Editorial #118 Wann kommt eigentlich das neue BACKSPIN MAG Nostalgie kommt auch auf, wenn man sich mit Darüber hinaus gibt es einen Rückblick auf ein auf den Markt? Diese Frage wurde mir in den ver- den Legenden aus München zum Gespräch trifft. Stück Hamburger Hip-Hop-Geschichte. Für seine gangenen Monaten sehr oft gestellt. Und das voll- Egal, ob mit Blumentopf zum offiziellen Ende ihrer Reportage über den legendären Klub „Power- kommen zu Recht. Denn es hat wieder sehr lange, gemeinsamen Bandkarriere oder mit David Papo house“ traf BACKSPIN-Autor Dyfed Loesche zwei eigentlich zu lange gedauert, bis sie endlich da ist: von Main Concept zum 25-jährigen Jubiläum der der ehemaligen Resident-DJs und den damaligen Ausgabe #118. Crew. Und während Blumentopf in dem bisher Betreiber des Klubs. Zudem sprach er mit einem einzigen offiziellen Interview sogar die Frage nach der damaligen Türsteher. So entstand das Bild Gründe für die Verspätung gibt es viele zu nennen, der Herkunft des Bandnamens beantworten, geht eines Klubs auf St. Pauli, der Mitte der 1990er-Jah- denn die Planung an der jetzt vorliegenden Aus- es mit David Papo auf eine Reise durch 25 Jahre re Samstag für Samstag der place to be war. gabe zog sich scheinbar unendlich in die Länge. richtige und falsche Abbiegungen auf dem Weg Waren es erst thematische Ideen, die den Pro- der Formation. Eine gänzlich andere, aber nicht minder interes- duktionsablauf behinderten, weil wir diese nicht sante Geschichte in diesem Heft ist das Interview umsetzen konnten, schob sich über die Zeit das Die Geschichte der Ausgabe gehört aber einer mit dem Tausendsassa Malkovich. Im Interview Hauptproblem immer mehr in den Vordergrund: Crew, die bereits 2009 in der nicht mehr veröffent- mit BACKSPIN-Autor Sascha Weigelt spricht der in die schlichte Machbarkeit eines Printmagazins in lichten Ausgabe der ersten BACKSPIN-Generation den USA lebende Perser über seine ungeahnten, der heutigen Zeit. Denn ihr dürft nicht vergessen, stattfinden sollte: der 187 Strassenbande. Dass die aber gleichermaßen einflussreichen Aktivitäten an wir sind indie. Hierzu werde ich mich aber auf der Crew um Bonez MC nicht gerne mit der Presse re- verschiedenen Fronten der Hip-Hop-Welt. letzten Seite noch einmal genauer äußern. Jetzt det, ist hinlänglich bekannt. Dass sie es trotzdem freue ich mich persönlich einfach darüber, dass ab und zu tut, ist eine Freude für die Fans. Wenn Ich hoffe, ihr genießt diese Ausgabe genauso wie wir es geschafft haben, eine so runde Ausgabe auf aber Bonez auf eine Spritztour einlädt und man wir und freut euch über die 100 Seiten Stoff, ge- die Beine zu stellen. Und nach nun 118 Ausgaben mal ein paar Stunden in Ruhe über die Geschich- druckt auf Papier. Und die Frage, die immer nach der BACKSPIN darf man ruhig auch mal ein wenig te und Entwicklung der Crew sprechen kann, wird einer Ausgabe kommt, wann denn die nächste nostalgisch werden. schnell klar, warum die 187 Strassenbande im Mo- komme, beantworte ich auf der letzten Seite. Bis ment das Ding ist, auf das sich alle einigen können, dahin, viel Spaß beim Lesen! Darum haben wir einfach mal nachgefragt bei den wenn sie von „Realness“ und echtem Hip-Hop Machern der ersten Stunde, Bodo Falk und Frank reden. Denn den verkörpern die Jungs ohne Zwei- #allesbackspin B Petering, wie es war, als die Geschichte der BACK- fel mit allen Facetten. Auch ein Grund, das Cover SPIN angefangen hat. Entstanden ist ein Gespräch dieser Ausgabe mit einem 187-Tag zu schmücken. Niko Hüls, Chefredakteur zwischen Nostalgie und Abnabelung.

Frühling / Sommer 2018 #118 BACKSPIN 3 HERAUSGEBER: Niko Hüls / BACKSPIN Media CHEFREDAKTEUR: Niko Hüls ART-DIREKTION: Goran Tesanovic

LAYOUT: Stephan „Gizmo“ Haramina REDAKTION: Luisa Blotzki, Sarah Eblen, Martin Fischer, Zino Gleich, Stephan „Gizmo“ Haramina, Tim Kinkel (Textchef),

Dennis Kraus (Chef vom Dienst), Aron Mohrhoff, Dan Rosca, Mark Todt

AUTOREN DIESER AUSGABE: Oliver Bartelds, Fume, Dyfed Loesche, Christian Luda, Sascha Weigelt FOTOS:

100 Blackdolphins, Eric Anders, Luisa Blotzki, Brecheis, Crank, Cornelius Groenewold, Andreas Hosch, Cover: Frost 187 Florian Lenz, Malkovich, Paco Sanchez (Illustration), Snow 21, Florian Stielow GRAFFITI-SEITEN: Tobias Maier-Beck GRAFFITI-KONTAKTE: Tim Carstens & Tim Karger E-Mail: [email protected] REDAKTION TECHNICS: Dan Rosca E-Mail: [email protected] ANZEIGENLEITUNG: Benjamin Jäger Fon: +49 (0)40 45 00 02 94 E-Mail: [email protected] VERTRIEB PRESSEGROSSHANDEL: DPV Network GmbH, Düsternstraße 1 – 3, D-20355 Hamburg SERVICE FÜR ABONNENTEN: Fax: +49 (0) 40 450 59 78 E-Mail: [email protected] VERLAGSANSCHRIFT: BACKSPIN Media Schwenckestraße 81 D-20255 Hamburg Germany E-Mail: [email protected] KONTAKT: BACKSPIN TV / BACKSPIN ONLINE: Niko Hüls E-Mail: [email protected]

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68 74 82 BACKSPIN#118

06 ························· History: BACKSPIN Cover#1 52 ························· Graffiti: Special - Frost 187 84 ················· Producer Spotlight: Figub Brazlevic 08 ······························· Ohne Worte: DJ Babu 56 ························· Tales From A Dirty Old Man 88 ······ Kommentar: Ein Thema, das keines sein sollte 10 ·· Wie war das noch mal? Bodo Falk & Frank Petering 58 ·········································· Art: Crank 90 ·············· Music: Hamburgs raues Haus des Hip-Hop 16 ····································· Hut Ab: Bonez MC 64 ········································ Art: Snow21 94 ·················· Back in the Days: Wreckx-n-Effect 24 ································· 50 Fragen an: Ali A$ 68 ····························· Music: Main Concept 96 ········································ Verlosungen 28 ························ History:118 BACKSPIN-Cover 74 ································· Music: Blumentopf 98 ························· Letzte Seite – Over and out 44 ································ Graffiti: Mega Romeo 78 ································· Music: Malkovich 46 ······································ Graffiti: Trains 81 ··································· Technics: Review 50 ······································ Graffiti: Walls 82 ·············· Technics: Sleepy´s World of Music

BACKSPIN Fotos: Frank Petering HANDARBEIT MIT LIEBE ZUM DETAIL.

6 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 7 aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa OHNE WORTE

Foto: Eric Anders DJ Babu, in welcher Stadt fühlst du dich am wohlsten?

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Bodo: Die Idee kam, weil ich ja schon bei der Städte fahren und gewisse Läden oder Jams „Make It Better“ war (ein Schweizer Hip-Hop- ansteuern. Magazin, Anm. d. Red.). Als ich dann meinen Zi- vildienst in Hamburg antrat, konnte ich jedoch Das Internet gab es damals so noch nicht. Wie nicht mehr so oft in der Schweiz sein. So kam ist die BACKSPIN überhaupt in der Szene be- der Gedanke, ein eigenes Magazin machen zu kannt geworden? wollen. Dann haben wir uns, ich glaube Silve- Frank: Wenn etwas neu war, verbreitete sich ster 1993 oder 1992, getroffen. das wie ein Lauffeuer. Es dauerte nicht lange, Frank: Wir dachten damals kurz darüber nach, da haben wir aus aller Welt Post bekommen. die „Make It Better“ zu übernehmen, entschie- Wir haben das Heft ja auch irgendwann überall den uns aber doch, etwas Eigenes zu machen. vertrieben. Wenn ich in Philadelphia oder New Bodo hatte die Erfahrung, bei einem Magazin York in einen Laden gegangen bin, stand da die gearbeitet zu haben, er hatte die Kontakte, war BACKSPIN. Ausgabe 1 zwar noch nicht, aber viel rumgereist und wusste, wo es verkauft wer- danach ging das alles sehr schnell. Insgesamt den könnte. Damals bedeutete das: Magazine sind wir da aber relativ blauäugig rangegangen. in den Rucksack, ab in die Bahn und durch die Bodo konnte eben den Part sehr gut abdecken

10 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 und ich war seit Mitte der 1980er-Jahre in der Frank: Wir haben uns keine Gedanken gemacht Mit Heft #10 sind wir schon im Jahr 1998 … Graffiti-Szene und hatte Lust, mit dem Computer über eine Coverstory und nahmen einfach eine Bodo: Da hatten wir auch schon Angestellte. zu gestalten. Ich komme noch aus der Amiga-Zeit Spraydose. Eine Geschichte dazu im Heft gab es Frank: Die erste Angestellte war Solly. Die hat da- und hatte noch nicht mal einen Rechner oder ein nicht. Das haben wir erst ab Ausgabe 3 bei Ma- mals noch in meiner Wohnung im Arbeitszimmer Programm dafür. rius gemacht. Wir wollten da die vier Elemente mitgesessen und Anzeigenakquise gemacht. Au- Bodo: Die Mutter von Zora (eine Schweizer Wri- abdecken in den ersten Ausgaben, weil wir uns ßerdem hatten wir noch freie Leute, die für uns terin und Rapperin, Anm. d. Red.) hatte damals nicht als Graffitimagazin, sondern als Hip-Hop- geschrieben haben. Viel haben wir natürlich auch eine Werbeagentur. Ich glaube nicht, dass von Magazin gesehen haben und die vier Elemente selbst gemacht. Da hatte ich schon eine eigene uns damals irgendjemand wusste, wie das geht. irgendwie rotieren lassen wollten. Wohnung, gestartet waren wir damals in der Frank: Ich habe gesagt: Okay, Grafik übernehme Bodo: Komischerweise kamen die Rapper erst Wohnung meiner Mutter. Bodo wohnte da noch ich und habe mir dann erst einmal CorelDraw 3 zum Schluss. bei Pit (späterer Gründer von Cleptomanicx, gekauft … (beide lachen). Bei Media Markt für 99 Anm. d. Red.) … Mark. Einen PC hatten wir nicht. Der sollte erst Wann habt ihr eigentlich gemerkt, dass da Busi- Bodo: … und unser Lager hatten wir irgendwie noch kommen, wenn das Geld dafür da wäre … ness-mäßig was drin sein könnte? über Jozo (Betreiber von Da Source, Anm. d. (lacht). Aber wir hatten schon eine Besprechung Bodo: Für mich war immer klar, dass das profes- Red.) bekommen. bei einer Druckerei und einer Druck-Agentur. Wir sionell laufen könnte. Frank: Und irgendwann hieß es dann: Wir mieten haben dann ziemlich schnell die erste Ausgabe Frank: Wir haben relativ schnell gemerkt, dass uns ein Büro. Das hatte so 70 Quadratmeter. gemacht, merkten aber auch, dass CorelDraw der Bedarf da ist. Wir hatten es schnell abver- das gar nicht kann. Wir sind da also komplette kauft. Einen Businessplan hatten wir allerdings Mit einem Büro und einer Angestellten wuchs Autodidakten. Für das Seitenlayout habe ich mir nicht. Aber das Feedback war derbe. Und dann auch die Verantwortung. Dazu die steigende alles angelesen. So kam ich auf das Programm merkten wir, dass es auch Leute gibt, die in dem Auflage. Wie fühlte sich das für euch an? Pitchmaker. Die erste Ausgabe haben wir dann Heft Anzeigen schalten würden. Frank: Die Verantwortung wurde um einiges hö- wirklich bei mir im Kinderzimmer zusammenge- her, ja. Mit unserem Büro wurde alles mit groß- schrubbt. Ab Mitte der 1990er-Jahre gab es in Deutsch- en Schritten schneller. Dazu bekamen wir immer land immer mehr Rap-Konzerte auch mit deut- mehr Werbung. Es gab sogar mal den Moment, Könnt ihr euch erinnern, wie ihr die Autoren für schen Acts. War die BACKSPIN eigentlich ein in dem wir sagten: keine weiteren Anzeigen die erste Ausgabe aufgetan habt? deutsches Thema? mehr, wir sind dicht! Unvorstellbar eigentlich. Bodo: Wir wussten jedenfalls nicht, wie wir das Bodo: Ich konnte mit Deutschrap eigentlich im- Bodo: Da war Printwerbung das Ding. Was an- bezahlen sollen. mer wenig anfangen. Klar ist man rumgezogen deres gab es nicht. Zielgruppentechnisch waren Frank: Wir hatten 35 Disketten abzugeben. mit Torch, den Heidelbergern oder Main Con- wir da natürlich genau richtig. Und irgendwann Bodo: Irgendwann haben wir dann eine Drucke- cept. Aber Deutschrap war für mich so ein Jam- kam dann die große Blase. rei gefunden, die uns die 3.000 Hefte der ersten Ding, gehört haben wir alle Ami- oder UK-Rap. Ausgabe gedruckt hat. Und die meinten: „Ja, Frank: Ich habe dann mit der Zeit auch angefan- Erinnert ihr euch an ein paar Zahlen von da- wenn ihr das Geld irgendwann habt, dann be- gen, deutsche Sachen zu hören, aber am Anfang mals? zahlt das.“ waren wir international. Bodo: Das meistverkaufte Heft ist die Ausgabe Frank: Das hatten wir dann schneller, als alle er- mit DMX auf dem Cover. Die höchste gedruckte wartet hätten. Da standen wir dann irgendwann Von heute aus gesehen: War die BACKSPIN Auflage lag bei 70.000 Exemplaren. mit Bargeld, so knapp 10.000 Mark, und haben eher noch Fanzine oder schon ein Magazin? Frank: Das Heft mit dem größten Umsatz durch die bezahlt. Frank: Sie war ein Magazin. Für ein Fanzine wa- Werbung war das mit Biz Markie auf dem Cover. ren wir schon einen Schritt weiter als die da- Da haben wir 148 Seiten drucken können. Ihr sagtet eben, dass das Heft auch in den USA maligen Fanzines. Heute wäre es natürlich ein zu haben war. Es war als schon sehr früh ziem- Fanzine. Aber damals haben wir vielleicht einen Bodo hat eben von der Blase gesprochen, die lich international? neuen Standard gesetzt. Mit unseren Farbseiten sich Ende der 1990er, Anfang der 2000er-Jahre Frank: Ja, alleine schon durch die Graffiti-Bilder. und den Layouts, die für damalige Verhältnisse, aufblähte. Mal abgesehen davon: Habt ihr auch Bodo: Wir waren fast das erste Magazin, das denke ich, ganz gut waren, haben wir die Latte selbst Fehler gemacht? mehrere Farbseiten hatte. schon ein wenig nach oben gelegt. Frank: Ja, wir haben zum Beispiel viel zu einfach Frank: Die farbigen Seiten kamen auch gar nicht Leute eingestellt, Leute aus der Szene. Hatten die von hier, die haben wir in Malaysia machen las- Wie stieg die Auflage? keinen Job, meinten wir zu denen, dass die mal zu sen. Überhaupt, ein eigener Scanner und so – Frank: Anfangs haben wir alles im Eigenvertrieb uns kommen sollten. Was die dann eigentlich für das war alles noch Zukunftsmusik! Anfangs hatte gemacht. Da waren es so drei, vier, fünf bis sie- uns tun konnten, schauten wir erst danach. Wir ich einen PC, das wurde relativ schnell auf Mac ben, bis zu acht und neun (Tausend, Anm. d. haben ja auch mal versucht, ein Label zu machen. umgestellt, mit 15-Zoll-Monitor. Wir hatten eine Red). Um die zehnte Ausgabe sind wir dann in Das war dann alles ganz schön viel, ohne dass wir Festplatte mit 250 MB und einen Arbeitsspeicher den Pressevertrieb gegangen, zum Grosso und das alles überblickt haben. Wir waren beide jung, von 16 MB. Damals war ich aber echt der König. dann in den Bahnhofs- und Flughafenvertrieb. kamen aus normalen Verhältnissen. Und plötzlich Die Remissionsquote (nicht verkaufte Hefte, floss da Geld und wir haben halt immer gesagt: Warum war eigentlich eine Spraydose auf dem Anm. d. Red.) war traumhaft, sodass die vom „Yo, hey, wir machen alles Mögliche.“ Wir waren Cover von Ausgabe 1? Vertrieb gesagt haben: „Das kennen wir so nicht.“ einfach unvernünftig in vielen Sachen.

Frühling / Sommer 2018 #118 BACKSPIN 11 Bodo: Wir haben nicht gesehen, dass die Blase Das Label hattet ihr eben auch schon erwähnt … war mit der erste Schritt, wo es mir egaler wur- auch irgendwann mal wieder platzt. Als das dann Frank: Wir haben eine Platte gemacht. Auch das de. Das war nicht mehr das Gleiche wie acht Anfang der 2000er-Jahre passierte, haben wir war nicht zu Ende gedacht. Aber Zweifel hatten Jahre zuvor. einfach weitergemacht. Wir dachten, das würde wir damals keine … Frank: Es war irgendwann so, dass das BACK- nur ein kleines Loch werden. Aber im Grunde ha- Bodo: Wir dachten, die verkauft sich bestimmt SPIN-Cover nicht mehr unseren eigenen Ge- ben wir auch zu vieles auf einmal gemacht. Wir wieder von selbst. Und es war ja auch okay, wir schmack widergespiegelt hat. Es wurde immer wollten, dass es uns allen gut geht, wir hatten haben ein paar verkauft. Außerdem haben wir mehr Business – arbeiten, Stress haben. Es ist dann ein viel zu großes Büro angemietet, es gab damals einige Breakdance-Video-Geschichten zwar noch das Baby gewesen, aber die Liebe zu viele laufende Kosten. gemacht, die VHS-Kassetten wurden uns förmlich ging ein bisschen verloren. Frank: Ein erster Genickbruch war, dass keiner aus den Händen gerissen … Bodo: Ich war irgendwann mehr im Laden als mehr die Zeitung kaufen wollte. Durch das Inter- Frank: … die Videos und später die DVDs haben im Magazin. Ich bin auch viel mehr rumgereist, net brachen wir ein. Wir wussten nicht einmal, wir weltweit verkauft, bis nach Japan. Battle of the Year und so. Für mich war die Mu- dass Internet kommen wird geschweige denn, sik einfach so Blablabla, jeder hat das Gleiche dass ein Printmagazin davon in Gefahr gebracht Und ihr habt das Buch „From Swipe to Storm“ gesagt. werden kann. herausgebracht, das noch heute nachgefragt wird. Außerdem kam es zu einer Kooperation Da brach dann endgültig die Zeit an, in der der Ihr habt auch eigene Läden in Kiel und Lübeck mit dem Battle of the Year. Was hatte es damit Name BACKSPIN alleine nicht mehr so stark ge- eröffnet. Was habt ihr außerdem gemacht? auf sich? zogen hat. Der Rapper auf dem Cover war wich- Frank: Ein zweites Magazin, die Backjumps. Frank: Ich bin beim ersten Battle of the Year da- tiger geworden … Das lief mehrere Jahre über uns, also die neue bei gewesen, Thomas Hergenröther kenne ich Bodo: Da haben wir auch einige Ideale über Bord Backjumps, als Adrian das Heft neu aufgezogen seit 1990. Die Kooperation begann Anfang der geworfen. Wir haben in den ersten Jahren Wer- hatte. Das waren super Ausgaben, aber wir ha- 2000er. Die haben damals einen Medienpartner bung für Alkohol und Tabak abgelehnt. Und dann ben kein Geld damit verdient. Wahrscheinlich gesucht. Außerdem haben wir auf den Veranstal- haben wir uns auch diesen Inserenten öffnen waren wir mit dem Heft zu früh. Vier Ausgaben tungen Stände gemacht. wollen. gab es davon mit uns. Inzwischen hattet ihr auch Konkurrenz bekom- Warum hat es nie eine Heftbeilage-CD gegeben? Wann war das? men. Die Juice war an den Start gegangen. Und Frank: Das konnten wir finanziell nicht wuppen. Frank: Das war so um 2000. Backjumps war sei- auch die Wicked war da. Hat euch das in euren ner Zeit voraus, inhaltlich gesehen. Vorher war Überlegungen beeinflusst? Die hätte euch vielleicht noch mal einen Schritt Backjumps ein reines Graffitimagazin. Aber Adri- Frank: Klar, Cover-mäßig. Wir haben anfangs nicht nach vorne bringen können. Noch heute kom- an, der Chefredakteur, wollte Street-Art auf die daran gedacht, dass ein Rapper draufkommt, der men Leute zu mir und sagen: „Yo, BACKSPIN, Kunstebene heben. Der war wirklich top und in auch ein rausbringt. Wir hatten anfangs bestes Magazin, ihr wart viel näher an Hip-Hop, seinen Gedanken und Schritten den anderen hier Sprühdosen und DJs auf dem Cover und Lord Fines- aber die Juice hatte die CD“ … voraus. In New York und Paris hätte das vielleicht se im Unterhemd. Und dann kam die Überlegung: Frank: Das ist ein gutes Verkaufsargument. Ich geklappt. Aber wir hatten das damals nicht zu „Was zieht die Leute? Was ist das heiße Thema?“ glaube aber, dass die Juice auch einfach besse- Ende gedacht. Bodo: Da ging bei mir die Liebe verloren. Das re Verkaufsmöglichkeiten hatte als wir. Wir hät-

12 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 backspin_april_final.indd 2 04.03.2016 10:40:39 ten da jemanden gebraucht, der das für uns ad- Und der sagte uns dann, dass wir raus wären. diese vier Leute, Thomas vom Battle of the Year ministriert, mit der GEMA, den Künstlern – die Wahrscheinlich hatten die auch einfach kein Geld nicht zu vergessen – das sind so Sachen, die ganze Abwicklung eben. Das hätten wir nicht mehr. Kurz darauf verloren wir auch unseren hängen bleiben. Wir haben jetzt auch fünf, sechs geschafft. zweitgrößten Kunden. Das waren zwei wirklich Jahre dafür gearbeitet, dass wir den Mist, den wir tiefe Einschnitte. verzapft haben, wieder hinkriegen. War die nicht vorhandene Heft-CD für euch im Frank: Ich bin dann auch wieder in die Anzei- Nachhinein einer der Sargnägel? genakquise mit eingestiegen und merkte, dass Wie intensiv habt ihr verfolgt, wie wir das wei- Bodo: Das weiß ich nicht. Wir haben einfach den die Leute kein Geld mehr haben. Oft hieß es: „Bei tergemacht haben? Wir haben die Auflage ja Trend nicht erkannt. Als wir damals ins Strau- der nächsten Ausgabe wieder.“ Davon kannst du stark reduzieren müssen, denn die Leute sind cheln geraten waren, zogen wir gerade in ein aber nicht leben. Da mussten wir einen Schluss- immer weniger bereit, Geld für ein Hip-Hop-Ma- größeres Büro. Wären wir einfach in dem alten strich ziehen. Wir konnten nicht einmal mehr die gazin auszugeben. Das ist auch der Grund, wa- geblieben, wäre vielleicht gar nichts passiert. Druckkosten decken. rum wir nach dieser Ausgabe #118 erst einmal Aber wie gesagt, wir hatten das 2001 schon ein- auf Pause drücken werden. Aber wie habt ihr mal, wo Leute sagten: „Ihr müsst den und den Bodo hatte eben schon erzählt, wie ihm die Lei- das so betrachtet, wie das weitergegangen ist? entlassen.“ Das taten wir und danach ging es uns denschaft abhanden gekommen war. Trotzdem: Bodo: Ich muss ehrlich sagen, ich habe kein Ma- ja wieder relativ gut. Wie schwer fiel euch diese Entscheidung, den gazin mehr gelesen. Vielleicht habe ich mal eins Schlussstrich zu ziehen? angeblättert. Das war das gleiche Feeling, wie Zum Heft #50 gab es einen Logowechsel. Wa- Bodo: Mich hat das Geld bedrückt, das mir da im das, was ich ein, zwei Jahre zuvor hatte: Es hat rum? Nacken saß. Das Heft war mir da nicht egal, aber mich einfach nicht mehr interessiert. Ich fand, Frank: Wir haben allgemein gedacht, wir sollten es ging da mehr um: „Was machen wir, wie geht dass es super aussah, geiles Layout und so. Ich mal was ändern. Wir haben das Format geändert es weiter, wie kommen wir da raus?“ Auch mit habe es immer wieder versucht, musste aber und das Papier. Wir wollten ein moderneres Logo den Leuten, die wir hatten. Wir waren zehn Jah- nach ein, zwei Zeilen abbrechen. Das Einzige, haben, was offener ist. Dafür haben wir uns Pun- re mit Leuten in einem Verhältnis, das verdammt was mich noch interessiert, ist Breakdance. So ker ins Boot geholt. Der hat den gesamten Heft- eng war. Ich fand es schrecklich, den Leuten ein- ein Jugendhaus flasht mich auch immer noch, Relaunch mitgemacht, in unseren Räumen, das zugestehen, dass das nicht weitergeht. Wir ha- wenn sich Leute für nichts auf dem Boden he- hat total Spaß gemacht. Mit uns zusammen hat ben dann noch einen harten Kern mitgenommen, rumwälzen, Graffiti sprühen oder auch auf eine er dann das Logo entwickelt und es ist so gewor- aber jedes Quartal musste wieder einer gehen. Rap-Bühne gehen. den, wie wir das wollten. Das war ein beschissenes Gefühl. Das mit dem Frank: Also ich kann auch nicht sagen, dass ich Bodo: Ich bin 2001 Vater geworden, da kamen Heft war da erst einmal unwichtig. noch groß gelesen habe. Das Heft schaue ich mir ganz andere Sachen auf mich zu. Im Büro saßen Frank: Das hat schon wehgetan, aber schlimmer manchmal im Blättermodus an. Auch die Interne- die Jungs teilweise 14, 15 Stunden zusammen. waren die Probleme, die danach kamen. Dass du tseite und BACKSPIN TV schaue ich. Sicherlich Für mich war das irgendwann nicht mehr lustig. den Leuten gegenüber eine Verantwortung hast, keine 1.000 Sendungen, aber ich klicke mich da Irgendwann ist es halt Arbeit. Da ist die Leiden- der du nicht gerecht werden kannst. Irgendwann so ein bisschen durch. Und ich muss dir sagen: schaft mehr und mehr abhanden gekommen. war es aber auch okay. Ich kann jetzt, nach vie- „Hut ab!“ Ich weiß, dass ihr damit nicht reich Frank: Ja, wir waren einfach eine normale Firma. len Jahren, sagen, dass das alles irgendwo okay werdet, aber was ihr da stemmt … Ich weiß auch, Aber wir haben nie so viel darauf gegeben, dass ist. Ich weine dem nicht hinterher. Ich bin stolz dass ihr da gute Jungs habt, die sich da was bei wir da „nur“ die Chefs waren und einfach nur da- darauf, was wir gemacht haben. Wir hatten eine denken, dass Gizmo und Goran da teilweise noch rauf schauen, was so gemacht wird. Wir hätten derbe Rock’n’Roll-Zeit, das war was Besonderes. am Drücker sind. das wahrscheinlich so machen können, dass wir Ihr führt das ja auch sehr gut weiter, das freut uns nur noch die wichtigsten Sachen lenken. Aber auch sehr, dass der Name erhalten bleibt. Ich bin Ihr habt euren Frieden gefunden? das taten wir nicht. aber nicht traurig, dass ich es nicht mehr mache. Frank: Ja, mit dem Magazin auf jeden Fall. Die Al- Für mich wäre es nichts mehr, ein Magazin zu ternative war, dass BACKSPIN stirbt. Ihr kamt auf Eine BACKSPIN-Website hat es auch schon machen. Das hat seine Zeit gehabt, mit Höhen die Idee, es weiterzumachen und das war für uns recht früh gegeben … und Tiefen und das ist okay. super. Es ist schön zu sehen, was daraus wird. Frank: Das war noch in den Kinderschuhen. Für Es hat einmal angefangen mit: „Lass ein Maga- die Zeit war die aber wahrscheinlich ganz gut. BACKSPIN war 15 Jahre ein fester Bestandteil zin machen, ich kaufe einen Computer.“ Heute ist eures Lebens. 1994 bis 2009 … das daraus geworden, das ist super.B Um mal einen größeren Schritt in der Zeit nach Bodo: BACKSPIN hat für mich immer mehr be- vorne zu gehen: Ende der 2000er-Jahre musstet deutet als das Magazin. Für mich ist es Frank. ihr die Notbremse ziehen. Was war da los? Wir beide. Viele kamen und gingen, aber wir Bodo: Daran kann ich mich sehr gut erinnern, da sind immer noch da. Seit 1994 sind wir am Start. haben wir quasi unser Büro aufgegeben. Wir sind sehr oft nicht gleicher Meinung, raufen Das war dieses riesige Büro in der Hafencity … uns aber immer zusammen. Das ist für mich viel Bodo: Ja, das war ziemlich groß und schön. wichtiger, als ob da ein Magazin gedruckt wird. Jedenfalls hatte ich damals unseren größten Jörn, Gizmo, Brian und Dennis … Das waren gei- Anzeigenkunden in Köln besucht, der war im- le Zeiten. Die Menschen, die dahinter standen. mer mit vier bis fünf Seiten pro Ausgabe dabei. Da kann ich noch zig andere aufzählen. Aber

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16 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 die 187 Strassenbande ist über die Jahre immer be- kannter geworden, ohne dass ihr euch irgendwo angebiedert habt. Wie ging es eigentlich los? Interview: Niko Hüls & Zino Gleich| Fotos: Privat HUT AB, Illustration: Paco Sanchez Bonez MC, Die allererste Sekunde war Ende 2005 bei Pierre nichts mehr mit Menschen zu teilen, mit denen Wir sind mit Hose in den Socken und Pitbull an der im Keller. Wir hatten uns über Demos kennenge- man eh nichts mehr zu tun hat. Momentan haben Leine durch Altona stolziert und dachten, wir sind lernt, als wir zusammen Sachen auf die Polizei wir jede Woche 7.000 Leute, die dazukommen. die Kings. Wir hatten nie Ziele in diesem ganzen geworfen haben. Und dann hat er mir irgend- Je mehr du rauslöscht, desto mehr Leute den- Scheiß, haben das aber einfach gefühlt, uns einen wann gezeigt, was er für Rap-Sachen aufge- ken, dein letztes Video ist dein erstes Video. So reingesoffen und auf Suff gesprüht. Das ist bis nommen hat. Ich fand das super scheiße. Zu der halten wir uns jung. heute so. Zeit war er noch nicht mal Produzent, sondern hat so ziemlich alles gemacht. Dann habe ich Dann sind das immer Fans der ersten Stunde – Wer war damals dabei? mich selbst auch mal ans Mic gestellt und was egal, wann sie eingestiegen sind … Ich, Soak, Frost, Gzuz, Track und ein Haufen von eingerappt. Ende 2005/Anfang 2006 habe ich die Ja, zum Teil. Das ist für mich aber auch so eine Art Leuten, die immer dabei waren, nicht rappen, ersten Dinger aufgenommen und mich selbst Privatsphäre. Zum Thema Fan der ersten Stunde: aber trotzdem den Film mitgefahren sind. viel cooler gefühlt als alle anderen, die auf dem Ich habe zwei Videos von Bushido-Interviews auf Track waren. Da haben wir dann unsere erste EP meinem Handy. Eins aus 2014, wo er sagt: „Da Darum geht es bei der 187 Strassenbande? Um gemacht. Die haben wir selbst gebrannt, Cover gibt es so einen Neuen aus Hamburg – Bonez. Den ein Lebensgefühl? gemacht und die Aufkleber auf die CD geklebt. feiere ich.“ Und eins von 2015, wo er meint: „187 Einfach drauf los. Ich muss nächstes Jahr nicht Anfang 2007 haben wir dazu dieses schwarz-wei- feiere ich schon seit Tag eins.“ Ich glaube nicht, auf die Eins gehen oder meine Goldene Schall- ße „Toprott“-Video hochgeladen. Berlin hat die dass er die Sachen von 2007 oder 2006 kennt. platte einfahren. Seit ich weiß, dass man die ganze Zeit auf Hamburg rumgehackt und Ham- selbst bezahlen muss, gehen die mir sogar noch burg hatte nur Samy Deluxe und die Beginner. Lass uns zum Anfang kommen. Das war so dein mehr am Arsch vorbei. Mir geht es um Verkaufs- Da haben wir gedacht: Jetzt müssen wir Ham- Start als Rapper, aber die 187 Strassenbande zahlen und darum, dass meine Tochter alles hat, burg von der Straßenseite repräsentieren, weil wurde von Frost und dir gegründet … was sie braucht. Goldene oder Aggro-TV-Schall- sonst Restdeutschland denkt, harter Rap würde Genau. Noch bevor wir gesprüht haben, waren platten interessieren mich nicht. nur aus Berlin kommen. Das war das erste Stra- wir so mitteilungsbedürftig, dass wir Fotos von ßenrap-Video aus Hamburg. Schwarz-weiß mit uns gemacht, die Dinger im Kopierladen auf A3 Diese Haltung scheinen viele zu fühlen … total verstellter Stimme. Das feiere ich heute null. gedruckt und einfach in die Schanze gehängt ha- Bei uns gab es noch nie einen Absturz der Ver- Darum habe ich auch bewusst viele Sachen von ben. Dann kam Graffiti. Da habe ich dann auch kaufszahlen. Es geht ja immer weiter hoch. Letztes YouTube genommen. gemerkt: Das ist nicht meins. Frost hat sich immer Jahr sind alle Alben, die wir rausgebracht haben, weiterentwickelt und ich habe mich Rap gewid- in den Top 5 eingestiegen und auf einmal wird dir Die Prämisse habt ihr ja auch bei euren Inter- met. Gzuz war da auch schon dabei. Er hat nur Einiges an Arbeit abgenommen. Jetzt macht Uni- views. Es liegt dir immer sehr am Herzen, dass noch nicht gerappt und ist im Graffiti sogar noch versal den Vertrieb, wir haben Vorschüsse und das, was in der Vergangenheit liegt, nicht noch schlechter als ich gewesen. Er hat erst 2008/2009 Leute, die Videos für uns drehen. Früher habe ich mal breitgetreten wird … angefangen. das mit Track zusammen gemacht. Der hat sich Auf ChrymeTV habe ich knapp 200 Videos. Viele irgendwann dem Tätowieren gewidmet. Es geht sind auf privat, aber es sind ja auch Rapper, die Warum wurde 187 gegründet? also für alle 187ers nach oben. mit in den Videos waren, gegangen. Das würde Wir waren einfach ein Haufen Planloser. Wir ha- die Leute verunsichern. Was soll ich Leute, die ben uns auf unserem täglichen Lidl-Whisky für Das nächste Kapitel, wo ich dann auf euch nicht mehr bei 187 sind, rausbringen?! Bevor was ganz Krasses gehalten. Wir haben uns schon aufmerksam geworden bin, war „Zwei Assis man sich so gecastet vorkommt, ist es besser, für Stars gehalten, als wir noch gar keine waren. trumpfen auf“ mit AchtVier …

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 17 AchtVier war gerade nach Hamburg gezogen. Ich Er ist über die erste Scheibe auf uns aufmerksam gesungene Sachen gehabt. Da würde noch viel habe ihn bei uns im Bunker in der Sternschanze geworden. Da war „Zwei Assis trumpfen auf“ mehr gehen. kennengelernt und gesagt, dass ich ihn für seine schon in der Mache. Da ist er an mich herange- Graffitis respektiere und er hat gesagt, dass er treten. Jentown Crhyme hat auch 2007 mit die- In der Situation lag in dir auch sehr viel Hoff- auch angefangen hat zu rappen. Ich war sowieso sem Straßending angefangen. nung für das gesamte Projekt, oder? immer auf der Suche nach Leuten, die mitmachen Lucky ging es finanziell besser denn je. Der hat wollen, und er war voll motiviert. Damals war na- Wie war denn die Zeit für dich? Da war ja eine nur Sachen gesucht, in die er Geld reinstecken türlich auch der Einschüchterungsfilm ganz groß. Menge Bewegung drin … und später eventuell was rausholen kann. Vor mir Da waren wir auch mit die ersten, die das ver- Lucky war schon so eine Boss-Figur. Auf jeden gab es ja auch ein paar Künstler, bei denen es standen haben. Je mehr Leute böse gucken und Fall eine krasse Respektsperson. Er konnte mich nicht so geklappt hat. Ich war so das Letzte, das authentisch wirken, desto mehr Respekt kriegst auch mit anderen Sachen krass supporten, wo- er versuchen wollte. Bei „Mehr geht nicht“ hat du. In dem „Unlimited“-Video waren ungefähr mit ich nebenbei mein Geld gemacht hatte. Wir er noch mal richtig reingebuttert. Das „Sinn des 100 Jahre Knast. Einer hat sich einen Tag danach hatten immer 100 Gramm Studio-Ott rumliegen. Lebens“-Video hat ihn 8.000 Euro gekostet. Da umgebracht. Er hat noch „Bis es nicht mehr wit- Das war eine ganz andere Sache als vorher. Rap habe ich mich das erste Mal wie ein Rapper ge- zig ist“ in die Kamera gesagt. Bei ihm war es auf kam noch einfacher rausgeblubbert, weil das fühlt. Ich hatte ein Label hinter mir, war aber im- jeden Fall nicht mehr witzig. Das hat dem ganzen nicht mein Brot war. Ich hatte mein Brot und habe mer noch 187. Irgendjemanden liegen zu lassen Video einen komischen Beigeschmack gegeben. darüber gerappt, wie ich es verdiene. für meinen eigenen Film, war nie eine Option. Für Ich wusste auch bis zum Ende nicht, ob ich das mich ist dieses Gang-Ding das einzig Wahre. Das löschen kann. Jetzt ist es auf privat. Diesen Hunger der alten Tage hast du dir be- war damals auch nicht anders. wahrt. Wie machst du das? Du bist immer sehr kritisch, was dich selbst an- Dieses Angekommen-Gefühl habe ich jedenfalls Ihr wirktet jung und wild, aber mit einer Vorstel- geht, kann das sein? noch nicht. Ich habe jetzt das Gefühl, dass sich lung von dem, was ihr da macht … Wenn du auf Facebook guckst, lade ich eigent- die ganze Scheiße auszahlt. Ausgeschöpft ist das Ein Ziel hatten wir nicht. Ich hatte und habe einen lich fast nie Fotos von mir selbst hoch. Ich weiß, aber noch lange nicht. Ich fühle mich die ganze Plan davon, wie man uns den Leuten nahebrin- wie ich die Jungs in Szene setze, aber finde mich Zeit wie ein 500er-Motor, der nur 40 fährt. gen kann. Ich wusste schon immer, wie der Look selbst jetzt nicht so geil anzusehen. Ich bin der sein soll und wie es authentisch ist. Die Leute von Herzschrittmacher von der ganzen Scheiße. Ich Die Schnellstraße mit einem großen Hit wäre der Straße haben das gefeiert. Das war so Stille- mache die Videos, ich mache die Fotos und ich für euch nicht das Richtige gewesen, oder? Post-mäßig. pflege die Seite. Ich setze viel lieber Gzuz in Sze- Ich bin kein Fan von Hypes. Seit wir rappen, sind ne. Er ist das Herz und ich bin der Herzschritt- so viele Rapper gekommen, die mittlerweile auf Dann kam es zum Bruch mit Jentown Chryme … macher. dem absteigenden Ast sind, weil das Poten- Lucky ist damals in den Knast gegangen. Aber zial verbraucht ist. Bei uns ist da ist kein Ende ehrlich gesagt, hatte er schon vorher das Hand- Durch „Zwei Assis trumpfen auf“ habe ich das in Sicht. Wenn ich will, fange ich richtig an zu tuch geworfen. Wir haben noch den ersten erste Mal von dir gehört. Das war bei Lukas singen. Wenn ich Pop machen will, dann mache Sampler rausgebracht. AchtVier, Sa4, Gzuz und Adamski im Auto. Zu dem Zeitpunkt wollte er ich richtig Pop und ficke trotzdem Nutten und Bonez in den Hauptrollen und Mosh36 als den dich signen … fahre auf 23 Zoll rum. Wir haben schon immer neuen.

18 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Das waren bisschen schwierige Zeiten, oder? eher belächelt. Darum ist es auch so geil, mit so Rentenkasse eingezahlt. Ich habe mir mit 21 „Die Ja, klar. Man hatte sich da in dieses Bett reingelegt einem Auto rumzufahren. Wäre das nicht so, hät- besten sterben jung“ tätowiert, weil ich dachte, und dachte, es geht so weiter, aber dann muss- ten die Recht gehabt. es ist nur eine Frage der Zeit, bis da was passiert. te man auf einmal gucken, wo man bleibt. Lucky Jetzt bin ich 30, habe eine Tochter und bin jeden war im Knast, Gzuz musste auch rein – das war Würdest du das so einschätzen, dass es bei Tag froh über das, was ich habe. Ich wäre aber Anfang 2010. Der zweite Sampler war schon fast allen 187ers von Haus aus ein hartes Umfeld auch 187, wenn es den ganzen Hype nicht mehr fertig, darum haben Track und ich uns je 12.500 gewesen ist und man die gleiche Sprache ge- geben würde. Euro zusammengeschnorrt und für 25.000 Euro sprochen hat? die Toprott Muzik GmbH gegründet. Da dachten Die gleiche Sprache auf jeden Fall. Wir haben Hast du zu der Toprott-Zeit Verantwortung ge- wir, es wird jetzt ganz groß, wir werden Millio- uns aber nie so krass gebeutelt vom Leben ge- lernt, weil du der ganzen Bande gegenüber Ver- näre. Dann haben wir Shirts gedruckt und die fühlt. Ein schweres Elternhaus weise ich kom- pflichtungen hattest? bei Tracks Oma bis unter die Decke gestapelt. plett von mir. Meine Eltern haben einen super Ich würde niemals ein Fass aufmachen, das ich Zu der Zeit habe ich da auf der Couch gewohnt. Job gemacht. Jeder hat so sein Schicksal. Ich nicht austrinken kann. Ich bin ein sehr schlechter Wir haben täglich Pakete zur Post gebracht, aber gebe mich mit wenig zufrieden, bin aber auch Verlierer und musste auch mit Kampfsport aufhö- irgendwann hatte jeder Fan einen Pulli. Bei der glücklich, wenn es mehr gibt. Meine damalige ren, weil ich nachgetreten habe. Deshalb ist auf- Gründung saßen Mosh, Hasuna, AchtVier, Sa4 Freundin kam aus einer richtig krassen Villa aus hören nie eine Option. Ich habe die Verantwor- und ich alle an einem Tisch und haben gesagt, Frankfurt und ist mit mir nach Hamburg gekom- tung, dass die Jungs im Internet gut aussehen. wir machen jetzt fünf Releases pro Jahr. Hasuna men und wir hatten nicht mal eine Dusche. Wir Ich habe die Verantwortung für 187. Ich wollte,

musste in den Knast, Gzuz saß eh ein und Mosh mussten uns mit so einem hässlichen Eimer dass wenn Gzuz rauskommt, das Nest groß ge- ist in Berlin geblieben. Am Ende waren nur noch über dem Kopf waschen. nug ist, dass er sich da reinsetzen kann. Ich wuss- AchtVier und ich da. Der hat in der Toprott-Zeit te, wenn er wieder draußen ist, geht es rund. zwei Alben rausgebracht und das mit seiner An- Ist es auch eine Charakterfrage, wenn man wesenheit ein bisschen über Wasser gehalten. weiß, wie es ist, auf Null zu sein? Er hat zu mir auch mal gesagt, dass es entwe- Auf jeden Fall. Für mich ist das Auto hier auch der mit Musik klappt oder er wieder reingehen Was hat dich durch diese Zeit durchgebracht? eigentlich schon kaputt, weil ich weiß, dass ich wird … Marihuana. Ich habe viel gekifft. Wenn ich mei- es kaputtfahren werde. Das ist für mich nur ein Das ist auch so. Für mich ist er der krasseste Cha- ne drei, vier Joints geraucht habe – auch wenn Gegenstand. Ich kann das Auto ja nicht essen, rakter in ganz Deutschland. Da kann man noch ich gerade eine richtig beschissene Zeit hatte – wenn ich Hunger habe. Im Endeffekt kommt das so viel rausholen. Ich gucke ganz rosig in die Zu- konnte ich mich hinsetzen und weitermachen. von Sprechgesang. Dafür habe ich mir nicht 40 kunft. Es gab ja auch keine Option. In der Anfangszeit Stunden die Woche den Arsch aufgerissen, son- habe ich bei McDonalds gearbeitet, eine Ausbil- dern ich habe das einfach von Sachen bekom- Es ging immer weiter nach oben, gab aber auch dung als Gestalter für Marketing angefangen und men, die mir Spaß machen. Wenn sich da jetzt eine lange Durststrecke. Da hattest du erzählt, ich war auf der Handelsschule. Da war ich total ein Label oder ein Vertrieb noch was abzwackt dass du keine Lust auf Öffentlichkeit hast … unterfordert. Ich dachte da schon, ich wäre der und die davon auch ihre Kinder ernähren, ist das Bock auf Öffentlichkeit habe ich nicht. Ich sehe überkrasseste Rapper, alle anderen haben das für mich okay. Für mich wird jetzt sogar in eine mich eher in so einer Managerposition. Ich gucke

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 19 20 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 darauf, dass ein geiles Produkt entsteht. Ich weiß wir Probleme haben, dann reden wir darüber. Was Interviews angeht, habt ihr auch fast gar schon seit dem ersten Video, wo er oben ohne Wenn sich einer ungerecht behandelt gefühlt hat, nichts gemacht … mit seinem Spindelkörper rumgeschrien hat, war das in seinem Kopf wahrscheinlich berech- Ich finde, man muss die Musik für sich selbst am besten, wie ein Gzuz in Szene gesetzt wer- tigt. Das beste Beispiel ist AchtVier. Wenn du mit sprechen lassen. Wenn man sich dauernd in In- den muss. Aber es gab Tiefpunkte. Da haben jemandem freundschaftlich nicht mehr so viel zu terviews setzt, ist das zu viel Seelsorgerei. Für mir nur nahestehende Leute und Marihuana wei- tun hast, dann hast du zwei verschiedene Leben. mich ist es viel mysteriöser, wenn man sich be- tergeholfen. So sehr unter Zugzwang wie jetzt Warum soll er dann Geld teilen, wenn das Grup- deckt hält. Wie geil ist es denn bitte, dass sich die war ich noch nie, aber trotzdem weiß ich, dass pending für ihn nicht existiert?! Dann macht er Leute jetzt auf das BACKSPIN-Interview zu „High wir das schaffen. Als Gzuz aus dem Knast kam, lieber einen Schnitt und sein eigenes Ding. Dann & Hungrig 2“ freuen?! wusste er ja auch nicht, was er will. Er meinte, ist er mir gegenüber nicht zu Loyalität verpflich- „High & Hungrig“ hört sich scheiße an und wollte tet. Wenn man den nächsten Schritt geht, auf Ma- gar nicht, dass das erscheint. Danach stand er jor-Ebene ein größeres Publikum zu erreichen, grinsend mit offenen Armen vor mir. Wenn man Was war „Krampfhaft kriminell“ für ein Release? kommt ja irgendwann der Punkt, an dem man drei Jahre im Knast ist und da immer noch „nur“ Das war mein ziemlich experimentelles Debütal- Kompromisse eingehen muss … der Rapper ist, dann ist es klar, dass er mit ganz bum. Das ist entstanden, als Gzuz im Knast war. Sagt wer? anderer Motivation rauskommt und sagt: „Wir Das war eine sehr schwierige Phase in meinem machen jetzt ein Bordell auf und unsere ganzen Leben. Da habe ich immer nur auf der Couch Irgendwann haben die allermeisten dann doch Groupies schicken wir auf den Strich.“ Dann geschlafen und hatte tausend Baustellen. Das mehr Interviews gegeben … muss man erst mal erklären, dass wir mit der ist auf 60 gechartet und war jetzt nichts Krasses. Ich hatte nie vor, bei Stefan Raab auf der Couch Musik momentan ganz gut dastehen. Das war Trotzdem habe ich gedacht, dass das kommen oder mit Moritz Bleibtreu auf dem roten Teppich keine einfache Zeit. Ich habe ihn ja mindestens muss. Das kam noch über Toprott. Das waren zu sein. Da gehöre ich nicht hin. In Anzügen alle zwei Wochen besucht. Wir waren immer in Track und ich zusammen mit Bobby – unserem fühle ich mich nicht wohl. Darum bin ich auch Kontakt. Als er rauskam, habe ich ihm direkt die Grafiker, der auch noch bis heute dabei ist. Ich im Lacoste-Anzug zur Echo-Verleihung gegan- Kamera unter die Nase gehalten, weil ich dachte, lege viel Wert darauf, dass man sich kennt und gen. Nicht, weil ich einem Image gerecht werden wir sind den Fans das schuldig. zusammenhält. Gzuz war drei Jahre dabei, auch muss, sondern weil ich mich nicht wohlfühle in wenn er nicht dabei war. Ich glaube auch, 50 Pro- diesen eierkneifenden Nadelstreifendingern. Die Kannst du den Moment beschreiben, wie es zent der Fans sind dazugekommen, während er Gesellschaft geht mir sowieso jedes Jahr mehr sich für dich selbst angefühlt hat, ihn draußen im Knast war. Das zeigt ja schon das Vertrauen am Arsch vorbei. Das Schamgefühl wird immer zu sehen und ihn auch direkt vor die Kamera zu und die Loyalität. weniger. Das ist vielleicht keine gute Eigenschaft, holen? aber so ist es eben. Früher war es noch so, dass Für mich war es eine Art Befreiung, gleichzeitig Würdest du sagen, in der Zeit gelernt zu haben, die Leute dachten, dass ich nur so bin, weil ich habe ich aber auch gemerkt, dass er darauf gar auf wen du dich verlassen kannst? Rapper bin und meinem Film gerecht werden nicht so klarkam. Da will der einfach nie wieder Ich glaube, Gzuz hat das mehr gesehen. Schon will. Das ist aber nicht so. Ich sehe einfach, wie hin. Wenn dann solche Leute über dein Leben daran, wer ihn besucht hat. Draußen sind die scheißegal mir die Meinung von anderen Men- entscheiden, dann hörst du auch auf die. Die kön- alle nett. Je besser es dir geht, je besser du schen geworden ist. Ich will einfach so komforta- nen ja sagen: „Der ist noch nicht so weit.“ Dann aussiehst und je geilere Autos du fährst, desto bel wie möglich sein und mir ist egal, was andere bleibst du halt noch länger da. Ich glaube, seine mehr Leute wollen deine Freunde sein. Er hat Menschen davon halten. Der Erfolg gibt mir Sex größte Angst war, seine Freiheit durch Musik zu wirklich gesehen, wer nur Blabla macht und wer und Recht. Ich habe alles, was ich brauche. In gefährden. Das war ein kleines Tief. Im Januar nicht. Deutschland geht es ja um Statussymbole. Ich hatte ich auch wieder eins, weil im letzten Jahr habe eine Wohnung, ein Auto und ein Kind. Ei- alles zu glatt ging. Wie soll ich dem dieses Jahr Als Gzuz wieder frei war, habt ihr „High & Hung- nen Baum kann ich noch pflanzen. Wenn du das gerecht werden? Der Sampler und Gzuz sind rig“ gemacht. Das war ein Release, auf das die abdeckst, dann bist du in der Gesellschaft ja ir- richtig durchgeflutscht. LX und Maxwell waren Leute sehnsüchtig gewartet haben … gendwie drin. Ich mache das nicht, um zu scho- auch direkt auf der Fünf, jetzt sind die beim Echo. Auf jeden Fall. Ein Gzuz-Album wäre noch zu cken oder zu provozieren, sondern nur, weil es Zum Glück hat das mit LX gerade so geklappt. LX fern gewesen. Ich habe ihm den größten Teil der für mich der gemütlichste Weg ist. und Maxwell kannten sich nicht. Das sind alles Arbeit abgenommen. Er war mit dem Kopf und Freunde von mir und ich pflege Freundschaften auch physisch nicht da. Ich dachte, es klappt mit Wie liefen die Gespräche mit großen Branchen- des Grauens. Ich bin am Tag am rumfahren, da- dem Gzuz-Album nicht – dann machen wir we- experten, wenn die alle angefangen haben, das mit ich jeden einmal gesehen habe. Wenn ich nigstens eine Kollabo. Ich wusste eine Zeit lang 187-Gefühl als Produkt zu sehen, das sie gerne nicht konstant mit Leuten in Kontakt bin, dann gar nicht, wie ich Gzuz davon überzeugen kann, verkaufen würden? weiß ich nicht, wie ich zu denen stehe. dass das unser einziger Weg ist mit der Mucke. Ekelhaft. Aber das ist ja auch deren Job, das als Er kam aus dem Knast und wollte Zuhälter, Dro- Produkt zu sehen. Ich kann nicht von denen er- Warst du immer zu allen fair? genbaron oder sonstwas werden. Ich meinte zu warten, dass die checken, was wir meinen. Die Das kann man selbst nicht so genau sagen. Die ihm: „Digga, du kannst dir deinen beschissenen sehen, das läuft gut und sehen die Zahlen und Jungs, mit denen ich heute noch bin, sind glück- CL auch einfach von Rap kaufen.“ Irgendwann wollen das vermarkten. Die können von mir auch lich. Wenn ich nicht fair zu denen wäre, würden hat er das auch eingesehen und seinen CL hat er nicht erwarten, dass ich die mag oder sie als kras- die nicht dasitzen und so begeistert sein. Wenn ja auch bekommen. se Freunde sehe. Ich weiß ja, was ich machen

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 21 kann. Solange ich machen kann, was ich will, und Bestimmt. Gzuz hat letztens irgendwo gesagt, Texte nachdenke, dann ist mir das zu viel. Das meine Jungs mit hochziehen kann, weil wir als dass es noch nie ein Fehler war, sich auf mich kann nur funktionieren, wenn ich hinfahre und Gruppe funktionieren, ist das gut. Natürlich kann zu verlassen. Ich will nicht sagen, dass ich im- mir einen reinkiffe. Ich fahre weg aus dem Studio ich auch wie Peter Fox ein Bonez-MC-Album ma- mer Recht habe, aber ich lasse uns doch nicht und weiß keine einzige Zeile mehr von meinen chen, das noch experimenteller ist. Das würde schlechter aussehen als wir sind. Wir sind eine Texten. Ich höre mir das auch gar nicht mehr an. mir auch keiner meiner Jungs übel nehmen. Gruppe. Ich habe ja nichts davon, wenn ich uns Das mache ich am nächsten Tag und dann ent- schlechter aussehen lasse. Darum wissen die scheide ich, ob es gut oder schlecht ist. Inwiefern funktionieren die 187-Elemente auch Jungs, dass sie sich auf mich verlassen können. alleine? Oder geht es nur im Kollektiv? Und aus diesem Verlass mache ich mir natürlich Neben der Musik ist die 187 Strassenbande Jeder Künstler funktioniert auch alleine. Ich kann noch mehr Arbeit. So ist das auch beim Texte- auch durch Graffiti bekannt geworden. Frost ist mir jetzt noch nicht vorstellen, wie sich ein gan- Schreiben. Wenn ich im Studio mal eben ins an- ein ziemlich präsenter Writer … zes Maxwell- oder ein komplettes Bonez-Album dere Zimmer gehe und auf mein Handy gucke, Er hat Hamburg-Mitte zerstört. Er ist ja auch einer anhört, aber das liegt auch daran, dass man auf dann kommt irgendwann einer rüber und sagt: von uns. Er wollte 187 damit so groß machen, diesem Abwechslungsfilm eingependelt ist. Wir „Ey, Digga, willst mal wieder rüberkommen? Wir wie wir es mit Rap groß machen. Er macht sich sind ja eh alle im Studio. Macht doch viel mehr wollen langsam mal wissen, in welche Richtung auch Features mit Sprühern klar. Da geht es Spaß, wenn das alle zusammen machen. Jeder das gehen soll.“ Die verlassen sich darauf. Un- ja auch darum, ob man Effekte beim Sprühen könnte sein Ding alleine machen, aber es würde term Strich kann ich 100 Prozent dahinterstehen. macht. Das ist so ähnlich wie Rap. Wenn Frost niemals so gut funktionieren wie jetzt. Die Jungs können dahinterstehen, wenn ich da- auch noch Rapper wäre, hätten wir keinen coolen hinterstehe. Alle haben einen Haufen weiblicher Sprüher mehr. Außer „Krampfhaft kriminell“ ist fast alles mit Fans – übertrieben hübsche Frauen. Was willst du Jambeatz entstanden … denn mehr als Anerkennung?! Wenn das so ist, Was sagst du eigentlich zu dieser Realness-De- Ja. Jam war damals schon mit bei Jentown. Der dann muss ich ja irgendwas richtig machen. Ist batte, die da draußen abgeht? wurde mir damals vorgestellt und ich habe direkt nicht so, dass die nicht eigenständig sind, aber Natürlich kann man die Sachen adaptieren und gemerkt, was für ein Tier der Typ ist. Ich mache die verlassen sich drauf, dass ich den letzten so tun, als wäre man das, weil man die Scheiße alle Beats mit ihm zusammen und spiele auch Schliff gebe. Ich entscheide dann, was am Ende gefressen hat. Für mich persönlich muss man selbst viele Sachen ein. Bei den ganzen Dance- rauskommt. Bis jetzt fahren wir damit eine ziem- auch das sein, was man rappt. Da gibt es keinen hall-Sachen trommel ich selbst auf der Maschi- lich gute Schiene. Kompromiss. ne da rum. Ohne Jambeatz funktioniert das aber nicht so flüssig, wie es funktionieren könnte. Wann hast du denn mal Fehler gemacht? Hast du schon einen Plan, was du 2017 vorhast? Ich habe viele Fehler gemacht. Das fängt an mit Ich weiß nur, dass das das Richtige für uns ist. Es gibt ja die Legende, dass ihr ihn von anderen Leuten, die ich zu 187 geholt und denen ich Auf- fernhaltet. Ist da was dran? merksamkeit gegeben habe, die die nicht verkraf- Gehst du irgendwann Gold? Er hat selbst keinen Bock. Es macht ja keinen tet haben. Ich bin seit Tag eins dabei. Ich weiß, Bestimmt. Wenn es so weiterläuft. Ich habe mir Sinn, ihn fernzuhalten. Er hat schon den einen wie es losging. Darum komme ich auch drauf das aber nie als Ziel gesetzt. oder anderen Beat verkauft, aber er ist momen- klar. Wenn man auf einmal Hype hat, will man tan sehr mit unseren Sachen ausgelastet und will auch nicht mehr im Schatten von Bonez stehen. Aber die Goldene muss dir dann auch erst mal ja auch noch seine Freiheit haben. Momentan jemand kaufen, oder? sind wir immer Montag, Dienstag, Mittwoch und Du stehst aber zu jeder Entscheidung, oder? Die Goldene muss mir auch einer kaufen, genau. Freitag bei ihm. In der Zwischenzeit will er ja auch 100-prozentig. Wenn ich was in Leuten gesehen Sonst kaufe ich mir von den 400 Euro lieber neue mal eine Frau ficken, oder nicht? Seit Tag eins habe und im Endeffekt hat sich was anderes he- Schuhe.B kommen wir zu ihm. Er muss nicht in die Stadt rauskristallisiert, dann war das mein Fehler. Im fahren, sondern nur von sich zu Hause aus diese Endeffekt hat es weder 187 noch den Menschen fünf Minuten ins Studio laufen. Damit entlasten selbst geschadet. Die haben auch noch was da- wir ihn komplett. Er ist auch der bescheidenste von. Jeder meinte irgendwie, den Dreh rauszu- Mensch, den ich kenne. Nie hat sich irgend- haben, aber die kommen alle aus meinem Sack. jemand mit ihm gestritten, weil er so ein guter Ich will kein Danke, ich will gar nichts. Mensch und so positiv ist. Euch wird ja unterstellt, dass ihr alle auch einen Aber den Output behältst du am Ende unter dei- weghabt … ner Kontrolle? Wenn ich mir zum Beispiel Rattos Locos angucke, Im Endeffekt segne ich alles ab. Ich bin der Film. das sind alles richtige Rapper. Die cyphern sich Letztens hatten wir es das erste Mal nach ganz alle die Reime an den Kopf und haben nicht so langer Zeit, dass Jam von sich aus einen Beat einen Schaden wie wir. Ich war nie ein Freestyle- gemacht hat. Da haben wir so viel Zeit gespart, Cypher-Mensch. Ich fahre nicht im Auto und mir weil wir sonst alles zusammen anfangen und ma- fällt eine Zeile ein. Nie im Leben. Ich mache den chen. Ich habe aber immer das letzte Wort. Beat an einem Tag, dann schreibe ich am besten Du bist ein ganz schönes Alphatier. Sind die an- noch drauf und nehme das auf. Wenn ich jetzt deren auch mal genervt von dir? in meiner Freizeit hier rumfahre und noch über 22 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016

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50 fragen

Interview: Aron Morhoff| Fotos: 100Blackdolphins Auf Twitter unterhält Ali As 22.000 Follower mit täglichem Output. 140 Zeichen im Minutentakt, irgendwo zwischen Dada, Punchlines, Größenwahn und Realtalk. Wir testen Humor und Schlagfertigkeit to go nun unter echten Bedingungen – Ring frei für Ali As.

„LGoony ist der Kugelfisch unter den Hypes“

1. Macht Twitter dumm oder schlau? 8. Wie viel von deiner privaten Seite steckt in schießen. Metrickz bitte mit Doppel-G und S Ich mache Twitter schlau. deinen Tweets? schreiben, also Metriggs. Auf keinen Fall richtig 35 Prozent. schreiben! Es ist demütigender, wenn man ihn 2. Was hat ein Ali-As-Fan studiert? falsch schreibt. Was soll das überhaupt heißen, Das Inhaltsverzeichnis. 9. Asap Ferg oder Kanye? Metrickz? Verstehe ich nicht. Kanye. 3. Welcher Rapper bekommt zu wenig Auf- 14. Hast du ein Traum-Feature? merksamkeit? 10. Ist Jan Böhmermann witzig? Metrickz. Jetzt bitte mit drei G schreiben, also Gute Frage. Schieben bitte. Kein Plan, ich gucke ihn mir nicht an. Metrigggs. (lacht)

4. Und wer ist komplett overhyped? 11. Wann und wo gönnst du dir am liebsten 15. Das peinlichste Live-Erlebnis? Edgar Wasser. Paulaner Spezi? Habe ich noch nicht gesehen, aber ich habe Entweder im Lambo oder auf der Dachterrasse dieses Jahr auch Metrickz noch nicht gesehen. 5. Dein größtes Talent neben dem Rappen? vom Spitzer. Schreib ihn dieses Mal bitte mit vier G, also Met- Frauen klarmachen. riggggs. Metrickz hat vier G wie Vodafone. 12. Würdest du mit Money Boy in den Urlaub 6. Wie sicher gibt es die Mohammed-Ali-Kolla- fahren? 16. Schreibst du immer nüchtern? bo (Ali As und MoTrip)? Nur wenn’s kein Homo-Shit wäre. Kommt drauf an. Ich kann in jeglichem Zustand Kann man schwer sagen, muss man abwarten. schreiben. Nur besoffen ist nicht so cool. Mei- 50 Prozent. Oder 40 Prozent … (überlegt). 30 13. Mit welchen Promis würdest du in eine 4er- stens aber nüchtern. Vom Alkoholpegel her. Prozent … (überlegt). 35 Prozent. WG ziehen? Mit Liont, Kayef, T-Zon und den Knabenhaf- 17. Kannst du Crack Ignaz etwas abgewinnen? 7. Lakritz oder Marzipan? testen der Lochis … (überlegt). Nee, Metrickz. Ja! Marzipan, no homo. Metrickz ist Chauffeur und darf den schwar- zen Benz fahren. Und darf daraus ein paarmal 18. Machst du Kraftsport?

24 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaART

Eigentlich ja, aber gerade weniger. Beckett, das ist eher so Blockbuster-mäßig, auf Mein nächstes Ziel ist L.A., wird aber kein Ur- Bestseller getrimmt. Der schreibt, finde ich, an- laub sein. 19. Dein liebstes YouTube-Video? genehm. Er schreibt an einigen Stellen span- Das, wo Beanie Sigel und Peedi Crack sich so nend und zieht die Geschwindigkeit an. An ande- 41. Bist du gläubig oder spirituell? homomäßig umarmen. Du musst einfach „Bea- ren Stellen lässt er atmen und schmückt etwas Wenn, dann eher spirituell. nie Sigel gay“ googeln. mehr aus. Das macht einen geilen Schreibstil aus. Tess Gerritsen ist auch krass. Das ist so eine 42. Kannst du LGoony etwas abgewinnen? 20. Was ist geil an Promo-Phase? Eule. Sehr medizinisch, sie schreibt sehr detail- Sehr bedingt. Er ist so der Kugelfisch unter den 21. Und was wack? Alles. liert. Es werden wieder Leichen seziert. Das kann Hypes. Man muss ihn erst sauber filettieren. man auch als Grundaussage noch mal sagen. Man muss aufpassen, dass man die Niere nicht 22. Dein letztes Mal Wiesn? erwischt und dann das tödliche Gift austritt. So Vor sieben Jahren. 29. Wie feierst du deinen 50. Geburtstag? ist das auch bei LGoony. Ein paar Häppchen Es wäre vermessen, das jetzt zu sagen. in Form von melodiös vorgetragenen Hooks 23. Gibt es eigentlich ein Paki-Klischee? kann man sich schon gönnen, aber wenn man Hm … Schlechte Frisuren. Das habe ich dann ja 30. Was ist dir zu bourgeois? aus Versehen in die Parts reinskippt, sollte man schon bestätigt. Andere Deutschrapper dabei zu sehen, wie sie schnellstens die Ambulanz rufen. ihre Zuckerrübenernte jährlich einfahren. 24. Würdest du eine Live-Battle-Einladung an- 43. Wie weit kommst du bei „Wer wird Millio- nehmen? 31. Hast du einen krassen Tick? när?“? Ja, aber nur Freestyle. Keine geschriebenen Sa- Ich bin sehr ordentlich, sehr Monk-mäßig unter- Schau’n mer mal, dann seh’n mer schon. chen, keine Vorbereitung. 100 Prozent Freestyle. wegs. Ich hasse verjunkte Scheiße. Ich hasse Sonst kann sich jeder Hans Wurst was ausden- unhygienische Lebensumstände. Ich hasse Leu- 44. Ein langer Tag geht zu Ende, das Wochen- ken und einen auf cool machen und die Schwä- te, die sich nicht waschen, die ekelhaft sind, die ende steht vor der Tür und du fährst einige chen des Gegners rauspicken. Wenn schon, Sachen nicht aufräumen. Ich hasse unsymme- Stunden Autobahn – was pumpst du richtig dann muss das zurück in die Steinzeit des Raps trisch aufgestellte Paulaner Spezis auf Tischen. laut auf? und zwar Freestyle. Einfach top of the dome sich Das sind Sachen, die mich zur Weißglut treiben. Das Album „Tough Luv“ von Young Gunz. Als dem Gegner stellen und ihn zerf***** und de- ich noch im Arbeitsleben war, habe ich das oft mütigen vor lauter Mannschaft. Ich verschwen- 32. Was macht die Baader-Meinhof-Bande? gehört. Daran dachte ich gerade sofort. de keine Zeit darauf, mir Gedanken zu machen, Wir verstecken uns. Vor Metrickz. Mit fünf G. wie ich einen Laas Unltd. noch mehr demütigen Weil wir sind ja Baader-Meinhof mit vier G, 45. Waldorfschule oder Mädcheninternat? kann, als er sich selbst eh schon demütigt. Dann BM4G. Metrickz hat fünf G. Erklärung: Er lebt in Mädcheninternat. lieber Freestyle direkt vor Ort. einer Wohngemeinschaft mit fünf Gays. 46. Dein Beerdigungsrapsong ist? 25. Zu wem schaust du lyrisch auf? 33. Hast du eine Zeitschrift abonniert? „An diesem einen Tag am Rummelplatz“ (von F.R. ist sehr, sehr gut, auch wenn ich ihn persön- Unfreiwillig wurde mir die BACKSPIN als Abo Money Boy, Anm. d. Autors). lich nicht feiern kann. Aber Credits kann ich ihm zugesteckt. auf jeden Fall geben, zum Beispiel für seinen 47. Wann dürfen wir dein erstes Morgen-Routi- Song „Blauwalherz“. Den fand ich fett, der hat 34. Wer ist Deutschraps Modezar? ne-Video erwarten? einen gewissen Charme und man denkt: Wie ist (Überlegt lange) Das weiß ich nicht. As soon as possible. der Typ da draufgekommen? 35. Was hat dir eigentlich die Juice getan? 48. Was macht Raptile gerade? 26. Liest du eigentlich viel? Einen Scheißdreck hat die für mich getan. Ich glaube, der ist ein sehr richer Motherfucker ge- Ich kann lesen. Ich bin länger nicht zum Lesen worden mit den Sachen, die er in den Staaten macht. gekommen. Manchmal packt mich die Lesewut 36. Was gibst du so auf Shopping-Touren aus? Das habe ich über verschiedenste Kanäle gehört. – wenn ich Urlaub habe, lese ich viel. Momen- Kommt drauf an. 2.000 bis 3.000 Euro würde ich tan schaffe ich es nicht einmal, Filme zu schauen jetzt mal sagen. Mit allem Drum und Dran. 49. Wie sieht dein perfekter Sonntag aus? oder Serien zu gucken. Nicht mit Aron von der BACKSPIN 50 Fragen 37. Kannst du malen? durchkauen. 27. Was zum Beispiel? Die anderen können mich mal. „Der talentierte Mr. Ripley“ war ein mega gei- 50. Dein aktuellstes Statement lautet? les Buch. „Die drei ???“ lese ich immer mal zwi- 38. Schon mal auf ‘ne Demo gegangen? Das neue Album ist das Statement. ¿ schendurch, auf der Autofahrt. Ja.

28. Lieblingsautor? 39. Kendrick oder Drake? Die Stieg-Larsson-Trilogie fand ich mega geil. Drake. Ich warte auf einen neuen David-Hunter-Band. Patricia Highsmith war auch mega gut. Simon 40. Was ist dein nächstes Urlaubsziel?

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118 Ausgaben – das bedeutet auch, 118 Mal wurde eine Entscheidung getroffen, was auf dem Cover zu sehen sein sollte. Für unseren Rückblick fragten wir einige auf einem BACKSPIN-Cover abgebildete Künstler, was sie mit “ihrem” Cover verbinden. Ebenso zu Wort kommen einige Redakteure und Autoren unserer Titelgeschichten, die ebenfalls die eine oder andere Erinnerung einstreuen. Zeit für ein paar Reminiszenzen …

28 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Frank Petering über das Cover der Ausgabe #1 Cover werden sollten. Das Logo, das ich 1993 total anders und alles hat damals auch länger Ganz an Anfang war unser Gedanke der, die vier zeichnete, wurde, wie auch die restlichen Be- gedauert. Wir haben noch mit richtigen Fotos in- Elemente des Hip-Hop auf den Titelbildern dar- standteile des Covers, mit dem Cutter fein säu- klusive Abzüge entwickelt, Interviews per Band- zustellen. Die alte Krylon-Dose kam aus meinem berlich ausgeschnitten und teilweise mit Copics Diktiergerät aufgenommen, mit Briefpost gear- Dosenvorrat und war zur damaligen Zeit noch koloriert. Dann alles zusammengeklebt, schon beitet – E-Mail gab es ja auch noch nicht. Wir etwas ziemlich Besonderes für mich. Sie ver- war das Cover der ersten BACKSPIN fertig. Zu- hatten anfangs nicht einmal einen Scanner. Das körperte ein bisschen das New-York-Feeling der mindest analog. Nun gab ich das montierte Co- Cover war schon etwas Besonderes für mich. Es Das Logo, das ich 1993 zeichnete, wurde, wie auch die restlichen Bestandteile des Covers, mit dem Cutter fein säuberlich ausgeschnitten und teilweise mit Co- pics koloriert alten Tage. Es gab noch kein Internet, keine Di- ver an einen Dienstleister, der mir daraus Druck- war unbewusst der Beginn einer Sache, die bis gitalkameras und auch am Rechner konnte man vorlagen (Filme) für den Druck belichtete. Ich heute Bestand hat. Es war eine verrückte, an- nicht mal eben was Tolles zaubern. Ich ging also war in der Ausbildung, wohnte noch zu Hause strengende, schöne, kreative und lehrreiche Zeit mit meiner kleinen Kompaktkamera auf den und hatte keine Ahnung, wie das funktionierte, mit tollen Menschen! Eine andere Zeit als heute gegenüberliegenden Parkplatz hinter dem Su- ein Magazin zu machen. So viele Vorlagen hatte – nicht besser, nur anders. Hip-Hop wuchs erst permarkt. Im Gepäck auch eine Leinwand von man damals, zumindest in unserem Bereich, ja in Deutschland ran, war noch recht frisch und mir und die Krylon-Dose. Dose vor Leinwand auch nicht. Ich habe damals natürlich die 14K, keiner wusste, wo die Reise hinging. Viele Jahre gestellt und geknipst, was das Zeug hält. Ab Make’t Better und Mzee als Inspiration gehabt. haben wir mit mehreren Leuten von BACKSPIN zum Entwickeln und ein paar Tage später hatte Technisch gesehen habe ich mir aber alles nach unseren Lebensunterhalt verdient und gearbei- ich auch „schon“ die Ergebnisse, die nun zum und nach beigebracht. Die Zeiten waren einfach tet, bis uns die Kraft ausgegangen ist. Egal, an

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 29 welchen Tagen oder um welche Uhrzeiten, wir sein, da Achim natürlich einen straffen Tagesplan zin das Cover zu gestalten. Dabei kannte ich waren am Start. BACKSPIN ist ein recht großes für uns ausgearbeitet hatte. Wir mussten am Melle Mel damals gar nicht. Aber insgesamt Kapitel in meinem Leben. BACKSPIN hat mich selben Tag noch zu Mr. Wiggles nach Castle Hill ist das alles schon sehr lange her. Erinnere viel gekostet, hat mir aber auch viel gegeben! in der Bronx, um mit Cora und der Rock Steady mich nur noch daran, dass ich damals schon Crew den „Next Stop New York“-Song mit Ken viele Karikaturen gemalt habe. Die Stieber Twin über das Cover der Ausgabe #8 Swift aufzunehmen. Natürlich war uns damals Ich erinnere mich noch gerne an das Cover, die BACKSPIN-Titelstory enorm wichtig, da zu Storm über das Cover der Ausgabe #14 obwohl ich finde, dass ich krank auf dem Co- der Zeit im Printmedien-Bereich kein adäquates Das Bild haben wir damals in Berlin in der Tech- ver aussehe und meines Erachtens „schlecht“ Magazin existierte. Außerdem war die BACKSPIN nischen Universität im Lichthof aufgenommen. Natürlich war uns damals die BACKSPIN-Titelstory enorm wichtig, da zu der Zeit im Printmedien-Bereich kein adäquates Magazin existierte. wegkomme. Eitelkeit beiseite! Die Fotostrecke Bodos Baby, den man schließlich Jahre kannte, Ab 1986 war das eigentlich einer der wich- für BACKSPIN hatten wir 1998 in New York auf- und für uns das einzige kredibile Mag. Es war da- tigsten Trainingsräume in Berlin, bis der Fuß- genommen. Anlass für den Trip mit Akim war mals schon so eine Art „Ritterschlag“ und medial boden 1994 durch Fliesen erneuert wurde. Da- eigentlich Cora E’s Cover-Shoot, kombiniert mit sehr sinnig, da das Internet bei Weitem noch nicht nach verzogen wir uns zwar auch noch häufig unserer BACKSPIN-Titelstory. Curse war auch die Rolle spielte und die Platte just released wur- in Nebensäle, doch so langsam gab es weniger noch mit von der Partie. Chrissy und ich hatten de. Beste Erinnerung an the good ol´ times. Training hier – obwohl die TU immer auf hatte die Idee, das Foto vor dem „Bomb the System“, und wir hier sogar nachts herkamen. Der Ort einem kleinen Writer-Laden am Anfang der Canal Toast über das Cover der Ausgabe #10 für das Bild war bewusst gewählt. Ich hatte in Street in Chinatown, zu schießen. Ich kann mich Vielen Dank, dass ich damals die Möglichkeit der Zeit gerade meine Tanzkompanie „Storm noch gut erinnern, im totalen Stress gewesen zu bekam, für das einflussreichste Graffiti-Maga- and Jazzy Project“ etabliert und Vartan und

30 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Amigo von den Flying Steps ins professionelle DJ Stylewarz über das Cover der Ausgabe #20 den Plattenspielern gemacht haben, sondern Boot geholt. Seit 1997 traten wir überwiegend Ich erinnere mich noch gut. Ich glaube, Gizmo sich so ein bisschen selbst gefeiert haben. Das in Frankreich in Theatern auf. Auch für unsere kam damals auf mich zu und meinte, er hätte gibt es heute auch wieder, Leute, die auf Tischen Proben gingen wir noch lange Zeit hierher. Es Bock auf ein Interview mit mir. Mika hat damals, stehen und die Hände in die Luft werfen, statt herrschte Aufbruchsstimmung in Berlin und glaube ich, das Foto gemacht. Das Interview hat sie an den Plattenspielern zu haben. Für mich aus internationaler Sicht war die Stadt mit all damals ziemlich was losgetreten, weil ich da war die BACKSPIN damals das reale Pendant ihren B-Boys wohl die größte B-Boy-Metropole kein Blatt vor den Mund genommen habe. Das zur Juice … (lacht). Also so habe ich es damals der Welt. BACKSPIN hat Hip-Hop-Kultur mit al- hat damals so eine Art Battle gestartet zwischen empfunden, ohne da etwas Böses zu wollen, al- len Facetten repräsentiert und war somit das Thomilla und mir. Daraufhin kam dann quasi les ist gut. Das Mag wurde damals einfach von Das Interview hat damals ziemlich was losgetreten, weil ich da kein Blatt vor den Mund genommen habe. einzig wahre Hip-Hop-Magazin Deutschlands. auch meine „Discipline No. 1“, weil er damals Leuten aus der Szene gemacht, die ich selbst Natürlich war ich froh, auf dem Cover zu sein, auch, ich glaube mit Michi Beck, eine Art Diss- alle kannte. Das hat sich heute ein bisschen ge- doch habe ich mir ehrlich gesagt auch gedacht, track rausgebracht hatte. Das ist so ein bisschen ändert. Heute ist das irgendwie so ein bisschen dass ich mir das hart erarbeitet hatte. So manch das, woran ich mich erinnere. Ich habe damals von den Praktikanten für die Praktikanten. (lacht) anderes Cover fand ich sehr fragwürdig, ich eigentlich nichts Besonderes gemacht, außer DJ hatte jedoch trotzdem Respekt gegenüber den zu sein. Ich war mit Ferris unterwegs und habe Max Herre über das Cover der Ausgabe #24 Entscheidungen. Hinzu kommt, dass Frank Pete- gemacht, was ich mache. Das war zu einer Zeit, Ich erinnere mich gut an die Zeit. Wir hatten ring, Bodo Falk und ich uns schon lange, bevor in der deutsche Hip-Hop-DJs zum ersten Mal damals bei Rock am Ring und Rock im Park es die Zeitschrift BACKSPIN gab, kannten und etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen haben. nach Santana und vor Sting auf der großen bei Treffen ständig kräftig dialogisiert wurde. Und ich glaube, was mich damals genervt hat, Bühne gespielt. Das war das Top-Level. Und Hip-Hop-Leben eben … war, dass es so Typen gab, die nichts selbst an dann habt ihr angerufen und gesagt: „Jetzt

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 31 reicht’s auch mal für ein Cover“ … (lacht). Dennis Kraus über das Cover der Ausgabe #31 debütierte mit Ausgabe #31, die in der Retro- Mein erster Kontakt zur BACKSPIN hatte ich Mein erstes Heft als Chefredakteur. Vor mir hat- spektive das meistverkaufte Heft unserer Ge- über die Massiven Töne. Die hatten euch in te die BACKSPIN keinen. Redaktionelles wurde schichte ist. Der Grund dafür dürfte entgegen einer Rap-Zeile genannt. Auf dem Cover hat- bei uns in der damaligen euphorischen Zeit aller Unkenrufe vor allem der sein, dass keine te ich dann sogar ein Massive-Töne-Shirt an. einfach irgendwie gehandhabt. Weil aber alles Ausgabe von uns länger am Kiosk lag. Das Heft Die hatten so Basketball-Trainer-Shirts. BACK- immer größer geworden war, fanden meine da- war Ende November erschienen und erst Mitte SPIN war und ist eine Konstante in diesem maligen Chefs, dass es einen verantwortlichen Februar vom nächsten abgelöst worden. Das deutschen Rap-Game. Euch gibt es ja jetzt ‘ne Redakteur brauchte. Einen, der bei Uneinigkeit Stück über DMX auf Tour in Washington von Weile – 22 Jahre. Entscheidungen traf und der nicht nur seine Gizmo, das ja nur zustande gekommen war, Vor mir hatte die BACKSPIN keinen. Redaktionelles wur- de bei uns in der damaligen euphorischen Zeit einfach irgendwie gehandhabt.

Themen im Blick behielt, sondern auch die weil man uns im ersten Anlauf einen Fake-DMX Samy Deluxe über das Cover der Ausgabe 27 der anderen, um nach sechs Wochen ein halb- ans andere Ende der Leitung gesetzt hatte, was Das erste Mal auf dem BACKSPIN-Cover, eh wegs vernünftiges, kohärentes Gesamtprodukt Gizmo natürlich bemerkt hatte, halte ich – ne- eines meiner ersten Cover. Das war zum Re- zustande zu bringen. Einen, der die freien und ben der Boo-Yaa-T.R.I.B.E.-Geschichte in #52 – lease des „Samy Deluxe“-, ich war die festangestellten Redakteure betreute, Auf- für eine der geilsten Storys, die wir je gedruckt noch ein kompletter Milchbubi und wusste träge verteilte und notfalls auch mal nein sagt. haben. nicht, was auf mich zukommt. Das war ein Weil ich mich damals ziemlich gut auskannte sehr kalter Tag, aber eine sehr schöne Zeit in mit Deutschrap, US-Rap und Graffiti, fühlte ich Bates über das Cover der Ausgabe #32 meinem Leben – ich sehe mir die Unschuld mich prädestiniert und warf meinen Hut in den Natürlich erinnere ich mich an das Cover! Ich ins Gesicht geschrieben. Ring. Für die anderen war das wohl okay. Ich wurde vorher schon ein paarmal in der BACK-

32 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 SPIN und auch in anderen Magazinen erwähnt, und ich habe nur Sample-Mucke gesucht und Plan, dass uns das Foto halb über und halb un- hatte aber bei euch mein bis dato erstes und ein- gehört. Das war die Zeit, in der die erste BACK- ter der Wasseroberfläche zeigt, haltet euch fest: ziges Cover. Ich kannte das Team schon eine Wei- SPIN-Radioshow starten sollte, wir zwei Probe- ins Wasser gefallen. Haha. Und am Tag danach le und bin immer, wenn ich in Hamburg war, vor- sendungen recordet hatten, Dendemann in den haben wir das Ganze noch mal gemacht. Weil beigekommen, um zu quatschen und Bilder zu Startlöchern stand und mittwochs die legendary was mit dem Film nicht geklappt hat und die Bil- tauschen. Zu der Zeit des Covers habe ich gerade „King Kamera Sessions“ losgingen. der nicht zu gebrauchen waren. Groß! War dem die Montana-Crew verlassen und war auf mich Kollegen hinter der Kamera ganz schön unange- allein gestellt. Die Entscheidung, in die Galerie- Blumentopf über das Cover der Ausgabe #48 nehm. Hätte es aber nicht sein müssen. Uns war und Kunstszene zu gehen, kam erst viel später. Wir wissen nur noch so viel: Es war saukalt im es wurscht. Wir vorne drauf. Wahnsinn! Danke der Plan, dass uns das Foto halb über und halb unter der Wasseroberfläche zeigt, ist, haltet euch fest: ins Wasser gefallen.

Wasser. Ist ja bei Shootings immer so, jedenfalls BACKSPIN! Dafür hätten wir uns damals auch Mirko Machine über das Cover der Ausgabe 42 bei Bands mit so vielen Leuten, dass es dauert, noch tiefer ins kühle Nass stellen lassen als nur Altobelli, das liegt eine gute Weile zurück. Ich bis mal ein gutes Bild entsteht und der Fotograf bis zu den Knien. Chance vertan. habe versucht, das Mag zu finden, lag im Lab. zufrieden ist. Wegen der Menge an Menschen Dafür habe ich aber die komplette Fotoses- – schwierig, schwierig. Vielleicht haben sie uns Dennis Kraus über das Cover der Ausgabe #52 sion mit Mika, die wir im Januar 2003 bei mir das auch nur immer gesagt und es lag eigentlich Auch als Hip-Hop-Redaktion hat man Bock zu Hause gemacht haben, gefunden. Ich weiß an unseren Gesichtern. Ich weiß es nicht. Jetzt auf Jahresrückblicke. Das war früher nicht an- noch genau: „No Sooner Said Than Done“ von ist’s eh zu spät. Bei der Session hat auch nicht ders als heute. Die Frage war nur, wie man so George Benson lief auf Heavy Rotation. Rap- alles so geklappt, wie es sollte. Der wasserdichte einen Rückblick mal etwas anders, ja, originell musik hat mich zu der Zeit schwer gelangweilt Body für die Kamera hat nicht gepasst. So ist der präsentieren konnte. Diese obligatorischen

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 33 Listen jedenfalls, die wollte ich vermeiden. schaue, muss ich immer noch schmunzeln. Und einen sehr coolen Shout-out für meine Radio- In einem von mir sehr geschätztem Wochen- abgesehen davon informiert es einen ziemlich show. Eine Titelgeschichte machen zu dürfen, magazin sah ich schließlich die Lexikon-Idee genau, was in dem Jahr los war … war auch für mich, der Hunderte von Künst- und war sofort geflasht. Das Prinzip, die wich- lern interviewen durfte, eine Ehre, wobei ich tigen Ereignisse und Künstler des vergange- Stefan Fabinger über das Cover der Ausgabe mir nicht viel daraus machte. Aus BACKSPIN nen Hip-Hop-Jahres im möglichst trockenen #53 machte ich mir deutlich mehr, was an drei Din- Lexikon-Duktus wiederzugeben, alphabetisch Auf das Interview mit Ludacris und die darauf gen lag: Ich fand das Konzept super, war seit geordnet, mit Querverweisen auf andere Einträ- basierende Titelgeschichte angesprochen, der Gründungsstunde dabei und sowohl mit ge, fand ich so lustig wie sinnvoll. Um es amtlich konnte ich mich ehrlich gesagt nicht sofort er- den Herausgebern als auch mit der Redaktion zu gestalten, brauchte jeder Eintrag natürlich innern. Was ich sicher wusste, ist, dass ich Lu- freundschaftlich eng verbunden. Was ich gut finde an BACKSPIN ist, dass alle Strö- mungen ihren Platz bekommen haben – je nachdem, was gerade stark ausgeprägt war. auch Lautschrift. Unsere damalige Textchefin dacris persönlich interviewt hatte – und zwar im Max Herre über das Cover der Ausgabe #58 habe ich damit damals beinahe in den Wahn- Berliner Nobelhotel Westin Grand. Auch weiß Das war für eine Soloplatte, für ein Comeback. sinn getrieben. Rund wurde die Idee, als ich von ich noch, dass ich innerlich schmunzeln musste, Da war es sehr wichtig, diesen Slot von euch zu einem Freund dieses uralte Buch, das wir auf als ich die Hotelsuite betrat und McDonald’s- bekommen, weil das mein erstes, sehr wichtiges dem Cover als symbolische Illustration des Lexi- Tüten sah. Wenn ich die Titelgeschichte heute Soloalbum war. Das war der Schritt raus aus der kons zeigten, geliehen bekam. Irgendeine uralte lese, wundere ich mich nicht über die Tatsache, Band- hin zur Solokarriere. Das Album hat ja auch Ausgabe von „Die Leiden des jungen Werther“. dass der Star damals null Bock zu haben schien. Aufmerksamkeit gekriegt und die Eins geholt. Da- Eine Blanko-Seite des Buches haben wir auch Das war bei vielen US-Rappern die Regel, ge- für war der Aufprall, dieser Aufschlag am Anfang, als Hintergrundbild für das Lexikon benutzt. rade bei denen, die bei großen Plattenfirmen wichtig. Was ich gut finde an BACKSPIN ist, dass Damit bekam die Idee dann auch gestalterisch unter Vertrag standen. Ludacris stand damals alle Strömungen ihren Platz bekommen haben – ein Gesicht. Wenn ich mir das Lexikon heute an- im Zenit seiner Karriere und gab mir wenigstens je nachdem, was gerade stark ausgeprägt war.

34 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Thomas Hergenröther über das Cover der enge Freundschaft verbunden, die wir – soweit zeigt, dass deutsche Presse glaubwürdig sein Ausgabe #59 möglich – auch heute noch pflegen. kann. Ein Cover ist eine Auszeichnung. Eine Das Cover zeigt eine Szene aus dem Final Battle Auszeichnung, die real ist, weil nicht gekauft, des Jahres 2001 zwischen Wanted (Frankreich) DJ Tomekk über das Cover der Ausgabe #69 bedeutet mehr als eine gekaufte. Ich feiere und Team Ohh (Japan). Zu sehen ist auch der BACKSPIN brachte mich aufs Cover, weil ihr euch! BACKSPIN ist für mich Hip-Hop. So wie damals noch sehr junge Tänzer Taisuke, der Bock hattet. Ihr habt mir gezeigt, dass Hip- der Wildstyle Shop in Berlin. Zeit kam, Zeit heute zu den Red Bull BC One All Stars gehört Hop-Presse aus Deutschland unabhängig ging. Hip-Hop blieb. BACKSPIN blieb. Dafür und ein Superstar der B-Boying-Szene ist. 15 sein kann. Somit glaubwürdig. Unabhängig, bin ich dankbar. Rap is something you do, hip Jahre BOTY, das war im Jahr 2004, das vierte ein Wort, dass in deutschen Medien mehr Ge- hop is something you live. mal BOTY in der Volkswagenhalle in Braun- wichtung hat und gerade jetzt wohl mehr Be- Ich konnte dem Heft helfen, das mir maSSgeblich ge- holfen hat, dass ich in Hamburg und deutschlandweit so schnell FuSS gefasst habe! schweig. Gewonnen hat damals die Gruppe deutung denn je bekommt. Ich war gerade mit Samy Deluxe über das Cover der Ausgabe #70 Gamblerz aus Korea, in sehr guter Erinnerung Ice-T und Coco am Rummachen. In New York Das war meine Deluxe-Records-Zeit. Wenn ist mir auch noch die super Show der Grup- unterwegs, in den D&D Studios Beats machen ich so zurückdenke, war das eine sehr unre- pe Break the Funk aus Italien geblieben. Das mit Pete Rock im Nebenraum. In Deutschland flektierte Zeit meiner Karriere. Viel Bling-Bling BACKSPIN-Cover hat mir damals sehr viel ein ziemlicher Hype. Ich hatte tierischen Er- und wenig lyrischer Tiefgang. Nicht meine bedeutet, wir hatten über eine lange Zeit eine folg. Kurz vor einem Jahr, in dem ich durch- stärkste, aber eine lustige Zeit. sehr enge Partnerschaft mit dem Magazin. Die gängig in den Charts war, war das. Klubs BACKSPIN war unser Haupt-Printmedien-Part- voll, Kasse voll. Mixtapes gingen wie warme Paco Sanchez über das Cover der Ausgabe #74 ner, aber viel wichtiger: unser 50-prozentiger Semmeln. Das Leben war schnell. Ich war on Ich erinnere mich noch ziemlich genau daran, Veranstaltungspartner. An diese Zeit denke ich top of the pops, gleichzeitig dachten natürlich wie im April 2006 mein Handy geklingelt hat, gerne zurück, mit Frank und Bodo hat uns eine viele, ich bin Michael Jackson. Es hat mir ge- ich aufs Display schaute und sah, dass es

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 35 Davis (Graffiti-Redaktion, Anm. d. Red.) war, mich. Das hat mir gezeigt, dass ihr auch an je von mir gemacht wurde. Da weiß ich gar der anrief. Ich dachte, dass es sich wie immer, mir alleine, ohne Savas an der Seite, Interes- nicht mehr, wer das gemacht hat. Obwohl ich wenn wir telefonierten, darum dreht, dass er se hattet. Dafür habt ihr auf jeden Fall einen da noch gar keinen richtigen Bart habe, die Material für die Graffiti-Seiten der nächsten dicken Stein bei mir im Brett! Das war gerade Hand noch voll nackt, die Brille riesenkacke Ausgabe braucht. Aber diesmal nicht, dies- zur Zeit vom „Optik Takeover“-Release, kurz ist und ich noch voll dünn bin, ist das das mal meinte er, dass es ein dickes Problem nachdem das Album draußen und ich zwei beste Cover, das ich jemals hatte. Voll geil! gäbe, nämlich dass die Titelstory ,Deutsche Monate in München war. In der Zeit habe ich Früher gab es außer mir und Bushido nicht Hip-Hop-Videos’ nicht wie geplant fotogra- gerade meinen neuen Freund kennengelernt viel in Sachen Deutschrap – ein eigenes Co- fisch für das Cover umsetzbar wäre und ob und konnte mit meinem Gesicht in jedem Ki- ver zu haben, war sehr wichtig. Dein Video Obwohl ich da noch gar keinen richtigen Bart habe, die Hand noch voll nackt, die Brille riesenkacke ist und ich noch voll dünn bin, ist das das beste Cover, das ich jemals hatte. ich mir vorstellen könnte, das zeichnerisch zu osk eine riesige Welle machen. Danke auch musste auf MTViva laufen und du musstest lösen. Und dass nur drei Tage Zeit blieben! dafür, haha! Ihr seid auf jeden Fall, neben dem ein Cover haben. Was für eine Ehre: Ich kriege das Cover und Juice-Cover, ein wichtiger Moment in meiner ich kann den Jungs aus der Patsche helfen. Karriere gewesen. Und als einfacher Hip-Hop- Dyfed Loesche über das Cover der Ausgabe #82 Dem Heft, das maßgeblich geholfen hat, Fan schätze ich die BACKSPIN schon deshalb Ich kann mich gut an das Cover über Pira- dass ich in Hamburg und deutschlandweit so sehr, weil ich ja früher Writerin war und ihr tensender in London erinnern. Es war meine schnell Fuß gefasst habe! Danke Jungs, war Graffiti immer einen großen Stellenwert ge- erste Titelgeschichte und Auslandsreporta- mir eine Ehre und jederzeit wieder! geben habt. ge. Das vom damaligen Chefgrafiker Gizmo Melbeatz über das Cover der Ausgabe #78 entworfene Cover hat mir viel bedeutet. Ich Dass ich aufs BACKSPIN-Cover gekommen Sido über das Cover der Ausgabe #80 war Online-Redakteur bei der BACKSPIN bin, war schon etwas ganz Besonderes für Das ist das wahrscheinlich beste Cover, das und hatte mir Hip-Hop und Grime aus Groß-

36 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 britannien als Nische ausgeguckt. Vor allem dere Leute, die Gehör gefunden haben, aber Die hatten davor so Leute wie Raptile oder der Grime hatte frischen Wind in die britische ich finde, dass Uchenna (Megaloh, Anm. d. E-La und ich war deren erster großer Act. Reim-Szene gepustet und sich vorbei an den Red.) genau der Typ ist, der das heute vereint. Mit meinem Album habe ich mir dann richtig etablierten Vermarktungskanälen aus dem Und so schließt sich der Kreis. BACKSPIN hat Zeit gelassen. „Der beste Tag meines Lebens“ Untergrund heraus etabliert – auch über Pi- einfach das widergespiegelt, was Rap zum war gut vier Jahre her und von meinem er- ratensender, die illegal und mit viel Hingabe jeweiligen Zeitpunkt war und das alles auch sten Vorschuss war schon lange nichts mehr über FM und online sendeten. Die BACKSPIN immer gleichermaßen ernst genommen. Das übrig. Von dem zweiten habe ich die Hälfte war für mich, im Gegensatz zur Konkurrenz finde ich cool, weil wir – und ich ja auch – oft komplett in „TOL“ investiert. Das war alles so aus Süddeutschland, das echtere Hip-Hop- in einer Rolle sind, wo man das Gefühl hat, ein bisschen Halligalli. Ich hatte jetzt nicht das Im Nachhinein betrachtet, ist BACKSPIN eigentlich immer die ge- radlinigere, kredibilere Schiene gefahren.

Medium, von Szeneinsidern für Szeneinsider. dass einem Sachen in den Mund gelegt wer- Gefühl, ich bin komplett weg, aber von Seiten Max Herre über das Cover der Ausgabe #86 den, die dann gegen den ganzen Gangsta-Rap des Labels gab es auf jeden Fall kein großes Eine interessante Geschichte war hier: Da ha- ausgespielt werden. Das ist gar nicht, was wir Vertrauen in mich. Die haben zum Beispiel ben wir im Interview die Frage bearbeitet, wo wollen. gesagt: „Naja, du kannst ja beim Splash! er- Rap eigentlich steht und was so der nächste wähnen, dass dein Album kommt.“ Das war Rap-Typ ist. Alles zum Jubiläum von Freun- Kool Savas über das Cover der Ausgabe #89 so deren State of Mind für meine Promo. Aber deskreis. Da haben wir die These aufgestellt, Das war zu der Zeit, als „Tot oder lebendig“ heute gibt es ganz viele, die sagen, dass „TOL“ dass der nächste MC, der wirklich eine Rele- rauskam. Ondro hat damals das Cover-Shoo- ihr Lieblingsalbum ist, weil es vom Sound her vanz entwickeln wird, einer ist, der das gan- ting gemacht und ich hatte diese Plastikjacke die Ehrlichkeit von „Der beste Tag“ und dazu ze Streetrap-Ding mit dem Conscious-Rap an. Zu dem Zeitpunkt hatte ich eine ziemlich ein, zwei modernere Ansätze hat. Ich bin sehr verbindet. Das hat ja noch ein paar Jahre schwierige Labelsituation. Ursprünglich war glücklich über das Album und natürlich war länger gedauert und es gibt auch genug an- ich ja bei Subword, einem Sublabel von BMG. es übergeil, auf dem Cover zu sein. Trotz-

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 37 dem hatte man bei der BACKSPIN damals wichtig – und dann noch auf dem Cover. Das aber es waren halt lange die beiden einzigen so das Gefühl, dass sie der Back-up-Rapper hat mir gezeigt, dass ich der Shit bin. Dement- Hip-Hop- oder Rap-Magazine, wenn man von der Juice ist. Ihr wart in irgendeiner Form sprechend habe ich mich auch benommen. von der unsäglichen Bravo HipHop mal ab- der Zweite, aber im Nachhinein betrachtet, sieht. Juice waren lange so studierte Leute ist BACKSPIN eigentlich immer die geradli- Prinz Pi über das Cover der Ausgabe #97 aus München, das kam aus dem Süden. Die nigere, kredibilere Schiene gefahren, weil ihr Das war zu meinem Album „Neopunk“. Das haben immer versucht, alles sehr seriös und ein Team hattet, das sich über einen langen Album ragt als einziges Major-Album aus mit etwas Abstand anzufassen, jedenfalls ist Zeitraum gar nicht verändert hat. Die Qualität meiner Diskografie heraus. Damals haben die mir das so vorgekommen. Das fand ich auch ist immer sehr hoch gewesen. Ich meine: Ihr Leute das Album gehasst – heute fragen viele schön und gut bei der Juice. Die BACKSPIN, Ich fand die BACKSPIN immer etwas näher, handgemach- ter, vielleicht hier und da auch selbstgemachter – aber Hip-Hop lebt vom Selbermachen. hattet auf einmal Writer oder Breaker auf dem Fans danach und wollen, dass ich Songs da- da hatte ich den Eindruck, das sind halt so Cover. Das war schon was Besonderes. von live spiele. Das Album war radikaler prä- Hip-Hop-Heads aus dem Norden, das Layout sentiert, als es klang – die meisten Songs sind hatte lange noch diese Graffiti-Anklänge, es Sido über das Cover der Ausgabe #94 eigentlich ziemlich „normale“ Prinz-Pi-Songs gab auch immer viele Reports über Graffiti Da kann ich mich kaum noch dran erinnern. gewesen. Das Cover hat mich sehr gefreut. Es und so. Ich fand die BACKSPIN immer etwas Ich weiß nur noch, dass das Paul Ripke ge- gab auf das Album nicht sonderlich viel Lob, näher, handgemachter, vielleicht hier und da macht hat. Was mich bei dem Hemd und bei eher Abneigung. Das war eins der wenigen auch selbstgemachter – aber Hip-Hop lebt den Klamotten geritten hat, kann ich nicht sa- Magazine, die es positiv aufgenommen ha- vom Selbermachen. gen. Aber auf dem Cover zu sein, war schon ben. Es erinnert mich an diese kurze Episode wichtig, als ich mit Musik angefangen habe. in meinem Schaffen. Und an die BACKSPIN. Samy Deluxe über das Cover der Ausgabe #98 Darum war gerade das für mich ein Symbol, Sie war für mich nie eine Antipode zur Juice, Das war eher am Ende der Deluxe-Records- dass ich es geschafft habe. Stattzufinden war die Magazine finde ich schwer vergleichbar, Zeit, da waren plötzlich nur noch Tua und Ali auf

38 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 meinem Label. Wenn ich Ali hier so sehe, ist das tur behandelt wurden, was für mich zwar nicht re- Sebasten Andrej Schweizer über das Cover natürlich superlustig, er hat ja ungefähr 70 Kilo ab- levant war, aber dennoch cool für Hip-Hop. der Ausgabe #110 genommen und ist jetzt voll der Pretty Boy. Und Na klar, kann ich mich an unser Cover erinnern. Tua sieht aus wie ein russischer Auftragsmörder. Niko Hüls über das Cover der Ausgabe #103 Das war kurz vor dem Release von „Raop“ und, Eigentlich ein guter Zeitpunkt in meiner Karriere, Eine sehr wichtige Ausgabe für mich persönlich, ich glaube, unsere erste Cover-Story überhaupt weil ich mich danach wieder ein bisschen mehr aber in gewisser Weise auch für die BACKSPIN als Label. Das war natürlich etwas Besonderes für auf mich selbst konzentriert habe, was meiner mu- selbst. Es war der Neustart. Die Neuausrichtung uns alle. Niko hat uns für das Interview in unserem sikalischen Karriere sehr gutgetan hat. des Magazins, verbunden mit Veränderungen damals gerade neu bezogenen Büro in Stuttg- im Layout und der Struktur bis hin zum Logo art besucht. Wir saßen draußen auf dem Balkon, Das war kurz vor dem Release von „Raop“ und, ich glaube, unsere erste Cover-Story überhaupt als Label. Das war natürlich etwas Besonderes Elvir Omerbegovic´ über das Cover der Aus- und der Zielsetzung. Darum war das Zitat auch es war schönes Wetter und wir haben über den gabe #102 so treffend, das wir fürs Cover gewählt hatten. ganzen Wahnsinn und die schon lange Geschich- Insgesamt wären es ja sogar zwei Cover, erst das Denn auch wenn es so ausgesehen hatte, waren te von Chimperator gesprochen. War ein schöner Kollegah-Cover. Und dann natürlich das Cover wir nie weg. Nur die Schwerpunkte hatten sich Moment, die ganze Arbeit zum „Raop“-Album war zum Label. Wir waren auch in einer guten Situa- verschoben. Und die Neuausrichtung brauchte erst mal getan. Der Stress darüber, ob wir selbst tion, es war eine sehr aufstrebende Phase für uns ihre Zeit. BACKSPIN habe ich selbst als Konsu- oder mit einem Major releasen sollen, war vorbei und vor allem schön, das erste Cover 2008 zu er- ment von Ausgabe #001 an begleitet, da war und die Verhandlungen waren durch. Im Grunde halten. Aber auch das Selfmade-Cover war sehr es schon ein besonderes Gefühl, mit Ausgabe war alles erledigt und wir wussten, das ganze Ding cool, sehr vorausschauend von der BACKSPIN, #103 die Chefredaktion zu übernehmen. Vor wird demnächst durch die Decke gehen. Und dann wie man heute sieht. Die BACKSPIN war immer allem mit dem Wissen, mit Dennis Kraus den saßen wir da in der Sonne und haben zurückge- ein wichtiges Hip-Hop-Kulturgut, da dort neben Vorgänger noch fest an meiner Seite zu wissen. schaut wie alte Männer. Die BACKSPIN war, glau- Rap ja auch noch alle weiteren Elemente der Kul- Nur so konnte der Neustart gelingen. be ich, das erste Hip-Hop-Magazin, das ich mir

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 39 gekauft habe. Das war irgendwann 1997 in Basel gen gibt es genauso im Rock. Und, naja, ich bin te mit der Freude darüber, dass wir wieder und ich habe mir sie eigentlich nur wegen dem zufrieden, weil ich diesen Satz immer noch genau ein Magazin in der Hand halten werden. Auf Graffiti-Teil geholt. Ab da habe ich mir dann jede so unterschreiben würde. Ich sage nur: „Türlich, si- der anderen Seite in der Gewissheit, dass es Ausgabe geholt und bei jedem Umzug geflucht, cher, Digga, du weißt, ein Fuchs muss tun, was ein vielleicht zunächst die letzte Ausgabe sein weil die Scheißdinger so schwer sind, ich sie aber Fuchs tun muss! Das kannst du auch deinem Babo kann. Dazu an anderer Stelle mehr. Aber es nie wegschmeißen wollte. sagen. Bevor ich du wäre, wäre ich lieber ich.“ Ich ist schon eine große Last und Würde, die muss zugeben, dass ich schlecht Magazine lesen man auf den Schultern hat, wenn man eine Es ist schon eine groSSe Last und Würde, die man auf den Schultern hat, wenn man eine BACKSPIN macht. Nicht nur 22 Jahre Magazin-Geschichte stecken darin, sondern auch eine Menge Erinnerungen

Thees Uhlmann über das Cover der Ausgabe kann, in denen ich selbst stattfinden könnte. Das BACKSPIN macht. Nicht nur 22 Jahre Maga- #114 macht mich unruhig und ich hasse es, meinen zin-Geschichte stecken darin, sondern auch Natürlich ist es absurd, dass ICH es auf das Cover eigenen Namen zu lesen. Und so ist BACKSPIN eine Menge Erinnerungen für jeden da drau- eines Hip-Hop-Magazins geschafft habe, wenn für mich ideal, weil ich es immer noch liebe, über ßen, der sich mal mit Hip-Hop beschäftigt hat. auch nicht mit meiner Fresse, sondern nur mit Musik zu lesen. Ich sage einfach nur: dreimal den BACKSPIN wird immer weiterleben. In wel- einem Satz. Aber schon meine Tochter hat gesagt, Kaffee aus dem ICE, die Strecke Berlin bis Köln, die cher Form, zeigen Gegenwart und Zukunft.B dass ich zu hässlich bin und deswegen auf meiner neue 11 Freunde, die Rock Hard und die BACK- ersten Soloplatte nur von hinten drauf bin. Das ist SPIN – das könnte das Paradies sein für mich. weise und ihr seid einfach nur gefolgt. Das finde ich gut. Aber ich werde eben auch nicht müde, Niko Hüls über das Cover der Ausgabe #118 die Einigkeit der Kunst zu betonen. Nicht mit allen Es ist schon eine schwierige Sache, diese Knallchargen aus eurer Szene, aber die Knallchar- Ausgabe hier zu machen. Auf der einen Sei-

40 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Frank Petering 1994 - 2003

Sebastian Rohde 2003 - 2010

Goran Tesanovic 2010 - heute

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 41 42 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 43 44 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 45 46 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 47 48 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 49 50 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 51 52 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Frühling / Sommer 2018 #118 BACKSPIN 53 54 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Frühling / Sommer 2018 #118 BACKSPIN 55 TALES OF A

DIRTY OLD tränen Flüchtlingswelle und das Schicksal des oben ge- die dem Stacheldrahtwahn an den südlichen nannten Kindes ein Interview mit der reichsten Grenzen zum Opfer fielen, eine lange Nase. Bei Frau Deutschlands. Geil! Wie wenig Empathie diesen Eigenschaften sehe ich Parallelen zu uns besitzt die Medienmaschinerie in Deutschland Writern, auch wenn wir durch alles andere als denn noch? Wäre es zu viel gewesen, dem ob- wirklich existenzielle Not getrieben werden. Da jektiven Journalismus, zu dem sich der Stern ja wird nur deutlich, dass wenn man etwas errei- gerne bekennt, mal so etwas wie Anstand abzu- chen will, es auch möglich ist. MAN verlangen und das nun wirklich wenig tagesak- All die gerade genannten Umstände habe ich tuelle Gespräch mit Frau Klatten auf die nächste zum Teil bei den übelsten Verfolgungsjagden Als das vergangene Jahr zu Ende ging, war ich oder übernächste Ausgabe zu verschieben und selbst schon erlebt – und das nur, um ein wenig sauer und traurig zugleich. Sie kamen und wa- dann eventuell die Reihenfolge im Heft etwas zu Farbe auf Zügen aufzutragen und nicht, um eine ren nicht aufzuhalten, die Tränen. Eine Emoti- überdenken? gute Lösung für die Zukunft meiner Familie zu onsregung, die mich dermaßen gepackt hatte, Die Art und Vorgehensweise des oben genann- finden. Man, sind meine Mitstreiter aus der Sze- dass ich nicht mehr wusste, wohin mit meiner ten Journalismus hatte meines Erachtens nach ne und ich verwöhnte Bengel! Wohlstandsbla- Wut und Trauer, wobei Letzteres überwog. Ein ein geringeres Niveau als jede Folge „Dschun- gen, die sich gegen ein System auflehnen, das Gefühl von totaler Ohnmacht, hervorgerufen gelcamp“ auf RTL. Ich gehe ja auch nicht los von seinem Wohlstand im Endeffekt doch nichts durch ein einziges Foto. Ihr habt es alle gese- und male Flüchtlingszüge mit Pieces voll, auch abgeben möchte. Da wird die einzige mensch- hen, das Bild des toten dreijährigen Alan Kur- wenn ich ganz bestimmt schneller bekannt wer- liche Regung unserer Kanzlerin Frau Merkel in di am Strand der türkischen Küste. In solchen den würde dadurch, da diese ja ständig in den all ihren Regierungsjahren, nämlich Asylanten Momenten hinterfrage ich den Sinn unserer Medien zu sehen sind. Oben hängen noch die aufnehmen zu wollen, vom rechten Flügel ih- westlichen Zivilisation. Wir, die so in unserer Zi- Beine eines Flüchtlings aus dem Zugfenster und rer eigenen Partei zugrunde diskutiert, sodass vilisation frei sind, dass wir zum Beispiel Graffiti darunter steht mein Name, und alle so: „Yeah!“ man eigentlich nicht mehr weiß, was nun gut als eines unserer protestlerischen Mittel sehen, Lieber würde ich kostenfreie Graffiti-Workshops oder schlecht ist. Und wer macht mit? Die Me- um unserer Stimme Gehör zu verschaffen. Wir, an Asylantenheimen durchführen, damit in den dienmaschine mit all ihrer Macht! Hoffentlich die so viel Geld besitzen, dass mal locker jeder tristen Alltag der Flüchtlinge wieder etwas Farbe kommen bald mal wieder ein paar zumindest etwas für das Gleichgewicht in unserer Welt tun kommt. Denn die hängen hier in Deutschland halbwegs schlaue Köpfe auf die Idee, dass Be- könnte, ohne dass wir unter irgendeinem Man- rum und dürfen monatelang bis zu ihren ersten richterstattung nicht nur reißerisch und Sen- gel leiden müssten. Anhörungsterminen warten und nichts tun. Viel- sationsgeilheit-befriedigend stattfinden sollte. Dieses Jahr, 2016 also, ist es so weit. Ap- leicht sollten wir, also wir Writer, diese Flücht- Menschlichkeit würde uns allen in unserer west- plaus, Applaus! Ein Prozent der Menschheit linge zu unseren Werkzeugen umfunktionieren lichen Wohlstandsgesellschaft guttun. Seht ihr besitzt mehr Reichtum als die restlichen 99 und ihnen das Sprühen nahebringen, dann die Zusammenhänge und die Unterschiede? Ich Prozent zusammen. Wenn das nicht ein Grund können die nervigen Salafisten diese nicht an- hoffe, ja, denn es gibt nichts, was uns weiter zu zum Feiern ist! Ungerechtigkeit ist ein Thema, werben. Schließlich bewiesen die Geflohenen unmenschlichen Wesen macht als das, was von bei dem mir der Kragen platzt. Leider müssen meistens ein unglaubliches Durchhaltevermö- uns erwartet wird: nämlich ein funktionierendes immer die darunter leiden, die am wenigsten gen und auch Geschick. Sie liefen tagelang Rädchen im Apparat „Kapitalistisches System“ dagegen unternehmen können und dann geht durch die unwirtlichsten Gebiete, scheuten kei- zu sein. ein Magazin wie der angesehene Stern her und ne Risiken, um in die Region der Welt zu kom- bringt in der Ausgabe 38 vom 10. September men, die ihnen Gutes verhieß, sie schafften es In diesem Sinne! Euer dreckiger, alter F…¿ 2015 gleich nach einem langen Bericht über die durch alle Umzäunungen und zeigten all denen,

56 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016

Interview: Mark Todt Fotos: Crank

CRANK WH IFC Ein Familienvater gibt Gas Schaut man sich im Internet die Blogs an, die sich mit Graffiti auf Güterzügen befassen, taucht immer wieder ein Name auf: Crank. Mal sind es Wildstyles, mal Wholecars mit seinen Crewmitgliedern, mal Throw-ups. Es ist immer irgendetwas von ihm dabei. Es scheint, dass er in den Güterdepots Europas zu Hause ist. Dabei kommt er nur aus Belgien. Er gibt halt richtig Gas. Kaum jemand schafft es, so dauerhaft und so massiv ins Auge zu stechen wie er. Im ersten Moment denkt man, er muss jeden Tag unterwegs sein. Aber dem ist nicht so. Er schaffte es, den Spagat zwischen dem normalen und seinem Graffiti-Leben zu handeln. Daher gebührt ihm zum Teil mehr Respekt als dem arbeitslosen Single, der stetig auf Speed eine Gurke nach der anderen malt. Denn neben der Menge, die Crank produziert, versucht er, mit diversen Styles zu glänzen, die – zugegeben – nicht jedermanns Sache sind, aber dennoch darauf schließen lassen, dass er sich mit der Materie mehr als nur oberflächlich befasst. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein bisschen Crank.

Wie alt warst du, als du mit Graffiti angefangen bombte ich alles: Wände auf der Autobahn, an der kann damit umgehen, aber es ist einfach der be- hast? Line, Güterzüge und Passagierzüge. Ich fand die schissenste Aspekt von Graffiti. Ich war ungefähr elf. Ich kann mich daran erin- verschiedensten Aktionen toll. Mit 23 wendete ich nern, dass mein Bruder und seine Freunde darü- mich dann fast vollends den Güterzügen zu. Man Wie sehr beeinflussen deine Umgebung, Fami- ber sprachen, es aber selbst nie machten. Kurz kann in den Spots entspannt malen. Und als ich lie, die Gesellschaft usw. dein Graffiti? danach fingen mein bester Freund und ich an, herausfand, dass die Dinger ewig fahren und weite Ich weiß nicht. Darüber habe ich nie nachgedacht. Skizzen zu machen und die Stadt vollzutaggen. Distanzen zurücklegen, konnte mich nichts mehr Ich mache keine Skizzen mehr und plane auch Mein erstes Piece habe ich mit 14 gemacht. bremsen. Was kann man sich als Writer denn mehr nicht mehr wirklich. Ich gehe einfach raus, packe wünschen? Von da ab war mein Fokus nur noch meine Dosen und male. Ich denke, dass meine Wie alt warst du, als du deinen ersten Güter- auf Güterzüge gerichtet. tägliche Routine und der Scheiß, der in der Woche waggon bemalt hast? passiert, mich schon irgendwie beeinflussen. Da war ich zwanzig. Wann hast du deinen letzten Passagierzug be- malt? Belgien ist nicht bekannt dafür, in Sachen Politik Versuch mal, die Entwicklung, durch die du in 2007. sehr stabil zu sein. Was denkst du darüber? der Graffiti-Szene gegangen bist, zu beschrei- Politik ist mir ziemlich egal. Die machen da oben ben! Was liebst du am meisten an Graffiti und was doch eh, was sie wollen. Solange ich einen Job Ich bin geboren und aufgewachsen in Limburg, hasst du? habe, mit dem ich meine Familie finanziell ver- was der nordöstliche Teil Belgiens ist. Die ersten Das, was ich am meisten daran liebe, ist, dass ich sorgen kann, ist es okay für mich. Eins, was mir Einflüsse kamen durch Graffiti aus der Stadt Has- für einen Moment der Realität entfliehen kann. allerdings auf dem Herzen liegt, worüber ich selt. Damals gab es noch kein Internet. In meiner Ich mag es, mich mittels Dosen auf einem Unter- mich aufrege, ist, dass der Zusammenschluss Stadt war ich der Einzige, der Graffiti sprühte. Alles grund ausdrücken zu können und kreativ zu sein. der Europäischen Union alles abgefuckt hat. Ich änderte sich, als ich mir ein Auto kaufte und arbei- Ich kann meinen Kopf leeren und den ganzen bin der Meinung, dass die Menschen eine besse- ten musste. Ich fing an, herumzufahren. Da war ich Stress zurücklassen. Es ist eine Art Therapie. Ver- re Zukunft ohne gehabt hätten. Das einzig Gute 19. Ich traf Leute mit den gleichen Interessen und dammt, ich liebe das! Was ich am meisten hasse, daran ist doch nur, dass man auf Reisen kein Geld von da ab explodierte es regelrecht. Zu der Zeit ist die Rivalität in der Szene. Ich hasse Beef. Ich wechseln muss.

58 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 „Ich hasse Beef. Ich kann damit umgehen, aber es ist einfach der beschissenste Aspekt von Graffiti.“

Hat denn die Instabilität des belgischen Staates weiß, wie ein typischer Belgier aussieht. Was meisten Güterspots wird 24/7 gearbeitet, also ist einen Einfluss auf deine Graffiti-Routine? auch immer: Ich wurde hier geboren und aufge- die beste Zeit von Samstag auf Sonntag, wenn Irgendwie schon, ja. Hier ist nicht alles so streng. zogen. Da es hier früher viele Kohleminen gab, nicht gearbeitet wird. Das ist perfekt für mich, da In Holland gibt es überall Zäune um die Depots lebe ich in einer multikulturellen Gegend. Viele ich einen Vollzeitjob und eine Familie habe, um und auch an der Line. Das gibt es in Belgien Gastarbeiter aus der Türkei, Polen oder Italien die ich mich kümmern muss. nicht. Vielleicht an dem einen oder anderen haben in den Minen gearbeitet und wohnen im- Passagierzugdepot, aber nicht überall. Graffiti mer noch hier. Meine Großeltern stammen aus Was genau bedeutet dir Graffiti? Würdest du gehört nicht zu den Prioritäten der Polizei. Ich Polen. Sie sind hierhergezogen, um in den Minen eine Nacht mit Dosen denen einer Nacht mit ei- glaube, mit einem guten Anwalt kann man durch zu arbeiten. Meine Eltern haben mich so erzogen, ner Frau bevorzugen? jedes Hintertürchen schlüpfen und ein freier dass ich vor jeder Kultur Respekt habe und ich Ich kann mir mein Leben ohne Graffiti nicht mehr Vogel ohne Strafe sein. Für Ausländer sieht es bin glücklich, dass sie dies getan haben. vorstellen. Ich kann mir noch nicht mal mehr allerdings anders aus. Ich kenne eine Story von vorstellen, wie es ist, einen Tag nicht daran zu einem deutschen Writer, dessen Auto von der Was ist dein belgisches Lieblingsgericht? denken. Graffiti ist mein Antrieb. Es bedeutet mir Polizei beschlagnahmt wurde und er es niemals Belgische Endivien eingerollt in Schinken mit Kä- sehr viel. Ich drücke es dadurch aus, dass ich wiederbekam. Der liebt Belgien wahrscheinlich. sesoße aus dem Ofen, dazu Kartoffelpüree. immer noch draußen bin und abgehe. Dadurch bleibe ich am Leben. Die meisten machen Graf- Würdest du sagen, dass du ein typischer Belgier Wie oft in der Woche gehst du malen? fiti als temporäres Hobby und hören nach einer bist? Ich versuche, einmal die Woche etwas zu ma- gewissen Zeit auf. Ich verstehe diese Leute nicht, Ich bin gemischtrassig, aber ich sehe mich als chen. Ich habe hier keine kleinen Lay-ups, in de- die sich eine Graffiti-Karriere aufbauen, die ge- hundertprozentigen Belgier, auch wenn ich nicht nen man jeden Tag etwas machen könnte. In den rade mal fünf Jahre anhält oder so. Für mich ist

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 59 „Ich entscheide mich meistens für die Dosen, aber die sechs Nächte davor für meine Frau.“

Graffiti eine Lebensein- stellung, etwas, mit dem man zu Bett geht und mit dem man aufwacht. Ich denke, ich ste- dachte ich, es wäre ein Auto, aber cke viel zu tief drin, um überhaupt aufhören zu als ich unter den Zug schaute, sah ich zwei Bullen können. Es ist wie eine Sucht, von der man nicht auf uns zukommen. Also rannte ich los. Auf dem Das habe ich noch nie. loskommt. Ich entscheide mich meistens für die Weg nach draußen warnte ich noch die anderen, Dosen, aber die sechs Nächte davor für meine aber wir verloren uns in der Aufregung. Nach Würdest du eigentlich gerne Geld mit Graffiti Frau. (lacht) einer halben Stunde rief ich Nase an, der mittler- verdienen? weile unter einem Flachwaggon lag und immer Nein. Ich respektiere die, die es machen, aber für Wann und warum musstest du das letzte Mal noch nicht wirklich wusste, was eigentlich abging. mich kommt das nicht infrage. Ich denke, dass wegen Graffiti rennen? Ich erzählte ihm, was los war und dann hörte er wenn ich jeden Tag an einem Projekt arbeite, es Um Weihnachten 2014. In einem Lay-up standen Geräusche und legte auf. Kurze Zeit später rief er mir keinen Spaß mehr machen würde und es die grünen belgischen Planenwaggons. Der Spot mich wieder an und erzählte mir, dass er die Bullen stressig und unproduktiv wird. Ich bin sicher, ist ein wenig ätzend, da er direkt neben einem dabei beobachtet hätte, wie sie an meinem Auto dass ich aufhören würde, Güterzüge zu bemalen, der größten Containerterminals des Landes liegt. rumstanden und riefen: „Kommt raus, wir haben da es zu viel für mich wäre. Es ist gut so, wie es Es war unter null Grad Celsius und es hatte den euch!“ und so einen Quatsch. Ich sagte ihm nur, er jetzt ist. Tag über geschneit. Securitys hatten anscheinend solle Wrong packen und dass wir uns dann verpis- mein Auto gesehen, als Nase, Wrong und ich ins sen sollten. Ich holte am nächsten Tag mein Auto Bist du denn der Meinung, dass Graffiti Kunst Yard gegangen waren. Als ich mein erstes Bild fer- ab und habe im Nachhinein nichts davon gehört. ist? tig hatte, hörte ich ein paar Geräusche, kümmerte Glück gehabt! Nein, echtes Graffiti ist Vandalismus. Damit will mich aber nicht weiter darum. Als ich anfing, ich nicht die Writer diskreditieren, die nur legal ein paar Throw-ups zu machen, sah ich auf ein- Wie oft verfluchst du den Tag, an dem du mit malen, denn es ist ja schon schön, all diese selt- mal Taschenlampenlicht auf meinen Füßen. Erst Graffiti angefangen hast? samen Techniken und Fähigkeiten zu beobach-

60 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 ten. Ich respektiere es, dass manche jedem den Respekt, den er verdient. Wenn du in dieser Crew, dass es für mich eine Ehre ist, da- Leute diese irren Masterpieces mit einmal deinen Partner in Crime gefunden hast, bei zu sein. Charactern malen und ich schaue es geht alles viel einfacher und du wirst es am Ende mir auch gerne an. Jedoch ist echtes nicht bereuen. Man findet Freunde fürs Leben. Würdest du deinen individuellen Namen hinter Graffiti für mich illegal. Es geht darum, den einer Crew stellen? das Piece zu malen – es geht um den In welchen Crews bist du denn? Ich mache gerne mal ein Crew-Piece, aber das Ort, den Stress, die langen Nächte drau- Im Moment repräsentiere ich IFC und WH. Nase hängt davon ab, was ich vorher gemacht habe. ßen, die verrückten Chases, das Bomben und und Kaye kamen mit der Idee an, die International Manchmal habe ich eine gute Idee für ein Crew- darum, dass deine Sachen auf Gütern gesehen Freight Connection zu gründen, als Kaye und Eris Piece oder eine besondere Produktion und dann werden. Ich werde auch nie ein Fan von Street- in Belgien zu Besuch waren. Es ist schön, eine versuche ich, es zu realisieren. Ich liebe es, mei- Art, die Sorte von Graffiti, die jeder mag und als Verbindung mit Leuten aus anderen Ländern ne Crews zu pushen, aber plane, nicht nur Crew- Kunst bezeichnet. Allerdings: Wer bin ich, so et- zu haben. Das Reisen wird angenehmer, wenn Pieces zu malen. Vielleicht hört sich das etwas ego- was zu entscheiden? man vor Ort Leute hat, die die gleiche Sicht der istisch an, aber ich liebe es, unter meinem eigenen Dinge teilen und Güterzüge mit einem bemalen. Namen zu arbeiten. Dennoch schreibe ich immer Wie wichtig ist die Freundschaft in der Graffiti- Ich habe keine Sekunde gezögert, als Nase mich stolz die Crew-Namen neben meine Bilder. Welt? fragte, ob ich bei der IFC mitmachen wolle. Dann Sehr wichtig! Freundschaft innerhalb einer Crew muss man sagen, dass die Güterszene in den Was muss man mitbringen, um malen ist alles! Ich war früher in einer Menge Crews, in USA wesentlich größer ist als hier. Ich nehme all gehen zu können? denen es nicht so lief, wie ich es mir vorgestellt die hardcore Bomber von dort wahr und checke Man sollte etwas Erfahrung und Wissen bezüg- hatte. Ich habe aus diesen Erfahrungen gelernt regelmäßig das Internet diesbezüglich ab. Als GS lich Güterzügen haben. Man sollte nicht paranoid und es ist alles ein Teil des Erwachsenwerdens und Sicks mir alles über die Szene dort erzählten, sein und entspannt. Ich mache keinem Vorschrif- innerhalb der Szene. Es ist sehr wichtig, Leute öffnete sich eine neue Welt für mich. Ich zöger- ten. Mir ist es egal, ob du besser bist als ich oder mit denselben Interessen zu treffen, auch in der te auch hier nicht, als sie mir anboten, bei WH immer noch Toy-Pieces malst. Solange ich eine Graffiti-Welt. Man teilt die gleichen Ideen und gibt mitzumachen. Es sind so viele talentierte Writer gute Zeit mit dir habe und ich mich nicht wie ein

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 61 fiti zu machen. Ich kann Was ist dir wichtiger, groß oder stylish? Babysitter fühlen dann so viele andere Spots und Modelle auspro- Ich entscheide mich für stylish. Wenn man Güter- muss, ist alles okay. Und natürlich musst du lang- bieren, außerdem trifft man coole andere Leute. züge bemalt, hat man immer viel Platz für seinen samer rennen können als ich. (lacht) Ich bin keiner von denen, die sich mit ein, zwei Scheiß. Wenn man es mit den USA vergleicht, Spots im Leben zufrieden geben. Rausgehen, ist es so, dass die immer groß malen müssen, Wie hast du deinen Stil entwickelt und wo kom- neue Stellen finden und neue Felder beackern, da schon fast alles voll ist und man immer über men deine Einflüsse her? darum geht es doch. irgendwas drübergehen muss. Große Pieces Ich war schon immer ein riesiger Fan von Wild- benötigen immer mehr Energie und Farbe. Viel- style-Graffiti. Anfänglich kam jeder Einfluss von Auf fast jeder Güterzug-Spotter-Website sehe leicht, wenn ich alles gemacht habe, fange ich an, allem, was ich in Sachen Graffiti wahrgenommen ich Pieces von dir. Ist dir das wichtig? große Produktionen oder Wholecars zu malen. hatte – sowohl auf der Straße als auch in Maga- Ja, natürlich. Ich mache es nicht, um im Internet Die Zeit wird es zeigen. zinen. Später kam die Entwicklung durch die Leu- vertreten zu sein, aber es ist doch cool, wenn te, mit denen ich malen gegangen bin. Viele sa- andere Leute deine Sachen so toll finden, dass Hast du irgendwelche anderen Hobbys? gen, dass mein Style so aussieht wie der von Vero. sie Fotos davon machen und diese dann online Ja, Autorennen. Ich besitze einen umgebauten Irgendwie ja, aber wir beide denken, dass es sehr stellen. Es ist ein gutes Gefühl, so up zu sein, Opel Corsa A, mit dem ich gerne auf den Straßen unterschiedlich ist, was wir machen. Der Bubble- aber es macht auch süchtig und man will auto- heize oder auf der Rennstrecke fahre. Ich gehöre Style, den ich male, ist der schnellste, um viel zu matisch immer mehr machen. Wenn ich manch- allerdings nicht zu den Idioten, die zu den Tuner- machen. Wenn ich jedoch mit Crew-Mitgliedern mal nur ein schlechtes Foto von meinem Piece Events fahren und zeigen, wie tief sie ihr Auto le- eine Produktion mache, dann male ich meistens bekomme, freue ich mich, wenn jemand ein bes- gen können und wie viel Musikequipment in die leserlich, damit es besser zusammenpasst. Ich seres gemacht hat, damit ich es mir dann online Karre passt – das ist der letzte Scheiß. Originale, mag meinen eckigen Style am meisten. Meiner klauen kann. schnelle, schöne Autos vorbeifahren zu sehen, Meinung nach ist er der originellste von den dreien das ist etwas, was mich erfreut. und sieht aus, als wäre ich mental krank, was sich Machst du nur Fotos von deinen Pieces oder fo- sehr gut mit meinem Namen deckt. tografierst du auch Bilder von anderen? Wohin wird die Güter-Graffiti-Szene noch ge- Ich fotografiere viel, besonders das, was auf Gü- hen? Wie wichtig sind dir die Wurzeln aus New York? tern herumfährt. Ich liebe es, an den Schienen Ich denke, dass noch viel mehr Writer anfangen Das, was da passiert ist in der Vergangenheit, herumzusitzen oder durch ein Yard zu laufen, da- werden, Güter zu bemalen. Allerdings weiß man muss eine wunderschöne Erfahrung gewesen durch weiß man, wer up ist und was fährt. Hinzu hier in Europa nie. Die Szene, die nur Passagier- sein. Graffiti in seiner pursten Form. Ohne das kommt: Wenn man Güter-Benching betreibt und züge bemalt, ist sehr, sehr groß. Die Passagier- wäre Graffiti nicht das, was es heute ist. Persön- die eigenen Sachen vorbeifahren, ist das ein ver- zug-Writer denken immer noch, dass Güterzug- lich muss ich sagen, dass ich die Geschichte gut dammt gutes Gefühl. Es ist einfach ein unglaub- Graffiti nicht real ist und nicht viel bedeutet. Ich genug kenne, allerdings ist mir nicht jedes kleins- liches Gefühl, seine eigenen Sachen fahren zu hoffe, dass es lange so bleibt. Wir werden sehen. te Detail wichtig. Ich bin mehr daran interessiert, sehen, manchmal sogar Jahre später. Deswegen was in Europa in den späten Achtzigern und den bin ich wahrscheinlich auch so auf Gütern hän- Shout-outs? frühen Neunzigern geschah. gen geblieben. Danke an all die Writer, die ich all die Jahre treffen durfte. Die, die mögen, was ich tue und die, die Hast du Idole? Gibt es ein Piece von diesem Jahr, das dir mich hassen. Die, an die ich mich gerne erinne- Nicht wirklich. Ich bin nicht der Typ, der zu je- am meisten gefällt oder das du am meisten re und die, die mir Albträume bereiten. Ihr habt mandem aufschaut, egal, ob es mit Graffiti zu tun hasst? mich zu dem gemacht, was ich bin. Ein dicker hat oder nicht. Ich jage immer meinen eigenen Yeah, ich habe einen bunten Wholecar gemalt. Gruß an alle von der IFC und WH. B Zielen und Idealen hinterher. Es war nicht das schönste Piece, aber die Ak- tion war cool. Mit einer Tonne Sprühdosen Wie wichtig ist es dir, zu reisen und dabei und einer Leiter ins Yard rennen und dann für zu malen? sechs Stunden sprühen, das war unbezahlbar. Ich muss das nicht machen, da die Güterwag- Ich male eine Menge hässlicher Sachen, aber gons ja den Job für mich erledigen. Natürlich zum Glück erinnere ich mich nie lange an diese mag ich es, zu verreisen und dann auch mal Graf- Bilder.

62 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016

Snow21 ”Es geht um Fame. Alles andere ist Tuntengehabe!“

Interview: Oliver Bartelds Fotos: Snow 21

„Ich rolle über Leipzig wie ein Bus“, sagt Snow21. Er ist einer der wenigen Writer, die es geschafft haben, über Dekaden hinweg mit einer Region identifiziert zu werden. Eiskalt und kompromisslos hinterlässt Snow seine Spuren in der Stadt. Er ist ein Bomber, wie er im Buche steht. Der Mann ist schwer beschäftigt, doch um die folgenden Fragen zu beantworten, legte er ein kurze Pause ein.

Moin Snow, danke, dass du Zeit für dieses Inter- Wenn sich die Stellen wiederholen, liegen oft eini- einfach an deinen Sachen vorbei. Es gibt nur view gefunden hast. Lass uns gleich loslegen! ge Jahre dazwischen. Bis dahin verblassen auch wenige Orte, wo das ähnlich ist. Chintz zum Du bist seit über zwei Jahrzehnten aktiv. Wie die Erinnerungen daran, wie es war, sie zu malen Beispiel steht für das Ruhrgebiet, in Hamburg war es, als du damals mit Graffiti begonnen und wie die Umgebung gegenüber dem heutigen hat Oz Zeichen hinterlassen, die noch über Jah- hast, und wie fühlt es sich jetzt an? re das Stadtbild prägen werden. Du wirkst seit Zeitpunkt aussah. Deswegen – und wegen der vie- über zwei Jahrzehnten in Leipzig, welche Be- Obwohl sich die Abläufe ähneln und sich vieles len Medikamente – fühlt es sich wieder wie neu an. deutung hat diese Stadt für dich? routinierter abspielt, besteht immer noch eine Spannung vor, während und nach der Action. An prominenten Spots in der Innenstadt ste- Ich rolle über Leipzig wie ein Bus! Die Stimmung der Nacht wie auch die gesamte hen einige Pieces von dir seit Jahren. Wie Atmosphäre haben nach wie vor ihren Reiz. nimmst du deren Veränderung und die der Lass uns über Style sprechen. Deiner war früher Umgebung wahr? eher klassisch, mittlerweile erkenne ich beim Be- In einer so langen Zeit des Wirkens hast du ja Die Bilder werden dreckiger und die Umgebung trachten deiner Pieces eine große Freude an der Verbiegung von Buchstaben in Richtung eines un- manche Stellen mehrfach bedient. Fühlt sich wird sauberer. das Malen beim zweiten oder gar dritten Mal verwechselbaren, knorrigen Characters mit unor- thodoxen Verbindungen und ohne Schnörkel. Wie anders an? Wenn man sich in Leipzig bewegt, kommt man würdest du deine Entwicklung beschreiben?

64 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 In den ersten Jahren waren ein schönes ästhe- schäftigung bei Buchstaben kaum ergibt. Aber Der eine Buchstabe ist ein Teil und wird zum an- tisches Erscheinungsbild und eine gewisse Sym- stilistisch sehe ich bei einigen einen Ansatz des deren. Dadurch ändert sich etwa der klassische metrie und Ausgewogenheit wichtig. Sauberkeit, Suprematismus. Die Vertreter dieser Zeit wollten Aufbau eines Wortes und es wird gegenständlich ein gerader Strich und harmonische Farben sich auch von der Doktrin loslösen, so ähnlich, abstrakt. Das hat etwas von Kubismus oder auch standen im Fokus. Mittlerweile ist das zu wenig wie es vorher die Impressionisten taten. Irgend- Fauvismus, der mich gerade interessiert. – und das schöne Piece auf Dauer zu langweilig wann wird es einfach auch langweilig, ande- und einfach nur dekorativ. Ich versuche, Formen re zu wiederholen. Und aus dem Drang, etwas Es macht den Anschein, als wärst du zum Malen zu kreieren, die auf den ersten Blick unlogisch vermeintlich Neues zu kreieren, entstehen dann häufig allein unterwegs? erscheinen. Mich interessieren momentan auch neue Kunstrichtungen. Aufgefallen ist mir das bei Das täuscht. (lacht) scheinbar perfekte Bilder und schnell erfass- einem Besuch in Frankreich. bare Harmonien nicht. Ein funktionierendes Bild Wie planst du deine Aktionen? Malst du die zu malen, ist ja auch nicht schwer. Ich finde es Wie setzt du Farben ein? Der Snow-Klassi- Spots eher spontan oder geplant? reizvoll, aus simplen Buchstaben coole Verbin- ker zeichnet sich meiner Ansicht nach durch Oft reicht es, eine Stelle am Tag zu sehen, sich dungen zu schaffen und von dem Grundgedan- schwarzes Fill-in mit weißer Outline aus … kurz umzuschauen und sie zur gegebenen Zeit zu ken, ein Wort zu verformen, wegzukommen. Die Durch Farben ergeben sich optisch einige Sachen, malen. Gibt es allerdings eine konkrete Idee oder Ursprungsform eines Buchstabens muss auch sie können Stimmungen wiedergeben. Aber ei- ist die Umgebung etwas unübersichtlich, wird nicht unbedingt das Grundgerüst für einen ge- gentlich brauchen Buchstaben keine Farben. Sie schon länger geplant. stylten Schriftzug sein. Fantasie ist wichtig. Zu sind oft überflüssig und reine Effekthascherei. viele Gedanken begrenzen. Dass da noch viel Welche Rolle spielen dabei Züge für dich? geht, sehe ich mit Freude auch bei einigen an- Was ist dein persönlicher Favorit in diesem Jeder Untergrund spielt eine Rolle! deren. Jahr? Es ist zwar noch zu harmlos, aber das Schwarz/ Wie bist du auf deinen Namen gekommen und Wessen Pieces sind das – und warum? Chrom gefällt mir ganz gut. Es sind nicht mehr welche Bedeutung hat hierbei die Zahl 21? Es ist mehr der Trend als einzelne Bilder. Writing nur einzelne Buchstaben, die schön nebenei- Es gab mal die Überlegung, in jedem Stadtteil ist nur bedingt kunstvoll, da sich die geistige Be- nander stehen oder sich irgendwie verbinden. von Leipzig mindestens einmal zu malen. Sich sozusagen in alle Himmelsrichtungen zu verbrei- Qualität dadurch nicht gleichsam besser. Geht es Graffiti ist eine Egoshow. In der geht es um Fame. ten. Ein Akronym aus den Himmelsrichtungen um Wirkung, brauchen die kleineren Bilder nur Alles andere ist Tuntengehabe. ergibt Snow. Da niedergegangener Schnee alles die passende Stelle und stehen so den größeren überdeckt, passt das wiederum zu dem ersten Bildern in nichts nach. Hast du einen grundsätzlich anderen Ansatz bei Gedanken. Außerdem steht die Zahl dreimal für der Arbeit im Atelier und der auf der Straße? die sieben Todsünden. „Der Kosmos des Snow entspricht der Rolle Im Atelier spielen Namen oder Buchstaben kei- eines getarnten David, dessen Goliath das Ver- ne Rolle. Es geht vor allem um Geschichten, In den letzten Jahren wurden viele deiner Ar- gessen scheint“, steht hierzu auf deiner Web- Erlebnisse und Themen, die mich beschäftigen. site. Ich erkenne hier auch eine Parallele zum beiten immer kleinformatiger, was ja geradezu Im Atelier herrscht auch eine völlig andere Stim- Mythos des Sisyphos wieder, den man sich auf- einen Gegentrend zur aktuellen Entwicklung mung. Mehr Zeit, andere Gedanken. Stilistisch in der Szene darstellt. Entschleunigung des grund der ständigen Präsenz seiner Aufgabe ja überschneidet und ergänzt es sich aber auch. Wachstums nennst du diesen Ansatz der klei- als glücklichen Menschen vorstellen darf. Hand nen Pieces, was steckt noch dahinter? aufs Herz, was treibt dich immer wieder raus? Wir haben ja leider nicht mehr die Rubrik „Wri- Die kleineren Formate gehen schneller – was Es geht darum, etwas Sinnvolles zu machen und terstorys“ in unserem Heft, aber magst du viel- zum einen das Risiko mindert und zum anderen Konflikten zu begegnen, etwas zu erschaffen leicht noch eine Anekdote zum Besten geben? einfach auch Spaß macht. Der Schwung kommt und Freude an dem Ganzen zu haben. Malen ist Ich hatte im Winter mal eine Verfolgung. Da fast mehr aus dem Handgelenk, was dem Bild ei- auch ein Spiel zwischen Körper und Geist. Stim- überall Cops waren, war die einzige Chance, zu nen anderen Touch gibt. Zum anderen spielt die mungen, Empfindungen und die Abwechslung entkommen, auf der anderen Seite von einem Größe in der Welt eine bedeutende Rolle. In der zwischen Tag und Nacht lassen sich spürbar er- recht breiten Fluss. Kälte ist kein Problem. Graffiti-Welt ist das ja nicht anders. Diesem Trend leben. zu folgen, hat auch was von Anpassung. Etwas Was kommt als nächstes – ich vermute, du wirst weiterzuentwickeln und zu verbessern, geht häu- Auf deiner gut gepflegten Website erhält man keinen Winterschlaf halten!? fig mit der Vorstellung einher, es größer oder regelmäßige Updates mit Videos und Ausstel- Zu jeder Vita gehört eine Publikation. B schneller zu machen. Zum einen ist das ganz lungshinweisen. Welche Rolle spielt Resonanz für dich? schön anstrengend und zum anderen wird die

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MAIN CONCEPTInterview: Niko Hüls, Aron Morhoff Fotos: Andreas Hosch, Florian Stielow (Live Fotos)

„Wenn ich Rap mache, dann muss ich Missstände anprangern.“

München im November. Es ist grau, der Winter kommt näher. Doch in der Muffathalle wird es allmählich heiß. Denn heute wird gefeiert: 25 Jahre Main Concept. Das heißt auch: 25 Jahre Erfahrung. Ein scheinbar nicht alternder David Papo steht Rede und Antwort zum Weg der Crew – von den Anfängen bis in die Neuzeit, während Explizit und Glam die Show vorbereiten. Ein Gespräch über Haltung, Werte, Hip-Hop und was Tao mit dem neuen Album zu tun hat.

68 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 1990 war mit der Wiedervereinigung und der Wo war eure Positionierung im Rap? „So hat das Volk den Verstand verloren“ konnte Weltmeisterschaft wohl eines der wichtigsten Meine großen Vorbilder waren damals schon nur in dieser Zeit entstehen. Heute regt sich ja kei- Jahre in der jüngeren deutschen Geschichte. Ihr Run DMC, Public Enemy, Poor Righteous Tea- ner mehr über das blöde Gelaber, das Internet und habt euch in dem Jahr gegründet. Erinnerst du chers und Ice-T. die ganze Werbung auf. Damals war RTL mit der dich daran? „Mini Playback Show“ und den Nachrichten, die Ich war 14, als ich Markus Klammer (Glam, Anm. Wegen der Aussagen? es da gab, einfach die Verblödung. Wie Chuck D d. Red.) kennengelernt habe. Davor, so in der Rap war für mich von Anfang an politisch und ge- in „Don’t Believe the Hype“ sagen wir: „Die wollen siebten Klasse, kam mein Freund Michael Kuchar gen Rassismus. Ich habe immer mit dem Kampf uns verdummen.“ mit einem Rap-Tape an. Fat Boys auf der einen der Schwarzen in den USA sympathisiert, weil ich Seite und „Licence to Ill“ von den Beastie Boys erzogen wurde, jede Art von Diskrimierung zu ver- Deine Freestyle-Karriere fing schon vorher an … auf der B-Seite, und wir dachten: „Schau mal, urteilen. Im Hip-Hop zählt nicht, woher du kommst, Das war schon 1991. Hier in München gab es Tec- was der da macht, whoa, krass!“ Ich hatte von sondern was du machst. Das war der erste Hip- Roc, der war ein richtiger Oldschooler, der durfte Hip-Hop durch die Breakdance-Welle mitbekom- Hop-Gedanke, der mich geprägt hat. Das Zweite, hier alles, war quasi untouchable. Der hat so auf men und auch schon angefangen, mich für die was für mich wichtig war, war „Each one teach Deutsch rumgefreestylet und das fand ich immer Graffitis an der Isarbrücke zu interessieren, weil one“. Das habe ich von den Poor Righteous Tea- richtig cool … (freestylet kurz). Dann habe ich zum ich selbst gerne gezeichnet und gemalt habe. chers gelernt. Auch N.W.A waren für mich keine Spaß auch mal einen deutschen Freestyle gebracht, Ich habe mit zwölf tatsächlich mal einen eigenen Gangsta-Rapper – das waren Schwarze, die gegen aber wirklich nur zum Spaß, weil dich so ja keiner Comic gezeichnet. 1990 kamen dann Rado und Polizeibrutalität rebelliert haben. ernst genommen hat. Ich habe von anderen gehört, Tino, die älter waren, in meine Klasse und die die auf Deutsch gerappt haben, und das hat mich merkten, dass ich Rap mag. Rado hat mir dann Es kam in Deutschland sehr viel Input von der bestärkt, weiter auf Deutsch zu schreiben. Aber auf gezeigt, wie man Graffiti-Buchstaben konstru- Gangsta-Seite aus Amerika an, da ist es inte- der Bühne habe ich mich bis 1991 nicht getraut, die iert und Tino hatte zwei 1210er. Da haben wir ressant, was die erste Generation und auch ihr Sachen zu bringen. Auf einer „MZEE Frisch“-Jam in uns dann mal getroffen und Sessions gemacht. daraus gemacht habt. Die haben ja, ähnlich wie der Kulturstation waren auch Advanced Chemistry. Irgendwann haben die mich mit in ihr Jugend- ihr, etwas Politisches draus gemacht … Wir wollten dann ans Mic und Torch hat uns sogar haus in Giesing genommen, da stand ich mit 13 Hip-Hop war Ende der 80er einfach politisch. Chuck rappen lassen. Danach hat mich Linguist gefragt, Jahren zum ersten Mal am Mic. Bei einem Auf- D war mein Idol, genau wie sein Kampf gegen die warum ich mich nicht traue, auf Deutsch zu rap- tritt von Raw Deal saß Markus Klammer zufällig Ungerechtigkeit, die einen fertig macht. So was war pen. 1992, bei einer Jam, haben wir dann mal nach neben mir und wir kamen ins Gespräch. Irgend- meine Ambition. Für mich war klar: Wenn ich Rap unseren englischen Liedern gesagt: „Wir machen

„Früher dachte ich, wir waren die Einzigen, die realen Hip-Hop gemacht haben, aber so läuft das nicht.“

wann habe ich ihm dann was vorgerappt und er mache, dann muss ich Missstände anprangern. jetzt weiter auf Deutsch.“ Einige haben uns dafür hat dazu gebeatboxt. Danach verabredeten wir Respekt gezollt und andere mit Bechern beworfen. uns, weil er auf seinem Amiga ein paar Beats War deshalb die deutsche Sprache der Weg, den Wir wurden irgendwann nach Karlsruhe in die Wei- hatte. Als ich da war, habe ich auch gleich was du gegangen bist? ße Rose eingeladen, wo auch Cora E., Boulevard eingerappt und wir hatten unseren ersten Auf- Ja. Auf der einen Seite war mein Englisch limi- Bou und MC Rene waren, und damit sind wir aus tritt im Kulturzentrum. Nach den Sommerferien tiert und auf der anderen Seite verstehst du eh dem Münchner Kosmos ausgebrochen. Zudem 1990 meinte er, er kenne einen krassen DJ. Und nicht alles, was die Amis labern. Das Ziel war, ge- haben wir dann die Beginner zu unserer Jam nach bei einem Treffen im Studio von einem Kumpel gen Missstände und Rassismus, die Manipulati- München eingeladen und lernten sie so kennen. vom Markus war dann auch Morris (DJ Explizit, on durch die Medien, gegen die Ausbeutung der Einige Monate später gab es in Itzehoe eine Jam, Anm. d. Red.) dabei. Wir haben da zu dritt unsere Dritten Welt und natürlich gegen Gewalt zu sein. wo wir beide aufgetreten sind. Das Wochenende ersten Tracks aufgenommen. Danach beschlos- Da hat mich das „Stop the Violence Movement“ hatten wir dann in Hamburg verbracht, so dass wir sen wir: „Okay, wir gründen ‘ne Gruppe und nen- von KRS-One stark geprägt. Es war damals nun uns noch besser kennenlernen konnten. So haben nen uns Main Concept.“ Das war im September mal auch eine anstrengende Zeit. Ich war nach wir, nach und nach, die ganze andere deutsche Hip- 1990. Im Jugendzentrum am Biederstein hatten jeder Hip-Hop-Jam froh, wenn ich mit all meinen Hop-Szene kennengelernt. wir quasi unseren Durchbruchsauftritt. Da sind Klamotten wieder nach Hause gekommen bin wir mit ein paar anderen aufgetreten, etwa Raw und keine aufs Maul bekommen hatte. War eure erste Platte da, um einfach was raus- Deal und die Diss-One-Posse. Einer von denen zubringen? war übrigens Lou Bega. Damit wurden wir Teil War die erste 12“ eine logische Konsequenz aus Nee, das waren die zwei Songs, die wir gerne der Münchner Rap-Szene. der Sozialisierung? veröffentlichen wollten. Als uns Move Records

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 69 angeboten hat, wir könnten eine Platte bei denen Das sind wir uns erst so 20 Jahre später gewor- Euch war aber schon klar, dass ihr nicht den Weg rausbringen, war das für uns noch total surreal, da- den. Irgendwann kamen Leute an, die meinten: wie die Beginner oder Fettes Brot gehen würdet, ran hatten wir nie gedacht. Wir glaubten, Platten „‚Coole Scheiße‘ war damals meine erste Hip- oder glaubst du nicht? machen nur Popstars und nicht irgendwelche Kin- Hop-Platte und ich habe zu ‚Münchens Diktatur‘ Bei Fettes Brot war von Anfang an klar, dass sie der, die im Keller rumrappen. Die Entstehung war gebreakdanced“ oder so was. Für uns war das diesen Weg gehen werden, weil die damals schon auch ganz interessant. Wir waren in einem Studio damals einfach nur eine Platte von uns. Mir war diesen eingängigeren Sound machten. Und die am Arsch der Welt und haben da aufgenommen. damals klar, dass ich erst mal mein Abitur mache hatten mit dem André Luth von Yo Mama auch Aber weil der Typ da keinen Tisch hatte, musste und irgendwas studiere. einen Geschäftsmann an der Seite, der das für sie Explizit die 1210er selbst mitbringen und auf dem realisieren konnte. Wir waren ja an Move gebun- Boden scratchen. Du hast die Klasse von ’94 mal als Klassenfahrt den, weil wir denen noch eine Platte schuldeten bezeichnet. Gab es denn schon professionelle und die haben uns blockiert. Wir waren auch ein Wie ging es dann beim Album weiter? Ambitionen bei der Tour? bisschen verzweifelt: „Scheiße, die haben alle so Danach waren wir richtig fleißig. Ich habe „Coole Gar nicht! Wir haben da die Spaghetti aus dem coole Labels.“ Aber Move hat das, was Yo Mama Scheiße“ einfach komplett runtergeschrieben. Ich Topf gegessen, in Schlafsäcken gepennt und sind und Buback gemacht haben, nicht verstanden. bin jeden Tag von der Schule gekommen, habe mit Glams altem Golf rumgefahren. Wir sind mit meine Hausaufgaben gemacht und dann einen dem Auto alle einzeln zu den Jugendzentren ge- Du hast eben vom Vibe gesprochen, mit Hip-Hop Song geschrieben, ohne groß drüber nachzuden- fahren und haben uns dann da erst getroffen. Wir Geld verdienen zu können. Hat da mit reingespie- ken. Der Reim war mir da egal, ob das nun ein haben nicht viel erwartet, schon gar nicht von den lt, dass die anderen das auch ein wenig vorgelebt doppelter, siebensilbiger Reim oder so war, war Verkäufen. haben? mir wurscht. Es war einfach alles cool, solange Für uns war das noch die Vorstellung: „Ja, das man einfach macht. Hat das bei euch den Hunger geweckt? wäre doch ganz nett.“ Aber das war einfach noch 1995 mit der „Münch Mob“-EP waren wir ein viel zu weit weg. Das wurde erst real mit „Bambu- 1994 war dann ja ein Jahr, in dem Leute angefan- bisschen in unserer musikalischen Suchpha- le“ und „Quadratur des Kreises“. gen haben, Deutschrap-Fans zu werden … se, kurz danach war es bei den Beginnern mit Naja, Anarchist Academy hatten auch noch recht „Flashnizm“ genau dasselbe. Ich habe damals Das war 1998/1999. Wenn man dann merkt, dass früh ein Album, aber Advanced Chemistry zum zum Beispiel viel Rage Against the Machine ge- auch mal etwas mehr in die Tasche kommt, fängt Beispiel, die haben ja zuerst gar kein Album ge- hört, Morris war in der Drum&Bass-Musik drin, man dann an, sich voll darauf zu konzentrieren? macht und es haben ja viele weiter auf Englisch ge- und so ist die EP entstanden. Da haben wir dann Naja, ich habe zu der Zeit zwar schon studiert, aber rappt, vor allem in Berlin. Es hat zum Beispiel mal auch Blumentopf kennengelernt. Ich fand deren ich habe kaum Zeit in der Uni verbracht. Mir war ein junger Typ aus Berlin bei einem Kumpel von Musik schon voll cool und mit denen hatten wir klar: Wenn ich eine Prüfung habe, muss ich eh aus mir am Goetheplatz gepennt. Der hieß Jux und hat auch endlich eine Münchner Posse so wie in dem Buch lernen, weil es das eine ist, was in der auch auf Englisch gerappt, Deutschrap mochte er Hamburg. Endlich waren wir keine Einzelgänger Vorlesung erzählt wird, und das andere, was spä- da noch nicht so. Das war halt Kool Savas und wir mehr. ter abgefragt wird. Deswegen war ich eigentlich haben uns richtig gut verstanden, weil wir die glei- auch nur unterwegs. Ich habe richtig gut gelebt, che Sicht auf Hip-Hop hatten. Wir waren total auf Dann habt ihr ja ein ziemliches Release-Tempo ich konnte jedes Wochenende auftreten und habe einer Wellenlänge. vorgelegt. Es gab im Prinzip jedes Jahr eine Ver- gutes Geld gehabt. öffentlichung … Was ist „Coole Scheiße“ für dich? Ja, wir haben einfach alles, was fertig war, raus- Hattest du einen kleinen Höhenflug? Mmh … Unser Eintritt ins Plattengeschäft, ins gebracht. Wir haben gedacht, jetzt haben wir drei Nein, ich wurde ja durch die Uni immer wieder auf Touren, weil die Klasse von ’94 ja direkt danach oder fünf neue Lieder, dann machen wir eben eine die Füße geholt. Dort war ich nur der Junge mit losging. Es war halt „Yeah, Hip-Hop!“, das Feeling EP oder eine Maxi. der Brille und der Kappe, da kannte mich ja keiner. mit Breakdance und Graffiti, einfach das ganze Es ist einfach nicht meine Natur, mich wichtig zu Community-Ding. Aber auch Gesellschaftskritik, Was hast du mit dem Geld gemacht? machen (schmunzelt). gegen Nazis, gegen Polizeiwillkür, gegen den Also von unseren Platten damals, da gab’s kein Staat und seine Überwachung, wobei das alles Geld. Es gab bei den Auftritten mal einen Fuffi Habt ihr mit „Genesis Exodus“ dann versucht, das heute noch viel krasser geworden ist. Und jetzt hier und einen Hunni dort und so habe ich dann nächste Level zu erreichen? auf Hip-Hop beschränkt: „Kein Ausverkauf!“ Des- mein Geld verdient. Es gab bei den Auftritten an- Ja, haben wir auch. Mit „Genesis Exodus“ hat halb waren die Fantas für uns die Schlimmsten, fangs mal einen Fuffi hier und einen Hunni dort. sich das überlappt mit der Zeit, in der wir „Coole auch wenn ich diesen Hass heute nicht mehr so Im Laufe der Zeit wurden die Gagen dann höher. Scheiße“ und die „Goetheplatz EP“ gemacht ha- nachvollziehen kann, aber wir brauchten nun mal So habe ich mir meine Platten und Klamotten ben und dem neuen amerikanischen Feeling aus einfach ein Feindbild, weil wir noch nicht die Le- gekauft und Urlaube bezahlt. Die anderen muss- New York. Man hört da auch den Unterschied benserfahrung hatten und uns selbst bestätigen ten Kellnern oder irgendwo im Krankenhaus zwischen Altem und Neuem. Das war von den wollten. Sitzwache machen und ich habe halt gerappt. Beats her fetter und auch raptechnisch besser, Ich habe, während ich studiert habe, gut gelebt, plötzlich war der Doppelreim Standard. Da ha- Seid ihr euch darüber bewusst gewesen, was die- aber damals waren auch 100 Euro, äh Mark, ja ben, neben anderen, Flowmatics, Blumentopf ses Album für die Szene bewirkt hat? schon viel. und Fettes Brot mit angefangen.

70 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 „Ich war nicht verzweifelt mit Hip-Hop. Ich hatte nur keine Schnittpunkte mit den Neuen.“

Zu der Zeit erlebte Deutschrap dann ja auch wirk- konnten uns nicht hinsetzen und sagen: „Das ist zen und viele Bücher zu lesen. Ich bin mit einem lich seine erste Hochzeit. Plötzlich waren alle jetzt unser Hit zum Mittanzen, du, beweg deinen sehr intellektuellen Ansatz an die Platte gegangen. wirklich Popstars und das mit dem, was sie seit Arsch!“ Dann hätten wir nicht mehr in den Spiegel Und zwar im Sinne der eigentlichen Übersetzung sieben oder acht Jahren machten. War das für schauen können. des Wortes „intellektuell“, nämlich belesen zu sein. euch genau so? Hattet ihr das Gefühl, damit die Man arbeitet daran, den Leuten zu vermitteln, dass Chance zu haben, von allen wahrgenommen zu Die Beginner haben aber genau so etwas mit diese Welt friedlicher und ehrlicher werden muss. werden? „Liebeslied“ gemacht … Das hat ja auch den Effekt, dass dieses Album so Wir waren leider zum richtigen Zeitpunkt am fal- Ja, aber ich kannte die Jungs auch lange genug langlebig ist, dass man es immer noch gut anhö- schen Ort, es gab hier in München keine Labels wie und wusste, wie sie ticken. Ich habe es auch immer ren kann. Ich musste es ja für den Auftritt heute in den zu der Zeit entstandenen Hochburgen. Das an ihnen bewundert, dass sie dieses Talent haben. alles durchhören, um die Texte wieder draufzukrie- ist auf jeden Fall ein Faktor. Buback hatte in Ham- Mein Talent ist es, Sachverhalte gut in Worte zu gen. Es gibt auf „Genesis Exodus“ ein paar Tracks, burg diese „Yo! Bum Rush the Show“-Attitüde und fassen und nicht Hooklines zu schreiben, die ins bei denen ich denke, naja, aber bei den Haupt- hier in München gab es dann nur Ralf Siegel und Ohr gehen. Tracks vermitteln wir auch heute noch dieses Un- das war’s auch schon. Dazu kommt, dass wir schon derground-Feeling gepaart mit Systemkritik. immer schlechte Geschäftsleute waren und ich bin Wenn man sich aber umhört, ist „Coole Scheiße“ auch heute noch ein schlechter Geschäftsmann. ein Album, das fast eine ganze Generation mit Hip- Ist das der Grund, warum man danach einfach Hop sozialisiert hat und „Genesis Exodus“ von vie- eine Freestyle-Platte herausbringt? Habt ihr denn nicht mal versucht, auf „Genesis len Leuten aus der Zeit eben als eins der stärksten Ja, zu dem Zeitpunkt kamen viele größere Labels Exodus“ einen Song für die Masse zu machen? Rap-Alben überhaupt angesehen wird … zu uns, waren extrem interessiert und haben uns Naja, „Sounds für’s Auditorium“ geht für mich ja Damals habe ich ja auch angefangen, mich mit der auch ziemlich gute Angebote gemacht, aber ich schon in diese Richtung. Aber wir wollten und ganzen Five-Percenter-Sache auseinanderzuset- hatte einfach ein Problem damit, zum Beispiel für Bertelsmann zu arbeiten. Als die uns gefragt ha- gerulet hat. Ich habe 2004 mein Studium abge- Es ist aber sinnbildlich für die Zeit, wenn über ein ben, was wir so vor haben und ob wir mit denen schlossen. Somit habe ich keinen Druck, von Rap Album geschrieben wird, das dann rauskommt, arbeiten wollen, haben wir einfach gesagt: „Wir leben und Trends mitmachen zu müssen. Das war als Aggro mit Sido und Bushido ganz Deutsch- machen Freestyle.“ Die Reaktion war meistens nur von Anfang das Wichtigste für mich. land vereinnahmt … ein „Öhhhh“. Ich muss sagen, ich habe diese ganzen Sachen Hat diese Erkenntnis dafür gesorgt, das man fünf nur am Rande mitbekommen. Wenn ein Sido mit Diese Freestyle-Platte passte sehr gut in eure Jahre auf eine neue Patte gewartet hat? Main „Mein Block“ kam und ich das zufällig gesehen Diskografie. Von Kritikern wird sie geliebt, aber Concept steht und fällt ja mit dir … habe, dann fand ich das auch fresh, weil der Typ großen Anklang hat sie nie gefunden … Ja, ich war der limitierende Faktor. Aber wenn einfach fresh ist und ich bis heute gut finde, was er Wir sind halt eine polarisierende Gruppe. Entwe- Explizit oder Glam etwas anderes hätten, wäre es macht. Diese Leute habe ich aber alle nicht mehr der man liebt uns, oder man hasst uns beziehungs- von ihnen abhängig. Wir können nur zu dritt und persönlich kennengelernt, vorher kannte ich jeden weise nimmt uns nicht ernst. mit gleichen Arbeitsteilen eine Platte machen. Und halbwegs bekannten Rapper, Breaker oder Writer wenn einer nicht kann, dann leiden alle darunter. persönlich. Wenn man auf die Zeit schaut, in der du dein Stu- In diesem Fall bin ich das nun mal. Wenn du so dium beendet hast, war dort die letzte große Hip- eine Chance hast, Arzt zu werden, dann musst du Hast du ein Problem mit Modellen wie Bushido Hop-Phase zu Ende … sie nutzen. & Co.? Die war vorher schon zu Ende, so zwei, drei Jah- Nein, ich habe kein Problem mit ihm und auch re. Für die Leute aus unserer Generation war es ja Ich habe in einer Kritik mal gelesen, dass ihr als nicht mit seiner Musik. Ich bin nur kein Fan. Wir schon so 2001 oder 2002 vorbei. Da kam ja schon die erneute Rettung Deutschraps bezeichnet haben unser Leben in der Musik verarbeitet und er die neue Generation von Berliner Gangsta-Rap- wurdet … verarbeitet seins. Er macht doch genau dasselbe, pern. Und das Feeling, das jetzt oldschool ist – da- Und von anderen werden wir als hängen geblie- er führt ein anderes Leben. Mein einziges Problem mals waren wir ja immer noch die Newschool und bene und verbohrte Idioten bezeichnet, das sind ja mit den Texten ist, dass sie davon Leben, dass Torch, Biltzmob und die Writer waren oldschool nur Meinungen von Einzelnen. andere auf eine verwerfliche Art und Weise ge- – war nicht mehr das Feeling, was das Business demütigt werden. Seien es Schwule, Frauen und

„Ich habe immer mit dem Kampf der Schwarzen in den USA sympathisiert, weil ich erzogen wurde, jede Art von Diskrimierung zu verurteilen.“

72 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 so weiter. Ich brauchte auch nie „Ich fick Bitches“- verstanden, dass es nicht um Deutsche und Aus- Was war 2011 der Grund zu sagen, es kommt ein Scheißtexte. So sehe ich das nicht, Frauen sind länder geht, sondern dass es das System ist. Es neues Album? keine Objekte. Ich finde schöne Frauen auch gut, ist egal, ob ich als Ausländer oder Einheimischer Das haben wir für uns schon 2008 beschlossen. ich bin auch nur ein Mann. Aber ich danke Gott für in Deutschland, Frankreich oder Amerika lebe, Aber ich melde mich öffentlich nur dann zu Wort, meine Frau, mit der ich so lange glücklich bin. Ich es ist das System, das sich mich nicht entwi- wenn ich weiß, dass ich wirklich was zu sagen sehe auch Schwule nicht als Verirrte der Evoluti- ckeln lassen will. Ich muss dafür kämpfen, mich habe. Ich mache keine Platte, um eine Platte zu on, sie sind Teil von Gottes Welt, sonst gäbe es sie frei entwickeln zu können. machen. Und bis 2011 habe ich in meinem Beruf nicht. viel erlebt und meine Kinder sind geboren worden, Bist du zufrieden damit, wie Hip-Hop sich entwi- sodass sich meine Sicht auf die Dinge verändert Hat Hip-Hop dich verloren, weil er sich verändert ckelt hat? Bei Sachen wie Haftbefehl über Max hat. Dann dachte ich mir, ich könnte mich mal wie- hat oder weil dein Leben in eine andere Richtung Herre bis Cro … der zu Wort melden, denn ich habe zwar von mei- gegangen ist? Also, mein Sohn hört Cro, ich bekomme das nur ner Grundeinstellung her dasselbe zu sagen, aber Ich hatte schon das Gefühl, dass das alles total be- im Radio mit. Was der Junge macht, ist technisch unter der Erweiterung eines anderen Aspekts. Ich langlos war. Wen interessiert so was denn? Früher einwandfrei und meistens habe ich dann einen sage immer gerne: „Es gibt keine Wahrheit, es gibt haben wir uns erzählt: „Yeah, wir sind die Anführer Ohrwurm davon bei der Arbeit. Dass er es mit so nur Aspekte der Wahrheit.“ Früher dachte ich, wir einer Revolution.“ Aber die Welt wollte nun mal einem Pop-Rap schafft, Anerkennung zu bekom- waren die Einzigen, die realen Hip-Hop gemacht keine Revolution, an so was geht man doch zu- men, ist auch ein Verdienst meiner Generation. haben, aber so läuft das nicht. grunde, das führt doch zu Burn-out. Darauf bilde ich mir aber nichts ein, wir waren nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das kann man auf dem neuen Album auch hören: Hattest du also quasi ein Hip-Hop-Burn-out? Es ist weder böse noch frustriert … Null. Wir sind ja weiter aufgetreten und haben im- Fühlt es sich für dich denn gut an, dass ein Kolle- Genau, es ist erfüllt von Dankbarkeit. Das ist hier mer noch mit den Hip-Hop-Jungs rumgehangen, gah, der 300.000 Platten verkauft, zu deiner Kultur die Grundemotion und ich fasse es bei „Zufrie- haben die „Living Large“ weitergemacht. Hier und gehört? dener Mann“, glaube ich, auch sehr gut zusam- da einen Track aufgenommen. Ich war nicht ver- Puh, ich kenne seine Kultur nicht, ich müsste mit men. zweifelt mit Hip-Hop. Ich hatte nur keine Schnitt- ihm reden. Nur weil Serbe bin, habe ich ja auch punkte mit den Neuen. Die sind ja auch woanders nicht mit Leuten in Serbien was zun tun, die ser- Wann hast du den Taoismus für dich entdeckt? aufgetreten. Vielleicht hätte ich Bushido auch coo- bische Volksmusik machen. Es ist so diffus gewor- Als ich angefangen habe, Kung-Fu zu machen. Tao, ler gefunden, wenn ich ihn kenngelernt hätte. Ich den, dass ich mich nicht mit jemandem, nur weil er also das Gleichgewicht der Kräfte, ist meine Defini- habe ja nur diesen Typen gesehen und konnte da- Rap macht, identifizieren kann – ich muss ihn dafür tion von Gott. Dann war ich für ein medizinisches mit nichts anfangen. erst kennenlernen. Praktikum in Sri Lanka und der Professor hat im- mer vom „Almighty Tao“ gesprochen. „There is no Straßenrapper rechtfertigen ihre Art der Mu- Erst 2011 kam dann die Ankündigung fürs neue Ying without Yang“. sik immer damit, dass Hip-Hop von der Straße Album. Hat es fünf bis sechs Jahre gebraucht, um kommt … diese Ruhe zu haben, mit der du hier sitzen und Hat dich das über die Jahre auch bei Main Con- Das ist ja auch so, wir kommen ja auch, wenn über die Kultur reden kannst? cept getragen? du so willst, von der Straße und machen intel- Ich bin froh, diese Distanz zum Hip-Hop zu haben. Ja, aber ich konnte das vorher nicht so zeigen. Das lektuellen Rap oder halt Conscious Rap. Public Dank Hip-Hop habe ich genauso eine Distanz zum ist die erste Platte, bei der ich das auf den Punkt Enemy sind auch quasi von der Straße, auch Arzttum. Durch meine Geschichte habe ich einen bringen konnte. Das hätte ich mit 16 nicht machen wenn das studierte Leute sind. Denn Hip-Hop anderen Einblick. Bei meiner Arztarbeit habe ich ei- können, das kann niemand mit 16 machen, außer versteht sich als Kultur gegen Unterdrückung nen Beruf, bei dem ich Leute nicht verurteilen darf man ist ein Wunderkind oder halt Jesus, der wuss- und Unterdrückung findet nicht im Getto, son- und einfach helfen muss. Wenn ich einen Pegida- te laut Bibel schon mit vier, wie’s läuft. B dern in den Köpfen und den Medien statt. Dieses Anhänger behandeln soll, dann tue ich das auch. Getto-Ding ist nur das medienwirksamere Bild. Man darf nicht Tat und Täter verwechseln. Wenn 50 Cent in die Backe geschossen wird, dann bekommt das Aufmerksamkeit. Und Jay Deshalb sagst du auf dem neuen Album „Hier und Z war nicht immer Jay Z. In dem Video zu „The jetzt“ auch: „Ich darf mich mit meinen Rollen in Originators“ von The Jaz sind die beiden nubian- Leben nicht identifizieren“? mäßig gestyled und geben Props an die Nubian Ja, das gibt dir einen eingeschränkten Blick. Wenn Nation. Und dann hat er erkannt, dass sich das ich sage, ich bin Arzt und Vater, dann bin ich nur so besser verkauft und hat es dann halt so ge- Arzt und Vater und das ist deine Schablone. Wenn macht. Am Ende war es einfach die Musik einer ich sage, ich bin ist der krasse Rapper, dann finde unterdrückten Minderheit. Du musst nicht gleich ich alle Studenten scheiße und dann ist das dei- von der Polizei totgeschlagen werden, um unter- ne Schablone. Du kannst aber Menschen nicht drückt zu sein. Ich als Serbe mit deutschem Pass einfach beurteilen. Man sagt auch „Only god can habe es auch in meiner Kindheit schon immer zu judge me“. Und nicht mal er macht das, denn dann spüren bekommen. Irgendwann habe ich dann wäre er Mensch und kein Gott.

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 73 24/7, 24 Jahre,

Interview: Niko Hüls, Sarah Eblen sieben Alben Fotos: Brecheis Blumentopf

24 Jahre ist es her, dass sich die musikbegeisterten Skater-Jungs Cajus, Holunder, Schu, Roger und Sepalot zu Blumentopf zusammenschlossen. Im Oktober 2015 dann die Ankündigung: Die Band aus Freising wird sich 2016 zur Ruhe setzen. Klar, dass eine Menge Fragen dazu aufkommen würden. Aber die Jungs entschieden sich, erst mal nur ein einziges Interview zu geben. Dafür luden sie mit Niko den Head of BACKSPIN nach München ein, um ihm Rede und Antwort zu stehen. Die ersten Aussagen gingen bereits zur Verkündung in die Welt. Hier nun die XXL-Version dieses bis dato letzten Gesprächs mit Blumentopf über Freundschaft, Differenzen und den Hähnchentag einer Fünf-Männer-Ehe.

Weshalb endet nach 24 erfolgreichen Jahren ser letztes Album sein wird. Deshalb heißt es auch Roger: Wir hören das Blumentopf-Ding auf, die Blumentopf-Ära? „Nieder mit der GbR“. Ich glaube, was unserer „wenn’s am schönsten ist“ – das klingt so schwül- Sepalot: Wir haben schon das letzte Album mit Karriere nicht gerecht wird, ist, wenn es einfach so stig. Aber jetzt aufzuhören, ist wirklich ein guter vollem Bewusstsein aufgenommen, dass es un- nach hinten auströpfelt und immer weniger wird. Schritt, obwohl das für uns alle mit so einer kleinen

74 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Träne im Knopfloch verbunden ist. Blumentopf ist Schu: Den Moment gab es auf jeden Fall. Das war Schu: Im Auto haben wir dann mit Four Music keine Nebenher-Band. Jeder hängt sich rein und beim vorletzten Album („Wir“, Anm. d. Red.) ex- telefoniert und die haben es schätzen lassen. Das wenn er das nicht voll macht, dann sind wir nicht trem gegeben. Von außen sind viele Sachen auf hat für Gelächter gesorgt. Die meinten: „Wenn das, mehr der Blumentopf, den ich mir vorstelle. Den uns eingeprasselt. Nachdem sich vorher Seba- was ihr denkt, wirklich die Realität wäre, dann wür- anderen geht es wahrscheinlich auch so. Und des- stian ums Management gekümmert hatte, haben den wir jetzt nicht mehr mit euch telefonieren.“ halb machen wir es lieber nicht weiter, so machen wir uns da ein externes Management ins Boot Holunder: Für die Musik, die wir gemacht ha- wir nur die Band kaputt. geholt. Wir wollten in eine musikalische Richtung ben, ist das, was wir bekommen haben, aus Holunder: In dem Sinne: 24/7, 24 Jahre, sieben gehen, aber es war nicht so leicht, auf einen ge- meiner Sicht schon realistisch. Wir haben es nie Alben. meinsamen Nenner zu kommen. Das Label haben darauf ausgelegt, dass alles massenkompatibel wir auch noch gewechselt. Es sind also unglaub- ist, sondern wir haben die Musik so gemacht, Habt ihr euch in den 24 Jahren auseinanderge- lich viele Dinge von außen auf uns eingeprasselt, wie wir sie machen wollten. Keiner ist Millio- lebt? die dieses „Hey, da sitzen fünf Freunde im Studio när gewesen, aber über die Jahre konnten wir Roger: Wir haben als Freunde, die meisten als und machen einfach nur Musik“-Ding schwer und gut davon leben. Genauso sehe ich das auf Skateboard-Freunde, angefangen. Natürlich hat manchmal auch unmöglich gemacht haben. Es der künstlerischen Seite. Wir haben uns immer sich das Leben seitdem verändert. Da ist es einfach waren Szenen dabei, wo wir uns gestritten haben, selbst verwirklichen können. Wir haben keine nicht mehr so, dass man rumhängt. Man kann aber aber dann hieß es doch wieder: „Ja, gut, aber jetzt große Rücksicht nehmen müssen und mussten trotzdem noch gute Musik machen. Es gibt jetzt machen wir Musik.“ Das hat auch immer geklappt mit keinem Kompromisse eingehen. Die Band nicht totale Differenzen. Aber es ist natürlich nicht und auch allen Spaß gemacht, nur wussten wir, Blumentopf hat eine bestimmte Richtung mitge- mehr Haushalt 2000, alle in einer WG und Cajus dass wir so nicht weitermachen können. Die Ent- prägt und ein Statement hinterlassen, das man macht den Hähnchentag … (Gelächter). Da hat sich stehung vom „Nieder mit der GbR“-Album war auch gut so stehen lassen kann. alles im Leben schon ein bisschen verändert. dann wieder so locker und unverkrampft, wie es Roger: Große Träumereien gab es in der Band Sepalot: Den Hähnchentag vermisse ich aber bei „Kein Zufall“ und „Großes Kino“ war. Da war nicht, das liegt auch ein bisschen am Blumen- schon. vorher so viel Druck und Stress drauf, dass es eine topf-Humor. Wir nehmen uns selbst nicht zu Keiner ist Millionär gewesen, aber über die Jahre konnten wir gut davon leben.

Roger: Wir machen mal einen Hähnchentag, wenn totale Befreiung war, das „Nieder mit der GbR“-Al- wichtig. Wir waren zu jedem Zeitpunkt zufrieden du vorbeikommen würdest. bum zu machen. Zum „Wir“-Album hätte es auch mit dem, was wir bis dato erreicht hatten. Wir Schu: Es ist einfach nicht mehr dieser wöchent- sein können, dass du mit uns Einzelinterviews hät- machen unseren Sound offen und ehrlich und liche Hähnchentag. Das Business-Ding spielte im- test führen müssen. sind so eigentlich total glücklich. mer mehr rein, sodass alles immer anstrengender wird. Habt ihr als Band am Ende all das erreicht, was Was ist das Geheimnis eurer 20-jährigen Er- Sepalot: Die Zeiten, in denen man zu Hause saß, ihr euch selbst anfangs vorgestellt habt? folgsgeschichte als Band? alle Playstation gespielt und gekifft haben und Sepalot: Da wir uns sehr wenig vorgestellt ha- Sepalot: Ich glaube, ein Grund dafür, dass es man nebenher so ein bisschen Musik gemacht ben, haben wir das bei Weitem übertroffen. Es uns so lange gibt, ist, dass wir zu fünft sind. Na- hat, sind vorbei. Das hat sich verlagert. gab eine sehr betreffende und im Nachhinein türlich braucht es in einer Fünfer-Konstellation Cajus: Es wäre aber auch total arm, wenn es auch sehr bezeichnende Situation, als wir unser auch viel mehr Absprachen, aber jeder kann sich nicht verlagert hätte. erstes Album „Kein Zufall“ veröffentlichten. Kurz sich die Luft nehmen, mal etwas anderes zu Schu: Bei mir hat es sich nicht verlagert. (Gelächter) danach sind wir in die WG gezogen, in der wir machen oder mal nicht zu jedem Thema seine Holunder: Jeder hat seine eigenen Geschichten alle zusammengelebt und auch „Großes Kino“ Meinung zu haben. Das ist ein Grund, warum es am Laufen gehabt. Für mich gab es dann eine aufgenommen haben. Jeder sollte auf einen uns so lange gab. Zeit, in der ich alle anderen nur noch im Band- Zettel schreiben, was er glaubt, wie viel wir von Roger: Du musst dich auch gut verstehen. Du kontext gesehen habe. Es ist für das Zwischen- dem Album verkaufen. Und meine Zahl war ein hast einen Auftritt, der dauert eine oder ein- menschliche schön, wenn es wieder dieses Vielfaches von der Zahl der anderen. Daraufhin einhalb Stunden, aber du fährst oft sechs oder Miteinander gibt, das nichts mit der Band zu tun gab es direkt eine Diskussion. sieben Stunden mit dem Auto hin. Und wenn hat, weil es die Band nicht mehr gibt. Das hat Cajus: Ich meine mich zu erinnern, dass die Zah- du nichts miteinander anfangen kannst, bringt eine andere Qualität. len zwischen 120 Stück und 8.000 geschwankt das nichts. Und auch wenn ein Auftritt mal eher haben. medium war, ist man danach noch richtig trin- Gab es Momente, in denen ihr kurz davor stan- Sepalot: Für die 8.000 habe ich richtig einste- ken gegangen und es war immer ein witziger det, den Blumentopf aus dem Fenster zu werfen? cken müssen. Abend. Die Band Blumentopf hat eine bestimmte Richtung mitgeprägt und ein Statement hinterlassen, das man auch gut so stehen lassen kann.

Sepalot: Da Blumentopf eine Album- und Live- müssen Leute sein, mit denen man gerne Zeit sion entschieden, ob ein Konzert gut war oder band war, war das Tal, durch das Deutschrap ge- verbringt und mit denen man sich auch privat nicht. Auch ob man selbst gut war oder nicht. gangen ist, nicht so tief für uns. Es gab ja so eine treffen würde. Cajus: Blumentopf hat immer von Live-Auftrit- richtige Phase, in der jede Zeitschrift und auch ten gelebt. Und das hat auch am meisten Spaß das Fernsehen nichts anfassen wollten, was mit Mit dem Entschluss, die Band aufzulösen, gemacht. Die Interaktion mit dem Publikum und Hip-Hop zu tun hatte. Wir können schon sagen, endet auch das berühmte Kapitel der Live- unter uns auf der Bühne, aber auch die von dass es für uns über diese 24 Jahre relativ kon- Auftritte von Blumentopf. Könnt ihr überhaupt Holunder angesprochene Freestyle-Session stant ging. Dieser Leuchtturm, den Blumentopf ohne Publikum? oder das Sich-die-Bälle-Zuspielen und den Vibe darstellt, hat dazu geführt, dass man von den Holunder: Ich weiß für mich schon ganz klar, spontan auf der Bühne entstehen zu lassen – Moden und den ganzen Ups und Downs relativ dass ich diese Live-Konzerte vermissen werde. das ist schon Blumentopf-Style, und den werde verschont wurde. Das waren für mich ganz große Momente, die in ich vermissen. Holunder: Ganz wichtiger Punkt, gerade für dieser Band passiert sind. Gerade die Freestyle- Live-Auftritte: Man muss gute Leute dabeiha- Sessions mit dieser Chemie, wenn wir uns ab- Sicher waren in eurem Umfeld nicht alle über ben – vom Lichtmann bis zum Tontechniker, gewechselt und die Bälle zugespielt haben. Für eure Trennung begeistert. Hat man versucht, von Tour-Begleitern bis zum Management. Das mich hat sich jahrelang mit der Freestyle-Ses- euch diese Entscheidung auszureden?

76 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Roger: Mein Bankberater hat gesagt, dass ich und andere produzieren, aber auch auflegen gen. Es war einfach diese Antihaltung, dass alles weitermachen soll … (Gelächter). Viele Gruppen und Radio machen. andere nicht so ist, wie wir es uns vorstellen. hustlen ihr ganzes Leben, um einmal diesen Sta- Schu: Ich werde immer Beats machen, mir Mu- Und wenn ihr die lyrische Kompetenz seid, dann tus zu bekommen, den wir einfach haben. Wenn sik anhören, ein paar Raps schreiben. Aber ich sind wir halt „Da Blumentopf“ und viel Spaß da- wir jetzt aufhören, ist es schwer, das anderen bin mir nicht sicher, ob mein Lebensentwurf mit. klarzumachen. dahingeht, dass ich damit weiterhin mein Geld Sepalot: Dieser Kontrast aus „Da“ und „Blu- Holunder: Ich war relativ gerührt davon, dass verdienen möchte. Ein bisschen Zeit ist da, mentopf“, „Gangster“ und „Gar Nichts“ fanden meine sechsjährige Tochter mich überzeugen deshalb: gut überlegen und am Ende unter Tor- wir ganz spannend. Die meisten Leute haben wollte, dass es kein guter Schritt ist. Sie war schlusspanik etwas machen. (lacht) aber immer gedacht, wir hießen „Da Blumen- wirklich sehr, sehr traurig. Sie fand es schon Holunder: Ich habe 20 Semester lang mein Phy- topf“, weil das so bayerisch klingt, war aber gar immer toll, dass der Papa zwei Berufe hat und sikstudium betrieben und es dann abgeschlos- nicht so. etwas Besonderes ist. sen und danach meine Biophysik-Promotion gemacht. Die habe ich parallel zum „Nieder mit Jetzt die wirklich letzte Interviewfrage: Was Die Fünf-Männer-Ehe ist ja jetzt geschieden. der GbR“-Album fertiggestellt und 2013 war ich sind eure letzten Worte als Blumentopf? Besteht die Gefahr eines Rosenkriegs bei euch? durch damit. Mir war schon immer klar, dass Roger: Es ist gar nicht so leicht, so was aufzu- Sepalot: Haltet Ausschau nach gebrauchten Ge- ich damit beruflich etwas anfangen möchte. hören. Es gibt ja nicht diesen großen Knall, als räten mit leichten Wasserschäden. Das ist das, Von daher war es für mich auch der richtige ob irgendetwas Großes passiert wäre. Wir ha- was wir noch regeln müssen. Ansonsten: Wir Zeitpunkt, um mit der Band aufzuhören. Zudem ben zusammen beschlossen, dass wir das ma- sind nicht im Ehekrach und es gibt auch keinen arbeite ich seit Januar letzten Jahres bei einer chen. Es ist auch einfach fair für die Fans, die Scheidungsanwalt. Messtechnikfirma als Biophysiker, ich baue dort Blumentopf-Tattoos haben und von Tag eins an Cajus: Das Ding ist, dass das Finanzielle durch eine Biotechnologie-Abteilung mit auf. Da gibt Fans waren. Da hatten wir die Verpflichtung zu den GbR-Vertrag ganz unsexy geregelt ist. es Spannendes für mich zu tun. sagen: „Hey, Blumentopf gibt es nicht mehr.“ Mit T-Shirts und Plakaten und diesen ganzen Holunder: Ich hoffe auch, dass all die Fans, bei Sammlergeschichten ist jeder versorgt bezie- Empfindet ihr die Namensgebung als Segen denen wir uns natürlich herzlich bedanken, es hungsweise haben wir auch noch etwas über, oder Fluch? nachvollziehen können, dass die Band Blumen- Viele Gruppen hustlen ihr ganzes Leben, um einmal diesen Status zu bekommen, den wir einfach haben.

was wir aufteilen können, ohne dass es Streit Sepalot: Der Name war Segen und Fluch, glau- topf zu einem Zeitpunkt aufhört und in Erinne- gibt. Von daher: Blumentopf kann sich ohne be ich. Segen, weil er unsere Antihaltung und rung bleibt, an dem sie noch oben war und nicht Streit trennen. unser Besonders-Sein ziemlich klargemacht hat. ganz woanders. Ich stelle mir das ganz schlimm Fluch, weil so ein markanter Name sofort Bilder vor. Stell dir vor, du bist von irgendetwas so Die Blumentopf-Ära ist also offiziell zu Ende. im Kopf bei den Leuten erzeugt und die sich ihre sehr Fan, und dann … Wie geht es für jeden Einzelnen von euch jetzt Meinung machen, bevor sie die Musik gehört Roger: Du bist 60er-Fan, du weißt genau, wie weiter? haben. sich das anfühlt. (Gelächter) Roger: Ich habe mit dem Schu eine Platte ge- Roger: In dieser Medienlandschaft, in der es Holunder (hält sich die Hände vor das Gesicht): macht, mit der wir auch noch touren werden. im Zusammenhang mit Hip-Hop um Coolness Ich weiß, wie es sich ganz unten anfühlt. Aber Was wir danach machen, weiß ich nicht ganz geht, kommen wir mit so einem „Scheiß drauf“- als 60er-Fan ist es nichts Neues. Jedenfalls: Wir genau. Bestimmt mache ich weiterhin Musik, Namen. Der Name stellt uns aber super dar wollen unsere langjährigen Fans nicht mit anse- auch wenn ich die nicht mal releasen würde. Ich und das war auch der Plan. Wir wollten nicht hen lassen, wie wir so lange weitermachen, bis bin ja noch Grafiker, bin im Videoschnitt drin – die Coolsten sein, wir wollten die Coolsten im wir den Zeitpunkt verpasst haben, an dem wir ich habe noch „große“ Projekte in der Pipeline. „Scheiß drauf“-Style sein. Egal, was ihr sagt, wir hätten aufhören sollen.B Und ich bessere aktuell auch meinen Gamer- machen es so. score auf. Schu: Und wir haben es auch geschafft, einem Cajus: Ich betreibe seit Längerem mit meiner ganz normalen Gegenstand, den jeder kennt, Freundin zusammen ein Café am Walchensee. eine zweite Bedeutung mitzugeben: „Blumen- Das ist ein schöner, unverbauter Bergsee und topf? Ist das die Musikgruppe oder das Gefäß?“ wir haben fast den einzigen Privatstrand dort, Es ist nicht direkt klar, was gemeint ist. mitten unter den Bergen. Ich laufe durch die Berge, mache viel Sport, bin viel in der Natur Nun die Frage, die ihr all die Jahre nie beant- und habe da jetzt genug Zeit, um zu überlegen, wortet habt: Wie seid ihr auf den Namen ge- wie es bei mir weitergeht. kommen? Sepalot: Bei mir geht es mit Musik weiter, mit Schu: Wenn das jetzt wirklich die letzte Interview- allen Facetten. In erster Linie werde ich für mich frage in unserer Karriere ist, können wir es ja sa- Die ganze Welt Malkovich aus einem Interview: Sascha Weigelt | Fotos: Malkovich Blickwinkel

Wir haben einen Künstler gesprochen, der nie groß im Rampenlicht stand, dafür aber als Hintergrundakteur wichtige Impulse lieferte. Die BACKSPIN stand stets in Kontakt mit ihm, ohne seinen Namen mit einer Silbe zu erwähnen. Zuletzt sprachen wir mit 4Two7, der aus derselben Ecke kommt und ohne den Planet Asia sowie eine ganze Generation Backpack-Rapper vermutlich als Regionalmatadoren verpufft wären. Dieses Mal trafen wir Malko- vich, der unmissverständlich klarstellte: „Wenn wir uns unterhalten, dann nur über meine Person und meine Musik, mehr nicht.“ Wir beugen uns dem Wunsch, denn seine Geschichte ist viel zu aufregend, um sie nicht niederzuschreiben.

Malkovich, dich kennt doch keine Sau. Weshalb war hochschwanger und entschied, es wäre das Malta. Seit 1989 bin ich in den Vereinigten Staa- sollen wir uns mit dir beschäftigen? Beste, zu gehen. ten. Für zwei Jahre lebten wir in Libyen, in Tripo- Ganz einfach, weil DJ Premier, Gilles Peterson, lis, wo meine Schwester zur Welt kam. DJ House Shoes, DJ Spinna, Esquire, Okaypla- Und Miss Italy hat dir die Windeln gewechselt? yer, FHM und The Wake Up Show das sagen. Aus dem Iran landeten meine Eltern in Genua, wo Hast du dort die Schule besucht? ich geboren wurde. Miss Italy 1978 war die Tochter Ja, das war, bevor wir 1989 weiterzogen. Ich weiß Du hast 1979 in Italien das Licht der Welt erblickt, unseres Vermieters und meine Babysitterin. gar nicht, ob meine Schule überhaupt noch steht. als deine Eltern auf der Flucht vor der Islamischen Nach Gaddafis Sturz wurde Tripolis angeblich dem Revolution im Iran waren … Wohin ging die Reise dann weiter? Erdboden gleichgemacht. Ayatollah Khomeinis Kämpfer stürmten den Iran. Meine Kindheit verbrachte ich in vielen Ländern: Überall gab es Ausschreitungen. Meine Mutter England, Iran, Portugal, einige Zeit in Israel, dann

78 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 War es schwer, in den USA aufgenommen zu he ich meine Musik. Außerdem ist John Malkovich lebt hat. Den Backpackern gebe ich Kredit für ihren werden? ein sehr erfahrener Schauspieler, den nicht allzu Ansatz, die Dinge selbst in die Hand genommen zu Ich kam dort mit einem 60-Tage-Visum für Tou- viele Leute kennen. Also bin ich sein Pendant. haben. Vielleicht bin ich ja der letzte Backpacker, risten an und blieb für die nächsten zehn Jahre der überlebt hat? Ich trage es weiter, vom Backpa- illegal im Land. Zwar füllten wir unzählige Anträge Wie wird man denn heute erfolgreich? cker zum #1BAGer. (lacht) für eine Greencard aus, was mir provisorischen Wie immer: Nur die Übung macht den Meister. Aufenthalt gewährte, dem Antrag wurde jedoch Und man braucht ein Geschäftsmodell für seine Warum stellst du deine Musik frei ins Netz? erst vor ein paar Jahren stattgegeben. Musik. Weil ich nicht genügend Fans habe, denen ich meine Musik verkaufen könnte … (lacht). Nicht ein In Los Angeles konnte man eine Ausstellung be- Du wirst zustimmen, dass die Tage, in denen du einziger unabhängiger Musiker verdient heute mit suchen, in der du Fotos deiner Familie vor der Is- mit Tapes auf der Straße Geld verdient hast, vo- Albumverkäufen Geld, abgesehen von den CDs, lamischen Revolution im Iran gezeigt hast. Was rüber sind, oder? Gleiches gilt für den Boom-Bap- die er auf Konzerten verkauft. Es scheint ein un- war Besonderes daran? Sound … geschriebenes Gesetz zu sein, dass nur zehn Pro- Als ich die Fotos sammelte, hätte ich nie gedacht, Gut, dann nimm bitte ein Album mit einem be- zent deiner Fans auch bei deiner Musik zugreifen. dass sich einmal so viele Menschen dafür inte- kannten Produzenten auf, stecke 100.000 Dollar in Heutzutage sind sie so sehr mit Musik gesättigt, ressieren würden. Ich sah einfach nur das Schö- Werbung auf Facebook, an der Highschool und am dass vielleicht nur noch zwei Prozent übrig blei- ne auf den Fotos und stellte sie aus. Vermutlich College, beschäftige einen Videoproduzenten in ben. Die meisten Künstler haben auch eine völlig erwarteten die Betrachter keinen westlich ge- Vollzeit und gehe mit ihm auf Tournee, bis du nicht aufgeblähte Vorstellung von ihren Fans. Die Hälfte prägten Iran. Die Frauen auf den Fotos kleideten mehr kannst. Die Blütezeit von Boom-Bap ist vorü- des sozialen Netzwerks folgt ihnen aus anderen sich, wie sie wollten und mussten nicht wie heute ber, und trotzdem folgen ihm noch Millionen Men- Gründen als Musik, und ihre E-Mail-Verteiler sind die Regierung fürchten. schen auf der Welt. Kendrick Lamar oder J. Cole voll mit Freunden und Familie. Nüchtern betrach- Europa und Amerika sind ausgebrannte Kontinente für lyrischen Rap. Also liegt meine Zukunft in Afrika.

zeigen, dass man mit anspruchsvollen Texten nach tet verkaufen Untergrund-Künstler ihre Musik zu Hat die Ausstellung ein größeres Echo nach sich wie vor erfolgreich sein kann. Die Generation der Herstellungskosten. Also verschenke ich meine gezogen? 90er stellt ihre Musik auch nicht mit dem gleichen Musik, um mir zunächst ein großes solides Netz- Auf jeden Fall! Die Fotos fanden sich im Internet Löwenanteil ins Netz wie die heutige. Deshalb wird werk mit treuen Fans aufzubauen. Und ich habe wieder, und wir erhielten sogar Anrufe aus dem moderner Rap immer populärer sein. Was uns an viel Musik, die ich auf diese Weise verbraten kann. Iran. Die BBC, The Atlantic und viele andere Me- Popularität fehlt, müssen wir wettmachen, indem Daran soll es nicht scheitern. Meine Videos wer- dien packten die Fotos auf ihre Titelseiten. Sarah wir überdurchschnittlich gut sind, uns wirklich auf- den einige tausend Mal im Internet aufgerufen, Silverman, Elijah Wood und andere Promis zeigten opfern und Geld für Werbung verbrennen, bis wir was pathetisch klingt, bis man sich ins Gedächtnis sie auf Twitter. den Anschluss gefunden haben. ruft, wie viele Rapper imitierte Klicks kaufen oder andere Tricks anwenden, um ihre Aufrufe zu stei- Machtest du dir keine Sorgen, man könne deine Hatten sich die Backpack-Rapper zu sehr daran gern. Und das alles nur, um populär zu wirken. Vor Familie für Propagandazwecke missbrauchen? gewöhnt, vom Publikum automatisch für ihren diesem Hintergrund stehe ich viel besser da, als es (Lacht) Die Fotos selbst sind im Grunde genom- Enthusiasmus belohnt zu werden? zunächst erscheint. men schon Propaganda gegen den Mittleren Ich denke, die Backpacker haben das gleiche Pro- Osten, und gegen den heutigen Mittleren Osten blem wie die Künstler der neueren Schule: Sie sind Du bist auf der Flucht geboren und zeitlebens auf sowieso. langweilig. Wem Texte wichtig sind, der hört die der Flucht geblieben. Ich wüsste niemanden, der Klassiker der 90er. Weshalb sollen wir jemandem wie du alles aufgibt, um für ein Jahr nach Nami- Wann hast du deine Passion für Graffiti und Rap zuhören, der diese Klassiker imitiert? Lyrischer Hip- bia oder Malaysia zu gehen und Musik zu ma- entdeckt? Hop leidet vor allem darunter, dass keiner mehr et- chen. Was ist dort anders als zu Hause? Ich war nie ein Graffiti-Maler. Wie kommst du da- was Neues auspackt, vom Text bis zum Konzept. Ich bin ein Geschichtenerzähler, ein musikalischer rauf? Mitglieder meiner Gruppe Gershwin BLX Ich bin wohl einer der wenigen, die allein durch Dokumentarfilmer. Geschichten, wie es daheim haben gemalt, genauso wie unsere Fans. Also ihre Lebensweise der Kunst einen Bärendienst er- aussieht, gibt es endlos. Geschichten von Welten- war ich von Graffiti umgeben. Ich war nie etwas weisen. Das, was ich erlebt habe und noch erleben bummlern sind seltener. Hip-Hop ruft nach neuen anderes als ein MC. Seit den frühen 90ern. In der werde, gibt meiner Musik und den Texten eine glo- Perspektiven und Inhalten, und ich leiste einen Mittagspause bildeten sich in der Schule Kreise bale Sichtweise. Meine Alben werden einzigartig, Beitrag. zum Freestyle. Meine Zunge saß locker, und so weil ich sie in verschiedenen Ländern der Erde, blieb ich dabei. in unterschiedlichen Gemütszuständen und unter Man trifft dich auch in Italien oder England. Was jedes Mal anderen technischen Voraussetzungen ist anders? Kommt Malkovich nicht aus Hollywood? aufnehmen werde. Wer im Jahr 2016 über Graffiti Nahezu jeder Rapper hat Europa bereist. Das ist Ja, als John Malkovich bin ich der Typ, der andere rappt, langweilt seine Hörer und macht sich nichts nichts Neues mehr. Afrika und Asien sind uner- die Welt durch seine Augen sehen lässt. So verste- aus der heutigen Jugend, die die Zeit nicht miter- forschte Gebiete für Hip-Hop aus den USA. Für

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 79 mich bieten sich dort ganz andere Möglichkeiten. zen. Sie haben sich über die Jahre gut gehalten. besser als die andere, aber im Endeffekt verbeu- Europa fühlt sich wie die USA an. Der Markt ist auf- Naja, und Beats – ich liebe Roc Marcianos „Mar- gen sie sich alle vor der Macht und dem Geld. Sie geteilt, anders als der afrikanische und asiatische. cberg“. Ich bin aber auch glücklich mit meinem töten so viele Menschen wie erforderlich, um ihre Umfeld, ganz besonders mit Mute Speaker. Er hat eigenen Interessen durchzusetzen. Alles eine Sa- Große Firmen investieren dort und züchten sich echt verrückte Beats, und Computer Jay ist einer che der Zeit. Künstler … meiner Lieblingsproduzenten. Für meine Musik sind diese Märkte unerforscht. Wenn wir Kriterien aufstellen müssten, um deine Ganz besonders Afrika. Die namibischen Hörer Offensichtlich befindet sich die Welt im Umbruch. Leistungen in den kommenden zehn Jahren zu zerlegen jede Zeile von mir. In vielen afrikanischen Die herrschende Ordnung wird hinterfragt. Wer messen, welche Kriterien wären das? Ländern ist Englisch die Muttersprache, andere sich gegen die Ordnung stellt, wird zum Märtyrer. Da kriegst du immer die gleiche Antwort: sprechen es fast besser als wir Amerikaner. Und sie Wie erlebst du diese Zeit auf Reisen? MF Doom war der letzte Rapper, der neben den für stehen auf lyrischen Rap. Eine digitale Revolution Für mich spiegeln politische Ansichten immer ein alle Zeit Großen wie Nas, Ice Cube oder Big Daddy fegt über den Kontinent. Hundert Millionen junger persönliches Wunschdenken wider. Die Menschen Kane in die Geschichtsbücher einzog. Ich möchte Menschen haben nagelneue Smartphones! Europa kümmert nicht, was für die Allgemeinheit gut ist, auch in diesem Buch stehen. Schaffe ich das nicht, und Amerika sind ausgebrannte Kontinente für ly- sondern nur für ihr eigenes kleines Umfeld. Eini- habe ich versagt.B rischen Rap. Also liegt meine Zukunft in Afrika. gen geht es dabei sicherlich um ihr Überleben. Aber ich gebe mich nicht der Illusion preis, es gäbe Und zeitgleich veröffentlichst du daheim ein gute und schlechte Regierungen. Vielleicht ist eine Mixtape mit DJ Spinna? Ja, weil ich Musik aus aller Welt liebe. Es gibt Lieder Mit iranisch-britischem Blut in den Adern erblickte Malkovich als typischer Flüchtling, wie er uns von meinetwegen Cesaria Evora, Augustus Pablo gerade täglich beschäftigt, das Licht der Welt. Die Flucht seiner Familie aus dem Iran endete in oder Tim Maia, die ich über Jahre immer wieder Los Angeles. Während sein musikalischer Partner Omni auf Tour nach Europa ging, blieb Mal- hörte. Also nahm ich ein paar von ihnen, machte kovich mangels Pass daheim. Als Bürger war er nämlich nicht registriert. Und wer nicht registriert Loops daraus und rappte darüber. Als ich fertig ist, kann auch nicht das Land verlassen. Zumindest nicht auf herkömmliche Weise. Also blieb ihm war, fragte ich Spinna, ob er sie nicht abmischen genügend Zeit, redaktionell tätig zu werden, die Anerkennung von DJ Premier zu erlangen oder möchte. Fertig war unser „Pre-Boarding”. von Gilles Peterson, der ihn auf seinem „Best of HipHop 2009“-Mix unterbrachte. Mit #1BAG startete Malkovich ein einzigartiges Multimedia-Projekt: Er löste seinen kompletten Hausstand Die nächste Adresse wird dann Premo, oder wer? auf. Über Twitter kontaktieren ihn Produzenten aus der ganzen Welt. Gefallen Malkovich ihre Mit Jay Z oder Nas würde ich gerne etwas ma- Produktionen, begibt er sich auf den Weg zu ihnen. Aber auch diese neu gewonnene Freiheit chen. Ich denke, wir würden uns ganz gut ergän- hat ihren Preis.

80 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 TECHNICS Text: Dan Rosca PRODUKTE Der neue Battlemixer von Pioneer starker Angriff auf die Konkurrenz

Übernimmt Pioneer mit dem DJM-S9 die Weltherrschaft der Battlemixer? Ist er die eierlegende Wollmilchsau, auf die alle gewartet haben? Eins ist klar: Der Mixer bläst mächtig zum An- griff auf den Rane Sixty-Two, der bisher die Position des Platzhirsches in dieser Kategorie eingenommen hat. Wir schauen uns das neue Featuremonster einmal genauer an.

beleuchteten, farbcodierten Faders individuell einstellen. Mehr geht wirklich Performance-Pads, die bei- nicht. Hier kann sich der Magvel locker mit der spielsweise im Cue-Modus Konkurrenz von Rane messen. Daumen hoch. die verschiedenen Farben der Cue-Punkte wiederge- Auch die Linefader kommen aus dem Hause ben. In dunklen DJ-Booths Pioneer. Diese lassen sich zwar nicht wie der sorgen sie definitiv für den Crossfader im Arbeitswiderstand regulieren, Durchblick. Vom Feeling her man kann damit aber durchaus leben. Rechts sind die Pads wirklich großar- neben den Linefadern befindet sich die Cue-Ab- tig verbaut. Der Druckpunkt teilung. Glücklicherweise setzt der DJM-S9 hier ist perfekt und Cue-Juggling auf einen Fader anstatt, wie es der Sixty-Two macht mit den Dingern einen tut, auf eine reine Button-Lösung. Durch diesen Heidenspaß. Hier hat der Fader lässt es sich im Kopfhörer zwar etwas DJM-S9 im Vergleich zu Rane schwergängig, aber dennoch komfortabel zwi- auf jeden Fall die Nase vorn. schen den beiden Kanälen hin- und hermischen.

Etwas ungewohnt, aber Der Aufbau der Bedienelemente ist klar und innovativ, sind die Effekt- schlüssig und doch sagt mir der gesamte Auf- hebel, bei denen man die bau des Sixty-Two mit seiner etwas kompakte- Effekte entweder temporär ren Anordnung mehr zu. Das muss aber selbst- oder gänzlich per Lock-on verständlich jeder für sich selbst entscheiden. einschalten kann. Bei der Was man nach der Testsession aber nur schwer DJ-Performance lassen sich vermissen möchte, sind die acht Pads und die damit einige nette Spiele- Effekthebel. Hier ist meiner Meinung nach Rane reien veranstalten. Wahlwei- nun gefragt und wird wohl hoffentlich recht bald se kann man auf die internen mit einem neuen Schmuckstück kontern Effekte oder die Serato DJ FX zugreifen. Ebenfalls neu Fazit ist der aus eigenem Hause Viele Pioneer-Fans, die gespannt auf einen Der Pioneer DJM-S9 ist für Serato stammende magnetische „Magvel“-Crossfader, Nachfolger des DJM-909 gewartet haben, wur- DJ konzipiert worden und es lassen bei dem der Widerstand stufenlos von „light“ den belohnt. Trotz der Fülle an Features bietet sich nahtlos bis zu vier Decks damit bis „heavy“ eingestellt werden kann. Natürlich der DJM-S9 ein übersichtliches und gut durch- steuern. Auch alle weiteren Sera- gibt es auch hier wie gewohnt die Möglichkeit, dachtes Layout, das einen sehr intuitiven und D to-Funktionen – etwa Autoloops, alle Faderkurven je nach Gusto anzupassen. kreativen Workflow erlaubt und zudem auch Effekte oder Cue-Punkte – können noch eine Menge Spaß bereitet. Der Preis unter- direkt am Mixer angesteuert werden. Eigentlich Doch dem nicht genug: Mittels drei verschie- bietet mit ca. 1.800 Euro den Sixty-Two, für den nichts Neues, kennt man das alles doch schon dener „Rubber Bumpers“ lässt sich beim Cross- man aktuell ca. 2.300 Euro hinblättern muss, von Sixty-Two & Co. Was den Unterschied aus- fader sogar das Aufprallen an den Seiten anpas- deutlich. Die Schlacht im Battlemixer-Olymp macht, sind unter anderem die acht großen sen. Damit kann man nun auch die Klicks des geht mit Sicherheit weiter..B

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 81 Sleepy’s World of Music Text: Sleepwalker Native Instruments Komplete Kontrol S88 Als mich Benny von der BACKSPIN anrief und fragte, ob ich das neue Keyboard-Schlachtschiff S88 von Native Instruments testen möchte, musste ich zusagen. Ich hatte schon einige Videos der Serie angeschaut und es vereinzelt bei Kollegen, wie zum Beispiel Busy, auf Studiobildern gesehen. Ich war total neugierig, wie sich das Keyboard spielen lassen würde und ob es, wie versprochen, durch die Kontrollfunktionen meinen Workflow optimieren könnte. Ding, dong – DHL ist im Haus.

Hardware Das schwarze Keyboard macht einen robusten, aber dennoch sehr eleganten Eindruck. Mit seinen 14,4 Ki- logramm und einer Breite von 1.389 Millimeter baut sich das Gerät inklusive Hammermechanik-Klaviatur von Fatar vor einem auf. Man munkelt, das Fatar die Nummer eins der Klaviatur-Hersteller ist und des- wegen vertraut NI hier auf langjährige Erfahrung der Firma aus Italien. Über der Tastatur befinden sich so- genannte farbliche „Light Guides“, die das Ganze in Keyswitches, Sample-Mappings und Keyboard-Splits unterteilen können. Die gummierten Endlos-Drehreg- ler und Taster wirken hochwertig und machen sich sehr gut in der Praxis. Nicht fehlen dürfen natürlich te Select bei, das folgende 10 NI-Produkte enthält: ter Geräte hinzufügen, als Mackie Control eintragen Pitch Bend und Modulation, die hier aber nicht mit Drumlab, Massive, Monark, Reaktor Prism, Retro Ma- und die Midi I/O passend zuweisen. Danach öffnete Rädern, sondern mit beleuchteten „Touch Strips“ am chines MK2, Scarbee Mark I, The Gentleman, Vintage ich mir das VST-Plug-in Komplete Kontrol und konnte Start sind. Auf der Rückseite befinden sich noch der Organs, West African und Solid Bus Comp. Damit nun alles genau so steuern, wie es sich der Herstel- Stromanschluss, USB, Midi I/O, Pedal-/Sustain-Ein- lässt sich auf jeden Fall schon ordentlich loslegen. ler gedacht hat. Das Blättern durch meine Komplete gänge und ein Kensington-Schloss. Ultimate 9 Librarys ist dank der weichen Tasten sehr angenehm und ich kann dabei endlich mal die Maus S88 in der Praxis liegen lassen. Hat man sein passendes Instrument Software Die NI-Produkte kann man entweder als Stand-alone ausgewählt, legen sich deren Parameter automatisch Die Installation ging eigentlich ganz knackig über die oder in seiner DAW benutzen. In beiden Fällen muss auf die acht Drehregler. Gibt es mehr als acht Para- Bühne. Man befolgt einfach die Anweisungen auf man Komplete Kontrol vorher geöffnet haben, um mit meter, blättert man sich mit den Seiten-Tastern durch. dem beigelegten Zettel und Anpfiff! Dem Paket liegt dem S88 alles bedienen zu können. Da ich Cubase 8 Da kann es schon mal vorkommen, dass man ein eine Version von Komplete Kontrol und Komple- Pro benutze, musste ich das Keyboard erst noch un- wenig blättern muss, bevor man die richtige Einstel-

82 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 in ein Mikro ben sein. Da mache ich mir bei einer Firma wie Native summe und Instruments keine Sorgen. Wem das S88 zu groß ist, das Key- schaut sich einfach mal bei den kleineren Modellen board mir S61, S49 und S25 um. Da darf man aber leider nur lungsmöglichkeit entdeckt hat. Aber hier hat mir NI dann die Melodie schön beleuchtet aufspielt, haha. auf halbgewichteten Tasten spielen, was schon einen die Option gegeben, meine eigenen Mappings zu Nee, aber mal im Ernst: Ich finde Smart Play jetzt kleinen Unterschied ausmachen könnte. Der Preis ist gestalten und mir alles schön nach Belieben anzuord- schon ganz geil. Dazu gehört auch der Chord-Modus, natürlich mit 999 Euro nicht gerade als günstig zu be- nen. Super! in dem ich mir durch das Drücken nur einer Taste zeichnen, aber man bezahlt hier für Qualität und inve- schöne Akkorde zusammenbasteln kann. Als Drittes stiert in einen Keyboard-Controller, der zum Herzstück Ich hatte immer wieder gehört, dass man mit den gibt es dann noch den Arpeggiator, den ich mit mei- eines jeden Home- oder Profi-Studios werden könnte NI-Keyboards nur die hauseigenen VST-Plug-ins kon- nen Drehreglern in viele verschiedene Richtungen zu- und den Workflow enorm verbessert. Durch den neu- trollieren konnte und Dritthersteller bis jetzt außen vor sammenflashen kann und auch mit Smart Play kom- en Native Komplete Kontrol Standard sind dem Gerät gelassen wurden. Das konnte NI natürlich so nicht ste- binieren darf. Sehr große Hilfen beim Komponieren auch keine Grenzen mehr gesetzt, was die Integration hen lassen und entwarf den Native Komplete Kontrol der eigenen Stücke, wie ich finde! von VST-Drittherstellern angeht. Standard, abgekürzt NKS. Das hieß für mich, dass ich auch auf meine Arturia Collection via Komplete Kon- Auf unserer Website backspin.de habe ich euch mal Ich bedanke ich mich bei der BACKSPIN und Native trol zugreifen konnte und alles automatisch auf das einen Beat hochgeladen, den ich mit dem Keyboard Instruments für die Möglichkeit, dieses tolle Gerät ge- S88 gemappt wurde. Geil! Aber leider sind noch nicht gemacht habe in der Zeit. testet haben zu dürfen! alle Hersteller mit an Bord, was sich aber auf jeden Fall Peace n Love in naher Zukunft ändern wird, nehme ich an. Eine Li- Sleepy ste aller Hersteller, die bereits dabei sind, findet man Mein Fazit im Internet unter native-instruments.com. Ich habe noch nie mit so viel Spaß an einem Key- board gesessen und meinen Ideen freien Lauf gelas- Hersteller-Infos Zurück zu den Kontrollfunktionen des S88. Schon mal sen! Das Spielgefühl ist Eins-a. Dazu muss ich aber Mehr über die Komplete Kontrol Keyboards was von „Smart Play“ gehört? Ich auch nicht! Auf je- sagen, dass ich noch nie so ein großes Keyboard be- native-instruments.com den Fall bietet NI diese Funktion an und dazu gehört sessen habe, und dann noch mit gewichteten Tasten. der Scale-Modus, in dem ich mir aus vielen verschie- Das macht schon Laune, auf jeden. Hin und wieder Sleepwalker Links denen eine Tonleiter aussuche, wie zum Beispiel Fla- hatte ich in den Wochen hier und da mal ein paar klei- Fragen, Anregungen oder Kritik zu den Beiträgen: menco, und mir das S88 dann nur die Tasten beleuch- ne Abstürze, wo ich dann das Keyboard unter Cubase [email protected]. tet, die zu dieser Tonleiter gehören. Ein Traum, denn als Controller verloren habe und neu starten musste. Powered by www.audio-praxis.de ich sehe es schon kommen, dass ich in Zukunft nur Ich denke aber, das wird in zukünftigen Updates beho-

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 83 Interview: Luisa Blotzki Fotos: Luisa Blotzki/Florian Lenz FIGUBNAME: Brazlevic ...eigentlich ja Mario, aber mein Gedanke war das Un- konventionelle. Ich gehe gerne meinen eigenen Weg und das ist ja das, was Hip-Hop eigentlich will.

Alter: 33 Wohnort: Berlin, seit sieben Jahren in Moabit. Ich will es ja immer nicht wahrhaben, aber Berlin war unglaublich wichtig. Produziert seit: 20 Jahren Equipment: Computer seit 20 Jahren. Ich habe noch nie einen MPC-Beat auf eine meiner Platten gepackt. Favorite Breaks: Ich kreiere meine eigenen Breaks. Aber mein Favorite Break, das noch nie so richtig gesampelt wurde, ist „Voodoo Child“ von Jimi Hendrix mit Mitch Mitchell auf der Live-Version. Da spielen die das so krass bluesig.

84 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 Favourite Hip-Hop-Songs: „Samurai“ von Shurik’n, „O-Zone“ von O.C., „Fu-Gee-La“ von The Fugees und eigentlich das ganze Album „Enta da Stage“ von Black Moon. Favourite Hip-Hop-Song you wish you had produced: Wu-Tang Clan: „Protect YaNeck“. Favourite Non-Hip-Hop-Songs: Smooth Operator“ von Sade und „Cool Out“ von Leroy Hutson und Simply Red hat auch einen halben Katalog, den ich feiere! Die Instrumentierung ist für mich einfach unglaublich wichtig. Favourite Hip-Hop-Producer: The 45 King, Mark Sparks, Buckwild, Pete Rock, Mono Massive aus Wien ist unglaublich und auch Bluestaeb. Brenk Sinatra und Dexter beispielsweise sind auch krasse Produzenten. Aktuell gibt es ganz viele Nachwuchskünstler, ich gucke ehrlich gesagt fast nicht mehr über den groSSen Teich. Muss man auch einfach nicht mehr, wir machen in Euro- pa gerade den fettesten Sound.uskam und was gemacht hat! Favourite Non-Hip-Hop-Producer: Keine. Aktuelle Produktionen: Labelgründung „Krekpek Records“ und ein Projekt mit einem jungen MC aus Schweden. Die erste Produktion eines kompletten Rap-Albums und die dritte Beatmaker- Compilation „Audio Dope“ stehen an.

Wie bist du zum Produzieren gekommen? Wer Mein Style ist unkonventionell in der Art und Wei- 20 Minuten gebraucht, bis er das wiedergegeben hat dich dazu gebracht? se, wie ich es mache. Vom Flavour her haben wir oder eben gestoppt hat. Es ging einfach alles rich- Durch meinen Freund Oli. Sein Künstlername ist Oli- uns früher komischerweise geschämt, dabei hät- tig langsam, manchmal bin ich skaten gegangen, vier Buscapé, er hatte schon früh mit dem Rappen ten wir uns überhaupt nicht zu schämen müssen. während ich ein Sample geladen habe. Zu dieser begonnen. Ich habe zu dieser Zeit selbst auch schon Wir hätten schon viel früher Musik herausbringen Zeit war ich dann einfach sehr kreativ. Ich hatte Hip-Hop gehört. „Temples of Boom“ von Cypress sollen. Schon 2002, da war ich 19, da hatte ich wirklich nichts und ich dachte auch irgendwie, Hill war eins der ersten Alben, die ich unbedingt schon Beats, bei denen mir klar war: „Das wird das ist alles nichts wert, deshalb habe ich so viel haben wollte. Damals habe ich noch Techno produ- was!“ Ich habe sehr viele unterschiedliche Styles. rausgeholt wie nur möglich. Das war auch mein ziert und eines Tages hat mich Oli gefragt, ob ich ihm Was ich mag, ist einfach jede Form von fetten Hip- Ansporn: „Ey, ich habe hier eigentlich nur einen einen Beat bauen kann und den fand er dann auf Hop-Beats. Ob es die düsteren oder die funkigen Rechner, ich habe ‘ne Tastatur, ich habe ’ne Maus Anhieb cool. Auf diesen Beat durfte ich sogar einen Dinger sind: Ich finde, ich kriege sie alle irgendwie und Lautsprecher von Aldi – keep that shit!“ An- Part mit ihm rappen, der Song hieß „Fantasie“. Wir hin. Und ich entwickle mich immer weiter. ders lässt es sich nicht beschreiben. waren so jung, ich war da 13 Jahre und wir hatten noch in diesem Jahr unseren ersten Live-Auftritt auf Glaubst du, dass dein Equipment eine große Rol- Wie haben sich deine Produktionen im Laufe der einer Fastnachtsparty vor 800 Leuten oder so. Damit le dabei spielt, wie deine Beats klingen? Zeit weiterentwickelt? Gibt es bestimmte Routi- hat es angefangen und ich war voll im Film. Ich hatte Ja, denn ich hatte kein Equipment beziehungs- nen, die du immer machst, wenn du einen Beat eben davor Hardcore-Techno gemacht und emp- weise kaum. Heute kann ich alles machen und baust? fand Hip-Hop dann als so energetisch. bin vielleicht sogar zu faul, um manche Techniken Verändert haben sie sich dadurch, dass ich Wie- oder etwas Neues auszuprobieren. Damals hatte derentdeckungen gemacht habe. Anstatt in die Zu- Wie würdest du deinen Style beschreiben und ich einen alten Rechner und wenn ich ein falsches kunft bin ich in die Vergangenheit gereist und habe hat er sich über die Jahre verändert? Sample geladen hatte, dann hat der Rechner mal ein paar Platten und Situationen wieder für mich entdeckt. Ein Album war beispielsweise „Ma- Welt zu tun und das ist für mich das Schönste. verfilmen. Aber diese Kohle haben Underground- kin’ Moves“ von Kirk 1994, da war ich 17 Jahre Auch dass ich mit vielen Female-MCs schon ge- MCs nun mal nicht. Ich sage mal so, es läuft zwar und hatte von dieser Platte auch etwas gesamplet. arbeitet habe. Ich habe so viel Freude an Hip-Hop krass und Vinyl verkauft sich gerade unglaublich Meine damalige Freundin hatte diese Platte mitge- und zu vielen Legenden-Rappern einen guten gut und wir können uns gerade alle nicht wirklich nommen, als sie mich verließ, und vor drei oder Draht und konnte sogar vielen von denen noch beschweren, aber irgendwo fehlt eine Sache: die vier Jahren habe ich dann wieder Kontakt zu ihr Einiges zeigen. Ich bin gerne Szene-Klebstoff und jungen Leute! Ich habe früher in vielen Grund- und aufgenommen, weil ich das Bedürfnis hatte, mal bringe unglaublich gerne Leute zusammen, die Hauptschulen Hip-Hop-Workshops veranstaltet. den Stress mit ihr zu klären. Irgendwie hatte ich nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben. Ich finde, man muss mit den Kids viel mehr ma- jahrelang das Gefühl, ich habe bei ihr irgendwas Das ist für mich Hip-Hop. chen und es wäre schön, wenn positiverer Rap vergessen – auch in Sachen Selbstwert. Sie hat oder positivere Musik mal wieder ein bisschen mir dann zum Geburtstag genau diese CD wieder Woran arbeitest du gerade? Was kommt Neues mehr Erfolg hat. geschenkt und ich war wieder total hin und weg. von dir? „Man of Booom“ ist von diesem Album auch un- In erster Linie haben wir gerade ein neues Label ge- Man sagt, du wärst inspiriert von den 1990ern, glaublich viel beeinflusst. Routinen gibt es, wenn gründet: Krekpek Records. Momentan arbeite ich malst aber dein ganz eigenes Soundbild. Wie überhaupt, nur in soweit, dass ich meine Beats oft- an einem Projekt mit Christmas, einem jungen MC stehst du zu der Thematik „Deutschrap als Ko- mals gleich anfange. Ich suche mir meist erst mal aus Schweden. Ein unglaublich guter Musiker mit pie“? mein Drum-Konstrukt zurecht und sehe zu, dass einer krassen Lebensgeschichte. Dazu ist er aber „Deutschrap als Kopie“ gab es nie wirklich. Nicht mir der Sound gefällt und ich gleich am Nicken bin. auch ein unglaublich positiver Mensch – ein Ninja. mal die Stiebers klangen wie Ami-Rap, auch nicht Nach 20 Jahren merkt man recht schnell, was man Mit ihm haben wir jetzt ein Album aufgenommen. Main Concept. Das hat für mich alles nie wirklich mag, und ich bin auch mehr Sound-Designer als Außerdem habe ich jetzt mein erstes komplettes nach Amerika geklungen. Die Samples oder die nerdiger Beat-Typ. deutsches Rap-Album mit John Known aus Ham- Art und Weise, wie man es gemacht hat, haben burg produziert. Und es steht die dritte Beatmaker- natürlich danach geklungen. Man hat sich eben Welche deiner Produktionen magst du selbst am Compilation „Audio Dope“ an, die bringen wir inspirieren lassen. Wir wären ja bescheuert, wenn liebsten und warum? demnächst auch auf Vinyl raus. Und noch viele, wir unseren „eigenen Hip-Hop“ erfinden. Wie wür- „Die Expedition“ mag ich extrem. Die Platte war viele Einzelproduktionen. de der denn bitte klingen in Deutschland?! Viele irgendwie nach sechs Tagen ausverkauft, das war haben angefangen, auf Englisch zu Rappen, weil das Absurdeste, was ich bis dahin erlebt hatte. Wenn du heute einen Remix machen dürftest, die Amis hier in Deutschland stationiert waren, „Expedition“ ist schon auch die Platte, die am mei- ob Hip-Hop oder nicht, welchen Titel würdest du oder wie bei uns im Süden die Franzosen. Das war sten Veränderung in mein Leben gebracht hat und wählen? einfach logisch. Ich finde es gut, dass es sich so die ich ohne zu skippen durchhören kann. Wenn ich Einzelspuren kriegen könnte, dann wäre weiterentwickelt hat und Deutschrap irgendwann coming soon! es, glaube ich, etwas von The Doors, wahrschein- gekommen ist. Was ich mittlerweile einfach sehr Denkst du, dass ein Street-Rapper eher einen an- lich „Riders on the Storm“. Oder auch etwas von wichtig finde, ist der europäische Rap. Wir versu- deren Sound braucht als zum Beispiel ein Con- Prince oder Genesis. chen uns gerade zusammenzuschließen zu der scious-Rapper? ersten europäischen Rap-Crew, wir haben hier Nein, ich finde, es kommt darauf an, was ein Rapper Welche anderen Musikstile reizen dich und wa- einen riesigen Markt und so viele verschiedene vermitteln will. Bei ausdrucksstarken Songs, gerade rum? Und hältst du Rap für eine eher limitierte gute MCs. Wir wollen versuchen, hier ein Sprach- im Deutschrap, wo die Lyrik auch mal sehr geschwol- Musikrichtung? rohr und ein Movement zu werden. Es gab schon len ist, kann der Sound gerne übertrieben sein. Klar, alles. Jazz, Funk, Soul. Und ich denke, Rap ist immer interessante Sachen, aber ich denke, jetzt die weltgrößte Musikrichtung mittlerweile. Auch können wir mal ein Zeichen setzen. B NEUES Wie wichtig ist es dir eigentlich, was ein Rapper wenn Jazz oder Musikinstrumente noch immer oder Sänger auf deinen Beats sagt? „lauter sprechen“ als eine Stimme. Es hat auf je- Das muss der MC für sich selbst wissen, ich schrei- den Fall seine krasse Berechtigung. Wenn die Leu- be niemandem etwas vor. Und wer mich dafür te noch ein bisschen mehr Funkiness reinbringen kritisiert, dass ich mit so vielen Künstlern aus ver- würden, sodass vielleicht auch ältere Leute daran BRETT- schiedenen Ecken zusammenarbeite, dem muss Spaß haben – das fehlt noch ein bisschen. Mir fehlt ich sagen: „Okay, dann höre dir eben 99 Prozent tatsächlich der Funk! der anderen Songs an.“ Die MCs müssen selbst wissen, was sie mit meinen Beats tun. Es gibt sel- Welchen Anteil haben Producer an dieser anhal- ten mal eine Situation, in der ich sage: „Überleg dir tenden Hip-Hop-Erfolgsblase in den letzten Jah- das bitte noch mal.“ Ich habe früh gelernt, damit ren in Deutschland? umzugehen und Respekt dafür aufzubringen, dass Ich sage mal, am meisten Anteil an diesem Erfolg MCs darüber rappen, worüber sie eben rappen. haben die Videomacher. Es ist unglaublich wich- SPIEL tig für Künstler, mit ihren Videos zu punkten, die Wie siehst du Hip-Hop heutzutage? wenigsten Leute hören sich noch ganze Alben Es ist interessant, was Hip-Hop heute ist. Hip-Hop durch. Man gibt sich als Künstler so viel Mühe, ist so groß! Ich habe mit Leuten aus der ganzen aber man müsste an sich sein ganzes Album ..

86 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 DIE BACKSPIN APP-ERHALTLICH IM APP STORE Facebook “f” Logo RGB / .eps Facebook “f” Logo RGB / .eps

coming soon! NEUES BRETT- SPIEL .. DIE BACKSPIN APP-ERHALTLICH IM APP STORE aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaMUSIC EIN THEMA, DAS KEINS SEIN SOLLTE sich die Outfits der frühen Rap-Stars an, sind The Tauziehen. Entweder haben sich mei- Village People („YMCA“) nicht weit weg. Pop-Art igentlich wollte ich mich in ne Interviewpartner taub gestellt oder wir haben fand sich auf den Covern von Cindy Laupers dieser Ausgabe einem homosexuel- uns ganz allgemein über Homosexualität ausge- Band Blue Angel wieder wie der Safe-Sex-Pro- len Künstler widmen. Inspiriert war tauscht. tagonist Keith Haring in Büchern, die sich mit der das Ganze von einem Interview der So war zum Beispiel die New Yorker Dance- Entwicklung des Stylewriting beschäftigten. Für New Yorker Radiostation Hot 97 mit teria, einer der ganz frühen Klubs, in denen Hip- mich ist das alles kein Zufall. Und zeitgleich grö- MC Lyte. Voller Begeisterung erzählt Hop laufen lernte, eine der Top-Adressen für lt das Publikum mit Kool Savas „Alle MCs sind Lytro über ihre Arbeit mit jungen Homosexuelle. Eigentlich gab es insgesamt drei schwul in Deutschland!“ Ist das vielleicht dem E Künstlern. Wie so oft wird sie auch Danceterias. Die zweite war der Gay-Klub, die Umstand geschuldet, dass das Fundament der auf ihre mögliche Homosexualität angespro- dritte der Hip-Hop-Spot. Wie die Punk-Bewegung Kultur, in der wir uns bewegen, von Homosexu- chen. Wie gewohnt hält sich Lyte in dieser Sache und wie Hip-Hop emanzipierten sich die Homo- ellen genauso mitgetragen wurde wie von den bedeckt. Konkreter wurde die Frage nach dem sexuellen. Subkulturen entwickelten sich parallel vielen anderen Einflüssen, die sich im Hip-Hop Kinderwunsch. Könne sich Lyte eigene Kinder zueinander und verschmolzen unterwegs auf wiederfinden? Immer wieder wird Hip-Hop mit vorstellen? Was für eine Keule von Hot 97! Als irgendeine Weise wieder miteinander. Dies war „Ultra-Macho-Fickern“ assoziiert. Damit ist doch Betrachter des Interviews hat es mich bei dieser natürlich dem Umstand geschuldet, dass die wohl klar, dass ein Coming-out das Letzte ist, was Frage mindestens genauso zerlegt wie MC Lyte. Subkulturen zur gleichen Zeit und am gleichen diese Kultur gebrauchen kann. Renditen würden Bumm! Das hat gesessen. Lyte hat wie gewohnt Ort stattfanden: in einer großen Metropole wie ausbleiben und die maskulinsten Vertreter des souverän geantwortet. Aktuell wäre es nicht ihr New York City. Aber auch andere Metropolen Rap würden unverblümt zart dastehen wie die oberstes Ziel, Mutter zu werden. Sie sei erst ein- wie Los Angeles und die Bay Area waren hiervon Madonna von Leonardo da Vinci. Warum fällt mir mal auf der Suche nach einem vertrauenswür- betroffen. Die Beastie Boys kamen als Punkband da gerade „Ruffneck“ von MC Lyte ein? digen Partner. aus diesem Schmelztiegel – genauso wie der Für meine Interviewakquise habe ich sogar Mir reichte das nicht. Ich wollte mehr wissen, König der Gay-Rap-Szene: Man Parrish. Im Zuge eine ungewohnt lange Reise auf mich genom- mich mit einer oder einem Homosexuellen über meiner Akquise hat ein Bekannter Man Parrish men. Bewusst habe ich einen Rucksack sparta- Kinder unterhalten. diesen Titel aufgedrückt und ich finde, er passt nisch gepackt und ein Billigticket gelöst wie ein Dafür hatte ich zwei interessante Gesprächs- ganz gut. Schon im Jahr 1995 hat der leider be- 16-Jähriger. Hip-Hop war mein Motor. Die Fahrt partner am Start. Der eine war ein Vertreter der reits verstorbene Mentor von Grandmaster Flash, ging ins Ungewisse. Haben meine Kontakte vor ganz frühen Schule von Hip-Hop in Deutschland Kev Dog, die Bedeutung von Man Parrish he- Ort Zeit für mich? Lohnt sich der Aufwand über- gewesen. Ein Elternteil war ein in Bayern statio- rausgestellt. Niemand zweifelt daran, dass Keith haupt? Treffe ich neue Leute und bringe ich Inter- nierter G.I. Weiter hätten wir in der Geschichte Cowboy von den Furious Five für die namensge- views mit nach Hause? Zwölf Stunden saß ich im wirklich nicht zurückgehen können. Der andere bende Phrase „To the hip hop, you don’t stop“ Zug. Derezon holte mich in Berlin vom Bahnhof Gesprächspartner war eine super smarte Dame steht. Man Parrish habe diese Phrase laut Kev ab. Wie vor zwanzig Jahren, mit einem Zweitürer. aus dem Norden der Republik, die – so hat man Dog mit seiner Hitsingle „Hip Hop, Be Bop (Don’t Mensch, war ich glücklich! Wenige Stunden spä- mir erzählt – Boom Bap mit Löffeln gefressen hat. Stop)“ zementiert und unserer Kultur endgültig ter, um Mitternacht, stand ich dann auch schon Ich war also Feuer und Flamme, mein Fragen- ihren Namen verliehen. Wie MC Lyte wird Afrika am Ziel meiner Reise: in einem spartanischen katalog zwei Seiten lang. Aber es kam anders. Bambaataa ebenfalls alle Tage wieder in Verbin- Kreuzberger Kellerklub. Das war diese Art von Die Interviewakquise entwickelte sich zu einem dung mit Homosexualität gebracht. Schaut man Klub, in der wir in den Neunzigern die steilsten

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Text: Sascha Weigelt

wesentlich interessantere Aspekte an Menschen als ihre sexuelle Aus- richtung. Schon 1994 interviewten wir den Briten She für unser kleines Yard-Magazin. Zeitgleich outete sich mein Ziehvater von der Berliner SWAT-Posse als Homosexueller. Wo lag das Problem? Die wenigen Fra- gen, die offen blieben, habe ich gestellt und meine Antworten bekom- men. Jeder ist anders. Jeder geht anders mit seiner Sexualität um. Ein Partys feierten. Der erste Floor war etwas weitläufiger, mit Rück- Mittzwanziger setzt seine Prioritäten anders ein Vierzigjähriger. Komisch, DAS KEINS SEIN SOLLTEzugsmöglichkeiten. Dort unterhielt ich mich mit KCL aus Kopenhagen oder? Genau die gleiche Antwort bekam ich von meinen gesuchten In- über die schöne alte Zeit und wie wir unser Lebensgefühl ins Heute terviewpartnern auf die Frage, wie wichtig ihnen das Coming-out war. übertragen. DJ Reezm aus Zürich war am Mix. Das Publikum war eine Und genau die gleiche Antwort gab MC Lyte auf die Frage von Hot 97 zu bunte Mischung aus eigentlich ganz angenehmen Leuten. Eigentlich. ihrem Kinderwunsch. Ich habe also meine Antwort gefunden: Heutzuta- Eine Dame, die alle Vorurteile vereinte, die man Lesben unterstellen ge ist es egal, wie man ist. Hauptsache, man ist glücklich. B kann, fauchte mich an. Ich hätte sie mit meinem Rucksack berührt. Tat mir leid. Das war nun einmal meine Verkleidung in dieser Nacht. Anders In diesem Sinne! Euer Sascha als früher war ich der Einzige, der an diesem Abend Rucksack trug. Das Kapitel der Backpacker gehört der Vergangenheit an. Dermaßen aggres- siv aus meiner Traumwelt gerissen, verkroch ich mich auf den zweiten Mehr Informationen und Tickets unter fourartists.com Floor, den man mangels Tür nur im Limbo erreicht. Hier brannte die Luft. Die Leute tanzten sich den Teufel aus dem Leib, zappelten umher, als wurde Koks satt gereicht. Körper an Körper, die Leiber schweißgeba- det. Marc Hype von Dusty Donuts heizte ein. Klemens von Rap History, ein Lächeln auf den Lippen, sortierte seine Platten. Torch versuchte, sich höflich einer dieser überdrehten Damen zu entledigen, denen Hype ge- 21.10. KIEL - MAX rade den Verstand raubte. Ich sah Blacky. Wir stellten uns in die letzte 22.10. HAMBURG - GROSSE FREIHEIT freie Ecke und hielten uns an einer Flasche Bier fest. Wollte ich nicht 23.10. DORTMUND - FZW 24.10. KÖLN - LIVE MUSIC HALL Interviews führen? Meine Interviewpartner sollte ich in dieser Nacht 26.10. FRANKFURT - BATSCHKAPP nicht mehr wiederfinden. Entweder legten sie Platten auf oder standen 27.10. STUTTGART - LKA 28.10. ZÜRICH - DYNAMO umringt von interessanten Gesprächspartnern in Grüppchen. Wir hatten 29.10. WIEN - FLEX Spaß. Wir waren eine Familie. Es herrschte Frieden. 31.10. MÜNCHEN - MUFFATHALLE Am Rand erwähnt – ich will zum Thema zurück – wimmelte der Klub 01.11. ERFURT - STADTGARTEN 02.11. DRESDEN - SCHLACHTHOF von Homosexuellen. Beim überwiegenden Teil war es mir allerdings 03.11. LEIPZIG - HAUS AUENSEE unmöglich, herauszufinden, in welcher Liga sie spielten. Diejenigen, die 04.11. BERLIN - COLUMBIAHALLE ich mit gleichgeschlechtlichen Partnern im Bett sah, hatten Mann und Kind zu Hause. Ätsch, Eigentor! Interviews kamen in dieser Nacht kei- ne zustande. Vielleicht war es das Ziel meiner Interviewpartnerin, mich nach Berlin in ihren Klub zu locken? Ich sollte die Atmosphäre einfan- gen. Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Sie hatte Ihr Ziel erreicht. Völlig übermüdet fand ich mich morgens um sechs im Zug wieder. An schlafen war nicht zu denken. Die Gedanken ratterten wie der Zug auf den Gleisen. Wie komme ich nun an mein Interview? Zurück zu Hau- se war mir klar, dass es dieses Interview gar nicht braucht. Weshalb soll man über die normalste Sache der Welt reden? In meiner Vergan- genheit hatte ich immer wieder mit Homosexuellen zu tun. Ihre Homo- 19.04. BERLIN sexualität kam dabei allerdings nie zur Sprache. Warum auch? Es gibt 08.05. BERLIN - ASTRA MUSIK & FRIEDEN 10.05. MÜNCHEN - TONHALLE 11.05. KÖLN - LIVE MUSIC HALL 20.04. KÖLN Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 89 12.05. HAMBURG - DOCKS YUCA

04_16_Backspin_1/4.indd 1 15.03.16 13:10 Das raue Haus des Hamburger Bis heute klafft am Anfang des Kiezes gegenüber vom Heiligengeistfeld eine Baulücke. Merkwürdig, denn Hamburgs Freiflächen in zentraler Lage verschwan- den in den vergangenen 20 Jahren zusehends, ausge- hoben für die Fundamente von Neubauten im oberen Preissegment. Doch auf dem Schotterplatz zwischen Budapester StraSSe und der Simon-von-Utrecht-Stra- SSe parken Autos. Hip-Hop Text: Dyfed Loesche| Foto: Cornelious Groenewold Nichts deutet mehr darauf hin, dass dort, wo ren Betreiber einwilligten, ihm die unteren Räum- erklärt er seine Motivation, musikalisch andere heute ein blaues Kassenhäuschen steht, früher lichkeiten für 5.000 Mark im Monat zu überlassen. Wege zu gehen. ein Gebäude aus der Gründerzeit mit spitzem Giebel und bröckelnder Fassade stand. Der nach An das Powerhouse erinnern sich die langsam in Zunächst legte André Luth im Powerhouses auf, hinten versetzte Eingangsbereich war von einem die Jahre kommenden Protagonisten von damals der auch sein eigenes Hip-Hop-Label Yo Mama markanten Bogen eingefasst, ein dickes Entlüf- in schwärmerischen Tönen. Bei einem Treffen in betrieb, mit dem er sich sehr bald ausschließ- tungsrohr ragte neben den Treppen aus der Fas- einem Restaurant in Hamburg-Ottensen schwel- lich beschäftigen sollte. Es fand sich allerdings sade. Dem Abriss der Nummer 42 Anfang der gen Wolf und die DJs Marius No. 1 und Mirko adäquater Ersatz: Mario Cullmann alias DJ Cool- 2000er fiel auch ein Stück Hamburger Hip-Hop- Machine in Erinnerungen über geschlagene mann übernahm an den Plattentellern, der spä- Geschichte zum Opfer. Schlachten. Es ist einer der lauteren Tische an tere DJ von Fünf Sterne Deluxe. Er wiederum diesem Abend. holte Marius Walczak alias Marius No. 1 dazu, Zehn Jahre zuvor, Anfang der 1990er, eröffnete der bereits seit ein paar Jahren Hip-Hop in einem Partymacher Wolf von Waldenfels dort das Po- Als er 1992 das Powerhouse aufmachte, hatte Klub auflegte und den Norden mit einer Hip-Hop- werhouse, das sich zum Treffpunkt der noch Wolf nicht von vornherein die Absicht, daraus ei- Sendung über den NDR beschallte. jungen und hungrigen Hamburger Hip-Hop- nen Hip-Hop-Laden zu machen. Es war eher eine Szene entwickelte. Wolf übernahm den Namen bewusste Entscheidung gegen den damals auf- Die beiden kamen auf den Trichter, simultan auf- vom Vormieter, einem Fitnessklub, unten im Kel- kommenden Techno, den er zu aufgesetzt fand. zulegen, mit vier Plattentellern und zwei Misch- ler stand damals noch ein Boxring. Die oberen „Alle Klubs hoppten auf diese neue Musik auf. Da pulten nebeneinander. „Als Mario und ich zu Stockwerke beherbergten eine Taxizentrale, de- musste ein Gegengewicht geschaffen werden“, zweit mit den vier Plattenspielern auflegten, auf

90 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 den Technics scratchten und Backspins machten, die wir am Wochenende verdient haben, waren eine DJ-Show hinlegten, da war es dann ein rich- Obwohl die ersten Deutschrap-Platten gepresst viel Kohle für uns“, erinnert sich Brian. tiger Hip-Hop-Klub, den es so vorher nirgends waren, galt die Musikrichtung noch als zu spezi- gab“, sagt Marius. „Es waren jeden Freitag über ell, um Leute auf die Tanzfläche zu locken. „Die Aber das Geld war auch Schadensersatz. In den 400 Leute da, die durchdrehten“, erinnert er sich. Stieber Twins, Advanced Chemistry, MC Rene schlechten Nächten ging es zur Sache. Zimper- Später legten dann auch Mirko Machine und DJ hatten erste Platten draußen und aus Hamburg lichkeit ist kein Qualitätsmerkmal guter Türsteher Stylewarz auf. kam ‚Kill the Nation With a Groove‘”, resümiert und Brian selbst war auch nicht gerade die Un- Mirko Machine. „Aber es war nicht so, dass du da schuld vom Lande, bewegte sich im Dunstkreis Das Powerhouse war der ungeschminkte Laden, eine Stange Platten hattest, die du auflegen konn- der Getto-Kings aus der Plattenbausiedlung Treff derer, die real waren oder sich dafür hielten. test.“ Auch war das Produktionsniveau noch zu Steilshoop, die aber im Zusammenhang mit dem Graffitis zierten die Wände und abgerockte So- unterschiedlich. „Die Deutschrap-Sachen, wenn Powerhouse laut Brian nie eine Rolle spielten. fas waren die gemütlichsten Einrichtungsstücke. du die neben einem New-York-Beat gespielt hast, Es herrschte Aufbruchsstimmung und der Klub das ging einfach nicht“, gibt Marius zu bedenken. Auf dem Kiez florierte der Drogenhandel und hatte de facto eine Monopolstellung als einzige Dealer versuchten, sich Zutritt zum Powerhouse Szene-Klitsche, in der regelmäßig nur Rap auf- Doch in Hamburg braute sich etwas zusammen: zu verschaffen. „Wir haben teilweise mit Gebiss- gelegt wurde. Am Spielbudenplatz gab es zwar Absolute Beginner, Fettes Brot, Dynamite De- schutz gearbeitet, weil wir wussten, da geht’s zur noch das mittlerweile auch abgerissene After- luxe, Fünf Sterne Deluxe und Eins Zwo (waren Sache“, erklärt Brian. Irgendwann zogen sie auch shave, aber dort lag der Schwerpunkt eher auf im Norden verantwortlich für ein hohes Niveau) Schutzwesten an. Dennoch wurde sein Partner R&B. „Das Powerhouse war auch deswegen so standen in den Startlöchern. Viele von den spä- schwer verletzt, kassierte einen Jochbeinbruch, derbe fresh, weil es nichts Vergleichbares gab“, ter erfolgreichen Künstlern waren regelmäßig im weil ihn eine Flasche mit voller Wucht im Gesicht erklärt Marius. Powerhouse und sahen Coolmann und Marius traf. „Wir dachten erst, er sei tot, weil er zusam- „Wir haben teilweise mit Gebissschutz gearbeitet, weil wir wussten, da geht’s zur Sache.“ (Brian)

Es war die Zeit, die heute gerne als Golden Era dabei zu, wie sie die neuesten Platten auflegten, mengesackt ist wie ein nasser Sack.“ bezeichnet wird. US-Künstler droppten einen die sie frisch aus dem Plattenladen mitbrachten. Klassiker nach dem anderen, darunter Gang „Die Jungs, die dann groß geworden sind, die Auch wenn die Tür gut geführt wurde, es steht Starr, Mobb Deep, The Fugees, Redman, Method standen da und haben sich das angehört“, fügt nicht in der Macht eines einzelnen Klubbetrei- Man, der Wu-Tang Clan, Notorious B.I.G. „Alle, Wolf hinzu. „Es waren zwei Jahre, in denen es so bers, sich den Regeln des Kiezes zu entziehen. die irgendwann irgendwas konnten, haben in richtig geburnt hat.“ Zwar sagt Wolf, er habe nie Schutzgeld zahlen den Jahren ihre ersten LPs gemacht“, sagt Ma- müssen, aber so wie andere Klubbetreiber weiß rius. Ganz besonders erinnert er sich daran, wie Die teilweise etwas schwierige Klientel im Publi- auch er, dass ein komplett cleaner Klub utopisch Coolmann das Instrumental von „Come Clean“ kum war in den ersten Jahren noch handzahm, ist, damals wie heute. An einen Zwischenfall er- von Jeru the Damaja gnadenlos ausspielte, bis weil sich im Klub von Abiturienten bis hin zu Vor- innert sich er lebhaft: irgendwann alle im Bann des Beats standen und stadtkids alles mischte. „Der Laden war voll, auch er schließlich die Vocal-Version nachlegte. mit solchen Leuten, vor denen jetzt alle Angst ha- Eines Abends kreuzen Typen auf, von denen er ben“, erinnert sich Wolf und meint damit Kids, die heute ausgeht, dass sie „Dealer-Kontrolleure“ Weil Rap in Deutschland, auch der amerika- stigmatisiert werden, weil sie aus einschlägigen waren, Leutnants von Drogenbossen, die die Ar- nische, noch Nische war und es wenig Infrastruk- Vierteln kommen. Heute Molenbeek, gestern beit von Kleindealern überwachen. „Zwei Typen tur gab, war das Powerhouse auch als Live-Lo- Mümmelmannsberg. zahlen Eintritt, gehen rein, machen ihre Runde, cation interessant. Das Label WEA zum Beispiel kommen wieder raus und sagen zu mir: ‚Ey, gib vermarktete gerade einen Rap-Artist mit Rastalo- Doch es war eine Frage der Zeit, bis irgendwas mir mal meinen Eintritt wieder.‘“ Wolf denkt, er cken aus New York, der mit „Woo-Hah!! Got You schiefging. Eine Messerstecherei vor der Tür spinnt und sagt: „Du kriegst deinen Eintritt nicht All in Check“ einen Hit gelandet hatte. Das Label erschreckte die Leute. „Danach haben wir ein wieder, wie kommst du denn darauf?“ wollte, dass Busta Rhymes möglichst in einem halbes Jahr gebraucht, um das wieder zum Lau- vollen Laden auftritt. „Da haben die sich gefreut, fen zu bringen“, sagt Wolf. An vorderster Front Der eine Typ wird aggressiv, hält Wolf die Finger dass er im Powerhouse spielen konnte“, erin- stand damals auch der heutige Kickbox-Weltmei- an die Stirn wie mit einer angedeuteten Waf- nert sich Marius. Und: „Als er das nächste Mal ster Brian Al Amin. Er stand damals als Türsteher fe und sagt: „Ey, Fucker, gib mir jetzt die Kohle in Hamburg war, ist er als Gast ins Powerhouse auf dem Treppenaufgang. In einer guten Nacht wieder.“ Wolf gibt in einer trotzigen Geste nach gekommen.“ Zusammen mit einem gewissen Ice musste er nur Minderjährige abwimmeln. Da- und schmeißt dem Typen einen Zwanziger vor Cube, fügt Wolf hinzu. House of Pain, Cypress bei war er selbst noch nicht ganz 18, als er von die Füße. Die Kontrolleure ziehen Leine, aber die Hill, Ice-T und seine Band Body Count standen einem Kumpel gefragt wurde, ob er nicht an der Fortsetzung folgt. auch auf der Bühne. Tür seine Kasse aufbessern wolle. „Die 500 Mark,

Frühling / Sommer 2018 #118 BACKSPIN 91

„Es waren jeden Frei- tag über 400 Leute da, die durchdrehten.“ Luft raus und er entschied Erfolgsrezept. „Damals war es wirklich noch so, (Marius) sich 1996, einen Neustart dass es darum ging, eine Nische gemeinsam zu zu wagen. Nebenher hatten erleben“, meint Brian. Eine Woche später kommen sie wieder und Wolf im Keller schon Jungle- und kann es sich nicht verkneifen, sie anzublaffen: Goa-Partys stattgefunden. Jetzt wollte sich Wolf Wolf ist weiter Klubbetreiber, er schmeißt das „Ich habe mich tierisch über mich selbst geär- ganz auf elektronische Beats verlegen und nann- Übel & Gefährlich im Bunker auf dem Heiligen- gert, weil ich dir die Kohle wiedergegeben habe. te das Powerhouse in Cubic um, gespielt wurde geistfeld, unweit des früheren Standorts des Po- Du hast doch sowieso keine Wumme!“ Der Typ nun Drum’n’Bass und Elektro. werhouse. Marius No. 1 betreibt sein Label Chief- verschwindet. „Auf einmal fährt ein blauer BMW rocker und legt unter dem Pseudonym Dubius rückwärts vor den Klub, mit Schmackes direkt 1998 war dann das Ende der Location besiegelt. Dubstep auf. Mirko Machine steht weiter hinter vor den Laden. Der Typ sagt ‚Komm mal mit‘ und Das Haus sollte bald abgerissen werden. Aber den Plattentellern und legt Rap aus der Golden geht an den Kofferraum.“ Wolf hat ein Einsehen um den Klub weiter betreiben zu können, hätten Era auf. DJ Coolmann, der es leider nicht zum und lehnt die Einladung ab: „Nein, nein, lass zu, neue Investitionen angestanden. „Es war klar, Treffen schaffte, will laut Plattenlabel Warner die- ist alles gut.“ dass wir da wieder hätten was reinstecken müs- ses Jahr noch ein Album mit Fünf Sterne Deluxe sen und das war mir too much“, erklärt Wolf. Er aufnehmen. Ex-Türsteher Brian, der seine Scho- Ironischerweise war es auch der einsetzende Er- machte schließlich auf der anderen Straßensei- ten per Telefon beisteuerte, betreibt heute sein folg des Deutschrap, der sich auf das Geschehen te das Phonodrome auf und veranstaltete dann eigenes Kampfsport-Gym in Hamburg. im Powerhouse auswirkte. Marius und Coolmann doch noch Techno-Partys. Mit diesem Klub zog fingen an, ihre eigenen Projekte zu verfolgen. Sie er später ans Nobistor am anderen Ende der Ree- Die Runde im Restaurant löst sich nach zwei zogen andere Jobs an Land und dann war es perbahn. Stunden, einem guten Essen, ein paar Bier und auch irgendwann Abwägungssache. „Das Pu- einem Gläschen Wein auf. Es gibt noch ein ge- blikum hatte sich verändert, auf einmal waren „Ich bin nicht der Gründer der Hip-Hop-Szene, meinsames Erinnerungsfoto und jeder geht sei- da voll die Aggro-Typen drin. Das war ab einem aber ich habe den Laden aufgemacht. Es war nes Weges. Das Gebäude ist weg, die Legende bestimmten Punkt einfach nicht mehr geil“, sagt nicht so geplant, aber hat sich so entwickelt“, lebt in den Geschichten und Erinnerungen der Marius. Dann habe er lieber andere Jobs ange- fasst Wolf seine Rolle zusammen. „Erst später, Beteiligten. Einig sind sie sich darüber, dass nommen, als sich mit den Typen rumzuschlagen. wenn andere die Abende, an denen du aufgelegt niemand den Erfolg des Klubs so hätte planen hast, als legendär oder wegweisend bezeichnen, können. Es waren der richtige Betreiber mit der „Die Leute hatten Angst und ihre DJs waren nicht merkst du, dass es was Besonderes war“, resü- richtigen Location und die richtigen DJs zur rich- mehr da“, fasst Wolf die Situation am Anfang vom miert Marius. „Wir waren jung, wir waren heiß, tigen Zeit. Ende zusammen. Ihm selbst war auch nicht mehr wir hatten Bock und die neue Scheibe war da“, wohl bei der Sache. Nach vier Jahren war die erinnert sich Mirko an das erdenklich einfache

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NEUES ZEITALTER

.. DIE BACKSPIN APP-ERHALTLICH IM APP STORE TEXT: CHRISTIAN LUDA

INTERVIEW: Frederike Arns FOTOS: ??? YS BACK IN THE DA

1980 jüngstes Grün- dungsmitglied des Masterdon Commit- tee. Die bis 1986 bestehende Gruppe um den legendären DJ „New Masterdon hat ihren größten Erfolg mit der 1982er-Single „Funkbox Party“, WreckX-N-EFFECTJack Swing“ von die 15 Jahre später als Vorlage für den Refrain von Master P’s „Make ’Em Say Wrecks-N-Effect ist 1989 die Hymne Uhh!“ dient. des gleichnamigen Movements, das R&B und Hip-Hop wie nie zuvor vereint und von Harlem aus die Popwelt erobert. , der 1988 erscheint auf Atlantic Records die EP „Wrecks-N-Effect“. auf dem Song vertretene Mentor der Rap-Gruppe, ist der Pionier des New Auf fünf der sechs Songs, darunter die Singles „Go for What U Know“ und Jack Swing. Diesen Begriff prägt Barry Michael Cooper. In seiner Village-Voice- „Let’s Do It Again“, ist K.C. als Leadrapper vertreten, während sich Aqil auf „I Titelstory „Teddy Riley’s : Harlem Gangsters Raise a Musical Need Money“ präsentiert. Markell sorgt für die Scratches, teilt sich mit Gene Genius“ beschreibt der Journalist 1987 den Aufstieg des damals 20-Jährigen Griffin die Produzenten-Credits und spielt zusammen mit seinem großen Bru- aus den St. Nicholas Projects. Bereits im Kindesalter beherrscht Riley mehrere der die Instrumente ein. Als der erhoffte Erfolg auch aufgrund fehlender Unter- Instrumente, er wird Kirchenorganist, hat Klub-Auftritte mit R&B-Bands und stützung des Major-Labels ausbleibt, sorgt Gene Griffin mit Motown schnell für saugt die junge Hip-Hop-Kultur auf. Gene Griffin, ein berüchtigter Gangster eine neue Labelheimat. K.C. verlässt Wrecks-N-Effect, um seine alte Gruppe und Musikproduzent, auf dessen Label Sound of New York 1982 der Disco-Hit wiederzubeleben. Kurz vor einem Major-Deal über GR Productions verstirbt „Last Night a DJ Saved My Life“ von Indeep erscheint, hält das Wunderkind jedoch Masterdon und K.C. zieht sich aus dem Musikgeschäft zurück. von der Straße fern, wird sein Manager und Geschäftspartner bei der Pro- duktionsfirma GR Productions. Nachdem Riley 1985 „The Show“ von Doug E. Unterdessen erscheint 1989 das Debütalbum „Wrecks-N-Ef- Fresh und im Jahr darauf „Go See the Doctor“ von Kool Moe Dee produziert, fect“, auf dem nun Aqil die Rolle des Leadrappers übernimmt. Dieser zeigt gelingt ihm ab 1987 mit seiner Gruppe Guy sowie den Sängern Johnny Kemp, sich als gewachsener MC, dem es vor allem um Spaß geht – sein Hauptthema Keith Sweat und Bobby Brown der große Durchbruch. Deren Hits etablieren sind Partys und Frauen. Und das Album liefert durchaus Grund zum Feiern: einen neuen Sound, der den angestaubten R&B mit Hip-Hop-Beats, Synthesi- Die erste Single „New Jack Swing“ erreicht Platz eins der US-Rapcharts. Mit zer-Melodien und Go-Go-Percussions verjüngt und bald von Produzenten wie der zweiten Auskopplung „Juicy“, basierend auf demselben Mtume-Sample Jimmy Jam und Terry Lewis sowie Babyface und L.A. Reid aufgegriffen wird. wie Biggies späterer Klassiker, landet das Trio einen weiteren Hit.

Gleichzeitig entsteht in Harlem jene Gruppe, die fortan den Rap-As- Das Album liefert die Rap-Variante des Sounds von Teddy Riley, pekt des New Jack Swing repräsentiert. Wrecks-N-Effect bestehen aus Teddys der sich laut Credits aufs Mixing beschränkt. Für die Beats sorgen Markell und jüngerem Bruder Markell „Marky Mark“ Riley, seinem Halbbruder Brandon „B- Redhead Kingpin. Der New-Jack-Swing-Rapper ist auch auf dem Possetrack Doggs“ Mitchell und deren Freund Aqil „A-Plus“ Davidson. Zur Unterstützung „Friends to the End“ zu hören. Mit seiner Gruppe Redhead Kingpin and The der Teenager verpflichtet Teddy einen erfahrenen MC: Keith „K.C.“ Hanns war F.B.I. veröffentlicht er im selben Jahr das Album „A Shade of Red“, das eben-

94 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 falls von ihm und Mar- Nach weiteren Tiefschlägen – der Auflösung von Guy sowie der von kell produziert wird einem erbitterten Rechtsstreit und Morddrohungen begleiteten Trennung von und die besonders Gene Griffin – zieht Teddy Riley zusammen mit Markell nach Virginia Beach, in England populäre baut dort die Future Recording Studios auf, gründet die Gruppe Blackstreet Single „Do the Right und signt Wreckx-N-Effect bei seinem neuen MCA-Unterlabel Future Records. Thing“ hervorbringt. Aqil bleibt Harlem treu und kommt nur für Aufnahmen in den Süden.

Ihren Erfolg kön- Die Ankunft des Starproduzenten hat großen Einfluss auf Virgi- nen Wrecks-N-Ef- nias Musikszene, aus der etwa Missy Elliott, Timbaland und The Neptunes fect jedoch nicht hervorgehen. Letztere sind als Protegés bei den Aufnahmen des nächsten lange genießen: Wreckx-N-Effect-Albums dabei, das von Teddy Riley, Ty Fyffe sowie Aqil und Am 8. August 1990 Markell produziert wird. „Hard or Smooth“ erscheint Ende 1992 mit der Lead- wird Brandon Mit- single „Rump Shaker“, auf der Teddy Riley genauso wie auf dem Albumtrack chell bei einem „New Jack Swing II“ zu hören ist. Seine Rap-Parts stammen aus der Feder Streit um eine Frau des jungen . „Rump Shaker“ fehlt mit seinem eingängigen erschossen. Auch Saxofon-Sample und Refrain fortan auf keiner Hip-Hop-Party und klettert – nur wenn der 20-Jäh- geschlagen von Whitney Houston’s „I Will Always Love You“ – auf Platz zwei rige auf den Platten der US-Charts, während das am Strand gedrehte Video mit leicht bekleideten kaum in Erscheinung Frauen für Aufsehen sorgt. Dr. Dre ist davon angeblich so begeistert, dass er trat, war er, wie Aqil 1996 auf dem Blackstreet-Hit „No Diggity“ nur vertreten ist, um in einem Ted- später in einem In- dy-Riley-Video mitzumachen. terview berichtet, als Bindeglied zwischen Außerdem nehmen Wreckx-N-Effect Einfluss auf das „Hot Sex“- Markell und Aqil ex- Video von A Tribe Called Quest. Q-Tip trägt darin eine Skimaske, um sein trem wichtig für den schwer lädiertes Auge zu verbergen, das er davonträgt, als Wreckx-N-Effect Zusammenhalt der vor einem Konzert eine Schlägerei anzetteln. Auslöser war der Tribe-Song Gruppe. In der Folge „Jazz (We’ve Got)“ mit Phife Dawg’s Textzeile „Strictly hardcore tracks, not a ändern die beiden new jack swing“, die die ablehnende Haltung vieler Hip-Hop-Heads gegenüber ihren Gruppennamen dem poppigen New Jack Swing widerspiegelt. in Wreckx-N-Effect, wobei das X den Der Beef mit Tribe und damit auch der Zulu Nation droht zu eskalie- Verlust des Mitglieds ren und muss schließlich von der Nation of Islam geschlichtet werden. Danach symbolisiert. Das bleiben Wreckx-N-Effect in New York viele Türen versperrt. zweite Guy-Album „The Future“ bein- „Hard or Smooth“, das mit „Knock-N-Boots“, „Wreckx Shop“ haltet Ende 1990 den und „My Cutie“ drei weitere Singles hervorbringt, verkauft sich zwei Milli- Song „Long Gone“, onen Mal, aber der Gruppe gelingt es nicht, daran anzuknüpfen. 1993 ist das den Teddy Riley Duo noch für den Beat von MC Lyte’s „Ruffneck“ verantwortlich und Markell seinem Halbbruder im Folgejahr als Produzent auf mehreren Songs des ersten Blackstreet-Albums Brandon sowie sei- vertreten. nem Freund Antho- ny Bee widmet, der Als das dritte Album „Raps New Generation“ 1996 erscheint, im selben Jahr bei einem Backstage-Streit mit der Entourage von New interessiert sich kaum noch jemand für die Gruppe. Den Titel des schwachen Edition erschossen wurde. Zeitgleich erreicht der New Jack Swing sei- Werks beanspruchen längst andere. Aqil und Markell gehen anschließend ge- nen musikalischen Höhepunkt: Der „King of Pop“ verpflichtet den „King trennte Wege, arbeiten aber beide weiter mit Teddy Riley, dessen große Zeit of New Jack Swing“ auf Empfehlung von Quincy Jones für sein neues Ende der 1990er endet. Album „Dangerous“. Teddy Riley produziert insgesamt sechs Songs, darunter die Singles „Remember the Time“, „Jam“ und „In the Closet“. 2015 kommt es zu einer Reunion: Wreckx-N-Effect treten wieder ge- Wreckx-N-Effect sind bei den Aufnahmen dabei, geben Michael Jack- meinsam auf und planen eine Comeback-LP. Im März 2016 feierte unterdessen son Rap-Lektionen und landen ein Feature auf „She Drives Me Wild“. mit „New Jack City“ jener Film sein 25-jähriges Jubiläum, der basierend auf Das Duo veröffentlicht 1991 darüber hinaus den von Teddy Riley pro- Barry Michael Coopers Drehbuch nicht nur die Crack-Epidemie, sondern auch duzierten Theme-Song zum „House Party II“-Film und fertigt Remixe für den New Jack Swing auf die Kinoleinwand brachte. Und so werden die großen Hits wie „D-O-G Me Out“ von Guy und „Is It Good to You“ von Tammy Wreckx-N-Effect-Hits „Rump Shaker“ und „New Jack Swing“ in diesem Jahr Lucas an. sicher bei der einen oder anderen 40up-Party auf den Plattentellern landen. ¿

Frühling / Sommer 2016 #118 BACKSPIN 95 aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa VERLOSUNG CAYLER & SONS Samsung Galaxy A3

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96 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016 aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa VERLOSUNG

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BACKSPIN wird im August 22 Jahre alt. Das ist eine lange Zeit. Und eine Menge Liebe. Liebe zur Kultur. Liebe zum Magazin. Zum Namen und dem, was die Leute damit verbinden. BACKSPIN hat Leute verbunden, ihnen eine (neue) Sicht auf die Geschehnisse in der Szene gegeben und eben dieser auch mal den Spiegel vorgehalten. Das war so und wird auch immer so bleiben.

Aber die Zeit steht nicht still. Was 1994 als Printmagazin begann und bis heute 118 Ausgaben auf den Marktplatz der Szene warf, hat sich über die Jahre verändert. Irgendwann gab es weniger Interesse daran, seine Geschich- ten im Heft zu lesen, weil es im Web schneller ging. Auch hier hat BACKSPIN immer versucht, den Bedürfnissen der Leute gerecht zu werden und ein umfassendes Bild von Hip-Hop, nicht nur Rap, zu liefern. Eine schwierige Aufgabe, an der wir bis heute arbeiten.

Doch dies waren eben die Gründe für die Pause, die 2009 kam. Bodo Falk und Frank Petering liefern in dieser Ausgabe noch mal ihre Gedanken zu dieser Zeit. Denn auch wenn es viel um Liebe geht, entscheiden manchmal einfach die kalten Zahlen über den Weg, den ein Magazin gehen muss. Doch es kam der Moment, in dem Dennis Kraus und ich nach vielen gemeinsamen Fahrten durch Hip-Hop-Deutschland die Entscheidung trafen, das Heft zu retten, ihm ein neues Gesicht zu geben.

Das haben wir nun fast sechs Jahre und 16 weitere Ausgaben lang getan. Die Idee war es, ein Magazin zu schaf- fen, das zeitloser ist, langlebiger und damit auch nicht austauschbar. Eine Mission, die uns in unseren Augen mit den Heften, die veröffentlicht wurden, schon gelungen ist, einzig bei der Anzahl der Ausgaben hingen wir immer ein wenig hinterher. Und das hat Gründe.

Denn das Konsumverhalten der Hip-Hop-Fans hat sich, wie schon erwähnt, verändert. Heute gucken wir mit Stolz auf über 100.000 Abonennten unseres YouTube-Kanals und ein immer größer werdendes Interesse an dieser Form der Berichterstattung. Diese zu produzieren, ist spannend, macht Spaß und liefert viele Möglichkeiten, den- noch die Kultur zu pflegen, was Formate wie „BACKSPIN YO!“ zeigen. Aber es bedeutet eben auch, dass unsere Kapazitäten begrenzt sind. Und darunter hat in den vergangenen Jahren immer mehr die Produktion des Hefts gelitten. Das ist für uns nicht zufriedenstellend, ebenso wenig für die Leute da draußen, die immer auf unser Magazin warten.

Darum haben wir uns im Team dazu entschlossen, bei der Produktion des BACKSPIN MAG jetzt erst einmal auf Pause zu drücken. Wir haben hier noch einmal eine sehr runde Ausgabe geschaffen, die zeigt, was wir uns vor- stellen, aber damit wird es das auch erst einmal gewesen sein.

Ich spreche bewusst nicht vom Ende des Magazins, weil wir dazu noch zu viele Ideen und Konzepte in der Schublade haben, mit denen wir es schaffen könnten, diesem so schönen und wichtigen Stück der deutschen Hip-Hop-Geschichte eine Zukunft zu geben. Aber dazu wollen wir uns jetzt erst einmal sammeln und sortieren, ohne den Druck zu spüren, wieder eine neue Ausgabe machen zu „müssen“.

Den Abonennten und Fans sei versprochen: Wir werden uns melden. Mit einer Idee, wie es weitergeht. Lasst euch überraschen – und habt Vertrauen. Wir wissen, wer ihr seid. Und was es bedeutet, auch 2016 noch ein Heft zu kaufen.

Wer uns im Web oder bei YouTube begleitet, sieht ja, dass wir weiter am Ball sind und der Kultur mit all ihren Facetten ihren Raum geben werden. Und allen, die dies nicht im Auge haben, sei immer wieder gesagt: „Wenn ihr denkt wir waren weg, heißt das nur, wir haben gearbeitet.“

98 BACKSPIN #118 Frühling / Sommer 2016