Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

DETLEF LIEBS

Magnus von Narbonne

Originalbeitrag erschienen in: Matthias Armgardt (Hrsg.): Liber amicorum Christoph Krampe zum 70. Geburtstag. Berlin: Duncker & Humblot, 2013 (Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, 68), S. , Berlin 2013, 239–249

DETLEF LIEBS

Magnus von Narbonne*

Dass ich den hochgeschätzten Jubilar in die Spätantike und in eine römische Provinz entfüh- ren könnte, war vorhersehbar. Proculus, der Held seiner Dissertation,1 und Magnus von Nar- bonne, um den es hier gehen soll, trennen mehr als vier Jahrhunderte. Während wir über die persönlichen Verhältnisse des Proculus kaum etwas wissen und im übrigen auf Vermutungen angewiesen sind, insbesondere zur Frage, ob, wann und mit welchem Rang er das Konsulat bekleidet hat, ist das 460 n. Chr. bekleidete Konsulat des Magnus zwölfmal bezeugt2 und gibt uns sein Standesgenosse und Landsmann, Sidonius Apollinaris, auch im Übrigen freimütig Auskunft über Familie, Tätigkeit und persönliche Vorlieben. Umgekehrt sind von Proculus nicht wenige Texte erhalten, so dass wir seine juristischen Leistungen recht gut ermessen können; sie faszinieren die Rechtsgelehrten bis heute. Mit Magnus dagegen verbindet die Überlieferung keinen Text.

Das hinderte die Wissenschaft indessen nicht, ihm einen spätantiken Text zuzuschreiben, der unter dem Namen eines Herrschers überliefert ist. Fast alle neuen Rechtstexte ergingen in der Spätantike unter dem Namen eines Herrschers, doch haben sie sie meist nicht selber ver- fasst, sondern sie von Fachleuten schreiben lassen. Auch Magnus soll der wahre Autor eines solchen Texts gewesen sein, und zwar des seit einem halben Jahrhundert umstrittenen Edictum Theoderici. In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts kam die Meinung auf, diese unsystematische Zusammenstellung von 154 hauptsächlich straf- und verfahrensrechtlichen

* Erschienen in: Liber amicorum Christoph Krampe zum 70. Geburtstag, hg. M. Armgardt, F. Klinck, I. Reichard (Berlin 2013) 239–49. 1 Christoph Krampe, Proculi epistulae (Karlsruhe 1970). 2 Er war der vom Westreich nominierte Konsul. Sein Konsulat bezeugen Nov. Mai. 11; Papst Leo epist. coll. Avell. 51–55; Sidonius, Carm. 14, ep. 2; 15, 150–53; 24, 90; ep. 1, 11, 10; Gennadius, Li- ber de viris illustribus 86 a. E.; u. CJ 2, 7, 11. Der damalige Westkaiser war im Osten aller- dings nicht anerkannt und deshalb wohl auch der von ihm nominierte Konsul nicht, s. P. Oxy. 1878 vom 1. Sept. 461: [po]st cons(ulatum) Apollonii [v(iri)] c(larissimi) et qui n[unt(iatus) f]uerit die Kal(endarum) Septembr(ium). Freilich stammt auch CJ 2, 7, 11 aus dem Osten, und hier nennt die Subskription auch Magnus als Konsul, sogar an erster Stelle; allerdings ist diese Subskription nur durch Haloander überliefert, der sie nach den übrigen, soeben genannten Quellen, alle westlichen Ursprungs, vervollständigt haben kann. Zu Magnus allgemein J. Sundwall, Weströmische Studien (Berlin 1915) 98 f.; W. Enßlin, Art. Magnus 20, RE XIV 1 (1928), 490; J. R. Martindale, Art. Magnus 2, in: ders., The prosopography of the later II (Cambridge 1980, im folgenden PLRE II) 700 f.; u. Jill Harries, Sidonius Apollinaris and the fall of Rome AD 407–485 (Oxford 1994) 33, 47, 90 f., 94, 130 u. 177. 2

Bestimmungen, die [S.240] für Römer und Barbaren gemeinsam gelten sollten,3 sei Theode- rich dem Großen, dem Ostgotenkönig abzusprechen und, nachdem mannigfache andere Vor- schläge keinen Anklang gefunden hatten,4 dem Westgotenkönig Theoderich II. zuzuweisen.5 In dessen Auftrag, so wurde diese Theorie weitergeführt, soll Magnus “als juristischer Exper- te im Westgotenreich des 5. Jahrhunderts” dieses Edikt entworfen und sich dadurch bis ins 8. Jahrhundert nachklingenden Ruhm als maßgeblicher Jurist eines gentilen Gesetzgebers ver- schafft haben.6

Dieses verführerisch schöne Bild fordert zur Stellungnahme heraus. Als erstes soll ver- sucht werden, dem Glanz, den Sidonius über seinen Dichterfreund und Schwiegervater seiner Kusine Eulalia,7 Magnus, ausbreitet, so viele nüchterne Tatsachen wie möglich zu entnehmen. Sodann ist auf Lokalisierung und Datierung des Edictum Theoderici einzugehen.

I. Sidonius über Magnus

Magnus spielt vor allem in den Gedichten (Carmina) des Sidonius eine Rolle, kommt aber auch in einem Brief seiner Briefsammlung vor. In seinem fünften Gedicht, ein Panegyricus auf Kaiser Majorian (457–61), gehalten im Dezember 458 in Lyon und höchstwahrscheinlich bald danach 459 n. Chr. veröffentlicht,8 heißt es (Verse 558–63):

Si praefecturae quantus moderetur honorem vir quaeras, tendit patulos qua Gallia fines, vix habuit mores similes cui teste senatu [241] in se etiam tractum commiserat Ulpius ensem. Qui dictat modo iura Getis, sub iudice vestro pellitus ravum praeconem suspicit hospes.

3 Zum Inhalt D. Liebs, Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (Berlin 1987) 191–94; u. kurz ders., Art. Edictum Theoderici, HRG I (2008) 1184 f. Weitere Lit. sofort. 4 P. Rasi, Sulla paternità del c. d. Edictum Theodorici Regis, AG 145 (1953) 105–62: Odoaker; ders., La legislazione giustinianea e il c. d. Edictum Theodorici, Studi in onore di Pietro De Francisci IV (Mailand 1956) 347–56: Majorian oder ; ders., Ancora sulla paternità del c. d. Edictum Theodo- rici, Annali di storia del diritto 5/6 (1961/62) 113–36: Gundobad in Rom, eventuall auch Fälschung des französischen Humanisten Pierre Pithou; ders., Considerazioni su un recente studio: B. Paradisi, Critica e mito dell’Editto di Teodorico, Università degli Studi di Camerino. Annali della Facoltà Gi- uridica 32 (1966/67) 339-54 (non vidi); weitere Stellungnahmen bei G. Vismara, Scritti di storia giuri- dica I: Fonti del diritto nei regni germanici (Mailand 1987) 10–40. 5 So Vismara seit 1955, s. jetzt ders., aaO. 41–45. Zustimmend A. d’Ors, Estudios Visigoticos II (Rom/Madrid 1960) 8: der wahre Verfasser sei Magnus als praefectus praetorio Galliarum gewesen; d’Ors zustimmend Ernst Levy, Rez., SZ 79 (1962) 479; u. J. Gaudemet, Le Bréviaire d'Alaric et les épitome = IRMAE I 2 b aa ß (Mailand 1965) 6 f.; s. ferner etwa W. Kunkel, Röm. Rechtsgeschichte, 5. Aufl. 1967, 151; H.-J. Becker, Art. Edictum Theoderici, HRG I (Berlin 11971) 802 f.; u. P. Landau, Die Lex Baiuvariorum (München 2004) 41 f. 6 Landau, aaO. 41 u. Fn. 165. 7 Über sie äußert er sich Carmen 24, 95–98; u. Epist. 4, 1, 1; s. Martindale, Art. Eulalia, PLRE II 418. 8 A. Loyen, Sidoine Apollinaire I: Poèmes (Paris 1960) S. XXXI. 3

Wer wissen will welch großer Mann das Amt der Präfektur in den weiten Grenzen, in denen Gallien sich erstreckt, leitet: keine edlere Gesinnung hegte der, dem nach dem Zeugnis des Senats Trajan das Schwert anvertraut hatte, das jener auch gegen ihn hätte zücken sollen. Der Gastfreund, der derzeit den Goten Recht spricht, blickt in Felle gekleidet auf zum heiseren Herold unter Eurem Richter.

Der anwesende Prätorianerpräfekt von Gallien war Magnus,9 zu dessen Präfektur auch Spa- nien und Marokko gehörten. Sidonius stellt ihn noch über Trajans getreuen Prätorianerpräfek- ten Sex. Attius Suburanus Aemilianus, dem der Kaiser das Schwert mit den Worten über- reicht hatte: “Nimm dieses Schwert, und wenn ich gut regiere, gebrauche es für mich; wenn schlecht, gegen mich!”10 Und mit dem hospes, der den Goten dictat modo iura, meinte Sido- nius den Westgotenkönig Theoderich II., der angeblich allein schon zum Herold des Präfekten aufblickt, um wieviel mehr zu diesem selbst, dem kaiserlichen (vestro) iudex. Hier erfahren wir also nur erst, dass der gallische Präfekt als solcher kaiserlicher Richter war, dem der Westgotenkönig nach römischer Lesart unterstand, und dass er im Winter 458/59 der Ehrung seines Kaisers in Lyon beiwohnte, der die Stadt mit Gewalt gegen einen Konkurrenten unter seine Herrschaft gebracht hatte.11 Am Ende erfahren wir auch, dass der König den Präfekten wahrnahm, eine Selbstverständlichkeit; aber mehr, etwa dass der König beim Richten irgend- eine Art von Hilfe des Präfekten in Anspruch genommen hätte, ist der Schmeichelei mit dem Herold kaum zu entnehmen.

Wohl in den frühen 460er Jahren veröffentlichte Sidonius erstmals seine kleineren Ge- dichte, Nr. 9 bis 21 (ohne 16) der endgültigen Sammlung.12 Nr. 15 ist ein Glückwunsch zur Hochzeit von Polemius und Araneola, der Tochter des Magnus.13 Außerdem hatte Magnus zwei Söhne, beide Schulfreunde des Sidonius: den späteren Präfekten Magnus Felix14 und

9 Das sagt Sidonius ausdrücklich in Carmen 15, 156 f., und Epist. 1, 11, 10; s. a. Enßlin, Art. Magnus; u. Martindale, Art. Magnus 2. 10 Cassius Dio, Historia Romana, Epitome des Xiphilin von 68, 16, 1; u. Aurelius Victor, Liber de Caesaribus 13, 9; vgl. Plinius, Panegyricus 67, 8. Zu Suburanus s. P. v. Rohden, Art. Attius 28, RE II 2 (1896) 2255; u. W. Eck, An emperor is made: Senatorial politics and Trajan's adoption by Nerva in 97, in: G. Clark u. T. Rajak (Hgg.), Philosophy and power in the graeco-roman world. Essays in honor of Miriam Griffin (Oxford 2002) 211–26, hier 221–24. 11 W. Enßlin, Art. Maiorianus 1, RE XIV 1 (1928) 584–89, hier 587 f. 12 Loyen, aaO. (o. Fn. 8) S. XXXII. 13 Zu ihr Martindale, Art. Araneola, PLRE II 126; u. Frank-Michael Kaufmann, Studien zu Sidonius Apollinaris (Frankfurt am Main 1995) 281 m. weit. Lit.; zu ihrem Ehemann Polemius Martindale, Art. Polemius 2, PLRE II 895; u. Kaufmann, aaO. 336. Deren vorsichtige Datierung der Hochzeit zwischen 461 und 469 wäre nach Loyen, Sidoine (Fn. 8), XXXII, zu präzisieren. 14 Zu ihm Martindale, Art. 21, PLRE II 463 f.; u. Kaufmann, aaO. 306–308 4

Probus, der später Eulalia heiratete, eine Kusine des Sido[242]nius.15 Dem Brautvater Magnus gelten die folgenden Verse des Hochzeitsgedichts (150–57):

Hic igitur proavi trabeas imitata rigentes palmatam parat ipsa patri, qua consul et idem Agricolam contingat avum doceatque nepotes non abavi solum sed avi quoque iungere fasces. Texuerat tamen et chlamydes, quibus ille magister per Tartesiacas conspectus splenduit urbes et quibus ingestae sub tempore praefecturae conspicuus sanctas reddit se praesule leges.

Hier also fertigte das Mädchen nach dem Vorbild des starrenden Staatskleids ihres Urgroßvaters höchstselbst das Prachtgewand für den Vater, womit er als Konsul zu seinem Großvater Agricola aufgeschlossen hat und seine Enkel lehrt, dass nicht nur den Ururgroßvater, sondern auch den Großvater die Konsularinsignien zierten. Sie hatte indes schon das Amtskleid gewebt, in dem man diesen sehen konnte, wie er als Staatskanzleichef in den Städten Südspaniens16 eine glänzende Figur machte und worin er, als er dann auch noch Präfekt geworden war, für das weite Gebiet seiner Präfektur im eigenen Namen heilsame Gesetze gegeben hat.

Der Dichter malt die Jugend der Braut aus, hier ihre Beziehung zum Vater. Sie habe für ihn genäht, zweimal Amtskleidung für ihn angefertigt. Das gibt Sidonius die Gelegenheit, die hohen Staatsämter des Brautvaters aus dem gleichen gallischen Senatsadel zu preisen. Hier interessieren zunächst einmal die sanctae leges am Schluss, die Magnus als Präfekt gab. Le- ges im technischen Sinn können es nicht gewesen sein, als welche damals nur mehr Kaiser- konstitutionen in Betracht kamen; vielmehr muss es sich um Edikte gehandelt haben, wie sie Präfekten noch in der Spätantike geben konnten. Er gab sie se praesule, aus eigener Macht- vollkommenheit, was konkret bedeutet: im eigenen Namen, korrekterweise allerdings zu- gleich im Namen der anderen amtierenden Prätorianerpräfekten; schriftlich wandten sie sich als Kollegium an die Öffentlichkeit, freilich in fiktiver Kollegialität.17 Alvaro d'Ors erwog, dass das Edictum Theoderici in Wahrheit ein Präfektenedikt des Magnus gewesen sei.18 Das widerspräche dem überlieferten Titel Edic[243]tum Theoderici regis, das also von einem Bar-

15 Zu ihm Martindale, Art. Probus 4, PLRE II (Fn. 2), 910 f.; u. Kaufmann, aaO. 338. 16 Tartessos hieß etwa 1500 Jahre früher sowohl der Fluss Guadalquivir als auch die wohl älteste be- kannte Stadt Spaniens, zwischen dessen beiden Mündungsarmen wenig nördlich von Cadiz gelegen, damals seit etwa 1000 Jahren wüst, s. A. Schulten, Artt. Tartessos 1 u. 2, RE IV A 2 (1932) 2446–51. 17 Der Stadtpräfekt von Rom z. B. CIL VI 1770 f. (362/64 n. Chr.) u.1711 (kurz vor 488); die amtie- renden Prätorianerpräfekten in fiktiver Kollegialität: Quesnelliana 15 = PL 48, 392–94 = G. Hänel, Corpus legum (Leipzig 1857) 239 (418 n. Chr.); NJ 168 (etwa 512); 166 (521/23); 167 (546/51); u. Sacra privilegia concilii Vizaceni 4 (569 n. Chr.); weitere Edikte der Prätorianerpräfekten bei Wolf- gang Kaiser, Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze. Studien zu den Sacra privilegia concilii Vizaceni (München 2007) 179–83. 18 D’Ors, aaO. (o. Fn. 5) 8. 5 barenkönig stammt, mag auch ein Römer es für ihn entworfen haben. Und spätere Zuschrei- bung eines ursprünglichen Präfektenedikts an einen zur Zeit der Präfektur regierenden genti- len König ist höchst unwahrscheinlich, zumal dieser König, Theoderich II., bald danach von seinem später wesentlich berühmteren Bruder Eurich ermordet wurde, so wie Theoderich sei- nerseits zusammen mit Bruder Friedrich den ältesten Bruder Thorismund ermordet hatte.

Außerdem erfahren wir hier über Magnus, dass schon sein Großvater Agricola es zum or- dentlichen Konsul gebracht hatte. Kaiser hatte ihn für 421 benannt, nachdem Agricola ihm als Reichspräfekt gedient hatte, 418 zum zweiten Mal mit der Präfektur Galli- en.19 Magnus selbst war vor seiner Präfektur magister in chlamydes gewesen, wie Sidonius sich ausdrückt, als der er die Tartesischen Städte bereist hat, also Spanien, zumindest Südspa- nien. Es muss sich um das Amt des magister officiorum gehandelt haben, des obersten Kanz- leichefs, vermutlich im Dienst desselben Majorian und dann wohl 458 n. Chr.20. Im Zusammenhang mit diesem Hochzeitsgedicht räsonierte Sidonius in einem Brief an den Bräutigam über Stilfragen bei einem Hochzeitsgedicht. Darin fungiert Magnus neben anderen als Schiedsrichter in solchen Stilfragen:21

Videris utrum aures quorundam per imperitiam temere mentionem centri, proportionis, diastematum, climatum vel mirarum epithalamio conducibilem non putent. Illud certe consulari viro vere Magno, quaestorio viro Domnulo, spectabili viro Leone ducibus au- dacter adfirmo, musicam et astrologiam, quae sunt infra arithmeticam consequentia mem- bra philosophiae, nullatenus posse sine hisce nominibus indicari; ...

Du magst schauen ob die Ohren mancher Leute aus purer Unerfahrenheit leichtfertig die Nennung von Zentrum, Proportion, Intervallen, Neigungen oder Auffälligkeiten in einem Hochzeitsgedicht für unangebracht halten. Ich jedenfalls versichere nachdrücklich, dass, wie schon der zu Recht Magnus heißende Altkonsul, der Altquästor Domnulus22 und der hochansehnliche Leo meinten, Musik und Astronomie, die Teile der Wissenschaft, die gleich nach der Arithmetik rangieren, in keiner Weise ohne diese Begriffe (sc. aus Musik und Astronomie bzw. -logie: was sagen die Sterne zu diesem Paar?) dargeboten werden können; ...

19 Zu ihm Martindale, Art. Agricola 1, PLRE II 36 f. u. Stemmata, Nr. 15 S. 1318. In der Inskription des Edikts seines Kollegen für Illyrien, Italien und Africa, Fl. Iunius Quartus Palladius, gegen den zum Ketzer gestempelten Pelagius und seine Anhänger erscheint in fiktiver Kollegialität auch er, an dritter Stelle, obwohl als einziger iterum. Aber vielleicht hatte es mit seiner ersten Präfektur nicht viel mehr auf sich als mit der ersten des Dardanus 408/09, s. dazu D. Liebs, Hofjuristen der römischen Kaiser (München 2010) 109 f. 20 So Sundwall, aaO. 98; u. Enßlin, Art. Magnus aaO.; vorsichtiger Martindale, Art. Magnus 2 aaO. (alles o. Fn. 2). 21 Sidonius, Carmina 14, Epist. § 2. 22 Zu Domnulus, wohl 458 kaiserlicher Quästor, Martindale, Art. Domnulus 1, PLRE II 374; u. Kauf- mann (o. Fn. 13) 296 f. – Für Hilfe bei der Übersetzung dieses Texts danke ich Klaus Bartels, Zürich. 6

Magnus ist also vor zwei anderen etwas weniger Hochgestellten, darunter Leo von Nar- bonne, den derselbe Sidonius in seinem 23. Gedicht als Dichterjuristen [244] preist,23 eine Autorität in Sachen Dichtung und Wissenschaften wie Musik und Astronomie, die mitunter in Dichtung einzubeziehen sind; die Rechtswissenschaft nennt Sidonius freilich auch hier nicht.

Um 464/65 dichtete Sidonius für die zweite Ausgabe seiner kleineren Gedichte ein Pro- pempticum ad libellum, eine Art Abschiedsgedicht.24 Darin trägt er seinem Bändchen auf, bei bestimmten Bekannten vorbeizuschauen, in Vers 90/91 auch bei Magnus:

Hinc ad consulis ampla tecta Magni ... veni, libelle;

Von dort aus, Büchlein, gelange zum Palast des Konsuln Magnus ...

Hier erfahren wir über Magnus also nur mehr, dass er Konsul war und in Narbonne ein großes Haus führt.

Er begegnet in den Gedichten des Sidonius aber noch ein viertes Mal: im 23. carmen, ent- standen zwischen 462 und 466; aller Wahrscheinlichkeit nach hat er es zunächst einzeln ver- öffentlicht, schließlich 469 in der vollständigen Sammlung.25 Es ist an seinen etwa zehn Jahre älteren Dichterkollegen Consentius von Narbonne gerichtet, der Valentinian III. als tribunus et notarius gedient hatte und 455 von Kaiser Avitus mit der cura palatii betraut worden war,26 was ihm den Rang eines comes eingetragen hatte.27 Zu den Gästen des Consentius gehörte auch Magnus aus derselben Stadt. Ihn spricht der Dichter in den folgenden Versen an (455– 463):

..., Magne, ... multis praedite dotibus virorum, forma, nobilitate, mente, censu, cuius si varios eam per actus, centum et ferrea lasset ora28 laude, constans, ingeniosus efficaxque, prudens arbiter, optimus propinquus, nil fraudans genii sibi vel ulli personas, loca, tempus intuendo;

23 Zu ihm J. R. Martindale, Art. Leo 5, PLRE II 662 f.; Kaufmann, aaO. 317 f.; u. D. Liebs, Römische Jurisprudenz in Gallien (Berlin 2002) 53–57. 24 Carmen 24, s. Loyen, aaO. (o. Fn. 8) S. xxxii. 25 Loyen, aaO. S. xxxii. 26 Zu ihm Martindale, Art. Consentius 2, PLRE II 308 f. 27 Loyen, aaO. 160 Fn. 29. 28 Wohl eine Anspielung auf Vergil, Georgica 2, 43 f.: non mihi si linguae centum sint oraque centum, / ferrea vox. 7

..., Magnus, ... der ihr mit vielen Tugenden gesegnet seid: Schönheit, Adel, Geist, Reichtum, dessen Lob, wenn ich es zu euren verschiedenen Betätigungen durchgehe, hundert selbst eiserne Münder ermüdete, so beharrlich, einfallsreich und erfolgreich seid ihr, [245] ein kluger Schiedsrichter und vorbildlicher Verwandter, finstre Gedanken weder selbst hegend noch andern unterstellend, achtsam für Menschen, Orte und Umstände;

Das ist ein Loblied auf Charakter und Fähigkeiten des Mannes, erlaubt aber keine Schlüsse auf eine bestimmte Betätigung; auch prudens arbiter nicht, etwa als Richter oder gar als Ju- rist.

Schließlich haben wir den elften Brief des ersten Buchs seiner Sammlung. Sidonius rich- tete ihn, vielleicht 469, von Lyon aus an einen Standesgenossen, den vir desertissimus Monti- us, als dieser in seine Heimat im Gebiet von Besançon abzureisen im Begriff war (Sequanos tuos expetituro). Er hatte Sidonius gebeten, ihm über Ereignisse in Arles im Jahr 461 zu be- richten. Bald nach der Mitte dieses Kunstbriefs heißt es (§§ 10 f.) zur Tischordnung eines Festmahls, das Kaiser Majorian dort auf dem Rückweg nach seiner gescheiterten Expedition gegen die Vandalen im Rahmen von Spielen zur Feier seiner Quinquennalien acht ausgesuch- ten Gästen gegeben hatte,29 darunter Sidonius selbst:

iuxta eum (sc. consulem ordinarium Severinum ... iacebat) Magnus, olim ex praefecto, nu- per ex consule, par honoribus persona geminatis, ... (11) Edulium multa parte finita Cae- saris ad consulem sermo dirigitur, isque succinctus, inde devolvitur ad consularem; cum quo saepe repetitus quia de litteris factus, ...

neben ihm (sc. dem ordentlichen Konsul lag) Magnus, der vor einiger Zeit als Präfekt und kürzlich als Konsul amtiert hatte, von seiner Person her beiden Ämtern ge- wachsen; ... (11) Als ein großer Teil der Speisenfolge beendet war, richtete der Kaiser das Wort an den Konsul, aber nur kurz; von da ging es über zum Konsular (sc. Magnus), mit dem es häufig gewechselt wurde, da es um ein wissenschaftliches Thema ging, ...30

Bei Magnus hebt Sidonius also, anders als beim nächst dem Kaiser liegenden amtierenden Konsul,31 hervor, dass er beide Ämter hervorragend ausgefüllt und dass der Herrscher mit

29 Enßlin, Art. Maiorianus 1, 589 Z. 21–29. 30 Übersetzung nach Helga Köhler, C. Sollius Apollinaris Sidonius. Briefe Buch I. Einleitung – Text – Übersetzung – Kommentar (Heidelberg 1995) 91 u. 93. 31 Flavius Severinus, Martindale, Art. Severinus 5, PLRE II 1001; der andere, vom Ostreich für 461 nominierte Konsul war Fl. Dagalaiphus, der Schwiegersohn des mächtigen alanischen Heermeisters des Ostreichs, Ardabur, Martindale, Artt. Dagalaiphus 2, PLRE II 340 f.; u. Ardabur 1, PLRE II 135- 37. 8 dem Konsul nur wenige Worte gewechselt habe, während die Unterhaltung mit Magnus de litteris hin und her gegangen sei. Wieder ist Magnus ein großer Literat.

Rechtskenntnisse des Magnus beziehungsweise juristische Expertise sind jedoch keiner der sechs Aussagen des wohlgesonnenen Freundes zu entnehmen; und ebenso wenig eine Stellung beim Westgotenkönig Theoderich II.32 Insbesondere ist [246] auszuschließen, dass Magnus “der juristische Assessor am Hofe des westgotischen Königs Theuderich II. um 460 war”.33 Die Assessur war ein Anfängeramt für aufstrebende junge Leute. Beim Konsul des Jahres 460 wäre dieses Amt allenfalls in den frühen 440er Jahren zu erwarten gewesen. Die Erlasse der spätantiken Herrscher wurden aber gar nicht von Asessoren, sondern von ihren Quästoren formuliert, der des Kaisers meist quaestor sacri palatii genannt;34 bei Theoderich dem Großen hatte Cassiodor das Amt des quaestor palatii 507 bis 511 inne, allenfalls 506 bis 512; die von ihm entworfenen amtlichen Schreiben des Königs veröffentlichte er bekanntlich später unter eigenem Namen in seinen Variae. Jurist war Cassiodor ebenso wenig wie die Mehrzahl der kaiserlichen Quästoren.35 Ob es ein entsprechendes Amt schon im mittleren 5. Jahrhundert beim Westgotenkönig gab, zu einer Zeit, als in Ravenna noch ein weströmischer Kaiser regierte, ist zumindest zweifelhaft, ganz abgesehen davon, dass von einer Funktion des Magnus beim gentilen König wie gesagt nichts verlautet.

II. Das Edictum Theoderici

Giulio Vismara hat, als er das Edictum Theoderici für das Sammelwerk Ius Romanum Medii Aevi (IRMAE) zu bearbeiten hatte, die Gelegenheit genutzt, seine Meinung, der Rechtstext sei in Wahrheit dem Westgotenkönig Theoderich II. zuzuweisen, auf nahezu 200 Seiten darzule- gen.36 Und nachdem Hermann Nehlsen 1969 auf die verschiedenen Argumente kritisch ein- gegangen war,37 legte Vismara 1987 eine auf 370 Seiten erweiterete Fassung jenes Beitrags vor.38 Dass der Westgotenkönig Theuderich II. überhaupt eine größere Sammlung von

32 Landau, aaO. 41 u. Fn. 165, bescheinigt ihm “hervorragende Rechtskenntnisse”; Magnus sei “als juristischer Experte im Westgotenreich des 5. Jahrhunderts durch die Quellen belegt”, nennt die Quel- len jedoch nicht. 33 So aber Landau, aaO. 41. 34 Ein fester Titel war das aber nicht, Jill Harries, The Roman imperial quaestor from Constantine to Theodosius II, JRS 78 (1988) 148–72, bes. 154 f. 35 Zu dieser Frage eingehend T. Honoré, Law in the crisis of Empire 379–455 AD. The Theodosian dynasty and its quaestors (Oxford 1998), bes. S. viii f., 41–45, 84–90; u. 164–67. 36 G. Vismara, Edictum Theoderici. IRMAE I 2 b aa α (Mailand 1967), 191 S. 37 H. Nehlsen, Rez., ZRGG 86 (1969) 246–60. 38 G. Vismara, Scritti I (o. Fn. 4) 1–338, wozu von den dankenswerterweise sehr ausführlichen Indici (S. 565–608) mindestens weitere 31 Seiten hinzukommen. 9

Rechtsvorschriften erlassen habe, entnimmt Vismara hauptsächlich wiederum Sidonius.39 Im ersten Brief des zweiten Buches seiner Sammlung, wohl Anfang 470 kurz nach seiner Wahl zum Bischof von Clermont Ferrand ebendort oder auf seinem Landgut Avitacum am Lac d'Aydat geschrieben und an seinen Schwager Ecdicius gerichtet, der damals vermutlich am Hofe von Kaiser Anthemius weilte, äußert Sidonius sich ungünstig über Seronatus, der ver- mutlich als Vikar von Südgallien amtierte; später wurde er in Rom wegen landesverräteri- scher Beziehungen zu den Westgoten unter Eurich hingerichtet.40 Insbesondere sagt er über ihn (§ 3 a. E.):

[247] exsultans Gothis insultansque Romanis, inludens praefectis conludensque numera- riis leges Theudosianas calcans Theudoricianasque proponens veteres culpas, nova tributa perquirit. die Goten preisend und die Römer beschimpfend, die Präfekten verhöhnend und mit den Rechnungsbeamten unter einer Decke, die Theodosischen Gesetze mit Füßen tretend und solche Theoderichs aushängend geht er vergangenen Verstößen nach und treibt neue Ab- gaben ein.

Seronatus habe das Römische in vielerlei Beziehung verraten und in gotischem Interesse ge- handelt, was Sidonius mit Hilfe von Wortspielen, die in meiner Übersetzung verloren gehen, drastisch vor Augen führt. Mit leges Theudosianae sind Bestimmungen des seit gut 30 Jahren geltenden Codex Theodosianus gemeint, denen bei den Goten leges Theudoricianae entsprä- chen, also Rechtsetzungen eines ihrer verstorbenen Könige namens Theoderich. Theoderich I. regierte 418 bis 451, dann fiel er in der Schlacht auf den katalaunischen Feldern. Sein gleich- namiger zweiter Sohn, Theoderich II., 453 bis 466; er wurde, wie gesagt, vom mittlerweile regierenden Eurich ermordet, der dadurch seinem Bruder nachfolgte. Auf die “Gesetze” eines dieser beiden Theoderich, allenfalls beider gestützt habe Seronatus längst vergangene Verstö- ße geahndet und neue Abgaben eingetrieben; mit 'neu' ist gemeint: von keinem römischen Gesetz gedeckt, letztlich Eurich zu Gefallen. Von einer umfangreicheren Sammlung von Bestimmungen ist hier keine Rede; und als Urheber der von Seronatus herangezogenen Best- immungen liegt Theoderich I. näher als II.

Hermann Nehlsens mannigfache Beobachtungen zu einzelnen Bestimmungen des Edictum Theoderici, vieles seinerzeit mit Okko Behrends und mir erörtert, sprechen alle für Italien grob um 500 n. Chr.41 Sie brauchen hier nicht erneut vorgeführt zu werden. Wenn das

39 Vismara, Scritti I 297–305. 40 Zu ihm kurz Martindale, Art. Seronatus, PLRE II 995 f. 41 Nehlsen, aaO. 251–57; weitere Argumente bei Sean D. W. Lafferty, Law and society in the age of Theoderic the Great (Cambridge 2013) 22–53. Das Admonter Rechtsbuch, entstanden im 12. Jahrhun- dert in der Rechtsschule von Valence und Die, hat 13 Kapitel aus dem Edictum Theoderici übernom- 10

Edictum Theoderici aber Theoderich dem Großen zuzuweisen ist, dann scheidet Magnus von Narbonne als derjenige Regierungsbeamte, der es entworfen haben mag, schon aus zeitlichen Gründen aus. Nach dem nicht wenigen, was Sidonius über Magnus und andere Zeitgenossen aussagt, war er schwerlich studierter Jurist, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Freunden des Sidonius, deren Juristentum er bezeugt. Das allein würde noch nicht rundweg ausschlie- ßen, dass er es war, der das Edictum Theoderici aus älteren Einzeledikten zusammengestellt hat. [248] Es ist ohne Ordnungsplan zusammengeschustert, tastet sich assoziativ von Klein- komplex zu Kleinkomplex vor. Gegen Ende stehen immer seltener mehrere Vorschriften des- selben Regelungsbereichs beieinander; ein bunter Sack noch nicht berücksichtigter Punkte beschließt das Ganze.42 So gehen Nichtjuristen vor, die nichtsdestoweniger sinnvolle Einzel- bestimmungen zu formuliren in der Lage sind, wie etwa bei Vereinen und ihren im Laufe der Zeit zustandegekommenen Vereinsbeschlüssen beobachtet werden kann.

Entscheidend ist, dass weder die Zeit noch auch der Ort passen. Zudem hätte Sidonius, wenn Magnus für einen gentilen König gearbeitet hätte, auch darüber etwas verlauten lassen; seinem etwas jüngeren Freund und Landsmann Syagrius wirft er ebendies heftig vor.43 Es ist verführerisch, einen Text, dessen wahrer Autor unbekannt ist, mit einem bekannten Namen zu verbinden. Bevor man jedoch zu einer konkreten Zuschreibung schreitet, ist es zweckmäßig, sich vorab zu vergegenwärtigen, und sei es nur ungefähr, wie viele Autoren etwa in Betracht kommen. Beim Edictum Theoderici wären das, wenn man an westgotischem Ursprung fest- hält, lateinisch gebildete Berater des Königs. Eine Generation vorher wirkte bei Theoderich I. Avitus, umfassend, auch juristisch gebildet, der 455 unter seinem Schüler Theoderich II. weströmischer Kaiser werden sollte, sich aber nur knapp zwei Jahre lang zu halten vermoch- te.44 Wie viele seinesgleichen sich dem Westgotenkönig damals zur Verfügung stellten, ist ungewiss. Beim Ostgotenkönig ist diese Position besser bezeugt: Sieben quaestores palatii Theoderichs des Großen sind namentlich bekannt,45 darunter Cassiodor; hinzu kommen unge- fähr ebenso viele noch unbekannte. Vismara hat Cassiodor als Verfasser des Edikts ausge-

men, W. Stelzer, Gelehrtes Recht in Österreich (Wien 1982) 35–38, welcher vorsichtig meinte, dieser Umstand könne “zu einer Klärung der Frage beitragen, ob das Edikt ... nun ost- oder westgotischen Ursprungs ist” (S. 38). G. Vismara, Art. Edictum Theoderici, LdM III (1986) 1574, u. ders., Scritti I 281–93, sah darin seine Zuweisung des Edikts an den Westgotenkönig bekräftigt, in Anbetracht des langen Zwischenzeit weit hergeholt. Weder Valence noch Die gehörten je zum Westgotenreich, viel- mehr seinerzeit zum Königreich Burgund und die südliche Provence bis 507 zum West- und seit 508 zum Ostgotenreich. 42 Liebs, Italien (o. Fn. 3) 192 f. 43 Liebs, Gallien (o. Fn. 23) 57–59. 44 Zu ihm Liebs, Gallien 41–43. 45 Die unter Theoderich dem Großen und Amalasuntha beziehungsweise Athalarich tätigen, nament- lich bekannten Quästoren verzeichnet Martindale, PLRE II passim, s. die Zusammenstellung S. 1259. 11 schlossen, das gewiss mit Recht. Dabei hat er freilich nicht hinreichend berücksichtigt, dass die einzelnen Quästoren schon der Kaiser einen sehr verschiedenen Sprachstil pflegen konn- ten.46 Und dass Cassiodor, der Bescheid wusste, niemals von dem einen Edikt seines Königs, vielmehr nur von edicta spricht, ist kein durchschlagender Einwand gegen Verortung des Edictum im ostgotischen Italien, steht das Wort edictum doch auch im Text selbst zumeist im Plural; erst die Überschrift hat den Singular und einmal der Epilog.47 Das Edictum kann auch aus Teilen zusammengesetzt sein, die einst nach und nach ergingen.48

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[249] Als Ergebnis ist also festzuhalten, dass Magnus von Narbonne nicht zu den von Sidoni- us bezeugten gallischen Juristen des 5. Jahrhunderts zu zählen ist, mag er auch wortmächtig gewesen sein, wohl auch fähig, einzelne Gesetze zu formulieren; auch, viele vorgefundene zusammenzustellen.

Ganz unwahrscheinlich erscheint, dass er aus westgotischer Tradition später zu einem Gewährsmann für gute Gesetzgebung des Frankenkönigs Dagobert geworden wäre. Im Prolog der Lex Baiuvariorum ist Isidors Geschichte der Gesetzgebung bis in die fränkische Gegen- wart fortgeführt. Am Ende heißt es:

Haec omnia (lex Francorum et Alamannorum et Baioariorum cum additamentis et muta- tionibus Theuderichi regis et emendationibus Hildiberti et Chlotharii regum) Dagobertus rex gloriosissimus per viros inlustros Claudio, Chadoindo, Magno et Agilulfo renovavit et omnia vetera legum in melius transtulit et unicuique genti scriptam tradidit, quae usque hodie perseverant.

All das (das Gesetzbuch der Franken, Alemannen und Bayern mit den Ergänzungen und Änderungen König Theoderichs und den Verbesserungen der Könige Childebert und Chlothar) hat der ruhmreiche König Dagobert mit Hilfe der erlauchten Männer Claudius, Chadoind, Magnus und Agilulf erneuert und alles Veraltete in den Gesetzen zum Besse- ren gewendet und jedem Volk ein Gesetzbuch übergeben, die bis heute fortgelten.

Auch ein Magnus soll also wichtiger Gehilfe des fränkischen Gesetzgebers gewesen sein. Datierung der Lex Baiuvariorum und Verlässlichkeit dieses Berichts sind sehr umstritten. Ei- nen neuen Versuch, der Nachricht etwas abzugewinnen, hat Peter Landau unternommen und in diesem Magnus eine Reminiszenz an Magnus von Narbonne erblickt.49 M. E. kommt von

46 Honoré, Law in the crisis (o. Fn. 35) passim. 47 Nämlich in S. 2, während S. 3 u. 4 wieder den Plural haben ebenso wie der Prolog und Kap. 34; auch der Anonymus Valesianus verwendet den Singular, § 60: ... a Gothis secundum edictum suum, quem eis constituit, rex fortissimus in omnibus iudicaretur (sc. Theoderich d. Gr.).. 48 Nehlsen, Rez. Vismara (o. Fn. 37) 250 f. 49 Landau, Die Lex Baiuvariorum (o. Fn. 5) 41 f. 12 den bisher bekannten Magni für den Prolog allenfalls Magnus von Avignon in Betracht, als dortiger Bischof um 650 bezeugt.50

50 Als Teilnehmer am Konzil von Chalon-sur-Saône zwischen 647 und 653, Liebs, Gallien (o. Fn. 23) 79; mehr wissen wir von ihm nicht. Zu Claudius Liebs, Gallien 75–79; und zu Agilulf Hermann Nehlsen, Italien, Bayern und die Langobarden, in: Alois Schmid u. Katharina Weigand (Hgg.), Bayern mitten in Europa. Vom Frühmittelalter bis ins 20. Jahrhundert (München 2005) 26–44, hier 43 f., der ihn mit Agilus identifiziert, einem Schüler Columbans, Missionar der Bajuwaren und von Dagobert I. als Abt des Klosters Rebais-en-Brie eingesetzt.