDR sowie des Bereiches KoKo und seiner Auftraggeber.

254 Verschuldung HIPC-LaÈnder14 gegenuÈber Bundesrepublik aus Ex-DDR-Forderungen Gin Mio.DM)

Land Ex-DDR- Ex-DDR- Ex-DDR- Ex-DDR- Forderungen: Forderungen: Forderungen: Forderungen: 1.7.199015 31.12.199516 31.12.1997 7A)17 31.12.1997 7B)18

insgesamt insgesamt In Entschuldun- Nicht in Ent- gen einbezogen schuldungen einbezogen 1234 Angola 250,0 290,0 k.A. 318,0 AÈ thiopien 220,0 95,0 65,0 11,0 Mosambik 450,0 340,0 280,0 27,0 Sambia 155,0 115,0 130,0 k.A. SaÄ o Tome 20,0 20,0 21,0 und Prõ ncipe Uganda 25,0 1,0 13,0 k.A. Zw.-summe I: 1.120,0 861,0 488,0 377,0 Nicaragua 900,0 340,0 313,0 19,0 Zw.-summe II: 2.020,0 1.201,0 801,0 396,0 Summe 3 + 4 = 1.197,0 Ghana 55,0 25,0 k.A. 20,0 Guinea 25,0 6,0 12,0 k.A. Guyana 20,0 20,0 7,0 k.A. Kamerun 25,0 25,0 25,0 k.A. Kongo 30,0 30,0 32,0 k.A. Sudan 25,0 22,0 k.A. 29,0 Tansania 30,0 16,0 7,0 k.A. Gesamtsumme 2.230,0 1.345,0 884,0 445,0 7Summe 3+4) 1.325,0

14 Heavily Indebted Poor Countries Gbesonders hoch verschuldete und arme LaÈ nder), eine seit 1996 vorgenommene Klassifizierung des IWF. 15 Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, WF IV. 119/96 vom 5.8.1996. 16 Ebenda. 17 Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion BuÈ ndnis 90/GruÈ ne, BT Drs.13/11 236. 18 Ebenda.

255 Es gibt eine Reihe von ordnungspolitischen, auûen- und entwicklungspoliti- schen, aber auch ethischen GruÈ nden, die auf die Bundesrepublik uÈ bergegange- nen Schulden der am hoÈ chsten verschuldeten und unterentwickelten LaÈ nder umfassend zu streichen.Auf einige soll zum Abschluû der Studie eingegangen werden. Das Wirtschafts- und Finanzsystem sowie der Auûenhandel beider deut- scher Staaten sind nicht ohne weiteres zu vergleichen und nicht kompatibel, auch nicht beim Aktivieren von Schulden.Die Auûenhandelsbetriebe der DDR waren in ihrer Praxis auf Kreditlinien angewiesen.Sie waren ebenso ab- haÈ ngig und unfrei in der Gestaltung und im Umgang mit den auf hoÈ chster Ebene beschlossenen Krediten wie zum Beispiel die Kommunen und oÈ ffentli- chen GebietskoÈ rperschaften der DDR bei kommunalen Krediten.Im Ergeb- nis dieser kommunalen Kredite saûen die StaÈ dte und DoÈ rfer oft auf Schulden fuÈ r zentrale Aufgaben, uÈ ber die sie nicht bestimmen konnten und die nach der WaÈ hrungsunion durch die Bundesrepublik als Forderungen geltend gemacht wurden.Urspru È nglich galten diese die Gemeinwesen belastenden Forderun- gen im Osten Deutschlands als durch die Bundesregierung nicht zu erlassen. Inzwischen konnten rechtliche Vereinbarungen getroffen werden, die eine weitgehende Entschuldung erlauben.Es ist zu pru È fen, ob das, was in der Kommunalpolitik moÈ glich war, auch auf die Entwicklungspolitik uÈ bertragen werden kann. Doch letztlich gibt es noch weit spezifischere GruÈ nde, Kredite fuÈ r afrikani- sche LaÈ nder und speziell fuÈ r Mosambik zu erlassen: Erstens: Die einzige frei gewaÈ hlte Regierung der DDR wollte einen umfas- senden Erlaû der Forderungen gegenuÈ ber den EntwicklungslaÈ ndern.In der letzten Regierung der DDR wurden durch das neu gegruÈ ndete Sechs-Monate- Ministerium fuÈ r wirtschaftliche Zusammenarbeit GMwZ) intensive Vorberei- tungen fuÈ r einen vollstaÈ ndigen Schuldenerlaû gegenuÈ ber den aÈ rmsten und be- sonders hoch verschuldeten LaÈ ndern getroffen.Diese UÈ berlegungen reiften bis zu einem Beschluûentwurf fuÈ r den Ministerrat: »Verwirklichung der Re- gierungserklaÈ rung des MinisterpraÈ sidenten hinsichtlich der Beziehungen der DDR zu EntwicklungslaÈ ndern in UÈ bereinstimmung mit Resolutionen der UNO, ihrer Spezialorganisationen und weiterer internationaler Organisatio- nen«.19 Zu den acht einzubeziehenden LaÈ ndern gehoÈ rten AÈ thiopien und Mosambik.Dieser Beschluû sollte auf der 2.UN-Konferenz u È ber die am we- nigsten entwickelten LaÈ nder vom 3.bis 14.September 1990 in Paris bekannt- gegeben werden. Die aus dem friedlichen Wandel in der DDR hervorgegangene gewaÈ hlte Re- gierung der DDR wollte ihre neuen, wenn auch nur sehr fragilen Fundamente nicht auf Einnahmen aus der RuÈ ckzahlung der aufgelaufenen DDR-Forde- rungen gegenuÈ ber besonders armen LaÈ ndern gruÈ nden.Im Volkskammeraus- schuû »FuÈ r wirtschaftliche Zusammenarbeit« wurde in allen Fraktionen Kon- sens fuÈ r einen Schuldenerlaû erzielt.In den Regierungs- und beginnenden Vereinigungsverhandlungen zwischen den deutschen Entwicklungsministerien

19 o.Datum, Kopie liegt dem Verf.vor.

256 erklaÈ rte der damalige parlamentarische StaatssekretaÈ r Repnik aus dem BMZ im Juli 1990: »Auf seiten des Bundesministeriums werde ein Schuldenerlaû fuÈ r LDC ± und nur der koÈ nne in Frage kommen ± mitgetragen, vorausgesetzt, daû die Finanzminister beider deutschen Staaten zustimmen.«20 Die Zustim- mung der beiden deutschen Finanzminister konnte damals nicht mehr erreicht werden.Der Beschluû wurde von der de-Maizie Áre-Regierung nicht gefaût. Nach der WaÈ hrungsunion hatte sie nur noch beschraÈ nkte Vollmachten. Zweitens: In diesem Zusammenhang muû auch erwaÈ hnt werden, daû kurz vor der »Wende«, im FruÈ hjahr 1989, die Bundesregierung Mosambik Kredite der Finanziellen Zusammenarbeit in HoÈ he von 180 Mio.DM aus entwick- lungspolitischen GruÈ nden erlassen hatte.Sie war zu der Auffassung gelangt, Mosambik koÈ nne diese Kredite nicht mehr aus eigener Kraft zuruÈ ckzahlen, Zins- und Tilgungszahlungen wuÈ rden die Basisversorgung der BevoÈ lkerung stoÈ ren und ein Erlaû haÈ tte einen besonderen entwicklungspolitischen Effekt. Diese Erkenntnis hat auch heute weiterhin Richtigkeit.Mosambik gehoÈ rt im- mer noch zu den aÈ rmsten LaÈ ndern der Welt. Drittens: GemaÈ û den speziellen Handels- und Kreditbeziehungen der DDR mit Mosambik auf der Basis von »Ware-gegen-Ware-GeschaÈ ften« konnte Mosambik trotz aller Schwierigkeiten davon ausgehen, daû die eingegangenen Kreditverpflichtungen nicht bar in Devisen zuruÈ ckgezahlt werden muÈ ssen. Wohl wurden Waren und auch Leistungen, zum Beispiel der Spezialisten und Experten, auf US-Dollar-Basis berechnet, bezahlt aber wurde durch gelieferte Rohstoffe oder es wurde angeschrieben.Zu einem realen Geldfluû kam es im Falle von Mosambik in der Regel wohl nicht.Erst mit dem Wegfall des »Wa- re-gegen-Ware-Handels« nach der WaÈ hrungsunion am 1.Juli 1990 sah sich die Regierung Mosambiks mit der Tatsache konfrontiert, bestehende Schul- den bzw.Zins- und TilgungsbetraÈ ge in US-Dollar bezahlen zu muÈ ssen.Eine grundlegende Voraussetzung fuÈ r den Abschluû der vielfaÈ ltigen VertraÈ ge und Warenprotokolle war damit hinfaÈ llig.Der Regierung von Mosambik steht ein Vertrags- bzw.Vertrauensschutz zu, der RuÈ ckzahlungen ausschlieûen sollte. Die »HartwaÈ hrungs- oder Goldklausel«, mit der sich die DDR in ihren Ver- traÈ gen eine RuÈ ckzahlung bzw.Bewertung ihrer Lieferungen und Leistungen in US-Dollar sicherte, bestand grundsaÈ tzlich und war in fast allen VertraÈ gen als Paragraph zwei enthalten. Gegebenenfalls koÈ nnte an die Stelle der Forderungen Deutschlands ein Sy- stem von Gegenwertfonds gesetzt werden, wie dies in Fachkreisen diskutiert und z.T.erprobt wird.Aus diesen meist unter dem Motto »Umwelt und Ent- wicklung« aufgelegten Fonds koÈ nnten dann nachhaltige Entwicklungsprojek- te vor allem in kleineren sozialen Projekten in Mosambik unterstuÈ tzt werden. Diese Art der Entschuldung und der Entwicklungszusammenarbeit koÈ nnte auf kreative und symbolische Weise eine Antwort auf die gigantischen Groû- projekte der DDR sein, durch die diese Schulden aufgelaufen sind.

20 Niederschrift uÈ ber die 2. Konsultation zwischen BMZ und MWZ am 26. und 27.7.1990 in Konstanz.

257 Viertens: Seitens des Bundesfinanzministeriums wird gegen einen Schulden- erlaû argumentiert, daû VertraÈ ge, abgeschlossen von souveraÈ nen Staaten, ein- gehalten werden muÈ ûten.Dies traÈ fe auch fuÈ r Mosambik zu.Man wolle keine PraÈ zedenzfaÈ lle schaffen.Darauf ist zu erwidern, daû Mosambik in oÈ konomi- schen Fragen nur sehr eingeschraÈ nkt souveraÈ n war ± wie viele weitere Ent- wicklungslaÈ nder auch ± und die Politik der Bundesregierung diese EinschraÈ n- kungen zum Beispiel durch die Aufrechterhaltung der »Berlin-Klausel« gefoÈ rdert hat.Die ideologisch und o È konomisch einseitige Ausrichtung Mo- sambiks auf die StaatshandelslaÈ nder war nicht nur in der AttraktivitaÈ t des osteuropaÈ ischen Sozialismus- und Parteienmodells begruÈ ndet, sondern auch in der ablehnenden Haltung bzw.zuru È ckhaltenden Zusammenarbeit westli- cher Staaten gegenuÈ ber der FRELIMO.Die Entwicklungshilfe der Bundesre- publik erreichte in der zweiten HaÈ lfte der 70er Jahre und der ersten HaÈ lfte der 80er Jahre ein extrem geringes Niveau.Nur eine Million DM wurden, vor al- lem durch Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, an FoÈ rdergeldern aus Westdeutschland ins Land gebracht.Mosambik war im Ost-West-Konflikt nur ein eingeschraÈ nkt souveraÈ ner Staat.Ein weitgehender Erlaû koÈ nnte einen Teil der unterlassenen Hilfeleistung der Bundesrepublik kompensieren. FuÈ nftens: Die FederfuÈ hrung bei der Ausgestaltung der oÈ konomischen Be- ziehungen zu Mosambik durch den von Alexander Schalck geleiteten Bereich KoKo verweist auf besonders unguÈ nstige Voraussetzungen fuÈ r einen soge- nannten Handel »zum gegenseitigen Interesse«.Mit einer Aufrechterhaltung der Forderungen sanktioniert die Bundesrepublik diese Politik und zieht dar- aus teilweise ihren Nutzen. Sechstens: FuÈ r die nicht selten weltmarktuntauglichen Waren der DDR wurden auch uÈ berteuerte Preise genommen und damit die eingeschraÈ nkte SouveraÈ nitaÈ t Mosambiks ausgenutzt.Klagen gab es immer wieder.Hinzu kommt, daû bei allen von KoKo koordinierten HandelsauftraÈ gen Provisionen als Aufschlag hinzugerechnet wurden.KoKo funktionierte als klassischer ProvisionshaÈ ndler im staatsmonopolistischen Auftrag an politisch sensiblen Grenzen.Die Preisbildung war weitgehend eine politische.Provisionsanteile muÈ ssen in den Preisen fuÈ r Exporte nach Mosambik bzw.bei den Importen vermutet werden, nachgewiesen werden konnten sie nicht.Befragte Funkti- onstraÈ ger erinnerten sich nicht an derartige Rechnungsstellungen, verneinten im Grundsatz aber diese Praxis nicht.Bei sogenannten Industrievereinbarun- gen wurden die Provisionsraten wie folgt berechnet: »Der Aufschlag von KoKo uÈ berstieg den Importwert um 42 Prozent und setzte sich wie folgt zusammen: 12 Prozent fuÈ r Warennebenkosten GTrans- portkosten, Vertreterprovision etc.), 15 Prozent fuÈ r Finanzierungskosten zur Sicherung der WaÈ hrungsgleichheit und 15 Prozent Handelsspanne.«21

21 Die Bedeutung des Bereiches Kommerzielle Koordinierung fuÈ r die Volkswirtschaft der DDR.Gutachten des HWWA-Instituts fuÈ r Wirtschaftsforschung Hamburg.In: Werk- zeug des SED-Staates.Bericht des Schalck-Untersuchungsausschusses.Deutscher Bun- destag±Drs.12/7600.Bonn 1994, Erga È nzungsband, S.38.

258 In den Forderungen aus HandelsuÈ berschuÈ ssen koÈ nnen sich erhebliche »politi- sche Preise« und Provisionen verbergen. Siebentens: Die von der DDR gewaÈ hrten Kredite wurden als gebundene Kredite fuÈ r DDR-Lieferungen ausgereicht.Sie ra È umten der mosambikani- schen Seite keine freie VerfuÈ gung ein und hatten vor allem die Sicherung der Interessen der DDR zum Ziel.Die Art der Kredite und ihre Rahmen waren entwicklungspolitisch unzureichend. Achtens: Die als »unentgeltliche Hilfen« des SolidaritaÈ tskomitees und der »FDJ-Freundschaftsbrigaden« eingeordneten Leistungen zielten vor allem auf ExportfoÈ rderung und Rohstoffimporte und nicht auf entwicklungspoliti- sche Maûnahmen ab.Nicht auszuschlieûen ist, daû Teile dieser unentgeltli- chen Lieferungen in die Auûenhandelsbilanz mit eingeflossen sind. Neuntens: In den HandelsumsaÈ tzen sind Lieferungen militaÈ rischer GeraÈ te oder von Kriegswaffen enthalten.Auch wenn der volle Umfang der militaÈ ri- schen Lieferungen der DDR und deren Einbeziehung in die verschiedenen Kreditlinien noch nicht umfassend geklaÈ rt werden konnten, ist gesichert, daû in den aufrechterhaltenen Forderungen groÈ ûere Positionen aus dem Verkauf von militaÈ rischen GuÈ tern enthalten sind.In den Jahren 1980 bis 1985 lassen sich in den »normalen« Handelsabkommen kommerzielle Positionen zum »Speziellen Auûenhandel« zwischen 5 und 10 Mio.VM pro Jahr belegen.So wurden laut einer Meldung von Generaloberst Fleiûner uÈ ber seinen Besuch in Mosambik vom 25.MaÈ rz bis 1.April 1980 mitgeteilt, daû zwischen den Regie- rungen der DDR und Mosambiks u.a.drei Abkommen unterzeichnet wurden: eines uÈ ber die Ausbildung von 279 mosambikanischen MilitaÈ rkadern bis 1989 mit einem von Mosambik zu zahlenden Wertumfang von 7,286 Mio.US-Dol- lar oder 13,8 Mio.VM, eines uÈ ber die Lieferung von AusruÈ stungen aus Be- staÈ nden der NVA im Wert von 17,4 Mio.VM und eines uÈ ber unentgeltliche Hilfslieferungen militaÈ rischer AusruÈ stungen im Wert von 3,5 Mio.Mark der DDR.22 Die Bundesregierung ist somit potentiell Nutznieûer erkalteter Krie- ge und von Waffen, die durchaus noch heute ihre unheilvolle Wirkung haben. Eine Streichung von Forderungen aus Waffenlieferungen sollte sofort vorge- nommen werden.Zeitweise wurde ein nicht geringer Teil der milita È rischen Lieferungen aus Spendengeldern bezahlt, die durch das SolidaritaÈ tskomitee der DDR verwaltet wurden. Zehntens: Ein Groûteil der uÈ ber Kredite finanzierten DDR-Groûprojekte erreichte nicht die vorgesehene Produktionsreife und erwies sich als »Entwick- lungsruinen«.Sie ermo È glichen Mosambik keine zusaÈ tzlichen ExporterloÈ se und stellen keine Ressourcen fuÈ r die RuÈ ckzahlung dar.Nebenbei bemerkt ist das aber bei weitem kein Spezifikum der DDR.Die Bezahlung der Betra È ge fuÈ r Experten und Spezialisten der DDR, die diese Projekte errichteten oder unterhielten, ging ± so sie in US-Dollar angerechnet wurden ± in die Auûen- handelssalden mit ein.In einigen Projekten betrug der Expertenbetrag in Mo- sambik monatlich zwischen 1200 US-Dollar und 1800 US-Dollar.

22 Vgl.BAF MA VA-01/42 450.

259 Elftens: Mosambikanische Vertragsarbeiter wurden ab 1985 zum Abbau der Schulden verstaÈ rkt in Betrieben der DDR eingesetzt.Dazu wurden Antei- le des Bruttolohnes durch die DDR einbehalten.Der Erlaû der Schulden Mo- sambiks koÈ nnte ein gewisser Ausgleich fuÈ r die durch die DDR einbehaltenen und den mosambikanischen Arbeiterinnen und Arbeitern bzw.dem Staat vor- enthaltenen Zahlungen sein. ZwoÈ lftens: Viele AuûenhaÈ ndler, die Mitarbeiter des Bereiches KoKo, wel- che Angestellte des Staatsapparates waren, und fast alle Diplomaten der DDR sind nicht in den Staatsdienst der BRD uÈ bernommen worden.DafuÈ r gab es eine Vielzahl von BegruÈ ndungen.Sie koÈ nnen hier nicht bewertet wer- den.Hingewiesen werden soll aber auf den Tatbestand, daû man die proble- matischen Arbeitsergebnisse, in diesem Fall die aufgelaufenen Schulden ge- genuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern, im Gegensatz dazu als »uÈ bernahmefaÈ hig« ansieht.Die eine »diplomatische Konsequenz« sollte die andere zur Folge ha- ben.

Das durch die Studie zusammengetragene und dargestellte Material unter- stuÈ tzt einen weitgehenden Erlaû der Ex-DDR-Forderungen durch die Bundes- republik gegenuÈ ber den HIPC-LaÈ ndern.West- wie Ostdeutschland haben nach dem Zweiten Weltkrieg umfangreiche Schuldenerlasse erhalten: West- deutschland 1954 durch den Londoner Schuldenerlaû, in dem die Kriegs- und Vorkriegsschulden der jungen Bundesrepublik durch die westlichen Sieger- maÈ chte in groûem Maûe erlassen wurden, damit sie wirtschaftlich gesunde und ein Partner in ihrem politischen BuÈ ndnis werden koÈ nne.Ostdeutschland dagegen muûte an seine Siegermacht, die Sowjetunion, noch viele Jahre Repa- rationen zahlen.Auch dieser Sachverhalt muû als ein Grund fu È r die wirt- schaftlich schlechtere Lage in Ostdeutschland in Betracht gezogen werden. 1990 hingegen wurden die 50 Mrd.Schulden aus dem Westhandel der DDR im Rahmen der deutschen Einheit bezahlt und Milliarden um Milliarden fuÈ r einen Aufbau im Osten aufgebracht.FuÈ r die BevoÈ lkerung in der ehemaligen DDR hat es folglich Entschuldung und Hilfeleistung gegeben.

Als Termine fuÈ r einen weitgehenden Erlaû der Schulden aus Ex-DDR-Forde- rungen durch die Bundesregierung gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern bieten sich in naÈ chster Zeit zwei Gedenktage regelrecht an: der 10.Jahrestag der WaÈ hrungsunion am 1.Juli 2000 oder der 10.Jahrestag der Wiedervereinigung am 3.Oktober 2000. Leider wurde der 50.Jahrestag der GruÈ ndung der DDR am 7.Oktober ver- paût.Aber Schulden koÈ nnten auch zum Beginn des neuen Jahrtausends, zum 1.Januar 2000, eindrucksvoll erlassen werden.

260 GepraÈ ch mit Prof. Dr. Helmut Matthes 9.12.1998)

PROF. Dr. SC. OEC. HELMUT MATTHES Jahrgang 1935; Studium der Wirtschaftswissenschaft in Leipzig, Professor fuÈ r PolitischeOÈ konomie; 1973±76 Botschafter der DDR in Tansania; 1977±83 Professor fuÈ r Sozialistische Weltwirtschaft in Potsdam; 1984±88 Botschafter der DDR in Mosambik; 1989±90 Direktor des Instituts fuÈ r Internationale Be- ziehungen in Potsdam; 1990±91 Professor fuÈ r Internationale Wirtschaftsbezie- hungen an der Hochschule fuÈ r Recht und Verwaltung Potsdam; seit 1998 Vor- sitzender der Internationalen Wissenschaftlichen Vereinigung Weltwirtschaft und Weltpolitik e.V. in Berlin.

Hans-Joachim DoÈring: Herr Professor Matthes, Sie waren zwischen 1973 und 1976 Botschafter der DDR in Tansania mit Sitz in Daressalam. Sie unterhiel- ten wichtige Kontakte zu verschiedenen Befreiungsbewegungen. Durch diese Beziehungen zu den Befreiungsbewegungen wurde ein Grundstock fuÈ r das VerhaÈ ltnis der DDR zu den VoÈ lkern im suÈ dlichen Afrika, besonders zu den mosambikanischen VoÈ lkern, gelegt. Wie sehen Sie diese Zeit heute? Helmut Matthes: Nach dem Prozeû der Dekolonialisierung, der vor allem in den sechziger Jahren in Afrika groûen Aufschwung genommen hatte, ha- ben sich in den LaÈ ndern, die nicht sofort diese oder jene Form der Befreiung vom Kolonialismus erlangten, Bewegungen gebildet, die auch historisch weit- reichend ihre Wurzeln im Dekolonialisierungsprozeû hatten. Spezielle Bei- spiele sind Mosambik, Simbabwe, SuÈ dafrika oder Angola. Dort waren die Be- dingungen so, daû diese Bewegungen innerhalb ihrer LaÈ nder begrenzte WirkungsmoÈ glichkeiten hatten. Sie wurden sehr scharf verfolgt. Diese Bewe- gungen muûten deshalb aus dem Exil wirken und benutzten auch den europaÈ i- schen Hintergrund fuÈ r den Einsatz. Ich denke dabei nicht nur an die osteuro- paÈ ischen LaÈ nder und an die Sowjetunion, sondern auch an Westeuropa. Beispielsweise die Befreiungsbewegung Mosambiks, die FRELIMO, hatte in ihrem Kern ausgebildete KraÈ fte, die in Paris oder London, in Osteuropa oder anderswo in der Welt studiert hatten. Diese Befreiungsbewegungen waren stets eine Mischung aus Intellektuellen unterschiedlichster Herkunft, die in Verbindung standen mit den BefreiungskraÈ ften in ihren LaÈ ndern, die alle Schichten des Volkes repraÈ sentierten, auch Analphabeten. DieStaÈ rke der Bewegungen hing auch davon ab, wie sie im Ausland beach- tet wurden. Nach der Erlangung der UnabhaÈ ngigkeit war in Tansania eine Basis fuÈ r sie entstanden, aÈ hnlich war das in Sambia und auch in anderen LaÈ n- dern. In Daressalam hatten die Befreiungsorganisationen ihre Vertretungen, auch die FRELIMO, MPLA und der ANC. Es gab enge Verbindungen in die gesamte Region. Auch das Befreiungskomitee der OAU hatte in Daressalam

261 seinen Sitz. Die OAU hat diese Bewegungen sehr stark unterstuÈ tzt. DieDDR arbeitete mit dem Befreiungskomitee zusammen und leistete solidarische Hilfe. Die tansanische Seite hat es als ihr Grundanliegen betrachtet, die Bewe- gungen auf Grund ihrer eigenen Vergangenheit und ihrer politischen Ziele als Frontstaat zum suÈ dafrikanischen Apartheidregime zu unterstuÈ tzen. Die Bewegungen waren durchweg mit der Herausforderung konfrontiert, was sie tun werden, wenn es gelingt, die Befreiung zu erreichen. Sie haben sich dann vor allem an den Entwicklungszielen orientiert, die in Osteuropa und der Sowjetunion galten. Das hing auch damit zusammen, daû sie dort Aus- und WeiterbildungsmoÈ glichkeiten erhielten und bei Aufenthalten in diesen LaÈ ndern ihre Erfahrungen sammelten. Aber ich verweise darauf, daû die Aus- bildungen ihrer Mitglieder auch wesentlich in Westeuropa vollzogen wurden. Auûer den bereits genannten LaÈ ndern sind Italien und die skandinavischen LaÈ nder zu nennen. Das war eine ziemlich breite Basis. In der Entwicklung nach 1960 haben sich vor allen Dingen die Beziehungen zu Osteuropa staÈ ndig gefestigt, zumal diese LaÈ nder in groûem Umfang Mittel dafuÈ r einsetzten, diese Bewegung zu unterstuÈ tzen. Bis etwa 1975 war dieser Einsatz ein primaÈ r politi- scher Einsatz. FuÈ r dieDDR muû beru È cksichtigt werden, daû sie gleichzeitig den Kampf um ihre internationale politische Anerkennung fuÈ hrteund daû das Ganzein die Ost-West-Konfrontation eingebettet war. Das hat auch die UnterstuÈ tzung der Befreiungsbewegung beruÈ hrt und belastet. Die Ziele der DDR in dieser Hinsicht waren in den Grundideen vereinbar mit dem, was die Befreiungsbe- wegungen wollten. Sie wurden als Befreiungsbewegungen diskriminiert wie die DDR. Das betraf auch die gemeinsamen Ziele: Kolonialisierung und Ras- sismus bekaÈ mpfen, den gemeinsamen Einsatz fuÈ r AbruÈ stung und Frieden usw. Die gleiche Position des Diskriminiertseins in der Welt, auch eine gewisse oÈ konomischeSchwa È chegegenu È ber den herrschenden westlichen MaÈ chten, schaffte eine sehr solide politische und persoÈ nlicheBasis fuÈ r diese Beziehun- gen. Wir haben uns in Daressalam regelmaÈ ûig zu politischen Konsultationen mit den Vertretern der Befreiungsorganisationen zusammengefunden und Un- terstuÈ tzungsmaûnahmen beraten. Dabei muû man auch sehen, daû die Befrei- ungsorganisationen haÈ ufig Besuche und Aufenthalte in der DDR hatten und dabei auf direktem Wege die Zusammenarbeit mit den zustaÈ ndigen Stellen be- raten und regeln konnten. Also meist waren wir in Daressalam das vermitteln- deund ausfuÈ hrende Organ, aber auch Konsultationspartner. Hans-Joachim DoÈring: Die materielle UnterstuÈ tzung der DDR vor der staatlichen UnabhaÈ ngigkeit war nach meiner EinschaÈ tzung eher gering. Der ideelle und diplomatische Stellenwert muû wohl hoÈ her als die wirklich gelei- stete materielle Hilfe angesehen werden? Helmut Matthes: Davon kann man ausgehen, obwohl auch die eingesetzten materiellen Mittel nicht gering waren. NatuÈ rlich muû man sehen, die Bewe- gungen hatten keine Staaten zu regieren, sondern ihre Organisation zu fuÈ hren. Da waren die materiellen Anforderungen, die sie zu stellen hatten, in der QuantitaÈ t so, daû die DDR, die Sowjetunion und die anderen sozialistischen

262 Staaten das einigermaûen erfuÈ llen konnten. Es war dann auch 1975 ein Wen- depunkt, als die Staaten selbstaÈ ndig wurden. Vorher war das eine ganz andere Dimension. Nahrungsmittel, Bekleidung, Medikamente, Zelte und entspre- chende AusruÈ stungen waren entscheidend. Sicher hat auch Waffenhilfe eine Rolle gespielt. Die DDR hat vielen Mitgliedern der Befreiungsorganisationen politische und fachliche Bildung vermittelt. Wichtig waren ± zum Beispiel bei der FRELIMO ± die Studienaufenthalte und Delegationsbesuche in der DDR. DiePartnerspu È rten schon vor der UnabhaÈ ngigkeit, zu einem Zeit- punkt, als ihr Sieg noch gar nicht abzusehen war, daû sie als die fuÈ hrenden KraÈ fte eines kuÈ nftigen Staates voll anerkannt werden. Sie wurden stets auf hoher und hoÈ chster Ebene von Partei und Staat empfangen. Ich erinnere mich an die Wirkung eines kleinen Beispiels aus dem protokollarischen Bereich. Es handelt sich um den Besuch des PraÈ sidenten der FRELIMO, Samora Machel, in der DDR im Jahre 1975. Das war vor der UnabhaÈ ngigkeit, als schon fest- stand, daû dieFRELIMO dieMacht in Mosambik u È bernimmt. Er wurde protokollarisch in Berlin aÈ hnlich wieeinStaatspra È sident mit allen Ehren be- handelt, obwohl er es noch nicht war. Nicht der GeneralsekretaÈ r des Solidari- taÈ tskomitees empfing ihn auf dem Flugplatz, sondern Hermann Axen schritt als PolitbuÈ romitglied mit ihm eine Ehrenkompanie ab, und er war Gast Erich Honneckers. Hans-Joachim DoÈring: Der DDR-Staat und die Befreiungsbewegungen ha- ben sich bei ihrem Ringen um internationale Anerkennung als gegenseitig StuÈ tzende erlebt und untergehakt. Das machte die besonderen Beziehungen aus und schuf gegenseitig SolidaritaÈ t. Die Beziehungen der DDR zur Befrei- ungsbewegung waren damit dichter und intensiver als die Beziehungen der an- deren sozialistischen Staaten, wenn man von der Sowjetunion als FuÈ hrungs- macht absieht ¼ Helmut Matthes: DienatuÈ rliche Gemeinsamkeit der Ideen war breit. Hin- sichtlich der Auseinandersetzung mit Kolonialismus, mit neuen Erscheinun- gen, die nach der UÈ berwindung des Kolonialismus auftraten, mit Rassismus und auch hinsichtlich der groûen gesellschaftlichen Ziele, die die Ideale des Sozialismus betrafen, bestand Gemeinsamkeit. Es gab wenig Vorbehalte. Das ging bei der FRELIMO soweit, daû sie zu Beginn der UnabhaÈ ngigkeit ihres Landes sehr groûes Vertrauen hatten und fuÈ r jeden Ratschlag dankbar waren. Die Vertreter der DDR boten ihre Erfahrungen an. Sie nahmen den Vertre- tern Mosambiks keine Entscheidungen ab. Es muû andererseits darauf hinge- wiesen werden, daû sich Mosambik von Anfang an gleichzeitig auf westliche Quellen und Erfahrungen stuÈ tzte. Hans-Joachim DoÈring: Auch diepolitischeElite? Helmut Matthes: Ja. Ich koÈ nnte auch einzelne FuÈ hrungskraÈ fteMosambiks benennen. Ihre Erfahrungen in Lissabon oder in Paris und anderswo haben dabei eine Rolle gespielt. Sie haben auch in der Ost-West-Auseinandersetzung die andere Seite sehr genau gekannt und waren realistischer als viele Osteuro- paÈ er. So klar sie sich in ihrer Anfangsphase der eigenstaatlichen Entwicklung zu sozialistischen Programmen bzw. sozialistischer Perspektive bekannt ha- ben, so klar war fuÈ r sieauch dieRealita È t der Welt. Das hatten sie in gewissem

263 Maûeauch denFu È hrungskraÈ ften Osteuropas voraus. Sie hatten Erfahrungen aus der westlichen Welt. Auûerdem sind im Falle Mosambiks die vielfaÈ ltigen Bindungen an die ehemalige Kolonialmacht Portugal zu beachten. Hans-Joachim DoÈring: In dieser Vorphase, die Sie in Daressalam begleitet haben, wuchsen spezielle Erwartungen. Welche Erwartungen wurden geweckt und welche wurden an die DDR herangetragen? Ein wichtiger Punkt scheint mir »der groûe Sprung« gewesen zu sein, den die DDR nicht leisten konnte oder wollte. Sie wiesen bereits darauf hin. Die DDR konnte relativ gut Lager mit vergleichsweise geringen Mitteln weitgehend solide unterstuÈ tzen. Jetzt, wo ein ganzer FlaÈ chenstaat unterstuÈ tzt werden sollte, war das nicht mehr moÈ g- lich. Der »Sprung vom Camp zum FlaÈ chenstaat« gelang dann nicht? Helmut Matthes: Beide Seiten haben die MoÈ glichkeiten, die sich ergaben, uÈ berschaÈ tzt. Ich rede jetzt von der Phase von 1975 bis 1979. In dieser Phase sind die groûen Projekte auf die Tagesordnung gekommen, und die befreiten afrikanischen Staaten waren der Meinung, daû jetzt eine Zeit kommt, wo die engsten Partner, an denen man sich wirtschaftlich orientiert, an denen man sich gesellschaftlich orientiert, von denen man unterstuÈ tzt wird, von denen man SolidaritaÈ t erhaÈ lt, in Osteuropa liegen. Es war fuÈ r alleafrikanischen Staaten ein Problem, die Grenzen zu erkennen, die den OsteuropaÈ ern gesetzt waren, obwohl diese, insbesondere die DDR, durchaus die neuen Bedingun- gen erkannten und sich ihnen stellten. Es waren also sehr groûe Erwartungen, viel mehr als realisiert werden konnten. Auf seiten der osteuropaÈ ischen Staa- ten ging man davon aus, daû nach der errungenen UnabhaÈ ngigkeit diese LaÈ n- der in den gegenseitigen Beziehungen eine wachsende Leistung auf der Grund- lage enormer Ressourcen zu ihrem eigenen Wohle und zum Nutzen ihrer Partner einbringen koÈ nnten. Die Hilfe sollten die neuen Staaten so nutzen, daû sie im Interesse der eigenen Entwicklung verlaÈ uft. DieDDR wollteauf dieser Grundlage Nutzen aus diesen Beziehungen ziehen. Das Prinzip des ge- genseitigen Vorteils ersetzte ± was die OÈ konomie betraf ± zunehmend das Wort SolidaritaÈ t. Man sah es aber unter dem Dach der SolidaritaÈ t. FuÈ r die DDR kann man es in Beispielen ganz konkret sagen: Sie suchte in- folge ihrer Devisenlage und ImportbeduÈ rfnisse neue Partner fuÈ r wirtschaftli- che Zusammenarbeit. Die DDR hatte damals Probleme mit der Steinkohle- versorgung. Das hing mit der Entwicklung der Lieferungen aus Polen und der Sowjetunion zusammen. Das Projekt Moatize mit Mosambik und was man auf diesem Gebiet in die langfristigen Beziehungen auf Grundlage des Freundschaftsvertrages einschrieb, war darauf aufgebaut, wesentlich durch BezuÈ ge von Importkohle aus Mosambik zur Schlieûung der entstehenden LuÈ cke in Europa beizutragen. Das war, wenn wir es heute analysieren, eine UÈ berschaÈ tzung der bestehenden MoÈ glichkeiten. Es sind zwar Lieferungen er- folgt, die die DDR verwertet hat, aber der erwartete Effekt trat nicht ein. Man muû bei den EinschaÈ tzungen der MoÈ glichkeiten allerdings beruÈ cksichti- gen, wie es gewesen waÈ re, wenn eine friedliche Entwicklung in Mosambik ein- getreten waÈ re. Ein anderes Beispiel: Die DDR hatte immer groûe Devisenaus- gaben fuÈ r Futtermittel. Man versprach sich durch die landwirtschaftliche Entwicklung in Mosambik zum Beispiel MaisbezuÈ ge, obwohl das Land selbst

264 einen enormen Bedarf hatte und die Ausweitung der FlaÈ chen problematisch war. Auch dieses Projekt ist dem Krieg zum Opfer gefallen, so daû seine Rea- lisierbarkeit unter anderen Bedingungen nicht gepruÈ ft werden konnte. Auch die Nutzung des Baumwollaufkommens mit dem Bau einer Textilfabrik konnte nicht realisiert werden. Hans-Joachim DoÈring: Sie meinen den Versuch, in Mocuba das groÈ ûteTex- tilkombinat im suÈ dlichen Afrika zu errichten? Helmut Matthes: Ja. Mocuba! Das waren die Vorstellungen. Es kam die Vorbereitung des FuÈ nfjahrplanes in der DDR von 1981±1985 hinzu. Da muû man den ganzen Hintergrund der Entwicklung der internationalen Kreditnah- me der DDR sehen. In den siebziger Jahren hat die DDR sich durch die Auf- nahme von Krediten gewisse oÈ konomische Potenzen geschaffen bzw. erschlos- sen. Zwischen 1978 und 1982 wurde dann klar, daû das so nicht weitergeht ± im Trend ±, ohne die politische UnabhaÈ ngigkeit zu verlieren. Und da wollte man einen groûen Sprung machen, indem man sich unter anderem auch vor- nahm, aus EntwicklungslaÈ ndern Idas subsaharische Afrika war nur ein Teil davon) bei Nutzung der entstandenen neuen Bedingungen Devisen zu be- schaffen bzw. importabloÈ sende Lieferungen zu erreichen. Hans-Joachim DoÈring: Nach einer eher ruhigen Phase in den Jahren 1975 und 1976 springen 1977 die AktivitaÈ ten der DDR heftig an. Als treibendes Motiv sehe ich auch dieses Devisen-sofort-Beschaffungsprogramm gegenuÈ ber den besonders befreundeten unabhaÈ ngigen afrikanischen Staaten. Im gleichen Jahr war der III. FRELIMO-Kongreû mit der Festlegung auf den Marxis- mus-Leninismus. FuÈ r mich heiût das: Nach der sogenannten ideologischen Klarheit in Mosambik und oÈ konomischer Not in der DDR ± die Existenzfra- gedurch dieZahlungsunfa È higkeit war gestellt ± springt die besondere Bezie- hungsmaschinerie an, nicht durch die UnabhaÈ ngigkeit der Staaten und ihre sozialistische Orientierung. Helmut Matthes: Der letzten Feststellung kann ich nicht zustimmen. Die politischen Gemeinsamkeiten waren ohne Zweifel einer der Ausgangspunkte fuÈ r die neue Etappe der Beziehungen zwischen beiden Staaten. Im Freund- schaftsvertrag wie in der Praxis standen auch weiterhin die politische Zusam- menarbeit und SolidaritaÈ t im Vordergrund. Man muû immer zwei Seiten se- hen: Das eine war, die DDR erntete nach 1975 zunaÈ chst auch eine politische Frucht und machtedaraus eineBasisfu È r weitere politische Beziehungen. Das betraf die Ost-West-Auseinandersetzungen, das Ringen um die StaÈ rkung des Sozialismus. Der DDR war die sozialistische Orientierung Mosambiks, deren Rolle in Afrika und im internationalen Maûstab politisch wichtig. Das waren Motive, die weiterhin auf eine Vertiefung der Gesamtbeziehungen hinauslie- fen. Die andere Sache ist voÈ llig richtig: Die DDR kam Ende der siebziger Jah- re in eine Lage, daû sie keine einseitige oÈ konomischeSolidaritaÈ t auf Dauer be- treiben konnte. Sie konnte nicht das, was die Befreiungsbewegungen Anfang der siebziger Jahre bekommen haben, potenzieren und nun voÈ llig uneigennuÈ t- zig dort das politische System festigen, was den osteuropaÈ ischen Staaten von der Seite des internationalen KraÈ fteverhaÈ ltnisses her geholfen haÈ tte. WaÈ hrend dieser Zeit muûten die oÈ konomischen Interessen, auch die Devisenbeschaf-

265 fung, eine groûe Rolle spielen. Man sah hier einen Einklang mit den politi- schen Interessen. Dadurch ergab sich die Beschleunigung. Nicht umsonst wird durch Sie die Lamberz-Reise erwaÈ hnt. Er war ein fuÈ hrender Politiker, der ja eigentlich keine oÈ konomische Verantwortung in der DDR trug. Er hatte die- sen Zusammenhang sicher erkannt. Wirtschaftliche Beziehungen zwischen zwei Volkswirtschaften koÈ nnen auf die Dauer auch naturgemaÈ û nicht auf einseitiger SolidaritaÈ t bestehen. Das Po- litbuÈ ro der SED beschloû oÈ konomische Programme mit entsprechendem poli- tischen Hintergrund. Zum Beispiel wurde ein Programm zur Entwicklung der LKW-Produktion W 50 angenommen. Dieses Programm betraf nicht in erster Linie Mosambik. Es wurde neben anderen aÈ hnlichen Programmen als Grund- lagefuÈ r einen Durchbruch auf dem Weltmarkt angesehen. Hans-Joachim DoÈring: DieFu È hrung der DDR hoffte auf groûen Absatz auf dem Weltmarkt? Helmut Matthes: Es war ein Programm, mit dem Ludwigsfelde in einer be- sonderen Weise mit erheblichen Mitteln ausgebaut werden sollte. Das ist auch geschehen. Mit einer enormen Steigerung der Produktion, mit Sonderpro- grammen. Alles war zu foÈ rdern, damit die Wagen dann auch zur VerfuÈ gung standen. Mosambik hat am Ende ungefaÈ hr 3500 Autos bezogen, die dem Lan- de groûen Nutzen brachten und zum Teil bis heute im Einsatz sind. Es war urspruÈ nglich vorgesehen, in Mosambik ein Zweigwerk zu errichten. Die LKW-Produktion war ein groûer Komplex der Devisenoffensive der DDR. Hans-Joachim DoÈring: Paût das denn wirklich zusammen, Devisenoffensi- ve und befreundete EntwicklungslaÈ nder? Vertrauen erwarb sich die DDR mit SolidaritaÈ t, politischer und materieller. Diese wurde verbunden mit einem Modernisierungskonzept in Industrie und Gesellschaft, welches die DDR an- bot und das die jungen Eliten auch suchten. Auf diesem NaÈ hrboden wurde dann unter dem Begriff »gegenseitiger Vorteil« starkes oÈ konomisches Eigen- interesse betrieben. Es zeigen sich fuÈ r mich zwei paradoxe VorgaÈ nge. Zum ei- nen zieht die DDR groûen Gewinn aus der Entspannungspolitik und geht als Siegerin der Hallstein-Dokrin hervor. Zum anderen nutzte sie die internatio- nale Entspannung und vermeintliche SchwaÈ che zum Beispiel der »Taube« Jimmy Carter, der im November 1976 zum PraÈ sidenten der USA gewaÈ hlt wird, um revolutionaÈ ren »Territorialgewinn« in Afrika zu verbuchen. Dieser wurde dann schnell zur Linderung der eigenen DollarschwaÈ chegenutzt.Ich sehe dies als zwei spannungsvolle VorgaÈ nge an. Wurden derartig gegenlaÈ ufige VorgaÈ nge in den Apparaten diskutiert? Gab es einen »SolifluÈ gel« im Auûen- ministerium oder im PolitbuÈ ro oder im ZK, der gesagt hat: Bei allem »Re- spekt« vor den Notwendigkeiten von oÈ konomischen Interessen, es gibt da auch Grenzen. Helmut Matthes: Um »Territorialgewinne« ist es der DDR nie gegangen. Zur Diskussion in den Apparaten der Partei und des Staates kann ich nur sa- gen, was ich aus meiner Sicht kenne. Klar ist, daû diese Projekte in einer ge- wissen Weise so gigantisch waren, daû es ganz sicher von Anfang an Kritiker gegeben hat. Ich habe von 1976 bis 1983 eine Pause in der Verfolgung der Be- ziehungen zu Afrika im Konkreten gehabt. Was ich nach 1983 aufgearbeitet

266 und erlebt habe, ist, daû wir in Mosambik voll konfrontiert wurden mit der Tatsache, daû das, was beabsichtigt war, nicht realistisch war. Politisch hat uns entlastet, daû in Mosambik durch den Krieg neue Bedingungen entstan- den waren, die vieles Gescheiterte erklaÈ rten. Wenn z. B. nach Moatize die 700 km Eisenbahnstrecke von den Banditen unbenutzbar gemacht wurde und dieDDR uÈ ber Kilometer 30 bei ihrer Rekonstruktion nicht hinauskam, dann ergab sich nicht so sehr die Frage, ob unser Kohleprojekt gescheitert ist. Die KohlefoÈ rderung in Moatize hat eigentlich geklappt. Dort haben dann uÈ ber 200 000 Tonnen Kohle auf Halde gelegen. Die fachliche Seite der KohlefoÈ rde- rung haben die Fachleute der DDR durchaus beherrscht. Aber das Gesamt- projekt der Versorgung der DDR mit Steinkohle uÈ ber diesen Weg stand nicht mehr in der Kritik, weil politische und militaÈ rische Bedingungen entstanden waren, die das ganze Projekt scheitern lieûen. Unter den veraÈ nderten Bedin- gungen war der Einsatz der DDR-Experten wie anderswo in Mosambik eine sehr solidarische, auch fuÈ r das Leben der Betreffenden riskante Sache. Vor Ort wurdeuÈ berall Groûes geleistet. Auch das Textilkombinat Mocuba war uÈ berdimensioniert in seiner GroÈ - ûenordnung. Ich bedauerte, als ich dann Anfang der achtziger Jahre sah, was da passiert war. Klar war, daû wir blitzschnell nach dem Vertragsabschluû ge- liefert haben, um damit Devisen zu erwirtschaften. Die etwa 40 Millionen Dollar, die das brachte, wurden dringend fuÈ r die Jahresabrechnung ge- braucht. Das waren aber eigentlich keine erwirtschafteten, es waren nur ange- schriebene Devisen, die Mosambik auf Kredit bezahlt hat. Die AusruÈ stung wurde bereits geliefert, als die zugesagten portugiesischen Bauarbeiten noch gar nicht so weit fortgeschritten waren und sich dann leider immer wieder ver- zoÈ gerten. Als ich dann 1983/84 dorthin kam, hatten wir mit dem gelagerten »Schatz« zu tun. Inzwischen wirkte sich dann auch die Misere des Krieges aus. Damals wurde durch die DDR neben anderen AktivitaÈ ten auf der Bau- stelle ein Lehrwerk errichtet und in Betrieb genommen. Die Gesamtanlage des Kombinates konnte nicht mehr errichtet werden. Hans-Joachim DoÈring: Das Beispiel Textilkombinat Mocuba ist mir ein charakteristisches Beispiel. Ein entwicklungspolitisches Desaster auf Grund DDR-interner Zahlungsschwierigkeiten! Im konkreten Fall ist unter massiver Miûachung der oÈ rtlichen VerhaÈ ltnisse in Mosambik ein Kombinat geliefert worden, damit ein DDR-Exportbetrieb buchungtstechnisch seine Devisenpro- bleme loÈ st. Dabei werden die engen ideologischen und politischen Beziehun- gen ausgenutzt ¼ Helmut Matthes: So extrem sehe ich das nicht. Bei der Planung des Projek- tes hat es ohne Zweifel FehleinschaÈ tzungen gegeben. Aber erstens haben sich die Ausgangspunkte unvorhergesehen schnell veraÈ ndert. Eine voruÈ bergehende Lagerung der AusruÈ stungen war moÈ glich. Zweitens hat die mosambikanische Seite mitgewirkt und Zusagen auf der Grundlage von VertraÈ gen mit anderen Beteiligten gemacht, die dann nicht eingehalten wurden. Die DDR hat dann uÈ ber Jahre zusaÈ tzliche Maûnahmen ergriffen, um das Projekt nicht aufzuge- ben. Sie hat sich nie ihrer Mitverantwortung entzogen.

267 Hans-Joachim DoÈring: FuÈ r mich ist festzuhalten, daû ein AuûenhaÈ ndler, freundlich beurteilt, fahrlaÈ ssig gehandelt hat, wenn er Anlagen im Wert von 40 Millionen Valutamark in der Savanne zum Verrotten abliefert oder ab- setzt. Helmut Matthes: Die ganze Konsequenz war auch nicht von vornherein ab- sehbar. Hans-Joachim DoÈring: Dann waÈ re es deren Job gewesen, sich sachkundig zu machen. Sie sprachen das LKW-Werk Ludwigsfelde an. Es gab eine Strategie, diewollteweltmarktunfa È hige, schlecht verkaufbare DDR-Produkte schwer- punktmaÈ ûig in EntwicklungslaÈ ndern und besonders in ausgewaÈ hlten Entwick- lungslaÈ ndern absetzen. Das ist schon 1977 in einem Brief von Werner Lamberz und GuÈ nter Mittag persoÈ nlich an Erich Honecker geschrieben worden. Diese Strategie scheint mir eine oÈ konomische Notwendigkeit und ein besonderer WillederDDR-Fu È hrung gewesen zu sein. Helmut Matthes: Ich sehe das nicht so extrem. Aus verschiedenen GruÈ n- den. Die Textilfabrik oder der LKW W 50 waren hinsichtlich der oÈ konomi- schen LeistungsfaÈ higkeit und der technischen Entwicklung hochwertige Pro- dukte, auch wenn sie nicht zur konkurrenzfaÈ higen Weltspitze gehoÈ rt haben sollten. Es gab ja auch die Bereitschaft der zukuÈ nftigen Abnahme von Waren aus Mosambik oder anderen LaÈ ndern, deren Absatz auf dem Weltmarkt pro- blematisch war. Die Steinkohle, die die DDR bezogen hat, haÈ tteMosambik nicht beliebig zu Devisen machen koÈ nnen. Insofern sehe ich den Interessen- ausgleich. Wie man sich in Osteuropa einen eigenen Markt geschaffen hatte mit einem bestimmten Niveau, der sich abgrenzte vom Ost-West-Markt, hat man an dieSchaffung einesEntwicklungsla È ndermarktes gedacht. So wuÈ rde ich das eher sehen und durchaus beachten, daû gegenseitig auszugleichende Interessen eine Rolle spielen koÈ nnen. Man hat damals in der DDR, um alles schnell voranzubringen, Mosambik, AÈ thiopien und Angola dem Devisenge- biet der westlichen LaÈ nder, der freien Devisen, zugeordnet. Das hat die Ex- portegefo È rdert. Man erkannte dann schnell, daû das unrealistisch ist. Wir haÈ tten hier schon eher von einer VerrechnungswaÈ hrung sprechen muÈ ssen. Als ich nach Mosambik ging, war das Abgehen von der freien Devisenbasis be- reits so gut wie beschlossene Sache, weil man merkte, daû hier offensichtlich Diskrepanzen entstehen. Hans-Joachim DoÈring: Damit sind wir bei Alexander Schalck-Golod- kowski, dem Devisenbeschaffer, seinem Bereich KoKo und einer speziellen Handelsabteilung u. a. fuÈ r Mosambik. Wieerkla È ren Sie sich, daû das Polit- buÈ ro den per Auftrag mit speziellen kapitalistischen Kaufmannsmethoden ausgestatteten Alexander Schalck mit dem »EntwicklungslaÈ nder-GeschaÈ ft« betraute? Helmut Matthes: Das ist auch wieder eine Sache, die primaÈ r nicht oÈ kono- mische, sondern politische Ursachen hatte. Man hatte in ausgewaÈ hlten LaÈ n- dern Afrikas relativ groûe Projekte und ein schnelles Tempo der Entwicklung von Beziehungen im wirtschaftlichen Bereich angebahnt. Es war alles ziemlich langfristig gemacht. Ich erinnere mich, daû ± noch Anfang 1976 muÈ ûteesge- wesen sein ± eine groûe, erste offizielle Delegation mit einer groûen Solidari-

268 taÈ tssendung uÈ ber Daressalam nach Maputo, damals noch Laurenco Marques, flog. Es waren rund 25 Personen verschiedenster Wirtschafts- und Gesell- schaftsbereiche, die in Verhandlungen die ersten MoÈ glichkeiten einer Zusam- menarbeit mit Mosambik nach der UnabhaÈ ngigkeit abstecken sollten. Mit dem HoÈ hepunkt der Honecker-Reisen 1979 gewann das Ganze zunehmend eine oÈ konomische Substanz, die meines Erachtens mehr die Politiker veran- laûte zu sagen: Hier brauchen wir einen ganz soliden Hintergrund in der DDR fuÈ r diese Beziehungen, denn man darf nicht uÈ bersehen, daû innerhalb der DDR die Beschaffung von KapazitaÈ ten fuÈ r das Ausland stark belastet war. Wirtschaftliche Verpflichtungen gegenuÈ ber Afrika sah man im Rahmen der politischen SolidaritaÈ t bis dahin noch als ein AnhaÈ ngsel der Wirtschaft. Beim normalen staatlichen Handel war freie KapazitaÈ tfuÈ r zusaÈ tzliche Liefe- rungen nicht vorhanden, wie sie nun benoÈ tigt wurde. Ich sehe es in erster Linie als eine politische Entscheidung unter dem persoÈ nlichen Einfluû von Honek- ker an, daû KoKo diese Zuordnung erhielt. Es ging dabei nicht einfach um die Devisenbeschaffungsfunktion, sondern um die Nutzung der gesamten Lei- stungsfaÈ higkeit dieses Unternehmens. Mit der wirksamsten oÈ konomischen Kraft, die die DDR nach auûen hatte, sollte unter diesen komplizierten Bedin- gungen und schwierigen Voraussetzungen am effektivsten gearbeitet und das Hinterland der DDR eingesetzt werden. Ich behaupte, daû KoKo primaÈ r mit seinem ganzen Apparat beauftragt wurde, um dem, was der anderen Seite an groûen Projekten in FreundschaftsvertraÈ gen zugesagt worden ist, ein soli- des Hinterland zu geben. Der Vertreter von Schalck-Golodkowski, Uhlig, war im zweiseitigen Wirtschaftsausschuû DDR ±Mosambik in einfluûreicher Funktion. Hans-Joachim DoÈring: Er war stellvertretender Vorsitzender. Helmut Matthes: Ja. Dort waren unter der Leitung eines Ministers alle Mi- nisterien und Staatssekretariate vertreten, die an den Beziehungen beteiligt waren. In der DDR wurden die Fonds unterschiedlich bewertet, die fuÈ r ir- gendwas zur VerfuÈ gung standen. Der KoKo-Bereich hatte uÈ berall Zugriff. Das Unternehmen haÈ ttesich wahrscheinlich nicht fu È r diese Funktion bewor- ben. Nachdem es die Funktion hatte, ist natuÈ rlich der Charakter dieses Unter- nehmens voll zum Tragen gekommen. Es war von Anfang an klar, daû der KraÈ fteeinsatz in diesem Bereich nicht die hoÈ chsteEffektivita È t bringen wuÈ rde, sondern zunaÈ chst den Einsatz von Mitteln fuÈ r den Aufbau der Beziehungen verlangte. Auch politisch waren der GeschaÈ ftstaÈ tigkeit im Sinne des Freund- schafts- und SolidaritaÈ tsgedankens von vornherein Grenzen gesetzt. SpaÈ ter er- wies sich der Einsatz des Unternehmens auch aus sicherheitspolitischen GruÈ n- den im Zusammenhang mit den Anforderungen der Lage im Krieg als vorteilhaft. Hans-Joachim DoÈring: Habe ich richtig verstanden: Sie meinen, es war vor allem eine politische Entscheidung, die spaÈ ter oÈ konomischer geworden ist? Helmut Matthes: Es war von Anfang an auch oÈ konomisch begruÈ ndet. KoKo war kein SolidaritaÈ tskomitee, hatte aber bei dieser Aufgabe primaÈ r eine politische Verantwortung zu tragen.

269 Hans-Joachim DoÈring: Die Mosambikaner haben sich aber vor allem we- gen des solidarischen »Outfits«, um es neudeutsch zu sagen, also der propa- gierten besseren, weil »solidarischen« Staatsform an die DDR gewandt. Und die bekamen jetzt Schalck-Golodkowski als Verhandlungspartner. Helmut Matthes: DiepolitischeFu È hrung hatte auch die Absicht, einen sehr soliden Partner der DDR den Mosambikanern gegenuÈ berzustellen. KoKo er- langte bei den Partnern groûes Vertrauen und wurde sehr geschaÈ tzt. Uhlig hatte als Vertreter von KoKo in Mosambik hohes Ansehen. Mosambik unter- hielt uÈ brigens ein aÈ hnliches Unternehmen unter Leitung eines Ministers. Hans-Joachim DoÈring: Der solide Partner kannte aber nur seinen Auftrag: Devisen, Devisen, Devisen beschaffen. Auf den verschiedensten Wegen. Helmut Matthes: Das war nicht so einseitig. Er kannte natuÈ rlich den politi- schen Auftrag der Partei und des Staates und war so nah an der politischen FuÈ hrung angebunden, daû er sehr wohl wuûte, was er politisch kann und was nicht. Das hat zum ZuruÈ ckdraÈ ngen bestimmter extremer oÈ konomischer Inter- essen gefuÈ hrt. Jede oÈ konomischeHandlung stand vielsta È rker als in jedem an- deren Land unter einer politischen Kontrolle. Der BeschaÈ digung der politi- schen Grundlagen waren enge Grenzen gesetzt. Hans-Joachim DoÈring: Aber die Beziehungen seitens der DDR waren so stark oÈ konomisch durchdrungen, daû ich zum Schluû kommen muû: Die ur- spruÈ nglich solidarischen Beziehungen wurden als »Gleitmittel«, als ErmoÈ gli- chung fuÈ r dieoÈ konomischen Absichten angewendet. Wie Schalck die beson- deren historischen und politischen Beziehungen an der deutsch-deutschen Grenze oÈ konomisch zu nutzen versuchte, so nutzte er die politischen Bezie- hungen aus der Befreiungszeit ¼ Helmut Matthes: Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Man muû dabei beruÈ cksichtigen, in welcher Art und Weise im Konkreten alles verwirk- licht worden ist. Bis zuletzt hat das Unternehmen KoKo, um es verkuÈ rzt zu sagen, bei den Partnern in dem Lande hohe Anerkennung gehabt. Hans-Joachim DoÈring: Das bleibt mir weiterhin verwunderlich. Ich wuÈ rde es gern verstehen. Helmut Matthes: Das haÈ ngt damit zusammen, daû es immer eine Einheit von politischem und oÈ konomischem Handeln gab. Bei aller oÈ konomischen Anlage dieses Unternehmens und seiner Zweckbestimmung mit allen Sonder- rechten war es trotzdem eine TaÈ tigkeit mit einem sehr weitgehenden politi- schen Hintergrund. Es handelte sich um ein staatliches Unternehmen. Die Mi- nisterien und Betriebe haben immer gespuÈ rt, welche hohe politische PrioritaÈ t hinter Mosambik-AuftraÈ gen stand. Bei einer Beurteilung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit muû die Entwicklung der Gesamtbeziehungen beachtet wer- den. Die DDR hat auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens bis zuletzt mit Mosambik zusammengearbeitet und dafuÈ r erhebliche personelle und ma- terielle Mittel eingesetzt. Das betrifft insbesondere auch das Bildungswesen ± von der Schulbildung uÈ ber die Berufsausbildung bis zur Hochschulbildung ±, das Gesundheitswesen und die kulturellen Beziehungen. Tausende DDR-BuÈ r- ger haben dafuÈ r jahrelang unter schwierigsten Bedingungen in Mosambik ge- arbeitet. Auch fuÈ r diegroûeno È konomischen Projekte erfolgte ein solcher Ein-

270 satz. Vor Ort wurde das getan, was in der veraÈ nderten Situation zweckmaÈ ûig erschien. Es muû auch die Breite der Lieferungen der DDR, die auch Kon- sumguÈ ter betrafen, und die umfangreiche Fortsetzung von SolidaritaÈ tsge- schenken beachtet werden. Schlieûlich war der Umfang der Gegenlieferungen den Bedingungen entsprechend sehr begrenzt und staÈ ndig abnehmend. Prak- tisch blieb der oÈ konomischeNutzenfu È r dieDDR fragwuÈ rdig. Schon dieSi- cherung und Versorgung der DDR-BuÈ rger in Mosambik verursachte hohe Kosten. Hans-Joachim DoÈring: Dieo È konomischen Verhandlungen waren sehr schwierig. Sie schreiben selbst daruÈ ber. Dies steht im Widerspruch zu dieser durchaus erkennbaren politischen NaÈ he und der proklamierten Freundschaft. Helmut Matthes: Je weiter die FuÈ hrungsebene nach unten ging, desto haÈ r- ter waren die Auseinandersetzungen. Derjenige, der das Handelsprotokoll fuÈ r ein Jahr zu vertreten hatte, hatte natuÈ rlich im RuÈ cken harte oÈ konomische Vorgaben. Er hatte kaum MoÈ glichkeiten, den politischen Spielraum auszu- weiten. Auf der mittleren Ebene kam es zu den meisten Diskrepanzen, wenn beispielsweise der in der DDR fuÈ r Fischereiwesen ZustaÈ ndigedas neueProto- koll fuÈ r die Zusammenarbeit im Fischereiwesen unterschrieb. Da hatte die DDR harteoÈ konomische Forderungen, und Mosambik hatte andere, da gab es WiderspruÈ che. Dort, wo es zu belastend fuÈ r die Beziehungen wurde, wurde das Problem dann auf die obere Ebene gebracht. Auf der oberen Ebene wurde im wesentlichen politisch entschieden. Dort war der Spielraum groÈ ûer. Trotz aller Probleme war der politische Hintergrund, auch in Jahren entstandene persoÈ nliche freundschaftliche Beziehungen, bei allen Verhandlungen spuÈ rbar. Hans-Joachim DoÈring: Aber was bedeutet politisch? Man kann zu dem Ein- druck gelangen, da wurde eine MutterlandsmentalitaÈ t entwickelt und mit Mo- sambik eine Ersatzkolonie fuÈ r die DDR eingerichtet. Was ich suche, sind die Diskussionen an der Grenzlinie OÈ konomie± Politik? Helmut Matthes: Mit Kolonialismus hattedas absolut nichts zu tun. WaÈ ren die Projekte verwirklicht worden, haÈ tten sie beiden Seiten Nutzen gebracht. Bis zu dem Zeitraum Ende 1988, den ich erlebt habe, ist immer versucht wor- den, eine bestimmte Grenze der politischen Belastbarkeit nicht zu uÈ berschrei- ten. Die DDR erfuÈ llte zum Beispiel ihre Lieferverpflichtungen im Rahmen der Handelsprotokolle. Mosambik war zu immer weniger Gegenlieferungen in der Lage. So ergab sich fuÈ r dieDDR einKampf um dieErschlieûungvon Im- portmoÈ glichkeiten. NatuÈ rlich handelte es sich dabei um Importe aus einem der aÈ rmsten LaÈ nder der Erde. Garnelen, NuÈ sse oder Uhren waren nicht im UÈ berfluû vorhanden. Da ist jede MoÈ glichkeit, die sich ergab, noch genutzt worden, um ein Minimum an Gegenleistung zu erreichen. Das erscheint Ihnen natuÈ rlich nicht solidarisch, aber das war eingebettet in Gesamtbeziehungen. Wenn sich an einem bestimmten Punkt herausstellte, Absichten der DDR sind mit der mosambikanischen Situation unvereinbar, dann wurde eine Entschei- dung getroffen, die PlaÈ ne zu reduzieren. Es war ein Wechselspiel. Hans-Joachim DoÈring: Zu den »GeschaÈ ftsanbahnungspraktiken«. Ich habe den Eindruck, in der bestimmenden Phase 1977/79 wurden den Mosambika-

271 nern Groûprojekte aufgeschwatzt bzw. angedient. Wie entstanden die DDR- Projekte? Helmut Matthes: Was heiût hier aufgeschwatzt? Die Projekte waren Be- standteile eines in gemeinsamer Arbeit aufgestellten Planes der Zusammenar- beit. NatuÈ rlich hat die DDR das vorgeschlagen, was sie anbieten konnte. HaÈ t- ten wir die Textilfabrik woanders fuÈ r bares Geld verkaufen koÈ nnen, waÈ resie nicht auf Kredit angeboten worden. Das ist keine Frage. Nur, die Mosambi- kaner wollten eine in moÈ glichst groûer Dimension. Die Frage der Bezahlung stand zu diesem Zeitpunkt nicht im Vordergrund. Beide Seiten waren interes- siert. Ende der siebziger Jahre war Mosambik froh, diese Projekte binden zu koÈ nnen, zumal es ein gewisses Miûtrauen gegenuÈ ber einer AbhaÈ ngigkeit zur westlichen Seite gab. Auch die DDR wollte die StaÈ rkung Mosambiks als lang- fristigen wirtschaftlichen Partner. Im einzelnen ist das im Konzept nicht im- mer gelungen. Da haben Sie schon recht. Hans-Joachim DoÈring: Ich empfinde die Spannung zwischen verlautbarter Politik und praktizierter OÈ konomiegroû und dieSituation schizophren. Helmut Matthes: Ich kann nur wiederholen, daû ich das nicht so sehe. Sie muÈ ssen auch die moÈ glichen Alternativen beruÈ cksichtigen. Die Entwicklung war ziemlich alternativlos. Hans-Joachim DoÈring: EineAlternativewa È re eine andere Beratung gewe- sen. Vieles haÈ tte anders ausgesehen, wenn KoKo nicht mit der Pflege der Be- ziehungen betraut worden waÈ re. Helmut Matthes: Das ist sicher so. Mosambik haÈ tte sich unter anderen po- litischen Bedingungen auch im Westen verschulden koÈ nnen. Das Entwick- lungsvakuum im Land war da. Hans-Joachim DoÈring: MoÈ glicherweise, aber dann muûte das der Westen verantworten. Die Bundesregierung hat 1989 Mosambik alle entwicklungspo- litisch ausgereichten Kredite gestrichen. Helmut Matthes: Dieu È bernommenen Kreditverpflichtungen Mosambiks gegenuÈ ber der DDR betrachtet die Bundesrepublik aber als rein kommerzielle Schulden, berechnet dafuÈ r Zinsen und hat Streichungen bisher abgelehnt. Ich moÈ chte noch etwas zu den Beziehungen auf dem Gebiet der Landwirt- schaft sagen, die fuÈ r die Bewertung der Gesamtbeziehungen Bedeutung ha- ben. Es wurden umfangreiche AusruÈ stungen geliefert, die auch zum Einsatz gekommen sind. In der Praxis wurde das urspruÈ ngliche120 000-Hektar-Pro- jekt voÈ llig veraÈ ndert. In Lichinga war durch die DDR-UnterstuÈ tzung einer ehemaligen Staatsfarm etwas entstanden, das nichts mehr mit Maisanbau fuÈ r Lieferungen in die DDR zu tun hatte. Die dort existierende landwirtschaftli- cheKapazitaÈ t wurde zum Nutzen der oÈ rtlichen BevoÈ lkerung entwickelt. Das Projekt spielte eine positive Rolle bei der Versorgung der Stadt Lichinga. Ich will damit sagen, im Konkreten war manches anders als in der Planung. Hans-Joachim DoÈring: Gab es, ohne daû das Wort Entwicklungszusam- menarbeit vielleicht fiel, fachliche Diskussionen uÈ ber Landwirtschaft, den Zu- sammenhang von Hunger und DDR-Futterimport, nur als ein Beispiel? Helmut Matthes: Wir hatten nicht allzuviel Zeit, uÈ ber das Konzept theore- tisch und entwicklungspolitisch nachzudenken. Wir gingen davon aus, daû

272 dieStaÈ rkung der Exportkraft Mosambiks ein wichtiges Mittel ist, um die wirt- schaftlichen Grundlagen des Landes zu staÈ rken. Das waÈ reauch dieGrundlage fuÈ r den Kampf gegen den Hunger gewesen. Das genannte Projekt muûte einge- stellt werden, weil auf dem Weg von Lichinga zum Einsatzort in Sussendenga acht DDR-BuÈ rger durch die RENAMO-Banden ermordet wurden. Daraufhin wurde die Arbeit an mehreren wichtigen Objekten aus SicherheitsgruÈ nden ein- geschraÈ nkt oder eingestellt. Das war 1984. Der politische Auftrag lautete: In Mosambik darf kein DDR-BuÈ rger mehr Opfer der Banden werden. Das verstanden die Mosambi- kaner nur zum Teil. Sie hatten da eine andere Ansicht. Viele von ihnen, auch FuÈ hrungskraÈ fte, erwarteten eine Teilnahme am bewaffneten Kampf im inter- nationalistischen Geist, wenigstens das Eingehen eines groÈ ûeren Risikos. Un- sere intensiven Reduzierungs- und Sicherungsmaûnahmen standen auch im Widerspruch zum mosambikanischen Interesse, andere LaÈ nder zu groÈ ûerem oÈ konomischen Engagement trotz des Krieges zu veranlassen. Hans-Joachim DoÈring: Der Botschafter stand dann zwischen Baum und Borke¼ Helmut Matthes: Nicht nur bei der Sicherheit, auch in der OÈ konomie. So fuÈ hrte dies gerade mit dem Bereich KoKo zu Auseinandersetzungen. Hans-Joachim DoÈring: Haben Sie Kenntnis, ob der Bereich Schalck fuÈ r die Vermittlung im Mosambik-GeschaÈ ft Provisionssummen in Rechnung gestellt hat? Helmut Matthes: Nein. Davon habe ich keine Kenntnis. Hans-Joachim DoÈring: Wie war das Zusammenspiel zwischen Wirtschafts- politischer Abteilung IWPA) und Botschaft? Es gab ja auch das System der Sonderbeauftragten der Parteien und Regierung. Helmut Matthes: Die Struktur der Auslandsvertretungen der DDR laÈ ût sich ohne juristische Einzelheiten wie folgt beschreiben: Der Botschafter war der ranghoÈ chste Vertreter der DDR im jeweiligen Land. Das galt auch gegenuÈ ber dem Vertreter der SED. Er war auch allen anderen gegenuÈ ber weisungsberech- tigt. Er war aber verpflichtet, uÈ ber moÈ gliche Entscheidungen die Zentrale und die in der DDR beteiligten Organe unverzuÈ glich zu informieren und das weitere Vorgehen abzustimmen. Davon wurde hoÈ chst selten Gebrauch gemacht. Eini- ge Auslandsorgane nahmen eine gewisse Sonderstellung ein. Das betraf in der Botschaft den ParteisekretaÈ r, den MilitaÈ rattache und die dem MfS unterstehen- de Ministerratsgruppe. Selbst fuÈ r den Funkverkehr, der sonst ausschlieûlich uÈ ber den Botschafter lief, gab es dabei Sonderregelungen. Die Wirtschaftspoli- tische Abteilung hatte zwar umfangreiche Verantwortung, aber keine Sonder- stellung, obwohl sich praktisch fuÈ r sie eine Ausnahmestellung ergab. Die Or- gane mit den Sonderstellungen waren fuÈ r dieBotschaft in Maputo eine wichtigepolitischeUnterstu È tzung. IhreStellunghat dieharmonischeZusam- menarbeit nicht belastet. Das betrifft auch die Ministerratsgruppe. Hans-Joachim DoÈring: Was hattedieMinisterratsgruppefu È r Aufgaben? Helmut Matthes: Sie war Kooperationspartner des mosambikanischen Mi- nisteriums fuÈ r Staatssicherheit und des Innenministeriums.

273 Hans-Joachim DoÈring: Worin bestand die erwaÈ hnte Ausnahmestellung der WPA ? Helmut Matthes: KoKo hatte ein breites BetaÈ tigungsfeld, eine groûe Ver- antwortung und war stets an der Zusammenarbeit mit dem Botschafter inter- essiert. Deshalb gab es auch eine staÈ ndige, vor allem telegrafische, direkte Korrespondenz mit Schalck-Golodkowski. FuÈ r den Botschafter waren das Auûenministerium, das ZK der SED und dessen Abteilung Internationale Verbindungen zustaÈ ndig. Manchmal erwies sich die Stellung der Botschaft zur WPA deshalb nicht als einfach, weil KoKo auch in der Zentrale eine sehr einfluûreiche Position hatte. In der praktischen Arbeit verfuÈ gtedieWPA auch materiell uÈ ber einen groÈ ûeren Handlungsspielraum. Es kam hinzu, daû die AktivitaÈ ten gleichzeitig mit der TaÈ tigkeit der Handelspolitischen Abteilung der Botschaft, der Vertretung des DDR-Auûenhandelsministeriums, koordi- niert werden muûten. Der Botschafter war in alle wichtigen Maûnahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit einbezogen. Hans-Joachim DoÈring: Sie waren sozusagen Beisitzer. Wenn Probleme in Moatize auftraten, an wen hat sich der Leiter der DDR-Delegation gewandt? Helmut Matthes: An den Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung und dieser an mich. Falls erforderlich, wurden die entsprechenden Organe in Ber- lin informiert. Der Leiter der Delegation in Moatize konnte sich auch direkt an mich wenden. Wenn der zustaÈ ndige Stellvertreter von KoKo uÈ ber das Pro- jekt Moatize verhandelte, nahmen der Botschafter oder sein Vertreter daran teil. Der Leiter der WPA in Maputo gehoÈ rte zum Leitungskollegium der Bot- schaft, dem der Botschafter vorsaû. Hans-Joachim DoÈring: Im Dezember 1977 beschloû das PolitbuÈ ro eine Kommission zur Steuerung der oÈ konomischen und weiterer Beziehungen zu EntwicklungslaÈ ndern in Afrika, Asien und des arabischen Raumes. Latein- amerika war nicht mit dabei. Diese Kommission wird von GuÈ nter Mittag ge- leitet. Auf Rang sieben war Klaus Willerding als Vertreter des Auûenministe- riums aufgefuÈ hrt. Oskar Fischer erhielt alle Vorlagen zur Kenntnis mit der MoÈ glichkeit der Stellungnahme. War diese Kommission den Diplomaten be- kannt, und wie hat sie in die aktuelle Diplomatie hineingewirkt? Helmut Matthes: Diese Kommission war bekannt und wirksam. Ich kenne nur das Ergebnis ihres Einflusses auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit, das 1984 in Mosambik vorzufinden war. Diese Kommission hatte einen starken Einfluû. Sie wurde in erster Linie im Bereich der OÈ konomiewirksam. Sieging von politischen PraÈ missen aus. So sehr Mittag ein Mann war, der sich auf die OÈ konomie konzentrierte, so war er natuÈ rlich eingebunden in das, was die poli- tischeFuÈ hrung, insbesondere auch Honecker, politisch wollte. Deshalb darf man das Gewicht der Auûenpolitik nicht am siebenten Platz von Klaus Wil- lerding ablesen. An welcher Stelle haben denn Vertreter des ZK-Apparats ge- standen? Hans-Joachim DoÈring: Die Reihenfolge ging: Mittag, Axen, Lamberz. Auf einer Liste stand Lamberz auch mal vor Axen. Honecker bekam laut Ge- schaÈ ftsverteilungsplan immer das erste Exemplar der Vorlagen, nachrichtlich, wuÈ rde man heute sagen.

274 Helmut Matthes: Also ist Hermann Axen, der die Auûenpolitische Kom- mission des PolitbuÈ ros leitete, eingebunden gewesen. Die Kommission hat ei- nen kleinen Apparat gehabt, und die konkreten Projekte sind im wesentlichen durch deren HaÈ nde gegangen. Die Kommission war auch die Parteieinrich- tung fuÈ r Schalck-Golodkowski. Hans-Joachim DoÈring: Ein Instrument von Schalck? Helmut Matthes: Das wuÈ rdeich so nicht sagen.Ich glaubeschon, daû Mit- tag dort den groÈ ûten Einfluû hatte. Die meiste Substanz in diesem Bereich hat sicher KoKo verwaltet, aber das war eingebunden in dieses politische System. UÈ ber Klaus Willerding wurde das Auûenministerium an der Beratung betei- ligt. Das hat an sich funktioniert, dieses Zusammenwirken der Einrichtungen. Die Kommission hat die Objekte, die der Bereich Schalck-Golodkowski uÈ ber- nahm, noch wichtiger gemacht und parteipolitisch abgesichert. Dadurch hatte Schalck-Golodkowski nicht die alleinige Verantwortung. Sicher ist er auch kontrolliert worden, das ist die andere Seite. Er hat damit aber ein Gewicht bekommen fuÈ r alle Ministerien, fuÈ r alleInstitutionen, fu È r alles, was unterge- ordnet war. Hans-Joachim DoÈring: Mittag war der Erste und nicht Axen. Helmut Matthes: Genau. Das Auûenministerium hatte Interesse an einer zuÈ gigen Umsetzung von BeschluÈ ssen und daran, daû in die abgeschlossenen VertraÈ geSubstanz kam, auch oÈ konomische Substanz. Der Inhalt der oÈ kono- mischen Beziehungen konnte dort weniger beurteilt werden. Hans-Joachim DoÈring: An welcher Stelle wurden die Interessen der Ent- wicklungslaÈ nder gegen die Interessen der DDR-OÈ konomie vertreten? Das ist ja ein »klassischer« Konflikt. Helmut Matthes: Da muÈ ssen einerseits die Abteilung Internationale Ver- bindungen im ZK der SED im Verantwortungsbereich von Axen und alle an- deren an den Beziehungen beteiligten politisch verantwortlichen Organe ge- nannt werden. Die haben diese Interessen natuÈ rlich stets in Wechselwirkung mit den Interessen der DDR gesehen. Andererseits muûten, konnten und ha- ben diese Interessen vor allem die betroffenen LaÈ nder selbst in Verhandlungen mit der DDR vertreten. Hans-Joachim DoÈring: Axen hatte aber in der Kommission nichts zu sagen ¼ Helmut Matthes: Ich weiû nicht, wie Sie zu dieser Ansicht kommen. Das ist auch eine Frage des Grades des Einflusses. Die politischen Konzeptionen fuÈ r dieEntwicklungslaÈ nder wurden aber eindeutig dort beraten unter Mitwirkung des Auûenministeriums. Hans-Joachim DoÈring: Ich moÈ chte noch zu einem anderen Themenzusam- menhang kommen. Seit 1985 gibt es in den Unterlagen immer wieder Mitteilungen uÈ ber die Ein- beziehung von mosambikanischen Vertragsarbeitern in Betrieben der DDR zum Abbau der Forderungen der DDR gegenuÈ ber dem afrikanischen Land. Das Stichwort ist: Transferleistungen. Die Praxis konnte bis heute nicht ausrei- chend geklaÈ rt werden. Von 1988 gibt es einen Bericht, in dem wird der Finanz- minister von Mosambik mit der Frage zitiert, warum die DDR das Recht fuÈ r sich in Anspruch nimmt, die Forderung gegenuÈ ber Mosambik aus dem Trans-

275 fer seiner ArbeitskraÈ fte zu tilgen. Das scheint mir eine neue QualitaÈ t zu sein. Mit dem verstaÈ rkten Einsatz von Vertragsarbeitern sollten die Schulden getilgt werden. Es wurden nicht mehr Waren aus Mosambik importiert, sondern Men- schen wurden eingeflogen. Ihre Arbeitskraft wurde zu DDR-uÈ blichen Tarifen entlohnt, ein Teil wurde aber einbehalten. Die Zahlungen gingen dann nicht mehr nach Mosambik, sondern verblieben in der Staatskasse der DDR. Wie habe ich mir das vorzustellen? In welchen GroÈ ûenordnungen ist das vollzogen worden? Haben Sie da Kenntnisse? Helmut Matthes: Die Zahlen habe ich nicht im Kopf, aber es hat sich sicher jaÈ hrlich um bis zu zweistellige MillionenbetraÈ gevon Mark derDDR gehan- delt. Hans-Joachim DoÈring: Man weiû ziemlich genau die Anzahl der Vertrags- arbeiter, und die getilgte Summe aus ihrer TaÈ tigkeit muÈ ûtesich auch noch feststellen lassen. Somit koÈ nnte man ausrechnen, was ein Vertragsarbeiter pro Jahr abgetragen hat. Diese UÈ berlegung kann hochinteressant werden. Es gibt bereits AntraÈ ge von Mosambikanern, die sagen: »Dieses Geld wurde uns vor- enthalten! Das wollen wir zuruÈ ckhaben!« Helmut Matthes: Ja, dieArbeitskra È fte haben zur Reduzierung einer Staats- schuld beigetragen. UrspruÈ nglich hatte der Einsatz von mosambikanischen Arbeitern in der DDR andere Grundlagen. Die Mosambikaner sollten in der DDR-Praxis fuÈ r ein spaÈ teres Wirken in von der DDR in Mosambik unter- stuÈ tzten Wirtschaftsobjekten ITextil, Fahrzeugbau u. a.) Erfahrungen sam- meln, auch aus- oder weitergebildet werden. In Mosambik bestand groÈ ûtes In- teresse an solchen EinsaÈ tzen in der DDR. Die Aufenthaltszeiten wurden staÈ ndig verlaÈ ngert. Die DDR konnte mit den mosambikanischen KraÈ ften auch fehlende eigene ArbeitskraÈ fte in bestimmten Zweigen ersetzen. So nahm ihreZahl schnell zu. Erst spa È ter wurde in dem Einsatz auch eine MoÈ glichkeit des Schuldenabbaus gesehen. Alle Schritte waren stets mit der mosambikani- schen Seite einvernehmlich vereinbart. FuÈ r die einzubehaltenden BetraÈ gehat es eine vereinbarte Grenze gegeben, und es wurde dafuÈ r ein Guthaben gefuÈ hrt. Aber die EinloÈ sung eines solchen Guthabens war unter den Bedingungen Mo- sambiks ziemlich fragwuÈ rdig, obwohl die DDR als einen Beitrag fuÈ r diesen Zweck jaÈ hrlich spezielle Lieferungen von KonsumguÈ tern taÈ tigte. Hans-Joachim DoÈring: Aber beschreiben Sie das doch bitte mal in der Pra- xis. Ist das den Mosambikanern auf dem Konto gutgeschrieben worden, so daû ElõÂ sio zum Beispiel abheben konnte und das mit einer entsprechenden Kennummer versehen war. Oder ist das mehr pauschal in den Staatshaushalt eingeflossen? Helmut Matthes: Diese organisatorischen Details sind mir nicht bekannt. Ich weiû es nicht. Hans-Joachim DoÈring: Keiner der Befragten vermag das zu klaÈ ren ¼ Helmut Matthes: Ich gehe davon aus, daû die BetraÈ ge durchaus personen- gebunden erfaût worden sind und ordnungsgemaÈ û geregelt waren. Bei der EinloÈ sung der Guthaben kann es durchaus Probleme gegeben haben. Mit dem Mechanismus der Erfassung und Verrechnung der BetraÈ gehabeich mich nicht beschaÈ ftigt. Es duÈ rfte aber kein groûes Problem sein, dies aufzuklaÈ ren.

276 Hans-Joachim DoÈring: Zu Mosambik gab es vier Umschuldungsverhand- lungen. 1983 und 1985 wurden Umschuldungen vorgenommen, aber keine Er- lasse oder Streichungen gewaÈ hrt. 1987 wurdedas ErsuchenMosambiks durch das PolitbuÈ ro ausgeschlagen, und dann wurde 1989 kurz vor der Wende eine weitere Umschreibung gewaÈ hrt. Dabei spielt ab 1985 eine Rolle, daû die DDR auf Grund ihrer oÈ konomischen Lage viel restriktiver vorging als der »Pariser Club« oder andere sogenannte kapitalistische LaÈ nder. Und daû die mosambikanischeSeitedafu È r einfach kein VerstaÈ ndnis mehr aufbringen konnte. Wie hat sich das atmosphaÈ risch ausgewirkt, und wie wurde da argu- mentiert? Es blieb ja eine gewisse Herzlichkeit. Helmut Matthes: Diese Verhandlungen sind intern in einem kleinen Kreis gefuÈ hrt worden. Sie haben hier sicher die MeinungsaÈ uûerungen eines einzel- nen Ministers wiedergegeben. Das Gesamtverhalten der DDR in den Bezie- hungen zu Mosambik mit enormen solidarischen Leistungen und das haÈ ufig flexible Eingehen auf die PartnerwuÈ nsche blieben wirksam. Aus dem Verhal- ten der DDR zu den Umschuldungen ergaben sich konkret auch kaum Kon- sequenzen. Auf der entscheidenden Ebene fuÈ r die Beziehungen ist dann doch festgelegt worden, wir belassen es dabei. Man darf dabei nicht uÈ bersehen, daû man mit Hilfe der politischen Beziehungen immer wieder Ausgleiche herbei- fuÈ hren konnte. Ob da drei Prozent oder zehn Prozent hingeschrieben wurden, war zwar nicht unerheblich fuÈ r den Finanz- oder Handelsminister, der es un- terschreiben muûte, aber insgesamt eher zweitrangig. Hinsichtlich der Schul- den konnten die Mosambikaner immer davon ausgehen, solange es die DDR gibt, wird sieAufschub gewa È hren und unsere Lage in Betracht ziehen. Das fiel der DDR aber immer schwerer, weil die BestaÈ tigung einer solchen Entschei- dung auf hoher Ebene erfolgte und dort zu dieser Zeit eher VorschlaÈ gezur Entlastung der DDR erwartet wurden. Hans-Joachim DoÈring: Immerhin wurde 1987 nicht entschuldet. Wie ver- handelt man, wenn einem vorgerechnet wird, bei Euch muÈ ssen wir fuÈ nf Pro- zent mehr Zinsen zahlen als bei den Italienern oder Amerikanern? Helmut Matthes: Ich haÈ tte auf deren Reichtum verwiesen und auf die Kre- ditbedingungen, die mit solchen Krediten haÈ ufig verbunden waren. Wer die Be- dingungen unseres oÈ konomischen Wettstreits mit dem Westen kennengelernt hatte, der verstand auch die von der DDR geforderten Kreditbedingungen ge- genuÈ ber den EntwicklungslaÈ ndern, die uÈ brigens sehr differenziert waren. Hans-Joachim DoÈring: Wiehoch wuÈ rden Sie den entwicklungspolitischen »Zuschuûanteil« an den DDR-Gesamtleistungen, die uns jetzt als Schulden Mosambiks begegnen, bemessen? Helmut Matthes: Ich habe mich mit der Berechnung nicht befaût, aber wenn man alle Leistungen, welche die DDR kostenlos gebracht hat, erfaût, dann wird man auf einen betraÈ chtlichen Anteil kommen. Was die Entschul- dungsmaûnahmen betrifft, wird man an Hand juristischer Details einen hohen Grad der KommerzialitaÈ t feststellen koÈ nnen, wenn man die VertraÈ genimmt. Dort gibt es Sicherungsklauseln und moÈ gliche Konsequenzen. Wenn man aber das politische Gesamtkonzept sieht und die Gesamtentwicklung in die Analyse einbezieht, dann ist eine Entschuldung auf jeden Fall gerechtfertigt.

277 Hans-Joachim DoÈring: Wie erfolgte die Bezahlung der Arbeitsleistung der BuÈ rger der DDR, die auf WTZ- oder KWZ-Basis entsandt wurden, und von den Personen, die unter kommerziellen VertraÈ gen ausreisten, wie die Leute von Moatize? Bis zu 1 800 Dollar hat da ein DDR-BuÈ rger Mosambik »geko- stet«; denn das wurde dann ja von den Krediten abgeschrieben. Helmut Matthes: Im Anfangsstadium der Beziehungen gegenuÈ ber afrikani- schen Staaten, besonders gegenuÈ ber Befreiungsorganisationen, hat die DDR kostenlose BeitraÈ ge geleistet. Mit der Zeit entwickelte sich ein Trend der Kommerzialisierung. Man orientierte sich zunehmend an international uÈ bli- chen Bedingungen. SolidaritaÈ t wurde immer strikter von wirtschaftlichen Ge- schaÈ ftsbeziehungen getrennt. Es verblieben aber sehr unterschiedliche Ver- tragsformen mit sehr unterschiedlichen materiellen Bedingungen. Hans-Joachim DoÈring: Hat diemosambikanischeSeitenicht auf dieKom- merzialisierung reagiert? Helmut Matthes: Ja, das war teilweise kein einfacher Prozeû. Die Angebote wurden kritischer betrachtet. Auch der Partner wurde so zur NuÈ tzlichkeits- analyse veranlaût. Manchmal traten auch laÈ ngere Fristen der BestaÈ tigung der Angebote ein. Hans-Joachim DoÈring: War die Botschaft an den Verhandlungen beteiligt? Helmut Matthes: Die Vertreter des Auûen- und Auûenhandelsministeriums waren fuÈ r dieKWZ- und WTZ-Abkommenzusta È ndig. Vor Ort waren die ent- sprechenden Abteilungen der Botschaft zustaÈ ndig, soweit nicht die delegieren- den Organe und Auûenhandelsunternehmen die Abwicklung des Expertenein- satzes uÈ bernahmen. Den VertraÈ gen mit Mosambik lagen Direktiven der zentralen Organe der DDR zugrunde. Diese knuÈ pften an die MoÈ glichkeiten der DDR, an die bishe- rige Entwicklung auf den jeweiligen Gebieten und auch an sondierte Vorstel- lungen der mosambikanischen Seite an. FuÈ r die Verhandlungen bestand ein gewisser Spielraum. Nachdem die VertraÈ ge abgeschlossen waren, hatten sich alle Beteiligten fuÈ r deren Einhaltung einzusetzen. Das koÈ nnten Sie dann als »Plansoll« bezeichnen. Hans-Joachim DoÈring: Welchen Stellenwert messen Sie der Arbeit des MfS und des MdI in Mosambik bei? Helmut Matthes: Von der politischen KapazitaÈ t der DDR her waren Si- cherheit und Inneres Gebiete, die fuÈ r die Beziehungen zu EntwicklungslaÈ n- dern in Frage kamen und fuÈ r diese von besonderem Interesse waren. Da die Befreiungsorganisationen und die unabhaÈ ngig gewordenen Staaten in mehre- ren FaÈ llen wie Mosambik bewaffnete KaÈ mpfezu fuÈ hren hatten, lag es nahe, siemit solchenKra È ften in Beziehung zu bringen. Die Befreiungsbewegungen hatten auch illegale KaÈ mpfezu u È berstehen. Die fuÈ r Sicherheit zustaÈ ndigen Ministerien verfuÈ gten auch uÈ ber eigene materielle Mittel, uÈ ber die sie weitge- hend selbstaÈ ndig verfuÈ gen konnten, wenn die Grundlagen der Beziehungen mit dem entsprechenden Lande geregelt waren. Flexibel konnten sie sich auf die schwierigen Bedingungen der Partner einstellen. Es bestand eine gewisse Arbeitsteilung mit der UdSSR. Die Sowjetunion hatte sich in Mosambik hauptsaÈ chlich auf das MilitaÈ r konzentriert. FuÈ r dieDDR warendiePolizei

278 und die Sicherheitsorgane wichtige Kooperationspartner. In erster Linie ha- ben die Ministerien der DDR mit den Partnern in Mosambik kooperiert, in- dem sie aus- und weitergebildet haben und indem sie Berater zur VerfuÈ gung stellten. Die Zusammenarbeit betraf ein breites Gebiet vom Personenschutz uÈ ber die Organisation der Polizei bis zur UnterstuÈ tzung der Feuerwehr. Hin- sichtlich des Geheimdienstes haben meines Erachtens die Mosambikaner ei- nen Teil ihrer TaÈ tigkeit fuÈ r die DDR-Partner nie offenbart. Die Leitung der Ministerratsgruppe hatte uÈ berdiepolitischeEntwicklung im Landeund in der Region gute Kenntnisse. Ein Meinungsaustausch hat sicher einer Koordi- nierung der Berichterstattung nach Berlin genutzt. Im einzelnen war mir die Arbeit der Ministerratsgruppe nicht bekannt. FuÈ r dieBotschaft war das eine Kooperantengruppe mit speziellen Aufgaben. Sie hat auch keine dominieren- de Rolle in den Beziehungen zu Mosambik gespielt. Hans-Joachim DoÈring: Ich habe den Eindruck, das MfS hatte vor allem ein starkes Interesse an der Absicherung der Groûprojekte, damit die Reexporte und die Exporte realisiert werden konnten usw. Helmut Matthes: Richtig, dieGruppehat dieGewa È hrleistung der Sicher- heit wesentlich unterstuÈ tzt. Es ging dabei aber nicht primaÈ r um dieExporte, sondern um die Sicherung des Lebens der Menschen und der gesamten DDR- AktivitaÈ ten. Es war Krieg, und wir muûten uns im Lande bewegen. Wir hat- ten fuÈ r diese Zwecke eine spezielle Einsatzgruppe. Auch ein Flugzeug stand fuÈ rlaÈ ngere Zeit zur VerfuÈ gung. PersoÈ nlich waren die Vertreter der Minister- ratsgruppefuÈ r mich wichtigeGespra È chspartner in vielen Fragen der ErfuÈ llung der Aufgaben in Mosambik. Auch die Zentrale dieser Gruppe konnte ich kon- sultieren. Hans-Joachim DoÈring: Herr Professor Matthes, haben Sie noch Kontakte zu Mosambik? Helmut Matthes: In letzter Zeit nicht mehr. Ich bin 1995/96 als Leiter eines Projektes wieder dort gewesen. Allgemein ist dort die Geschichte der Bezie- hungen zur DDR in guter Erinnerung, wenngleich man auch Kritisches hoÈ rt. Die Abwicklung der Beziehungen nach der Wende hat viel Unzufriedenheit hervorgerufen. Das betrifft auch den Abbruch des ArbeitskraÈ fteeinsatzes in Deutschland. Die Beziehungen zum heutigen Deutschland waÈ ren ein interes- santer Gegenstand fuÈ r eine Analyse. Hans-Joachim DoÈring: Herr Professor Matthes, herzlichen Dank fuÈ r dieses GespraÈ ch.

279 GespraÈ ch mit Dr. Friedel Trappen 19.5.1999)

DR. FRIEDEL TRAPPEN Jahrgang 1924; 1938±48 Lehre als Feinmechaniker; Kriegsmarine, Kriegsge- fangenschaft; 1948±57 Neulehrer, Kreisvorsitzender der FDJ in Blankenburg/ Harz, Leiter des Landesjugendamtes von Sachsen-Anhalt; 1957±61 Institut fuÈ r Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED; 1961±62 TaÈ tigkeit an der Botschaft der DDR in Kuba; 1964 Promotion uÈ ber die kubanische Revoluti- on; Instrukteur fuÈ r Lateinamerika in der Abteilung Internationale Verbindun- gen im ZK der SED; 1973 Botschafter der DDR in Chile; 1974±86 Stellvertre- tender Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED fuÈ r die Bereiche Afrika, Asien, Lateinamerika; 1986±89 Stellvertretender Leiter der Abteilung Verkehr im ZK der SED; seit Mai 1989 Ruhestand; Mitglied der PDS sowie des »Rates der Alten« beim Parteivorstand.

Hans-Joachim DoÈring: Herr Dr. Trappen, vielen DankfuÈ r Ihre Bereitschaft zu einem GespraÈ ch uÈ ber die Beziehungen der DDR zu AÈ thiopien und Mosam- bikund zur Afrikapolitikder DDR. Beide La È nder besaûen in der Auûen- und Auûenwirtschaftspolitikder DDR einen hohen Stellenwert. Sie waren lange Zeit mit der Entwicklung und Pflege dieser Beziehungen betraut und auf der Ebene des Zentralkomitees der SED fuÈ r die Beziehungen zu den Entwick- lungslaÈ ndern mit verantwortlich. Wie erfolgte die Abstimmung und Zusammenarbeit innerhalb der Afrika- politikzwischen der Abteilung Internationale Verbindungen beim ZK der SED und der Auûenpolitiksowie der Auûenwirtschaft der DDR? Friedel Trappen: Das Ganze war wie die gesamte Machtstruktur der DDR geordnet. Es hieû bei uns intern, die Politikwird hier gemacht, im groûen Haus des ZK. Und alle anderen haben das zu machen, was wir sagen. Als Ab- teilung Internationale Verbindungen hatten wir die Verantwortung fuÈ r die Gesamtheit, die Grundfragen der Auûenpolitikund damit auch der Auûen- wirtschaft. In wirtschaftlichen Fragen haben wir uns abgestimmt mit den fe- derfuÈ hrenden wirtschaftspolitischen Abteilungen im ZK. Das heiût, alle grundlegenden BeschluÈ sse zu Fragen der Auûenpolitik, zu Fragen der perso- nellen Besetzung ± bis zu Botschaftern, auch die SekretaÈ re, die ParteisekretaÈ - re, denn wir hatten ja in jeder Botschaft auch eine Parteiorganisation ± und Fragen der grundsaÈ tzlichen oÈ konomischen BeschluÈ sse ± zum Beispiel die Ge- waÈ hrung von Regierungskrediten ± erreichten mich. Alles was die Dritte Welt betraf, gehoÈ rte zu meinem Arbeitsgebiet und ging uÈ ber unsere Schreibtische. Ich hatte drei Sektoren in diesem Bereich, und wir muûten die BeschluÈ sse vorbereiten. Das heiût, die BeschluÈ sse wurden je nach Bedeutung dem Sekre- tariat bzw. dem PolitbuÈ ro vorgelegt. Wir muûten als Internationale Abteilung

280 zu allen BeschluÈ ssen und Vorlagen unsere Meinung aÈ uûern. Entweder ableh- nen oder bestaÈ tigen, etwas dazupacken oder weglassen. Das ging bis zu den Reisekadern. Die Reisen gewissermaûen fast aller Leute in der DDR wurden in meinem Sektor bearbeitet. Hans-Joachim DoÈring: Das betraf nicht nur die Reisekader, oder? Friedel Trappen: Nein, das betraf nicht nur die Partei, auch die Handels- vertreter, die Massenorganisationen, das SolidaritaÈ tskomitee und den Sport, aber nicht die Kirchen. Hans-Joachim DoÈring: Die Akten weisen auf eine Arbeitsteilung hin: Das PolitbuÈ ro beschaÈ ftigte sich schwerpunktmaÈ ûig mit AÈ thiopien, und das Sekre- tariat des ZK befaûte sich mit Mosambik. Wie kam es zu dieser Aufteilung? Friedel Trappen: Dieser Eindruckist nicht ganz richtig. Mit Mosambik und Angola liefen die Verbindungen schon laÈ nger in normalen Bahnen. Die waren schon vor der Entwicklung in AÈ thiopien geknuÈ pft worden, im Fall von Mosambikschon 1974. Mit AÈ thiopien haben wir konkretere Beziehungen erst 1977 aufgenommen. Das hing mit Werner Lamberz zusammen. Als Mitglied des PolitbuÈ ros hatte er ein ganz persoÈ nliches Interesse an diesem Land. Lam- berz war ja eigentlich nicht der internationale SekretaÈ r, das war Hermann Axen. Aber Lamberz hatte immer ein Ohr und eine Hand fuÈ r die internationa- len Beziehungen. Ich persoÈ nlich hatte ein sehr gutes VerhaÈ ltnis zu Werner Lamberz. Auch aus der fruÈ heren gemeinsamen FDJ-Zeit her. Und mit AÈ thio- pien hing Eritrea zusammen. Wir wollten ja zwischen der eritreischen Befrei- ungsbewegung und der aÈ thiopischen FuÈ hrung vermitteln. Hans-Joachim DoÈring: Was war der Anlaû fuÈ r das AÈ thiopienengagement von Werner Lamberz? Friedel Trappen: Das kam so: Axen konnte rein praktisch nicht alle Aus- landsaufgaben wahrnehmen. Demzufolge wurden auch andere Mitglieder des PolitbuÈ ros mit der Leitung von Delegationen, Parteitagsbesuchen usw. beauf- tragt. Werner Lamberz war SekretaÈ rfuÈ r Propaganda und fuÈ r die ideologische Ar- beit. Die Reise nach AÈ thiopien ergab sich eigentlich fast zufaÈ llig auf der Reise zum Parteitag nach Mosambik. Da haben wir erstmal Station in Somalia ge- macht. Hans-Joachim DoÈring: Auf dem Hinflug Ende Januar 1977? Friedel Trappen: Auf dem Hinflug im Winter 1977. Da haben wir mit PraÈ - sident Said Barre gesprochen. Das war ein interessantes GespraÈ ch. Lamberz hatte zu diesem Zeitpunkt gute Beziehungen zu dem damaligen SekretaÈ rfuÈ r Ideologie des Provisorischen MilitaÈ rrates in AÈ thiopien. Der hoÈ rte von unserer Afrikareise und lud uns nach Addis Abeba ein. Die Mitteilung uÈ ber die Ein- ladung der Delegation unserer Partei nach AÈ thiopien bekamen wir in Mosam- bik. In diesen Tagen ist dann Mengistu an die Macht gekommen und hat in- nerhalb seiner FuÈ hrungsgruppe im MilitaÈ rrat bzw. im DERG durchgegriffen. Ich weiû nicht, ob das stimmt, daû er selbst zur Pistole griff. Hans-Joachim DoÈring: Manche sprechen von einer »bewaffneten Diskus- sion«. Friedel Trappen: Ja.

281 Hans-Joachim DoÈring: Es sind sechs Leute erschossen worden. Friedel Trappen: Darunter auch der Partner von Lamberz. Das war einer derjenigen, der mit umgebracht worden ist. Hans-Joachim DoÈring: Verstehe ich Sie richtig: Der Zwischenstopp in Ad- dis war beim Start in Berlin noch nicht geplant? Friedel Trappen: Nein, der war uÈ berhaupt nicht geplant. Wir erhielten von Berlin aus die Mitteilung uÈ ber die Einladung und den Auftrag vom PolitbuÈ ro, auf der RuÈ ckreise in AÈ thiopien vorbeizugucken, um die Lage zu klaÈ ren usw. Das haben wir gemacht. Hans-Joachim DoÈring: Und wuûten Sie schon, daû ¼ Friedel Trappen: Ja, wir wuûten, daû der Partner von Lamberz umgekom- men war. Hans-Joachim DoÈring: Erschossen! Friedel Trappen: Ja, erschossen. Werner Lamberz war interessiert daran, Informationen zu bekommen. Wir sind nach AÈ thiopien gefahren und wurden, sagen wir mal, empfangen wie eine hohe Staatsdelegation. Wir waren die erste Delegation, die unmittelbar nach dem Putsch ankam. Mengistu ganz persoÈ n- lich hat mit Werner Lamberz stundenlange GespraÈ che gefuÈ hrt. Lamberz war ein ausgezeichneter Mann, auf ideologischem Gebiet sehr beschlagen. Er hat Mengistu beeindruckt. Zwei NaÈ chte hindurch haben wir dort diskutiert. Ich habe hinterher den ganzen Bericht machen muÈ ssen. FuÈ r Werner Lamberz war das hochinteressant. Die Beziehungen zu AÈ thio- pien wurden seine persoÈ nliche Sache. Das besprach er auch mit Axen. Und Hermann Axen hat gesagt: »Na, es ist in Ordnung.« Daraus resultierte dann auch etwas, was vielleicht nicht bekannt ist: Ich be- kam den Auftrag zu einem Schnellbesuch in Kuba. Ich sollte die kubanische Regierung unterrichten uÈ ber das, was wir in AÈ thiopien erlebt hatten, und ich sollte sie fuÈ r den sogenannten sozialistischen Aufbau in AÈ thiopien interes- sieren. Hans-Joachim DoÈring: Also kann man sagen, Lamberz hat die Kubaner ans Horn von Afrika geholt. Friedel Trappen: Ja, Lamberz hat Kuba nach AÈ thiopien gebracht. Das an- schlieûende Wochenende bin ich gleich nach Havanna geflogen und habe die kubanische Regierung informiert. Hans-Joachim DoÈring: WoruÈ ber haben Sie informiert? Friedel Trappen: UÈ ber unsere GespraÈ che. Ich hatte mit Lamberz alles ab- gesprochen: seine EinschaÈ tzung der Lage in Addis, jetzt unter Mengistu, daû das dort eine gute und eine fruchtbare Entwicklung gab und nun die MoÈ glich- keit bestand, daû der Sozialismus weiter Fuû faûte usw. Wir waren der Mei- nung ± das hatte Lamberz aber auch mit den AÈ thiopiern besprochen ±, daû die UnterstuÈ tzung auch zum Teil von Schwarzen gemacht werden sollte. Hans-Joachim DoÈring: Das bedeutet, fuÈ r die bewaffneten Truppen, die die Kubaner schicken sollten, wurden betont Afrokubaner rekrutiert? Friedel Trappen: Ja. Ganz bewuût wurden meist Schwarze geschickt. Of- fensichtlich.

282 Hans-Joachim DoÈring: Und das, obwohl immer wieder Reibereien auftra- ten zwischen Mestizen und Kreolen ¼ Friedel Trappen: Man kann wirklich sagen, daû Werner Lamberz in bedeu- tendem Maûe dazu beigetragen hat oder den Anstoû gegeben hat, daû die Ku- baner sich intensiv mit AÈ thiopien beschaÈ ftigten. Hans-Joachim DoÈring: Und das zu einem Zeitpunkt, als die Sowjetunion noch ganz auf Somalia setzte. Friedel Trappen: Ja. Hans-Joachim DoÈring: Das strategische Interesse der Sowjetunion war, daû sie versuchte, die Seestraûen am Roten Meer und zum Suezkanal zu kontrollie- ren. Dazu benoÈ tigte sie StuÈ tzpunkte. Das BuÈ ndnis der Sowjetunion mit Soma- lia spielte seit Ende der sechziger Jahre eine dominante Rolle. Doch ploÈ tzlich gab es eine Umorientierung. Warum broÈ ckelte diese Beziehung im Winter 1976? Friedel Trappen: Das hing damit zusammen, daû die Somalis und die AÈ thiopier uÈ ber das Ogadenland im Streit lagen. Ein klassischer Konflikt, kein neuer. Somalia wurde immer instabiler in diesen Dingen. Aber AÈ thiopien wurde immer stabiler im Sinne des Sozialismus. Und das war interessant. Wo- bei das besonders Wichtige war ± und deswegen haben wir AÈ thiopien im Kampf gegen Eritrea unterstuÈ tzt ±, letztlich die HaÈ fen Assab und Mossawa zu kriegen, oder wenigstens die Kontrolle daruÈ ber. Hans-Joachim DoÈring: Die StuÈ tzpunktfrage. Assab sollte als MilitaÈ rstuÈ tz- punkt ausgebaut werden. Friedel Trappen: Na selbstverstaÈ ndlich. Und es war zugleich der einzige Zugang zum Meer fuÈ rAÈ thiopien. Das war natuÈ rlich etwas, was wir unbedingt erreichen wollten. Daher haben wir ja auch diese Aufgabe uÈ bernommen, mit den Eritreern, mit der eritreischen Befreiungsbewegung zu reden, hier in Ber- lin. Hans-Joachim DoÈring: Auf das Thema komme ich gern noch mal zuruÈ ck. Zuvor moÈ chte ich auf den 11./12. Februar 1977 Bezug nehmen. Am 11. Fe- bruar wurde Mengistu ± sieben Tage nach dem Putsch ± zum StaatspraÈ siden- ten und Chef des DERG benannt sowie als Oberbefehlshaber des Heeres ein- gesetzt. Keiner seiner VorgaÈ nger hatte eine derartige MachtfuÈ lle. Mich interessiert: Wie haben Sie als Delegation die Tatsache aufgenommen, daû Sie sozusagen von einem Freund eingeladen wurden, der dann ploÈ tzlich ermordet worden war? Lamberz stand doch zuvor mit Mengistu nicht im Kontakt, oder? Friedel Trappen: Er hatte vorher gar nichts mit Mengistu zu tun gehabt. Hans-Joachim DoÈring: Lamberz kannte Mengistu nicht und sprach jetzt in- tensiv und vertrauensvoll sozusagen mit dem MoÈ rder seines Freundes. Haben Sie das diskutiert? Friedel Trappen: Nein, das haben wir nicht diskutiert. Hans-Joachim DoÈring: Gab es keine emotionale Barriere? Friedel Trappen: Eine emotionale Barriere war nicht da. Aber der Begriff Freund trifft das VerhaÈ ltnis nicht. Der Lamberz hatte den einladenden aÈ thio- pischen DERG-SekretaÈ r ein Mal gesehen. Das war kein persoÈ nliches VerhaÈ lt- nis, in keiner Weise. Er war fuÈ r ihn ein Mann aus der FuÈ hrung AÈ thiopiens.

283 Hans-Joachim DoÈring: Also keine Freundschaft, sondern eher gleiche Ar- beitsebene, sozusagen von ideologischem SekretaÈ r zu ideologischem SekretaÈ r¼ Friedel Trappen: Ja, sie kannten sich auf der Arbeitsebene. Er war auch, glaube ich, nicht in der DDR gewesen. Sie hatten sich wohl auf einem Kon- greû kennengelernt. Er hatte Lamberz, als wir in Somalia waren, mitteilen las- sen, daû wir am 31. Januar oder 1. Februar doch mal vorbeikommen sollten. Da hat der Lamberz zu mir gesagt ± ich war SekretaÈ r dieser Delegation, er war der Leiter ±, Du, paû mal auf, ich habe da eine Mitteilung von dem und dem, wir muÈ ssen mal sehen, daû wir auf dem RuÈ ckweg vielleicht Station ma- chen koÈ nnen. Weiter hat er mir nichts gesagt. Hans-Joachim DoÈring: Gab es trotz dieser spontanen Einladung eine Ab- stimmung mit der Sowjetunion? Friedel Trappen: Nein. Die Sowjetunion hat lediglich im nachhinein eine Information von uns bekommen. Direkt eine Abstimmung gab es dazu nicht. Hans-Joachim DoÈring: Der Besuch war demzufolge kein sowjetischer Auf- trag? Friedel Trappen: Er war kein sowjetischer Auftrag. Mit den Sowjets hatte ich manchmal auch einige Probleme. Hans-Joachim DoÈring: Welcher Art? Friedel Trappen: Derart, daû sie meiner Meinung nach zu rigoros waren und zu wenig die nationalen Spezifika der einzelnen LaÈ nder beachteten. Hans-Joachim DoÈring: Sie meinen, sie spannten die einzelnen LaÈ nder zu sehr in ihre strategischen Ziele ein? Friedel Trappen: Genau. Einer der HoÈ hepunkte war, daû sie den Mosam- bikanern so einen Siebenjahrplan einreden wollten, mit dem sie die Unterent- wicklung uÈ berwinden wollten. Das war irreal und unsinnig. Dann kam die Sa- che mit der GruÈ ndung der Partei. Sie wollten gleich eine Partei neuen Typus aufbauen. Wir haben uns dagegen ausgesprochen. Hans-Joachim DoÈring: Stichwort Partei neuen Typus' und Mosambik. Bei dem III. FRELIMO-Kongreû in der ersten Februarwoche 1977 erklaÈ rte sich die FRELIMO als marxistisch-leninistische Partei. Ich nahm bisher an, daû das starkvon Lamberz gefoÈ rdert worden war. Er war als Ideologie-SekretaÈ r und PolitbuÈ romitglied der RanghoÈ chste aus dem Ostblockauf dem Kongreû. Friedel Trappen: Nein, gar nicht. Uns war das nicht wichtig. Und auch Lamberz nicht. Das weiû ich genau. Der hat damals noch gesagt: Leute, seid vorsichtig. Prescht mit dieser Entwicklung nicht so schnell vor. Lamberz war in dieser Hinsicht etwas flexibler. Woher das DraÈ ngen kam, ob von den Sowjets oder nicht, das kann ich nicht sagen. Von uns kam es auf jeden Fall nicht. Hans-Joachim DoÈring: Es war demnach keine Voraussetzung fuÈ r die staat- liche und solidarische UnterstuÈ tzung? Friedel Trappen: Von unserer Seite aus jedenfalls nicht. Klar haben wir uns den Sowjets angenaÈ hert. Wir haben sie um ihre Mei- nung gefragt. Wir haben das mitgemacht, was sie gemacht haben. Die haben Kader ausgebildet, wir haben Kader ausgebildet. Wir waren an der Partei- schule, die waren an der Parteischule.

284 Hans-Joachim DoÈring: Ich wuÈ rde gern auf AÈ thiopien zuruÈ ckkommen. Bei diesem ersten GespraÈ ch im Februar hat Mengistu eine ganze Reihe von WuÈ n- schen geaÈ uûert und um UnterstuÈ tzung gebeten. Welche WuÈ nsche hatten fuÈ r Mengistu PrioritaÈ t? Friedel Trappen: PrimaÈ r war fuÈ r Mengistu: a) die Beratung der StreitkraÈ fte und der Aufbau von Sicherheitsorganen, b) die Entwicklung der Landwirtschaft und die Bodenreform, c) der Aufbau einer fuÈ hrenden Partei. Damals hieû es noch fuÈ hrende politi- sche Organisation. Aber das wurde ja dann die Partei. Hans-Joachim DoÈring: Die Machtfrage! Friedel Trappen: Die Machtfrage, natuÈ rlich. Aufbau der Machtorgane, Aufbau der Planungsorgane, gewissermaûen der richtige Aufbau eines neuen Staatsapparates. Denn das waren ja die SaÈ ulen des Staatsapparates: Armee, Sicherheitsorgan, Planungsorgan usw. Hans-Joachim DoÈring: Hat bei den Beratungen mit Mengistu oder bei der spaÈ teren Auswertung der GespraÈ che durch die Delegation eine Rolle gespielt, was fuÈ r einen politischen FluÈ gel Mengistu im revolutionaÈ ren DERG aus dem Weg geraÈ umt hat? Friedel Trappen: Nein, das hat keine Rolle gespielt. Es war nur allgemein die Rede von Leuten, die oppositionell waren, die nicht in der Entwicklung der Revolution weitergehen wollten. Hans-Joachim DoÈring: Eine Besonderheit in AÈ thiopien war, daû der »rote Terror« von der neuen Obrigkeit regelrecht ausgerufen wurde und in einem Zusammenspiel von Oben und Unten stattgefunden hat. Er richtete sich weit- gehend gegen linke oder radikalsozialistische KraÈ fte. Von daher ist fuÈ r mich die Aussage »die gingen nicht weit genug in der Revolution« problematisch. Friedel Trappen: Das war aber das, was sie uns damals gesagt haben, daû dies KraÈ fte waren, die die weitere Entwicklung behinderten. Hans-Joachim DoÈring: Waren sich Lamberz und Mengistu persoÈ nlich sym- pathisch? Friedel Trappen: Ja, sehr. Das ist wahrscheinlich mit eine der entscheiden- den Sachen, daû die beiden sich persoÈ nlich sehr sympathisch waren. Fand ich jedenfalls. Und fanden auch alle anderen in der Delegation. Mengistu war sehr aufgeschlossen Lamberz gegenuÈ ber. Das zeigte sich auch spaÈ ter, als Lam- berz umgekommen war, daran, daû sie ihn zum Helden in AÈ thiopien gemacht haben. Hans-Joachim DoÈring: Lamberz erfuhr eine groÈ ûere Heldenverehrung in Addis Abeba als in Ostberlin. Friedel Trappen: Ja. Auch seiner Witwe gegenuÈ ber empfand sich die aÈ thio- pische FuÈ hrung verpflichtet. Das weiû ich. Sie haben sie eingeladen usw. Das war also richtige Heldenverehrung. Sie wuûten natuÈ rlich auch von den Kuba- nern, die Lamberz fuÈ r sie gewonnen hatte. Die UnterstuÈ tzung der Kubaner war ja etwas Wesentliches. Hans-Joachim DoÈring: Lamberz, der Retter der Revolution. FuÈ r mich tritt jetzt eine gewisse Irritation ein. Aus der Literatur entnahm ich ± vergroÈ bert wiedergegeben ±, daû Mengistu ein Hardliner war, der starkauf militaÈ rische

285 LoÈ sungen setzte. UÈ ber Lamberz erfuhr ich, daû er weltgewandt war, den KuÈ n- sten gegenuÈ ber aufgeschlossen, Visionen hatte, auf keinen Fall ein MilitaÈ r. Friedel Trappen: Nein, das war er nicht. Er war kein MilitaÈ r. Hans-Joachim DoÈring: Wie konnten die beiden so eng zusammenkommen? Friedel Trappen: Mengistu hat sich uns gegenuÈ ber nicht als MilitaÈ r praÈ sen- tiert. Es war bedeutsam, daû er zuhoÈ ren konnte. Mengistu war aufgeschlos- sen, und er hat allem zugehoÈ rt, was Lamberz gesagt hat. Wir haben nach den GespraÈ chen gesagt, der hat das aufgenommen wie ein trockener Schwamm. Und Lamberz war natuÈ rlich auch in der Lage, ihm die ganzen Dinge, ich wuÈ r- de mal sagen, schmackhaft darzulegen. Hans-Joachim DoÈring: Welche Dinge meinen Sie? Friedel Trappen: Sozialismus. Was ist Sozialismus? Was ist die Rolle der Partei? Wie muû man das aufbauen? Was heiût Diktatur des Proletariats? Lamberz hat ihm das sehr deutlich gesagt. Man hat foÈ rmlich gemerkt, daû Mengistu sehr uÈ berzeugt war von dem, was Lamberz sagte. Hans-Joachim DoÈring: Verstehe ich die Situation richtig, wenn ich sage, die Offenheit von Mengistu ruÈ hrte daher, daû er sich in einer Phase der Neuorien- tierung und Unsicherheit ± er war ja nicht unumstritten und hatte sich bewaff- net durchgesetzt ± einen ranghohen GespraÈ chspartner des Ostblocks sichern wollte? Friedel Trappen: Das war offensichtlich. Wir waren ja die erste Delegation aus einem sozialistischen Land. Und Mengistu hatte ernste Bedenken, nicht anerkannt zu werden. Denn er hatte ja einen MilitaÈ rputsch gemacht, mit Waf- fengewalt. Mengistu hatte offensichtlich Bedenken oder sogar Angst, daû er von den sozialistischen LaÈ ndern nicht aufgenommen wird. Und deswegen wollte er und muûte er logischerweise auch einen guten Eindruckmachen. Er wollte nicht den MilitaÈ r herauskehren, sondern war bemuÈ ht, den Eindruck haften zu lassen, daû er natuÈ rlich auf unserer Seite stehe, daû er den Sozialis- mus wolle. Deswegen hat er die AktivitaÈ ten der anderen Seite und deren Ge- fahren negativer dargestellt, als sie in Wirklichkeit waren. Das stellten wir erst hinterher fest. FuÈ r Mengistu war das, auch rein persoÈ nlich gesehen, eine ganz wichtige Sache. Wenn er diese Delegation von seiner Redlichkeit uÈ berzeugen koÈ nnte, wuÈ rde das auch die Beziehungen zu den Kubanern und den Sowjets beeinflussen. Denn er wuûte mit Sicherheit, auch von seinen Beratern, daû die DDR bzw. die SED sowohl einen guten Draht zu den Sowjets als auch zu den Kubanern hatte. Hans-Joachim DoÈring: Wenn der ermordete »Freund« von Herrn Lamberz nicht nach Addis eingeladen haÈ tte, waÈ re dann die Delegation uÈ ber AÈ thiopien hinweggeflogen? Friedel Trappen: Ja, wahrscheinlich. Hans-Joachim DoÈring: Dann haÈ tte es unter UmstaÈ nden am Horn von Afri- ka eine ganz andere Entwicklung gegeben? Friedel Trappen: Nicht auszuschlieûen. Ganz konkret war das so: Wir wa- ren, wie gesagt, in Mosambik. Dort kriegten wir die Information, daû in AÈ thiopien dieser Staatsstreich stattgefunden hat. Es war auch bekannt, daû Bante weg war und die Partner von Lamberz. Und Lamberz fragte von Mo-

286 sambikaus nach Berlin zuruÈ ck: Ich habe die Einladung, soll ich oder soll ich nicht? Und da kam von Berlin aus der Auftrag: Sofort hinreisen! Hans-Joachim DoÈring: Hat Hermann Axen oder Erich Honecker den Auf- trag erteilt? Friedel Trappen: Honecker nehme ich an, nach Beratung mit Axen. Uns war natuÈ rlich klar, daû AÈ thiopien mit einem relativ starken MilitaÈ rap- parat eine Sache war, die sich halten konnte. Hans-Joachim DoÈring: Halten im Sinne eines Territorialgewinns fuÈ r das so- zialistische Lager? Friedel Trappen: Territorialgewinn fuÈ r das sozialistische Lager? Sagen wir mal, wir haben es als festen StuÈ tzpunkt fuÈ r das sozialistische Lager betrachtet. Hans-Joachim DoÈring: Aufgrund dieses InitialgespraÈ ches im Februar erga- ben sich bis zum Absturz von Werner Lamberz enorme AktivitaÈ ten. Schon Anfang MaÈ rz weilte eine kubanische Delegation in Addis Abeba, und es ka- men wichtige Delegationen des DERG nach Ostberlin. Zudem flogen noch im MaÈ rz mehrere Flugzeuge von Berlin-SchoÈ nefeld mit Waffen nach Addis. Friedel Trappen: Eine der Hauptbitten, die von Mengistu kam, war die nach militaÈ rischer UnterstuÈ tzung und militaÈ rischer Sicherung der Revolution. Hans-Joachim DoÈring: Wurden Analysen vorgenommen, wer der Gegner war und gegen wen die Waffen eingesetzt wurden? Friedel Trappen: FuÈ r die eigene Armee. Na gut, wir wuûten natuÈ rlich da- mals, daû es diese Gefahr im Ogaden gab. Und von Siad Barre hatten wir nicht den besten Eindruck. Also demzufolge war fuÈ r uns ganz klar, daû dieser StuÈ tzpunkt aufgebaut werden muûte, militaÈ risch. Deswegen waren auch Si- cherheitsleute da. Hans-Joachim DoÈring: Jetzt gab es aber eine Abstimmung mit der Sowjet- union? Friedel Trappen: Ja. Wenn ich mich nicht ganz irre, ist Markowski als Ab- teilungsleiter nach Moskau geflogen. Es gab einen sehr detaillierten Bericht nach Moskau, das ist klar. Der sowjetische Botschafter wurde noch in AÈ thio- pien von uns informiert. Hans-Joachim DoÈring: Dieser sowjetische Botschafter war soeben erst be- rufen worden. Im Dezember 1976 kam er direkt aus Mogadischu, wo er als Befehlshaber der sowjetischen Truppen oder Beratereinheiten im Einsatz war und die somalische Armee gegen AÈ thiopien mit aufgebaut und angeleitet hatte. Friedel Trappen: Die Sowjets haben sich dann auch sehr schnell auf AÈ thio- pien eingelassen. Hans-Joachim DoÈring: Das waren schon spannende VorgaÈ nge. Die DDR lieferte wohl fast als erster Staat Waffen fuÈ r das neue Regime. Diese wurden, noch bevor es im Juli zum Ogadenkrieg kam, im MaÈ rz und April fuÈ r die »Volksbewaffung« und die beginnenden SaÈ uberungen eingesetzt. Wurde die Verwendung der Waffen im ZK diskutiert? Friedel Trappen: Nein, das wurde so nicht diskutiert. Bei uns zumindest in der Abteilung nicht. Wenn das diskutiert wurde, war das schon ein anderer Rahmen. Kann sein, daû das innerhalb der militaÈ rischen Einheiten und Orga-

287 nisationen, im Verteidigungsministerium und im Ministerium fuÈ r Staatssi- cherheit diskutiert wurde. Mit mir auf jeden Fall nicht. Ich bin auch bei aller Bedeutung, die wir im ZK hatten, nie in die Details der militaÈ rischen oder si- cherheitspolitischen AktivitaÈ ten eingeweiht worden. Ich wuûte zwar, daû wir militaÈ risches GeraÈ t lieferten, aber ich wuûte nie, was und wieviel wer erhielt. Die einzigen, mit denen ich immer wieder zusammenkam, das waren die Leute von Schalck-Golodkowski, weil das natuÈ rlich wiederum mit den speziellen po- litisch-oÈ konomischen Sachen zusammenhing. Hans-Joachim DoÈring: Wer hat denn die Zahlen uÈ ber den finanziellen Um- fang der Waffenlieferungen in die Protokolle geschrieben? Da steht zum Bei- spiel, daû im Juni 1977 fuÈ r 53 Millionen Markder DDR Waffen geliefert wor- den sind. Friedel Trappen: Das haben die Ministerien reingeschrieben. Das ging dann uÈ ber den Ministerrat ins PolitbuÈ ro usw. Aber das waren Dinge, die sie dann nicht uÈ ber uns geleitet haben. Hans-Joachim DoÈring: Die Botschafter haben doch immer berichtet. Friedel Trappen: Ja, das war etwas anderes. Die Botschafter haben uÈ ber die Lage berichtet. Aber uÈ ber konkrete militaÈ rische Angaben, fuÈ r wieviel Mil- lionen MarkWaffen geliefert, was fuÈ r Waffen oder wieviel Mann dort einge- setzt und wieviel ausgebildet wurden, das erfuhren wir nicht. Die ersten Waf- fenlieferungen waren eigentlich nicht entscheidend, aber sie waren bedeutsam. Hans-Joachim DoÈring: FuÈ r die DDR waren Waffen im Wert von 100 Mil- lionen schon nicht wenig. Friedel Trappen: Ja natuÈ rlich. Aber ich meine, fuÈ r den ganzen Krieg war das nicht entscheidend. Wichtig war das GespraÈ ch mit Lamberz, das war der Initialschuû. Das hat Lamberz vorangetrieben. Lamberz, weiû ich, hatte auch, ohne mich einzubeziehen, mit den Ministerien, mit Hoffmann, mit den Leuten von der Armee und mit Mielke von der Staatssicherheit unmittelbar gespro- chen. Hans-Joachim DoÈring: Lamberz hat Druckgemacht? Friedel Trappen: Ja, er hat gesagt: Nun macht mal! Hans-Joachim DoÈring: SchraÈ nke auf! Friedel Trappen: Aber natuÈ rlich. Lamberz hat im PolitbuÈ ro mit Honecker geredet, hat Honecker in manchen Dingen beredet, wie man sagen muû. Alles hat dem Axen gar nicht gepaût, weil er damit aus einer bedeutenden interna- tionalen AktivitaÈ t ausgeschlossen wurde. Hans-Joachim DoÈring: Hermann Axen war auch bedaÈ chtiger. Friedel Trappen: Ja. Lamberz war noch ein biûchen Heiûsporn. Er war ja auch wesentlich juÈ nger. Axen war abwaÈ gender. Er war ja auch in den interna- tionalen Fragen der viel staÈ rkere Analytiker und Theoretiker. Der hat da tie- fer geguckt. Hans-Joachim DoÈring: Wenn ich das richtig sehe, wurden die Waffen nicht als solidarische Schenkung abgegeben, sondern wurden von Anfang an ver- kauft. Friedel Trappen: Das weiû ich nicht. Das kann ich Ihnen nicht sagen.

288 Wahrscheinlich teils, teils. Wahrscheinlich ist durchaus ein Verkaufsvertrag gemacht worden, aber dann wurden mit der Zeit bestimmte RuÈ ckzahlungsver- pflichtungen aufgehoben. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Hans-Joachim DoÈring: Im FruÈ hjahr 1977 taucht dann recht unverhofft die Kaffeekrise in der DDR auf. Die BezugsmoÈ glichkeiten von Rohkaffee spiel- ten in den Beziehungen zu AÈ thiopien eine zentrale Rolle. Es hatte sich sozusa- gen die ideologische Sympathie zum neuen Regime mit neuen Importerwar- tungen verflochten. KoÈ nnen Sie das beschreiben? Friedel Trappen: Ja, das war ganz wichtig. Es stand die Frage, ob wir kei- nen Kaffee mehr kriegen. In Angola war das schwierig geworden. Hans-Joachim DoÈring: Warum? Friedel Trappen: In Angola war ja inzwischen BuÈ rgerkrieg. Die Kaffeepro- duktion war stark behindert, waÈ hrend sie in AÈ thiopien noch moÈ glich war. Der aÈ thiopische Kaffee war aus irgendeinem Grunde fuÈ r uns auch besser ge- eignet, rein von der SpezifitaÈ t her. Da wurde mit den AÈ thiopiern gesprochen. Und die haben ± natuÈ rlich ausgehend von der Tatsache, daû wir sofort die MilitaÈ rlieferungen senden ± gesagt: Jawohl, Rohkaffee koÈ nnt ihr haben. Da- durch waren wir in der Lage, mit Waffenlieferungen auszugleichen. Hans-Joachim DoÈring: Wurden dann besonders viele Waffen geliefert, weil man besonders viel Kaffee kaufen bzw. tauschen wollte? Friedel Trappen: Das hat eine Rolle gespielt. Je schneller wir unsere Zusa- gen einhielten, um so schneller konnten wir den aÈ thiopischen Kaffee bekom- men. Das war wirklich so gewollt, und das ist auch so gewesen. Hans-Joachim DoÈring: Ein Tausch: blaue Bohnen gegen rote Bohnen. Friedel Trappen: OÈ konomisch hat uns das in der DDR sehr geholfen. Hans-Joachim DoÈring: Wurde es nicht als problematisch empfunden, daû dort dazu beigetragen wurde, um hier die eigenen Kaffeetassen zu fuÈ llen, eine linke Opposition niederzukaÈ mpfen und auszumerzen? Friedel Trappen: Daû es eine linke Opposition war, ist uns allen nicht so bewuût gewesen. Mir ist es insbesondere klarer geworden, als ich mit den Eri- treern mal zusammengetroffen bin. Hans-Joachim DoÈring: Die Abteilung Internationale Verbindungen hatte sich ja sehr fuÈ r die Vermittlung bzw. fuÈ r eine GespraÈ chsebene zwischen der aÈ thiopischen Zentralregierung und den noÈ rdlichen eritreischen Befreiungsbe- wegungen bemuÈ ht. KoÈ nnen Sie die Zielrichtung beschreiben? Friedel Trappen: Die Zielrichtung war eigentlich ganz einfach: Paul Mar- kowski hatte sie ausgearbeitet. Ein Vertrag zwischen beiden Seiten: Die Eritreer sollten sich in das aÈ thiopische Staatsgebiet einordnen und dafuÈ r einen bestimm- ten Grad an Autonomie behalten. Das Hauptziel war, daû Eritrea eingeordnet blieb, um vor allem den Seeweg fuÈ rdieAÈ thiopier zum Roten Meer und MilitaÈ r- stuÈ tzpunkte dort oben in Assab oder Mossawa zu erhalten. Das war eigentlich der groûe Hintergrund. Die Argumentation, die wir hatten, war natuÈ rlich die, daû wir in starkem Maûe, besonders bei den Eritreern, aber auch bei den AÈ thiopiern, an ihre marxistische Vergangenheit anknuÈ pfen wollten. Da kamen wir bei den Eritreern aber schlecht an, weil die uns immer sofort vorhielten, daû die AÈ thiopier doch keine Marxisten seien, sondern Amharen,

289 und das ist eine MilitaÈ rkaste. Dann haben die uns aufgeklaÈ rt, wer die Amha- ren sind. Dem konnten wir nicht allzuviel entgegensetzen, weil die Amharen, Mengistu und seine Gefolgsleute, tatsaÈ chlich von ihrer Herkunft uÈ berhaupt nichts mit Marxismus zu tun hatten, sondern eben tatsaÈ chlich nur MilitaÈ rs waren. Der ganze Parteiapparat da oben bestand ja aus weiter nichts als Mili- taÈ rs, eine MilitaÈ rkaste eben. Ich habe sie ja zum Teil kennengelernt. Hans-Joachim DoÈring: Was war die Zielrichtung der Vermittlung? Man hat ja wichtige Vertreter beider Seiten so weit motivieren koÈ nnen, daû sie zu Ge- spraÈ chen nach Ostberlin gekommen sind? Friedel Trappen: Ja, wir haben sie in Berlin gehabt. Die Zielrichtung war, die FuÈ hrung der AÈ thiopier und der eritreischen Befreiungsbewegungen auf ei- nen gemeinsamen Nenner zu bekommen, auf der Basis einer Art FoÈ deration oder KonfoÈ deration. Eritrea sollte nicht ausscheren. Hans-Joachim DoÈring: Der Hintergrund war die Hafenanbindung? Friedel Trappen: Ja, Hintergrund waren Hafenanbindung und StuÈ tzpunkt- frage. Und natuÈ rlich war auch fuÈ rAÈ thiopien die industrielle KapazitaÈ t Eritreas von Bedeutung, weil sie ja wesentlich hoÈ her als die von ganz AÈ thiopien war. Hans-Joachim DoÈring: Es gab verschiedene Theorien zu den Motiven die- ser GespraÈ che. Eine nenne ich die »Schrecktheorie«. Ich habe aus drei knappen Protokoll- zitaten den Eindruckgewonnen, daû Lamberz in Addis Abeba im Dezember 1977 Mengistu eine politische LoÈ sung der Eritreafrage regelrecht abringen wollte. Ich unterstelle Lamberz freundlich, daû er uÈ ber »seine« Waffenliefe- rungen und was damit angerichtet wurde, erschrocken war und nun durch Verhandlungen den Schaden begrenzen wollte. Friedel Trappen: Eins weiû ich fast genau: Die AÈ thiopier wollten keine Ver- staÈ ndigung. Sie waren der Meinung, die Eritrea-Frage auf militaÈ rischem Ge- biet loÈ sen zu koÈ nnen. Lamberz war relativ besorgt. Ich habe mit ihm gespro- chen. Er hat gesagt: Menschenskind, jetzt haben sie Waffen erhalten und setzen die da oben [in Eritrea; d. Verf.] ein. Aber es gibt doch eine friedliche MoÈ glichkeit. Ich hatte ja den Auftrag, in Khartoum einige Wochen mit ver- schiedenen Chefs eritreischer Bewegungen zu sprechen. Einige waren dann auch in Berlin dabei. Lamberz sagte mal, daû die AÈ thiopier nicht so richtig wollten und doch nur auf ihre Waffen vertrauten, unsere Aufgabe jedoch darin bestehen muÈ sse, die beiden Seiten so zusammenzubringen, daû die AÈ thiopier nicht auf ihre militaÈ - rische StaÈ rke und die Eritreer nicht auf ihre marxistische Borniertheit poch- ten. So aÈ hnlich sagte er das. Die Eritreer waren auch der Meinung, die AÈ thio- pier seien keine Marxisten, sondern nur Militaristen, mit denen man uÈ berhaupt nicht reden koÈ nne, waÈ hrend die AÈ thiopier sagten: Die, die fegen wir doch weg. Beides waren uÈ berzogene Positionen, die wir abschwaÈ chen wollten. Es war eigentlich unsere Aufgabe, daû wir alle an einen Tisch brin- gen. Und wir waren gluÈ cklich, als sie sich nach einigen Tagen als BruÈ der anre- deten. Aber es kam nichts dabei heraus. Die Eritreer sagten immer: Wir machen unseren Sozialismus allein, einen anderen, einen marxistischen. Wobei sie allerdings nicht merkten, daû die Ge-

290 fahr bestand, sich in die HaÈ nde von moslemischen Extremisten zu begeben. Libyen hat finanziert und beraten. Wir sagten: Was kann Eritrea als unabhaÈ n- giger Staat werden? Doch nur eine Marionette der islamischen Staaten. Hans-Joachim DoÈring: Es gab doch aber gerade in dieser Zeit eine recht persoÈ nliche Beziehung zwischen Lamberz und Gaddafi? Friedel Trappen: Ja und nein. Sie hatten sich kennengelernt und mochten sich irgendwie. Hans-Joachim DoÈring: Lamberz mochten wohl alle? Friedel Trappen: Ja, Lamberz hatte ein Wesen, der konnte sich wirklich in jeden hineinversetzen. Er war ein sehr umgaÈ nglicher netter Mensch. Wir haÈ t- ten ihn gern als Nachfolger von Honecker gesehen. Da waÈ re vielleicht man- ches anders gelaufen. Mit dem Besuch von Lamberz in Libyen verbindet sich ja fuÈ r mich ein ganz persoÈ nliches wichtiges Moment. FuÈ r die Reise, auf der Lamberz abgestuÈ rzt ist, war ich auch vorgesehen. Acht Tage vorher bin ich krank geworden und ins Krankenhaus gekommen. Deswegen ist Markowski an meiner Stelle geflogen. Ich waÈ re also eigentlich in dem Helikopter mit drin gewesen. Da bin ich dem Tod von der Schippe ge- sprungen. Das verbindet sich fuÈ r mich mit diesem Besuch. Hans-Joachim DoÈring: Was war der Anlaû der Reise? Friedel Trappen: Der Anlaû der Reise war, mit Gaddafi die Eritreerfrage zu bereden. Ihm also zumindest zu bedeuten, daû er seinen Einfluû so nimmt, daû die Einheit oder die Vereinigung mit AÈ thiopien nicht gestoÈ rt wird. Es reichte aus, daû sie dauernd mit Somalia zu tun hatten. Unsere Argumenta- tion lief darauf hinaus, Gaddafi zu uÈ berzeugen, daû wir am Horn Afrikas ei- nen starken StuÈ tzpunkt des Sozialismus brauchen und AÈ thiopien starkma- chen muÈ ssen, statt einen Rivalen aufzubauen. Hans-Joachim DoÈring: Warum engagierte sich die kleine DDR so stark am Horn von Afrika? Das ist doch ein relativ groûes Gebiet fuÈ r dieses kleine Land. Direkte geostrategische Interessen hatte die DDR am Tor zum Indi- schen Ozean doch nicht, oder? Friedel Trappen: Die Sowjets waren unserer Afrikapolitik nicht sonderlich gewogen. Hans-Joachim DoÈring: Um so verwunderlicher ist dieses intensive Engage- ment doch! Friedel Trappen: Die Sowjets sind auch in AÈ thiopien nie so starkeingestie- gen wie wir oder wie die Kubaner. Hans-Joachim DoÈring: Aber die DDR konnte doch selber kein Interesse an einem MilitaÈ rhafen in Assab haben. Was ist denn die Motivation fuÈ r so ein groûes Engagement? Friedel Trappen: Ich kann es Ihnen ehrlich nicht sagen. Ich kann nur sa- gen, vielleicht hatte Lamberz so ein biûchen Ambitionen, Weltpolitiker zu werden oder in der Weltpolitikeine Rolle zu spielen. Das ist natuÈ rlich eine er- hebende Sache, wenn man in der Weltpolitikmit dabei ist. Aber wir haben uns manchmal gefragt: »UÈ bernehmen wir uns nicht, wir als kleine DDR?« Wirklich! Die Frage haben wir uns ja selber gestellt. Dann war es auch wieder

291 schoÈ n. Wir waren angesehen. Wir kamen hin, und uÈ berall wurden wir be- gruÈ ût. Aber ich muû Ihnen ehrlich sagen, ich habe mich manchem widersetzt. Ich war in vielen Dingen, auch in AÈ thiopien, Mosambikund Angola, ein klei- nes biûchen skeptisch. Dabei muû ich Ihnen ehrlich sagen, ich war natuÈ rlich bloû ein kleiner stell- vertretender Abteilungsleiter. Ich konnte einem Mitglied des PolitbuÈ ros keine Meinung sagen. Mit Werner Lamberz habe ich ein sehr offenes VerhaÈ ltnis ge- habt, auch mit Axen eigentlich. Dem haben wir manchmal ein paar unange- nehme Wahrheiten sagen muÈ ssen. Trotz allem ± letztlich blieb das, was die PolitbuÈ romitglieder wollten, stehen. Hans-Joachim DoÈring: Kann man da sagen, die DDR war in ihren Bezie- hungen zu AÈ thiopien kein Seniorpartner der Sowjetunion? Friedel Trappen: Kann man so sagen. Das war eine Eigeninitiative. Wir waren nicht beauftragt oder in irgendeiner Weise von den Sowjets bestimmt. Hans-Joachim DoÈring: Aus Eigeninitiative oder in Absprache? Friedel Trappen: In Absprachen, ja. Wir haben den Sowjets immer gesagt, was wir machen wollen, und die haben gesagt, Einverstanden, macht das ru- hig. Es kann durchaus sein, daû sich bei den Sowjets die Meinung dahinter verbarg: Nun laû die mal machen. Hans-Joachim DoÈring: Wurde in der Zeit von 1983 bis 1985, als in AÈ thio- pien die groûen HungersnoÈ te erneut akut und vor allem oÈ ffentlich bekannt wurden, ein Zusammenhang mit der nicht wie gewuÈ nscht vorankommenden Revolution gesehen und diskutiert? Friedel Trappen: Das wurde bei uns nicht diskutiert. Das war schon die Zeit, als ich in Widerspruch geriet, warum sie mich damals auch rausgenom- men haben. Das war schon die Zeit, als Honecker keine negativen Berichte mehr akzeptiert hat. Hans-Joachim DoÈring: Das verstehe ich nicht! Friedel Trappen: Honecker wollte nichts Negatives hoÈ ren. Der wollte von den ganzen Problemen, auch dem BuÈ rgerkrieg in Mosambik, nichts hoÈ ren. Hans-Joachim DoÈring: Und das wurde nach unten durchgestellt? Heiût das, auf der Abteilungsleiterebene oder auf der Kaffeetisch-Ebene wurde dann mitgeteilt, der Honecker will nichts Kritisches mehr hoÈ ren? Friedel Trappen: Das wuûte man natuÈ rlich. Ich habe die Berichte uÈ ber die Situation in AÈ thiopien an Axen mit allen Informationen weitergegeben. Aber irgendwie ist es beim GeneralsekretaÈ r nicht angekommen. Und es wurde nicht diskutiert. Unter uns haben wir in der Abteilung diskutiert und wuûten, was los war. Aber es ist in der FuÈ hrungsebene nicht angekommen. Na gut, viel- leicht hat Lamberz oder Axen mit seinen Mitgliedern im PolitbuÈ ro uÈ ber das eine oder andere Problem gesprochen. Das kann durchaus sein. Aber es wur- de nicht im PolitbuÈ ro und nicht offiziell diskutiert. Der GeneralsekretaÈ r hat es nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Der GeneralsekretaÈ r gab keine Informa- tion uÈ ber die Lage. Nichts. Das wurde rausgestrichen. Ein Beispiel dafuÈ r: 1986 bin ich selber mal unten in Mosambikgewesen. Ich schrieb einen Be- richt. Da sagte Axen: Nein, das kann ich so nicht weitergeben. Ich sagte, Her- mann, tut mir leid, ich kann Dir nichts anderes berichten, so sieht es aus, so

292 ist die Konterrevolution dort. Daraufhin sagte er: Das gebe ich dem Erich nicht weiter. Dann hat er einen anderen Bericht abgegeben, und ich habe das gesehen. Da habe ich Axen gesagt: Von mir kriegst Du keinen Bericht mehr. Das ist nicht mein Bericht. Hans-Joachim DoÈring: Wie erklaÈ ren Sie sich diese Scheu vor der RealitaÈ t? Friedel Trappen: Das weiû ich nicht. Das kann ich wirklich nicht sagen. Es gab diese RealitaÈ tsscheu des Erich Honecker. Der hat nicht mehr wahrhaben wollen, was passierte. Ich kann Ihnen nicht sagen, woher das kam. Axen sagte einmal zu mir: »Der regt sich immer furchtbar auf, wenn er so etwas liest. Das kann man doch nicht machen.« Dann haben sie es nicht gemacht. Er wollte das nicht wissen, und er wollte das nicht hoÈ ren. Daû die Konterrevolution sich im Einmarsch befand, wollte er weder in der DDR noch dort sehen. Wir uÈ bersehen, daû gerade die Politiksehr starkmit perso È nlichen Dingen verbun- den ist. Honecker war auûerstande, das ordentlich zu handhaben. Hans-Joachim DoÈring: Ich moÈ chte gern zur Rolle von Libyen uÈ berleiten. Werner Lamberz flog als Sonderbeauftragter des GeneralsekretaÈ rs im Dezem- ber 1977 nach Libyen und erwirkte Vorabsprachen fuÈ r ein Drittlandabkom- men zwischen den EntwicklungslaÈ ndern, Lybien und der DDR mit. Was wa- ren Funktion und Inhalt dieses Vertrages? Friedel Trappen: Das weiû ich nicht. Es war geplant, ja. Aber es ist nichts zustande gekommen. Hans-Joachim DoÈring: Das Abkommen ist ratifiziert worden! Friedel Trappen: Ja, aber ich habe es nicht mehr gesehen. Hans-Joachim DoÈring: Es ist am 24. Februar 1978 hier in Berlin unterzeich- net worden. FuÈ r die DDR von Lamberz, obwohl es ein Wirtschaftsabkom- men war. Friedel Trappen: Das kann sein, daû das an mir vorbeigegangen ist. UÈ ber die Funktion dieses Drittlandabkommens ist mir nichts bekannt. Ich weiû nur, daû wir so eine Absicht hatten. Ich sprach auch mit Lamberz und mit Axen daruÈ ber. Ich weiû noch, daû Axen damals ziemlich sauer war, weil Lam- berz ihm die Show mit Gaddafi wegnahm. Wir wollten Gaddafi gewinnen, vor allem dafuÈ r, daû er einen Teil seiner Reserven fuÈ r die UnterstuÈ tzung der anderen EntwicklungslaÈ nder einsetzt. Hans-Joachim DoÈring: Das heiût UnterstuÈ tzung fuÈ r andere uÈ ber den Um- weg Ostberlin, mittels der Finanzierung der Groûprojekte der DDR? Friedel Trappen: Das war der Sinn. Ja, das war die groûe Idee. Aber ich habe, ehrlich gesagt, das Abkommen nie gesehen. Hans-Joachim DoÈring: Haben Sie Kenntnis, ob das Abkommen in Teilen erfuÈ llt wurde und libysches Geld je gezahlt wurde? Friedel Trappen: Nein, das weiû ich wirklich nicht. Das muÈ ûten die Leute der Plankommission wissen. Der Sommer 1977, da ist mir moÈ glicherweise ei- niges entgangen. Das will ich nicht abstreiten. Hans-Joachim DoÈring: Die Libyen-Reisen stehen in Verbindung mit der Bildung der »Kommission fuÈ r die EntwicklungslaÈ nder«. Wie kam es zu ihrer Bildung? Was war ihre Aufgabe?

293 Friedel Trappen: Die Kommission ist im PolitbuÈ ro entstanden. Auch ge- danklich. Ich weiû nicht, wer den ersten Gedanken hatte. Kann sein, daû auch Lamberz daran gewirkt hat. Das Problem war doch, daû wir bestaÈ ndig Pro- bleme mit den Wirtschaftsleuten hatten. Werner Lamberz machte in den Ent- wicklungslaÈ ndern haÈ ufig groûe Versprechungen. Die Wirtschaftsleute sagten, Lamberz habe gut reden, und sie muÈ ûten ackern. Mittag paûte das uÈ berhaupt nicht. Was Lamberz versprach, muûte Mittag erfuÈ llen oder ausbuÈ geln. Lam- berz hatte natuÈ rlich bei Honecker einen Stein im Brett. Honecker sagte: Ja, alles gut und prima. Mittag muûte das alles mehr oder weniger ausloÈ ffeln. Da kam der Gedanke an eine Kommission auf. Ich glaube, die Bildung wurde von Lamberz angestoûen, und Mittag hat das dann wohl ausgefuÈ hrt. Eine Kommission unter Leitung von Mittag, in der Hermann Axen drin war und auch Lamberz und natuÈ rlich auch die wichtigen Ministerien, die Plankommis- sion und natuÈ rlich die Abteilung Internationale Verbindungen. Die Kommis- sion bekam immer Vorlagen. Erst einmal ging die Arbeit von unseren konkre- ten Reisen aus. Es gab nach den Reisen immer UÈ berlegungen, daû wir da und dort etwas machen koÈ nnten. Zum Beispiel gab es in Mosambikdas 100 000- Hektar-Projekt. Dieses groûe Projekt, Urwald zu roden und groûe Plantagen anzulegen, sollte umgesetzt werden. Honecker sagte nur: Ja, macht mal. Und dann erhielt die Kommission den Auftrag. Die AuftraÈ ge wurden vom BuÈ ro Mittag uÈ ber die Wirtschaftsabteilungen an die entsprechenden Ministerien verteilt und die Details dazu erarbeitet. Dann muûten die Minister vor dieser Kommission mit Vorlagen und Terminvorstellungen auftreten. Das war also eine Kommission, die mehr oder weniger die Aktionen aller Regierungsorgane gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern koordinierte. Hans-Joachim DoÈring: Wurden die Ausmaûe dieses Projektes von den Mo- sambikanern gewuÈ nscht, oder waren das die Vorstellungen der DDR-Leute? Friedel Trappen: Beides. Im wesentlichen waren das Ideen von unseren Leuten, die aber auf Gedanken der Planung oder den Ideen der mosambikani- schen Seite selber beruhten. Es wurde mit ihnen besprochen und abgestimmt, obwohl es da maÈ chtige LuÈ cken gab. Mehrheitlich waren es Objekte unserer eigenen WuÈ nsche. Beim 100 000-Hektar-Projekt weiû ich es genau, denn hin- terher haben wir ja die Quittung bekommen, indem wir die AusruÈ stungen viel zu fruÈ h nach Mosambikgeliefert haben. Die Mosambikanerha È tten den Ur- wald schon gerodet haben muÈ ssen, hatten aber fuÈ r das Projekt gar nichts ge- macht. Die AusruÈ stungen sind im Urwald liegengeblieben. Das sind Millionen gewesen damals, 12 bis 15 Millionen oder mehr. Hans-Joachim DoÈring: Es gab die im Sommer 1977 im PolitbuÈ ro »geheim« ausgerufene Exportoffensive EntwicklungslaÈ nder. Wenn ich mich recht erin- nere, wurde das am 28. Juli gemeinsam mit dem Kaffeebeschluû gefaût. Da heiût es u. a.: Wir muÈ ssen in den naÈ chsten zwei Jahren fuÈ r 400 Millionen VM mehr GuÈ ter in EntwicklungslaÈ nder exportieren. ± Wie hieû der schoÈ ne Be- griff?: »zahlungsbilanzwirksame Maûnahmen durchfuÈ hren«. War das der Startschuû fuÈ r die Kommission? Friedel Trappen: Ja, weil wir doch damals bei AÈ thiopien in Schulden gera- ten waren. Das war der Startschuû fuÈ r Mosambik, fuÈ rAÈ thiopien und auch

294 fuÈ r andere. Das waren Projekte um die 400 Millionen, die fast ausschlieûlich auf Regierungskredit liefen. So eine Art HERMES-BuÈ rgschaften. Gleichzeitig waren etliche Millionen, wie z. B. des SolidaritaÈ tskomitees, mitbeteiligt. Hans-Joachim DoÈring: Wie war das SolidaritaÈ tskomitee konkret eingebun- den? Friedel Trappen: Ganz einfach. Wir haben Projekte gemacht. Nehmen wir mal als Beispiel ein Handelsvolumen von 100 Millionen: Wir haben Drucke- reien errichtet und die Fachleute bei uns ausgebildet. Aber die Kosten hat das SolidaritaÈ tskomitee uÈ bernommen. Dadurch waren wir natuÈ rlich in der Lage, Projekte billiger als andere anzubieten. Hans-Joachim DoÈring: Ich habe oft in den Akten Beschwerden uÈ ber uÈ ber- teuerte Angebote der DDR gelesen, von Gaddafi, aber auch von Ministern aus Mosambikund AÈ thiopien. Die Angebote der DDR scheinen im interna- tionalen Vergleich sehr oft mit uÈ berhoÈ hten Preisen verbunden gewesen zu sein. Friedel Trappen: Das war oftmals so, ja. Hans-Joachim DoÈring: Wie erklaÈ rt sich das? Friedel Trappen: Das erklaÈ rt sich daraus, daû die DDR in diese Projekte viel investieren muûte, was eigentlich West-Importe waren. Durch diese Devi- senaufwendungen wurde vieles wesentlich teurer. Die Eigenkosten der DDR waren ja bedeutend hoÈ her. Man darf die geringe ArbeitsproduktivitaÈ t nicht vergessen. Die DDR muûte zum Teil in ihrem Auûenhandel mit Dumping- preisen arbeiten. Das war auch dort der Fall. Wenn wir technische AusruÈ stun- gen lieferten, waren die zu einem bedeutenden Teil verbilligt. Wenn wir sie zu den Herstellungskosten der DDR abgegeben haÈ tten, waÈ ren sie noch teurer ge- worden. Hans-Joachim DoÈring: Aber international waren sie immer noch teurer. Friedel Trappen: Die waren international relativ teuer, ja. Und deswegen haben wir Leistungen, die normalerweise bei einem solchen Projekt mit uÈ ber- nommen werden muÈ ssen, uÈ ber das Soli-Komitee oder uÈ ber andere Solidari- taÈ tsleistungen abgegolten. Damit konnten wir die Preise etwas niedriger hal- ten. Hans-Joachim DoÈring: Man hat demnach auch Spendengelder der BevoÈ lke- rung eingesetzt, um ein besonders guÈ nstiges kommerzielles Angebot unterbrei- ten zu koÈ nnen? Friedel Trappen: Darin haben wir auch nichts AnstoÈ ûiges gesehen. Hans-Joachim DoÈring: Sie persoÈ nlich hat der Absturz von Werner Lamberz und Paul Markowski in der libyschen WuÈ ste besonders beruÈ hrt. Wie wurde dieses Ereignis in ihrer Abteilung aufgenommen? Friedel Trappen: Das war Wahnsinn! Das war natuÈ rlich ein Schock! Mich hat es natuÈ rlich ganz besonders getroffen, weil der Paul Markowski fuÈ r mich gefahren ist. Der rief noch einen Tag, bevor er abreiste, bei mir im Kranken- haus an. Er flog nicht gern. Er hat mir woÈ rtlich gesagt: Das ist das letzte Mal, daû ich fuÈ r Dich fliege. Und es war auch das letzte Mal. Ich kann Ihnen sagen, wochenlang war ich nicht mehr zu genieûen. Das hat mich furchtbar getroffen. Das war auch ein SchockfuÈ r den ganzen Parteiap-

295 parat. Lamberz und Markowski, beide waren eigentlich HoffnungstraÈ ger fuÈ r die Zukunft. Markowski war ein wunderbarer Mensch, auch sehr gebildet. Wirklich, der konnte was. Es hat uns sehr, sehr getroffen, keine Frage. Die ganzen GeruÈ chte, die dann aufkamen, erklaÈ ren nichts. Es war nichts weiter als ein Ergebnis von ausgesprochener Schlamperei, weiter nichts. Ich habe die Berichte von unserem Geheimdienst und auch vom libyschen Geheimdienst gelesen. Als sie dann ankamen, in diesen kleinen SaÈ rgen, verbrannt, oh! Leute, ich war auf dem Flugplatz drauûen und habe die SaÈ rge mit entgegengenom- men. Also nein, nein! Das war so bedruÈ ckend. Es war eben wirkliche Schlamperei. Die sind zu Gaddafis Zeltlager gestar- tet, da wollten sie sich mit ihm treffen oder haben sich mit ihm getroffen. Der Hubschrauber, es war ein »Papillon«, der von einem Offizier gesteuert wurde, der uÈ berhaupt nicht darauf vorbereitet war. Denn der richtige Pilot lag besof- fen im Bordell. Da muûte ein anderer einspringen. Dann muûte der Hub- schrauber schon auf dem Hinflug eine Zwischenlandung machen. Da klap- perte etwas. Das haben sie mit Draht oder irgendwie zusammengeflickt, sind wieder aufgestiegen und dann bei Gaddafi gelandet. Da haben sie mit ihm ge- sprochen, und auf dem RuÈ ckflug sind sie abgestuÈ rzt. Der Hubschrauber ist ungluÈ cklicherweise auf die einzige TuÈ r gefallen, wo sie rausgekonnt haÈ tten. Dann ist der Hubschrauber in Flammen aufgegangen, und alle sind klaÈ glich verbrannt. Die Obduktion der Leichen hat ergeben, daû keiner von ihnen durch den Absturz toÈ dlich verletzt worden war. Es waren KnochenbruÈ che und so etwas, aber keiner von ihnen war toÈ dlich verletzt. Sie sind alle dort le- bendig verbrannt. Ich kann Ihnen sagen: furchtbar! Hans-Joachim DoÈring: Zufall, Schlamperei, UngluÈ ck, vielleicht auch noch andere Dinge und die ungeheure Hektik der aufgebrochenen Afrikabeziehun- gen der DDR vermengen sich in diesem Absturz ¼ Friedel Trappen: Mehreres kommt da zusammen, stimmt, haÈ ngt damit zu- sammen. Hans-Joachim DoÈring: Lamberz scheint eine historische Situation gespuÈ rt zu haben. Rastlos eilte er umher, um zum einen Mengistus Krise am Horn von Afrika fuÈ r die Weltrevolution zu meistern und gleichzeitig die DDR aus der Kaffeekrise zu retten. Friedel Trappen: In dieser ganzen Sache war er rastlos. Da hatte er auch uÈ ber vieles hinweggeguckt. Mir ± und auch dem Paul Markowski ± war das dann manchmal ein biûchen unheimlich. Hans-Joachim DoÈring: Ein weiteres Thema: Wie kam es zu dieser starken Position von Alexander Schalck-Golodkowski und seinem KoKo-Bereich in den Afrikabeziehungen? Friedel Trappen: Ich habe mich das auch manchmal gefragt. Das hing damit zusammen, daû zahlreiche, auch RegierungsbeschluÈ sse, au- ûerhalb der Norm lagen. Die BeschluÈ sse erforderten Material, das nicht ohne weiteres in den normalen Regierungsorganen zu beschaffen war. Schalck-Go- lodkowski spielte ja immer eine Sonderrolle. Der konnte alles NoÈ tige beschaf- fen, konnte alles moÈ gliche arrangieren. Dann spielte eine Rolle, daû das MfS nun selbst dort in starkem Maûe einstieg. Es waren einige Dinge, die einfach

296 durchgesetzt und durchgedruÈ ckt werden muûten, ohne RuÈ cksicht auf Verluste. Der buÈ rokratische Regierungsapparat war langsam, sehr traÈ ge. Da bedurfte es schon einiger solcher Leute wie von KoKo, die auch auf den westlichen MaÈ rk- ten zu Hause waren. Manche Dinge muûten wir aus dem Westen beschaffen, die dort eingesetzt werden sollten. Das Ministerium selbst haÈ tte das kaum ge- schafft. Deswegen ist Schalckdort so starkeingestiegen. Und weil er natu È rlich einige Reserven an Devisen hatte, uÈ ber die sonst niemand verfuÈ gte. SpaÈ ter, als ich aus der Abteilung Internationale Verbindungen raus war, ha- be ich den Devisenverkehr kennengelernt. Da habe ich erst gemerkt, was von Schalckkam,na È mlich ein bedeutender Teil der Devisen, die auch die Partei ausgab. Das habe ich vorher uÈ berhaupt nicht sehen und nicht beachten koÈ n- nen. Da gab es eine ganze Reihe geheimer Wege. Kontakte muûten gehalten und gepflegt werden, die nur uÈ ber Leute in der Bundesrepublikoder uÈ ber an- dere westliche LaÈ nder liefen. Hans-Joachim DoÈring: Die links-zentralistischen EntwicklungslaÈ nder wandten sich an die DDR, weil diese vorgab, einen wirtschaftlichen und er- folgreichen Alternativversuch zu praktizieren, so die Propaganda. Die Eliten der EntwicklungslaÈ nder vertrauten der DDR und baten um UnterstuÈ tzung. Und ploÈ tzlich bekamen die ausgewaÈ hlten und befreundeten afrikanischen LaÈ nder fuÈ r die Kooperation »neuen Typus« mit EntwicklungslaÈ ndern eine Spezialvariante von Sozialisten als GegenuÈ ber angeboten, die Leute von Ko- Ko. Dieser Bereich und diese Mannschaft zogen aber ihre Kraft und ihre Er- fahrung aus dem trickreichen Ausnutzen der besonderen Bedingungen in den deutsch-deutschen Beziehungen mit dem Hauptklassenfeind. Schalck ist zum KroÈ sus geworden, weil er als Kapitalist gegenuÈ ber Kapitalisten auftrat. Friedel Trappen: Sein Einsatz haÈ ngt natuÈ rlich auch damit zusammen, daû Schalckaufgrund seiner Kenntnisse der kapitalistischen Wirtschaftsbeziehun- gen den Afrikanern auch Wissen uÈ ber westliches Handeln, Wirtschaften und moderne Managementmethoden vermitteln konnte. Hans-Joachim DoÈring: Sie verstanden Schalckals groûen Entwicklungshel- fer fuÈ r Wirtschaftsberatung? Friedel Trappen: Ja natuÈ rlich auch! Die Wirtschaftsberater, die in diese LaÈ nder kamen, waren ja zum Teil aus seinem Apparat. Hans-Joachim DoÈring: Aufgabe von Schalckwar doch, Devisen zu beschaf- fen. Friedel Trappen: Nein, in diesem Bereich war es nicht nur seine Aufgabe, Devisen zu beschaffen. Weder in AÈ thiopien noch in Mosambik, jedenfalls nicht hauptsaÈ chlich. Hans-Joachim DoÈring: Warum denn dann dieses irrsinnige 100 000-Hektar- Projekt mit dem Ziel, 50 Prozent des Getreideertrages als Futtermittel in die DDR zu liefern? Viehfutter muûte die DDR doch gegen Devisen auf dem Weltmarkt einkaufen. Friedel Trappen: Ja, oder auch dieses Projekt Moatize, die Steinkohle. Nun gut, das waren solche Projekte, wo wir etwas haÈ tten rausholen koÈ nnen.

297 Hans-Joachim DoÈring: DevisenerloÈ s bzw. DevisenabloÈ sung war das einzige Motiv, das ich bei Schalckin den Beziehungen zu Entwicklungsla È ndern erken- nen konnte. Friedel Trappen: Damit verbunden war aber die Beratung dieser LaÈ nder oder ihrer FuÈ hrungen, wie man mit diesen Dingen GeschaÈ fte machen kann. Auch mit der DDR. Hans-Joachim DoÈring: Das heiût, man hat den Schalckeingesetzt, um sein Wissen vom Weltmarkt den Mosambikanern und AÈ thiopiern mitzuteilen? Deswegen soll man die Sonderbeauftragten in die Bahn geschickt haben? Warum muûten dann viele ± nicht alle, aber viele ± der DDR-Spezialisten von Mosambikbezahlt werden? In Moatize wurden zwischen 1200 und 1800 US-$ pro Monat und Mann dem DDR-Konto gutgeschrieben. Hatten Sie davon Kenntnis? Friedel Trappen: Nein, das wuûte ich nicht. Wie die finanziellen Beziehun- gen zwischen Schalckoder zwischen den Wirtschaftsministerien und den LaÈ n- dern liefen, das wuûte ich nicht. FuÈ r mich waren die Leute von KoKo wichtig. Die kamen ja oft zu mir und haben sich mit mir beraten. Ich wuûte natuÈ rlich, daû deren Aufgabe darin bestand, die RuÈ ckzahlung in Waren zu sichern, also Steinkohle und Kaffee. Aber mehr habe ich auch nicht gewuût. Hans-Joachim DoÈring: Haben Sie die Protokolle der Gemeinsamen Wirt- schaftsausschuÈ sse lesen koÈ nnen? Friedel Trappen: Nein, die habe ich nicht gelesen. Hans-Joachim DoÈring: Da steht drin: Spezialistenentsoldung. GuÈ nter Mit- tag fuÈ hrte im Anschluû an die groûe Afrikareise von Erich Honecker und ei- ner Staatsdelegation ± zu der GuÈ nter Mittag gehoÈ rte ± im Februar 1979 mit Fachministern eine Sonderberatung durch. Da sagte er, etwas salopp wieder- gegeben: Jetzt ist Schluû, jetzt werden Gewinne gemacht. Es gibt kein Klein- klein mehr. Friedel Trappen: Ja, das war dann insbesondere in den letzten Jahren. Hans-Joachim DoÈring: 1979 ist ja noch nicht so sehr spaÈ t! Das waren noch keine letzten Jahre. Also Gewinne an Stelle von SolidaritaÈ t? Friedel Trappen: Mit Mittag lag unsere Abteilung immer im Widerspruch. Das SolidaritaÈ tskomitee wollte er einspannen fuÈ r seine Wirtschaft, die ganze SolidaritaÈ t. Ich war dagegen und meinte, wir machen SolidaritaÈ t und trennen die von den Wirtschaftsbeziehungen. Der SolidaritaÈ tsfonds wurde von Millio- nen DDR-BuÈ rgern bezahlt mit ihren SolidaritaÈ tsmarken. Das kann doch nicht sein. Ich war furchtbar aÈ rgerlich. Aber Mittag wollte das durchsetzen. Das haben wir oft vereitelt. Da kam er meistens nicht durch. Hans-Joachim DoÈring: Trotzdem gibt es gerade in dieser Zeit vorauslaufen- de oder nachhinkende Gehorsamkeit gegenuÈ ber Mittag, indem zum Beispiel das SolidaritaÈ tskomitee bei Materiallieferungen fuÈ r Afrika die Mittel fast aus- schlieûlich fuÈ r die oÈ konomischen Groûprojekte einsetzte. Auch die Berufsaus- bildung war kommerzialisiert bzw. muûte vom SolidaritaÈ tskomitee uÈ bernom- men werden. Friedel Trappen: Das war etwas, was wir nicht verhindern konnten.

298 Das war nicht in unserem Sinne, muû ich Ihnen ehrlich sagen. Das war eine Sache, wo wir mit dem Regierungsapparat nicht mehr voll uÈ bereinstimmten. Ich habe mich dann auch in der Kommission dagegen gewandt. Aber es wur- de durchgesetzt. Ich konnte es nicht aÈ ndern. Ich habe mir selbst zur Entschul- digung gesagt: Wenn wir jetzt die Ausbildung uÈ bernehmen, koÈ nnen wir die Dinge dadurch billiger anbieten und haben einen besseren Absatz. So hat uns das Mittag auch erklaÈ rt. Ich habe erst im nachhinein erfahren, daû die Lei- stungen des SolidaritaÈ tskomitees auf der Rechnung als Schulden der Entwick- lungslaÈ nder erschienen. Das war uÈ berhaupt nicht im Sinne des SolidaritaÈ tsko- mitees. Das haben die oÈ konomischen Bereiche gemacht. Nein, es gab da immer ein Gegeneinander. Zwischen Politikund OÈ konomie war nicht alles harmonisch. Hans-Joachim DoÈring: Wie wuÈ rden Sie die politische Seite der Auûenwirt- schaft charakterisieren oder einschaÈ tzen? Friedel Trappen: Die politische Seite war die, daû wir die BeschluÈ sse, die gefaût wurden, versuchten im Sinne der Stabilisierung z. B. AÈ thiopiens, der Stabilisierung der sozialistischen und revolutionaÈ ren Entwicklung zu beein- flussen. Hans-Joachim DoÈring: Sie verstanden die OÈ konomie nicht binnenwirt- schaftlich, sondern als materielle Basis fuÈ r den gesellschaftlichen Progreû? Friedel Trappen: Ja, genau so. Das ist gut formuliert. So muÈ ûte das gesagt werden. In dem Sinne haben wir versucht, auch von der Abteilung Internatio- nale Verbindungen aus, die oÈ konomischen Beziehungen zu beeinflussen. Das wurde uns zum Schluû insbesondere von Mittag vorgeworfen. Hans-Joachim DoÈring: Die Auseinandersetzung fand auf der Ebene der Kommission fuÈ r EntwicklungslaÈ nder statt? Friedel Trappen: Ich hatte in dieser Kommission nicht allzuviel zu sagen ± Mittag war der Leiter. Hans-Joachim DoÈring: Gab es Diskussion? Friedel Trappen: Nein, es gab kaum Diskussionen. Wir haben manchmal in einer halben Stunde zwanzig Vorlagen durchgejagt. Hans-Joachim DoÈring: Auch schon in den ersten Jahren? Friedel Trappen: Immer. Mittag war da ganz flott: Hat jemand was dage- gen? Aus! Fertig! Weg! Da waren Minister eingeladen, die haben ihre anderen Sitzungen laufen las- sen und wurden dann abgekanzelt wie dumme Jungs: Das muÈ ût Ihr noch mal uÈ berarbeiten, in 14 Tagen kommt Ihr wieder! Und die Minister: Jawohl, Ge- nosse Mittag! So gingen die da raus. Ich habe manchmal dagesessen und mich geschaÈ mt. Hans-Joachim DoÈring: Verstehe ich es richtig, wenn ich formuliere: Die Kommission war die Stelle, die versuchen sollte, moÈ glichst viele Devisen aus den EntwicklungslaÈ ndern zu schuÈ rfen. Friedel Trappen: Ja, natuÈ rlich. Das war eine ihrer Aufgaben. Aber zur glei- chen Zeit war sie die Kommission, die wiederum auch sichern sollte, daû die oÈ konomischen Beziehungen oder was wir sonst noch einbrachten, im Sinne der revolutionaÈ ren Entwicklung liefen.

299 Hans-Joachim DoÈring: Mit Mittag an der Spitze ging das doch gar nicht! Friedel Trappen: Doch! Ich war mit ihm einmal in Algerien, da ist er gar nicht mal so schlecht aufgetreten. Hans-Joachim DoÈring: Wurde uÈ ber militaÈ rische Lieferungen in der Kom- mission gesprochen? Friedel Trappen: Nein. Hans-Joachim DoÈring: Wie wurde entschieden? Wurde per Hand abge- stimmt? Friedel Trappen: Da wurde bloû Vorlage Nummer soundso aufgerufen, und Mittag fragte: Hat jemand etwas dazu zu sagen? Aber ganz schnell, ganz schnell. Meist wurde nicht gefragt. Wenn jemand dagegen war, wurde mei- stens gesagt: Ist in Ordnung, dann zuruÈ ckbis zum naÈ chsten Mal. Weg! Oder es wurde gesagt: Setzt Euch mit der Abteilung des ZK in Verbindung und bringt die Vorlage beim naÈ chsten Mal wieder. So war das, so rutsch, rutsch ging das immer. Hans-Joachim DoÈring: Und wie hat sich Schalckverhalten? Friedel Trappen: Schalckhat kaumetwas gesagt. Hans-Joachim DoÈring: Die Abteilung Internationale Verbindungen und speziell der Sektor Dritte Welt hat das SolidaritaÈ tskomitee der DDR angeleitet, koordiniert und gefuÈ hrt. Welche Funktion kam dem SolidaritaÈ tskomitee zu? Friedel Trappen: Das SolidaritaÈ tskomitee war einerseits so eine Art Mas- senorganisation, wenn man will. Es hatte eigentlich keine Mitglieder, es gab nur diese Leitungsebene und Leitungsstruktur. Aber in der ganzen DDR gab es eine Bewegung. Es wurden SolidaritaÈ tsmarken geklebt, und die ErloÈ se gin- gen an das SolidaritaÈ tskomitee. Gleichzeitig gingen auch von anderen Organi- sationen, also zum Beispiel von der Volksarmee, vom Innenministerium, von den Gewerkschaften usw. Teile ihres SolidaritaÈ tsfonds, den sie alle hatten, ebenfalls als BeitraÈ ge an das SolidaritaÈ tskomitee. Im Hinblick auf die Bei- tragszahlung galt das SolidaritaÈ tskomitee als Massenorganisation. Aber es war in dem Sinne keine Massenorganisation, weil es keine eigentliche Mit- gliedschaft gab. Die Aufgabe bestand darin, in den Kontakten, die wir im wesentlichen vorgaben oder durch eigene Kontakte, zum Beispiel uÈ ber die APSSO oder die Trikontinental, SolidaritaÈ t zu leisten. Hans-Joachim DoÈring: War das SolidaritaÈ tskomitee weisungsabhaÈ ngig von der Abteilung Internationale Verbindungen? Friedel Trappen: Nun, nicht weisungsabhaÈ ngig. Nein, die machten eine ei- gene Politik. Das SolidaritaÈ tskomitee hatte seine eigenen internationalen Ver- bindungen. Die AktivitaÈ ten, die es entwickelte, die wurden im wesentlichen mit uns abgestimmt. Oder wir haben auch von uns aus Hinweise an das Soli- daritaÈ tskomitee gegeben. Hans-Joachim DoÈring: Wer hat denn die JahresplaÈ ne des SolidaritaÈ tskomi- tees geschrieben? Friedel Trappen: Das hat das SolidaritaÈ tskomitee selbst gemacht, und sie haben sie uns vorgelegt. Wir haben sie uns angeguckt, korrigiert, veraÈ ndert und dann an die Kommission weitergegeben. In der Kommission war ja das SolidaritaÈ tskomitee Mitglied. Das heiût, es wurde zu dem Punkt eingeladen.

300 Hans-Joachim DoÈring: Zu zwei VorgaÈ ngen haÈ tte ich gern noch Auskunft. Der eine: 1976 wurden fuÈ ruÈ ber 106 Millionen DDR-MarkMaterialien nach Angola geliefert und aus dem Fonds des SolidaritaÈ tskomitees bezahlt. Ich ver- mute, es werden Waffen fuÈ r die KaÈ mpfe 1976 gewesen sein, bei denen die Ku- baner beteiligt waren, oder? Friedel Trappen: Das war ein groûer Teil, mit Sicherheit. GroÈ ûere Mengen Waffen wurden auch vom Soli-Komitee bezahlt. Hans-Joachim DoÈring: Das SolidaritaÈ tskomitee hat diese Lieferungen aber nicht selbst zusammengepackt? Friedel Trappen: Nein, die haben das bezahlt, und gepackt hat das MilitaÈ r. Hans-Joachim DoÈring: Wo wurde beschlossen, wer zu zahlen hatte? Im Po- litbuÈ ro? Friedel Trappen: Das wurde meist bei uns im ZK beschlossen. Hans-Joachim DoÈring: Der andere verwandte Vorgang: 1981 und 1982 faûte das Sekretariat des ZK der SED unter dem Begriff »Spezielle Solidari- taÈ t« zwei BeschluÈ sse. Aus dem Fonds des SolidaritaÈ tskomitees sind einmal 21 Millionen und einmal 10 Millionen fuÈ r den »speziellen Bedarf« entnommen worden. Friedel Trappen: Das kann so gewesen sein. Ja. Hans-Joachim DoÈring: Der Beschluû wurde dem SolidaritaÈ tskomitee in der Mauerstraûe, dem Sekretariat des Komitees, uÈ berstellt, und von dort wurde dann angewiesen, oder wie muû ich mir das vorstellen? Friedel Trappen: NatuÈ rlich, anders ging es nicht. Genau weiû ich es nicht. Hans-Joachim DoÈring: Gab es derartige Zahlungen eher gelegentlich oder eher regelmaÈ ûig? Friedel Trappen: Nein, das gab es eher gelegentlich. Das war keine allge- meine Norm. Hans-Joachim DoÈring: Eine groûe Ausnahme war es aber nicht? Friedel Trappen: Nein, mal wurde es gemacht und dann wieder nicht. Hans-Joachim DoÈring: Insgesamt drehte sich sehr viel um die Finanzierung und wenig um Entwicklung. Man spuÈ rt das Primat der PolitikgegenuÈ ber der OÈ konomie. Friedel Trappen: Die OÈ konomie kam der Politik immer in die Quere. Zum Beispiel: Die Lieferungen der Landwirtschaftsmaschinen fuÈ r dieses 100000- Hektar-Projekt. Diese Maschinen wurden eigentlich fast vorfristig geliefert, obwohl wir wuûten, die Voraussetzungen sind in Mosambiknoch nicht gege- ben. Und warum so schnell? Damit der Kontenstand mit dem Devisenplan im Herstellungsbetrieb stimmte. Hans-Joachim DoÈring: Wer hat das so starkgefoÈ rdert? Friedel Trappen: Die Ministerien haben das gemacht. Das war doch so: Es wurde ein Beschluû gefaût, daû ein Projekt zu machen ist. In dem Moment kam es darauf an, wie schnell es ging. Und sowie der Regierungskredit durch war, haben die doch schon am naÈ chsten Tag geliefert, damit sie im gleichen Moment ihren Plan erfuÈ llen konnten. In dem Augenblick, in dem sie geliefert haben, hatten sie auf ihren Konten doch schon die Devisen. Die DDR-Betrie- be hatten ihren Plan erfuÈ llt, und das Zeug war erst unterwegs.

301 Hans-Joachim DoÈring: In SchoÈ nebeckan der Elbe, im groÈ ûten Traktoren- werkder DDR, gab es dann 1979 Sekt,und in Maputo arbeiten sie heute noch fuÈ r diese Schulden! Friedel Trappen: NatuÈ rlich, so war das. Genauso war das. Und ich habe damals gesagt: Um Gottes willen, ist die Lieferung schon weg? Das darf doch nicht wahr sein! Da war noch gar nichts vom Urwaldboden umgegraben! Das wuûten die! Dann haben wir versucht, das noch hinzukriegen. Aber das war nicht mehr moÈ glich, weil sich in Mosambikdie Lage verschlechtert hatte. Das Zeug verrottete im Urwald. Das steht wahrscheinlich heute noch rum: verrot- tete Maschinen in Kisten. Hans-Joachim DoÈring: Welche Rolle spielten die Sonderbeauftragten? Friedel Trappen: Deren Aufgabe bestand darin, EngpaÈ sse auf beiden Seiten zu beseitigen. EngpaÈ sse sowohl in der Frage der Realisierung dort unten als auch EngpaÈ sse bei den DDR-Lieferungen und in den Betrieben. Wenn noÈ tig, sollten sie einschreiten und die Dinge unbuÈ rokratisch loÈ sen. Hans-Joachim DoÈring: Das waren dann Kommissare mit Sondervollmach- ten? Friedel Trappen: Ja. Sie hatten in Afrika Vollmachten gegenuÈ ber den Bot- schaften und gegenuÈ ber den Handelsvertretungen. Und sie hatten auch gleich- zeitig Vollmachten gegenuÈ ber den ausfuÈ hrenden Organen in der DDR: gegen- uÈ ber den Ministerien, den Fabriken, den volkseigenen Betrieben. Deswegen konnten sie nur bei Schalck angebunden sein, weil sie damit gewissermaûen Befugnisse des MfS ausfuÈ hrten. Kein anderes Organ konnte das sonst gewaÈ hr- leisten. Hans-Joachim DoÈring: Wuûte man das in den Betrieben? Friedel Trappen: Das wuûte man. Diejenigen, die mit ihnen zusammenge- arbeitet haben, wuûten das. Denen standen uÈ berall sofort die TuÈ ren offen. Die brauchten keine Klappkarte zu zeigen, man kannte sie. Hans-Joachim DoÈring: Ich komme zu einer recht kritischen EinschaÈ tzung der Arbeit der Sonderbeauftragten ¼ Friedel Trappen: Sie sahen Ihre Aufgabe darin, die Beziehungen zwischen den ausgewaÈ hlten LaÈ ndern und der DDR maximal im Interesse beider Seiten zu entwickeln. Dabei bekamen sie einerseits Druck, Maximales fuÈ r die DDR herauszuholen, und andererseits wurden sie von uns gemahnt: Bleibt mal auf dem Boden! Das Maximum ist die Politik, die Politik hat PrioritaÈ t! Hans-Joachim DoÈring: Gab es oÈ fter GespraÈ che und Debatten uÈ ber den Vorrang der PolitikgegenuÈ ber der OÈ konomie? In den Akten teilt sich so etwas nicht mit. Friedel Trappen: Das gab es immer wieder. Deswegen waren die Sonderbe- auftragten so oft bei mir. Ich habe oft mit ihnen gesprochen und habe ihnen immer wieder gesagt: Also paût auf, das Primat hat bei uns die Politikund nicht die OÈ konomie. Hans-Joachim DoÈring: KoÈ nnen Sie einige positive Beispiele nennen, wo man Ihren Rat befolgt hat und wo er eine Wirkung hatte? Friedel Trappen: Was soll ich da jetzt sagen? Ich komme wieder auf das 100 000-Hektar-Projekt zuruÈ ck. Das begann damit, daû das Ganze auf einmal

302 gemacht werden sollte. 100 000 Hektar gleichzeitig! Da haben wir gesagt: Ma- chen wir doch erstmal statt der 100 000 Hektar ein Projekt von 1 000 Hektar. Laût das erst einmal anlaufen. Gegen einigen Widerstand wurde erstmals ein kleines Projekt aufgelegt. Und das Projekt von 1 000 Hektar hat geklappt. Das haben sie auch hingekriegt. Hans-Joachim DoÈring: Trotzdem wurden die Maschinen geliefert. Friedel Trappen: Ja. Das habe ich nicht beeinflussen koÈ nnen. Das habe ich auch erst hinterher erfahren. Hans-Joachim DoÈring: Man kann den Eindruck gewinnen, die DDR-FuÈ h- rung wollte in Mosambik eine kleine Kronkolonie aufbauen. Vielleicht nicht im harschen Sinne der Portugiesen, aber vielleicht im englischen, so mit Mut- terlandfunktion. Friedel Trappen: Wir haben uns echt verantwortlich gefuÈ hlt. Insbesondere Mosambikwar eigentlich das erste Land, in dem wir in so starkemMaûe ein- gestiegen sind. Das war fuÈ r viele von uns und fuÈ r viele aus den Ministerien faszinierend. Das haÈ ngt natuÈ rlich auch damit zusammen, ich will Ihnen das mal ganz offen sagen, daû in der DDR viele nicht so oft reisen konnten. Hans-Joachim DoÈring: Aktion Fernweh! Friedel Trappen: Aktion Fernweh! Wie hatten einen riesigen Reiseverkehr nach Mosambik. Das entsprach uÈ berhaupt nicht der NormalitaÈ t der Bezie- hungen, aber das war so. So kam es auch, daû zum Teil bis zu 1000 Leute dort waren. Das war die eine Seite. Die andere Seite war doch die, daû wir auch als DDR rohstoffarm waren und Rohstoffe importieren muûten. In diesen LaÈ n- dern hatten wir die gute MoÈ glichkeit, gegen SolidaritaÈ t Rohstoffe zu bekom- men, die wir woanders nicht in dem Maûe bekommen konnten oder wofuÈ r wir woanders Devisen bezahlen muûten. Hans-Joachim DoÈring: FuÈ r Mosambikoder auch AÈ thiopien gingen diese besonderen Beziehungen mit Deviseneinbuûen einher. Schalckhat Kohle auf dem offenen Meer gegen Devisen verkauft. Friedel Trappen: Ja, das ist die andere Seite. Das weiû ich. Das war in sei- nem Programm mit drin. Hans-Joachim DoÈring: Muûten Sie es dulden, oder fanden Sie es richtig? Friedel Trappen: Wir haben gesagt: Na gut, wenn wir die Kohle nicht brau- chen oder nicht gleich brauchen koÈ nnen und wir koÈ nnen dafuÈ r Devisen bezie- hen, da soll Schalckmachen, was er will. Das ist seine Hochzeit. Kraû gesagt: FuÈ r SolidaritaÈ t, fuÈ r Hilfe, Entwicklungshilfe nehmen wir mal an, konnten wir Dinge bekommen, fuÈ r die wir sonst woanders harte Devisen haÈ tten geben muÈ ssen, oder konnten dafuÈ r sogar Devisen einnehmen. Einmal habe ich meine Bedenken geaÈ uûert ± gerade mit der Steinkohle. Ob wir da den Mosambika- nern nicht das GeschaÈ ft versauen? Die haÈ tten das selber auch verkaufen koÈ n- nen. Hans-Joachim DoÈring: Und die Reaktion? Friedel Trappen: Da hat keiner drauf geantwortet. Sie haben nur mit den Achseln gezuckt. Schalck konnte nichts anderes als nach den Methoden arbei- ten, die er auf dem kapitalistischen Markt gelernt hatte.

303 Hans-Joachim DoÈring: Das ist ja meine Frage. Warum hat man ihn denn eingesetzt? Friedel Trappen: Na deswegen. Weil er am meisten rausholen konnte. Ich habe ein paarmal gesagt, wir muÈ ûten eigentlich ein paar mehr Schalcks haben. Hans-Joachim DoÈring: Aber nicht fuÈ r die Beziehungen mit den Entwick- lungslaÈ ndern! Friedel Trappen: Nein, nicht fuÈ r die EntwicklungslaÈ nder. Ich meinte das echt im Sinne, daû wir mit den Kapitalisten besser haÈ tten handeln muÈ ssen. Hans-Joachim DoÈring: Dr. Trappen, vielen DankfuÈ r das interessante Ge- spraÈ ch.

Das GespraÈ ch fand im BuÈ ro Bisky, beim Parteivorstand der PDS, statt.

304 Verzeichnis der Dokumente

Nr. Titel des Dokuments Seite

1 Brief von GuÈ nter Mittag und Werner Lamberz an Erich Ho- necker vom 6. Juli 1977. In: BAZ DY 22 187 +BuÈ ro Mittag). 306 2 Alexander Schalck: Vorlage fuÈ r die Kommission des PolitbuÈ - ros des ZK der SED zur Koordinierung der oÈ konomischen, kulturellen und wissenschaftlich-technischen Beziehungen der DDR zu LaÈ ndern Asiens, Afrikas und des arabischen Raumes vom 24. Januar 1978. Betreff: Aufgabenstellung, Rechte und Pflichten der Sonderbeauftragten der ParteifuÈ h- rung und der Regierung der DDR. In: BAZ DE 1 54880. 312 3 Treffbericht vom 17. Mai 1982, IMS »Henry«. In: Bericht des Schalck-Untersuchungsausschusses. Bundesdrucksache 12/7600, S. 1268f. 315 4 Bericht an die HA XVIII/7 uÈ ber » ... eine Beratung ... zur Auswertung der Reise der Partei- und Staatsdelegation der DDR in die LaÈ nder Libyen, Angola, Sambia und Mocambi- que« vom 10. MaÈ rz 1979, IMS »Henry«. In: BStU MfS HA XVIII 8639. 317 5 Treffbericht vom 15. Mai 1984, IMS »Henry«. In: Bericht des Schalck-Untersuchungsausschusses. Bundesdrucksache 12/7600, S. 1469±1472. 320 6 Bericht uÈ ber die Verhandlungen mit dem Finanzminister der Volksrepublik Mocambique, Genossen Abdul Magid Os- man, zum Abbau des Guthabens der DDR vom 11. Juli 1988. In: BStU MfS AJM 7735/91, Bd. 6, Bl. 16 ±18. 328

305 Dokument 1

306 307 308 309 310 311 Dokument 2

Alexander Schalck Berlin, 24.01.1978

Vorlage fuÈ r die Kommission des PolitbuÈ ros des ZK der SED zur Koordinierung der oÈ konomischen, kulturellen und wissenschaftlich-technischen Beziehungen der DDR zu LaÈ ndern Asiens, Afrikas und des arabischen Raumes.

Betreff: Aufgabenstellung, Rechte und Pflichten der Sonderbeauf- tragten der ParteifuÈ hrung und der Regierung der DDR

Beschluûentwurf: Die Aufgabenstellung, Rechte und Pflichten der Sonder- beauftragten der ParteifuÈ hrung und der Regierung der DDR werden bestaÈ tigt.

[gez.] A. Schalck

Aufgabenstellung, Rechte und Pflichten der Sonderbeauftragten der ParteifuÈhrung und der Regierung der DDR

Der Einsatz von Sonderbeauftragten der ParteifuÈ hrung und der Regierung der DDR in ausgewaÈ hlten jungen progressiven Nationalstaaten mit sozialisti- scher Orientierung erfolgt mit dem Ziel, die guten politischen Beziehungen fuÈ r eine schnelle, kurz- und langfristig wirksame Entwicklung komplexer oÈ kono- mischer, wissenschaftlich-technischer und kultureller Beziehungen zu nutzen. 1. Die Sonderbeauftragten unterliegen der Hauptnomenklatur des Sekreta- riats des ZK. Ihr UnterstellungsverhaÈ ltnis wird mit dem konkreten Ein- satz jeweils gesondert geregelt. Im Interesse einer einheitlichen und straffen Leitung erhalten die Sonder- beauftragten ihre Weisungen ausschlieûlich von dem Leiter, dem sie un- terstellt sind. 2. Die Sonderbeauftragten sind verantwortlich fuÈ r die politische und fach- liche Leitung der oÈ konomischen, wissenschaftlich-technischen und kultu- rellen Beziehungen mit ausgewaÈ hlten LaÈ ndern mit dem Ziel, kurzfristig bedeutende Ergebnisse fuÈ r eine allseitige Zusammenarbeit zwischen jun- gen progressiven Nationalstaaten mit sozialistischer Orientierung und der DDR als einem Land des entwickelten Sozialismus zu schaffen.

312 3. Ausgehend von BeschluÈ ssen und Entscheidungen der ParteifuÈ hrung und der Regierung der DDR haben die Sonderbeauftragten folgende Aufga- ben zu erfuÈ llen: 3.1. Entwicklung einer kurzfristig wirksamen Zusammenarbeit auf ausge- waÈ hlten Gebieten mit dem Ziel, ± der Sicherung des Importes wichtiger ausgewaÈ hlter landwirtschaftli- cher und mineralischer Rohstoffe sowie anderer Landesprodukte durch den Abschluû von Vereinbarungen zur Bezahlung der Importe der DDR mit Lieferungen von DDR-Exporterzeugnissen; ± der schnellen Erreichung hoher Marktanteile, die die DDR zu einem wichtigen Auûenhandelspartner des Gastlandes werden lassen; ± der Realisierung KD-wirksamer Kredite in fuÈ r die Zahlungsbilanz der DDR nuÈ tzlichen Formen aus den EntwicklungslaÈ ndern, die uÈ ber be- deutende Devisenreserven verfuÈ gen. 3.2. Entwicklung einer langfristigen Zusammenarbeit auf ausgewaÈ hlten Ge- bieten mit dem Ziel, ± die Versorgung der DDR mit Rohstoffen, Erzeugnissen der tropischen Landwirtschaft u. a. fuÈ r die Volkswirtschaft der DDR notwendigen Erzeugnissen langfristig zu sichern; ± den Absatz fuÈ r die Hauptexportlinien der DDR langfristig zu gewaÈ hr- leisten; ± eine hocheffektive Struktur des Warenaustausches zu erreichen; ± neue weitergehende Formen der Zusammenarbeit in der Produktions- und ZirkulationssphaÈ re fuÈ r stabile Auûenhandelsbeziehungen zu nut- zen. 3.3. Koordinierung des Gesamtkomplexes der oÈ konomischen, wissenschaft- lich-technischen und kulturellen Beziehungen mit dem Partnerland zur Sicherung der vorrangigen Entwicklung der oÈ konomischen Zusammen- arbeit auf der Basis der BeschluÈ sse der ParteifuÈ hrung und der Regierung der DDR. 3.4. Beratung und Abstimmung mit dem Botschafter uÈ ber die maximale Nut- zung guter politischer und ideologischer Beziehungen fuÈ r optimale und effektive oÈ konomische Ergebnisse der Zusammenarbeit. 3.5. SchwerpunktmaÈ ûige Kontrolle der DurchfuÈ hrung der BeschluÈ sse und Festlegungen, die die Beziehungen zu den ausgewaÈ hlten LaÈ ndern betref- fen, in den jeweils verantwortlichen Staats- und Wirtschaftsorganen in der DDR und deren Einrichtungen im Einsatzland. Nutzung staÈ ndiger Kontakte mit den jeweiligen Staats- und Wirtschafts- organen im Einsatzland, um Einfluû auf die ErfuÈ llung dieser BeschluÈ sse und Festlegungen zu nehmen. 3.6. Herstellung und Pflege staÈ ndiger enger persoÈ nlicher Kontakte zur Partei- und StaatsfuÈ hrung und wichtigen PersoÈ nlichkeiten des Einsatzlandes zur Sicherung der ErfuÈ llung der Aufgabenstellung. 3.7. Ausarbeitung und Verhandlung von Abkommen und Vereinbarungen zur DurchfuÈ hrung und Sicherung der Aufgaben oder Unterbreitung von entsprechenden VorschlaÈ gen.

313 3.8. Teilnahme an allen wichtigen Beratungen und Verhandlungen mit bevoll- maÈ chtigten Vertretern und Delegationen des Einsatzlandes, wie Beratun- gen des Gemischten Wirtschaftsausschusses, Abkommensverhandlungen usw. 4. Zur DurchfuÈ hrung der Aufgaben erhalten die Sonderbeauftragten fol- gende Befugnisse: 4.1. Die Sonderbeauftragten sind berechtigt, unmittelbar in den Staats- und Wirtschaftsorganen an Beratungen teilzunehmen, AuskuÈ nfte einzuholen und Unterlagen einzusehen. 4.2. Die SonderbevollmaÈ chtigten arbeiten eng mit den Botschaftern der DDR zusammen und informieren sie uÈ ber ihre AuftraÈ ge und AktivitaÈ ten. Die Botschafter sind verpflichtet, dem Sonderbeauftragten jegliche Unter- stuÈ tzung zur ErfuÈ llung ihrer Arbeiten zu gewaÈ hren. 4.3. Die Sonderbeauftragten sind zur ErfuÈ llung o.g. Aufgaben weisungsbe- rechtigt gegenuÈ ber den HandelsraÈ ten und Leitern der HPA sowie allen anderen im Auftrage der fuÈ r die Aufgaben der SonderbevollmaÈ chtigten verantwortlichen Minister oder ihrer nachgeordneten Organe kurz- oder langfristig im Einsatzland befindlichen DDR-BuÈ rgern +Mitarbeiter der HPA und der technisch-kommerziellen BuÈ ros, WTZ-Berater und Spezia- listen, Dienstreisende, Bau- und MontagestaÈ be). 4.4. Die Sonderbeauftragten sind zur ErfuÈ llung o.g. Aufgaben weisungs- berechtigt gegenuÈ ber allen weiteren im Einsatzland taÈ tigen DDR- BuÈ rgern, deren Einsatz im Zusammenhang mit der Entwicklung der oÈ ko- nomischen, wissenschaftlich-technischen und kulturellen Zusammenar- beit steht. Ausgenommen davon sind Parteibeziehungen. 4.5. Die Sonderbeauftragten sind berechtigt, Informations- und andere Tele- gramme durch Inanspruchnahme des Funkverkehrs der Botschaft direkt an den Vorsitzenden der Kommission des PolitbuÈ ros sowie den jeweils uÈ bergeordneten Leiter zu senden. In den Verteiler sind die zustaÈ ndigen Stellvertreter des Ministers fuÈ r Au- ûenhandelund fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten sowie der Stellvertreter des Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission aufzunehmen. Alle Chiffretelegramme sind vom Botschafter gegenzuzeichnen. 5. Die Verantwortung fuÈ r die ErfuÈ llung der BeschluÈ sse von Partei und Re- gierung durch die zustaÈ ndigen Staatsorgane, VVB, Kombinate, Betriebe und ihrer Vertreter im Ausland, bleibt durch den Einsatz der Sonderbe- auftragten unveraÈ ndert. 6. Die Sonderbeauftragten haben mit den Genossen, die fuÈ r die Abwicklung nichtziviler Lieferungen der DDR zustaÈ ndig sind, enge Arbeitsbeziehun- gen herzustellen. Sie haben diese Genossen bei ihrer Arbeit zu unterstuÈ t- zen und, soweit keine anderen Weisungen dem entgegenstehen, sich ge- genwaÈ rtig zu informieren. Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der kommerziellen Abwicklung nichtziviler Lieferungen ist mit dem hoÈ chsten oÈ konomischen Nutzeffekt zu realisieren.

314 Dokument 3

315 316 Dokument 4

Hauptabteilung XVIII/7 Leipzig, 10. MaÈ rz 1979

Treff: 8. MaÈ rz 1979 IMS: »Henry« IMK: »Berg« Zeit: 15.00±18.00 Uhr entgegengen.: Major HoÈ fner

Bericht

Am 7. MaÈ rz 1979 fand bei Genossen Dr. Mittag eine Beratung statt zur Aus- wertung der Reise der Partei- und Staatsdelegation der DDR in die LaÈ nder

Libyen Angola Sambia und Mocambique.

An der Beratung nahmen teil: Gen. Rauchfuû Gen. SchuÈ rer Gen. Weiû Gen. Steeger Gen. Kurig Gen. Siebold Gen. Singhuber Gen. Schalck Gen. Beil Gen. SoÈ lle Gen. Clausnitzer Gen. Albrecht und Gen. Uhlig.

Zur Beratung stand der Plan der oÈ konomischen Hauptmaûnahmen in Aus- wertung der Reise der Partei- und Staatsdelegation unter Leitung von Genos- sen Erich Honecker in die genannten LaÈ nder. Genosse Mittag erlaÈ uterte, daû es das Zielder Beratung sei, die anwesenden Minister persoÈ nlich einzuweisen in die wesentlichen Ergebnisse auf oÈ konomischem Gebiet und die fuÈ r die Zu- kunft zu loÈ senden Aufgaben. Er schilderte kurz gefaût die wesentlichen Er- gebnisse auf oÈ konomischem Gebiet und sprach zu einigen Schluûfolgerungen.

317 FuÈ r das Land Libyen besteht die kommende Aufgabe im wesentlichen darin, alle MoÈ glichkeiten des Handels mit Libyen auszuschoÈ pfen und die vereinbar- ten Dokumente mit Leben zu erfuÈ llen. Nach seiner Auffassung muû man den Handel mit Libyen so betreiben, wie mit einem x-beliebigen kapitalistischen Land, da noch keine Voraussetzungen zu weitergehenden Vereinbarungen be- stehen. Was Angola betrifft, so stellt sich die Lage anders dar. Auf Grund der Ge- meinsamkeiten in Politik, Ideologie und auch in der OÈ konomie ist ein staÈ rke- res Engagement der DDR erforderlich, vorrangig in Hinblick auf die Siche- rung der Rohstoffversorgung der DDR. Der zur Beratung anstehende Maûnahmeplan legt dazu eine Reihe von konkreten Schritten fest. Genossen Mittag ging es in seinen AusfuÈ hrungen nochmals darum, das prinzipiell andere Herangehen gegenuÈ ber bisherigen Vorgehen darzulegen; nicht mehr schlechthin auf Export und Import zu orientieren, sondern auf eine direkte Beteiligung in angolanischen Betrieben, auf eine direkte Beteiligung von Kombinaten und Auûenhandelsbetrieben der DDR an der Rohstofferkundung/Rohstofferschlieûung in Angola. Er sprach sich dafuÈ r aus, die Spezialisten nicht mehr, wie bisher uÈ ber Limex in diese LaÈ nder zu entsenden und dafuÈ r ein monatliches Gehalt von 1500,± oder 2000,± Dollar zu kassieren, sondern die Spezialisten als Leitungskader direkt in der Produktion, in Betrieben, Bergbaueinrichtungen u.aÈ .fuÈ r die DDR interessanten Objekten einzusetzen, so daû sie dort die Produktion or- ganisieren und wir uns an dem Gewinn und an den Produkten beteiligen und dadurch die Rohstoffversorgung der DDR sichern und unsere Beziehungen bedeutend enger gestalten als bisher. Dazu sind Einzelheiten und Maûnahmen auszuarbeiten auf der Grundlage des Beschlusses, der nach der Verabschiedung in dem genannten Kreis dem Sekretariat des ZK zur Beschluûfassung vorgelegt wird. Was Sambia betrifft, so schaÈ tzte er ein, daû durch den Besuch neue MoÈ g- lichkeiten eroÈ ffnet wurden. Bisher war der Handelmit Sambia gering, wa È h- rend des Besuches wurden eine Reihe prinzipieller Vereinbarungen unterzeich- net, damit besteht die Grundlage, auch hier uÈ ber Berater und den direkten Einsatz von DDR-Kadern in sambischen Bergbau-Betrieben o.a. Industriebe- reichen einen staÈ rkeren Einfluû zu gewinnen und diesen Einfluû fuÈ r den Ab- satz unserer Erzeugnisse und falls MoÈ glichkeiten dazu im einzelnen noch herausgearbeitet werden koÈ nnen, auch fuÈ r die Rohstoffversorgung wirksam zu machen. LaÈ ngere AusfuÈ hrungen machte er zu Mocambique. Er ging davon aus, daû die Genossen des PolitbuÈ ros, die an der Reise beteiligt waren, in Mocambique den Eindruck gewonnen haben, daû hier die besten Voraussetzungen von al- len besuchten LaÈ ndern vorhanden sind, um eine stabile Entwicklung in Rich- tung auf die Gestaltung einer sozialistischen Gesellschaft zu gewaÈ hrleisten. Die Genossen schaÈ tzen ein, daû die FuÈ hrung der FRELIMO, die FuÈ hrung der VR Mocambique die beste GewaÈ hr dafuÈ r bietet, daû der begonnene Weg in Richtung auf die Schaffung sozialistischer VerhaÈ ltnisse fortgefuÈ hrt und bis zu Ende gegangen wird. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, daû die uÈ ber

318 die bereits begonnenen Gebiete hinaus, sich noch staÈ rker in der Wirtschaft Mocambique engagiert. Das betrifft solche Gebiete, wie Erdgas Steinkohle Kupfer Dantalerz +ph.) Halbedelsteine u. a.

Genosse Mittag sprach sich dafuÈ r aus, daû die DDR sich direkt an einer Pari- taÈ tischen Leitung dieser Betriebe beteiligt und die Betriebe praktisch gemein- sam mit der VR Mocambique in Form von gemischten Produktionsgesell- schaften oder anderen geeigneten Formen leitet, daû man sich an dem Gewinn der Betriebe beteiligt und daû die HaÈ lfte der erzeugten Rohstoffe in die DDR exportiert wird. Auf diesem Weg wid es auch moÈ glich sein, in einem laÈ ngerfristigen Zeitraum die Zahlungsbilanzprobleme auszugleichen und vom jetzigen Aktiv-Saldo der DDR zu einer ausgeglicheneren Zahlungsbilanz zu kommen. Gleiches gilt fuÈ r das Gebiet des Fischfangs, sowohlfuÈ r Angola als auch fuÈ r Mocambique; der Genosse Udo Lange erhielt den Auftrag, ein Konzept aus- zuarbeiten, Delegationen unter Leitung von Stellv. Ministern in diese LaÈ nder zu entsenden mit dem Ziel, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Fisch- fangs wesentlich auszubauen, mit unserer Flotte dort unten zu fischen, Fisch- mehlzu produzieren, u. a. fuÈ r die DDR interessante Formen der Zusammen- arbeit schnell und zuÈ gig zu entwickeln. FuÈ r das Gebiet der Landwirtschaft legte er fest, daû Genosse Kurig eine Delegation nach Mocambique unter Leitung des Stellv. Ministers schickt, um auch auf diesem Gebiet die Zusammenarbeit zu intensivieren. Das Land ist groû, nur duÈ nn besiedelt, die VR Mocambique ist bereit, fuÈ r gemeinsame Landwirtschaftskomplexe der DDR groûe FlaÈ chen zur VerfuÈ gung zu stellen mit dem Ziel, gemeinsam landwirtschaftliche Rohstoffe zu produzieren und diese fuÈ r Mocambique und fuÈ r die DDR zu nutzen. Er betonte ausdruÈ cklich, daû es dabei um Projekte in GroÈ ûenordnungen gehen muÈ sse, nicht um klein, klein. In den GespraÈ chen zwischen Genossen Erich Honecker und Genossen Ma- chel[Name ist handschriftlicherga È nzt] habe dieser Teilder Zusammenarbeit eine wichtige Rolle gespielt. Es sei davon gesprochen worden, einen gemeinsa- men Generalstab zu schaffen zur Ankurbelung der oÈ konomischen Entwick- lung im beiderseitigen Interesse und zum beiderseitigen Vorteil. Es wurde festgelegt, daû in der DDR und in der VR Mocambique ein beson- deres Leitungssystem aufzubauen ist, das die gesamte Koordinierung und Steuerung des Entwicklungsprogramms Mocambique in die Hand nimmt und direkt und unmittelbar leitet. Die Verantwortlichkeit dafuÈ r liegt bei Genossen Alex Schalck.

gez.: »Henry«

319 Dokument 5

Arbeitsgruppe BKK Berlin, 16.5.1984 Treff: 15.05.1984 IMS: »Henry« Ort: Wohnung des IM Zeit: 19.30±23.30 Uhr KoÈ .

Treffvermerk

Da die IMK »Tulpe«, die sonst fuÈ r Treffs mit dem IM genutzt wird, z.Z. nicht nutzbar ist, wurde der IM gefragt, ob er eine andere MoÈ glichkeit fuÈ r einen Treff sieht. Der IM schlug daraufhin vor, sich in seiner neuen Wohnung zu sehen. WaÈ hrend des Treffs war die juÈ ngste Tochter des IM und sein Sohn anwesend. Der Sohn schlief jedoch in seinem Zimmer. Die Tochter bereitete fuÈ ralle3 Anwesenden das Abendbrot und der op. Mitarbeiter stellte sich ihr gegenuÈ ber als SchroÈ der vor. Zeitlich lief der Treff wie folgt ab. Von 19.30 ±20.15 Uhr wurde Abendbrot gegessen und dabei im Fernsehen die Nachrichtensendung verfolgt. Der IM schaltete dabei um 20.00 Uhr auf die ­Tagesschau¬ um, von 20.15 ± ca. 21.30 Uhr wurde die Sauna im Keller benutzt und von 21.30 ±23.30 Uhr fand ein Vier-Augen-GespraÈ ch im Wohnzimmer des IM statt. Nach dem Abendbrot zeigte der IM dem op. Mitarbeiter alle Zimmer sei- nes neuen Hauses und erlaÈ uterte ausfuÈ hrlich die EinrichtungsgegenstaÈ nde und den Verwendungszweck der jeweiligen Zimmer. Im Keller befindet sich ein Hobbyraum, der z.Z. noch leer war und der IM aÈ uûerte, daû er angeblich nicht wuÈ ûte, was er mit diesem Hobbyraum anfangen soll bzw. was er hinein- stellen soll. Der op. MA antwortete, daû der ehemalige DDR-BuÈ rger Schuster ja ein aÈ hnliches Haus gehabt haÈ tte und daû in diesem Raum ein exqu. Home- trainer stand und eine Liege zum Ausruhen. Der IM ging auf diese GespraÈ chs- richtung nicht ein und zeigte anschlieûend weitere RaÈ ume des Kellerschosses, d. h. die Garage, den Heizungsraum, den Vorratsraum usw. In einem der Kel- lerzimmer machte der IM den op. MA darauf aufmerksam, daû sich an der Wand dort der Telefonanschluû befindet u. an der gegenuÈ berliegenden Wand der elekt. Sicherungskasten haÈ ngt. UÈ ber diese Bemerkung des IM wurde durch den op. MA desinteressiert hinweggegangen. Bei dem Rundgang durch das Haus war offensichtlich, daû fuÈ r den IM zwar jetzt ausreichende RaÈ umlichkeiten vorhanden sind, aber das Mobiliar fehlt. Der IM aÈ uûerte mehrfach, daû die Inneneinrichtung vielkostet und daû ihm dazu das notwendige Geld fehlen wuÈ rde.

320 Anschlieûend zeigte der IM, wer in seiner unmittelbaren Nachbarschaft wohnt. GegenuÈ ber vom Haus des IM war der 1. Sekr. der Kreisleitung des MfS anwesend. Daneben wohnt ein weiterer Genosse des MfS. Der Kombinatsdirektor des PCK Schwedt wird in KuÈ rze unmittelbar neben dem IM bzw. in nicht weiter Entfernung einziehen. Das GrundstuÈ ck an der RuÈ ckseite des Hauses vom IM wurde vor kurzem durch die Fa. gartentechnisch instandgesetzt, so lautete die AÈ uûerung des IM. Daraufhin sagte der op. MA, daû ja dann dort auch ein Genosse des MfS einziehen wird. Der IM stutzte und sagte, daû er gelesen hat, daû Firma ein Begriff sei, den die CIA fuÈ r sich selber verwenden wuÈ rde, er haÈ tte eigentlich die Gartenbaufirma mit seiner AÈ uûerung gemeint. Als der op. MA daraufhin erwiderte, daû er den Begriff »Firma« schon lange kennen wuÈ rde, sagte der IM, na dann wird das wohlGeheimdienstjargon sein. Von den GespraÈ chen waÈ hrend des Saunabesuches sind folgende Aussagen des IM von Interesse. Das Schiff mit den speziellen Erzeugnissen fuÈ r Nicola wurde umgeleitet und soll jetzt vor der jugoslawischen KuÈ ste die Ware an ein anderes DDR-Schiff uÈ bergeben. Der StaatssekretaÈ r Schalck hatte die Information +AG BKK) so- fort an den IM muÈ ndlich weitergegeben. Der IM wollte als RuÈ ckendeckung eine Kopie dieser Information erhalten, dies wurde jedoch zunaÈ chst von der Genn. Brachhaus abgelehnt. Der IM besitzt jetzt jedoch das Original und kei- ner fragt mehr nach dem Verbleib dieser Information. Der IM hatte bei diesem Vorgang der Schiffsumdirigierung den Eindruck, daû der StaatssekretaÈ r Schalck irgendwie Hemmungen o.aÈ . hatte. UÈ ber die konkreten Ursachen dafuÈ r konnte der IM jedoch angeblich nichts berichten. Der IM vermutet, daû Nicola an dem geplatzten speziellen GeschaÈ ft, das durch die Westpresse ging, beteiligt ist. In der Zwischenzeit hat sich Nicola auch gemeldet und es werden in der Per- spektive die zu klaÈ renden kommerziellen Fragen geregelt. Anschlieûend aÈ uûerte der IM, daû seine Spione ihm mitgeteilt haÈ tten, daû Mocambique kurz vor dem Eintritt in den Internationalen WaÈ hrungsfonds steht und der IM als Praktiker will sich nun bei Wissenschaftlern erkundigen, welche Konsequenzen damit verbunden sind. Er wandte sich an Gen. Stier von der HfOÈ und dieser empfahlihm einen Assistenten. Damit dieser Assi- stent auch die notwendigen Vorkenntnisse hat, die er fuÈ r eine qualifizierte Aussage benoÈ tigt, will der IM ausgewaÈ hlte VS-Materialien uÈ ber Mocambique diesem Assistenten zu lesen geben. Da der Assistent z. Z. nur VD-verpflichtet ist an der HfOÈ , wollte der IM im Bereich Koko eine zeitweilige VVS-Ver- pflichtung erreichen. Die Kaderleiterin, Genn. Schreier, lehnte das ab, da die Kaderakte uÈ ber den Assistenten nicht vorhanden war. Der Sicherungsbeauf- tragte, Gen. Meier, stimmte Genn. Schreier zu, half dem IM aber auch nicht, dieses Problem konstruktiv zu loÈ sen. Ebenso destruktiv verhielt sich die VVS- Stelle des Bereiches Koko. Da dem IM aber an einer inhaltlichen LoÈ sung des Problems gelegen ist, laÈ ût er jetzt den Assistenten inoffiziell diese VVS-Mate- rialien lesen und und nimmt somit das Risiko auf seine eigene Kappe. Anschlieûend brachte der op. Mitarbeiter das GespraÈ ch auf die Parteiver- sammlung, die anlaÈ ûlich der DisziplinverstoÈ ûe durch Freitag und Kronenber-

321 ger durchgefuÈ hrt wurden. Dem IM wurde mitgeteilt, daû der op. MA nur po- sitive Meinungen zu dem Diskussionsbeitrag des IM gehoÈ rt haÈ tte und daû der Diskussionsbeitrag des IM als einziger erwaÈ hnenswerter Diskussionsbeitrag eingeschaÈ tzt wird. Der IM war davon sichtlich geschmeichelt und aÈ uûerte im Verlauf dieser Parteiveranstaltung folgendes: Der StaatssekretaÈ r Schalck bat den IM vor der Versammlung, einen Dis- kussionsbeitrag zu halten und Gen. Schalck und Gen. Seidel in der Auseinan- dersetzung zu unterstuÈ tzen. Gen. Schalck informierte in diesem Vorabge- spraÈ ch den IM zu wesentlichen Momenten der DisziplinverstoÈ ûe der Gen. Freitag und Kronenberger. In der PV wurde allerdings nicht offen gesagt, was die Genossen Freitag und Kronenberger falsch gemacht hatten. Die Diskus- sion blieb dadurch auch hinter den Erwartungen zuruÈ ck, da ja die meisten An- wesenden Gen. nicht uÈ ber genuÈ gend Hintergrundwissen verfuÈ gten. Der Mitar- beiter Kopmann, der laut IM sonst eigentlich immer weiû, wo er sich parteilich hinzustellen hat, sagte, daû er ohne Hintergrundwissen keine Dis- kussion durchfuÈ hren kann. Der IM ging dann auf Kopmann etwas naÈ her ein und sagte, Kopmann lebt bestimmt nicht schlecht, er ist ja jetzt an seiner Ein- richtung der Datsche sehr stark interessiert und aktiv, aber er hat eben auch fachliche Verdienste, die diesen Lebensstandard rechtfertigen. ZuruÈ ckkom- mend auf die o.a. PV sah sich Gen. Schalck genoÈ tigt, in die Diskussion einzu- greifen und sie anzukurbeln. Der IM, der ebenfalls mit dem Verlauf der PV +Stellungnahme der Parteileitung, Stellungnahme der Gen. Freitag und Kro- nenberger) nicht einverstanden war, aÈ uûerte sich sehr impulsiv und gefuÈ hlsbe- tont. Im nachhinein konnte der IM feststellen, daû mehrere Genossen dem IM unter vier Augen versicherten, daû sein Diskussionsbeitrag parteilich und inhaltlich richtig war. Der IM ist der Auffassung, daû eigentlich die falsche Toleranz und die fehlende Konsequenz des Gen. Seidel zur Debatte stand, dies jedoch nicht angesprochen wurde. Der IM vertritt die Auffassung, daû Gen. Seidelheute noch auf den IM sauer ist, weildieser einen derartigen Dis- kussionsbeitrag in dieser PV gehalten hat. Auch Gen. Schalck hat bis heute noch nicht wieder mit dem IM uÈ ber dieses Problem gesprochen, obwohl er in der Vergangenheit aÈ hnliche Sachverhalte mit ihm eroÈ rtert hatte. Im Zusammenhang damit, daû im Bereich Koko materielle und finanzielle Anerkennungen nicht nach dem Leistungsprinzip, sondern nach der Stellung zur Leitung des Bereichs Koko verteilt werden, kam der IM auch auf den Mit- arbeiter Petrick zu sprechen. Der IM aÈ uûerte sich empoÈ rt uÈ ber Verhaltenswei- sen von Petrick, der ja nichts weiter macht als Fernseher zu reparieren. So ver- wies der IM z. B. darauf, daû bei der Einstellung von Petrick im Bereich Koko ihm bekannt wurde, daû Petrick sich privat einen »Peugot« [!; im Typo- skript steht: »Pigot«; handschr. ersetzt] gekauft hatte. SpaÈ ter hoÈ rte der IM von Petrick, daû sich dieser fuÈ r 50000,± M EinrichtungsgegenstaÈ nde fuÈ r die Wohnung beschafft hatte. Der IM empoÈ rte sich des weiteren daruÈ ber, daû Pe- trick groûspurig seine Bungalowsauna zum Pilzetrocknen nutzt. Der IM kam auch auf den neuen Kader fuÈ r seine Abt. Handelspolitik zu sprechen, dieser Kader heiût Geist, Michaelund hatte vor kurzem bei der Be- erdigung der Schwiegereltern Kontakt zu dem in der BRD lebenden Schwager

322 +RF vor mehreren Jahren). Geist meldete den Kontakt ordnungsgemaÈ ûim Betrieb, daruÈ ber war der IM erfreut. Angeblich soll der IM gegenuÈ ber Geist geaÈ uûert haben, daû eigentlich nicht dieser gemeldete Kontakt interessant ist, sondern wie sich die ganze Sache weiter entwickelt, dies sei von Interesse. Geist selbst wird von dem IM als zuverlaÈ ssiger, offener und ehrlicher Genosse eingeschaÈ tzt. Nach dem Saunabesuch wurde das GespraÈ ch im Wohnzimmer des IM fort- gesetzt. Dabei kam das GespraÈ ch auch darauf, daû neuerdings die GeschaÈ fte des IM mehrfach Gegenstand westlicher VeroÈ ffentlichungen waren, z. B. vor 2 Wochen dieser Artikelmit der U È berschrift »Die Blutspur fuÈ hrt in die DDR«. Der IM muûte sofort pruÈ fen, ob tatsaÈ chlich mit diesem WaffenhaÈ nd- ler GeschaÈ fte gemacht wurden. Dies war jedoch nicht der Fall, angeblich auch nicht bei der Fa. Forgber. Der IM ist der Auffassung, daû hier einer mit fal- schen Karten spielt und zinkt. Die Information, die der IM erarbeitet hatte, ging sofort uÈ ber Gen. Schalck an Gen. Mielke und der IM bemerkte in dem Zusammenhang, daû es eine des oÈ fteren gebrauchte Redewendung von Gen. Schalck ist, eine Kopie an GuÈ nter Mittag, eine Kopie an den Minister. Alle Anwesenden wissen dann, welcher Minister gemeint ist. Von dem op. MA wurde noch einmalauf den o.a. Artikelzuru È ckgekommen und geaÈ uûert, daû die Sache ja dadurch brisant war, daû ein Zusammenhang zum Papstattentat hergestellt wurde. Der IM sagte dazu, daû er der Auffassung sei, daû der Papst inzwischen genug Schaden angerichtet haÈ tte und man muÈ ûte ihn, ohne Spuren zu hinterlassen, verungluÈ cken lassen. Der IM sagte dann, daû die westlichen GD genuÈ gend Geld und Macht ha- ben, um ihre Aktionen auch mit hoher Wirksamkeit durchzusetzen. Er be- schaÈ ftigt sich schon seit vielen Jahren mit der dazu erscheinenden Literatur und durch seine eigenen Erfahrungen waÈ hrend seines Griechenlandeinsatzes hat er gemerkt, daû dies nicht nur Theorie ist, sondern Praxis, was dort uÈ ber die Geheimdienste und ihre Arbeitsweise veroÈ ffentlicht wird. An dieser Stelle hakte der op. MA ein und sagte, daû die westlichen GD nicht nur Geld fuÈ r solche Aktionen haben, sondern auch entsprechend rigoros und rabiat vorge- hen, sie kennen eben keine moralischen Schranken. Auf diese AÈ uûerung ging der IM nicht weiter ein, sondern kam wieder auf die Geldproblematik zu spre- chen. Er sagte, daû die GD Geld haben, um eine gezielte Manipulation der Massen durchzufuÈ hren, dies sei ein wesentliches Gebiet fuÈ r Geheimdienstakti- vitaÈ ten, damit werden Geheimdienstoperationen ideologisch vorbereitet und anschlieûend auch entsprechend ausgeschlachtet. Dies koÈ nnen wir bei uns nicht. Er fuÈ hrte dann dazu Beispiele an, indem er mehrere renommierte west- liche Zeitungen nannte und sagte, wer steht denn dahinter, das sind doch die GD. Im weiteren Verlauf des GespraÈ ches ergaÈ nzte der IM, indem er Beispiele vom Rundfunk hinzufuÈ gte, er sagte, als ich anfangs nach der Iranischen Re- volution in Teheran saû, mehrere Wochen und aufgrund der GefaÈ hrdung nicht auf die Straûe gehen konnte, hatte ich genuÈ gend Zeit und dort bekommt man ja Radio Berlin nur bei schoÈ nem Wetter, aber alle groûen westlichen Ra- dio-Stationen wie Voice of America, BBC London und weitere kann man

323 [handschr. ergaÈ nzt] einwandfrei auf Kurzwelle zu empfangen. Uns fehlt ein- fach das Geld, um hier weltweit uÈ ber Radio wirksam werden zu koÈ nnen. Der IM brachte dann ein weiteres Beispiel, er sagte, wenn z. B. unsererseits das Interesse bestehen wuÈ rde, den Staatsmann Nimeri zu stuÈ rzen, so koÈ nnte er durchaus Kontakte zu entsprechenden Leuten vermitteln, Waffen uÈ ber seine Fa. beschaffen und dann hoÈ rt es aber auch schon auf, weilbei uns das Geld einfach fuÈ r solche Operationen nicht vorhanden ist. Vom op. MA wurde daraufhin erwidert, daû wir eben insgesamt doch ein kleines Land sind und uns auch dementsprechend auf Maûnahmen beschraÈ n- ken, wo wir reale MoÈ glichkeiten sehen und auch die notwendigen Potenzen besitzen. Der IM war jedoch anderer Meinung und entgegnete, daû dies der op. MA bestimmt falsch sehen wuÈ rde, obwohl letztendlich nur die SupermaÈ chte USA und die SU die entsprechenden materiellen und finanziellen Beziehungen fuÈ r Groûaktionen haben. Er nannte als weiteres Land China und zunehmend auch Japan. Der IM sagte, daû der legendaÈ re Mischa von der HV A im We- sten bestimmt deshalb beruÈ hmt ist, nicht weiler kleineOperationen macht, sondern weiler eben kraÈ ftig im Weltgeschehen mitmischt. 1979 soll Fidel Ca- stro vorausgesagt haben, daû es in KuÈ rze in Mittelamerika zu einem Knall kommt. Die Intrac baute kurz danach eine gemischte Gesellschaft in Panama auf. Als der op. MA daraufhin entgegnete, daû diese Fa. jedoch ohne Bedeu- tung sei, sagte der IM, daû daruÈ ber mehr gelaufen ist, als beide Anwesenden ahnen wuÈ rden. Ein weiteres BeispielNicaragua. Auch hier sei die DDR nicht ganz unwich- tig als Juniorpartner der SU. Vor kurzem sollen die Freunde gefragt haben, ob und wie man Waffen, z. B. Panzer, illegal nach Nicaragua schaffen koÈ nnte. Der IM war der Auffassung, daû es bei der HV A recht gute Leute gibt, aber eben auch Leute, die von ihrem Fach nichts verstehen wuÈ rden. Zu den letzte- ren zaÈ hlte er Gen. Gaida und auch die Gen., die die Fa. Camet einschlieûlich Weber betreuen. Aber z. B. die SWT-Truppen, ein konkreter Name war dem IM angeblich entfallen, seien gut und mit ihnen zusammen haÈ tte er schon er- folgreiche und gute Aktionen im Iran durchgefuÈ hrt, um an ein Verfahren zur Pulverherstellung fuÈ r Waffen heranzukommen. Ebenso gut schaÈ tzte er den Gen. Leuschner und seine MA ein, mit ihnen zusammen koÈ nnte er die Lage in den ihn interessierenden LaÈ ndern eroÈ rtern, die KraÈ ftegruppierung usw., von ihnen wuÈ rde er z. B. auch erfahren, wie die einzelnen Gruppen in der PLO ein- zuschaÈ tzen sind, und da er Auûenhandelsaufgaben im groûen Stil durchzu- fuÈ hren hat, ist dieser Kontakt und die damit vorhandenen InformationsmoÈ g- lichkeiten sehr wichtig. Durch Gen. Schalck wird der IM immer wieder gefragt, wie weit er mit sei- nen Erkundungen zu dem Panzer Leo 2 ist. Der IM aÈ uûerte in dem GespraÈ ch, daû er jedoch z. Z. nur die Zeitschriften und die dazu vorhandenen Artikelab- schreibt und daû dies natuÈ rlich von unseren Genossen gemerkt wird. Ein weiteres brisantes Thema sei das Herankommen an eine spezielle NA- TO-Munition modernster Art. Der konkrete Name ist dem op. MA nicht mehr in Erinnerung.

324 Durch den op. MA wurde dann gefragt, ob A. Schalck noch einmal den Kontakt des IM zu den Abwehrorganen untersagt haÈ tte, bzw. wie jetzt der aktuelle Stand ist. Der IM erwiderte, daû es nichts Neues geben wuÈ rde. Ihm sei jedoch die Haltung des Gen. Schalck insofern verstaÈ ndlich, daû es keinen als Leiter freut, wenn Informationen abflieûen und er dann auf vorgefertigte Meinungen trifft. Im Verlaufe des Abends wurden durch den IM Aussagen zu seinen eigenen Kadern getroffen. Kursawe, K. befindet sich z. Z. in Mocambique, der IM fuÈ hrte mit K. ein KadergespraÈ ch durch, beide kamen uÈ berein, daû K. erst am 31.12.84 aus dem Bereich ausscheidet. K. will dann zum AHB Limex gehen. Dieser Arbeitsstel- lenwechsel von K. ist sicher. HaÈntzschel. Der IM hat vor, H. als seinen Stellvertreter zu entwickeln und einzusetzen und H. die Betreuung der gesamten Probleme im Zusammenhang mit Afrika zu uÈ bertragen. Gaida. Die Genn. G. soll wieder staÈ rker auf die Afrikaproblematik konzen- triert werden und der IM beabsichtigt, sie als RK einzureichen. Seifert. Der IM kennt die Probleme mit dem Leiter der WPA Maputo, Gen. Seifert. Er schaÈ tzt ein, daû diese Probleme dadurch entstehen, daû S. noch keine LeiterpersoÈ nlichkeit ist und neuerdings auch egoistische ZuÈ ge, Geltungsdrang u.aÈ . aufweist. Der IM betonte, daû er sich um S. und dessen Entwicklung intensiv kuÈ mmern wird und der IM haÈ lt evtl. Kurzschluûreaktio- nen von S. waÈ hrend seines Aufenthaltes in Mocambique fuÈ r ausgeschlossen. Lindow. L. arbeitete sich zunaÈ chst gut in den Bereich Koko ein, jetzt hat er jedoch einige Probleme und der IM ist froh, daû dies noch vor dem geplanten Einsatz von L. sichtbar wurde, da man jetzt noch erzieherisch auf Lindow ein- wirken kann. Mundkowski, Auûenstelle AÈ gypten. Von M. wird eine sehr gute kommer- zielle Arbeit geleistet. Creuzburg, Auûenstelle Iran. Die kommerzielle Arbeit von C. ist mit Pro- blemen behaftet und der IM aÈ uûerte, daû er nach der plamaÈ ûigen RuÈ ckkehr von C. aus dem Iran diesen nicht wieder im Bereich Koko, sondern in der Imes einsetzen wird. Kadervorschlag Pasternack. Der IM ist der Auffassung, daû man diesen Vorschlag gruÈ ndlich und schnell abpruÈfen [im Typoskript steht: abbuchen; handschr. ersetzt] soll, da P. evtl. ein Leiter fuÈ r die WPA in Maputo sein koÈ nnte. Geist, Michael. G. und der IM kennen sich schon viele Jahre. G. soll im Be- reich Koko in der Abt. Handelspolitik eingesetzt werden und fuÈ r die Anlei- tung der Fa. Imes verantwortlich gemacht werden. Er soll vor allen Dingen KoordinierungsgespraÈ che mit beteiligten Ministerien und Institutionen durch- fuÈ hren. Aufgrund der Erfahrung mit den bisherigen WPA-Leitern wurde mit dem IM daruÈ ber diskutiert, ob nicht zukuÈ nftig ein etwas aÈ lterer und bereits schon erfahrener Genosse eingesetzt werden sollte. Dies wurde vom IM bejaht, aber er hat z. Z. keinen entsprechenden Kader. Gen. StoÈ ckert von der Abt. WTA

325 waÈ re nach EinschaÈ tzung des IM bestens geeignet. Der IM hat auch schon ein- malinoffiziellmitSto È ckert daruÈ ber gesprochen, dieser aÈ uûerte jedoch Beden- ken aufgrund der gesundheitlichen Konstitution. Der IM ist der Auffassung, daû St. vielleicht auch etwas Angst vor den harten und nicht sicheren VerhaÈ lt- nissen in Maputo hat. Der IM wurde dann hinsichtlich seines GrundstuÈ ckes angesprochen und er antwortete zum op. MA, wie du weiût, fuÈ hre ich eine Vernunftehe [im Typo- skript steht: vernuÈ nftige Ehe; handschr. ersetzt] und meine Frau ist auch hier mit hergezogen, aber sie hat die Frage gestellt, wie lange wir in diesem Haus wohnen bleiben koÈ nnen. Letztendlich kann ich in Ungnade im Bereich Koko fallen, oder gesundheitliche GruÈ nde koÈ nnen sich ergeben, und aufgrund des- sen waÈ re es dann schade, wenn wir jetzt den Garten verkaufen wuÈ rden und dann ploÈ tzlich nichts mehr haÈ tten. Denn eigentlich gehoÈ re ich gar nicht in die Kategorie, die hier in die HaÈ user einzieht. Ich habe eher den Eindruck, man will mich hier mehr mit einbinden. Dem IM wurde geraten, sich an Gen. Sei- delzu wenden und mit ihm uÈ ber eine zeitweise Verpachtung des GrundstuÈ cks an den Bereich Koko zu besprechen, das heiût, bis zu dem Zeitpunkt, falls der IM wieder aus dem Haus ausziehen muû. Dabei erwaÈ hnte der IM, daû er Manfred Seidelrecht dankbar ist fuÈ r die schnelle Organisierung der Renovierung des Hauses durch die Regie-Brigade und er hat mit Gen. Seidelabgesprochen, daû dieser ihn zusammen mit der Ehefrau im Juni in dem Haus besucht. Der IM aÈ uûerte, daû die Kaderleiterin Schreier ihm bereits im MaÈ rz unter der Hand mitgeteilt haÈ tte, daû mit ihm ein KadergespraÈ ch gefuÈ hrt werden soll und er wolle vom op. MA nun wissen, ob und wie er seine GeldnoÈ te in diesem KadergespraÈ ch anbringen kann. Der IM verwies dabei darauf, daû er schon seit vielen Jahren ein konstantes Gehalt bezieht, dieses Gehalt betraÈ gt 1680,±M netto. Der IM weiû bloû nicht, wie er die Gehaltsdiskussion entsprechend in ein derartiges KadergespraÈ ch einbauen kann. Vom op. MA wurde erwidert, daû natuÈ rlich angesichts der hohen Anforde- rungen an die fachliche Arbeit des IM an die Gewinnerwirtschaftung und an- gesichts der zu tragenden Risiken dieses Gehalt tatsaÈ chlich nicht sonderlich hoch sei und da der IM sich sowieso damit beschaÈ ftigt, eine neue Struktur bzw. eine uÈ berarbeitete Struktur der Abt. Handelspolitik einzufuÈ hren, verwies der op. MA den IM darauf, daû er bei diesem KadergespraÈ ch seine Abt. in den Rang einer HA erheben lassen soll. Dies scheint aufgrund der gewachse- nen und kontinuierlichen fachlichen Aufgaben auch gerechtfertigt, auch hin- sichtlich in der Abt. anzahlmaÈ ûig beschaÈ ftigten MA. Der IM wurde gefragt, was ihn jetzt eigentlich von den jetzigen HA-Leitern unterscheiden wuÈ rde, und der IM antwortete sofort, daû er nicht so vielGewinn bringt wie z. B. Dieter Paulin der HA WTA. Er hat u. a. auch z. Z. erheblichegescha È ftliche Probleme, z.Z. sind nur 40 % Vertragsbindung vorhanden, und das im Jubi- laÈ umsjahr der DDR, aber insgesamt wird er sich den Vorschlag des op. MA noch einmalgruÈ ndlich uÈ berlegen, zumal er dann auch MoÈ glichkeiten hat, sei- nen Stellv. und die WaffenhaÈ ndler entsprechend den von ihnen zu tragenden Risiken besser zu entlohnen.

326 Die op. AuftraÈ ge, Bericht uÈ ber das KadergespraÈ ch mit Kursawe und Informa- tion zu dem NSW-Kunden Virag, hatte der IM aus ZeitgruÈ nden noch nicht erfuÈ llt, er wird diese AuftraÈ ge bis zum naÈ chsten Treff erfuÈ llen. Ende Mai 1984 beabsichtigt der IM nach Peru zu fahren, um dort Waffenge- schaÈ fte anzukurbeln. Mit dem IM wurde vereinbart, je nach Bedarf telefo- nisch den naÈ chsten Treff festzulegen.

EinschaÈtzung:

Der Treff verlief insgesamt in einer guten und vertrauensvollen AtmosphaÈ re und trug offensichtlich zur Festigung der Beziehung zum IM bei. Der IM traf eine aÈ hnliche EinschaÈ tzung, indem er sich bei der Verabschie- dung noch einmalfuÈ r den Besuch bedankte. In Vorbereitung des Treffs war ein Kuvert mit belanglosem Inhalt durch die Abt. 26/4 operativ-technisch praÈ pariert worden. Die Maûnahme wurde durchgefuÈ hrt, um zu testen, ob der IM oder seine Kinder eine guÈ nstige Gele- genheit nutzen, um in der Aktentasche des op. MA Unterlagen u. aÈ . durchzu- sehen. Im Verlaufe des Treffs hatte die Tochter 1 1/4 Stunde Zeit, um unkontrol- liert an die Tasche des op. MA heranzukommen. Der IM selbst hatte ca. 5 Mi- nuten Zeit, um ungestoÈ rt die Aktentasche des op. MA in Augenschein zu neh- men. Am 16.5.84 wurde durch die Abt. 26/4 die Maûnahme ausgewertet und da- bei festgestellt, daû ein negatives Ergebnis vorliegt, d. h. keiner der im Haus anwesenden Personen hat das in der Aktentasche befindliche Kuvert geoÈ ffnet und sich fuÈ r den Inhalt praktisch interessiert.

Maûn. ± B ± im Wohnhaus war zum Zeitpunkt des Treffs defekt, d. h. keine Aus- wertung moÈglich. [handschr. Anmerkung] [gez.] KoÈ hler Hauptmann

327 Dokument 6

Berlin, 11.07.1988

Bericht uÈ ber die Verhandlung mit dem Finanzminister der Volksrepublik Mocambique, Genossen Abdul Magid Osman, zum Abbau des Guthabens der DDR

Die Verhandlung fand am 08.07.1988 in Berlin statt und wurde seitens der DDR von Genossen Dieter Uhlig, Stellvertretender Vorsitzender des Gemein- samen Wirtschaftsausschusses DDR/Volksrepublik Mocambique, gefuÈ hrt. Weitere Teilnehmer sind in der Anlage 1 aufgefuÈ hrt. Auf der Grundlage der am 28.06.1988 vom PolitbuÈ ro des ZK der SED bestaÈ - tigten Maûnahmen zur Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der DDR und der Volksrepublik Mocambique bis 1995 im Sinne einer beider- seitig befriedigenden LoÈ sung zum Abbau des Guthabens der DDR wurde der Vorschlag erlaÈ utert, das Guthaben uÈ ber den erweiterten Einsatz von mocambiquischen WerktaÈ tigen in der DDR bis 1995 weitgehend abzu- bauen. Genossen Magid wurde erklaÈ rt, daû die DDR auf Grund der Vielzahl der vorliegenden AntraÈ ge nicht in der Lage ist, weitere Stundungen zu vereinbaren. Genosse Magid entgegnete, daû der Vorschlag der DDR fuÈ r die Volksrepu- blik Mocambique aus finanziellen und moralischen GruÈ nden unannehmbar sei. Mocambique habe alle GlaÈ ubigerlaÈ nder gebeten, die faÈ llig werdenden Forderungen bei niedrigsten Zinsen fuÈ r mindestens 15 Jahre zu stunden. Die Mehrheit der LaÈ nder ist bereits darauf eingegangen. Im Rahmen des Pariser Clubs ist UÈ bereinstimmung erzielt worden, Mocambique 10 Jahre ruÈ ckzah- lungsfreie Zeit und weitere 10 Jahre fuÈ rdieRuÈ ckzahlung der Forderungen zu gewaÈ hren. Obwohl dies im Vergleich zum Vorschlag der DDR fuÈ r die Volksrepublik Mocambique guÈ nstige Stundungsbedingungen seien, habe Mocambique noch nicht mit allen LaÈ ndern konkrete VertraÈ ge abgeschlossen, da die Vereinba- rung der bilateral zu fixierenden Zinsen noch aussteht. Genosse Magid nannte folgende LaÈ nder, mit denen zu Zinsen UÈ bereinkunft besteht: ± Italien 1,5 % ± Portugal 3 % ± UdSSR ohne Zinsen ± Cuba 2 % ± RSA ohne Zinsen ± Schweden ohne Zinsen Der Vorschlag der DDR bedeute in der Praxis, daû die DDR das einzige Land sei, was eine sofortige RuÈ ckzahlung der Schulden Mocambiques fordere +Kapital und Zinsen). Dies sei angesichts des menschlichen Elends und der Not in Mocambique nicht verstaÈ ndlich. Auf den konkreten DDR-Vorschlag eingehend, stellte der VRM-Minister die Frage, weshalb die DDR das Recht fuÈ r sich in Anspruch nehme, die For-

328 derungen gegenuÈ ber Mocambique aus dem Transfer seiner ArbeitskraÈ fte zu tilgen. Er machte darauf aufmerksam, daû die Volksrepublik Mocambique auch das Recht habe, die TransferbetraÈ ge zur LoÈ sung innerer Probleme zu verwenden. Wenn man das Problem zuspitzt, so Genosse Magid, koÈ nne Mo- cambique auch die Forderung erheben, einen Teildes Transfers der Arbeits- kraÈ fte in konvertierbaren Devisen zur VerfuÈ gung gestellt zu bekommen. Ge- rechtfertigt sei auf jeden Fall, erhoÈ hte Exporte der DDR in die Volksrepublik Mocambique daraus zu bezahlen. In seiner Erwiderung erlaÈ uterte Genosse Uhlig nochmals die groûzuÈ gigen Bedingungen, die die DDR Mocambique jahrelang zur RuÈ ckzahlung der Schulden gewaÈ hrt hat, und die Vorteile des Abbaus des Guthabens uÈ ber den erweiterten Einsatz von ArbeitskraÈ ften. Es wurde darauf hingewiesen, daû die DDR-Seite dies als ein erneutes Entgegenkommen gegenuÈ ber Mocambique sieht, da der Einsatz zusaÈ tzlicher ArbeitskraÈ fte in der DDR auch innere Pro- bleme Mocambiques loÈ sen hilft. Genosse Magid wiederholte, daû der Vorschlag fuÈ r sein Land unannehm- bar sei. FuÈ r die Regelung der RuÈ ckzahlungen an die DDR koÈ nne Mocambique nicht die angestrebten Stundungsvereinbarungen mit allen anderen LaÈ ndern gefaÈ hrden. Dies waÈ re einem finanziellen Selbstmord gleichzusetzen. Genosse Magid fordert, daû die DDR zur LoÈ sung des Problems einer Stun- dung zu noch auszuhandelnden Bedingungen zustimmen muÈ sse. Prinzipiell seien dabei niedrigere Zinsen als gefordert und weiterreichende KapitalruÈ ck- zahlungen zu vereinbaren. FuÈ r das weitere Vorgehen schlug Genosse Magid vor, daû er nach seiner RuÈ ckkehr nach Maputo die ParteifuÈ hrung und Regierung seines Landes uÈ ber den DDR-Vorschlag informieren und dem Minister der Finanzen der DDR den offiziellen Standpunkt der VRM-Seite mitteilen wird. Im Hinblick auf eine LoÈ sung des Problems bis zum Treffen der Vorsitzenden des Gemeinsamen Wirtschaftsausschusses DDR/Volksrepublik Mocambique +24.±30.10.1988 in Maputo) stellte er kurzfristige Verhandlungen in Aussicht. Dem Vorschlag wurde zugestimmt.

Maûnahmen

1. Konsultation mit der UdSSR und Kuba zu den Vereinbarungen mit Mo- cambique, da die Aussagen des Genossen Magid im Widerspruch zu bishe- rigen Informationen, z. B. der UdSSR, stehen. Termin: 30.07.1988 Verantwortlich: Bereich Kommerzielle Koordinierung 2. Nach Eingang des Gegenvorschlages Mocambiques PruÈ fung desselben und Festlegung weiterer Schritte. Termin: 30.08.1988 Verantwortlich: Bereich Kommerzielle Koordinierung in Zusammenarbeit mit GWA-Vorsitzenden und Minister der Finanzen [gez.] Uhlig

329 Verwendete und weiterfuÈ hrende Literatur

Adam, E.: Mosambik: Im 12. Jahr am Ende? Wirtschaftskatastrophe und AnsaÈ tze wirt- schaftspolitischer Neuorientierung seit dem IV. Kongreû. In: afrika-spektrum 3/1986, Sonderdruck. Die Afrika-, Nahost- und Asienwissenschaften in Leipzig. Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-UniversitaÈ t Leipzig. Gesellschaftswissenschaftliche Reihe 6/1985. Aktion SuÈ hnezeichen; Friedensdienste; Pax Christi: OÈ kumenische Versammlung fuÈ r Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der SchoÈ pfung. Eine Dokumentation. Berlin 1990. Albrecht, U.: Internationale Politik. MuÈ nchen 1998. Altvater, E.: Sachzwang Weltmarkt. Hamburg 1987. Ammer, T.: Die Nahost-Reise Honeckers im Oktober 1982. In: Deutschland Archiv 12/1982, S. 1310±1321. Ansprenger, F.: Zur Wiedervereinigung der deutschen Afrikawissenschaft. In: Interna- tionales Afrika-Forum 1/1991. Auf, C.: Staat und MilitaÈ rinAÈ thiopien. Hamburg 1996. Autorenkollektiv BLeitung: Doernberg, S.): Auûenpolitik der DDR. Sozialistische Deutsche Friedenspolitik. Berlin 1982. Autorenkollektiv BLeitung: Kemper, M.; Maskow, D.): Auûenwirtschaftsrecht der DDR. Berlin 1987. Autorenkollektiv BLeitung: Rathmann, L.): Grundfragen des antiimperialistischen Kampfes der VoÈ lker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas in der Gegenwart 2 Bd. Berlin 1974. Autorenkollektiv BLeitung: Robbe, M.): Wege zur UnabhaÈ ngigkeit. Die antikoloniale Revolution in Asien und Afrika und die Zukunft der EntwicklungslaÈ nder. Berlin 1989. Autorenkollektiv BLeitung: Stier, P.): Handbuch EntwicklungslaÈ nder. SozialoÈ konomi- sche Prozesse, Fakten und Strategien. Berlin 1987. Axen, H.: Ich war ein Diener der Partei. Autobiographie. Berlin 1996. Babing, A.: Neue Entwicklungsstrategie der freien Staaten im suÈ dlichen Afrika. In: IPW-Berichte 4/1981. Baebler, H.: Das Bild der Dritten Welt im Neuen Deutschland und in der Neuen ZuÈ r- cher Zeitung. Ein Vergleich zwischen oÈ stlicher und westlicher Berichterstattung uÈ ber die Dritte Welt, mit einer EinfuÈ hrung zur Entstehung und Anwendung der UNESCO- Mediendeklaration. SaarbruÈ cken, Fort Lauderdale 1984. BaÈ rschneider, J.: Die Entwicklungspolitik der DDR. In: Beine, H. BHrsg.): Die Ent- wicklungspolitik unserer Nachbarn. Eine Darstellung der Entwicklungspolitik der BRD, DDR, USA, Niederlande und Frankreichs. MuÈ nster 1985, S. 25±47. Bahrmann, H.; Fritsch, P.-M.: Sumpf, Privilegien, Amtsmiûbrauch, SchiebergeschaÈ fte. Berlin 1990. Baier, K.; Farnsteiner, W.: Die Ausbildung von FuÈ hrungskraÈ ften des Bildungswesens aus EntwicklungslaÈ ndern aus heutiger Sicht. In: Vergleichende PaÈ dagogik 3/1990. Bartelt, D.: Wohlstand nicht auf Dritte Welt-Kosten. Runder Tisch beriet uÈ ber Ent- wicklungspolitik der DDR. In: epd-Entwicklungspolitik 3 und 4/1990, S. 8±10. Baske, S.; Zieger, G. BHrsg.): Die Dritte Welt und die beiden Staaten in Deutschland. Jahrbuch der Gesellschaft fuÈ r Deutschlandforschung 1982. Asperg 1983.

330 Bechtoldt, H.: Staaten ohne Nation. Sozialismus als Macht-Faktor. In: Asien und Afri- ka. Stuttgart 1980. Beidatsch, H.: Voraussetzungen, Aufgaben und Grenzen der Schaffung und Funktion eines staatlichen Wirtschaftssektors in EntwicklungslaÈ ndern mit sozialistischer Orientierung ± dargestellt am Beispiel der Volksrepublik MocË ambique. Dissertation. Freiberg 1986. Belal, A. R. A.: Zur Analyse des VerhaÈ ltnisses sozialistischer LaÈ nder ± Entwicklungs- laÈ nder am Beispiel der Herausbildung und Entwicklung der EntwicklungslaÈ nderwis- senschaft der Deutschen Demokratischen Republik B1945±1974). Frankfurt/M. 1981. Belle, M.: Der entwicklungspolitische Runde Tisch in der DDR und im vereinigten Deutschland ± Ziele, Arbeitsweisen und Ergebnisse einer auûergewoÈ hnlichen Institu- tion. Frankfurt/M. 1996. Bellers, J.: Entwicklungspolitik in Europa. MuÈ nster 1988. Bensch, G.: ToÈ dliche Entwicklungshilfe ± DDR-Waffenhilfe fuÈ r die Dritte Welt ± 18 000 MilitaÈ rspezialisten im Einsatz. Dossier 12/1985 vom 21.3.1985. BuKo-RuÈ - stungskampagne Bremen. Archivdokument. Berbig, R. u. a.: BHrsg.): In Sachen Biermann ± Protokolle, Berichte und Briefe zu den Folgen einer AusbuÈ rgerung. Berlin 1994. Berg, W.; Thole, G.: Wandel im Handel mit EntwicklungslaÈ ndern geboten. In: Hori- zont 2/1990, S. 27. Berger, C.: Die Stimme der Piccolo-FloÈ te. Zum Entwicklungsengagement der Kirchen in der DDR. In: Der UÈ berblick. Zeitschrift fuÈ roÈ kumenische Begegnung und inter- nationale Zusammenarbeit 3/1986. Berner, W.: Some Aspects of Comecon's Closed Door Policy: Dead-End for LDCs Committed to a ªSocialist Orientationº. In: Carnovale, M.; Potter, W. C. BHrsg.): Continuity and Change in Soviet-East European Relations. Implications for the West. Boulder, San Francisco, London 1989. Bigler, R. H.: The role of the German Democratic Republic in the communist penetra- tion of Africa. In: Grieves, F. L. BHrsg.): Transnationalism in world politics and business. NewYork u. a. 1979. Billerbeck, K.: Deutscher Beitrag fuÈ r EntwicklungslaÈ nder. Hamburg 1958. Billerbeck, K.: Die Auslandshilfe des Ostblocks fuÈ r die EntwicklungslaÈ nder. Hamburg 1960. Bindemann, W.: Der entwicklungspolitische Runde Tisch ± ein Instrument gesellschaft- licher Kommunikation. In: Evangelische Akademie Berlin-Brandenburg BHrsg.): ERT-Report. Berichte und Dokumente vom entwicklungspolitischen Runden Tisch. Berlin 1991, S. 4±9. Bindemann, W.: Ost-West-Kooperation und EntwicklungslaÈ nder. In: IPW-Berichte 4/1990. Bischof, H.: Nach der Anerkennung ± eine Bestandsaufnahme der Beziehungen DDR± Dritte Welt. In: Monatshefte. Entwicklungspolitische AktivitaÈ ten kommunistischer LaÈ nder 3/1974. Bischof, H.: Die DDR in Afrika. In: Monatshefte. Entwicklungspolitische AktivitaÈ ten kommunistischer LaÈ nder 11/1977. Bley, H.; Tetzlaff, R. BHrsg.): Afrika und Bonn. VersaÈ umnisse und ZwaÈ nge deutscher Afrika-Politik. Hamburg 1978. Blutke, G.: Obskure GeschaÈ fte mit Kunst und AntiquitaÈ ten. Ein Kriminalreport. Berlin 1990. Boege, V.: MilitaÈ rische und militaÈ risch relevante Aspekte der DDR-SuÈ dpolitik. Problem- aufriû, Literaturbericht, Bibliographie. Hamburg 1989.

331 Boettcher, E. BHrsg.): Ostblock, EWG und EntwicklungslaÈ nder. Stuttgart 1963. Bolz, K.: Die Auûenwirtschaftspolitik der DDR gegenuÈ ber westlichen IndustrielaÈ ndern und gegenuÈ ber den EntwicklungslaÈ ndern zur Sicherung der Rohstoffversorgung. In: Gutmann, G. BHrsg.): Das Wirtschaftssystem der DDR. Wirtschaftspolitische Ge- staltungsprobleme. Stuttgart, NewYork 1983, S. 363±381. Brehme, G.; Fischer, D.; Ulrich, I.: 20 Jahre »Afrikanisches Jahr«. In: Deutsche Auûen- politik 8/1980. Brehme, G.; Kramer, H. BHrsg.): Afrika ± kleines Nachschlagewerk. Berlin 1985. Breyer, K.: Moskaus Faust in Afrika. Stuttgart 1979. Brie, A.: Zwischen Eitelkeit und Ignoranz. Eine kritische Bestandsaufnahme bisheriger DDR-Auûenpolitik. In: Horizont 2/1990, S. 3. Brie, S.: Die »Schule der SolidaritaÈ t« des VDJ. In: Deutsche Auûenpolitik 2/1979, S. 115±123. Brock, L.; Spanger, H.-J.: Die beiden deutschen Staaten in der Dritten Welt. Die Ent- wicklungspolitik der DDR ± eine Herausforderung fuÈ r die Bundesrepublik Deutsch- land? Opladen 1987. BruÈ ne, St.: AÈ thiopien ± Unterentwicklung und radikale MilitaÈ rherrschaft. Zur Ambiva- lenz einer scheinheiligen Revolution. Hamburg 1986. BruÈ ne, St.: Ideologie, Politisches Regime und Entwicklung ± Die Demokratische Volks- republik AÈ thiopien. In: Heinrich, W. BHrsg.): Entwicklungsperspektiven am Horn von Afrika. Hamburg 1991. BruÈ ne, St.: Der Sozialismus als Wille und Vorstellung oder: Das VerhaÈ ltnis der aÈ thiopi- schen Machtelite zur laÈ ndlichen BevoÈ lkerung. In: ebenda. Bruns, W.: Das Verhalten der DDR gegenuÈ ber den EntwicklungslaÈ ndern im UNO- System. In: Monatsberichte. Entwicklungspolitische AktivitaÈ ten kommunistischer LaÈ nder 10/1976. Bruns, W.: Deutschland und die Vereinten Nationen. In: Zieger, G. BHrsg.): Schriften zur Rechtslage Deutschlands; 3. KoÈ ln 1981, S. 133±146. Buck, H.-F.: Abbau von RohstoffengpaÈ ssen durch Handel mit EntwicklungslaÈ ndern. DDR-Wirtschaftsbeziehungen mit EntwicklungslaÈ ndern am Beispiel Syriens, Zy- perns und Kuweits. In: Deutschland Archiv 1/1983, S. 53±67. BuÈ ttner, S.: DDR-Hilfe fuÈ r EntwicklungslaÈ nder ± Zahlen und Fakten. In: Einheit 10/1980. Bundesministerium fuÈ r wirtschaftliche Zusammenarbeit BHrsg.): Journalisten-Hand- buch Entwicklungspolitik. Jg. 1987±1997. Bonn 1987 ff. Butters, H.: Zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Mosambik. In: Heyden, U.; Schleicher, H.-G.; Schleicher, I.: Die DDR und Afrika zwischen Klassenkampf und neuem Denken. MuÈ nster 1993. Castiano, J. P.: Das Bildungssystem in Mosambik B1974±1996) ± Entwicklung, Proble- me und Konsequenzen. Hamburg 1997. Cervenka, Z.; Dederichs, M. R.: The two Germanies in Africa. In: Africa Contempora- ry Record: Annual Survey and Documents 1978±79. NewYork 1980. Cervenka, Z.; Dederichs, M. R.: The two Germanies and Africa during 1980. Rivals for influence. In: Africa Contemporary Record: Annual Survey and Documents 1980±1981. NewYork 1981. Cervenka, Z.; Dederichs, M. R.: The two Germanies in Africa. Eastern Advances and Western Isolationism. In: Africa Contemporary Record: Annual Survey and Docu- ments 1979±80, NewYork 1981. Claus, B.: Versuch einer Bestandsaufnahme und eines Ausblicks. In: Entwicklung und Zusammenarbeit 4/1990, S. 4±6.

332 Claus, R.; Seifert, K.-J.: Die Notwendigkeit des Wirksamwerdens einer Gruppe Sach- kundiger im Ministerium fuÈ r Auûenwirtschaft im Prozeû der Aufdeckung, Verhinde- rung und BekaÈ mpfung feindlicher Angriffe gegen die Auûenwirtschaftsbeziehungen der DDR zum nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet. Sig. BStU MfS 160±803/72. Clausnitzer, F.: Prinzip und Praxis der Auûenhandelspolitik der DDR gegenuÈ ber Ent- wicklungslaÈ ndern. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 5/1984. Coker, C.: NATO, WarsawPact and Africa. London 1985. Cornelsen, D.: DDR-Wirtschaft: Ende oder Wende? In: Aus Politik und Zeitgeschichte 1 und 2/1990, S. 33±38. Croan, M.: A NewAfrika Korps?. In: The Washington Quarterly 4/1980, S. 21±37. Csaba, L.: Economic Policy Coordination in the CMEA. Berichte des Bundesinstituts fuÈ r ostwissenschaftliche und internationale Studien 31/1984. Czempiel, E.-O.: Machtprobe. Die USA und die Sowjetunion in den achtziger Jahren. MuÈ nchen 1989. Decke, G. u. a.: Umstrittene Hilfe in AÈ thiopien. Darmstadt 1988. Despre s, L.: Die wirtschaftspolitischen Beziehungen zwischen Osteuropa und der Drit- ten Welt. In: Osteuropa und die Dritte Welt. Osteuropa-Forum 75, S. 9±32. Despre s, L.; Fritsche, K.; Jung, L. u. a.: Osteuropa und die Dritte Welt. Hamburg 1989. Deutscher Bundestag: Beschluûempfehlungen und Teilberichte des 1. Untersuchungs- ausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes BSchalck-Untersuchungsausschuû). Drucksache 12/3462. Bonn 1992. Drucksache 12/3464. Bonn 1992. Drucksache 12/3920. Bonn 1992. Drucksache 12/4497. Bonn 1993. Drucksache 12/4500. Bonn 1993. Drucksache 12/4832. Bonn 1993. Drucksache 12/7600. Bonn 1995. Drucksache 12/7650. Bonn 1995. Deutsches Institut fuÈ r Wirtschaftsforschung Berlin BHrsg.): Wirtschaftsbeziehungen der DDR in EntwicklungslaÈ ndern. Keine neuen Trends in Hilfe und Handel. In: DIW- Wochenbericht. 51±52/1985. Dietsch, U.: NewTendencies in the Cooperation Policy of the GDR. In: Intereco- nomics. Reviewof international Trade and Development 9 und 10/1977. Dolezal, J.: Entwicklung, Ziele, Methoden und Instrumente der DDR-Auûenpolitik in der Dritten Welt. In: Baske, S.; Zieger, G. BHrsg.): Die Dritte Welt und die beiden Staaten in Deutschland. Jahrbuch der Gesellschaft fuÈ r Deutschlandforschung 1982. Asperg 1983. Domdey, K.-H.: »Entwicklungshilfe« oder echte sozialistische Hilfe. Leipzig, Jena, Ber- lin 1961. Domdey, K.-H.; Kohlmey, G.; Steininger, P. A.; Spiller, H.: Gegenwartsprobleme der internationalen Handelsbeziehungen. Berlin 1964. DoÈ ring, H.-J.: Wir haben es satt, daû andere hungern! Zur Arbeit der Zweidrittelwelt- Gruppen in der DDR. In: Der UÈ berblick. Zeitschrift fuÈ roÈ kumenische Begegnung und internationale Zusammenarbeit 3/1988. DoÈ ring, H.-J.: Ein neues SolidaritaÈ tsverstaÈ ndnis im Osten Deutschlands? In: Stattbuch. Berlin 1991. DoÈ ring, H.-J.: Wir haben es immer noch satt, daû andere hungern! ± GespraÈ ch zum 20. Jahrestag der GruÈ ndung des oÈ kumenischen Netzwerkes INKOTA. Information, Koordination, Tagungen zu Problemen der Zweidrittelwelt. In: INKOTA-Brief 3/1991.

333 DoÈ ring, H.-J.: Verschuldung statt SolidaritaÈ t?! ± Zum Ursprung und zum Umgang der Bundesregierung mit Ex-DDR-Forderungen gegenuÈ ber afrikanischen LaÈ ndern. In: Der UÈ berblick. Zeitschrift fuÈ roÈ kumenische Begegnung und internationale Zusam- menarbeit 3/1999. DoÈ ring, H.-J.; Heuer, W.: Bibliographie zu entwicklungspolitischer Bildungsarbeit und entsprechenden Unterrichtsmaterialien in der DDR im Rahmen des Forschungspro- jekts Grundlagen, Anregung und FoÈ rderung entwicklungspolitischer Bildung und Aktionen in den neuen BundeslaÈ ndern. Berlin 1991. Dornbusch, H. L.; Vogelsang, D. W.: Ein Vergleich der entwicklungspolitischen Akti- vitaÈ ten von der BRD und der DDR. Hamburg 1973. Dummer, E.: Gemeinsamkeit der Interessen. In: Horizont 50/1980. Dummer, E.: AÈ thiopien im Aufbruch. Berlin 1984. Dummer, E.: Sozialistische Staaten und EntwicklungslaÈ nder heute. RevolutionaÈ re KraÈ fte im Kampf um Frieden und sozialen Fortschritt. Hrsg. von der Akademie fuÈ r Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED. Berlin 1989. Eik, J.: Besondere Vorkommnisse. Politische AffaÈ ren und Attentate. Berlin 1995. End, H.: Zweimal deutsche Auûenpolitik. Internationale Dimensionen des innerdeut- schen Konfliktes 1949±1972. KoÈ ln 1973. Engel, U.; Schleicher, H.-G.: Thesen zur Afrikapolitik der beiden deutschen Staaten. Hamburg 1997. Engel, U.; Schleicher, H.-G.: Die beiden deutschen Staaten in Afrika: Zwischen Kon- kurrenz und Koexistenz 1949±1990. Hamburg 1998. Engels, B. BHrsg.): Das vereinigte Deutschland in der Weltwirtschaft. Hamburg 1991. Entwicklungspolitische Gesellschaft e. V. BHrsg.): Osteuropas Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit ± was bleibt? Bericht und BeitraÈ ge. Materialien des Workshops vom 23. und 24.4.1992. Berlin 1992. epd-Entwicklungspolitik: DDR. Entwicklungspolitik zwischen Ab- und Aufbruch. Ma- terialien V/90. Frankfurt/M. 1990. Erl, W.: Das Erbe der DDR-Entwicklungspolitik. In: Entwicklungspolitische Gesell- schaft e. V. BHrsg.): Osteuropas Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit ± was bleibt? Bericht und BeitraÈ ge. Materialien des Workshops vom 23. und 24.4.1992. Berlin 1992, S. 121±138. Ernst, K.; Schilling, H. BHrsg.): EntwicklungslaÈ nder: SozialoÈ konomische Prozesse und Klassen. Berlin 1981. Fandych, S.: Konfliktmanagement und -regelung der Vereinten Nationen in Mosam- bik. Hamburg 1998. Faulwetter, H.: Imperialismus und Neokolonialismus. In: IPW-Berichte 12/1989. Faulwetter, H.; Liebscher, G.: Zum unuÈ berbruÈ ckbaren Gegensatz zwischen »Entwick- lungshilfe« und sozialistischer Hilfe fuÈ r EntwicklungslaÈ nder. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 4/1981, S. 539±601. Faulwetter, H.; Luchterhand, W.: 10 Jahre Charta der oÈ konomischen Rechte und Pflichten der Staaten und der Beitrag der DDR zu ihrer Verwirklichung. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 6/1984. Faulwetter, H.; Stier, P.: EntwicklungslaÈ nder am Scheideweg. Berlin 1984. Faulwetter, H.; Stier, P.; Voigt, A.: Ergebnisse und Perspektiven kapitalistischer Trans- formation in der Dritten Welt ± ein Beitrag zur Diskussion um Unterentwicklung. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 3/1989, S. 410±418. Fischer, H.-J.: ABC und Einmaleins ± Waffen im Klassenkampf. Zur paÈ dagogischen Auslandsarbeit der DDR in EntwicklungslaÈ ndern. In: Deutschland Archiv 6/1982, S. 605±613.

334 Fischer, O.: Frieden, Frieden und nochmals Frieden. In: Einheit 4 und 5/1986, S. 359± 364. FoÈ rster, S.: 30 Jahre AuslaÈ nderstudium in der DDR. In: Deutsche Auûenpolitik 9/1981, S. 29±35. Franzke, J.: Das Zusammenwirken von sozialistischen Staaten und EntwicklungslaÈ n- dern im weltweiten Kampf und die Sicherung des Friedens. In: Geschichtsunterricht und StaatsbuÈ rgerkunde 10/1987, S. 736±747. Frech, J.: Bundesrepublik und DDR im Nord-SuÈ d-Dialog: Das integrierte Rohstoff- programm. Bochum 1985. Freiberg, P.; Nitz, J.: Zur oÈ konomischen Zusammenarbeit zwischen der DDR und befreiten LaÈ ndern. In: Deutsche Auûenpolitik 8/1981, S. 45±61. Fritsche, K.: Sowjetische Dritte-Welt-Politik unter Gorbatschow. In: Deutsches UÈ ber- see-Institut BHrsg.): Jahrbuch Dritte Welt 1989. Daten, UÈ bersichten, Analysen. MuÈ nchen 1988, S. 33±52. Fritsche, K.: Sowjetische Entwicklungspolitik auf dem PruÈ fstand. In: epd-Entwick- lungspolitik 3/1989. Fritsche, K.: Nach dem Anschluû der DDR: Exodus auslaÈ ndischer Arbeiter. In: epd- Entwicklungspolitik 22/1990, S. 9. GaÈ belein, W.; Reder, A.: Im Kampf fuÈ r Frieden und sozialen Fortschritt. In: Einheit 3/1987, S. 257±262. Geiûel, L.: UnterhaÈ ndler der Menschlichkeit. Stuttgart 1991. Genscher, H.-D.: Erinnerungen. Berlin 1995. Gesellschaft fuÈ r entwicklungspolitische Bildungsarbeit BHrsg.): DDR und Dritte Welt. Entwicklungspolitische Korrespondenz. Hamburg 1983. Glass, G. A.: East in Black Africa: a newspecial role? In: The World Today. Royal Institute of International Affairs 8/1980. Glockner, E.: Die DDR ± Stellvertreter und Helfer der Sowjetunion in der Dritten Welt. In: Deutsche Studien 93/1986, S. 3±23. Gottstein, K. BHrsg.): Osteuropa und Afrika. OÈ konomische und soziokulturelle Aspekte des Technologietransfers zwischen Ost und SuÈ d. MuÈ nchen 1986. Graewe, W.-D.: Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit in der DDR. In: Die ent- wicklungspolitische Zusammenarbeit in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Hrsg. von BuÈ cking, H.-J. Berlin 1998, S. 81±84. Graf, H.; Joseph, D.: Volksrepublik MocË ambique ± Werden und Wachsen eines jungen Staates. Berlin 1984. Grienig, H.; MuÈ nch, S.: Brot fuÈ r alle hat die Erde. Zur ErnaÈ hrungsfrage in den Ent- wicklungslaÈ ndern. Berlin 1985. Grimm, R.; Haupt, H.-G.; Richter, I.: Zusammenarbeit der MitgliedslaÈ nder des RGW mit den EntwicklungslaÈ ndern. In: Deutsche Auûenpolitik 2/1982, S. 14±30. GruÈ nder, H.: Kolonialismus und Marxismus. Der deutsche Kolonialismus in der Ge- schichtsschreibung der DDR. In: Fischer, A.; Heydemann, G. BHrsg.), Geschichts- wissenschaft in der DDR. Historische Entwicklung, Theoriediskussion und Ge- schichtsdialektik. Berlin 1988. Grunert, H.: FuÈ r Honecker auf glattem Parkett. Frankfurt BOder) 1995. Hacke, C.: Weltmacht wider Willen ± Die Auûenpolitik der BRD. Frankfurt/M. 1993. HaÈ berle, P. BHrsg.): Jahrbuch des OÈ ffentlichen Rechtes der Gegenwart. TuÈ bingen 1987. Haendcke-Hoppe-Arndt, M.: Wer wuûte was? Der oÈ konomische Niedergang der DDR. In: Deutschland Archiv 6/1995, S. 588±602. Haendcke-Hoppe-Arndt, M.: Die Hauptabteilung XVIII ± Volkswirtschaft des MfS. In: Anatomie der Staatssicherheit ± MfS-Handbuch. Hrsg. vom Bundesbeauftragten fuÈ r die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Berlin 1997.

335 Hafez, K.: Orientwissenschaften in der DDR ± Zwischen Dogma und Anpassung, 1969±1989. Hamburg 1995. Hahn, K.; Jacob, E.: Charakter und Hauptformen der Wirtschaftsbeziehungen DDR± EntwicklungslaÈ nder. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 1/1986, S. 5±14. Hahn, K.; Jacob, E.: The development of the economic relations of the GDR with de- veloping countries. In: Economic Quarterly 4/1986. Hamrell, S.; Wichtrand, C. D. BHrsg.): The Soviet Bloc, China and Africa. Uppsala 1964. Hasselblatt, G.: NaÈ chstes Jahr in Oromoland. Stuttgart 1980. Hasselblatt, G.: Leben und Sterben in Oromoland. Stuttgart 1982. Hasselblatt, G.: Das geheime Lachen im Bambuswald ± Vom Freiheitskampf der Oro- mo in AÈ thiopien. Stuttgart 1990. Heilmann, P.: 35 Jahre DDR ± 35 Jahre Beziehungen der DDR zu den Entwicklungs- laÈ ndern auf dem Gebiet des Hochschulwesens. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 12/1984, S. 813±820. Heilmann, P.: Aspekte des AuslaÈ nderstudiums in der DDR. In: Asien, Afrika, Latein- amerika 5/1990, S. 798±804. Heinrich, W. BHrsg.): Entwicklungsperspektiven am Horn von Afrika. Hamburg 1991. Helwig, G.; Spittmann-RuÈ hle, I. BHrsg.): Die DDR vor den Herausforderungen der achtziger Jahre. Sechzehnte Tagung zum Stand der DDR-Forschung in der Bundes- republik Deutschland 24. bis 27. Mai 1983. KoÈ ln 1983. Hendrichs, K.-M.: Die Wirtschaftsbeziehungen der Deutschen Demokratischen Repu- blik mit den EntwicklungslaÈ ndern. SaarbruÈ cken, Fort Lauderdale 1981. Herbst, A. BHrsg.): So funktionierte die DDR ± Lexikon der Organisationen und Insti- tutionen der DDR. Hamburg 1994. Hertle, H.-H.: Die Diskussion der oÈ konomischen Krisen in der FuÈ hrungsspitze der SED. In: Pirker, T. BHrsg.): Der Plan als Befehl und Fiktion. Opladen 1995, S. 308± 344. Hess, P.: Soziale Marktwirtschaft ± morbide Herrschaftskonzeption des Monopolkapi- tals. In: Einheit 3/1977. Heyden, U. van der: Zwischen Bevormundung und KreativitaÈ t. Die Afrika-Geschichts- schreibung in der DDR. In: Berliner Debatte INITIAL 1/1992. Heyden, U. van der; Schleicher, H.-G.; Schleicher, I. BHrsg.): Die DDR und Afrika zwi- schen Klassenkampf und neuem Denken. MuÈ nster, Hamburg 1993. Heyden, U. van der; Schleicher, H.-G.; Schleicher, I. BHrsg.): Engagiert fuÈ r Afrika ± die DDR und Afrika II. MuÈ nster, Hamburg 1994. Hillebrand, E.: Das Afrika-Engagement der DDR. Frankfurt/M., Bern, NewYork, Paris 1987. Hillebrand, E.: Sowjetische Theorie ± Afrikanische Praxis. Zu den sowjetischen Kon- zepten einer sozialistischen Agrarpolitik. In: Afrika. Hamburg 1990. Hoel, O.: Die Entwicklungshilfe-Leistungen der USA, der EuropaÈ ischen Gemeinschaft und des COMECON. Versuch einer GegenuÈ berstellung. In: Zeitschrift fuÈ r Erwach- senenbildung 1/1987. HoÈ hne, H.; Darkow, M.: Research Project on the Distribution of News from and about the Developing Countries in the News behalf of UNESCO. Bonn 1978. Hofmeier, R.; Matthes, V.: Die vergessenen Kriege in Afrika. GoÈ ttingen 1992. Holzapfel, G.: Beispiele fuÈ r Hilfeleistungen der DDR in EntwicklungslaÈ ndern. Darge- stellt am weiteren Aufbau einer Lebensmittelindustrie. In: Geschichtsunterricht und StaatsbuÈ rgerkunde 9/1986, S. 639±644. Holzweiûig, G.: Publikationen der DDR-Auslandspropaganda. In: Deutschland Ar- chiv 1/1980.

336 Honecker, E.: Aus meinem Leben. Autobiographie. Berlin 1980. Hopfmann, A.; Schilling, H.: Unterentwicklung, sozialoÈ konomische MultisektoralitaÈ t und gesellschaftlicher Fortschritt in EntwicklungslaÈ ndern. In: Asien, Afrika, Latein- amerika 5/1988, S. 773±790. Hundt, W.; Lamprecht, M.: Zu einigen aktuellen Fragen der Beziehungen des FDGB zu den Gewerkschaften Afrikas. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 5/1977. Husemann, B.; Neumann, A.: Die Afrikapolitik der DDR. Eine Titeldokumentation der Akten des PolitbuÈ ros und des Sekretariats der SED. Hamburg 1994. Illy, H. F. BHrsg.): Studenten aus der Dritten Welt in beiden deutschen Staaten. Berlin 1987. INKOTA-Brief. 20 Jahre OÈ kumenisches Netzwerk INKOTA. Berlin 1991. Jacobsen, H.-A.; Leptin, G.; Scheuner, U.; Schulz, E. BHrsg.): Drei Jahrzehnte Auûen- politik der DDR. Bestimmungsfaktoren, Instrumente, Aktionsfelder. 2. Aufl. MuÈ n- chen, Wien 1980. James, H.: Rambouillet, 15. November 1975 ± Die Globalisierung der Wirtschaft. MuÈ nchen 1997. Janson, C. H.: Der TotengraÈ ber der DDR: Wie GuÈ nter Mittag den SED-Staat rui- nierte. Berlin 1991. Jegzentis, P.; Wirth, V.: Zum Stand der entwicklungstheoretischen Diskussion in der DDR in den 80er Jahren ± ein LiteraturuÈ berblick. In: Peripherie 41/1991, S. 71±88. Jung, L.: Neues Denken in der sowjetischen Dritte-Welt-Strategie. In: Osteuropa und die Dritte Welt. Hamburg 1989, S. 57±69. Junghahn, M.; Schmidt, U.: DDR ± Wirtschaftspartner der EntwicklungslaÈ nder. In: Deutsche Auûenpolitik 1/1979, S. 44±55. Kaiser, J.: Zwischen angestrebter EigenstaÈ ndigkeit und traditioneller Unterordnung. Zur Ambivalenz des VerhaÈ ltnisses von sowjetischer und DDR-Auûenpolitik in den achtziger Jahren. In: Deutschland Archiv 5/1991. Kaminski, H.-J.: AuslaÈ ndische WerktaÈ tige lernen und arbeiten in der DDR. In: Auûen- politische Korrespondenz 12/1989. Kaschel, E.: UnterstuÈ tzung des Gesundheitswesens in EntwicklungslaÈ ndern ± ein Schwerpunkt solidarischer Hilfe der DDR. In: Deutsche Auûenpolitik 4/1981, S. 49±60. Kindermann, G.-K. BHrsg.): Grundelemente der Weltpolitik. 3. erw. Neuaufl. MuÈ n- chen, ZuÈ rich 1986. Kipke, R.: Die Entwicklungspolitik der DDR ± GrundsaÈ tze und Strukturen. In: Bellers, J. BHrsg.): Entwicklungspolitik in Europa. MuÈ nchen 1988. Kissinger, H. A.: Die Vernunft der Nationen. Berlin 1994. Kistner, H.: Die Erfahrungen beim Aufbau des Sozialismus ± eine wertvolle Hilfe fuÈ r die progressive Entwicklung national befreiter Staaten. In: Asien, Afrika, Latein- amerika 3/1978. Klein, I.: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen EntwicklungslaÈ ndern und europaÈ ischen RGW-LaÈ ndern. In: Autorenkollektiv BLeitung: Stier, P.): Handbuch Entwicklungs- laÈ nder. SozialoÈ konomische Prozesse, Fakten und Strategien. Berlin 1987. Kleines politisches WoÈ rterbuch. Berlin 1986. Koch, E. R.: Das geheime Kartell ± BND, Schalck, Stasi & Co. Hamburg 1992. Koch, P. F.: Das Schalck-Imperium lebt. Deutschland wird gekauft. MuÈ nchen 1992. Kodatschenko, A.: Wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen RGW und Entwick- lungslaÈ ndern. Ein Beitrag der sozialistischen LaÈ nder zur nationalen Befreiung. In: Deutsche Auûenpolitik 1/1981, S. 51±62.

337 Korbanski, A.: Eastern Europe and the Third World, or ªLimited Regret Strategyº Revisited. In: Korbanski, A.; Fukuyama, F. BHrsg.): The Soviet Union and the Third World. The last three decades. Ithaca, London 1987. Koschel, E.: UnterstuÈ tzung des Gesundheitswesens in EntwicklungslaÈ ndern ± ein Schwerpunkt solidarischer Hilfe der DDR. In: Deutsche Auûenpolitik 4/1981. Krause, J.: Sowjetische MilitaÈ rhilfepolitik gegenuÈ ber EntwicklungslaÈ ndern. Baden-Ba- den 1985 Krause, J.: Soviet-East European Cooperation in the Field of Military Aid towards the Third World. In: Carnovale, M.; Potter, W. C. BHrsg.): Continuity and Change in Soviet-East European Relations. Implications for the West. Boulder, San Francisco, London 1989, S. 175±189. Kregel, B.: Auûenpolitik und Systemstabilisierung in der DDR. Opladen 1979. Kridl-Valkenier, E.: RevolutionaÈ re VeraÈ nderungen in der Dritten Welt. In: Osteuropa und die Dritte Welt. Hamburg 1989, S. 33±55. Kroske, H.: Das sozialistische Grundmodell der gesellschaftlichen Entwicklung und seine AnwendungsmoÈ glichkeiten unter den Bedingungen der EntwicklungslaÈ nder. In: Deutsche Auûenpolitik 4/1970. KruÈ ger, K.: Antiimperialistische SolidaritaÈ t mit allen um nationale und soziale Befrei- ung kaÈ mpfenden VoÈ lkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 3/1979, S. 377±388. KruÈ ger, K.: SolidaritaÈ t der DDR mit den VoÈ lkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. In: Deutsche Auûenpolitik 10/1979. Krug, M.: Abgehauen. DuÈ sseldorf 1996. Krusche, G. u. a. BHrsg.): Schluûbilanz ± DDR ± Fazit einer verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik. Berlin 1991. KuÈ hne, W.: Die Politik der Sowjetunion in Afrika ± Bedingungen und Dynamik ihres ideologischen, oÈ konomischen und militaÈ rischen Engagements. Baden-Baden 1983. KuÈ hne, W.: SuÈ dafrika und seine Nachbarn: Durchbruch zum Frieden? Baden-Baden 1985. KuÈ hne, W.: Sowjetische Afrika-Politik unter Gorbatschow. In: Europa-Archiv 22/1986, S. 659±666. KuÈ hne, W.: »Neuer Realismus« in Moskaus Afrika-Politik? In: Aus Politik und Zeitge- schichte 7 und 8/1988. KuÈ hne, W.; Plate, B. von: Two Germanies in Africa. In: Africa Report 4/25. Washing- ton 1980. KuÈ nanz, H.: Das Steinkohleprojekt Moatize zwischen solidarischer Hilfeleistung und kommerziellem Anspruch. In: Heyden, U.; Schleicher, H.-G.; Schleicher, I.: Die DDR und Afrika zwischen Klassenkampf und neuem Denken. MuÈ nster 1993. Kuhns, W. J.: The German Democratic Republic in Africa. In: East European Quarter- ly 2/1985. Kuhns, W. J.: The German Democratic Republic in the Third World. Dissertation. Ann Arbor 1985. Kulik, S.: Safari in Mosambik. Leipzig 1986. Kum'a Ndumbe III BHrsg.): L'Afrique et l' Allemagne de la colonisation aÁla coopera- tion 1884±1986. Le cas du Cameroun. Actes du Colloque International »Cent ans de relations entre l'Afrique et les Allemagnes 1884±1984: Le cas du Cameroun«. Yaounde 8.±14. avril 1985. Yaounde 1986. Kum'a Ndumbe III.: Was will Bonn in Afrika? Zur Afrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland. Pfaffenweiler 1992. Kuppe, J.: Investitionen, die sich lohnen. Zur Reise Honeckers nach Afrika. In: Deutschland Archiv 4/1979, S. 347±352.

338 Kuppe, J.: In Salisbury war die DDR nur Zaungast. In: Deutschland Archiv 6/1980, S. 566±568. Kupper, S.: Die europaÈ ischen BuÈ ndnispartner der Sowjetunion und die Entwicklungs- laÈ nder. In: Deutschland Archiv 7/1981, S. 745±757. Lamm, H.; Kupper, S.: DDR und Dritte Welt. MuÈ nchen, Wien 1976. Langer, E.: Die nationale Befreiungsbewegung ± ein revolutionaÈ rer Hauptstrom. In: Einheit 4/1982, S. 346±352. Langer, E.: Gemeinsam gegen Imperialismus, fuÈ r Frieden und sozialen Fortschritt. Zur Entwicklung der Beziehungen der SED mit revolutionaÈ ren Parteien und Bewegun- gen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. In: Deutsche Auûenpolitik 9/1982, S. 43±59. Last, B.: Zur Expertenentsendung der DDR in EntwicklungslaÈ nder. In: Goldschmidt, D.; SchaÈ fer, H.-D. BHrsg.): Entwicklungspolitische Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Hochschulbildung und Wissenschaft: Die Suche nach neuen AnsaÈ tzen. Berlin 1990. Lehfeld, H.: Zum antiimperialistischen BuÈ ndnis zwischen der DDR und den national befreiten Staaten Afrikas. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 6/1979. Lehfeld, H.: Fragen der nationalen Befreiungsrevolution in LaÈ ndern Afrikas und Asiens mit sozialistischer Orientierung. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 2/1982, S. 207±216. Lehmann, H. G.: Chronik der Bundesrepublik Deutschland 1945/49 bis heute. MuÈ n- chen 1989. Lennig, R.: Die DDR-NRO sind im Aufbruch. In: Entwicklung und Zusammenarbeit 5/1990. Lindemann, H.: Nordamerika BUSA und Kanada) und Kuba. In: Jacobsen, H.-A.; Leptin, G.; Scheuner, U.; Schulz, E. BHrsg.): Drei Jahrzehnte Auûenpolitik der DDR. Bestimmungsfaktoren, Instrumente, Aktionsfelder. 2. Aufl. MuÈ nchen, Wien 1980. Lippe, P.: Die gesamtwirtschaftlichen Leistungen der DDR-Wirtschaft in den offiziel- len Darstellungen. Die amtliche Statistik der DDR als Instrument der Agitation und Propaganda der SED. Frankfurt/M. 1995. LoÈ wis of Menar, H. von: Das Engagement der DDR im portugiesischen Afrika. In: Deutschland Archiv 1/1977. LoÈ wis of Menar, H. von: SolidaritaÈ t und Subversion. Die Rolle der DDR im suÈ dlichen Afrika. In: Deutschland Archiv 6/1977. LoÈ wis of Menar, H. von: Das afrikanische Erbe von Werner Lamberz. Ost- AÈ thiopien-Abenteuer. In: Deutschland Archiv 4/1978. LoÈ wis of Menar, H. von: Das politische und militaÈ rische Engagement der Deutschen Demokratischen Republik in Schwarzafrika. Ein UÈ berblick von 1953 bis 1978. In: BeitraÈ ge zur Konfliktforschung 1/1978. LoÈ wis of Menar, H. von: Die DDR als Schrittmacher im weltrevolutionaÈ ren Prozeû. Zur Honecker-Visite in AÈ thiopien und im SuÈ djemen. In: Deutschland Archiv 1/1980, S. 40±49. LoÈ wis of Menar, H. von: Machtpolitik suÈ dlich des Sambesi. Sambia und Mocambique als Adressaten der DDR-Afrikapolitik. In: Deutschland Archiv 11/1980. Loose, G.: Gedanken zur multilateralen Entwicklungszusammenarbeit der DDR im Rahmen der Vereinten Nationen. In: Entwicklungspolitische Gesellschaft e. V. BHrsg.): Osteuropas Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit ± was bleibt? Bericht und Bei- traÈ ge. Materialien des Workshops vom 23. und 24.4.1992. Berlin 1992, S. 156±161. Lorf, P.: Ein Diplom aus der DDR. In: Auûenpolitische Korrespondenz 6/1984. Ludwig, H.: Die »DDR« in Afrika BI). Der Einfluû der SBZ auf die unabhaÈ ngigen afri- kanischen LaÈ nder. In: SBZ Archiv 6/1965.

339 Ludwig, H.: Die »DDR« in Afrika BII). Die AktivitaÈ t in den arabischen LaÈ ndern. In: SBZ Archiv 22/1965. Lutze, K.: Hauptmerkmale der Einbindung von national befreiten Staaten mit soziali- stischer Orientierung in das kapitalistische Weltwirtschaftssystem und daraus resul- tierende Konsequenzen fuÈ r die langfristige Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den MitgliedslaÈ ndern des RGW und diesen LaÈ ndern. Dargestellt am Bei- spiel der VR Angola und der VR MocË ambique. Dissertation. Berlin 1989. Machowski, H.; Schultz, S.: Die Beziehungen zwischen den sozialistischen Planwirt- schaften und der 3. Welt ± Handel und Entwicklungshilfe. In: Deutschland Archiv 7/1981, S. 737±745. MaÈ hrdel, C.: Revolutionstheoretische Bemerkungen zur sozialistischen Orientierung gesellschaftlicher Entwicklung im heutigen Afrika und Asien. In: Asien, Afrika, La- teinamerika 3/1980, S. 421±431. MaÈ hrdel, C.: Das Friedens- und Fortschrittspotential der VoÈ lker und Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas: Objektive Interessen und Probleme ihrer Freisetzung zum aktiven Handeln. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 4/1989, S. 714±719. Mahnke, H.-H. BHrsg.): Beistand- und KooperationsvertraÈ ge der DDR. KoÈ ln 1982. Mallinckrodt, A. M.: An Auûenpolitik beteiligte Institutionen. In: Jacobsen, H.-A.; Leptin, G.; Scheuner, U.; Schulz, E. BHrsg.): Drei Jahrzehnte Auûenpolitik der DDR. Bestimmungsfaktoren, Instrumente, Aktionsfelder. 2. Aufl. MuÈ nchen, Wien 1980, S. 135±149. Marburger, H. BHrsg): Wir haben unseren Beitrag zur Volkswirtschaft geleistet. Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Situation der Vertragsarbeitnehmer der ehemaligen DDR vor und nach der Wende. Frankfurt/M. 1993. Massula, W.; MuÈ hle, W.; Wagner, H.-P.: Die Analyse grundlegender Prozesse der so- zialistischen Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent in ihren nationalen und internationalen ZusammenhaÈ ngen ± wesentliche Voraussetzung fuÈ r eine effektive Ausbildung und Erziehung von Kadern der Sicherheitsorgane nationaler bzw. volks- demokratischer Staaten. Dissertation. Potsdam-Babelsberg 1982. Sig. BStU JHS VVS 239/81. Materialien der Enquete-Kommission »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland«. Hrsg. vom Deutschen Bundestag 1±18. Baden-Ba- den, Frankfurt/M. 1994 ff. Meer, H. van der: SolidaritaÈ tsdienst ± international e. V. In: IPW-Berichte 5/1991, S. 24±28. Meinel, W.; Grund, G.: Die personenbezogene Arbeit im und nach dem Operationsge- biet auf der Linie XVIII. Arbeitsmaterial zum Forschungsthema. Sig. BStU GVS JHS o001±33/85±20 089 und 20 090. Melchers, K.: Die sowjetische Afrikapolitik von Chruschtschow bis Breshnew. Berlin 1980. Melvin, J.: DDR-Neokolonialismus in Afrika. Bonn 1981. Meusling-Barnett, T. P.: WarsawPact ± Third World Relations. 1968±1987: Explaining the Special Roles of Romania and . Dissertation. Cambridge/Mass. 1990. Meyer, P.: Wo Karl Marx immer noch ein GuÈ tesiegel ist. In: Entwicklung und Zusam- menarbeit 12/1990. Meyns, P.: Sozialismus in der Dritten Welt. In: Deutsches UÈ bersee-Institut BHrsg.): Jahr- buch Dritte Welt 1988. Daten, UÈ bersichten, Analysen. MuÈ nchen 1989, S. 53±71. Michalski, E.; MuÈ ller-Syring, R.; Schmid, H.: Theorien uÈ ber Unterentwicklung und Strategien fuÈ r Entwicklung in national befreiten LaÈ ndern Asiens und Afrikas. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 2/1989, S. 319±324.

340 Mittag, G.: Um jeden Preis. Autobiographie. Berlin 1991. Modrow, H.: Das groûe Haus. Frankfurt BOder) 1994. MuÈ ckenburg, A.: Die auslaÈ ndischen Vertragsarbeitnehmer in der ehemaligen DDR. Berlin 1996. MuÈ ller, E. P.: AuslaÈ ndische Studierende in der DDR. In: Osteuropa und die Dritte Welt. Hamburg 1989, S. 101±109. MuÈ ller, G.: Was war und wie geht es weiter. Zweidrittelwelt-Gruppen gewachsen in der DDR. In: Vogel, D. BRed.): Zwischen Rostock und Dresden. 2/3-Welt-Gruppen. Ein Handbuch. Freiburg, Berlin 1990, S. 8±10. MuÈ ller, K.: Die Entwicklungshilfe Osteuropas ± Konzeptionen und Schwerpunkte. Hannover 1970. NaÈ ther, C. M.: Ein Kontinent sucht die Freiheit. Afrika zwischen den GroûmaÈ chten. Frankfurt/M. 1968. Naumann, J.: Staatsbesuch im Zeichen friedlicher Koexistenz. In: Deutsche Auûenpoli- tik 12/1981, S. 29±40. Nieber, G.; Schmidt, H.: Grundlegende Aufgaben des MfS im Zusammenhang mit dem zunehmenden Aufenthalt von AuslaÈ ndern in der DDR. Sig. BStU JHS 001±235/78. Nohlen, D. BHrsg.): Lexikon Dritte Welt. LaÈ nder, Organisationen, Theorien, Begriffe, Personen. Reinbek 1989. Nohlen, D.; Nuscheler, F.: Handbuch der Dritten Welt, Bd. 1: Grundprobleme ± Theo- rien ± Strategien. Bonn 1992. NuÈ rnberger, A.: Entwicklungshilfe und Entwicklungspolitik des Ostblocks. Hamburg 1985. dpa-Hintergrund 3172. Orbis-Handbuch: 20. Jahrhundert ± der synchronische UÈ berblick. GuÈ tersloh 1994. Osteuropa und die Dritte Welt. Hamburg 1989. Osteuropa-Forum 75. Pfaffenberg, B.: Zur Entwicklung und Rolle der aÈ thiopischen StreitkraÈ fte sowie ihrer revolutionaÈ r-demokratischen Vertreter im Verlauf der Revolution. In: Asien, Afri- ka, Lateinamerika 5/1982. Pirker, T. BHrsg.): Der Plan als Befehl und Fiktion. Opladen 1995. Plate, B. von: DDR-Auûenpolitik Richtung Afrika und Arabien. In: Auûenpolitik 1/1978. Plate, B. von: Aspekte der SED-Parteibeziehungen in Afrika und der arabischen Region. In: Deutschland Archiv 2/1979, S. 132±149. Plate, B. von: Afrika suÈ dlich der Sahara. In: Jacobsen, H.-A.; Leptin, G.; Scheuner, U.; Schulz, E. BHrsg.): Drei Jahrzehnte Auûenpolitik der DDR. Bestimmungsfaktoren, Instrumente, Aktionsfelder. 2. Aufl. MuÈ nchen, Wien 1980, S. 657±671. Plate, B. von: Der Nahe und Mittlere Osten sowie der Maghreb. In: Jacobsen, H.-A.; Leptin, G.; Scheuner, U.; Schulz, E. BHrsg.): Drei Jahrzehnte Auûenpolitik der DDR. Bestimmungsfaktoren, Instrumente, Aktionsfelder. 2. Aufl. MuÈ nchen, Wien 1980, S. 673±698. Plate, B. von: Die Handelsbeziehungen der DDR mit den EntwicklungslaÈ ndern und die neue Weltwirtschaftsordnung. In: Deutschland Archiv 8/1980, S. 819±833. Plate, B. von: Die DDR und die EntwicklungslaÈ nder. In: DDR-Report 2/1982, S. 74±77. Plate, B. von: Revolutionary change in Africa: some implications for East German po- licy behaviour. In: Nation, R. C.; Kauppi, M. BHrsg.): The Soviet Impact in Africa. Lexington/Mass. 1984. Plate, B. von: Auûenpolitik und internationale Beziehungen. In: Rausch, H.: DDR. Das politische, wirtschaftliche und soziale System. 7. Aufl. MuÈ nchen 1988. Plener, U.: Sozialdemokratische Konzeptionen zur LoÈ sung der Probleme der Entwick- lungslaÈ nder. In: IPW-Berichte 2/1988, S. 16±22. Post, U.; Sandvoss, F.: Die Afrikapolitik der DDR. Hamburg 1982

341 Post, U.; Sandvoss, F.: Honeckers Afrika-Korps ± Erfindung oder RealitaÈ t? Die Mili- taÈ rbeziehungen der DDR zu Afrika. In: Der UÈ berblick 2/1986. Priewe, J.; Hickel, R.: Der Preis der Einheit: Bilanz und Perspektiven der deutschen Wiedervereinigung. Frankfurt/M. 1991. Prokop, S.: Poltergeist im PolitbuÈ ro. Frankfurt BOder) 1996. Przybylski, P.: Tatort PolitbuÈ ro ± Honecker, Mittag und Schalck-Golodkowski. 2 Bde. Berlin 1992. Raabe, J.: Dialog zu Problemen der EntwicklungslaÈ nder. In: Horizont 12/1987, S. 10. Rathmann, L.: North-South university co-operation and its practical implications. In: Higher Education Policy 4/1988. Reetz, D.: Die EntwicklungslaÈ nderforschung in der DDR nach der Wende: VeraÈ nde- rungen in Konzeption und Struktur. Berichte des Bundesinstituts fuÈ r ostwissen- schaftliche und internationale Studien 7/1991. Reichardt, A.: SolidaritaÈ t hilft siegen. 25 Jahre SolidaritaÈ tskomitee der DDR. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 6/1985, S. 945±951. Reime, S.: Die TaÈ tigkeit der DDR in den nichtkommunistischen LaÈ ndern. Bonn 1972. Richter, E.: Wissenschaftliche Arbeiten zu Sprachen Asiens und Afrikas in der DDR B1950±1983). In: Asien, Afrika, Lateinamerika 4/1984. Riede, A.: Erfahrungen von Arbeitsemigranten in der DDR. Berlin 1992. Rix, C.: Ideologischer Wandel und VeraÈ nderung der auûenpolitischen Doktrin der DDR. Frankfurt/M. 1990. Robbe, M.: Die Stummen in der Welt haben das Wort. EntwicklungslaÈ nder: Bilanz und Perspektive. Berlin 1984. Robbe, M.: EntwicklungslaÈ nder. Woher und Wohin? In: Horizont 2/1989. Robbe, M.: Frieden und sozialer Fortschritt als Herausforderung. In: Autorenkollektiv BLeitung: Robbe, M.): Wege zur UnabhaÈ ngigkeit. Die antikoloniale Revolution in Asien und Afrika und die Zukunft der EntwicklungslaÈ nder. Berlin 1989, S. 292±306. RoÈ scheisen, R.: Nord-SuÈ d-Politik in beiden deutschen Staaten. In: Gorholt, M.; Kunz, N. W. BHrsg.): Deutsche Einheit ± Deutsche Linke. Reflexionen der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung. KoÈ ln 1991. Roike, H.: Die politisch-operative FuÈ hrung einer Gruppe Sachkundiger im Ministerium fuÈ r Auûenwirtschaft im Prozeû der Aufdeckung, Verhinderung und BekaÈ mpfung feindlicher Angriffe gegen die Auûenwirtschaftsbeziehungen der Deutschen Demo- kratischen Republik zum nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet. Sig. BStU VVS MFS 160±804/73. Roike, H.: Die TaÈ tigkeit des ehemaligen MfS zur Sicherung der Volkswirtschaften der DDR. In: Zwie-GespraÈ che 28 und 29/1995, S. 12±23. Rothensee, D.: »Ein qualitativ neuer Typ zwischenstaatlicher Beziehungen« ± Die DDR und die LaÈ nder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. In: Rissener Rundbrief 9/1989. Rubinstein, A. Z.: Moscow's Third World Strategy. Princeton, New Jersey 1990. Saack, B.: Handbuch. Brandenburger Eine-Welt-Gruppen, AktionslaÈ den, Initiativen, Organisationen und Institutionen. Potsdam 1992. Sandvoss, F.: The German Democratic Republic's policies in Africa 1982±83. Balan- cing aid with trade. In: Africa Contemporary Record: Annual Survey and Docu- ments 1983±1984. NewYork 1985. Sandvoss, F.: The German Democratic Republic's policies in Africa 1983±1984. A ba- lance sheet of losses and gains. In: Africa Contemporary Record: Annual Survey and Documents 1984±1985. NewYork 1985.

342 Sandvoss, F.: The German Democratic Republic's policies in Africa. Africa remains lower Priority in Third World relations. In: Africa Contemporary Record: Annual Survey and Documents 1986±1987. NewYork 1988. Schalck-Golodkowski, A.; Volpert, H.: Zur BekaÈ mpfung der imperialistischen StoÈ r- taÈ tigkeit auf dem Gebiet des Auûenhandels. Sig. BStU GVS 210±234/70. Scharschmidt, G.: Die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Mitglieds- laÈ ndern des RGW und den EntwicklungslaÈ ndern auf gleichberechtigter und gegen- seitig vorteilhafter Grundlage. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 5/1981, S. 773±784. Scharschmidt, G.: DDR/EntwicklungslaÈ nder. Traditionelle und neue Formen der wirt- schaftlichen Zusammenarbeit. In: Horizont 7/1984, S. 23. Scharschmidt, G.: Wirtschaftliche Zusammenarbeit DDR±EntwicklungslaÈ nder. In: Auûenpolitische Korrespondenz 31/1984. Scharschmidt, G.: Stellung und Perspektiven der Ost-West-Zusammenarbeit auf Dritt- maÈ rkten aus der Sicht der DDR. In: IPW-Berichte 7/1984. Scharschmidt, G.; SproÈ te, W.: DDR an der Seite der EntwicklungslaÈ nder im Kampf um demokratische Umgestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. In: IPW-Berichte 9/1984. Scherzer, L.: Bom dia, weiûer Bruder. Rudolstadt 1984. Scherzer, L.: Das Camp von Matundo ± 132 Tage Afrika. Berlin 1986. Schilling, H.: OÈ konomisch-soziale Unterentwicklung und ihre UÈ berwindung als globale politische Herausforderung und als Anspruch an die marxistisch-leninistische politi- sche OÈ konomie. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 3/1989, S. 377±388. Schleicher, H.-G.: Die Afrikapolitik der DDR: Versuch einer Nachbetrachtung. In: In- stitut fuÈ r Afrika-Kunde; R. Hofmeier BHrsg.): Afrika-Jahrbuch 1990. Politik, Wirt- schaft und Gesellschaft in Afrika suÈ dlich der Sahara. Opladen 1991. Schleicher, H.-G.: Zwischen Klassenkampf und neuem Denken: Die DDR-Afrikapoli- tik der achtziger Jahre. In: Internationales Afrikaforum 4/1991. Schleicher, H.-G.: Der Dialog uÈ ber eine neue Ordnung in SuÈ dafrika als Herausforde- rung fuÈ r den ANC. Beobachtungen eines ehemaligen DDR-Diplomaten. Ebenhau- sen 1991. Schleicher, H.-G.: Juniorpartner der Sowjetunion: Die DDR im suÈ dlichen Afrika. In: Behrens, M.; Rimscha, R.: SuÈ dafrika nach der Apartheid. Baden-Baden 1993. Schleicher, H.-G.; Engel, U.: DDR-Geheimdienst und Afrika-Politik. In: Auûenpolitik 4/1996. Schleicher, I.: Internationalistische Entwicklung der FRELIMO und ihre Beziehungen zur SED. In: Deutsche Auûenpolitik 7/1979. Schleicher, I.: Der lange Weg der Sechaba. In: Der UÈ berblick 4/1990. Schleicher, I.: Zur »materiellen« SolidaritaÈ t der DDR mit dem ANC in den 60er Jah- ren. In: Afrika-Spectrum 2/1992. Schleicher, I.: DDR-SolidaritaÈ timsuÈ dlichen Afrika ± Auseinandersetzung mit einem ambivalenten Erbe. Hrsg. von SolidaritaÈ tsdienst ± international e. V. Berlin 1999. Schmidt-Streckenbach, W.: Entwicklungspolitik und internationale Verwaltungsbezie- hungen. VerwaltungsfoÈ rderung der DDR fuÈ r EntwicklungslaÈ nder. Speyer 1982. Schmidt-Streckenbach, W.: Zur Fortbildung von Fach- und FuÈ hrungskraÈ ften aus Ent- wicklungslaÈ ndern. Das Angebot der DDR fuÈ r Kader aus Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung. In: Deutsche Studien 93/1986, S. 24±50. Schoeller, W.: »Komparativer Nachteil« und »Wechselseitiger Nutzen«. Zur Koopera- tion zwischen COMECON und EntwicklungslaÈ ndern am Beispiel Mosambiks. In: Deutschland Archiv 12/1983, S. 1303±1311. Scholler, H.: Die Verfassungsentwicklung in AÈ thiopien. In: HaÈ berle, P. BHrsg.): Jahr- buch des OÈ ffentlichen Rechtes der Gegenwart. TuÈ bingen 1987, S. 679±697.

343 Schroeder, K.: Der SED-Staat ± Partei, Staat, Gesellschaft. MuÈ nchen 1998. Schubert, W.: Aspekte der Zusammenarbeit der DDR mit EntwicklungslaÈ ndern unter besonderer BeruÈ cksichtigung der Landwirtschaft. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 1/1991, S. 20±34. Schubert, W.; Voigt, A.: OÈ stliche Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit im agraren Bereich. Ergebnisse und NeuansaÈ tze. In: Entwicklungspolitische Gesellschaft e. V. BHrsg.): Osteuropas Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit ± was bleibt? Bericht und BeitraÈ ge. Materialien des Workshops vom 23. und 24.4.1992. Berlin 1992, S. 139±155. SchuÈ rer, G.: Gewagt und verloren ± Eine deutsche Biographie. Frankfurt BOder) 1996. Schultz, S.: Wirtschaftsbeziehungen der DDR zu EntwicklungslaÈ ndern: Keine neuen Trends in Hilfe und Handel. In: DIW-Wochenbericht 51 und 52/1985, S. 583±588. Schultz, S.: Die Entwicklungshilfe der DDR. Von der QualitaÈ t zur QuantitaÈ t?. In: Ver- einte Nationen 1/1986. Schultz, S.: Characteristics of East Germany's Third World Policy: Aid and Trade. In: Konjunkturpolitik 5/1990. Schulz, B.: The road to socialism in the periphery: East German Solidarity in theory and practice. In: Journal fuÈ r Entwicklungspolitik 2/1986. Schulz, B.: The two German States and Apartheid. In: Journal fuÈ r Entwicklungspolitik 4/1988. Schulz, B.: Development Through Aid and Trade? The Development Aid Strategies of the Two German States in Sub-Saharian Africa, 1960±1985. Dissertation. Boston 1989. Schulz, E.: Bestimmungsfaktoren. In: Jacobsen, H.-A.; Leptin, G.; Scheuner, U.; Schulz, E. BHrsg.): Drei Jahrzehnte Auûenpolitik der DDR. Bestimmungsfaktoren, Instrumente, Aktionsfelder. 2. Aufl. MuÈ nchen, Wien 1980, S. 203±231. Schwanitz, W.: Die hegemoniale Vertragspolitik der Sowjetunion und der DDR. Mili- taÈ rpolitik und VoÈ lkerrecht. Berlin 1983. Sebastian, H.: Versuch einer Bewertung. In: Entwicklung und Zusammenarbeit 4/1990. Seibt, K.: 30 Jahre DDR ± 30 Jahre antiimperialistische SolidaritaÈ t. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 6/1979. Seifert, W.; Trautwein, N.: Die Schalck-Papiere. MuÈ nchen 1991. Seul, A.: Das Ministerium fuÈ r Staatssicherheit in der DDR-Volkswirtschaft. In: Mate- rialien der Enquete-Kommission »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland«. Hrsg. vom Deutschen Bundestag Nr. VIII: Das Mi- nisterium fuÈ r Staatssicherheit, Seilschaften, Altkader, Regierungs- und Vereini- gungskriminalitaÈ t. Baden-Baden 1999, S. 532±584. Sextro, U.: Gestern gebraucht ± heute abgeschoben ± die innenpolitische Kontroverse um die Vertragsarbeiter der ehemaligen DDR. SaÈ chsische Landeszentrale fuÈ r politi- sche Bildung. Dresden 1996. Siebs, B.: Die DDR und die Dritte Welt. Entwicklungspolitik in den 80er Jahren. Ma- nuskript. MuÈ nchen 1993. Simonija, N.: Probleme der Zusammenarbeit der UdSSR BRuûlands) mit der »Dritten Welt« im Kontext der Ost-West-Beziehungen. In: Entwicklungspolitische Gesell- schaft e. V. BHrsg.): Osteuropas Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit ± was bleibt? Bericht und BeitraÈ ge. Materialien des Workshops vom 23. und 24.4.1992. Berlin 1992, S. 62±76. Sodaro, M.: The GDR and the Third World: supplicant and surrogate. In: Radu, M. BHrsg.): Eastern Europe and the Third World ± East vs. South. NewYork 1981, S. 106±141.

344 Solidarische Hilfe der DDR fuÈ r die Kinder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. In: Auûenpolitische Korrespondenz 39/1986. SolidaritaÈ tsdienst ± international e. V. BHrsg.): Rundbrief 1/1992. Spanger, H.-J.: Aus dem Osten wenig Neues. In: epd-Entwicklungspolitik 10/1983. Spanger, H.-J.: DDR legt erstmals offizielle Zahlen uÈ ber ihre Entwicklungshilfe vor. In: Deutschland Archiv 7/1983, S. 681±683. Spanger, H.-J.: Die beiden deutschen Staaten in der Dritten Welt. In: Deutschland Ar- chiv 1 und 2/1984. Spanger, H.-J.: MilitaÈ rpolitik und militaÈ risches Engagement der DDR in der Dritten Welt. In: Deutschland Archiv 8/1985. SproÈ te, W.; Hahn, G.: DDR-Wirtschaftshilfe contra Bonner Neokolonialismus. Berlin 1965. SproÈ te, W.: Das Zusammenwirken sozialistischer Staaten und national befreiter LaÈ nder in der UNO. In: Deutsche Auûenpolitik Nr. 6/1981. Staadt, J.: Auf hoÈ chster Stufe ± GespraÈ che mit Erich Honecker. Berlin 1995. Staadt, J.: Eingaben ± die institutionalisierte Meckerkultur in der DDR. Berlin 1996. Staritz, D.: Geschichte der DDR 1949±1990. In: Moderne Deutsche Geschichte 11/1996. Stark, C.: Die Auûenpolitik der VR China in Afrika 1969 bis 1983 unter besonderer BeruÈ cksichtigung des suÈ dlichen Afrika. Frankfurt/M. 1990. Statistisches Bundesamt: LaÈ nderbericht Mosambik 1989. Wiesbaden 1989. Statistisches Bundesamt: LaÈ nderbericht AÈ thiopien 1990. Wiesbaden 1990. StatistischesBundesamt: Sonderreihe mit BeitraÈ gen fuÈ r das Gebiet der ehemaligen DDR ± UmsaÈ tze im Auûenhandel 1975 und 1980 bis 1990. Wiesbaden 1993. Statistisches Bundesamt: LaÈ nderbericht Mosambik 1996. Wiesbaden 1996. Stefan, K.-D.: Heiûes Eisen B1. Teil). UÈ ber WaffengeschaÈ fte der DDR mit dem Aus- land. In: Horizont 1/1990. Stefan, K.-D.: Heiûes Eisen B2. Teil). DDR lieferte Waffen in die »Dritte Welt«. In: Horizont 2/1990. Stier, P.: Gedanken zu einer europaÈ ischen Entwicklungspolitik nach dem Ende des Ost- West-Konflikts. In: Entwicklungspolitische Gesellschaft e. V. BHrsg.): Osteuropas Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit ± was bleibt? Berichte und BeitraÈ ge. Materialien des Workshops vom 23. und 24.4.1992. Berlin 1992, S. 13±52. Stier, P. u. a.: Entschuldung und nicht-kommerzielle Umwelt- und Entwicklungsfonds am Beispiel Mosambik. Studie im Auftrag der Stiftung Nord-SuÈ d-BruÈ cken. Berlin 1996. Stockholm International Peace Research Institute: SIPRI Yearbook 1990. World Ar- maments and Disarmament. Stockholm, London 1990. Stokke, B. R.: Soviet and Eastern Trade and Aid in Africa. NewYork 1967. Strege, F.: Die Entwicklungspolitik der DDR 1976±1980. Bonn 1990. Struwe, J.: LangjaÈ hrige DDR-Exporte von Einrichtungen und AusruÈ stungen fuÈ r das Bildungswesen. In: Auûenpolitische Korrespondenz 40/1985. Theuring, R.: Internationales Symposium »SozialoÈ konomische Unterentwicklung und die Rolle kapitalistischer ProduktionsverhaÈ ltnisse in LaÈ ndern der Dritten Welt« an der Hochschule fuÈ rOÈ konomie »Bruno Leuschner« am 2. und 3. Dezember 1987 in Berlin. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 3/1988, S. 529±533. Timm, A.: DDR ± Israel: Anatomie eines gestoÈ rten VerhaÈ ltnisses. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 4/1993, S. 46±54. Trevhela, P.: A Literature of Wolves. In: Searchlight South Africa 8/1992. Tschetschorke, H.; Specht, H.-P.; Schmidt-Kunter, D.: Zur Rolle und zum Vorgehen der Geheimdienste imperialistischer HauptlaÈ nder und SuÈ dafrika sowie der Geheim-

345 dienste prokapitalistischer Staaten bei der Verwirklichung der neokolonialen Politik des Imperialismus gegen die Staaten sozialistischer Entwicklung/Orientierung und die kaÈ mpfenden Befreiungsbewegungen im subsaharischen Afrika. Potsdam-Babels- berg, Sig. BStU VVS JHS o001±233/84. TuÈ ttenberg, E.: Der Beitrag der Staaten des Ostblocks zur Wirtschaft der Entwick- lungslaÈ nder Afrikas. Dissertation. St. Augustin 1977. Uljanowski, R. A.: LaÈ nder sozialistischer Orientierung. In: Deutsche Auûenpolitik 11/1979, S. 64±75. United Nations Conference on Trade and Development: Manual on trading with the socialist countries of Eastern Europe. NewYork 1987. Uschner, M.: Die zweite Etage ± Funktionsweise eines Machtapparates. Berlin 1993. Uschner, M.: Die roten Socken. Berlin 1995. Valenta, J.; Butler, S.: East German Security Policies in Africa. In: Radu, M. BHrsg.): Eastern Europe and the Third World. NewYork 1981. Verfassung der DDR. Berlin 1974. Vogel, D. BRed.): Zwischen Rostock und Dresden. 2/3-Welt-Gruppen. Ein Handbuch. Freiburg, Berlin 1990. Voigt, M.; Klien, E. A.; Koppe, K.: Lehre und Studium der Asien-, Afrika- und Latein- amerikawissenschaften im 40. Jahr der Deutschen Demokratischen Republik. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 5/1989, S. 789±796. Volmer, L.: Die GruÈ nen und die Auûenpolitk ± ein schwieriges VerhaÈ ltnis. MuÈ nster 1998. Weimer, B.: Die mosambikanische Auûenpolitik 1975±1982. Merkmale, Probleme, Dynamik. Baden-Baden 1983. Weiter, M.: Gesamtdeutsche Entwicklungspolitik? In: Entwicklung und Zusammenar- beit 5/1990, S. 7. Weiter, M.: Was bleibt von den DDR-Projekten? Die Suche nach Fakten. In: gtz-info 1/1991, S. 26±30. Wiedmann, R.: Strukturen des AuslaÈ nderstudiums in der Deutschen Demokratischen Republik. In: Illy, H. F.; Schmidt-Streckenbach, W. BHrsg.): Studenten aus der Drit- ten Welt in beiden deutschen Staaten. Berlin 1987, S. 67±99. Willerding, J.: FuÈ r Frieden, Freundschaft und antiimperialistische SolidaritaÈ t ± Zur in- ternationalen TaÈ tigkeit des sozialistischen Jugendverbandes der DDR. In: Deutsche Auûenpolitik 4/1982, S. 22±30. Willerding, J.: UÈ ber Freundschaftsbrigaden der FDJ. In: Einheit 6/1989, S. 570±572. Willerding, K.: Die DDR und die national befreiten Staaten Asiens und Afrikas. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 5/1974. Willerding, K.: Grundlagen und Inhalt der Beziehungen der DDR zu den befreiten Staaten Asiens und Afrikas. In: Deutsche Auûenpolitik 11/1976. Willerding, K.: Zur Afrikapolitik der DDR. In: Deutsche Auûenpolitik 8/1979, S. 5±19. Willerding, K.: Die Auûenpolitik der DDR und die LaÈ nder Asiens, Afrikas und Latein- amerikas. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 4/1979, S. 569±577. Winrow, G. M.: The GDR in Africa ± a Gradual Disengagement? In: Afrika-Spectrum 3/1989, S. 303±314. Winrow, G. M.: The Foreign Policy of the GDR in Africa. Cambridge, New York u. a. 1990. Winter, H.-D.: Die DDR und die Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ± Zu- sammenwirken und Dialog fuÈ r Frieden und Fortschritt. In: Asien, Afrika, Latein- amerika 4/1989, S. 581±590. Winter, H.-D.: Die Politik der DDR fuÈ r Frieden und Fortschritt gegenuÈ ber Entwick- lungslaÈ ndern. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 5/1989, S. 889±893.

346 Wippel, St.: Die Auûenwirtschaftsbeziehungen der DDR zum Nahen Osten. Berlin 1996. WoÈ rterbuch der Auûenpolitik und des VoÈ lkerrechtes. Berlin 1980. Das WoÈ rterbuch der Staatssicherheit. Definitionen des MfS zur »politisch-operativen Arbeit«. Hrsg. vom Bundesbeauftragten fuÈ r die Unterlagen des Staatssicherheits- dienstes der ehemaligen DDR. Abteilung Bildung und Forschung. Berlin 1993. Woitzik, K.-H.: Die AuslandsaktivitaÈ t der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Organisationen, Wege, Ziele. Mainz 1966. Wolf, M.: Spionagechef im geheimen Krieg ± Erinnerungen. MuÈ nchen 1998. Wolle, St.: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971±1989. Berlin 1998. Zenker, J.: Zur Bedeutung der Zusammenarbeit der SED mit national-demokratischen Parteien und Organisationen fuÈ r deren politisch-ideologische Entwicklung. In: Asien, Afrika, Lateinamerika 5/1975. Zenker, J.: Zur internationalen Zusammenarbeit zwischen Kommunisten und nationa- len Demokraten nach 1969. In: BeitraÈ ge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewe- gung 1/1976. Zenker, J.: Zusammenarbeit der SED mit revolutionaÈ r-demokratischen Parteien in Asien und Afrika. In: Deutsche Auûenpolitik 10/1977. Zevin, L.: Die Arbeitsteilung zwischen den RGW-Staaten und den EntwicklungslaÈ n- dern. In: Monatsberichte. Entwicklungspolitische AktivitaÈ ten kommunistischer LaÈ n- der 11/1977. Zinger, H.: »Entwicklungshilfe« oder UnterstuÈ tzung der EntwicklungslaÈ nder. In: Deut- sche Auûenpolitik 11/1978.

347 Verzeichnis der AbkuÈ rzungen

AA AuswaÈ rtiges Amt aala Asien, Afrika, Lateinamerika, Zeitschrift des Zentralen Rates fuÈ r Asien-, Afrika- und Lateinamerikawissenschaften in der DDR AAPA Archiv des AuswaÈ rtigen Amtes, Politisches Archiv, Auûenstelle Berlin, fuÈ r die BestaÈ nde des Ministeriums fuÈ r AuswaÈ rtige Ange- legenheiten der DDR AGKED Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienste AHB Auûenhandelsbetrieb AKP Afrikanische, karibische und pazifische Staaten, die mit der EG assoziiert sind ANC African National Congress *Afrikanischer Nationalkongreû, SuÈ dafrika) BAC Dokumente aus dem Bundesarchiv Berlin-Zehlendorf, Auûen- stelle Coswig, fuÈ r die BestaÈ nde des Bereiches Kommerzielle Ko- ordinierung, Abteilung: Handelspolitik BAD Dokumente aus dem Bundesarchiv, Auûenstelle Dahlwitz-Hop- pegarten, fuÈ r die Akten des SolidaritaÈ tskomitees der DDR BAFMA Dokumente aus dem Bundesarchiv ± MilitaÈ rarchiv Freiburg im Breisgau BAZDE Dokumente aus dem Bundesarchiv Berlin-Zehlendorf fuÈ r die Akten des Sekretariates der »Mittag-Kommission« in der Staat- lichen Plankommission der DDR BAZ-DY Dokumente aus der Stiftung Parteien und Massenorganisationen der DDR *SAPMO BArch) im Bundesarchiv Berlin-Zehlendorf vor allem fuÈ r die Unterlagen aus dem PolitbuÈ ro und dem ZK der SED BEK Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR BKK Bereich Kommerzielle Koordinierung BMF Bundesminister fuÈ r Finanzen BMZ Bundesministerium fuÈ r wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BRD Bundesrepublik Deutschland BSP Bruttosozialprodukt BStU Der Bundesbeauftragte fuÈ r die Unterlagen des Staatssicherheits- dienstes der ehemaligen DDR, Berlin CARBOMOC Empresa Nacional de CarvaÄ o de MocË ambique *Steinkohleberg- baubetrieb in Moatize/Mosambik) CCM Companhia CarbonõÂ fera de MocË ambique *belgisch-portugiesi- sche Gesellschaft des Steinkohlebergbaus in Mosambik) COMECON englische Bezeichnung fuÈ rRGW COPWE Commission to Organize the Party of the Working People of Ethiopia *Kommission zur Schaffung der Partei der WerktaÈ tigen AÈ thiopiens) DA Deutschland Archiv, Zeitschrift fuÈ r Fragen der DDR und der Deutschlandpolitik, KoÈ ln

348 DAC Development Assistance Committee *Ausschuû fuÈ r Entwick- lungshilfe der OECD) DAP Deutsche Auûenpolitik, Zeitschrift *DDR) DDR Deutsche Demokratische Republik DED Deutscher Entwicklungsdienst DFD Demokratischer Frauenbund Deutschlands *DDR) DRK Deutsches Rotes Kreuz der DDR DTSB Deutscher Turn- und Sportbund der DDR E Einheit, Zeitschrift des ZK der SED ELF Eritrean Liberation Front *Eritreische Befreiungsfront) EGEuropa È ische Gemeinschaft EKD Evangelische Kirchen in Deutschland EL EntwicklungslaÈ nder epd Evangelischer Pressedienst, Frankfurt/Main EPLF Eritrean People's Liberation Front *Eritreische Volksbefreiungs- front) EPRP Ethiopian Peoples' Revolutionary Party *AÈ thiopische Revolutio- naÈ re Volkspartei) EZA Evangelisches Zentralarchiv, Auûenstelle Berlin-Mitte FAO Food and Agricultural Organization of the United Nations *ErnaÈ hrungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund *DDR) FDJ Freie Deutsche Jugend *DDR) FPLM ForcË as Populares de LibertacË aÄ o de MocË ambique *Armee Mo- sambiks) FRELIMO Frente de LibertacË aÄ o de MocË ambique *Befreiungsfront von Mo- sambik) FZ Finanzielle Zusammenarbeit *Kapitalhilfe) G7 Gruppe der sieben fuÈ hrenden IndustrielaÈ nder GATT General Agreement on Tariffs and Trade *Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) GD Geheimdienst GDR German Democratic Republic *Deutsche Demokratische Repu- blik) GENEX Geschenkdienst GmbH, SED-eigener Betrieb, der gegen Devisen vor allem Erzeugnisse der DDR in der BRD anbot GO Generaloberst GVS Geheime Verschluûsache GWA Gemeinsamer Wirtschaftsausschuû HA Hauptabteilung HADW Hauptarchiv des Diakonischen Werkes der EKD in Berlin-Zeh- lendorf HfOÈ Hochschule fuÈ rOÈ konomie HIPC Heavily Indebted Poor Countries *besonders hoch verschuldete und arme LaÈ nder) eine seit 1996 vorgenommene Klassifizierung des IWF HO Handelsorganisation *DDR) Ho Horizont, auûenpolitische Zeitschrift der DDR HPA Handelspolitische Abteilung, zum einen die Abteilung im BKK, die unter anderem fuÈ r Mosambik, AÈ thiopien und Angola zustaÈ n-

349 dig war, zum anderen Bezeichnung fuÈ r die Wirtschaftsabteilun- gen an den Botschaften der DDR HV A Hauptverwaltung AufklaÈ rung im MfS IDA International Development Association *Internationale Ent- wicklungsagentur in der Weltbankgruppe) IL IndustrielaÈ nder IM Inoffizieller Mitarbeiter des MfS IMF International Monetary Fund *Internationaler WaÈ hrungsfonds) IMS Inoffizieller Mitarbeiter fuÈ r Sicherheit des MfS INKOTA OÈ kumenischer Arbeitskreis Information, Koordination, Tagun- gen zu Problemen der Zwei-Drittel-Welt, unabhaÈ ngige entwick- lungspolitische Organisation in der DDR IPW Institut fuÈ r Internationale Politik und Wirtschaft der DDR issa Informationsstelle suÈ dliches Afrika, Bonn ITA Ingenieurtechnischer Auûenhandel GmbH, Firma fuÈ r Waffen- handel und MilitaÈ rtechnik in der DDR IV Internationale Verbindungen *Abteilung des ZK der SED) IWF Internationaler WaÈ hrungsfonds *siehe auch IMF) KD Konvertierbare Devisen KIL Kapitalistische IndustrielaÈ nder KKM Koordinierungskreis Mosambik beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR KoKo Bereich Kommerzielle Koordinierung KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KSZE Konferenz fuÈ r Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KWZ Kulturell-Wissenschaftliche Zusammenarbeit LASVJ Libysche Arabische Sozialistische Volksjamahiriya LIC Low Income Countries *Gruppe der einkommensschwachen LaÈ nder) LDC Least Developed Countries *Gruppe der am wenigsten entwik- kelten LaÈ nder) MAI Ministerium fuÈ r Auûen- und innerdeutschen Handel der DDR MdI Ministerium des Innern der DDR MfAA Ministerium fuÈ r AuswaÈ rtige Angelegenheiten der DDR MfS Ministerium fuÈ r Staatssicherheit der DDR MKE Ministerium fuÈ r Kohle und Energie der DDR MWZ Ministerium fuÈ r Wirtschaftliche Zusammenarbeit der DDR NATO North Atlantic Treaty Organization *Nordatlantikpakt) ND Neues Deutschland, Zentralorgan der SED NGO Nongovernmental Organization *Nichtregierungsorganisation) NIWO Neue Internationale Wirtschaftsordnung NSW Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet NVA Nationale Volksarmee *DDR) OAU Organization of African Unity *Organisation fuÈ r Afrikanische Einheit) ODA Official Development Assistance *oÈ ffentliche Entwicklungshilfe) OECD Organization for Economic Cooperation and Development *Organisation fuÈ r wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung) OPEC Organization of the Petroleum Exporting Countries *Organisa- tion der ErdoÈ l exportierenden LaÈ nder)

350 PB PolitbuÈ ro des ZK der SED PLO Palestine Liberation Organization *PalaÈ stinensische Befreiungs- organisation) PMAR *PMVR) Provisional Military Administration Council *Provisorischer MilitaÈ rischer Verwaltungsrat), FuÈ hrung AÈ thiopiens von 1975 bis 1991 POLISARIO Frente Popular para la Liberacio n de Seguia El Hamra y Rio de Oro *Volksfront fuÈ r die Befreiung von Seguia El Hamra und Rio de Oro); kaÈ mpft fuÈ r die UnabhaÈ ngigkeit der Westsahara von Marokko PPI Entwicklungsplan PV Parteiversammlung RENAMO ResisteÃncia Nacional de MocË ambique *Nationaler Widerstand von Mosambik) RF Republikflucht RGW Rat fuÈ r Gegenseitige Wirtschaftshilfe *siehe auch COMECON) RK Reisekader RSA Republik SuÈ dafrika SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SLAVJ Sozialistische Libysche Arabische Volksjamahiriya SPA Special Program of Assistance *wirtschaftliches Beistandspro- gramm der Weltbank) SPK Staatliche Plankommission der DDR SWAPO South West African People's Organization *SuÈ dwestafrikanische Volksorganisation; Befreiungsfront fuÈ r Namibia) SZS Staatliche Zentralverwaltung fuÈ r Statistik TNC Transnational Corporation *Transnationale Konzerne) UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development *Ent- wicklungsprogramm der Vereinten Nationen) UNDP United Nations Development Programme *UN-Entwicklungs- programm) UNICEF United Nations Children's Fund *UN-Kinderhilfswerk) UNO United Nations Organization *Vereinte Nationen) USA United States of America *Vereinigte Staaten von Amerika) VdgB Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe *DDR) VdJ Verband der Journalisten der DDR VDRJ Volksdemokratische Republik SuÈ djemen VGW Valutagegenwert VM Valutamark, wurde mit gleichem Wert wie die Deutsche Mark gerechnet VR Volksrepublik VRM Volksrepublik Mosambik VVB Vereinigung Volkseigener Betriebe VVS Vertrauliche Verschluûsache WIKO Wirtschaftskommission im ZK der SED WPA Wirtschaftspolitische Abteilung, Auûenstelle der HPA des BKK in Maputo WTZ Wissenschaftlich-Technische Zusammenarbeit ZK Zentralkomitee der SED

351 Angaben zum Autor

HANS-JOACHIM DOÈ RING Jahrgang 1954, 1975±80 Studium zum Diplom±ReligionspaÈ dagogen, 1980±86 Mitarbeiter an der Thomas-Kirche in Leipzig, Mitinitiator der Friedensgebete in der Nikolaikirche, 1987±94 GeschaÈ ftsfuÈ hrer des INKOTA-Netzwerkes in Berlin, gemeinsam mit Walter Bindemann 1989 Aufruf zum Entwicklungspoliti- schen Runden Tisch, Juni bis Oktober 1990 Berater fuÈ r Entwicklungszusam- menarbeit im Ministerium fuÈ rAuswaÈ rtige Angelegenheiten der DDR, 1994±97 GeschaÈ ftsfuÈ hrer der Stiftung Nord-SuÈ d-BruÈ cken in Berlin, seit 1997Leiter der Fachstelle Umwelt und Entwicklung des Kirchlichen Entwicklungsdienstes im Forschungsheim Lutherstadt Wittenberg, Studien- und Arbeitsaufenthalte in Kuba, Nicaragua, Brasilien, Indien und Tansania.

Verzeichnis der Abbildungen Evangelisches Missionswerk Hamburg: S. 8, 142 Evangelisch-lutherisches Missionswerk Hermannsburg: S. 104 Bundesarchiv-Bildarchiv Koblenz: S. 34

352