Aus Der Asche Einer Liebe Christian Petzold Tritt Mit Seinem Jüngsten Film „Phoenix“ Dem Trauma Schlechthin Gegenüber: Dem Holocaust
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Das Kommunale Kino Wiens, Akademiestraße 13, 1010 Wien Dezember 14 | #525 Christian Petzold, „Phoenix“, ab 5. 12. 2014 im Stadtkino im Künstlerhaus Christine Nagel, „Wo ich wohne“, ab 12. 12. 2014 im Filmhaus Kino Joerg Burger, „Focus on Infinity“, ab 19. 12. 2014 im Stadtkino im Künstlerhaus Aus der Asche einer Liebe Christian Petzold tritt mit seinem jüngsten Film „Phoenix“ dem Trauma schlechthin gegenüber: dem Holocaust. Nina Hoss spielt eine KZ-Überlebende, die von ihrem Mann nicht loskommt. TOBIAS KNIEBE s gibt die Chance, in diesem Film verloren zu gehen, man versinken kann. Aber man muss auch dazu bereit sein - gleich zu Beginn. Die Leinwand ist noch schwarz, da sonst wird es schwierig. Inhalt Ebeginnt ein gezupfter Kontrabass eine karge, seltsam ergreifende Melodie. Ein Klavier antwortet ihm, im Wech- Bis in die Sechzigerjahre Gespenster selspiel, mit wenigen Akkorden. Es sind die ersten Takte war Noir eine Farbe der Seele Nina Hoss, Christian Petzold und von „Speak Low“, jenem Song von Kurt Weill aus dem Jahr Eine Frau kommt zurück. Sie ist verraten worden, Unaussprech- Harun Farocki über „Phoenix“. 3 1943, der Christian Petzolds Phoenix seine Seele und seinen liches ist ihr widerfahren, alle halten sie für tot. Ihr Gesicht war Rhythmus gibt - bis hin zu seiner triumphalen Wiederkehr entstellt, jetzt ist es repariert worden. Sie ist nicht mehr dieselbe Menschheitsfragen im Finale, wo die Musik das letzte Wort behalten darf. Der - aber sie will zurück in ihr altes Leben, will noch einmal gese- Michael Pekler über Blick dazu geht hinaus in die Nacht, über ein großes Lenk- hen, erkannt, berührt werden. Sie trifft ihren Ehemann, der die Joerg Burgers „Focus on Infinity“. 5 rad, durch eine altertümliche Windschutzscheibe. Man ist Liebe ihres Lebens war und sie vielleicht verraten hat. Er hält nun wirklich in den Vierzigerjahren. Nur die Scheinwerfer sie für eine Fremde, aber eine, die er benutzen kann - um an 24 Jahre sixpackfilm erhellen eine schmale Straße in die Zukunft, ein Bild wie von das Vermögen seiner verschwundenen Frau heranzukommen. Eine Liebeserklärung an das Kino - Robert Aldrich, eine Lieblingseinstellung des alten Film noir. Bis hinein in die Sechzigerjahre war Noir eine Farbe der See- im Stadtkino. 6 Und zwar des billigen, klaustrophobischen, der seine Sets in le, da gab es solche Plots und noch viel unwahrscheinlichere, Schatten hüllen musste, um ihre Schäbigkeit zu verbergen. Zulassungsnummer GZ 02Z031555 Eine Traurigkeit aus vergangener Zeit klingt hier an, in der Fortsetzung auf Seite 2 » Verlagspostamt 1150 Wien / P.b.b. 02 Christian Petzold, „Phoenix“ StadtkinoZeitung » Fortsetzung von Seite 1 Begehren, er darf diese Fremde niemals schme- cken, fühlen, riechen. Dann nämlich müsste er wildere: Geistergeschichten. Diese hier stammt spüren, wie oft ihre Körper schon vereinigt wa- von dem Franzosen Hubert Monteilhet, Le ren, wie weit die Verdrängung ihn blind macht Retour des Cendres / Der Asche entstiegen, von und daran hindert, in Nelly seine frühere Frau 1961. John Lee Thompson hat daraus schon zu erkennen. Petzolds Kino wirkt oft körperlos, einmal einen Film gemacht, mit Ingrid Thulin aber hier treibt er das ins Extrem. Nina Hoss als und Maximilian Schell. Aber die böse Schwie- Nelly lässt Entsetzen, Sehnsucht, Liebe, Hoff- gertochter, die damals noch ins Spiel kam und nung aus ihren weitaufgerissenen Augen bren- alles noch komplizierter gemacht hat, die ha- nen. Ihre Performance ist ein einziger stummer ben Christian Petzold und sein Storyberater, der kürzlich verstorbene Harun Farocki, lieber weggelassen. Hier geht es um die Essenz, um die reine Geisterbeschwörung, den Spiritismus Der ganze Film des Noir. Monteilhets Heldin kehrt nach Pa- ist auch ein ris zurück, in eine Stadt, die intakt geblieben ist, zu einem Vermögen, dass gerettet werden Ausweichmanöver, konnte. Sie ist Jüdin, und sie ist im Konzen- trationslager gewesen, und nun trifft sie auf das in voller Fahrt. Frankreich der Kollaboration, das noch immer seinen kleinen, miesen, zur Not auch mörde- rischen Vorteil sucht. Der Holocaust ist nur die Schrei. Aber auch sie darf keinen Körper haben, Grundierung dieser Geschichte, melodrama- und sie erstarrt dabei fast. In manchen Mo- tisch zwar, aber doch sehr weit weg. Vielleicht menten stakst sie so demonstrativ ungelenk mit konnte man das, als bürgerliches Privatdrama, ihrer grauen Perücke durch die Trümmernacht, so nur in Frankreich erzählen. dass der Zauber der Bilder zerbricht - der Film droht ins Lächerliche zu kippen. Er fängt sich Herz der Finsternis Berlin wieder, wenn man bereit ist, sich wieder fal- Petzolds Heldin, Nelly heißt sie, ist ebenfalls len zu lassen. Wenn man Kurt Weill noch im Jüdin, und sie ist ebenfalls im Konzentrations- Ohr hat, wie er selbst singt, mit deutschem Ak- lager gewesen. Doch sie kehrt direkt ins Herz zent, und dabei wiederum Shakespeare zitiert: der Finsternis zurück - ins zerbombte Berlin, „Speak low, when you speak love . .“ Wenn mitten unter die Mörder. Dort wankt sie durch nicht, wird man alles Folgende hassen. Ronald Zehrfeld und Nina Hoss in „Phoenix“. nächtliche Trümmerstraßen, und die Schlag- schatten sind so hart, dass sie ihr ins Fleisch zu Plötzlicher Selbstmord im Off „Speak Low“ geschrieben hat, One Touch of Venus? Ist man schneiden scheinen. Aber ihre riesige Villa und Was die Idee des ausgelöschten Begehrens Mit Phoenix hat er die Entscheidung getroffen, bereit für eine Fahrt in die Nacht, und viel- ihr Vermögen, das alles ist auch in diesem Sze- betrifft, nennt Petzold eine Geschichte von nun wirklich zur Stunde null zurückzugehen, leicht sogar, dabei verloren zu gehen? Speak nario noch intakt und gesichert, in einer Art Alexander Kluge, die im KZ spielt, als zentra- ins Herz der Finsternis, und dem Trauma Low jedenfalls endet nicht wie üblich auf dem phantasmagorischer Instant-Restitution. Sie hat le Inspiration. Hoffte er, im festen Gerüst des schlechthin gegenüberzutreten - dem Holo- Grundton, sondern auf der großen Sexte. In keinen Grund, sich ihrem nicht-jüdischen Ehe- Genres, im Rahmen dieses französischen Plots, caust. Nur um dann zu erkennen, am ersten der Musik ist das der schwebendste, geheim- mann, der sie nicht mehr erkennt, aber benut- den er da importiert hat, ganz privat bleiben, Drehtag, dass er das gar nicht konnte - nicht nisvollste Schluss überhaupt. • zen will, zu unterwerfen - er ist derjenige, der die Asche einer Liebe allein zwischen diesen wie geplant. So ist der ganze Film ist auch jetzt ums Überleben kämpft. Sie tut es trotzdem. beiden Figuren verhandeln zu können, in äu- eine Art Ausweichmanöver in voller Fahrt, Zuerst erschienen am 24. September 2014 in der Was natürlich, wenn man eine Geschichte über ßerster Klaustrophobie? Er hätte sich geirrt. eine Verengung des Blicks, ein Weg durch die Süddeutschen Zeitung. Nachdruck mit freundlicher Opfer und Täter erzählt, ein Holocaust-Me- Denn der Holocaust, das Verhältnis von Tätern Trümmer an so vielen Abgründen entlang, Genehmigung. lodram der Stunde null, eine gewagte Idee ist und Opfern, von Deutschen und Juden, das dass man eigentlich weder rechts noch links - ein Spiel mit dem höchsten Risiko. Magisch öffnet viel größere Fragen, die sich aufdrängen schauen darf, um nicht abzustürzen. Doch leuchtet die rote Neonschrift des Clubs „Pho- und nicht wieder verstummen. Und Petzold die Möglichkeit besteht, und darin zeigt sich Christian Petzold enix“ durch die Nacht, wo die amerikanischen folgt ihnen auch, aber nur halbherzig und eher dann auch wieder Petzolds ganze Kunst, sich Phoenix Offiziere tanzen, wo Cole Porter auf Deutsch folgenlos. Einige dieser Erzählstränge kappt er einfach hindurchtragen zu lassen, wie in Tran- (Deutschland 2014) erklingt und Kurt Weill auch und wo Nellys dann einfach durch einen plötzlichen Selbst- ce. Denn eigentlich braucht man nur diesem Mann, Johnny heißt er, die Gläser einsammelt mord im Off, oder lässt sie im Ungefähren Song zu folgen, der den Weg weist, und der Regie und Drehbuch Christian Petzold und den Müll hinausträgt. Doch so geisterhaft verlaufen. Aber warum? Im Grunde ist er der schwarzen Sehnsucht im eigenen Herzen, um Darsteller Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, und phantastisch diese Stimmung auch ist - hier Traumaforscher unter den deutschen Regis- sich von diesem seltsamen Paar und dem Spiel Nina Kunzendorf spürt man zum ersten Mal den Druck, den alle seuren, seit vielen Jahren schon. Ein Terrori- seiner brennenden, körperlosen Blicke gefan- Kamera Hans Fromm Beteiligten sich machen. Weil sie eben wissen, stenpaar, das die Welt mit Gewalt verändern gen nehmen zu lassen. Beim Festival von To- Schnitt Bettina Böhler was sie sich aufgeladen haben. wollte und dabei nur sein eigenes Gefängnis ronto, wo der Film seine Weltpremiere hatte, Produktion Schramm Film Koerner & Weber, gebaut hat, lebenslänglich; eine Frau, die ihre hat das gut funktioniert, die amerikanischen Bayerischer Rundfunk, Westdeutscher Eine Performance wie ein ermordete Schwester rächen will und den Kritiker waren zum Großteil euphorisch. Die Rundfunk, Arte einziger stummer Schrei Mörder aufgespürt hat; ein fahrerflüchtiger deutschen, das deutet sich schon an, wer- Verleih Stadtkino Filmverleih Ronald Zehrfeld als Johnny versucht alles, sei- Mann, der ein Kind getötet hat und dennoch den Petzold eher die unangenehmen Fragen Format DCP / Farbe ne Figur mit Glaubwürdigkeit zu erden, aber die Nähe der Mutter sucht - das sind seine Ge- stellen. Nicht ganz zu Unrecht zwar - aber Länge 110 Min. er hat einen schweren Stand. Denn obwohl er schichten, seine Figuren,