Traum Vom Bunten Abend

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Traum Vom Bunten Abend F. SCHULZ Fernsehmanager Thoma: „Ich komme mir umzingelt vor“ Showstars Schmidt, Jauch, Gottschalk*: „Behandelt wie eine Fernsehen TRAUM VOM BUNTEN ABEND Eine Schlammschlacht um Quoten, Stars und Vorherrschaft verändert die Fernsehlandschaft: Der Rohstoff Unterhaltung ist knapp geworden, Raub gehört zum Alltagsgeschäft. Ein absurdes Spiel für die Zuschauer: Wenn Shows und Stars den Besitzer wechseln, werden sie nicht attraktiver, sondern nur teurer. eute kennt man vor allem den und Feinde „Stalin“ nennen, ganz an- April an und delegierte gar einen Aufpas- Preis“, schrieb der Schriftsteller ders vernehmen. Auch für Gottschalk, ser ins Team. Öffentlich ließ er erklären, HOscar Wilde vor der Jahrhundert- hieß es jetzt, müsse gelten: „Wenn Gottschalk habe die angestrebten Zu- wende über den Zeitgeist, „von nichts das Konzept nicht stimmt, schmiert er schauerwerte nicht geschafft (siehe auch den Wert.“ Seine Erkenntnis paßt auch ab.“ Grafik) und in vier Jahren rund 40Millio- in moderne Zeiten – zum Beispiel auf Gottschalk antwortete prompt. Der nen Mark Honorare eingestrichen – bei viele der neuen Herren des Fernsehens, Showmaster, nur noch bis Jahresende jeweils 40 000 Mark Verlust pro Sendung die Millionen von Zuschauern täglich an RTL gebunden, schloß in einer fürRTL. Der Talkstar habe, verstieg sich das Programm servieren. Geheimaktion für die Zeit danach Thoma, wie ein „Parasit das Wirtstier ge- Ein Prototyp der sendenden Klasse ist einen Bund mit dem Erzrivalen Sat 1. wechselt“. Marc Conrad, 34. Der Programmchef Einerseits wolle RTL die alten Zir- In erster Linie, beteuert der Star, des Erfolgskanals RTL betreibt Fernse- kuspferde, die großen Stars, anderer- wechsele er wegen seines Freundes Fred hen mit dem Rechenschieber. seits „behandeln die uns wie eine Lie- Kogel, 34. Der ZDF-Unterhaltungschef Die täglichen Nacht-Talkshows des ferantenfirma“, sagt sein Regisseur Pit steigt Anfang Mai zum Programmleiter Entertainers Thomas Gottschalk, 44, Weyrich. von Sat 1auf. Für Gottschalk und den ka- auf RTL seien ein „Bombengeschäft“, Damit löste Gottschalk nicht nur hef- barettistischen Harald Schmidt, 37, der weil er das Zielpublikum hundertpro- tige Gegenreaktionen bei den bisheri- mit intellektueller Ausstrahlung und zentig erreiche, urteilte Conrad kurz gen Partnern aus. Die ganze Geschäfts- scharfer Zunge das ARD-Publikum nach dem Start der Runde vor zweiein- verteilung bei den milliardenschweren („Verstehen Sie Spaß?“, „Schmidteinan- halb Jahren. Zu Gottschalks Sendezeit, Privatsendern gerät ins Rutschen. Am der“) unterhielt, springt dabei eine fette so der Manager, sitze „nicht zufällig ein Ende könnte die Fernsehlandschaft an- Summe heraus: Für rund 150 Millionen für die Werbekunden uninteressanter ders aussehen und der bisherige Sieger Mark soll eine gemeinsame Produktions- Opa vor dem Bildschirm, nur weil er RTL ramponiert werden. firma drei Jahre lang eine werktägliche Schlafstörungen hat“. RTL-Chef Helmut Thoma, 55, erfolg- Vor kurzem allerdings ließ sich der reichster deutscher Fernsehmann, droh- * In der Sendung „Wetten, daß . .?“ kurz vor der Jungmanager, den Freunde „Napoleon“ te Freund Gottschalk die Kündigung per Fußball-Weltmeisterschaft 1994. 18 DER SPIEGEL 10/1995 . DEUTSCHLAND Postman hat nicht recht: Zu Tode werden wir uns in ihr nicht amüsieren, höchstens langweilen. Vor den Grenzen warten schon Medienmultis wie Time Warner, Disney oder Viacom, die mit neuen Ka- nälen (VH-1, Super RTL) im deutschen Fernsehge- schäft mitmischen wollen. Obendrein drohen sie mit sagenhaften 500 TV-Ange- boten, die der Kunde nicht nur passiv konsumieren, sondern selbst, interaktiv, beeinflussen kann. Gegen die Info-Flut, elek- tronisch anschwellend, er- richten die Verbraucher er- ste Dämme: Wahlloses Zap- pen durch Nachrichten, Un- terhaltung und Werbung wird immer zeitaufwendiger und unergiebiger; gezielte, schnelle und preisgünstige Abfrage von Information TEUTOPRESS W. P. PRANGE hat Zukunft. Lieferantenfirma“ Fernsehmogul Kirch: Attacke gegen den Erzrivalen Der automatische Trans- port von Werbung, zusam- Nachtshow mit Schmidt sowie eine Sams- Senioren kriegen den Seniorensender, men mit der Supershow oder dem Spiel- tagssendung mit Gottschalk drehen. Golfer die Golfstation, Gärtner den film-Hit, ist nicht mehr garantiert. Millionen Zuschauer sind Zeuge eines Gartenkanal und Sex-Freaks den Pay- Schon ziehen Klein- und Spezialsender Konflikts, den sieaus Dallas, Denver und Porno. Reklamemillionen von den Großstatio- der fernsehfreien Wirtschaft kennen: Ka- Es ist alles längst da, was die herrliche nen ab. pitalstarke Konkurrenten kaufen sich ge- Welt der Fernsehunterhaltung zur Straf- Die aber suchen sich zu wappnen – genseitig die Spitzenkräfte weg. Doch kolonie macht. Der Medienkritiker Neil nach traditioneller Art: Immer mehr hier geht es um mehr Quasselrunden jeglichen Niveaus, als die üblichen Wan- Kampfspiele mit hohen Preisen, super- derbewegungen von Beliebte Shows Quelle: GfK teure Spitzenshows mit Star-Entertai- TV-Artisten. Unterhaltungssendungen im Fernsehen nern sollen die Klientel vor dem Schirm Die Fernsehunter- halten. moderator, zuschauer marktanteil Doch auch der Rohstoff Unterhaltung haltung beginnt sich show, sender in millionen* in prozent** nicht nur weltweit, son- ist endlich. Mit hoher betriebswirt- dern auch hierzulande Thomas Gottschalk 40,8 schaftlicher Energie rauben sich die 13 dramatisch zu verän- Wetten, daß...? (ZDF) Sendemanager für ihre Kanäle deshalb dern. Mehr als 20 Jahre gegenseitig die brauchbare Ware aus Harald Schmidt 25,4 nach den Showmastern Verstehen Sie Spaß? (ARD) 7,7 den Beständen – für den Zuschauer ein Hans Joachim Kulen- absurdes Spiel: Das Angebot wird nicht kampff und Peter Fran- dadurch attraktiver, daß es den Besitzer Jürgen von der Lippe 24,1 kenfeld mit deren Geld oder Liebe (ARD) 7,5 wechselt. Nur teurer. samstäglichen Feldgot- Opfer der Raubzüge waren von An- tesdiensten in deut- Linda de Mol fang an, da stehen die sonst konkurrie- 6,4 19,9 scher Gemütlichkeit, Traumhochzeit (RTL) renden Kommerzfunker zusammen, die 10 Jahre nach Wim öffentlich-rechtlichen Sender: Hier Ulla Kock am Brink 18,5 Thoelke und Frank 100000 Mark Show (RTL) 5,6 kommt ihnen ein Moderator oder Show- Elstner bricht eine master abhanden, dort können Sport- neue Zeit an. Bloß wel- rechte nicht mehr bezahlt werden. Für Margarethe Schreine- 27,5 che? makers Live (Sat 1) 5,3 öffentlich-rechtliche Flurbereinigung Niemand weiß das so sorgen, ganz ohne die Unions-Medien- genau. Die etablierten Hans Meiser politiker Edmund Stoiber und Kurt Bie- 3,1 31,1 Sender werden selbst Hans Meiser (RTL) denkopf, die Privaten. bedroht von einer neu- Allein für einzelne Sportrechte kann Peer Augustinski 9,1 en Medienzukunft, die Mann-o-Mann (Sat 1) 2,5 ein Sender wie Sat 1, bei dem der viele Fernsehmanager Münchner Filmgrossist Leo Kirch (43 als unheimlich empfin- Prozent) und der Axel Springer Verlag Thomas Gottschalk 14,9 den. Immer neue Late Night Show (RTL) 1,6 (27 Prozent) das Sagen haben, rund 100 Zwergsender erhalten Millionen Mark jährlich aufbringen. Für die Lizenz, Spezial- * Durchschnittswerte vom 1. Januar bis 28. Februar 1995 die Öffentlich-Rechtlichen, die nur bis ** bezogen auf die Gesamtzuschauer zur jeweiligen Sendezeit gruppen zu bedienen: 20 Uhr Werbung senden dürfen, sind DER SPIEGEL 10/1995 19 . solche Geschäfte aus den Gebühren al- Die Wutanfälle in der RTL-Zentrale lein nicht zu refinanzieren. spielt Routinier Kogel herunter: „Herr Schmidt: Ja. The man behind the desk Mit dicken Scheckbündeln will es Sat 1, Thoma poltert und wird bald wieder must have an attitude. elfJahre nach dem Sendestart, endlich an aufhören, denn das bringt ja nichts.“ SPIEGEL: RTL-Chef Thoma ist auf die Spitze schaffen. Dafür soll jetzt nichts Die Normalität allerdings, auf die Ko- Gottschalk sauer. Er zeigt Nerven und zu teuer sein. gel hofft, wird sich so bald nicht einstel- spricht von einem „Parasiten“. Bisher haben weder der Kauf der len. Die millionenschwere Attacke von Schmidt: Thoma hat in seinem Job al- Rechte an der Fußball-Bundesliga noch Sat 1 pflügt das ganze Terrain um: Die les erreicht. Seine Leistung als Fern- die Talkrunden von Margarethe Schrei- großen Sendergruppen, Bertelsmann sehmacher ist unumstritten. Ich habe nemakers, noch die florierende Serienfa- und RTL auf der einen, Springer und mich sehr gewundert, daß er so aus brik („Der Bergdoktor“, „Kommissar Kirch auf der anderen Seite, kämpfen dem Häuschen geriet. Vielleicht geht Rex“) des früheren ZDF-Managers und um die Vorherrschaft. er irgendwann endgültig tauchen. Kirch-Beraters Peter Gerlach, 57, Sat 1 Mit dem Massensender Sat 1 und dem SPIEGEL: Die Millionenbeträge für nach oben gebracht. Die Werbewirt- flott gestylten Spielfilmkanal Pro Sie- Gottschalk und Sie haben für Aufse- schaft, unzufrieden mit der ältlichen ben, der dem Kirch-Sohn Thomas ge- hen gesorgt. Ist das eine neue Qualität Klientel, mahnte frische Shows an, um hört und der junge Zielgruppen anspre- im Wettbewerb der TV-Sender? junge Konsumenten zu locken. chen will, hält der Familienkonzern der Schmidt: An dieser Konstellation ist Obwohl die Umsätze, zuletzt 1,56 Mil- Kirchs eine Zange parat. Sie soll den besonders, daß sich Macher zusam- liarden Mark netto, stiegen, hat der ge- Marktführer RTL (Netto-Umsatz: 1,9 mentun mit einem Produzenten. Also sichtslose Sender nach gewaltigen An- Milliarden Mark) quälen. Ein Sat-1-Ma- Gottschalk und ich mit dem Kogel. Es laufverlusten nur mit Mühe die Gewinn- nager glaubt den Sieg schon in der Ta- sitzt nicht einer fest im Sattel und holt
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