Texte in der Ausstellung

Be r l i n (1897–1906)

Im Jahr 1897 zieht Mathilde Vollmoeller nach , wo sich auch ihr Bruder Karl nieder­ gelassen hat. Durch ihn und das Künstlerehepaar Lepsius findet sie schnell Anschluss an das lebendige Kunstleben der aufstrebenden Metropole und hat Kontakt zu bedeutenden Persönlichkeiten der Berliner Gesellschaft.

Als Schülerin der angesehenen Porträtmalerin Sabine Lepsius entscheidet sie sich endgültig für eine künstlerische Laufbahn. Wertvolle Anregungen erhält sie auch durch die Begegnung mit Mitgliedern der unabhängigen Künstlervereinigung „Berliner Secession“. Dazu zählen führende Maler wie Max Liebermann, und Leo von König.

Mathilde Vollmoeller wendet sich in den Berliner Jahren vor allem Stillleben, Porträts und Landschaften zu. Ihre Arbeiten stehen in der Malweise und Bildauffassung unter dem Einfluss der Kunst der „Berliner Secession“. Kräftige, kurze Pinselstriche sind in verschiedene Richtungen gegeneinander gesetzt. Erst aus der Fernsicht ergibt sich die farbliche und kompositorische Einheit. Die weiß grundierte Leinwand oder der helle Malkarton werden in die Komposition einbezogen. Dies verleiht den Bildern eine bewusste Skizzenhaftigkeit und zugleich eine lichtdurchflutete Farbigkeit.

Pa r i s (1906–1914)

Ihre größten Erfolge als Malerin feiert Mathilde Vollmoeller in Paris. Wie viele deutsche Künstler der Zeit geht sie in die führende Kunstmetropole, um ihre Ausbildung als Malerin weiterzuführen. Zunächst ist sie Schülerin bei Lucien Simon und Jacques-Émile Blanche, die jedoch beide keinen nachhaltigen Einfluss ausüben. Es ist vor allem die Begegnung mit dem Werk Paul Cézannes, die 1907 einen Wendepunkt in ihrem Schaffen darstellt. Außerdem setzt sie sich intensiv mit auseinander, an dessen Akademie sie ab 1908 studiert.

Unter dem Einfluss von Henri Matisse ändert sich vor allem die Farbpalette, aber auch die Technik und Komposition der Künstlerin. Während die Stillleben von 1907 den unmittelbaren Einfluss von Cézanne zeigen, entstehen um 1910 Landschaften und Blumenbilder von großer farblicher Kraft. Außerdem malt sie in diesen Jahren nach Modell und kopiert im Louvre Meisterwerke. In den Jahren von 1907 bis 1911 stellt Mathilde Vollmoeller zwei Mal im „Salon d’Automne“ und drei Mal im „Salon des Indépendants“ aus, wo sie lobende Rezensionen erhält. Sie ist in die Pariser Kunstszene integriert und gehört zum Künstlerkreis, der sich im „Café du Dôme“ trifft. 1912 heiratet Mathilde Vollmoeller den Künstler Hans Purrmann, der Obmann und Mitbegründer der „Académie Matisse“ ist.

Ro m (1923–1927)

1923 folgt Mathilde Vollmoeller-Purrmann mit den drei Kindern Hans Purrmann nach Rom. Um ihn zu unterstützen, hatte sie in Berlin allein die finanziellen Angelegenheiten geregelt und die Familie versorgt. In Italien findet sie wieder die Muße zur eigenen künstlerischen Arbeit. Zusätzliche Anregungen bieten die Reisen der Purrmanns nach Ischia und Sorrent.

In zahlreichen Aquarellen hält die Künstlerin Architektur und Atmosphäre der Stadt Rom fest. Häufig wählt sie wiederum Motive aus der näheren Umgebung ihrer Wohnung. Die Bandbreite reicht von nüchternen Stadtansichten bis hin zu malerischen Stimmungsbildern.

Von den Alltagssorgen befreit schafft Mathilde Vollmoeller-Purrmann in Süditalien Werke von höchster farblicher Brillanz und kompositorischer Kraft. Strahlende Farbklänge verleihen den Landschaftsbildern große Intensität. Daneben entstehen Aquarelle, die von leichtem Farbauftrag und einer feinen Linienführung leben.

Be r l i n (1916–1936)

Mathilde Vollmoeller-Purrmann folgt ihrem Mann 1916 nach Berlin. Drei Jahre später erwirbt die Familie ein Fischerhaus in Langenargen am Bodensee, wo sie fortan die Sommermonate verbringt.

Lange wurde angenommen, Mathilde Vollmoeller-Purrmann habe mit der Familiengründung ihre künstlerische Laufbahn völlig aufgegeben. Sie nimmt zwar Abschied von der Ölmalerei, wendet sich dafür aber der Kunst des Aquarellierens zu. Die Blätter der Künstlerin zeigen zunächst Motive aus dem neuen Lebensumfeld: Stadtansichten von Berlin und Bodensee-Landschaften, daneben Stillleben, die sie häufig im Atelier ihres Mannes arrangiert.

Vor allem auf Reisen findet Mathilde Vollmoeller-Purrmann Zeit für ihre Kunst. Die während eines Urlaubs im Sommer 1916 im Ostseebad Bansin entstandenen Aquarelle bezeugen, dass sie sich die Technik des Aquarellierens ganz zu eigen macht. Die meist mit Bleistift angelegten Kompositionen läßt sie mit schnellen Pinselstrichen lebendig werden. Mit großem Gespür für Komposition und Farbe setzt sie die Atmosphäre der Küstenlandschaft unmittelbar ins Bild.

Fl o r e n z (1936–1943)

Florenz, das Mathilde Vollmoeller-Purrmann durch Besuche vertraut ist, wird 1936 zu ihrem letzten Wohn- und Schaffensort. Hans Purrmann ist dort ab 1935 der Leiter des deutschen Kunstinstituts „Villa Romana“. Das Paar übernimmt die Neugestaltung des Anwesens und sorgt für die Gäste und Stipendiaten. Viele Künstler und Intellektuelle fnden in der „Villa Romana“ Zufucht vor dem Nationalsozialismus.

Aus dieser Zeit sind mehrere großformatige Stillleben von Mathilde Vollmoeller-Purrmann erhalten. Im Gegensatz zu früheren Werken verzichtet sie auf die Darstellung der umgebenden Raumsituation. Der Betrachter steht den Objekten unmittelbar gegenüber. Die Pinselführung ist ausladend und kräftig. Monumentalität und Ausdrucksstärke charakterisieren die Aquarelle aus der letzten Schaffensperiode der Künstlerin.

Kurz vor ihrem Tod lässt sich die schwer kranke Mathilde Vollmoeller-Purrmann nach München bringen, vermutlich um ihrem Mann das Elend ihrer letzten Tage zu ersparen.

Sie stirbt dort am 16. Juli 1943.

Ma t h i l d e Vo l l m o e l l e r u n d Ha n s Pu r r m a n n Ei n e Kü n s t l e r e h e

Zum Zeitpunkt ihrer Heirat mit Hans Purrmann 1912 ist Mathilde Vollmoeller eine unabhängige Künstlerin, die in Paris ihren Weg als Malerin zielsicher und erfolgreich beschreitet. Der Künstler Hans Purrmann ist seinerseits ein in Frankreich und besonders in Deutschland anerkannter Maler. Beide verbindet das Studium der Malerei bei Henri Matisse in Paris. Die Arbeiten des Künstler­ paares sind stilistisch verwandt und stehen unter dem deutlichen Einfluss französischer Kunst. Nach der Hochzeit unternehmen Mathilde und Hans Purrmann gemeinsame Reisen, auf denen beide malen. Sie halten ihre Eindrücke von Korsika (1912), Berlin und Langenargen (ab 1916), Rom (1923–1927), Süditalien oder Südfrankreich (1930) fest und widmen sich intensiv dem Stillleben. Während er jedoch meist an Gemälden arbeitet, konzentriert sie sich auf die Technik des Aquarellierens.

Da Mathilde Vollmoeller-Purrmann alle familiären Pflichten übernimmt, kann sich Hans Purrmann ausschließlich seiner Malerei widmen. Er findet auf zahlreichen Reisen künstlerische Inspiration, während seine Frau das alltägliche Leben der Familie meistert. Außerdem fördert sie seine Karriere sowohl in ideeller als auch in materieller Hinsicht. Als enge Vertraute und beste Kennerin seiner Arbeit fordert er ihren professionellen Rat.

Ma t h i l d e Vo l l m o e l l e r -Pu r r m a n n u n d i h r e Kü n s t l e r k o l l e g i n n e n Sa b i n e Le p s i u s , Ma r g Mo l l u n d Ma r i a Sl a v o n a

Mathilde Vollmoeller-Purrmann ist eng verwurzelt in der Kunst- und Kulturwelt ihrer Zeit. Sie pflegt eine rege Korrespondenz mit zahlreichen Künstlern und Intellektuellen. Mit den Künstlerinnen Sabine Lepsius (1864–1942), (1884–1977) und Maria Slavona (1865–1931) ist sie freundschaftlich verbunden.

Die Porträtmalerin Sabine Lepsius leitet eine eigene Malklasse für Kunststudentinnen in Berlin und ist Mathilde Vollmoellers erste Lehrerin. Als Gründungsmitglied der „Berliner Secession“ gehört die Ehefrau des Malers Reinhold Lepsius mit ihrem berühmten Salon zur künstlerischen Avantgarde um 1900. In Paris schließt Mathilde Vollmoeller Freundschaft mit der Malerin und Bildhauerin Marg Moll. Gemeinsam mit ihrem Mann Oskar Moll gehört sie zum engen Kreis um Henri Matisse und zu den Mitbegründern der „Académie Matisse“. Mathilde Vollmoeller lernt in Paris auch die Malerin Maria Slavona kennen, die bereits ab 1890 dort lebt und arbeitet.

Leben und Werk Mathilde Vollmoeller-Purrmanns und ihrer Kolleginnen stehen exemplarisch für eine ganze Generation von Künstlerinnen. Sabine Lepsius, Marg Moll, Maria Slavona und Mathilde Vollmoeller haben als Wegbereiterinnen für die Emanzipation der Frauen in der Kunst einen wichtigen Beitrag geleistet.