2014/2015 SINFONIEKONZERTE 2. KONZERT RING A

DONNERSTAG, 16. OKTOBER / FREITAG, 17. OKTOBER 2014, 20 UHR JUN MÄRKL DIRIGENT BENJAMIN GROSVENOR KLAVIER

3767_RPH_A2_PRO 1 11.09.14 16:18 2. KONZERT RING A FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY | 1809 – 1847 DONNERSTAG, 16. OKTOBER 2014, 20 UHR Sinfonie Nr. 4 A-Dur op. 90 „Italienische“ FREITAG, 17. OKTOBER 2014, 20 UHR (1830/31, 1833) NDR, GROSSER SENDESAAL I. Allegro vivace II. Andante con moto NDR RADIOPHILHARMONIE III. Con moto moderato DIRIGENT: JUN MÄRKL IV. Saltarello. Presto SOLIST: BENJAMIN GROSVENOR KLAVIER Spieldauer: ca. 30 Minuten

ANTONÍN DVOŘÁK | 1841 – 1904 „Der Wassermann“ Das Gelbe Sofa Die etwas andere Konzerteinführung, Sinfonische Dichtung op. 107 (1896) jeweils um 19 Uhr im kleinen Sendesaal. Das nächste Mal am 13. und 14. November mit: Spieldauer: ca. 20 Minuten Chefdirigent Andrew Manze. Moderation: am 13.11. Raliza Nikolov (NDR Kultur), am 14.11. Friederike Westerhaus (NDR Kultur). FRANZ LISZT | 1811 – 1886 Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur S 124 (1830 – 49, rev. 1853/56) I. Allegro maestoso II. Quasi adagio – Allegretto vivace – Allegro animato III. Allegro marziale animato Spieldauer: ca. 20 Minuten

Pause

Das Konzert am 17. Oktober wird live auf NDR Kultur übertragen. (Hannover: 98,7 MHz)

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IN KÜRZE

„Ein Blumenstrauß nationaler Sagen“, unter diesem idyllisch an- mutenden Titel veröffentlichte Karel Jaromír Erben 1853 seine Sammlung tschechischer Märchen und Sagen. Einige davon erzäh- len jedoch, wie häufi g in der Märchenwelt, alles andere als harm los- bezau bernde Geschichten. Doch gerade das Dunkle, Grausame fas- ziniert und inspiriert – so auch Antonín Dvořák, der in den 1890er Jahren mehrere Märchen aus der Erben-Sammlung vertonte. Seine Sinfonische Dichtung „Der Wassermann“ gibt in starken Klangbildern ein wahres Schauermärchen wieder: Der Wassermann greift sich ein Mädchen, schwängert es und tötet das gemeinsame Kind, als das 04 Mädchen nicht fristgerecht von einem Besuch bei seiner Mutter zu- 05 rückkehrt. Der entscheidende Wegbereiter der Gattung der Sinfo- nischen Dichtung war Franz Liszt: „Nur was der Herr Christus lehrte JUN MÄRKL DIRIGENT und was Liszt schrieb, überdauert die Zeiten“, resümierte Dvořák. Auch im Genre des Klavierkonzerts schuf der gefeierte Tastenvirtuose Jun Märkl steht heute erstmals am Dirigentenpult der NDR Radio- Liszt Neuartiges, was ihm allerdings keineswegs leicht von der Hand philharmonie. Hannover kennt der 1959 in München geborene Sohn ging. An seinem Klavierkonzert Nr. 1 feilte er jahrelang. Schließ lich einer japanischen Pianistin und eines deutschen Geigers bereits legte er ein Werk vor, das mit seiner poetischen Ausdruckskraft und aus Studientagen. An der HMTMH erhielt er sein Diplom in den Fä- der Tendenz zur zyklischen Einheit Konzertform und Sinfonische chern Klavier, Violine und Orchesterleitung, bevor er sich u. a. bei Dichtung zusammenführte – „berauschend in seinem Schwung und Sergiu Celibidache, Leonard Bernstein und Seiji Ozawa den letzten seiner Kraft“, konstatierte Hector Berlioz, der die Uraufführung (mit Schliff als Diri gent holte. In den vergangenen 20 Jahren hatte er ver- Liszt am Klavier) 1855 dirigierte. Felix Mendelssohn Bartholdy äußer- schiedene Chefpositionen inne: als Generalmusikdirektor des Saar- te über Liszt nach einem Besuch bei dem fast gleichaltrigen Kollegen ländischen Staatstheaters und des Nationaltheaters Mannheim, in Paris 1831: „Er ist bei seinem wirklichen Talent ganz bescheiden Musikdirektor des Orchestre National de Lyon sowie als Chefdirigent und zurückhaltend ... ein wohlthuender, und wohlwollender Mann.“ des MDR Sinfonieorchesters. Seit dieser Saison ist er Musical Ad- Im Jahr zuvor bereiste Mendelssohn Schottland und Italien und ließ visor des Baskischen Nationalorchesters. Als äußerst viel seitiger die Musikwelt durch die „Schottische“ und die „Italienische Sinfo- Dirigent gastiert er bei führenden Sinfonieorchestern und an renom- nie“ an seinen vielfältigen Eindrücken teilhaben. Italien sei ein be- mierten Opernhäusern wie der New Yorker Met, der Wiener Staats- glückendes „Land der Natur“ und die „Italienische Symphonie … das oper oder dem Royal Opera House Covent Garden. Ein besonderes lustigste Stück, das ich je gemacht habe“, schrieb Mendelssohn – Anliegen ist Jun Märkl zudem der musikalische Nachwuchs, so ar- und so endet der unheimlich und spannungsgeladen begonnene beitet er viel mit internationalen Jugendorchestern zusammen. Au- Konzertabend in schwungvoll-heiterer Atmosphäre. ßerdem ist er Gastprofessor am Kunitachi Konservatorium in Tokio.

3767_RPH_A2_PRO 4 3767_RPH_A2_PRO11.09.14 16:18 5 11.09.14 16:18 „DER WASSERMANN“ – EIN SCHAUERMÄRCHEN, MUSIKALISCH ERZÄHLT VON DVOŘÁK

Tschechische Märchen können so friedvoll und kindgerecht sein, dass ihnen ein Stammplatz im weihnachtlichen Fernsehprogramm gebührt. „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ etwa, der populärste tschechische Märchenfilm, läuft seit 1975 alljährlich auf deutschen Sendern. Doch tschechische Märchen können auch anders. Der Schriftsteller und Historiker Karel Jaromír Erben hat zahlreiche Märchen, Sagen und Volkserzählungen seiner Heimat gesammelt, darunter nicht wenige mit einer eher zu Halloween als zu Weihnach- ten passenden Handlung. Und gerade diese schienen es dem Kom- ponisten Antonín Dvořák besonders angetan zu haben, als er in den 1890er Jahren Motive für Sinfonische Dichtungen suchte. Seine ersten drei Tondichtungen aus dem Jahr 1891 (sie standen im Mai 2009 im Ring A auf dem Programm der NDR Radiophilharmonie) handelten noch von weitgehend harmonischen Themen, von „Natur, Leben und Liebe“ – unter diesem Werktitel hatte Dvořák die drei Ouvertüren ursprünglich veröffentlichen wollen. Doch fünf Jahre 06 später entdeckte er den „Blumenstrauß nationaler Sagen“, wie der 07 Titel der Sammlung von Karel Jaromír Erben lautete. Darin finden BENJAMIN GROSVENOR KLAVIER sich allerlei grausam anmutende Geschichten, die dem Kompo- nisten als Vorlagen dienten für vier kontraststarke und plastische Bei der NDR Radiophilharmonie gibt der 22-jährige Benjamin Gros- Tondichtungen: In „Das goldene Spinnrad“ geht es, dem „Aschen- venor heute Abend sein Debüt und gehört damit zu den jüngsten brödel“-Stoff nicht ganz unähnlich, um ein Mädchen, in das sich der Musikern, die je im Ring A aufgetreten sind. „Grosvenor ist ein ro man- König verliebt, das aber von der eigenen Stiefmutter umgebracht ti scher Pianist, fast aus einem anderen Zeitalter. Er dekonstruiert wird, weil die leibliche Tochter den Vorzug bekommen soll. „Die Mit- oder dis tanziert sich nicht. Er springt direkt in die Seele der Musik“, tagshexe“ handelt von einer Mutter, die ihrem Kind mit einer Hexe schrieb The Times über die erste CD des britischen Pianisten als droht, die schließlich wirklich kommt und – hier dem „Erlkönig“ ver- Exklusiv-Künstler beim Label Decca 2011. Seinen Plattenvertrag wandt – das Kind tot in den Mutterarmen zurücklässt. Die „Wald- hatte er also in der Tasche, als er 2012 sein Studium am Londoner taube“ dreht sich um eine junge Witwe, die ihren Mann vergiftet hat Royal College of Music abschloss. Den ersten Klavierunterricht er- und durch das Gurren einer Taube auf dem Grab des Ermordeten hielt er mit sechs Jahren. Der Startschuss zu seiner Karriere fi el in Wahnsinn und Tod getrieben wird. Und noch ein viertes Märchen 2004, als er mit 11 Jahren die BBC Young Musician Competition ge- entlehnte Dvořák der Erben-Sammlung: „Der Wassermann“. Auch wann. Inzwischen hat er mit zahlreichen Orchestern von Rang und hier geht es blutig zu, auch hier sind Kinder die Opfer – sogar gleich Namen konzertiert, darunter das London Philharmonic Orchestra, in doppelter Weise. Denn zunächst wird ein Mädchen, das am See das New York Philharmonic, das Cleveland Orchestra und das Tokyo Kleider wäscht, vom Wassermann in die Tiefe gezogen und dort von Symphony Orchestra. Der Jüngste zu sein, das gehört zu seinem Le- ihm zur Frau genommen. Als sie ein Kind von ihm bekommt, wird ben schon immer dazu: Er war u. a. jüngster Solist bei der First Night dieses sein Faustpfand: Die junge Frau darf für einen Tag zurück in of , ist jüngster Exklusiv-Künstler bei Decca – und er wurde die Oberwelt, um ihre Mutter zu besuchen – versäumt aber die Frist als jüngster von fünf Brüdern 1992 in Southend-on-Sea geboren. zur Rückkehr. Der Wassermann tötet das Kind und wirft die nasse

3767_RPH_A2_PRO 6 3767_RPH_A2_PRO11.09.14 16:18 7 11.09.14 16:18 Leiche vor das Haus der Mutter. Das wütende Wasserwesen – und dafür aber herbe Kritik aus dem eigentlich befreundeten Lager ein- dies ist ein leicht abmildernd wirkender Zusatz Dvořáks ohne Ent- stecken. Fest machten die Gegner der neuen Gattung ihre Kritik vor sprechung im Märchen – erschrickt selbst über seine ungeheuer- allem an den drastischen Texten aus der Erben-Märchensammlung. liche Tat und zieht sich gebrochen in sein Wasserreich zurück. So schimpfte etwa der Wiener Kritiker Eduard Hanslick, bislang ein Förderer Dvořáks: „Wie man einen so grässlichen, jedes feinere Eine sich sanft wellende Wasserwelt à la „Die Moldau“ wird man Gefühl empörenden Stoff zu musikalischer Darstellung sich wählen hier vergeblich suchen. Klanglich stellte Dvořák vielmehr den kann, ist mir nicht recht begreiflich.“ grausamen Charakter des Wassermanns ins Zentrum, kontrastiert von der humanen Welt auf dem Trockenen. Rondoartig kehrt das markant-pochende Wassermann-Motiv (drei Schläge auf einem Ton, „BERAUSCHEND IN SEINEM SCHWUNG UND SEINER gefolgt von einer Umspielung dieses Tons – auf einem recht ähn- KRAFT“ – LISZTS ERSTES KLAVIERKONZERT lichen Motiv basiert auch der „Imperial March“ aus John Williams’ „Star Wars“-Filmmusik) wieder, es dominiert auch dort, wo seine Auf den ersten Blick scheinen sich die Brahmsianer und die Neu- Macht und Präsenz endet. Das Motiv wird vor dem Kindsmord noch deutschen in diesem Punkt ausnahmsweise einmal einig gewesen sogartig vergrößert, also in der Tonfolge extrem verlangsamt. zu sein: Solokonzerte gehörten zum von allen Seiten gepflegten Werkkanon, schließlich komponierten Brahms und Dvořák ebenso Eigentlich wurde Dvořák im musikstilistischen Lagerkampf des Klavierkonzerte wie Franz Liszt. Und doch: Bei genauerer Betrach- späten 19. Jahrhunderts zum Kreis von Johannes Brahms gerechnet, tung entsprechen die beiden Liszt-Klavierkonzerte gar nicht dem

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„Jungfrau mit dem Untier (Frau mit Meermann)“, Aquarell von Matinee im Hause Liszt. Liszt am Klavier, vor ihm stehend Hector Max Beckmann, 1946. Berlioz (l.) und Carl Czerny (r.), Zeichnung von Josef Kriehuber, 1846.

und eigentlich galt da die Sinfonische Dichtung als ein nur modi- klassischen Modell. Sie sind vielmehr in sich geschlossene Gebilde, sches, substanzloses Genre. In Brahms’ Lager komponierte man deren Sätze größtenteils ineinander übergehen und sich aus einem ganz klassisch Sinfonien – plakative Tondichtungen und allzu „spre- gemeinsamen Themenhaushalt nähren. So lobte Béla Bartók die chende“ sinfonische Musik, wie etwa auch die Musikdramen Richard weitgehend auf der Idee der vielgliedrigen Einsätzigkeit basierende Wagners, gehörten den Anhängern der Neudeutschen Schule. Franz Architektur des Es-Dur-Klavierkonzerts als „die erste formvollendete Liszt galt hier als führender Vertreter. Doch Dvořák, ein längst eta- Umsetzung einer zyklischen Sonatenform, in der gemeinschaftliche blierter und durch seine Erfolge in den USA auch international an- Themen auf Basis des Variationenprinzips behandelt werden.“ gesehener Komponist, zeigte sich offen für diese Gattung – musste

3767_RPH_A2_PRO 8 3767_RPH_A2_PRO11.09.14 16:18 9 11.09.14 16:18 Wie ein Brahms in der orchestralen Musik die Sinfonie und ein Franz „BEGLÜCKENDES LAND DER NATUR“ – Liszt die Sinfonische Dichtung bevorzugte, behandelten sie auch DIE „ITALIENISCHE“ VON MENDELSSOHN ihre Klavierkonzerte dementsprechend sinfonisch: Die Brahms- Konzerte könnte man Sinfonien mit Klavier nennen, die von Liszt 1831 hatte Franz Liszt sein Erstes Klavierkonzert bereits begonnen Tondichtungen mit Klavier. Beiden gemein ist dabei die Abgrenzung und zur Seite gelegt, seine ersten Wunderkinder- wie auch Lebens- vom damals gängigen Modell des Virtuosenkonzerts, welches das krisen-Jahre schon hinter sich. Er lebte in Paris, fand dort Kontakt Orchester zur reinen Stütze degradiert. Liszt hatte die Konzerte zu Chopin, Paganini, Rossini, Meyerbeer, Berlioz – und zu Felix begonnen, als er selbst ein bestaunter Klaviervirtuose war, und er Mendelssohn, der im Dezember 1831 seiner Schwester Fanny be- vollendete sie erst, nachdem er ins bescheidenere Amt des Kapell- richtete: „Auch mit L. [Liszt] werde ich prächtig fertig. Er ist ein sehr meisters in Weimar wechselte. Reines Virtuosentum hatte für ihn liebenswürdiger Mann, und der dilettantischste Dilettant, der mir da längst ausgedient. Seine beiden Klavierkonzerte, wiewohl spiel- vorgekommen. Er weiß Alles auswendig; spielt falsche Bässe dazu, technisch unbedingt eine Herausforderung und glänzende Vertreter und nur die Eigenschaft der Arroganz fehlt ihm, denn er ist bei sei- ihrer Zunft, dokumentieren die Abkehr vom quasi Unspielbaren. nem wirklichen Talent ganz bescheiden und zurückhaltend. Ich gehe Die knappe Form, die Reduktion auf die wesentliche poetische Idee, oft zu ihm, weil er ein wohlthuender, und wohlwollender Mann ist; das sich ergänzende Wechselspiel von Solo und Tutti, all das stand wir würden ganz einig über alle Punkte sein, wenn er mich nicht für nun im Vordergrund. einen doctrinair hielte, und also gerne Politik spräche (ein Thema, das ich aus 120 Gründen vermeide).“ Mendelssohn und Liszt waren In seinem Ersten Klavierkonzert, 1830 begonnen und erst nach viel- beide etwa gleich jung, als sie sich in Paris trafen – doch Mendels- facher Umarbeitung 1856 in die letzte Gestalt gebracht, scheint 10 Liszt Ludwig van Beethoven und dessen Fünftem Klavierkonzert zu 11 huldigen – die Tonart (Es-Dur) ist die gleiche, der heroische Gestus ebenso und auch der Beginn, der dem Pianisten einen starken Auf- tritt beschert, ist ähnlich gestaltet. Bereits in den ersten Takten wird vom Orchester jenes Thema postuliert, das dem ganzen Werk die entscheidende Prägung gibt: ein Initialmotiv, eng chromatisch gehalten und entsprechend markant.

Naturgemäß konnte dieses Klavierkonzert keine Gnade vor den Ohren Eduard Hanslicks finden, der die Feder wortreich gegen die neuen Moden in der Musik führte. Im Falle des Es-Dur-Konzerts war es vor allem das Scherzo (Allegretto vivace) mit dem dort Florenz, gemalt von Felix Mendelssohn auf seiner Italien-Reise, 1830. heraus stechenden Triangel-Einsatz, an dem er seinen Hebel an- setzte. Als banal, effekthaschend und theatralisch stufte er die sohn war der selbstbewusstere, psychisch stabilere, mit seinen durchdringende Präsenz des hohen Schlaginstruments ein. Hanslick Kompositionen erfolgreichere. Er befand sich gerade auf einer aus- zog das Werk gar als reines „Triangelkonzert“ ins Lächerliche. Ein gedehnten Konzertreise, die mehr noch eine Bildungsreise war. früher Befürworter war dagegen Hector Berlioz, der die Urauffüh- Solche Reisen zu den kulturellen Metropolen und Quellen waren da- rung von Liszts Klavierkonzert am 17. Februar 1855 leitete: „Wie im- mals geradezu Pflicht für einen im Geiste der Aufklärung erzogenen mer berauschend in seinem Schwung und seiner Kraft“, lautete das jungen Mann. Urteil des französischen Kollegen. Eine lange Reise, in England und Schottland begonnen, hatte Mendelssohn 1830 auch nach Italien geführt. In Schottland, bei der

3767_RPH_A2_PRO 10 3767_RPH_A2_PRO11.09.14 16:18 11 11.09.14 16:18 verfallenen Kapelle des Stuart-Palastes, wurde er zu einer Sinfonie unbedingter Kenner der Musik seiner Zeit. Durch die nicht chronolo- inspiriert, die in der Zählung seine dritte werden sollte. Doch Klima, gische Nummerierung von Mendelssohns Sinfonien irritiert, ver- Atmosphäre und Eindrücke wechselten schnell, je weiter er gen Sü- wechselte er die „Italienische“ mit der „Schottischen“ und glaubte den kam. Und so verzögerte sich die Arbeit an seiner „Schotti schen“, so in der Dritten statt nebliger Moorlandschaften „jene alten im und eine neue, „italienische“ Sinfonie nahm Gestalt an. „April und schönen Italien gesungenen Melodien“ zu erkennen. Mai ist die schönste Jahreszeit in Italien – wer kann es mir da ver- denken, dass ich mich nicht in die schottische Nebelstimmung zu- Was bei Johann Wolfgang von Goethe und vielen anderen Italien- rückversetzen kann“, begründete er 1831 seinen Eltern gegenüber Reisenden noch an ganz prominenter Stelle stand, spielte bei Men- das mangelnde Vorankommen mit dem früheren Projekt. delssohn übrigens kaum mehr eine Rolle: die geschichtsträchtige Potenz des Landes, Italien als Wiege der abendländischen Kultur. Es drängt sich die Frage auf: Würde man überhaupt – hätte sich Für den Komponisten strahlte das Land vor allem Farbe und Ambien- nicht der populäre Beiname „Italienische“ längst in den Köpfen der te aus. Die Musikkultur selbst, etwa die Qualität der Orchester oder Hörer festgesetzt – aus eigenem Antrieb Assoziationen zum ge- den Kunstsinn des Publikums, sah der Komponist hingegen äußerst lobten Land der Lebensfreude und der Künste herstellen? Zunächst kritisch. „Aber genug davon, es ist verdrießlich“, resümierte er in fällt die Unterschiedlichkeit der Grundstimmungen der parallel ent- einem Brief an seine Schwester Fanny. „Warum soll auch Italien heut standenen Sinfonien, der „Schottischen“ und der „Italienischen“, zu Tage mit Gewalt ein Land der Kunst sein, während es das Land auf. Die eine dunkel und erdig, die andere hell und spielerisch. Das der Natur ist und dadurch alles beglückt!“ Saltarello-Finale der Vierten bringt das Element des Tänzerischen Stefan Schickhaus 12 13

Amalfi , gemalt von Felix Mendelssohn auf seiner Italien-Reise.

mit hinein, es darf nicht fehlen, wenn der Süden als Quelle der In- spiration dient. Doch führte der Beiname auch dazu, mehr an Pro- gramm hineinzuinterpretieren als nötig. Eine religiöse Prozession von Pilgern durch die Ewige Stadt sei im Andante nachgebildet, ist mitunter zu lesen, und im vierten Satz seien es dezidiert neapolita- nische Mädchen, die durch die Straßen tanzten. Solche Deutungen überfordern das Bild vom „Italienischen“ – Reflexion ja, Programm- musik nein. Wie schnell man das Atmosphärische einer Musik fehl- interpretieren kann, zeigte uns Robert Schumann, eigentlich ein

3767_RPH_A2_PRO 12 3767_RPH_A2_PRO11.09.14 16:18 13 11.09.14 16:18 KONZERTVORSCHAU IMPRESSUM

Ihr nächstes Konzert im Ring A Herausgegeben vom Norddeutschen Rundfunk 3. KONZERT RING A Programmdirektion Hörfunk Bereich Orchester, Chor und Konzerte | NDR Radiophilharmonie DONNERSTAG, 13. NOVEMBER 2014, 20 UHR FREITAG, 14. NOVEMBER 2014, 20 UHR Bereich Orchester, Chor und Konzerte NDR, GROSSER SENDESAAL Leitung: Andrea Zietzschmann NDR RADIOPHILHARMONIE NDR Radiophilharmonie DIRIGENT: ANDREW MANZE Manager: Matthias Ilkenhans SOLIST: FRANK PETER ZIMMERMANN VIOLINE Redaktion des Programmheftes: Andrea Hechtenberg RICHARD STRAUSS „Don Juan“, Tondichtung op. 20 Der Einführungstext ist ein Originalbeitrag für den NDR. JEAN SIBELIUS Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Violinkonzert d-Moll op. 47 Genehmigung des NDR gestattet. CARL NIELSEN Sinfonie Nr. 2 op. 16 „Die vier Temperamente“ Fotos: Christiane Höhne (Titel) Jean Baptise Millot (S. 5) Karten erhalten Sie beim NDR Ticketshop und den üblichen Patrick Allen / operaomnia.co.uk (S. 6) Vorverkaufskassen. www.ndrticketshop.de akg images (S. 8) akg-images / De Agostini Picture Lib. / J. L. Charmet (S. 9) Besuchen Sie uns im Internet und erfahren Sie mehr über die Kon - akg-images / De Agostini Picture Lib. (S. 11, S. 12) zerte, die Musiker und alle Aktivitäten der NDR Radiophilharmonie: ndr.de/radiophilharmonie

14 NDR | Markendesign 15 Gestaltung: Klasse 3b Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co. Druck: Nehr & Co. GmbH

3767_RPH_A2_PRO 14 3767_RPH_A2_PRO11.09.14 16:18 15 11.09.14 16:18 In Hannover auf 98,7 Weitere Frequenzen unter ndr.de/ndrkultur Foto: Nicolaj Lund | NDR | Lund Foto: Nicolaj

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