55. Jahrgang · Jahresheft 2018 ISSN 0940-6638 IM LAND SACHSEN-ANHALT NATURSCHUTZ SACHSEN-ANHALT

Landesamt fr Umweltschutz Die Naturwaldzelle „Ldderitz−Goldberger See“ repräsentiert den Waldtyp der Hartholz-Auenwälder auf wechsel- feuchten Standorten mit hoher Nährstofversorgung. Naturwaldzellen dienen der Dokumentation und Erforschung der eigendynamischen Entwicklung von Waldlebensgemeinschafen (s. a. Beitrag Meyer et al., S. 33 f.). Fotos: S. Ellermann. Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt

55. Jahrgang Jahresheft 2018 (ISSN 0940-6638)

Inhaltsverzeichnis Seite Aufsätze Joachim Kurths †, Herbert Bilang & Der Kiebitz im Umweltwandel der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts Detlef Siemen am Beispiel der Elbniederung bei Magdeburg ...... 3 Peter Meyer, Torsten Schilling, Marcus Das Naturwaldzellen-Netz in Sachsen-Anhalt – Konzept und Stand der Schmidt & Michelle Sundermann Ausweisung ...... 33 Fred Braumann 25 Jahre Engagement der Stifung „Te Stork Foundation – Strche fr unsere Kinder“ im Drmling ...... 47

Michael Unruh & Andreas Stark Neue Nachweise von Molluskenarten (: et Bivalvia) sowie Befunde zu weiteren bemerkenswerten Arten in Sachsen-Anhalt .. 57 Informationen Lutz Reichhoff Erwiderung zum Beitrag M. Wallaschek: Eine weitere Interpretation des Wrlitzer Warnungsaltars im JH 2017 (54. JG) ...... 73

Andreas Rößler Der Lärchen-Splintbock in Sachsen-Anhalt ...... 79

Mitteilungen Ehrungen

Uwe Wegener, Ottfried Wüstemann & Heinz Quitt zum 90. Geburtstag ...... 81 Hans-Ulrich Kison Wolf-Rüdiger Grosse & Frank Meyer Uwe Zuppke zum 80. Geburtstag ...... 85

Annett Schumacher & René Driechciarz Kurt Franke zum 80. Geburtstag ...... 86

Eckart Schwarze & Guido Puhlmann Hartmut Kolbe zum 80. Geburtstag ...... 88

Karen & Guido Puhlmann Eckard Schwarze zum 80. Geburtstag ...... 90

Uwe Zuppke Klaus Glckner zum Gedenken (1936−2018) ...... 91

Lothar Täuscher Hermann Heynig zum Gedenken (1924−2018) ...... 92

Schriftum ...... 94 Impressum ...... 96

SACHSEN-ANHALT

Landesamt fr Umweltschutz Schutz von Pfanzen, Tieren und Landschaften

Zu den Abbildungen der 2. und 3. Umschlagseite

Naturwaldzelle Ldderitz–Goldberger See Insektensterben

Die 2017 nach § 19 des Landeswaldgesetzes Sachsen-Anhalt Mit mehr als 33.000 beschriebenen Arten in Deutschland ausgewiesene Naturwaldzelle „Ldderitz−Goldberger See“ entfällt der Großteil der heimischen Biodiversität auf die in der Gemarkung Ldderitz der Stadt Barby (Salzlandkreis) Gruppe der Insekten. Als Bestäuber, Zersetzer, Räuber, ist eine von insgesamt 20 Naturwaldzellen in Sachsen-An- Parasiten und auch als Nahrungsgrundlage anderer Or- halt, die im Rahmen eines länderbergreifenden Forschungs- ganismen sind sie von herausragender Bedeutung fr die konzeptes mit Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein Aufrechterhaltung unserer Ökosysteme. Was unter Ento- durch die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt in mologen bereits länger diskutiert wird, rckte in jngerer Gttingen untersucht wird (vgl. Beitrag Meyer et al.). Vergangenheit auch durch die mediale Rezeption exempla- Die 40 Hektar große Naturwaldzelle befndet sich im rischer wissenschaflicher Untersuchungen verstärkt in das Wuchsgebiet Mittleres Nordostdeutsches Altmoränenland fentliche Bewusstsein und regte eine gesellschafliche und und gehrt zum Forstlichen Wuchsbezirk „Magdeburg− politische Debatte an: Die Insektenfauna ist aktuell Verän- Wittenberger Elbaue“. Sie ist Teil des Naturschutzgebietes derungen unterworfen, welche sowohl mit einem Verlust an „Steckby-Ldderitzer Forst“ sowie des Biosphärenreser- Arten als auch Biomasse einhergehen. Zwar zeichnen Stu- vates „Mittelelbe“ und repräsentiert den Waldtyp der dien durchaus ein diferenziertes Bild bezogen auf einzelne Hartholz-Auenwälder auf wechselfeuchten Standorten Arten, jedoch ist der grundsätzlich negative Trend sowohl mit hoher Nährstofversorgung. 100- bis 180-jährige Stiel- auf regionaler als auch globaler Ebene sicher belegt. Eichenbestände mit Winterlinde, Bergahorn, Esche und In einer gemeinsamen Stellungnahme vom Oktober 2018 anderen Mischbaumarten sowie jngere Stiel-Eichen-Rein- fassten der Sachverständigenrat fr Umweltfragen und der bestände prägen die Baumbestockung. Die Artenzusam- Wissenschafliche Beirat fr Biodiversität und Genetische mensetzung der Waldgesellschaf wird durch periodische Ressourcen, zwei die Bundesregierung beratende Gremien, Überfutungen als wichtigsten kologischen Faktor in ihrer die aktuelle Situation zusammen und benennen Ursachen Entwicklung bestimmt. und Handlungsempfehlungen fr den Insektenschutz. Es Aufgabe und Ziel in den aus der Nutzung genommenen Na- sind „die grundlegenden Ursachen des Insektenrckgangs turwaldzellen ist die Dokumentation und Erforschung der […] gut bekannt.“ Hierzu zählen u. a. Landschafsstruktur- eigendynamischen Entwicklung von Waldlebensgemein- wandel, Pestizid- und Nährstofeinträge, Klimawandel und schafen. Wichtige Forschungsthemen sind: Bioenergiepfanzenanbau. Daraus folgt, dass ohne grund- • Inter- und intraspezifsche Konkurrenz der Baumarten legende Umsteuerungen in der Art der Landnutzung durch • Entwicklung des Totholzes Landwirtschaf, Siedlungen, Industrie und Forstwirtschaf • Dynamik von Kronendachlcken und der Baumverjn- ein fächenwirksamer Insektenschutz nicht gelingen kann. gung Auf Empfehlung der 89. Umweltministerkonferenz wird ein • Waldentwicklung nach Strungen (z. B. Insektenkalami- bundesweit einheitliches Insektenmonitoring etabliert, um täten oder Sturmereignissen) knfige Entwicklungen systematisch erfassen und Maßnah- • die Zusammensetzung und Entwicklung der Vegetation. men zum Insektenschutz evaluieren zu knnen. Die notwendigen Datenerhebungen erfolgen in einem fest ver- Bei aller Dringlichkeit des Insektenschutzes sei jedoch her- markten Probekreisraster und werden alle 10 bis 15 Jahre wie- vorzuheben, dass die Reduktion des Temas „Artensterben“ derholt. Die gewonnenen Daten und Forschungsergebnisse auf Insekten zu kurz greif: Der Weltbiodiversitätsrat der fießen in Handlungsanweisungen und Empfehlungen fr die UN (IPBES) warnt in seinem Bericht vom Mai 2019 vor einem Forstwirtschaf und den Naturschutz sowie in Publikationen weltweiten Massenaussterben von geschätzt einer Millionen ein oder beantworten konkrete Fragen aus der Praxis. Arten. Das Insektensterben ist Teil dieses Gesamtprozesses.

Torsten Schilling Daniel Rolke

2 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55. Jahrgang • 2018: 3–32 Der Kiebitz im Umweltwandel der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts am Beispiel der Elbniederung bei Magdeburg Joachim Kurths †, Herbert Bilang & Detlef Siemen

1 Einleitung geben, was irrefhrend war (Abb. 1). Es fhrte zu der falschen Hofnung, dass die Schwärme eine Stärkung Joachim (Achim) Kurths verstarb berraschend am der heimischen Populationen repräsentieren knnten. 30.10. 2016. Er war ein ausgezeichneter Kenner der Die meist aus Nordost-Europa stammenden Kiebitze Vogelwelt von Magdeburg und Umgebung und hat sttzen unsere Populationen jedoch nicht, da sie in sich besonders um die Bearbeitung der Wiesenbrter ihren Heimatgebieten auf ganz andere Bruthabitate in der Magdeburger Elbaue verdient gemacht. Achim geprägt sind. Kurths hatte Ecken und Kanten und hielt seine Mei- Die Kiebitze des mitteleuropäischen Raumes mussten nung „nie hinter dem Berg“. Velten & Bilang (2017) ber Jahrhunderte auf anthropogene Umweltverände- wrdigten in einem Nachruf seine Persnlichkeit und rungen reagieren. Die Anpassung an unterschiedliche seine Lebensleistungen. Joachim Kurths hat sich Zeit Lebensräume gelang ihnen in ihrer sozialen Lebens- seines Lebens der Ornithologie verschrieben. Sein weise durch Prägung, wobei der Gelegestandort nur besonderes Steckenpferd waren die Kiebitze, deren sekundär ist, wie später erläutert wird. Ausschlagge- Entwicklung und Verhalten er in allen Hhen und bend fr die erfolgreiche Brut ist immer das Nahrungs- Tiefen in seiner Heimat Magdeburg ber ein halbes angebot fr die Jungen im Habitat. Gnstig sind Jahrhundert intensiv beobachtete und aufzeichnete. Feuchtbiotope, die fr die Jungen gut erreichbar sind Das Manuskript dieser Arbeit konnte von ihm nur und Schutz gegen Prädatoren bieten. noch handschriflich erstellt werden. Es stellt das Schon vor 200 Jahren wusste der bedeutende deutsche wichtigste Stck seines Lebenswerkes dar. Detlef Sie- Ornithologe Johann Andreas Naumann, dass in Mit- men und Herbert Bilang, Fachgruppe Ornithologie teldeutschland Kiebitze auch auf Feldern, bevorzugt am Naturkundemuseum Magdeburg, bernahmen es, im zur Brutzeit noch niedrigen Roggen, brten (Nau- das Manuskript posthum zu redigieren und zur Verf- mann 1834). Damals dominierten Kiebitze noch auf fentlichung zu bringen. Die Coautoren waren darum den Wiesen. In der zweiten Hälfe des 20. Jhs. änderte bemht, den aus dem Manuskript hervorscheinenden sich das grundlegend, vor allem durch großfächige eigenen Stil von Joachim Kurths mglichst zu erhalten Umwandlung der Wiesen in Ackerland fr den ver- und wiederzugeben. Dennoch waren Krzungen und stärkten Anbau von Mais. Zusätzlich wurden die Strafungen des Urmanuskriptes notwendig. Durch meisten artenreichen Wiesenbiotope in schnellwchs- diese Publikation soll sein Lebenswerk posthum ge- ige Graskulturen mit kurzer Schnittfolge umgewan- wrdigt werden. delt. Große Rinderweiden wurden in kleine Portions- weiden umgestaltet oder die Khe blieben ganzjährig im Stall. Schafe, die einst die Angerwiesen der Drfer 2 Ausgangssituation und die Dämme der Flsse beweideten, wurden unren- tabel und abgeschaf. Diese Änderung in der Land- Der Kiebitz (Vanellus vanellus) wird im Frhjahr und wirtschaf verlief parallel mit einer großfächigen Herbst auf Wiesen und vor allem auf Feldern noch Melioration, die ganze Landstriche veränderte und zu häufg angetrofen. Daraus wird gelegentlich ein fal- Großraumwirtschafen fhrte. scher Schluss auf die heimischen Brutsituation der Genau in dieser Zeit kam es durch gnstige klimati- Art gezogen. In der Vergangenheit wurden gelegent- sche Bedingungen und durch den verstärkten Mais- lich diese Kiebitzschwärme in Bruterfassungen ange- anbau zu einer Kiebitzexpansion in Mitteleuropa.

3 Die einst auf Wiesen brtenden Kiebitze fanden im Faktoren fr die Grße der Kiebitzpopulation und Frhjahr in ihren Habitaten eine Ackerbrache vor, die, deren Bruterfolg waren. Auf diesen Zusammenhang wenn sie feucht genug war, als Brutplatz (BPL) ange- wurde zuerst von Alfred Ulrich anhand von Bruter- nommen wurde. Selbst wenn in den ersten Maitagen fassungen im ehemaligen Landkreis Wolmirstedt durch die Bestellarbeiten die Gelege verloren gingen, hingewiesen (Ulrich 1973). wurde das Ersatzgelege auf dem frisch gedrillten Mais angelegt. Um zu berleben, mussten die Kken das Maisfeld verlassen, weil es ihnen keine ausreichende 3 Methoden der Bruterfassung und Nahrung bot. Fanden sie kein geeignetes Nahrungs- Begrifsdefnitionen gebiet verhungerten sie oder wurden Opfer von Prä- datoren. Das Maisfeld wurde in ungnstigen Jahren Die vorgestellten Populationsuntersuchungen (PU) zur Sackgasse ganzer Kiebitzpopulationen mit kaum erfassen und bewerten Bruten und Bruterfolge fr den vorhandenem Bruterfolg. Kiebitz statistisch. Der Bruterfolg [%] entspricht der Ungnstige Brutjahre fr den Kiebitz gab es auch Anzahl der erfolgreichen Brutpaare (BP), d. h. BP mit schon vor dem verstärkten Maisanbau. Es waren im- fggen Jungvgeln, bezogen auf alle BP. Er ist damit mer trockene und zu warme Frhjahre. Der geringe unterschieden vom Schlupferfolg und deutlich schwe- Bruterfolg der trockenen Jahre wurde in feuchten und rer zu bestimmen. Die Abundanz gibt die Populati- khlen Frhjahren meist wieder ausgeglichen. Zu den onsgrße eines Gebietes an und ergibt sich aus der witterungsbedingten Problemen konnten im Frhjahr Anzahl der BP/100 ha bzw. der Anzahl der BP inner- periodische Hochwasser der Mittelelbe hinzukommen, halb einer Brutgemeinschaf auf max. 10 ha. die entscheidend fr gute oder schlechte Kiebitzjahre Einige der der PU zugrundeliegenden 40 BPL waren waren (Abb. 2). Fr das Gebiet der Mittelelbe bei Mag- schon 1950 und 1951 bekannt, der Rest wurde in den deburg in der zweiten Hälfe des 20. Jhs. gilt, dass Wit- Jahren 1952 und 1953 von einer Gruppe um den Orni- terung und Wasserstand der Elbe die entscheidenden thologen A. Hilprecht erfasst, zu der auch J. Kurths

Abb. 1: Kiebitzschwarm beim Frhjahrszug. Foto: H. Schtte, Magdeburg.

4 gehrte. Da fr die Bruterfassungen auch die Bruter- Wiesen nur noch extensiv bewirtschafet wurden, folge bekannt sein mussten, wurden die BPL von April fehlten die WK. Sie waren schon zehn Jahre zuvor bis Juni mehrfach kontrolliert. Die BPL, auch die nur verschwunden. Nur zgernd und nur unter bestimm- sporadisch besetzten, wurden meist von mehreren BP ten kologischen Bedingungen, wie einer Verschlam- besetzt. In der Statistik bekam jedes Gelege eine Code- mung, wurden einzelne FK wieder zu WK. Dies ge- Nummer mit Jahreszahl und fortlaufender Jahres- schah dann, wenn sie als Jungvgel von den Eltern an nummerierung. Fr jedes Jahr wurde eine Karte mit die Feuchtstellen der Wiesen gefhrt und dort aufge- den BPL angefertigt. Die Standorte der Gelege wurden wachsen waren. in den ersten Jahren nach Vegetationstypen bewertet: Wegen der Durchzgler blieben die Erstankunfsda- fr die Wiesenbrter nach zwei Wiesentypen und fr ten der Kiebitze unbercksichtigt. Es stellte sich im die Feldbrter nach vier Ackerkulturen. Nach 1958 Laufe der Zeit heraus, dass die zuerst eintrefenden wurde diese Gelegestandorttypisierung aufgegeben, Vgel Männchen der heimischen Population waren, da sie fr die Auswertung unwichtig erschien. die meist auch gleich ihre Reviere besetzten und mit Ab 1959 erwies sich nur noch die Unterteilung in der Balz begannen (Abb. 3). Auf die Erfassung der Wiesen- und Feldkiebitze (WK und FK) als sinnvoll, Ankunfsdaten wurde verzichtet, da sie sekundär sind denn primär war immer der Aufzuchtplatz der Jun- und die Balz sich ber mehrere Wochen hinziehen gen, der mglichst nahe am BPL sein sollte. Wird der konnte ohne dass Weibchen dazukamen. Witterungs- einstige Wiesen-BPL umgebrochen und in Feldkultu- bedingungen, Wasserverhältnisse und Dauer des ren umgewandelt, so nehmen die meisten Bewohner Aufenthalts der Durchzgler bestimmten den Brut- die neue Kultur an, wenn sie nicht zu hochgewachsen beginn. In der Auswertung wurde auf Angaben zum ist. Die Jungen hingegen, die auf den Feldern schlp- Brutbeginn verzichtet, da er schwer erkennbar war fen, bleiben i. d. R. hierauf geprägt und werden später und von der Witterung und den Wasserständen der nicht mehr auf Wiesen zur Brut schreiten. Diese Hy- Elbe abhing. Ausschlaggebend war der Schlupfermin pothese bestätigte sich später, denn als nach 1990 die der Kken, aus dem sich der Brutbeginn errechnen

Abb. 2: Kiebitze im Brutgebiet. Foto: H. Schtte, Magdeburg.

5 Abb. 3: Balzfug in der Nähe des ausgewählten Brutplatzes. Foto: H. Schtte, Magdeburg.

ließ. Ohne Ersatzbrut dauert eine Brutperiode beim zweiten Jahr zur Brut schreiten, of erst im Mai Eier Kiebitz wenigstens 10 bis 11 Wochen und ein frher legen knnen (Heinroth & Heinroth 1928). Statt Brutbeginn war immer von Vorteil. der komplizierten Trennung in die drei Gelegetypen Eine normale Brutperiode wurde in drei Abschnitte wurden alle Gelege zusammen unter dem Begrif unterteilt: Brutgrße zusammengefasst. In der Brutgrße sind 1. die Paarungs- und Legezeit alle begonnenen Bruten innerhalb der Population 2. die Bebrtungszeit der Eier enthalten. Sie ist entscheidend fr den Bruterfolg und 3. die Aufzuchtzeit der Jungen bis zur Flugfähigkeit. ein Indiz fr die Qualität des Habitats (Nehls 1996). Ältere Bruterfassungen verzeichneten beim Kiebitz Ging das Erstgelege verloren und kam es zur erfolgrei- vielfach keinen Bruterfolg, da nach damaliger Aufas- chen Ersatzbrut, so verlängerte sich die gesamte Brut- sung der Bruterfolg nicht in eine Bruterfassung gehrt periode um weitere Wochen und die Jungen wurden (Lauen 1941). Nach heutiger Ansicht ist der Bruter- erst in der ersten Julihälfe fgge. folg Bestandteil jeder Bruterfassung. Ob fgge Junge Weitere Korrekturen in der Auswertung der Erst-, vorhanden waren, wurde auch am Verhalten der Brut- Spät- und Ersatzgelege waren ab 1961 notwendig. An- vgel in der 5. Fhrungswoche der Jungen erkannt. fangs wurden die Gelege diesen Typen schablonenhaf Das gesetzte Ziel, einen alljährlichen Reproduktions- nach Datum des Fundes zugeordnet. Ein Dreiergelege wert anhand der fggen Jungen zu bekommen, wurde wurde als Ersatzgelege eingestuf. Es stellte sich im nicht erreicht. Es gelang aber fast alljährlich, stichpro- Laufe der Jahre heraus, dass einige Weibchen, die sich benartig diesen Wert zu ermitteln. Erst in der letzten wochenlang verpaart an einem BPL aufielten, erst im Phase der Kiebitzbesiedlung (ab 1986) konnte der Mai mit der Brut begannen und das erste Gelege of Reproduktionswert durchgehend bestimmt werden. nur drei Eier enthielt. Aus der Literatur ist bekannt, Der Reproduktionswert bzw. die angegebene Repro- dass vorjährige frhreife Weibchen, die bereits im duktionszifer (RPZ) der Population entspricht der

6 Anzahl aller fggen Jungen der erfassten Bruten di- weitere Mitglieder des damaligen „Ornithologischen vidiert durch die Gesamtzahl aller BP der Population Arbeitskreises Mittelelbe-Brde“ untersttzt und in (begonnene Bruten). Briesemeister (1971) verfentlicht. Die Jungvgel werden im Allgemeinen mit 35 bis Ab 1972 fhrte E. Briesemeister im Gebiet stlich der 36 Tagen fgge. Das angeborene Drckverhalten bei Elbe die Bruterfassung nach eigenen Vorlagen weiter Gefahr legen viele erst Tage danach ab, of erst wenn und publizierte die Brutergebnisse (Briesemeister sich die Familie im Laufe der 6. bis 7. Fhrungswoche 1974, 1985). dem Frhsommerzug anschließt. Diese Verbände be- Ab 1986 nahm J. Kurths die seit 1972 unterbrochene stehen aus den Familiengemeinschafen mit Jungen, eigene Erfassung der Kiebitzpopulation wieder auf. aus Vgeln, die ihre Bruten verloren haben, und aus Das UG umfasste nunmehr 1.500 ha, 600 ha westlich Nichtbrtern. Sie wechseln fast täglich ihre Nah- und 900 ha stlich des Elbdeiches. Die Erfassungskri- rungsplätze. Es hat daher keinen Sinn, die Jungen in terien und die statistische Auswertung wurden erwei- den Verbänden zu zählen, um dann Rckschlsse auf tert und präzisiert. den Bruterfolg der hiesigen Population zu ziehen.

5 Übersicht der Kiebitzbrutplätze 4 Untersuchungsgebiet (UG) und Beobachtungszeitraum 5.1 BPL westlich des Elbdeiches (Abb. 5) Kein Gebiet im Raum um Magdeburg wurde im Der Raum nordwestlich von Magdeburg ist seit 1951 20. Jh. mehr verändert als die nordwestliche Elbnie- bis zum Erlschen der Kiebitzpopulation intensiv durch derung. Nach Errichtung des alten Elbdeiches von E. Briesemeister und J. Kurths untersucht worden. 1864 war es zunächst die Landwirtschaf, die das Das UG umfasste zu Beginn der Untersuchungen frher bis Barleben reichende Grnland weitgehend (1951−1960) etwa 4.000 ha beiderseits der Elbe (Elbe- in Ackerland umwandelte. Ab 1920 wurde das Gebiet km 333−340). Es wurde im Sden durch die Stadt mit dem Bau des Kanalhafens und des Mittellandka- Magdeburg und eine Waldaue begrenzt. Im Norden nals zusätzlich grundlegend verändert. Das geschah bildete der Mittellandkanal mit der Endmoränen- besonders durch die nachfolgenden Verkehrs- und kuppe des Weinberges bei Hohenwarthe die Grenze. Industriebauten mit großen Auskiesungen und Auf- Im Osten reichte es bis zur natrlichen Grenze der schttungen. Von den einst ausgedehnten Barleber Gerwisch-Lostauer Binnendnenkette (Elbe-Umfut- Wiesen sind mit dem Elbdeich von 1922 nur 380 ha gebiet) und im Westen bis an den Ort Barleben, dort als Überfutungsfäche erhalten geblieben. Vielfach allerdings durch zwei Deiche von der Überfutungsfä- erinnern nur noch Namen wie Aue, Werder und La- che getrennt (Abb. 4). ken an die bei hohen Wasserständen aktiven Flutrin- Östlich der Elbe bildeten Kiebitze auf etwa 800 ha eine nen. Aber gerade die Qualmwasserbereiche am Elbe- Gemeinschaf mit den Wiesenlimikolen auf den perio- Verbindungskanal waren in der zweiten Hälfe des disch berfuteten Flächen des Elbe-Umfutkanals 20. Jhs. bei hohen Wasserständen die Hauptbrutplätze (Kurths 2011). Der grßere westliche Teil war Relikt der FK. Westlich des Elbdeiches (Abb. 4, Teilgebiet 1; eines großen Besiedlungsgebietes aus einer Zeit, in Abb. 5) wurden innerhalb der vier Kiebitzbesiedlungs- der das Grnland am Fluss noch bis an Magdeburg- phasen 23 BPL erfasst, wobei bei einigen bereits in Neustadt, -Rothensee und Barleben heranreichte. den 50er Jahren letzte Brutaktivitäten zu verzeichnen Das UG wurde schon in der ersten Hälfe des 20. Jhs. waren (Anh. 1, S. 27 f.). durch Landwirtschaf sowie Verkehrs- und Indus- triebauten stark verändert. Das UG westlich der Elbe 5.2 BPL stlich des Elbdeiches (Abb. 6) (Abb. 4, Teilgebiet 1) wurde 1961, der Zeit der Kiebitz- Das Gebiet Zuwachs-Schwisau, benannt nach den expansion, auf 600 ha im Bereich des Elbeverbindungs- einstigen Elbmäandern, die schon vor 200 Jahren kanals verkleinert. Dies war notwendig, um die Über- von der Elbe abgetrennt wurden, gehrt heute zum sicht zu behalten und aus Mangel an Mitarbeitern Überschwemmungsgebiet des Elbe-Umfutkanals und (Kurths 2003). Das brige Gebiet wurde später durch wird neu als Lostauer Werder bezeichnet (Abb. 6). Es Auskiesung, Aufschttung und Überbauung fr die ist kein unberhrtes Gebiet, denn die Hochfäche im Industrie als Kiebitzhabitat zerstrt. Die Bruterfas- Zuwachsbogen wurde 30 Jahre lang ausgekiest. Mit sungen wurden in der Mitte der Expansionszeit durch der Einstellung des Kiesabbaus Anfang der 60er Jahre

7 Abb. 4: Das Untersuchungsgebiet (UG) in der Elbaue nordwestlich von Magdeburg.

8 Abb. 5: Brutplätze (BPL) im westlichen Teil des UG bis zum Elbdeich. Die Jahreszahlen geben die letzte Brut- aktivität an. Skizze: J. Kurths.

9 Abb. 6: Brutplätze (BPL) stlich des Elbdeiches. Die Jahreszahl gibt die letzte Brutaktivität an. Das Altwasser des Lostauer Sees wurde 2012−2013 renaturiert (entschlammt) und die Ehle wieder durch den See in die Elbe geleitet. Skizze: J. Kurths.

10 blieben zwei Baggerseen zurck, die als Angelgewäs- 1.000 ha befanden sich im Überfutungsgebiet. Die ser und zum wilden Camping nachgenutzt wurden. Ackerfächen wurden erst bei einem Wasserstand von Die BPL stlich des Elbdeichs sind in Anhang 1 ber 5,00 m (Pegel MD) berfutet. Westlich des Elb- (S. 29 f.) beschrieben. deiches befanden sich etwa 250 ha Acker im Qualm- wasserbereich des Elbe-Verbindungskanals. 5.3 BPL außerhalb des UG Die Phase 1961 bis 1971 war gekennzeichnet durch Die BPL setzten sich außerhalb des UG nrdlich von eine Kiebitzexpansion (Tab. 2). Die dynamischen Hohenwarthe fort. Auch sdlich von Magdeburg gab Hochwasser zwischen 1961 und 1971 mit den syn- es in den Elbwiesen Kiebitz-BPL. Ergänzend werden chron verlaufenden Brutbeständen des Kiebitzes diese BPL hier ohne Nummerierung mit aufgefhrt. werden in Abbildung 7 dargestellt. Es war kein regi- Stattdessen wird ihre Lage nach Elbe-Kilometern onaler Zufall, dass der Kiebitz-Gesamtbestand im angegeben (Anh. 1, S. 30). Elbe-Gebiet ab 1961 sprunghaf anstieg. Die Statistik belegt, dass fr den Anstieg der Kiebitz-BP die FK verantwortlich waren, während sich die Anzahl der 6 Phasen der Kiebitzbesiedlung in WK nur unwesentlich veränderte. Der Anstieg der der Elbniederung nordwestlich von FK kann nicht allein vom zunehmenden Maisanbau Magdeburg ausgelst worden sein. Auch die klimatischen Bedin- gungen in Mitteleuropa sind fr die Brutbedingungen 6.1 Phase 1: 1951 bis 1960 des Kiebitzes gnstig gewesen, denn in dieser Zeit gab Im Zeitraum von 1951 bis 1960 änderte sich die An- es viele feuchte und khle Frhjahre, die den Anstieg zahl der WK im UG nur geringfgig. Aufällig war, generell begnstigten. Es bestätigt sich damit, dass dass es im Jahr 1954 keinen Kiebitz-Nachwuchs gab jede wesentliche Populationsveränderung langfristig (Tab. 1). Als Erklärung liegt nahe, dass es in diesem und unter Bercksichtigung der Witterungsbedingun- Jahr kein Hochwasser gab. gen betrachtet werden muss (Ulrich 1973). Die Po- pulationen der Art knnen sich nur unter optimalen 6.2 Phase 2: 1961 bis 1971 Brutbedingungen wesentlich vermehren. 6.2.1 Bruterfolge unter dem Einfuss der Speziell ist der hohe Grundwasserstand im westelbi- Elbhochwasser schen Einzugsgebiet zu bercksichtigen. An einem Bei Normalwasser bestand das UG zu zwei Dritteln Messpunkt im Bereich des Neustädter Sees erreichte aus Wiesen und zu einem Drittel aus Ackerland. Etwa er 1970 einen Hchststand, der noch hher lag als

Tab. 1: Populationsentwicklung des Kiebitzes von 1951 bis 1960.

Jahr Brut- Brutpaare (BP) Abundanz Bruterfolg grße gesamt davon (BG)G) gesamt WK FK BP/100 ha BP/10 ha BP BP [%] WK FK 1951 9 9 6 3 0,6 2 n. b. – – – 1952 20 16 13 3 1,1 3 5 31,3 5 0 1953 12 10 8 2 0,7 3 2 20,0 2 0 1954 8 8 5 3 0,5 2 0 0,0 0 0 1955 18 13 5 8 0,9 3 4 30,8 2 2 1956 n. b. 1957 19 16 7 9 1,1 3 6 37,5 5 1 1958 n. b. 1959 23 19 12 7 1,3 3 10 52,6 5 5 1960 35 26 20 6 1,7 8 13 50,0 9 4 108 70 38 40 28 12 1952−1960* 100% 65% 35% 37% 40% 32%

* Die Jahre 1951, 1956 u. 1958 wurden hier nicht bercksichtigt, weil der Bruterfolg nicht beobachtet wurde. Abkrzungen: FK − Feldkiebitz, n. b. – nicht bekannt, WK − Wiesenkiebitz

11 Tab. 2: Populationsentwicklung des Kiebitzes von 1961 bis 1971.

Jahr Brut- Brutpaare (BP) Abundanz Bruterfolg grße gesamt davon (BG) gesamt WK FK BP/100 ha BP/10 ha BP BP [%] WK FK 1961 62 48 18 30 3,2 9 18 37,5 8 10 1962 74 52 25 27 3,5 9 21 40,4 11 10 1963 41 32 15 17 2,1 9 15 46,9 11 4 1964 42 35 22 13 2,3 5 12 34,3 8 4 1965 127 95 17 78 6,3 10 22 23,2 4 18 1966 106 72 20 52 4,8 16 17 23,6 10 7 1967 110 82 31 51 5,5 10 22 26,8 10 12 1968 97 53 23 30 3,5 12 16 30,2 9 7 1969 56 44 19 25 2,9 7 17 38,6 8 9 1970 124 97 35 62 6,5 12 25 25,8 19 6 1971 47 40 13 27 2,7 6 12 30,0 7 5 650 238 412 197 105 92 1961−1971 100% 37% 63% 30% 44% 22%

Abkrzungen: FK − Feldkiebitz, n. b. – nicht bekannt, WK – Wiesenkiebitz

Anzahl Pegel MD entspricht Brutpaare Wasserstände im UG

100 600 cm totaler Überflutung Wasserstände [cm] HW-Stufe 4 8.4. Datum der Messung 90 550 cm 9/10 Überflutung Anzahl der Brutpaare (BP) HW-Stufe 3 gesamt 26.4. 16.5. Wiesenkiebitz (WK) 11.2. 1.4. 80 28.3. 500 cm 2/3 Überflutung

22.2. 5.5. HW-Stufe 2

8.6. 70 20.4. 450 cm 1/3 Überflutung HW-Stufe 1 7.5. 23.2. 20.4. 1/4 Überflutung 60 8.4. 22.4. 30.3. 400 cm 10.5. 5.4. 2.5. 4.6. 50 21.5. 24.4. 10.3. 350 cm Ausuferungen 15.6. 15.5. 1.5. 1.5. 10.5. 10.6. 40 1.5. 15.4. 10.3. 300 cm erhhtem Wasserstand 1.4. 26.3. Buhnen unter 30 1.6. 25.4. 15.3. 14.5. 15.4. 250 cm 15.4. 15.4. 1.4. 1.6. 1.5. 1.6. 1.5. 20 1.6. 200 cm Normalwasser 1.6. 1.6. 1.6. 1.6. 1.6. 10 150 cm Niedrigwasser

0 100 cm Flachwasser

1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971

Abb. 7: Die Kiebitzpopulation in der Elbniederung unter dem Einfuss der Frhjahrs-Hochwasser im Zeitraum von 1961 bis 1971. Entwurf: J. Kurths.

12 bei den Jahrhundert-Hochwassern von 2002 und getrocknet waren und wegen Vernässung noch nicht 2013. Es waren nicht die Fluten der Elbe, sondern die bearbeitet werden konnten (Abb. 8). Witterungsbedingungen mit umfangreichen Nie- Anhang 2 (S. 31 f.) dokumentiert den Bruterfolg von derschlägen, die zur großräumigen Reaktivierung 1961 bis 1971 unter besonderer Bercksichtigung der der ehemaligen Kiebitz-BPL im Raum Magdeburg Witterungsbedingungen. BP waren erfolgreich, wenn fhrten. Sie waren vorher nur sehr sporadisch be- Jungvgel in der 5. Fhrungswoche beobachtet wur- setzt oder schon vor Jahrzehnten infolge frherer den. Die Jahre mit einem Bruterfolg ber dem Mittel- Melioration aufgegeben worden (Briesemeister wert wurden als positives Brutjahr gewertet und die 1974). Leider waren die Feuchtperioden immer mit mit einem Bruterfolg unter dem Mittelwert als nega- erneuter intensiver Melioration fr die Landwirt- tives Brutjahr. Einzelne sehr späte Bruten wurden bei schaf verbunden wie beispielsweise in den Wiesen den Schlupfzeiten nicht mit angefhrt, da sie fr den bei Lostau (Anh. 1, BPL 39, S. 30) mit dem Quellgra- Bruterfolg nicht bestimmend waren. ben. Der Kiebitz-Brutbestand in der Elbniederung wurde Weil in dieser Zeit nicht fr jedes Jahr detaillierte von 1961 bis 1971 von zu kalten Frhjahren unter dem Wetterdaten vorlagen, wurden nachfolgend die Beson- Einfuss mehrerer Extremwinter bestimmt (Anh. 2). derheiten der Witterung in den Hochwasser-Jahren Diese wirkten sich auch auf den Bruterfolg der Popu- nach eigenen phänologischen Aufzeichnungen er- lationen aus. Durch Schneeschmelze und Nieder- gänzt (Abb. 7). schläge in den Quellgebieten der Elbe gab es acht Hochwasser-Jahre (Pegel MD >3,5 m), wovon drei die 6.2.2 Bruterfolge unter besonderer Bercksich- Hochwasser-Stufe 2 erreichten, sodass das Umfut- tigung der Witterungsbedingungen wehr Pretzin gefnet wurde. Jedes Hochwasser hatte Die Hochwasser der Elbe werden durch die witte- mehrere Spitzen von denen einige die Gelege der WK rungsbedingten Niederschläge in den Quellregionen berfuteten und sich so nachteilig auf den Bruterfolg und im gesamten Einzugsgebiet ausgelst und haben auswirkten. Die FK proftierten von der Bodenver- vor allem Einfuss auf die Brutgrße der Population. nässung im Qualmwasserbereich der Deiche, da die Dagegen wird der Brutbeginn durch die Witterungs- Bden landwirtschaflich erst spät bearbeitet werden bedingungen am BPL bestimmt (Anh. 2, S. 31 f. unter konnten. Monatsgeschehen). Bei den FK war ein frher Brut- Entscheidend war, dass die Wasser- und Witterungs- beginn entscheidend fr den Bruterfolg, während die bedingungen im Einklang mit den Bruten der Kiebit- WK wegen des Hochwassers auf den BPL später mit ze standen. Trockneten die Bden zu schnell ab, gab der Brut begannen. 1961 bis 1971 dominierten die FK, es große Verluste unter den FK-Bruten. Es waren doch der Bruterfolg war durchgehend geringer als bei meistens Verluste an Jungvgeln, die nicht durch Er- den WK (Tab. 2). satzgelege ersetzt werden konnten. Durch lange Nachwinter und Hochwasser kam es of Fr die entscheidenden Monate knnen folgende Aus- zu verspäteten oder extremen Brutbedingungen mit sagen getrofen werden: Frost im März oder Anfang April (Anh. 2, S. 31 f.). • März: Von den elf Jahren waren neun im März ber- Fr die FK war ein Brutbeginn nach dem 10. April wiegend zu kalt und winterlich, vier davon gehrten meist zu spät. Die Jungen schlpfen dann erst in der zu den kältesten und schneereichsten des vergange- ersten Maihälfe. Aus der Statistik lässt sich ableiten, nen Jahrhunderts. Kein März war zu warm und drei dass auf den Ackerbrachen, auf denen wegen der Was- waren ausgesprochen arm an Niederschlägen. serverhältnisse meistens keine Zwischenfrchte an- • April: Die meisten April-Monate waren in der ers- gebaut wurden, die Jungen mglichst bis zum 1. Mai ten Hälfe khl und wechselhaf. Erwärmung trat geschlpf sein sollten. Mit jedem weiteren Tag sank meist erst in der zweiten Hälfe auf. Winterlich war der Schlupferfolg, weil der Mais erst im Mai ausge- die erste Hälfe im Jahr 1970 und auch die zweite bracht wird, wenn die Ackerbrachen abgetrocknet Hälfe war zu kalt. Zu warm war der April 1968. Mit sind. Die Landwirte waren bestrebt, diese Arbeiten bis Temperaturen bis 30 °C war er der wärmste des ver- zum 15. Mai abzuschließen. Auf Kiebitzbruten wurde gangenen Jahrhunderts. In der Summe standen sechs damals kaum Rcksicht genommen. Selbst wenn die feuchte vier zu trockenen April-Monaten gegenber. Jungvgel rechtzeitig vor den Feldarbeiten schlpfen, • Mai bis Juni: Der Mai und die erste Junihälfe waren so war dies noch keine Garantie fr Bruterfolg. FK die wichtigsten Zeiträume in der fnfwchigen mussten Nahrungsfächen fnden, die noch nicht aus- Jungvogel-Aufzucht. Der Mai sollte daher fr die

13 Abb. 8: Kiebitz bei der Nahrungssuche. Foto: H. Schtte, Magdeburg.

Kiebitze feucht und khl sein. Dieses Optimum Juni zunehmend nachteilig fr die WK. In der ersten erfllte aber nur das Jahr 1961 mit einem guten Phase bis 1960 wurde die Mahd nach dem 10. Juni Bruterfolg. Dass ein witterungsbedingt verspäteter begonnen und zog sich bis in den Juli hinein. Später Brutbeginn auch noch fr den Brutausgang positiv wurde sie meist auf den 20. Mai vorverlegt und durch sein kann, bewies das Jahr 1962. Voraussetzung fr den Einsatz neuer Technik wurden ganze Wiesenkom- die FK war, dass die Bden nicht zu frh bearbeitet plexe zum Nachteil der Feld- und Wiesenbrter inner- wurden. halb von ein bis zwei Tagen gemäht. Zuvor hatte es nur einen Grasschnitt gegeben, danach wurde nur noch Allerdings fhrte das Witterungsgeschehen im Jahr beweidet. Im Ostteil des UG wurden durch die Bereg- 1970 in eine Katastrophe. Es kam zum spätesten Brut- nung mit Glle aus der Kläranlage Gerwisch mehrere beginn im Untersuchungszeitraum. Die Bedingungen Grasschnitte im Jahr mglich. Das Gras wurde bereits waren anfangs so gut, dass der hchste ermittelte Brut- im Mai zunehmend hher und dichter und der erste bestand bei den FK registriert wurde. Doch nach dem Schnitt erfolgte ab dem 10. Mai. Danach wurden 15 bis khlen und feuchten Mai setzte warmes und trockenes 20 Rinder jeweils fr ca. zwei Tage auf ca. ein Hektar Juniwetter ein. Die Bden trockneten schnell ab und große Portionsweiden getrieben und danach auf die die Landwirte hatten es auch nicht mehr eilig, denn nächste umgekoppelt, was letztendlich zum Totalver- fr den Mais war es bereits zu spät. Die geschwächten lust aller Bruten fhrte. Im Westteil weideten zuletzt Kken kollabierten zahlreich und wurden eine leichte 3 bis 4 Rinder/ha. Sie blieben bis Mitte Juni auf einem Beute der Prädatoren. Aus 124 Gelegen (Brutgrße) Weidebereich und wechselten dann auf den abge- wurden nur maximal zehn Kken fgge. mähten Bereich. Brachvgel und Kiebitze zogen ihre Darber hinaus änderten sich auch die landwirtschaf- Kken bevorzugt im Weidebereich auf, wo sie anfangs lichen Rahmenbedingungen. Durch immer frher einige Verluste durch temperamentvolle Jungrinder einsetzende Grasmahd wurden die Bedingungen im hatten, die später aber ausblieben.

14 6.3 Phase 3: 1973 bis 1983 (nur stlicher Teil proftierten die WK von der Expansion kaum (Tab. 3). des UG) Mit dem Anstieg der FK und dem Rckgang der WK Bei der großen „Kiebitzerfassung Mittelelbe-Brde“ ging der Bruterfolg insgesamt zurck. Bereits 1978 1972 wurden 1,5 BP/100 ha ermittelt (Briesemeister und 1980 brteten im ostelbischen Teil keine WK 1974). Damit konnte 1972 als Expansionsjahr bewertet mehr und ab 1984 blieben sie ganz aus. werden. In seinen von 1973 bis 1983 fortgefhrten Ergänzend soll hier darauf hingewiesen werden, dass Kiebitzerfassungen ging Briesemeister ausfhrli- die letzten BPL des WK im Westteil der Elbniederung cher auf diese Problematik ein und befasste sich nun auf dem Hammerswerder der Barleber Wiesen auch mit dem Brutverlauf. So wurde der Brutbestand (Abb. 6, BPL 26) und in den Verlandungszonen im vergleichend unter Bercksichtigung der Wasser- und sdlichen Schwisau, am Westufer des Lostauer Sees Witterungsbedingungen beschrieben. Aus der Be- (Abb. 6, BPL 34) nachgewiesen wurden. Die Grnde siedlungsdarstellung ist ersichtlich, dass es in diesem fr ihr Verschwinden blieben unbekannt. Vermutlich Zeitraum fnf feuchte, positive Brutjahre (> 30 BP) fanden die Jungvgel nicht mehr gengend Nahrung. und fnf trockene, negative Brutjahre gab (< 30 BP). Später, ab 1977, wurde auch der Bruterfolg dokumen- 6.4 Phase 4: 1986 bis 2010 tiert, den er statistisch aus der Anzahl der BP im April Ab 1986 nahm J. Kurths die eigene Erfassung der Kie- mit noch anwesenden BP im Mai ermittelte. Um diese bitzpopulation wieder auf. Das UG umfasste jetzt Daten fr die fortlaufende Statistik nutzen zu knnen, 1.500 ha, 600 ha westlich und 900 ha stlich des Elb- mussten sie angeglichen werden (Tab. 3). Die Gebiets- deiches. Die statistische Auswertung (Tab. 4) wurde grße wurde korrigiert und an die Überfutungsfäche bezglich der Aussagen zum Bruterfolg verbessert. von 900 ha angepasst. Die diferenziertere Darstellung Jetzt wurden alle Jungvgel der 5. Woche ermittelt. Es der verschiedenen Habitate wurde zum Zweck der erfolgte keine Diferenzierung in FK und WK, da fast Vergleichbarkeit auf Wiese und Feld begrenzt. nur FK im UG existierten (s. a. Kap. 8). Die Kiebitzexpansion war mit Beginn der 1980er Jahre 1991 wurde im Ostteil des Gebietes die Beregnung der beendet und die Population erreichte wieder die Wiesen mit Glle aus der Kläranlage Gerwisch einge- Grße von vor 1961 (Tab. 1). Wie die Statistik zeigt, stellt. Es wurde nur noch extensiv mit Mutterkhen

Tab. 3: Populationsentwicklung des Kiebitzes im Ostteil des UG von 1973 bis 1983 (nach Briesemeister 1985).

Jahr Brutpaare (BP) Abundanz Bruterfolg gesamt davon gesamt BP/100 ha BP [%] WK FK 1973 26 6 20 2,0 n. b. − 1974 15 13 2 1,2 n. b. − 1975 42 7 35 3,2 n. b. − 1976 23 15 8 1,9 n. b. − 1977 31 3 28 2,4 14 43,8 1978 30 0 30 2,4 5 15,6 1979 30 2 28 2,3 13 41,9 1980 30 0 30 2,2 4 13,3 1981 8 4 4 0,6 2 25,0 1982 15 10 5 1,1 5 33,3 1983* 15 2 13 1,1 4 26,7 265 62 203 − − − 1973−1983 100% 23% 77% 159 21 138 47 1977−1983 100% 13% 87% 30%

* Der Wert von 1983 wurde durch KURTHS (unverf.) ergänzt, die Werte 1973−1982 nach (BRIESEMEISTER 1985) Abkrzungen: BP − Brutpaar, FK − Feldkiebitz, n. b. – nicht bekannt, WK − Wiesenkiebitz

15 Tab. 4: Populationsentwicklung des Kiebitzes von 1986 bis 2010.

Jahr HW Brutpaare (BP) Abundanz Bruterfolg gesamt diferenziert nach BP/ BP/ BP juv juv/BP RPZ 100 ha 10 ha west. stl. 1986 10 6 4 0,7 3 2 4 2 0,40 1987 + 36 31 5 2,4 10 12 23 1,9 0,64 1988 + 34 33 1 2,3 11 5 7 1,2 0,21 1989 9 4 5 0,6 3 0 0 0 0 1990 8 3 5 0,5 2 0 0 0 0 1991 5 2 3 0,3 2 1 2 2,0 0,40 1992 11 0 11 0,7 3 3 5 1,7 0,45 1993 9 0 9 0,6 3 3 6 2,0 0,67 1994 + 24 16 8 1,6 7 9 18 2,0 0,75 1995 3 + 14 8 0,9 5 0 0 0 0 +3 WK 1996 3 11 6 0,7 5 1 1 1,0 0,09 +2 WK 1997 8 4 4 0,5 3 3 6 2,0 0,75 1998 5 0 5 0,3 3 0 1999 2 0 2 0,1 2 1 2 2,0 1,00 2000 + 20 12 8 1,3 5 2 4 2,0 0,20 2001 3 0 3 0,2 2 0 0 0 0 2002 3 1 2 0,2 2 1 1 1,0 0,33 2003 1 4 0 0,3 2 0 0 0 0 +3 WK 2004 2 0 2 0,1 2 0 2005 6 6 0 0,4 2 1 2 2,0 0,33 2006 + 14 6 8 0,9 4 2 3 1,5 0,21 2007 0 3 0 0,2 3 1 2 2,0 0,67 +3 WK 2008 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2009 3 3 0 0,2 3 0 0 0 0 2010 0 0 0 0 0 0 0 0 0 244 141 103 47 1986−2010 0,7 86 1,8 0,35 100% 58% 42% 19,3%

Abkrzungen: HW (+) – Hochwasserjahr (Pegel MD >5,00 m), juv – Jungvogel, RPZ – Reproduktionszifer der Population, WK – BP, die ohne dauerhaften Erfolg die Neubesiedlung der Wiesen versuchten

und Schafen beweidet. Zur Heugewinnung erfolgte nicht durchsetzen. Im Westteil gab es nur noch we- nur noch ein Grasschnitt im Juni. Es gab zwar ab 1995 nige FK und die Zunahme ihrer Bruten wurde immer im Ostteil mehrere Brutversuche auf den Wiesen und schwächer. Zu den Verlusten durch Landwirtschaf es wurden auch Kken fgge, aber die einzelnen BP und Prädation stellte sich fr die Jungen zunehmen- konnten sich gegen den erhhten Prädatorendruck der Nahrungsmangel ein.

16 Tab. 5: Anzahl der Jungvgel pro BP vom 10.06.1987 (vor) bis 20.07.1987 (nach Feldbearbeitung) im Qualm- wasserbereich des Elbe-Verbindungskanals im Bereich des BPL 22 (Anh. 1, S. 28).

10.06.1987 20.07.1987 vor Feldbearbeitung nach Feldbearbeitung Anzahl BP Jungvgel (juv) Anzahl BP Jungvgel (juv) Anzahl Alter [d] Summe Anzahl Alter [d] Summe 1 5 14−15 5* 0 5 – 0 2 4 14 u. 20 8 0 4 – 0 4 3 14−25 12 2 3 30−35 6 8 2 14−30 16 7 2 25−35 14 2 1 20 u. 30 2 3 1 20−30 3 7 zus. 20−24 >10 (Ersatzbruten) 0 n. b. – 0 3 noch brtend mit Gelegen 0 – – 0 27 63−67 12 23

Mittelwert der Bruten: 2,4 juv/Brut fr die Erstgelege und 1,9 juv/Brut fr die Zweitgelege * Von ber 700 kontrollierten Gelegen enthielten nur 4 Gelege 5 Eier (dieses waren ausschließlich FK-Gelege).

6.4.1 1987: Witterung und Konfikt mit der genau ermittelt werden, lag aber zwischen 50 und Landwirtschaft 60 Gelegen. Die Kken schlpfen in den Erstgelegen 1987 und 1988 waren die letzten beiden Jahre mit zwischen 10.5. und 24.5. und in den Zweitgelegen (Er- mehr als 25 Kiebitzbrutpaaren im Untersuchungsge- satzgelege) ab dem 30.5. bis in die zweite Juni-Dekade. biet, 1987 auch mit passablem Bruterfolg. Doch die Durch die gnstige Beobachtungslage konnten von Bestandszunahme ging am stlichen Teil vorbei. WK den umliegenden Dämmen erstmals alle BP mit ihren gab es nicht mehr, auch nicht als das Wasser die Wie- Kken in der ersten Juni-Dekade ermittelt werden sen wieder freigab. (Tab. 5). Das Kiebitz-Erstgelege enthält meist vier Eier Im Jahr 1987 beeinfussten die Wasser- und Witte- (Mittelwert 3,9, n=245, Kooiker & Buckow 1997). Es rungsbedingungen die Kiebitzbestände erheblich. wird deutlich, dass es im Magdeburger UG schon in Die Elbniederung wurde von Januar bis Mitte April der Aufzuchtphase deutliche Verluste unter den Jung- von mehreren Hochwasser-Wellen betrofen. Bei den vgeln gegeben hat. letzten beiden Flutwellen mit 5,30 und 5,70 m (Pegel Es hätte ein gutes Kiebitzjahr werden knnen, wenn MD) war das Umfutwehr vom 2.4. bis 20.4. gefnet die Landwirte in der zweiten Juni-Dekade schonender und die Elbniederung stand zwischen den Deichen vorgegangen wären. Von den Kken berlebte nur ein komplett unter Wasser. Durch den kalten und win- Drittel, meist die großen, schon fast fggen Vgel. terlichen März (Mittel 0,3 °C) tauten die Gewässer Aber auch einzelne kleinere Kiebitze berlebten die erst Anfang April ab. Der April war niederschlags- erste Feldbearbeitung mit Scheibeneggen. Verletzte arm (18 mm) und zu warm (10,5 °C). Der Mai war und tote Kken felen sofort Prädatoren zum Opfer. zu kalt (11,7 °C) und brachte mit 70 l/m² reichlich Niederschlag. 6.4.2 1988: Auswirkungen der Witterung Fast alle Kiebitze der Population schritten Mitte April Das Jahr 1988 belegt erneut, dass sich Hochwasser im Qualmwasserbereich des Elbe-Verbindungskanals auch sehr negativ auf die Kiebitze auswirken kann. zur Brut (Abb. 5, um den BPL 22), wo sie sich mit Doch es wurden auch neue Erkenntnisse zum Brut- Brachvgeln vergesellschafet hatten (Kurths 2009). verhalten der Kiebitze gewonnen. Die Anfangssitua- Im Ostteil waren es nur fnf BP, deren Gelege aber tion war bezglich der Wasser- und Witterungsbedin- durch Wasser und Prädation verloren gingen. Im gungen ähnlich dem Vorjahr. Die Kiebitze siedelten Westteil ging die Hälfe der Gelege durch Wasser ver- in fast gleicher Anzahl am Elbe-Verbindungskanal, loren, sie wurden aber trotz des späten Brutbeginns im Osten gab es nur ein BP (Tab. 4). Die ersten Ge- durch Zweitgelege ersetzt. Die Brutgrße konnte nicht lege wurden Mitte April gefunden, doch einzelne BP

17 Abb. 9: Kken duckt sich vor dem nahenden Fotografen. Foto: H. Schtte, Magdeburg.

verschwanden in der Legephase, ofensichtlich durch mit 15,6 °C zu warm. Erst Mitte Juni gab es ergiebi- Prädation. Aufallend waren berdurchschnittlich gere Niederschläge. viele Dreier- und Zweiergelege Anfang Mai. Als auch Doch der Regen kam fr die Kken zu spät, die zwi- länger bebrtete Gelege aufgegeben wurden, bestätigte schen dem 12. und 25. Mai schlpfen. Es gab fr sie sich, dass das Brutverhalten der Vgel ungewhnlich kaum noch Feuchtstellen zur Nahrungssuche oder war. Ein Blick auf die Witterungsereignisse gab die sie waren fr sie nicht erreichbar. Der Auentonboden Erklärung. Scheinbar um keine Energie bei der Auf- trocknete ab und wurde steinhart. Die Prädatoren er- zucht von aussichtslosen Bruten zu verschwenden, beuteten die aufgegebenen Gelege und die geschwäch- gaben die Kiebitze ihre Bruten noch vor dem Schlp- ten Kken. Der Ablauf des negativen Jahres 1970 wie- fen der Jungen auf, ein bisher unbekanntes Verhalten. derholte sich, doch dieses Mal gab es keine WK, die Der Februar war niederschlagsreich und Schnee lag die Verluste ausglichen. Die 40 bis 50 geschlpfen im Flachland noch Mitte März, der mit 74 mm Nie- Jungvgel kamen zu 90 Prozent ums Leben. derschlag zu feucht und mit 3,7 °C zu khl war. Das Tauwetter in den Bergen ließ die Elbe schnell steigen. Die Jahre 1987 und 1988 zeigten, wie komplex und Am 26. März wurde das Umfutwehr gefnet und problematisch der Kiebitzschutz ist. Es gibt dabei der Scheitel der Elbe erreichte mit 5,90 m (Pegel MD) keine Patentrezepte. Am wichtigsten ist es, das Nah- den Hchststand. Die Elbniederung stand zwischen rungsproblem der Jungen zu lsen. Es ist sinnlos die den Deichen komplett unter Wasser. Doch das Hoch- Gelege zu schtzen, wenn die Kken anschließend wasser hielt nicht lange an und die Elbe erreichte nicht genug Nahrung fnden oder Nahrungsquellen Anfang Mai wieder Normalwasser. Der April war zu fr sie unerreichbar sind. Dass sich Trockenperioden warm und mit 5 mm Niederschlag der trockenste des fr Kiebitze auf Ackerland negativer auswirken als auf 20. Jhs. Auch im Mai änderte sich die trockene Wet- Grnland, wurde bereits publiziert (Matter 1982, terlage nicht, es felen nur 12 mm Regen und es war Kooiker 1993).

18 Tab. 6: Beschreibung der Nahrungswanderungen in den Jahren 2000 und 2002 (s. a. Abb. 10).

2000 Die Wanderung der FK 00/11 (Abb. 10 Punktlinie, orange markiert) 8./9. 6. 4 Jungvgel schlpfen aus einem Ersatzgelege im Öl-Lein. 12. 6. Die Familie befndet sich in einer Restfeuchtstelle der Schwarzen Lake. 22. 6. Feuchtstelle ist ausgetrocknet. Familie sucht am Zaun nach neuem Nahrungsplatz. 25. 6. Die Jungvgel haben im hohen Gras und Buschwerk die Rurichslake nicht erreicht. Sie fnden im Gras keinen Weg zum Nahrungsplatz. 26. 6. Es ist nur noch das Männchen anwesend. Die Jungvgel wurden im hohen Gras wieder nicht gefunden. Mit einer Sichel wurde ein 10 m langer Pfad zur Feuchtstelle geschnitten. 2. 7. Hilfe kam zu spät. Nur 5 m von dem freigelegten Pfad Reste eines der Jungtiere gefunden. 2002 Die Wanderung FK 02/02 (Abb. 10 Strichellinie, gelb markiert) 2./3.5. 4 Jungvgel schlpfen auf einem Brachacker. 10. 5. Beide Altvgel mit 2 Jungvgeln in der 400 m entfernten Feuchtfäche der Gelben Lake im Froschlfelbestand gesichtet. 22. 5. Der Angrif eines Weißstorches auf die Jungen wird abgewehrt. 5. 6. Nach Unkrautbekämpfung mit Herbizid haben die Kiebitze die Lake verlassen. Das Männchen zieht mit 2 Jung- vgeln zurck auf die Wiesen. In einer Feuchtstelle der Schwarzen Lake werden beide Jungvgel fgge. 17. 6. Männchen mit beiden fggen Jungvgeln befnden sich am Lostauer Loch (stl. Teil).

Abb. 10: Aufzeichnung der Wanderung von zwei Kiebitzpaaren mit Jungen im Jahr 2000 (punktiert, orange markiert) und 2002 (gestrichelt, gelb markiert). Skizze: J. Kurths.

19 Tab. 7: Letzte Zunahme an Bruten des Kiebitzes in der Elbniederung bei Barleben 2011.

Jahr BP Abundanz Bruterfolg ges. diferenziert nach BP/ BP/ BP juv juv/BP RPZ 100 ha 10 ha westl. stl. 2011 10 10 0 − − 8 19 2,4 1,90

6.4.3 2002: Nahrungswanderungen Im Lauf der Zeit verschlechterten sich die Aufzucht- Es wurde schon in den ersten Jahren der Untersu- bedingungen, meist durch die Intensivlandwirtschaf chung erkannt, dass die geschlpfen Jungen der FK oder unterlassene Bewirtschafung bedingt (Brachen und WK nicht immer am BPL verbleiben. Auf Wiesen wurden bis 2005 gefrdert, danach wurde die Frde- bilden Brut- und Nahrungsplatz i. d. R. eine Einheit. rung reduziert und 2008/2009 ganz eingestellt). Viele Ging das Wasser auf den Überfutungsfächen zurck, ehemalige Aufzuchtplätze felen vorzeitig trocken, so folgten die Kken der WK dem Wasser bis in die wuchsen zu oder wurden fr die Kken unerreich- Senken, Flutrinnen und Altwasser (Abb. 9, S. 18). bar. Teilweise geschah das, weil die Rinder, die einst Of trafen sie sich dort mit den Familien der FK, die auf den Wiesen an der Elbe und an den Altwassern meistens eine längere Strecke zu den Nahrungsplätzen weideten, vom Wasser ferngehalten wurden. Die ge- zurckzulegen hatten, doch Strecken bis zu 200 m säten Intensivgräser waren Mitte Mai schon so hoch- vom BP zum Nahrungsplatz waren normal. Gesunde gewachsen, wie einst die Gräser im Juni. Die Kken Kken waren gut zu Fuß und fanden auf den Wande- blieben auf ihren Wanderungen geschwächt im hohen rungen mit ihren Eltern einen Weg zum Ziel. Dabei Gras stecken, verhungerten oder wurden Opfer von wurden auch Dämme, Bahnlinien und kleinere Ge- Prädatoren. wässer berquert. Beispielhaf werden auf einer Karte der Barleber Wie- sen (Tab. 6, Abb. 10, S. 19) die Wanderungen zweier

Tab. 8: Erfassung der BP und Brutergebnis 2011 stlich und westlich der Bahnstrecke Magdeburg−Stendal auf Feuchtäckern mit temporären Laken.

lfd. Nr. Kontrollen und Brutverlauf 2011 Bruter- gebnisse 24.4. 15.5. 28.5. 5.6. 14.6. 26.6. 5.7. stlich der Bahnstrecke FK1107 Gelege Gelege verloren, Prädatoren, Weibchen vermutlich tot 0 FK1108 Gelege 1 1 (mit BP)1) 1 1 12) 12) 1 FK1109 Gelege 3 2 2 2 22) 22) 2 FK1110 Gelege Gelege 1 4 3 3 3 3 FK1111 BP anw. Gelege Gelege 1 3 3 3 3 FK1112 BP anw. Gelege Gelege 4 1 2 2 2 westlich der Bahnstrecke (Adamsee) FK1113 Gelege Gelege Ersatzgel. Ersatzgel. Opfer bei Feldarbeiten 0 FK1114 Gelege 1 1 2 2 2 2 2 FK1115 Gelege 4 1 3 3 3 3 3 FK1116 BP anw. Gelege Gelege 1 3 3 3 3 insgesamt 19

1) 300 m ber Bahnbergang an eine andere Feuchtstelle (Koppel) westlich der Bahn gewandert 2) am Ostufer des Adamsees

20 Kiebitzpaare mit ihren Jungen ausgehend von BPL 24 ten, kam es 2011 bei Barleben am Adamsee, einem (Abb. 6) nachgezeichnet. neuen Kiessee, zum letzten Aufegehren (Tab. 7; Die weiteste bekannte Kiebitzwanderung von einem Anh. 1, BPL 10−12, S. 27). außergewhnlichen BPL in ein untypisches Nah- Auslser war im Januar 2011 ein Winter-Hochwasser rungshabitat wurde 1997 an der heutigen Doppel- der Stufe 4 (6,28 m am Pegel MD, zweithchstes seit schleuse des Wasserstraßenkreuzes Hohenwarthe 1950), das zum Ansteigen des Grundwasserspiegels im registriert. Die Luflinie der Wanderung betrug etwa Westteil fhrte und die Reaktivierung der ehemaligen 800 m bis zum neuen Nahrungsgebiet. Der Weg, den BPL ermglichte (Abb. 6). Obwohl es kein feuchtes die Vgel zurckgelegt hatten, war mindestens dop- Frhjahr war und das Frhjahrs-Hochwasser der Elbe pelt so weit und voller Hindernisse in einem absolut ausblieb (die Monate April u. Mai waren zu trocken untypischen Habitat. Sie fanden eine Ackersenke, in und zu warm), schritten auf einer 50 ha großen Fläche der nach dem Starkregen Wasser stand und in der mit Ackerfeuchtstellen zehn BP zur Brut. die Jungen schließlich fgge wurden. Solche Nah- Allerdings war der Bruterfolg knapp außerhalb des rungswanderungen sind bekannt und knnen bis zu UG in seinen verkleinerten Grenzen zu verzeichnen 2.500 m betragen (Brooks 2003). (Tab. 8). Die BPL befanden sich nordwestlich des UG in der Gemarkung Magdeburg-Rothensee−Barleben, 6.5 Erlschen der Kiebitzpopulation und letzte nrdlich der BAB A2, beiderseits der Bahnlinie Mag- Zunahme an Bruten bei Barleben im Jahr deburg−Stendal. Die Prädation durch Beutegreifer 2011 hielt sich in Grenzen. Leider verletzte der Landwirt- Im Jahr 1996, als der Kiebitz „Vogel des Jahres“ wurde, schafsbetrieb wieder die vom Umweltamt festgeleg- hatte in der Population nur ein Junges berlebt. Es ten Schutzzonen bei den Bestellarbeiten im Juni. war ein Junges der neuen Wiesenbrter. Dies gab Hofnung auf eine Wiederbesiedlung der Wiesen, die 6.6 1951−2011: Zusammenfassende Betrach- sich aber letztendlich zerschlug. Der Gesamtbestand tung der Bruterfolge und Reproduktions- tendierte in den einstelligen Bereich und nur in Hoch- zifern wasser-Jahren wurden zweistellige Werte erreicht. Da der Untersuchungsraum der Phasen 1 bis 3 (1951 bis In optimalen Jahren konzentrierten sich die wenigen 1983) derselbe war, lassen sich fr diesen Zeitraum die Kiebitze auf wenige BPL entweder im Ost- oder im Mittelwerte fr den Bruterfolg vergleichen (Tab. 9). Westteil des Gebietes. Der Bruterfolg der BP sank von Mit dem prozentualen Rckgang der Wiesenkiebitze einst 37 Prozent (1952−1960, Tab. 1) auf 0 Prozent und dem prozentualen Anstieg der FK ging in der (2008−2010, Tab. 4). Als 2007 die letzten zwei Jungen Expansionsphase 1961−1971 auch der Bruterfolg ins- fgge wurden, waren es wieder WK. Die Jungen hat- gesamt zurck. ten im Vergleich zu den FK den Vorteil, dass sie nicht In den Phasen 1 bis 3 der Kiebitzbesiedlung konnten „wandern“ mussten, sie konnten am BPL aufwachsen. aus Zeitmangel erfolgreiche Bruten mit ihren Jung- Als die Populationsuntersuchungen bereits mit dem vgeln nur stichprobenartig erfasst werden. Ab 1986 verheerenden Ergebnis des Erlschens des Vorkom- wurde mit grßerem Zeitaufwand versucht, alle Jung- mens im Jahr 2010 (Tab. 4) aufgegeben werden muss- vgel in der 5. Fhrungswoche zu erfassen. Die Anga-

Tab. 9: Zusammenhang der Anzahl der Brutpaare von WK zu FK mit dem Gesamt-Bruterfolg.

Untersuchungs- Brutpaare Mittelwerte Bruterfolg zeitraum gesamt WK FK gesamt WK FK Anzahl 108 70 38 40 28 12 1952−1960 [%] 100 65 35 37 40 32 Anzahl 650 238 412 197 105 92 1961−1971 [%] 100 37 63 30 44 22 Anzahl 159 21 138 47 1977−1983 [%] 100 13 87 30

21 Tab. 10: Erfolgreiche Bruten (n=110) in den Jahren 7 Prädatoren der Kiebitze 1951−2009 (ab 1986 fast vollständig). Diese lassen aufgeschlsselt nach der Anzahl der Jungvgel (juv) Als Prädatoren der Kiebitze (Eier, Jungvgel und in der 5. Fhrungswoche pro Brut Rckschluss auf die Adulte) wurden Fchse (Vulpes vulpes, meist nachts), Kkenverluste zu. Ohne Verluste sollten es maximal wildernde Hunde, Steinmarder (Martes foina), Große etwa 440 Kken sein. Wiesel (Mustela nivalis), Wanderfalken (Falco pe- regrinus), Habichte (Accipiter gentilis), Rohrweihen Anzahl der Anzahl der juv gesamt Anteil an den (Circus aeruginosus), Rabenvgel (Corvus corone juv/Brut jeweiligen erfolgreichen Bruten Bruten [%] corone, Corvus corone cornix und Corvus corax seit 1980), Silbermwen (Larus argentatus) und Weißstr- 4 3 12 2,7 che (Ciconia ciconia) beobachtet. 3 24 72 21,8 2 61 122 55,5 1 22 22 20,0 8 Diskussion und Fazit insgesamt 110 228 100,0 8.1 Die Kiebitzexpansion in der Mitte des Mittelwert der erfolgreichen Bruten: 2,1 juv/Brut 20. Jahrhunderts − eine berregionale Veränderung in der Brutkologie der Art? Kernziel der von 1951 bis 2011 durchgefhrten Popu- ben in der Tabelle 10 sind Maximalwerte, da Verluste lationsuntersuchungen fr den Kiebitz war, zusätzlich in den letzten Fhrungstagen nicht ausgeschlossen zu den Bruterfassungen den Bruterfolg zu ergrnden. waren. Aus den Ergebnissen kann abgeleitet werden, dass die FK, die zunehmend dominierten, eine geringere Fr den Fortbestand einer Kolonie ist es interessant zu Reproduktion aufwiesen als die WK. Mit dem vlli- wissen, ob die Brutpaare in der Lage sind, die natr- gen Verschwinden der WK brach damit die gesamte lichen Altvogelverluste auszugleichen. Vielfach wird Kiebitz-Population zusammen. Von 110 Bruten in dafr in der Literatur die Reproduktionszifer ange- der 5. Fhrungswoche der Jungen (Tab. 10) konnte in geben, die anfangs stichprobenartig bestimmt wurde, diesem Zeitraum die Reproduktion der Population ab 1986 durchgehend falls erfolgreiche BP vorhanden genauer ermittelt und in dieser Arbeit dargestellt wer- waren. Nur 1999 mit 1,0 juv/BP und 2011 mit 1,9 wa- den. Das Ergebnis war schockierend, denn selbst bei ren die Reproduktionszifern hinreichend groß, um den erfolgreichen BP kam fast die Hälfe aller Jungen den Fortbestand zu sichern (Nehls 1996). in der Aufzuchtzeit um. Der ursprngliche Lebensraum des Kiebitzes war Aus Tabelle 11 wird ebenfalls deutlich, dass die RPZ wohl die eiszeitliche Tundra (Kooiker & Buckow mit Ausnahme von 2011 ber die Jahre sinkt, eine ge- 1997). Später wurden Feuchtwiesen am Meer (Salz- genläufge Tendenz zur prozentualen Zunahme der FK. wiesen) und Hochmoore als BPL angenommen. Das Flusstal der Mittelelbe wurde wohl erst im 18. Jh. großräumig vom Kiebitz besiedelt. In dieser Zeit wurden die Waldauen in Wiesenauen umgewandelt, Tab. 11: Reproduktionszifern (RZP) fr den Kiebitz die alljährlich im Frhjahr von der Elbe berfutet in der Magdeburger Elbaue zwischen 1951 und 2011. wurden. Die Kiebitze waren fast ausschließlich Be- wohner des Grnlandes. Eine erste brutkologische Zeitraum Anteil der FK RPZ [juv/BP] Brutpaare Umstellung der Art auf kultiviertes Grnland setzte [%] ges. in der Mitte des 19. Jhs. ein und hielt bis etwa 1930 an. 1951−1960 35 108 0,82 Die bis dahin betriebene extensive Weidewirtschaf 1961−1971 63 650 auf dem Grnland wurde durch Melioration und 1973−1983 76 0,28 2651) Dngung in eine intensive Weide-Heuwirtschaf ver- 1986−2010 95–100 0,35 244 ändert. Im angestandenen Grnland verschlechterten sich die Brutbedingungen fr den Kiebitz durch Über- 2011 100 1,90 10 weidung, Anbau von Intensivgräsern und frhen 1) aus BRIESEMEISTER (1985) Grasschnitt auf den zunehmend Nährstof-akku-

22 Abb. 11: Zwei Kiebitze verlassen das Beobachtungsgebiet. Foto: H. Schtte, Magdeburg.

mulierenden Bden. Einige Autoren wie Bauer & denn selbst in Agrarlandschafen mit ausschließlich Berthold (1996) sahen in dieser Entwicklung die Ackerbruten nahm die Anzahl der Kiebitze zu (Oelke Hauptursache fr die zunehmende Besiedlung des 1985, Beser 1987). Im Nordwestdeutschland und in Ackerlandes durch den Kiebitz. Holland, wo 32 Prozent aller europäischen Kiebitze Die zweite große Umstellung wurde in den 1950er lebten, nahmen selbst in den 1980er Jahren die Be- und 1960er Jahren durch die großfächige Umwand- stände noch zu (Kooiker 1990). Doch mit zuneh- lung von Grn- in Ackerland mit verstärktem Fut- mender Trockenheit gingen später auch im einstigen termaisanbau vorangetrieben. Die Kiebitze nahmen Wiesenland die Bestände zurck (Kooiker 2008). Auf das neue Ackerland als Ersatzhabitat an, auch wenn die wechselhafen Brutbedingungen in Mecklenburg sie dabei das Erstgelege durch die späte Einsaat verlo- nach dem Wiesenumbruch in Ackerland wurde von ren. Die feuchten und meist zu khlen Frhjahre der Prill (1976) hingewiesen. Es wurde ermittelt, dass es 1960er Jahre begnstigten diese Entwicklung und es im trockenen Jahr 1972 nur halb so viele Kiebitze auf kam zur Expansion und Neubesiedlung großer Terri- den Feldern gab wie in den feuchteren Jahren 1967 bis torien. 1971. Diesbezgliche Angaben von Autoren aus der Zeit vor 1990 sind hierin widersprchlich. Während einige in 8.2 Die Reproduktion der Kiebitze in der Elb- der zunehmenden Umstellung auf Ackerland schon niederung nordwestlich von Magdeburg im damals eine Gefahr fr den Fortbestand der Kiebitze nationalen und internationalen Vergleich erkannten, sahen andere die Umstellung positiv, da Der Kiebitz war ein Indikator fr eine in ihrer Diver- die Vgel wegen ihrer großen Anpassungsfähigkeit sität einst artenreiche Flusslandschaf an der Mittel- ihr Brutareal ausbreiteten. Die feuchten Jahre mit elbe. Wo der Kiebitz verschwand, waren andere, optimalen Brutbedingungen stimmten optimistisch, empfndlichere Wiesenvogelarten bereits vorher ver-

23 Tab. 12: Vergleichende Reprodiktionszifern (RPZ) aus verschiedenen Gebieten Norddeutschlands (HB – Han- sestadt Bremen, NI – Niedersachsen, BB – Brandenburg), der Schweiz und Großbritanniens.

Zeitraum Bundesland Brutgebiet / Habitat RPZ [juv/BP] Literaturverweis Deutschland (D)

1988−1993 HB Extensivgrnland 1,10 SCHOPPENHORST (1996)

1988−1993 HB Intensivgrnland 0,27 SCHOPPENHORST (1996)

1978−1979 NI Salzmarsch-Grnland 0,85 ETTRUP & BAK (1985)

1980−1995 NI Acker, Grnland, Brache 1,20 KOOIKER & BUCKOW (1997)

1982−1986 NI Acker, Grnland, Brache 0,33 ONNEN (1993)

1998−2000 BB Unteres Odertal 0,16 MAMMEN et al. (2005) Schweiz (CH)

1948−1974 Grnland-Ackerland-Niedermoor 1,60 HEIM (1978)

1968−1972 Ackerland 0,4–0,6 MATTER (1982) Großbritannien (GB)

1985−1987 Extensivweide 0,88 BAINES (1989)

1985−1987 Intensivweide 0,25 BAINES (1989)

1985−1987 Ackerland 0,57 BAINES (1989)

1971−1974 Grnland und Flugplatz 0,8–1,2 JACKSON & JACKSON (1975)

schwunden (Kurths 2009, 2010). Es war zu erwarten, duktionszifern fr den Kiebitz in der Magdeburger dass durch die Nährstofabsenkung mit der Einstel- Elbaue zwischen 1951 und 2011. Das Sinken der Re- lung der Glle-Beregnung der Wiesen im Jahr 1991 produktionszifern der Population erfolgte parallel und deren extensive Bewirtschafung die Biodiversität zum Anstieg der FK. Um die natrlichen Altvogelver- der Wiesen innerhalb von 10−20 Jahren wiederherge- luste auszugleichen, braucht der Kiebitz einen Mit- stellt sein wrde. Doch diese Prognose war falsch, so- telwert der RPZ von 0,9 juv/BP (Nehls 1996). Dieser wohl fr den Magdeburger Raum als auch fr andere Minimalwert wurde in Norddeutschland nur noch in Bereiche der Mittelelbe und ihrer Nebenfsse. Auch wenigen Grnlandgebieten erreicht (Tab. 12). die Ausweisung großfächiger Natura 2000-Schutz- gebiete änderten kaum etwas an der schwindenden Biodiversität. 9 Zusammenfassung Der Wandel des Kiebitzes in der Elbniederung vom alljährlichen Wiesenbrter zum sporadischen Feld- Bruterfassungen und brutkologische Untersuchun- brter mit geringem Bruterfolg bestätigt den deutsch- gen ber die Reproduktion einer Kiebitzpopulation in landweiten Trend der Art. Von 1950 bis 1986 nahmen der Elbniederung nordwestlich von Magdeburg wur- die Wiesenbrter in Norddeutschland um 47 Prozent den von J. Kurths und E. Briesemeister durchgefhrt. ab und die FK im gleichen Zeitraum um 53 Prozent Dies geschah fast lckenlos von 1951 bis 2011 in vier zu (Flade & Steiof 1990). Diese Autoren konstatier- Phasen. Das Untersuchungsgebiet umfasste anfangs ten, dass die Kiebitzbesiedlung der Ackerfächen die etwa 4.000 ha beiderseits der Elbe (Elbe-km 333–340). Rckgänge im Grnland nicht ausgleichen kann, da ihr Bruterfolg auf Ackerland wesentlich geringer ist. In der ersten Phase der Untersuchungen (1951−1960) Zu diesem Schluss kam auch Hötker (2010). Nach wurden 40 Brutplätze beiderseits der Elbe erfasst, seinen Ergebnissen ging der Bruterfolg des Kiebitzes einige von ihnen waren schon vor 1951 bekannt. Im in weiten Teilen Deutschlands innerhalb eines halben Ostteil mit seinen Altwässern dominierten die Wie- Jahrhunderts (1950−1999) von 1,0 auf 0,25 juv/BP senkiebitze als typische Vertreter der Wiesenlimiko- zurck. Zum Vergleich zeigt Tabelle 11 die Repro- len. Im grßeren Westteil dominierten dagegen die

24 Feldkiebitze, aber nur mit sporadischen Brutplätzen Brooks, C. (2003): Naturkundliche Berichte Soltau-Falling- als Relikte eines grßeren Besiedlungsgebietes, das bis bostel 10: 49−64. nach Magdeburg-Neustadt, -Rothensee und Barleben Ettrup, H. & B. Bak (1985): Nogle traek af danske Vibers (Vanellus vanellus) yngleforhold. − Dansk Orn. Foren. reichte. Tidskr. 79: 43−55. Flade, M. & K. Steiof (1990): Bestandstrends häufger In der zweiten Phase (1961−1971) expandierten die norddeutscher Brutvgel 1950−1985. Eine Analyse von Feldkiebitze auf beiden Seiten des Gebietes und er- ber 1400 Siedlungsdichte-Untersuchungen. − In: Elzen, reichten bisher unbekannte Gelegezahlen. In dieser R. van den, K.-L. Schuchmann & K. Schmidt-Koenig (Eds). − Current Topics in Avian Biology. J. Ornithol. Phase wurden Brutgrße und Bruterfolg der Popula- suppl: 249−260. tion entscheidend von der Witterung und den Frh- Heim, J. (1978): Beiträge zur Kiebitzforschung. − Wangen jahrs-Wasserständen der Elbe beeinfusst. (Selbstverlag). Heinroth, O. & M. Heinroth (1928): Die Vgel Mittel- In der dritten Phase (1972−1983) fhrte E. Briesemeis- europas. In allen Lebens- und Entwicklungsstufen photographisch aufgenommen und in ihrem Seelenleben ter im ostelbischen Teil die Bruterfassung weiter. bei der Aufzucht vom Ei ab beobachtet. Bd. III. – Berlin (Bermhler) 1.924–1.934. Anfang der 1980er Jahre endete die Zeit der Kiebitz- Hötker, H. (2010): Wiesenvgel − Sorgenkinder des Natur- expansion an der Mittelelbe und mit dem Ausbleiben schutzes. − In: Michael-Otto-Institut im NABU: For- der Wiesenkiebitze begann 1984 die Rckgangsphase schungsprogramme fr Vgel. − Der Falke 57: 443−449. Jackson, R. & J. Jackson (1975): A study of breeding Lap- der Population. Die Feldkiebitze konnten mit den wings in the New Forest. − Hampshire 1971–74. − Ringing sporadischen Nachwuchsschben die hohen Jungen- and Migration 1: 18−27. verluste durch landwirtschafliche Einfsse und stei- Kooiker, G. (1990) Bestandsentwicklung und Bruterfolg genden Prädatorendruck nicht mehr ausgleichen. einer Kiebitzpopulation Vanellus vanellus im Agrarraum Die letzte Zunahme an Bruten erfolgte 2011 außerhalb bei Osnabrck. − Vogelwelt 111: 202−216. Kooiker, G. (1993) Phänologie und Brutbiologie des Kiebit- des Untersuchungsgebietes bei Barleben. zes. − J. Ornithol. 134: 43−58. Kooiker, G. (2008) Ergänzende Ergebnisse zum Bruterfolg Aus den Untersuchungen kann geschlussfolgert wer- einer auf Ackerland brtenden Kiebitzpopulation bei den, dass feuchte, khle Frhjahre mit lang anhalten- Osnabrck. − Vogelkundliche Berichte Niedersachsen 40: den, hohen Wasserständen der Elbe und starker Bo- 321−331. Kooiker, G. & C. V. Buckow (1997): Der Kiebitz-Flugknst- denvernässung eine große Brutpopulation mit gutem ler im ofenen Land. − Wiesbaden (Aula-Verlag): 144 S. Bruterfolg und guten Reproduktionsergebnissen Kurths, J. (2002): Chronik der ornithologischen Vereine in frdern, während trockene und warme Frhjahre mit Magdeburg 1923−1962. Teil 1. – Magdeburg (Museum fr niedrigen Wasserständen in der Elbe kleine Populati- Naturkunde). − Abhandlungen und Berichte fr Natur- onen mit geringem Bruterfolg bewirken. kunde 25: 25−52. Kurths, J. (2009): Die Brachvogelpopulation an der Mittelelbe bei Magdeburg-Lostau. – Magdeburg (Museum fr Natur- kunde). – Abhandlungen und Berichte fr Naturkunde 32: Literatur 29–58. Kurths, J. (2011): Die Limikolenpopulation in der Elbniede- Baines, D. (1989): Te efects of improvement of upland, mar- rung bei Magdeburg-Lostau. Teil I. – Magdeburg (Museum ginal grasslands on the breeding success of Lapwings Vanel - fr Naturkunde). – Abhandlungen und Berichte fr Natur- lus vanellus and other waders. − Ibis 131: 497−506. kunde 33: 133–156. Bauer, H. G. & P. Berthold (1997): Die Brutvgel Mitteleu- Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Hrsg.) ropas − Bestand und Gefährdung. − Wiesbaden (Aula- (1997): Die Naturschutzgebiete Sachsen-Anhalts. – Jena Verlag): 715 S. (Gustav Fischer): 437 S. Beser, H. J. (1987): Zur Gelegegrße des Kiebitzes (Vanellus Lauen, B. (1941): Brutergebnisse gehren nicht in eine Be- vanellus). − Charadrius 23: 174−182. standserhebung. – J. Ornithol. 89 (3): 1–64. Briesemeister, E. (1971): Der Bestand des Kiebitzes (Vanel- Mammen, U., T. Bahner, J. Bellebaum, W. Eikhorst, S. lus vanellus L.) in der Elbaue bei Magdeburg. − Apus 2: Fischer, I. Geiersberger, A. Helmecke, J. Hoffmann, 161−164. G. Kempf, O. Kühnast, S. Pfützke & A. Schoppenhorst Briesemeister, E. (1974): Zum Brutbestand des Kiebitzes im (2005): Grundlagen und Maßnahmen fr die Erhaltung Jahre 1972 in der Magdeburger Elbaue und in der Magde- des Wachtelknigs und anderer Wiesenvgel in Feucht- burger Brde. − Apus 3: 98−102. grnlandgebieten. – Bundesamt fr Naturschutz (Hrsg.). Briesemeister, E. (1985) Weitere zehnjährige Bestandserfas- – BfN-Skripten 141: 1–271. sung des Kiebitzes in der Elbaue bei Magdeburg. − Apus 6: 10−17.

25 Matter, H. (1982): Einfuß intensiver Feldbewirtschafung serstandsverhältnisse auf den jährlichen Brutbestand. – auf den Bruterfolg des Kiebitzes (Vanellus vanellus) in Apus 3: 10–16. Mitteleuropa. – Ornithol. Beob. 79: 1–24. Velten, P. & H. Bilang (2017): Joachim Kurths zum Geden- Naumann, J. A. (1834): Naturgeschichte der Vgel Deutsch- ken. – Apus 22: 123–125. lands. Bd. 7. – Leipzig (E. Fleischer). Nehls, G. (1996): Der Kiebitz in der Agrarlandschaf – Per- spektiven fr den Erhalt des Vogel des Jahres 1996. – Danksagung Berichte zum Vogelschutz 34: 123–132. Oelke, H. (1985): Vogelbestände einer niedersächsischen Es wird E. Briesemeister fr die ergänzenden Daten Agrarlandschaf 1961 und 1985. – Vogelwelt 106: 246–255. Onnen, J. (1989): Zur Populationskologie des Kiebitz aus dem stlichen Teil des UG posthum gedankt. Die (Vanellus vanellus) im Weser-Ems-Gebiet. – Ökol. Vgel Farbfotos wurden dankenswerterweise von Hermann 11: 209–249. Schtte, Magdeburg, zur Verfgung gestellt. Prill, H. (1976): Auswirkungen einer Trockenperiode auf den Brutbestand einer Kiebitzpopulation. – Der Falke 23: 11–13. Anschriften der Autoren Schoppenhorst, A. (1996): Auswirkungen der Grnland- extensivierung auf den Bruterfolg von Wiesenvgeln im Bremer Raum. – Bremer Beiträge fr Naturkunde und Herbert Bilang Naturschutz 1: 117–123. Bäckerstr. 10 ∙ 39326 Colbitz Stübing, S. & G. Bauschmann (2011): Artenhilfskonzept fr den Kiebitz (Vanellus vanellus) in Hessen. Gutachten im Aufrag der Staatlichen Vogelschutzwarte fr Hessen, Prof. Dr. Detlef Siemen Rheinland-Pfalz und das Saarland. – Bad Nauheim. Am Schraderhof 24 ∙ 39116 Magdeburg 118 S. + 29 S. Anhang. E-Mail: [email protected] Ulrich, A. (1973): Die Verbreitung des Kiebitzes im Kreis Wolmirstedt und der Einfuss unterschiedlicher Was-

26 Anhang 1: Übersicht und Charakterisierung der Kiebitz-BPL ber den gesamten Beobachtungzeitraum mit Jahr der letzten Brutaktivität.

Nr. Name Prägung Jahr der Gebietsbeschreibung letzten Brutaktivität Brutplätze (BPL) westlich des Elbdeichs (Abb. 5) 1 Korbwerder WK 1951 Sdl. der Str., die zur Steinkopfnsel mit dem Kanalhafen fhrte, be- fanden sich Ende der 40er Jahre grundwassernahe Restwiesen, auf denen Kiebitzeier gesammelt wurden. 1951 wurden noch zwei kleine juv gefunden. Danach wurde die Restfäche aufgefllt, u. a. mit Abfäl- len der Hexachlorcyclohexan-Produktion (Lindan) des ehem. Magde- burger Chemiebetriebes VEB Fahlberg-List. 2 Slzeanger Neustadt FK 1954 Der Anger war ein schmaler Wiesenstreifen an der Großen Slze westl. der B189 bis zur Einmndung des Fahlberggrabens, genutzt als Schafweide und individuell von den Anliegern der Gartensparte. BPL wurde bis 1954 von 2–4 BP auf den angrenzenden Feldern besiedelt. Zu Beginn der 60er Jahre wurde der Anger mit Pappeln bepfanzt. 3 Krähenstieg FK 1964 Auf den Feldern an der Schrote befand sich bis 1964 ein BPL mit 2–3 BP. Die juv wuchsen berwiegend an dem kleineren der beiden Teiche auf, der damals an der Nordseite noch ofen und schilfrei war. 4 Hof Wardenberg FK 1963 Östl. der Schrote befand sich inmitten der Feldmark ein Einzelhof, der wegen der Auskiesung des Neustädter Sees aufgegeben wurde (1–3 BP). Letzte juv wurden 1963 an dem dortigen Ententeich gesehen. 5 Ziegeleiteich- FK 1965 Wo sich heute das FND Ziegeleiteich mit dem Pappelwäldchen befn- Koppelanger det, lagen einst die Wiesen des Koppelanger, die zur Tongewinnung fr die Ziegelei verschwanden. Geblieben waren die Kiebitze (2–5 BP), die auf den umliegenden Feldern brteten (Neustädter See II). Letztes BP brtete 1965 im Nordteil des FNDs. 6 Slzeanger Barleben n. b. 1962 BPL befand sich zwischen der B 189 und der Str. nach Neustadt an der Kleinen Slze. Die Gelege befanden sich auf den umliegenden Fel- dern. Die juv wurden an der Slze aufgezogen. Es wurden auch Eier gesammelt. Letzter Brutnachweis um 1962. 7 Metritze FK 1983 Einen großen, ausgedehnten BPL boten die Felder beiderseits der 400 m langen ehemaligen Flutrinne, die nrdl. am Scheid endete, der auch Aufzuchtplatz der juv war. 8 Kelterer Teich FK 1985 Die Felder bei den BPL 7 u. 8 gingen ineinander ber. In gnstigen Jahren stand in den Senken ehemaliger Bombentrichter gengend Wasser und damit Nahrung fr die juv zur Verfgung. In trockenen Jahren war das Sdufer des Teiches, das von Schafen ofen gehalten wurde, der einzige Nahrungsplatz der juv. Nachdem auf beiden BPL bis zu 6 BP brteten, erloschen sie um 1985 mit Aufgabe der Schafhal- tung in Rothensee. 9 Barleber Anger WK 1999 Am heutigen Sdteil des Adamsees befanden sich zwischen der FK Großen Slze und dem einstigen Angelteich Wiesen und Felder (2–4 BP). Mit dem Kiesabbau gingen um das Jahr 2000 BPL und Angelteich verloren. 10 Burgenser Str. westl. n. b. 2014 Sporadischer BPL auf Feldern mit 6 BP. Selbst auf der kleinen Fläche Bahnstrecke zwischen den beiden Bahnschranken wurden juv angetrofen. Zen- trum des BPL war eine Feuchtstelle mit einem Froschlfelbestand 200 m sdl. der Str. 11 Burgenser Str. stl. FK 2015 Beide BPL wurden nur sporadisch in feuchten Jahren besetzt, wenn Bahnstrecke 4 grßere Ackersenken durch hhere Wasserstände vernässt waren 12 Burgenser Str., Str. nach n. b. 2014 (0–6 BP). 2015 schlpften die letzten juv, die aber später durch Präda- Rothensee bis BAB A2 tion verloren gingen. 13 August-Bebel-Damm, FK 1961 Bevor das Gelände auf Dammhhe aufgeschttet wurde, waren Abzw. Alte Glinden- beiderseits der Str. zwei Feuchtstellen einer ehemaligen Flutrinne, die berger Str. sporadisch bis 1961 besiedelt wurden (0–3 BP).

27 Nr. Name Prägung Jahr der Gebietsbeschreibung letzten Brutaktivität 14 Alte Glindenberger Str. FK 1994 Nrdl. des Hamburger Dammes befand sich der sdl. BPL einer am alten Elbdeich ganzen Kette von BPL entlang des alten Elbdeiches. Es waren alte temporäre Flutrinnen, die unter dem Elbe-Verbindungskanal verliefen und bei grßeren HW aktiviert wurden (0–4 BP). 15 Im Außenbereich des FK 2001 Zeitweise die stärkste Teilpopulation der Elbniederung (0–12 BP). alten Elbdeiches Die temporäre Überfutungsfäche vor dem Siel im alten Elbdeich war der grßte Qualmwasserbereich am Kanal, in dem 1965 auch Uferschnepfen erfolgreich brteten (KURTHS 2011). Außerdem schritten in dem Jahr auch Lachmwen in einer kleinen Kolonie zur Brut. Dazwischen war auch ein Paar Sturmmwen (Erstbrutnachweis fr MD). 16 Nrdl. an Nr. 15 FK 1984 BPL lag an einer ehemaligen temporären Flutrinne, die von den Barle- anschließend ber Wiesen kam (0–8 BP). Am Siel vor dem Dammfuß lag eine schmale Restwiese mit einer artenreichen Flora mit Kleinem Knabenkraut. Der gesamte Dammfuß wurde nach 1965 großfächig fr die Industrie aufgeschttet und damit zerstrt. Die Kiebitze verloren auf der Fläche ihre letzten Nahrungsgrnde fr die juv. 17 Westl. des alten Deiches FK 1963 Die Flutrinnen (BPL 13, 17, 18) endeten hinter den Sielen auf weit- und der alten Str. nach räumigen Ackerfächen, die damit sehr feucht waren (0–5 BP). Diese Glindenberg Fläche wurde 1965 fr die Industrie neu aufgeschttet. 18 Glindenberger Weg FK 1987 Als Ersatz fr die alte Str. wurde Anfang der 60er Jahre die neue Ver- bindung vom August-Bebel-Damm nach Glindenberg gebaut. Vorher gab es nur einen Feldweg von der Burgenser Str. nach den Barleber Wiesen, der zeitweise im Frhjahr durch Vernässung unpassierbar war. Die Fläche sdlich der neuen Glindenberger Str. (0–8 BP) wurde anschließend auf Straßenniveau aufgeschttet und bebaut. Durch Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung wuchs der nrdl. Teil bis zur BAB A2 zu. Der letzte Kiebitz brtete 1987. 19 Polder Gelbe Lake WK 2014 Die einst etwa 20 ha große Fläche, umgeben von hohen Dämmen, FK war wie ein großer Polder, der in HW-Jahren langsam volllief (2–6 BP). Der Name der Lake stammt von ihrer artenreichen, berwiegend gelb blhenden Flora mit großem Froschlfelbestand. In lang anhalten- den HW-Jahren wurden Flora und Fauna durch das Wasser reaktiviert und es brteten dann auch Uferschnepfe, Rotschenkel und Großer Brachvogel (KURTHS 2009, 2011). Das Biotop ist heute zugewachsen und damit zerstrt. 20 Neuenhofer Angerlake FK 2014 Nach Norden fand das Brutfeld hinter der BAB A2 seine Fortsetzung an einer Flutrinne des Zollausiels im Elbdeich (2–8 BP). Die Gemar- kung gehrte einst zum Vorwerk Neuenhof an der Zollau, das in den 20er Jahren wegen des Baus der Hochbrcke ber die Elbe geschlif- fen wurde. An einem Siel vor dem alten Elbdeich befand sich auch ein foristisch artenreicher Wiesenstreifen mit Feuchtstellen. 21 Neuenhofer Anger FK 1994 Am BPL brteten 0–2 BP. Er ging in den BPL 20 ber und beide BPL waren durch eine feuchte Senke getrennt. Die Senke wurde beim Bau der Hochbrcke durch eine Baustraße, die später einplaniert wurde, zerstrt. 22 Rohrlake WK 2014 Die etwa 1,5 ha große Feuchtstelle (2–7 BP) mit Gelber Iris und FK Schwanenblume sollte in den 80er Jahren zugeschttet werden und die Fläche steht seit den 90er Jahren zum Verkauf fr ein Gewerbegebiet. Bemerkenswert sind auch Bruten des Austernf- schers. 23 Barleber Wiesen − n. b. n. b. Einziger anthropogener BPL des Kiebitzes im Westteil, entstanden Splfeld ab 1964 und mehrmals durch Sedimentaufsplungen nach Norden erweitert. Flussregenpfeifer brteten auf dem aufgesplten Kies, Kiebitze mit bis zu 4 BP besiedelten den Schlamm im Absetzbecken und zogen juv auf. Habitat wuchs in den 80er Jahren zu. Grßter zusammenhängende Wiesenkomplex im UG, doch nur 1/6 vom Kiebitz besiedelt.

28 Nr. Name Prägung Jahr der Gebietsbeschreibung letzten Brutaktivität Brutplätze (BPL) stlich des Elbdeichs (Abb. 6) 24 Barleber Wiesen − Acker- FK 2004 Am Rande einer temporären Flutrinne nisteten FK (2–3 BP) bis zur fäche am Deich Barleber Umwandlung in Grnland (Fuchsschwanz-Mähwiese) Anfang der 70er Teil Jahre. Die Kiebitze verschwanden als der BPL in Grasland zurckver- wandelt wurde. 25 Barleber Wiesen − Acker- FK 1975 Geringer Bruterfolg (2–4 BP), da fr die juv zu weite Wege zu den Nah- fäche am Deich Glinden- rungsplätzen (Abb. 3). Großer Teil der Ackerfächen wurde zu Beginn berger Teil des 21. Jhs. aufgeforstet. 26 Barleber Wiesen – Ham- WK 1983 BPL (2–4 BP) auf einer Hochfäche, wurde ab 4,5 m Wasserstand ber- merswerder splt und war durch Zaun in Nord- und Sdteil unterteilt (Glinden- berger und Barleber Teil). Die einst foristisch interessante temporäre Schwarze Lake mit Kuckuck-Lichtnelke, Zwergbinse, Wiesenschaum- kraut und Großer Margerite sollte zu Beginn der 80er Jahre melioriert und zugeschttet werden. Da sie auch Brachvogel-BPL war (KURTHS 2009), konnte das verhindert werden. Durch fehlende Beweidung wuchs die Lake später zu und verkrautete. 27 Barleber Wiesen – Mär- WK 1976 Faunistisch artenreicher BPL (2–7 BP) bis zu Beginn der 60er Jahre − tenswerder Wiesen des Märtenswerders an der Rurichslake (KURTHS 2011), extensiv bewirtschaftet, fast alljährlich im Frhjahr unter Wasser. Mit dem Was- ser setzten sich ber Flutrinnen auch Sedimente ab, die hauptsäch- lich am Elbufer des Maikäferwerders abgetragen wurden und zum Zuwachsen der Wiesen fhrten. Durch Tiefenerosion der Elbe fel die Rurichslake immer fter trocken. Die Jäger hatten Anteil daran, dass die Lake eutrophierte und schließlich Sauerstofmangel das Leben erlschen ließ. Sie setzten sich mit ihrer Ansicht bei den Landwirten durch, dass Gewässer eine Hegezone im Uferbereich bentigen, die weder gemäht noch beweidet werden darf. Ein Irrtum, der sich leider vielerorts, erhalten hat. 28 Hochfäche im Westteil WK 1994 Anfangs noch Wiese, die als Schafsweide genutzt wurde, mit Aufgabe FK des Kiesbetriebes in Ackerfächen umgewandelt (0–4 BP). 29 Zuwachs − Innere Tiefe WK 1984 Das Brutgebiet (2–6 BP) setzte sich einst nach Westen fort, bevor es Wiesen am nrdl. Alt- 2007 1965 bei einem HW durch Wasserdurchbruch vom Zuwachs zum wasser Baggersee geteilt wurde. Den Kern bildete eine Senke, in der die juv aufgezogen wurden. BPL 1984 aufgegeben, dennoch Neuansiedlung 1995, 1996 und 2007, aber ohne Bestand. 30 Zuwachs − Innere Wiesen WK 1972 Das Brutfeld fand seine Fortsetzung sdl. der Brcke, nur sporadisch sdl. der Brcke besiedelt (0–2 BP). 31 Zuwachs − Nrdliches WK 1984 Sporadisch besiedelt, wenn sich nach HW Schlammfächen gebildet Verlandungsgebiet 2011 hatten (0–6 BP). Nach 1984 kam es zu mehreren erfolglosen Neube- siedlungen. Der letzte Brutversuch ging 2013 im Jahrhundert-HW unter. 32 Potstrine − Felder stl. FK 2001 Die Wiesen am Bruchgraben, einer Verbindung zur Ehle, wurden nur des Zuwachses vor 1970 sporadisch besiedelt. Danach brteten die Kiebitze auf einer 60 ha großen Ackerfäche stl. des Zuwachses (0–6 BP). Entscheidend fr die Bruten war das Wasser in einer nur 10–20 m breiten und 300 m langen fachen temporären Flutrinne im Osten des BPL. 33 Bruchgraben − FK 2004 Ca. 50 ha großes Gebiet vom Fahrweg Gerwisch zu den Baggerseen in Gerwischer Binnendnen nrdlicher Richtung entlang der Dnen, im Westen durch Ehle be- grenzt (0–5 BP). Auf beweideten Wiesen am Bruchgraben wiederholt juv gefunden, vermutlich von den umliegenden Feldern. Eigentlich Doppel-BPL, denn unter Briesemeister wurden auch die Absetzbe- cken der Kläranlage einbezogen, obwohl sie außerhalb des UG lagen. 34 Felder an den Dnen FK 2004 Entlang der Ehle bis zum temporären Altwasser des Lostauer Sees mit bis zum Lostauer See 2007 dem Schwisau (0–4 BP), auf der etwa 50 ha großen Ackerfäche wie- (Schwisau) derholt Brutversuche des Austernfschers. Letzte Brut des Kiebitzes (damit auch im Ostteil) 2007, Vermutlich ber 10 Jahre altes Weibchen vom Habicht geschlagen.

29 Nr. Name Prägung Jahr der Gebietsbeschreibung letzten Brutaktivität 35 Felder am Nrdlichen FK 2006 Grßter BPL im Ostteil (bis zu 20 BP), Ackerhochfäche (ca. 150 ha) Zuwachs − Lostauer erst ber 5 m Pegelstand berfutet, dann meist Wehr des Elbe-Um- Loch − Ehle bis zur Ober- futkanals in Pretzien gezogen. In den Senken des Aue-Tons hielt sich brcke das Wasser lange und alte Wurzelstcke der Iris pseudácoris und der Schwanenblume erblhten wieder. 36 Feld stl. des Ehlekanals WK 2007 Wiesensenke westl. des Ehlekanals. Der große Wiesenkomplex nrdl. und stl. des Lostauer Loches mit der Senke gehrte einst zur Schwi- sau mit dem Elbmäander. Eine temporäre Flutrinne sdlich der Ober- brcke war ein wichtiger Aufzuchtplatz fr die juv (0–4 BP). 37 Ackerfäche westl. des FK 1996 Ca. 4 ha große Ackerhochfäche zwischen dem 1.200 m langen Ehlekanals Ehlekanal und der Elbe, durch Aufschttung entstanden, bei Pegel- ständen > 5 m berfutet (0–4 BP). Juv wurden in Senke des BPL 36 gefhrt. 38 Schwisauwiesen WK a) 1984 Wiesen (2–12 BP): grßerer Nordteil (BPL 38a) und kleinerer Sdteil b) 2007 (BPL 38b) durch Kiesgraben (einst Kiesgewinnung). Grßter zu- sammenhängender BPL von Wiesenbrtern mit Brutvorkommen v. Großem Brachvogel, Uferschnepfe, Rotschenkel, Bekassine und Kampfäufer (KURTHS 2009, 2011). Durch intensive Grnlandwirtschaft und Beregnung aus der Kläranlage in Gerwisch wurde der einstige Magerrasen mit seiner vielfältigen Flora und Fauna auf dem Plateau des Schwisau fr immer vernichtet. Kiebitze zogen sich in Randgebie- te zurck. 39 Wiesensenke westl. des WK 2006 Der große Wiesenkomplex (0–4 BP) nrdl. und stl. des Lostauer Ehlekanals Loches mit der Senke gehrte einst zum Schwisau mit den Elbmä- andern. Eine temporäre Flutrinne sdwestl. der Oberbrcke war ein wichtiger Aufzuchtplatz fr die juv. 40 Alt-Lostau WK 1976 Wiesenfäche vor der Endmoränenkuppe des Weinberges, die ringfr- mig Alt-Lostau umgibt und durch einen alten Bahndamm im Osten geteilt wurde. Wiesen waren durch den Quellgraben recht feucht und wurden in den 70er Jahren melioriert. Der BPL (0–3 BP) befand sich vor der Melioration westl. des Bahndammes, zeitweise auch Bekassi- ne, Rotschenkel und Wiesenpieper. Benachbarte Brutplätze (BPL) außerhalb des UG Wiese Prester − Bis zu 6 BP wurden auf der Wiese einst ermittelt und am Anfang der Elbe-km 321 50er Jahre wurden auch noch Eier gesammelt. Da sie in die Obst- baumplantage mit einbezogen werden sollte, wurde sie 1986 wegen der Kiebitze vorbergehend unter Schutz gestellt (als FND zu groß). Es bleibt unklar, ob die zu der Zeit gesichteten juv auf der Wiese auch geschlpft sind oder, wie später nachgewiesen wurde, von den um- liegenden Feldern kamen. Ein Aufzuchtplatz der juv befand ich 2006 unmittelbar an der Str. nach Pechau. Die letzten 2 BP wurden 2011 in der Wiese ermittelt. Greifenwerder − Prinzen- Anfang der 60er Jahre noch 8 BP. 2006 waren es nur noch 4 BP auf ei- wiesen Elbe-km 317−318 nem Maisfeld, wovon 2 BP juv in einer fachen Flutrinne mit Rinderbe- weidung fhrten. Später wurden keine Brutaktivitäten mehr bekannt. Wiesen waren als Brachvogel-BPL bekannt (KURTHS 2009). Pilm Acker-Wiesenfäche war zeitweise mit 2 BP besetzt. 2011 war es noch 1 BP, das vermutlich juv fhrte. Slze, Sohlen-Salbke Auf der westlichen Elbseite gab es in MD-Sdost noch bis Mitte der 60er Jahre 2 BPL bei Sohlen und an der Vikarienmhle in Salbke (1965,1966 je 1 BP). 1967 brteten bei Sohlen 2 BP auf Feldern. Die ur- sprnglichen BPL waren an der Slze auf kleinen kurzgrasigen Wiesen mit einer Salzfora, auf der die juv großgezogen wurden.

Abkrzungen BG − Brutgrße, BP – Brutpaar, BPL − Brutplatz, FK − Feldkiebitz, HW – Hochwasser, juv – nicht-fgger Jungvogel, MD – Magdeburg, n. b. – nicht bekannt, RPZ – Reproduktionszifer, UG – Untersuchungsgebiet, WK – Wiesenkiebitz

30 Anhang 2: Zusammenhang zwischen Bruterfolg und Witterung 1961 bis 1971.

Jahr Bruterfolg Witterung Bewertung nach ges. Feldkiebitze (FK) Wiesenkiebitze (WK) Hoch- Monatsgeschehen Bruterfolg BP davon Schlupf- BP davon Schlupf- wasser- erfolg- zeit erfolg- zeit Spitzen [%] reich reich 1961 37,5 30 10 21.4. 18 8 1.5. 22.4. März: 1. Hälfte sonnig u. trocken, 2. khl mit Regen + Gnstiges Brutjahr mit frhem bis bis 1.5. April: wechselhaft u. khl mit Temp. unter 10 °C Brutbeginn 1.5. 8.5. Mai: unbeständig u. feucht bei Temp. von 8−10 °C 1962 40,4 27 10 5.5. 25 11 15.5. 8.4. März: bis 3. Dekade winterlich, teils Schnee und Temp. bis −8 °C, + Guter Bruterfolg der FK durch bis bis 2.5. weiterhin khl mit schauerartigen Niederschlägen späte Ackerbearbeitung 15.5. 25.5. 21.5. April: bis Mitte wechselh. und khl, 2. Hälfte langs. Erwärmung, am Ende Gewitter mit ergieb. Niederschlägen Mai: wechselh. und khl, an 22 Tagen Regen, 1,5 °C zu kalt 1963 46,9 17 4 28.4. 15 11 15.5. März: Eiswinter, mit wenig Schnee bis 1. Dekade + Geringer Bruterfolg fr FK wg. bis bis April: Eis auf den Gewässern, erst 10.4. abgetaut, zu trocken, Trockenheit, guter Bruterfolg 15.5. 25.5. Temp. im Normalbereich fr WK Mai: zu trocken, 8 mm Regen, Temp. im Normalbereich 1964 34,3 13 4 10.5. 22 8 12.5. Februar bis Mai zu trocken (–) Brutperiode fr FK zu warm bis bis März: mit 0,1 °C kältester des 20. Jhs.! und zu trocken 18.5. 25.5. April: ab Mitte zu warm Mai: 1,5 °C zu warm, nur 80 % des normalen Niederschlags 1965 23,2 78 18 3.5. 17 4 28.3. März: 1. Hälfte winterl. mit Neuschnee (Brocken: 2,60 m), – Gute Brutergebnisse fr FK bis 5.5. Tiefsttemp. im Flachland bis −10 °C, danach Erwärmung bis durch viel Wasser, WK verloren 30.5. 16.5 18 °C, Tauwetter im Bergland ber 80 % der Gelege 8.6. April: bernormale Niederschläge, mit 7,3 °C zu kalt Mai: Niederschlag 30 % ber normal, Temp. 11,8 °C (1,5 °C zu kalt) 1966 23,6 52 7 3.5. 20 10 11.5. 23.2. März: 1. Hälfte mild, Tauwetter im Bergland, – Große Jungvogelverluste bei bis bis 22.4. 2. Hälfte Neuschnee im Bergland WK, gute Brutergebnisse fr FK 12.5. 17.5. (Schneehhe Brocken: 2,10 m), im Flachland Schneeregen April: um 2 °C zu kalt und Niederschläge 50 % ber normal Mai: anfangs noch khl, dann sommerl. warm mit Temp. bis 30 °C und hoher Lufttrockenheit, nur 40 % der normalen Niederschläge 1967 26,8 51 12 23.4. 31 10 28.4. 11.2. März: 1. Hälfte khl mit Schnee im Bergland – FK-Jungvgel schlpften im bis bis 30.3. (Brocken: 1,90 m) April, besseres Brutergebnis 2.5. 11.5. 10.5. April: wechselh. mit vielen Regenschauern, 15.6. ab Mitte zu trocken Mai: anfangs zu trocken, 2. Hälfte bernormale Niederschläge und Temp.-anstieg bis 28 °C 31 1968 1970 1971 1969 Jahr Bruterfolg Bruterfolg 30,2 25,8 30,0 38,6 ges. [%] BP 30 62 27 25 Feldkiebitze (FK) Feldkiebitze (FK) reich - erfolg davon 7 6 5 9 zeit - Schlupf 27.4. 25.5. 15.5. 14.5. 29.4. 6.5. 4.5. 6.5. bis bis bis bis BP 35 19 23 13 Wiesenkiebitze (WK) Wiesenkiebitze (WK) reich - erfolg davon 19 8 9 7 zeit - Schlupf 16.5. 10.5. 9.5. 8.6. 1.6. 1.5. 8.5. 2.5. bis bis bis bis Spitzen wasser- Hoch - Witterung 20.4. 26.4. 20.4. 7.5. 1.4. 1.5. 5.4. Monatsgeschehen Monatsgeschehen a: unbeständig und feucht mit normalen Temp., am Ende stellte Mai: Strungen Anfang mit Kaltlufteinbrchen Erwärmung, April: äz winterl. bis ins Flachland, mit Schneeverwehungen in Nord - März: ui mit 18,2 °C zu warm und trocken Juni: 60−80 mm, mit 12,5 °C in MD zu kalt Niederschläge Mai: Anfang noch Schneeschauer, taute Eis auf den Gewässern bis April: Schneewinter bis 2. Hälfte, Tauwetter setzte sich nur langsam März: Gewitter, am Monatsanfang danach strmte berwiegend Mai: khl, strmte bis Mitte in der 2. Hälfte subtropische Warmluft April: äz erhebl. Temp.-unterschiede mit reichlichem bis Mitte Regen März: Mai: zu Beginn der 2. Dekade verdrängte zu Beginn der 2. Dekade Warmluft die bis dahin Mai: u. khl niederschlagsarm April: Wintereinbruch Ende Februar, im Flachland mit Schnee bis März:

sich bis in die erste Junihälfte eine Hitzeperiode bis 30 °C ein sich bis in die erste eine Hitzeperiode Junihälfte des 20. Jhs. deutschland mit 0,5 °C zweitkältester zum 10.5. ab Schneeverwehungen auch im Flachland,Niederschläge teilsu. als Schnee Bergland weiter winterlich (Brocken: 3,80 m), ergiebige durch, 22 Tage in MD und Monatstemp. Schnee 1,1 °C, im ein, Luft maritime mit Niederschlägen Temp. normal ein mit Temp. bis 30 °C, wärmster des 20. Jhs. April und khl April bigen Niederschlägen, mit 15,2 °C um 1,2 zu warm, Nieder bigen Niederschlägen, mehrere mit ergie Gewitterfronten vorherrschende Kaltluft, mit 1,7 °C in MD zu kalt 1. Märzhälfte, schlag: 86 mm in MD

- - Bruterfolg nach Bewertung + – – _ der FK aus sich nachteilig fr Jungvgel Zu später Brutbeginn, wirkte Juni, Trockenh. u. Prädation sensterben der FK-Jungen im Durch späten Brutbeginn- Mas Gelegen und JungvgelnGelegen trocken, hohe Verluste bei fr FK zu warm und April warm, guter Bruterfolg fr warm, guter Bruterfolg WK Fr zu trocken, FK April zu Mai

32 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55. Jahrgang • 2018: 33–46 Das Naturwaldzellen-Netz in Sachsen-Anhalt – Konzept und Stand der Ausweisung Peter Meyer, Torsten Schilling, Marcus Schmidt & Michelle Sundermann

1 Einleitung konkrete Vorschläge zur Ausweisung und Erfor- schung unbewirtschafeter Waldfächen unterbreitet. Mit der Grndung der Nordwestdeutschen Forstli- So regte 1934 der am Waldbau-Institut der Forstlichen chen Versuchsanstalt (NW-FVA), einer gemeinsamen Hochschule Eberswalde tätige Prof. Dr. Herbert Hes- Dienststelle der Länder Hessen, Niedersachsen, Sach- mer (1904–1982) die Ausweisung eines deutschland- sen-Anhalt und Schleswig-Holstein, im Jahr 2006 weiten Netzes von 100 bis 150 jeweils 20 bis 30 Hektar bernahm das Sachgebiet Waldnaturschutz/Natur- großen „Naturwaldzellen“ an, aus deren Erforschung waldforschung der NW-FVA die Zuständigkeit fr vor allem waldbauliche Erkenntnisse gewonnen wer- die Erforschung der Naturwaldzellen (bundesweite den sollten, die aber auch „Naturschutzgebiete im Bezeichnung: Naturwaldreservate) in Sachsen-Anhalt. wirklichen Sinne“ seien (Hesmer 1934: 142). Der an Im Mai 2006 beaufragte der Steuerungsausschuss der Reichsstelle fr Naturschutz (Berlin) wirkende der NW-FVA das Sachgebiet Waldnaturschutz/Natur- Botaniker Dr. Kurt Hueck (1897–1965) verband mit waldforschung mit der Weiterentwicklung des Natur- seiner Forderung, mehr „Waldschutzgebiete“ auszu- waldzellen-Konzeptes in Sachsen-Anhalt. Im Kontext weisen, ebenfalls Forschungs- und Schutzziele. Im aller Trägerländer der NW-FVA sollten unntige Vordergrund standen Beobachtung und Schutz von Doppelungen bei der Flächenauswahl vermieden und wichtigen Waldtypen und besonderen Baumarten etwaige Repräsentanzlcken geschlossen werden. (Hueck 1937). Das nach Bereisung aller Naturwaldzellen im April 2007 vorgelegte Konzept beinhaltete eine Analyse der Nachdem sich zuvor bereits die Sektion Forstwesen Repräsentativität der Naturwaldreservate aller vier der Deutschen Akademie der Landwirtschafswissen- Trägerländer im Hinblick auf Naturräume, Standorte schafen fr die Einrichtung von Naturwaldzellen und und Waldtypen sowie Vorschläge fr einen Umbau ihre Verankerung im Naturschutzgesetz ausgespro- des Naturwaldzellen-Netzes in Sachsen-Anhalt. chen hatte, formulierte der am Institut fr Waldkunde Nach mehr als einem Jahrzehnt steht die landesinter- in Eberswalde tätige Forstbotaniker Prof. Dr. Alexis ne Abstimmung und rechtliche Umsetzung kurz vor Scamoni (1911–1993) fr die Deutsche Demokratische ihrem Abschluss. In diesem Beitrag werden die Er- Republik schon 1953 das Ziel „mglichst in jeder gebnisse der Auswahl und der Stand der Forschung Waldgesellschaf und in jedem Waldtyp ... eine Natur- vorgestellt sowie ein Rckblick auf die Geschichte der waldzelle zu bilden“. Dieses Repräsentativitätskriteri- Naturwaldzellen in Sachsen-Anhalt gegeben. um zugrunde legend, hielt er eine Anzahl von etwa 60 auszuweisenden Naturwaldzellen von 20 bis 30 Hek- tar Grße mit einer Gesamtfäche von hchstens 2 Naturwaldzellen in Sachsen-Anhalt 1.500 Hektar fr erforderlich. Die Naturwaldzellen bis 2006 sollten der Erforschung und richtigen Anwendung der Naturgesetze fr eine „Produktionssteigerung“ dienen Seit dem Beginn des 20. Jhs. wurden in Deutschland und auch fr die Lehre und „Volksbildung“ nutzbar verstärkt Überlegungen zur Einrichtung nutzungs- sein (Scamoni 1953: 176). freier Waldgebiete angestellt (Kluttig 2007). Sowohl Das 1953 gegrndete Institut fr Landesforschung vonseiten der Forstwissenschaf als auch des Natur- und Naturschutz, später Institut fr Landschafs- schutzes wurden bereits in den 1930er Jahren sehr forschung und Naturschutz (ILN) nahm unter der

33 Tab. 1: Naturwaldzellen in Sachsen-Anhalt vor Grn- Dass eine Waldfäche forstlich nicht genutzt wird, war dung der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsan- formal mit der ersten Naturschutzgebietsverordnung stalt (NW-FVA) im Jahr 2006 in der Reihenfolge ihrer von 1957 und landesweit seit dem 1.9.1959 durch Verordnung (VO). die „Verfgung zur Neueinstufung von Wäldern in Bewirtschafungsgruppen“ mglich, in der die Nomen- Gebietsname Jahr der Grße Bewirtschafungsgruppe „I.3 Schutzwälder“ („Na- klatur Verordnung [ha] turschutzgebiete und Parks, in denen eine forstliche 1 Fiedelbogen 1997 40 Bewirtschafung nicht durchgefhrt wird“) defniert 2 Nievoldhagen 1999 44 wurde (Niemann 1968, Succow et al. 2012). Als 3 Mllenhft 1999 45 eigene Kategorie der Forsteinrichtung wurden Na- 4 Schlehhagen 1999 77 turwaldzellen in der DDR erstmals mit der Vierten 5 Ingrideiche 1999 30 Betriebsregelungsanweisung (BRA IV, verbindlich ab 6 Schwarzer Berg 1999 30 1.4.1970) ausgewiesen. 7 Schieferberg 2000 44 8 Uftrunger Seeberge 2000 71 Ende der 1960er Jahre waren in der DDR auf 3,6 Pro- 9 Steinberg 2000 51 zent der Fläche der Naturschutzgebiete im Wald Na- 10 Kahler Berg 2001 40 turwaldzellen ausgewiesen. Mit insgesamt 2.313 Hek- tar, verteilt auf 169 Naturwaldzellen, entsprach dies 11 Am Eisernen Kreuz 2001 41 0,08 Prozent der gesamten Waldfäche (Schauer 12 Troglodenhau 2001 41 1967). Die ersten „Handbcher der Naturschutzge- 13 Theerofener Eichen 2002 37 biete der DDR“ erschienen im Jahr 1973 (ILN 1973). 14 Teerhtte 2002 62 Sie enthielten genaue Beschreibungen der insgesamt 15 Niemegk 2005 67 67 Waldnaturschutzgebiete in den Bezirken Magde- 1−15 Summe 720 burg und Halle (Stand: 1.1.1970), meist jedoch nur un- genaue Hinweise auf Totalreservatsfächen bzw. Na- turwaldzellen. Zum Zeitpunkt der politischen Wende Leitung von Prof. Dr. Hermann Meusel (1909–1997) im Jahr 1989 existierten in diesen beiden Bezirken ab 1954 eine systematische Auswahl von Waldfächen insgesamt 19 Totalreservate mit vier integrierten Dau- vor, die den Anforderungen von Hesmer (1934) und erbeobachtungsfächen, auf denen Bestockungsanaly- Hueck (1937) entsprachen (Grosser 1993, 1997, sen durchgefhrt wurden (Knapp & Jeschke 1991). Niemann 1968). Als „System der Waldschutzgebiete“ erhielten sie den Status von Naturschutzgebieten Die Ausweisung eines eigenen Naturwaldzellen-Netzes nach dem Naturschutzgesetz der DDR vom 4.8.1954 der sachsen-anhaltischen Landesforstverwaltung (Borchert 1955, Grosser 1997). In den Bezirken wurde in der Waldbaulichen Rahmenrichtlinie von Magdeburg und Halle (im Wesentlichen dem heutigen 1993 angekndigt. Dabei wurde ab 1996 das Ziel ver- Bundesland Sachsen-Anhalt entsprechend) wurden folgt, Naturwaldzellen in der Grßenordnung von ins- auf dieser rechtlichen Grundlage mit der Anordnung gesamt 800 bis 1.000 Hektar (20 bis 25 Gebiete von Nr. 1 ber Naturschutzgebiete vom 30.3.1961 insge- 40 ha Grße) nach Kriterien der Repräsentativität samt 81 Naturschutzgebiete ausgewiesen. Das ILN (Wuchsgebiete, Trophie, Baumarten) einzurichten hatte in Verbindung mit dem zuständigen Staatlichen (Koss 1996). Forstwirtschafsbetrieb den Aufrag, Pfege- und Nut- Im Rahmen einer Pilotstudie unterbreiteten Wegner zungspläne fr diese Gebiete zu erstellen. Innerhalb et al. (1996) den Vorschlag, dass Naturschutz und der Naturschutzgebiete im Wald (Waldschutzgebiete) Forstwirtschaf ein gemeinsames Naturwaldreservate- wurden mit einem geringen Anteil auch nutzungsfreie Netz entwickeln sollten. Die erste formale Ausweisung Flächen, sogenannte Totalreservate, ausgewiesen und einer Naturwaldzelle (Fiedelbogen) nach Paragraf 19 als Naturwaldzellen bezeichnet (Borchert 1955, des Landeswaldgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt Bauer 1968). Methodische Überlegungen zur wis- erfolgte im daraufolgenden Jahr. Zum Zeitpunkt der senschaflichen Untersuchung dieser Gebiete sind Grndung der NW-FVA im Jahre 2006 existierten u. a. bei Bauer & Niemann (1965), Blanckmeister dann 15 Naturwaldzellen (Tab. 1). In zwei Gebieten (1966), Grosser (1960), Grosser et al. (1967), Nie- (NWZ Mllenhf und Nievoldhagen) hatten bereits mann (1968) sowie Schauer (1967) formuliert. Waldstrukturaufnahmen stattgefunden.

34 3 Entwicklung des Naturwaldzellen- Konzepts in Sachsen-Anhalt seit 2007

3.1 Auftrag zur Evaluation der Naturwaldzellen Die NW-FVA wurde im Jahr 2006 auf Wunsch des Landesforstbetriebs Sachsen-Anhalt damit beaufragt, die Naturwaldzellen Sachsen-Anhalts im Kontext der Trägerländer der NW-FVA zu evaluieren, um ein Naturwald-Netz aus nordwestdeutscher Sicht zu ent- wickeln. Explizit sollte geprf werden, ob Naturwald- zellen in Sachsen-Anhalt entwidmet werden knnen, da sie entweder Doppelungen zu bereits in anderen Ländern bestehenden Gebieten darstellen oder die entsprechenden Waldtypen und Naturräume auch durch Totalreservate in bereits bestehenden Natur- schutzgebieten repräsentiert werden.

3.2 Naturräumliche Ausgangssituation in Sachsen-Anhalt Der Waldanteil an der Landesfäche Sachsen-Anhalts beträgt mit 532.000 Hektar rund 26 Prozent. Davon sind 133.000 Hektar (27 %) Landeswald (MULE 2017). Der Bewaldungsanteil schwankt sehr stark zwischen den einzelnen forstlichen Wuchsgebieten. So liegt er im Harz bei ber 60 Prozent, während er in der intensiv landwirtschaflich genutzten Lss-Ebene bei unter einem Prozent liegt (Gauer & Aldinger 2005). Abb. 1: Jahresschwankung der Luftemperatur [°C] Sachsen-Anhalt unterscheidet sich in einigen Wuchs- in den Trägerländern der NW-FVA und Lage der gebieten in erheblichem Maße hinsichtlich seiner kli- Naturwaldzellen (schwarze Punkte). Klimadaten von matischen Verhältnisse von den brigen Trägerländern Wolff et al. (2003) fr die klimatische Normalperi- der NW-FVA. ode von 1961–1990. Sowohl die Jahresschwankung der Luftemperatur (Abb. 1) als auch die Niederschlagswerte (Abb. 2 u. 3) zeigen, dass in Sachsen-Anhalt naturräumliche Be- dingungen existieren, die in den anderen drei Bundes- Waldgesellschafen (reale Vegetation) in den forstli- ländern nicht oder nur kleinfächig vorhanden sind. chen Wuchsgebieten vertreten sind und eine Mindest- Insbesondere der Lee-Efekt des Harzes (Regenschat- Flächengrße von 20 bis 40 Hektar je Waldgebiet ein- ten) und die hhere Kontinentalität bewirken das Vor- gehalten wird (PG NWR 1993). kommen sehr regenarmer Gebiete mit einem Jahres- Im Gegensatz zu einem an den Flächenanteilen der niederschlag von unter 500 mm und einem Nieder- jeweiligen Standorte und Waldtypen orientierten, schlag in der Vegetationsperiode von unter 250 mm naturschutzfachlichen Repräsentanzbegrif (Wolf sowie subkontinentale Klimabedingungen mit einer & Bohn 1991) sollte nach einem wissenschaflichen Jahrestemperaturamplitude von ber 18 °C. Ansatz die naturräumlich relevante Variationsbreite innerhalb der Wuchsgebiete mglichst gleichmäßig 3.3 Bewertung der Repräsentativität abgedeckt werden (Meyer 1995). Erst eine ausrei- Die Einrichtung einer repräsentativen Flächenkulisse chende und gleichmäßige Belegung der in Frage ist eines der wichtigsten Kriterien zur Auswahl und kommenden Klassen (Wuchsgebiete, Waldtypen und Abgrenzung von Naturwaldzellen (Hesmer 1934, Standorte) schaf die Voraussetzungen fr die statisti- Lamprecht et al. 1974, Griese 1989, 1997, Meyer sche Analyse von Ursache-Wirkungsbeziehungen. 1995). Als repräsentativ kann ein Naturwaldzellen- Die Projektgruppe Naturwaldreservate des Arbeits- Netz gelten, wenn die wichtigsten Standorte und kreises Standortskartierung in der Arbeitsgemein-

35 Abb. 2: Jahresniederschlag [mm] in den Trägerlän- Abb. 3: Niederschlag in der Vegetationsperiode [mm] dern der NW-FVA und Lage der Naturwaldzellen in den Trägerländern der NW-FVA und Lage der (schwarze Punkte). Klimadaten von Wolff et al. Naturwaldzellen (schwarze Punkte). Klimadaten von (2003) fr die klimatische Normalperiode von Wolff et al. (2003) fr die klimatische Normalperi- 1961–1990. ode von 1961–1990.

schaf Forsteinrichtung (PG NWR) empfehlt eine grund der großen Variation der naturräumlichen Ge- hierarchisch aufgebaute Auswahl repräsentativer Na- gebenheiten Alleinstellungsmerkmale. Daher konnten turwaldreservate: Je Wuchsgebiet sollen die jeweiligen kaum Doppelungen mit den Naturwaldnetzen der Standorte und Waldtypen vertreten sein. Dabei die- anderen Bundesländer festgestellt werden. nen die Klassen Wuchsgebiet und Standort als stark vereinfachte Indikatoren fr die Variation der Um- In den neun relevanten Wuchsgebieten Sachsen-An- welt im Hinblick auf Klima, Geomorphologie und halts wurden 81 Referenztypen fr die Kombination Landschafsgeschichte (Wuchsgebiet) sowie Trophie zwischen Trophie (oligotroph, mesotroph, eutroph), und Wasserversorgung (Standort). Die Variation der Bodenwasserhaushalt (trocken, frisch und nass) und Bestandsstruktur wird ber den Waldtyp indiziert. Waldtyp festgelegt. Aus der Kombination der fr die jeweiligen Waldty- pen charakteristischen Standorte in den jeweiligen Die Obergrenze fr den Flächenumfang an NWZ in Wuchsgebieten ergibt sich schließlich die Anzahl der Sachsen-Anhalt wird durch die Arbeitskapazität des zu repräsentierenden Klassen (PG NWR 1993). Sachgebiets Waldnaturschutz/Naturwaldforschung fr die Untersuchung der NWZ eingegrenzt. Dies Sachsen-Anhalt besitzt im Verbund der NW-FVA mit machte einen reduzierten Ansatz zur Beurteilung seinem stark kontinental getnten Klima und auf- der Repräsentanz notwendig (Tab. 2). Dabei konnte

36 Tab. 2: Einordnung der 15 bis zum Jahr 2006 ausgewiesenen NWZ in das Referenzschema fr ein repräsentati- ves NWZ-Netz in Sachsen-Anhalt nach den Kriterien Waldtyp, Trophie und Bodenwasserhaushalt (t = trocken, f = frisch, n = nass). Die grn hinterlegten Kombinationen sind ausreichend repräsentiert, die rot hinterlegten fehlen. Gelb hinterlegt sind vorhandene Kombinationen, die nicht zwingend erforderlich sind.

Trophie oligotroph mesotroph eutroph Waldtyp Bodenwasserhaushalt t f n t f n t f n 1 3 Kiefern- und Kiefernmischwälder 14 6 15 5 Eichen- und Eichenmischwälder 12 4 13 9 Buchen- und Buchenmischwälder 10 8 2 11 Fichten- und Fichtenmischwälder 7 Sumpf- und Bruchwälder Auenwälder

Naturwaldzellen (entsprechend Tab. 1): 1 – Fiedelbogen, 2 – Nievoldhagen, 3 – Mllenhft, 4 – Schlehhagen, 5 – Ingrideiche, 6 – Schwarzer Berg, 7 – Schieferberg, 8 – Uftrunger Seeberge, 9 – Steinberg, 10 – Kahler Berg, 11 – Am Eisernen Kreuz, 12 – Troglo- denhau, 13 – Theerofener Eichen, 14 – Teerhtte, 15 – Niemegk (graue Schrift: 2011 bis 2017 entwidmete NWZ)

Tab. 3: Einordnung der 20 NWZ des aktualisierten Konzepts in das Referenzschema (Abk. s. Tab. 2). Die grn hinterlegten Kombinationen sind ausreichend repräsentiert, die rot hinterlegten fehlen.

Trophie oligotroph mesotroph eutroph Waldtyp Bodenwasserhaushalt t f n t f n t f n 1 3 14 Kiefern- und Kiefernmischwälder 26 6 15 23 12 Eichen- und Eichenmischwälder 20 4 22 Buchen- und Buchenmischwälder 21 8 2 Sumpf- und Bruchwälder 19

28 29 Auenwälder 30 31

Naturwaldzellen (entsprechend Tab. 4, S. 43): 1 – Fiedelbogen, 2 – Nievoldhagen, 3 – Mllenhft, 4 – Schlehhagen, 6 – Schwarzer Berg, 8 – Uftrunger Seeberge, 12 – Troglodenhau, 14 – Teerhtte, 15 – Niemegk, 19 – Mahlpfuhler Fenn, 20 – Othaler Wald, 21 – Oberes Selketal, 22 – Steinklbe, 23 – Glcksburger Heide, 25 – Magdeburgerforth, 26 – Oranienbaumer Heide, 28 – Ldderitz- Goldberger See, 29 – Ldderitz-Ketzin, 30 – Olberg, 31 – Hohe Garbe

37 Abb. 4: Übergangsbereich zwischen Torfmoos-Erlenbruchwald (links) und bodensaurem Buchenwald in der Naturwaldzelle „Magdeburgerforth“. Foto: M. Schmidt.

ein Mindestmaß an Kohärenz und Repräsentanz des 4 Ergebnisse der Flächenauswahl NWZ-Netzes dadurch gewährleistet werden, dass: • das Referenzschema auf die extremen Typen und Bei der Einordnung der im Jahr 2006 vorhandenen die naturräumliche Variation Sachsen-Anhalts auf Naturwaldzellen in das Referenzschema wurde deut- zwei klimatische Bereiche reduziert wurden und lich, dass die Repräsentanzansprche nur teilweise • die wenigen Referenztypen, die bereits in Nieder- erfllt werden konnten (Tab. 2). Zudem lag nur eine sachsen vertreten waren, unbercksichtigt blieben. Naturwaldzelle im subkontinentalen Klimabereich, den Sachsen-Anhalt im Verbund der Trägerländer der Dies fhrte in etwa zu einer Halbierung der Typenzahl. NW-FVA fast ausschließlich repräsentiert. Nach Be- reisung der Flächen durch die NW-FVA und alterna- tiven Vorschlägen von Seiten des Landesforstbetriebs wurde die Gesamtfäche zunächst reduziert, indem die folgenden fnf Gebiete zur Entwidmung vorge- schlagen wurden: • Ingrideiche (5) • Steinberg (9) • Kahler Berg (10) • Am Eisernen Kreuz (11) • Teerofener Eichen (13).

38 Abb. 5: Die Bestockung in der Naturwaldzelle „Oranienbaumer Heide“ besteht aus Kiefern oder, wie hier im Bild, aus Birkensukzession auf ehemaligen Magerrasen und Zwergstrauchheiden. Foto: M. Schmidt.

Die Entwidmungen wurdem im Jahr 2011 umgesetzt. (Glcksburger Heide, Magdeburgerforth [Abb. 4], Grnde hierfr waren neben fehlender Repräsentanz Oranienbaumer Heide [Abb. 5]). An der Mittelelbe hoher Wilddruck, starke Sanitärhiebe (Eichenster- bei Ldderitz bzw. Steutz wurden schließlich die drei ben) oder andere Waldschutzprobleme. Die NWZ NWZ Ldderitz-Goldberger See, Ldderitz-Ketzin Fiedelbogen (1) wurde um 16 Hektar verkleinert, um (Abb. 6) und Olberg Ende 2017 ausgewiesen. Eine die Fläche kompakter zu gestalten und die Mglich- letzte Fläche (Hohe Garbe) soll im Anschluss an das keit eines Vergleichs mit bewirtschafeten Wäldern noch laufende Flurbereinigungsverfahren voraus- zu schafen. Im Jahr 2017 wurde zudem die NWZ sichtlich im Jahr 2019 verordnet werden. Die NWZ Schieferberg (7) entwidmet, bei der es sich um einen Steinklbe und der Bereich Ldderitz/Steutz wurden Fichtenbestand auf einem eutrophen Laubholzstand- bereits von Hueck (1937) als noch zu sichernde Wald- ort mit starkem Borkenkäferbefall handelte. Regel- schutzgebiete genannt. Madgeburgerforth, Trogloden- mäßig durchgefhrte Forstschutzmaßnahmen mach- hau (Großer Hakel), Steinklbe und das Obere Selke- ten hier eine eigendynamische Waldentwicklung tal (Abb. 7) bestehen als Naturschutzgebiete bereits unmglich. seit 1961. Diese neu hinzugewonnenen NWZ stellen Im Rahmen des Auswahlprozesses kamen vier neue naturschutzfachlich und auch aus Sicht der Natur- Naturwaldzellen zur Kulisse hinzu (Mahlpfuhler waldforschung sehr gut geeignete Gebiete dar. Fenn, Othaler Wald, Oberes Selketal, Steinklbe) und Zudem wurde mit ihrer Auswahl die Abdeckung der wurden 2011 verordnet. Es handelte sich dabei um Standortsvarianten und Waldtypen deutlich verbessert Flächen in bestehenden Totalreservaten. Im Jahr 2014 (Tab. 3, S. 37). Die Standortsvarianten bzw. Waldtypen, sind drei weitere Ausweisungen durchgefhrt worden fr die in Sachsen-Anhalt keine geeigneten Waldfä-

39 Abb. 6: Totholzreicher Alt-Eichenbestand in der Naturwaldzelle „Ldderitz-Ketzin“. Foto: M. Schmidt.

chen gefunden werden konnten, waren entweder in 5 Stand der Untersuchungen anderen Trägerländern der NW-FVA gut repräsentiert (z.B. Buchen- und Buchenmischwälder auf oligotroph- 5.1 Überblick ber die Naturwaldforschung frischen Standorten in Niedersachsen und Hessen) der NW-FVA oder in Sachsen-Anhalt wesentlich seltener als zunächst Das Sachgebiet Waldnaturschutz/Naturwaldfor- erwartet (Eichen- und Eichenmischwälder auf oligotro- schung fhrt in den vier Trägerländern der NW-FVA phen Standorten). Umgekehrt werden die Auenwälder, in insgesamt 173 Naturwaldreservaten (Stand 2019) die in anderen Bundesländern gering repräsentiert mit einer Gesamtfäche von rund 7.000 Hektar die sind, durch vier Naturwaldzellen abgebildet. Forschung durch und koordiniert die Untersuchun- gen von Forschungspartnern. Wichtige Forschungs- Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das themen sind die Konkurrenz der Baumarten, die Ent- veränderte Naturwaldzellen-Netz in Sachsen-Anhalt wicklung von Totholz, die Dynamik von Kronen- (Abb. 8, Tab. 4) eine deutlich verbesserte Repräsen- dachlcken und Baumverjngung, die Walddynamik tanz aufweist. Von zentraler Bedeutung fr die Konti- nach Strungen (z. B. Borkenkäferbefall, Strme), die nuität der Forschung ist die Tatsache, dass es im Rah- Zusammensetzung der Waldfauna und die Vegeta- men der Arbeitskapazität der NW-FVA fr das Land tionsentwicklung nach Aufgabe der forstlichen Nut- Sachsen-Anhalt substanziell untersucht werden kann. zung sowie die vegetationskundlichen Unterschiede Die Naturwaldzellen-Kulisse umfasst nun 20 Gebiete zwischen Naturwaldzelle und Wirtschafswald. mit insgesamt 1.007 Hektar und einer Durchschnitts- grße von rund 50 Hektar je Waldgebiet.

40 Abb. 7: In der Naturwaldzelle „Oberes Selketal“ besteht die aktuelle Besto- ckung aus einem Hainbuchenbestand in Mischung mit Trauben-Eiche, Rot- Buche und Winter-Linde. Foto: M. Schmidt.

5.2 Untersuchungen in Sachsen-Anhalt Zeitreihen der Struktur- und Populationsdynamik des seit 2007 Gehlzbestandes aufgebaut. Die Daten bieten vielfältige 5.2.1 Stand und Konzept der Auswertungsoptionen, so beispielsweise zur Frage der na- Waldstrukturerhebungen trlichen Baumartenzusammensetzung, der Totholzmen- Trotz der lange Zeit unklaren Entscheidungslage wurden gen und Kleinhabitate oder der Kohlenstofspeicherung. seit 2007 bereits in neun sachsen-anhaltischen Natur- waldzellen (Troglodenhau, Fiedelbogen [2009], Ufrunger 5.2.2 Beispielhafte Datenauswertung: Entwick- Seeberge, Glcksburger Heide, Nievoldhagen, Oranien- lungstendenz von Rot-Buche und Eiche baumer Heide, Selketal, Ldderitz-Ketzin und Olberg) Die Entwicklungstendenz von Eiche (Trauben- und Waldstrukturaufnahmen nach den methodischen Stan- Stiel-Eiche) und Rot-Buche in verschiedenen Wald- dards der NW-FVA durchgefhrt (https://www.nw-fva. typen lässt sich schon heute auf der Grundlage der de/index.php?id=229). Das Monitoring der Waldstruktur Inventuren in vier Naturwaldzellen einschätzen: erfolgt dabei auf 1.000 m2 großen Probekreisen, die in • Glcksburger Heide (Kiefernwald) einem Abstand von 100 × 100 m systematisch ber die • Fiedelbogen (Kiefernwald) Fläche der Naturwaldzelle verteilt werden. Auf den Pro- • Troglodenhau (Eichenmischwald) bekreisen werden der lebende Baumbestand ab sieben • Nievoldhagen (Buchenmischwald). Zentimeter Brusthhendurchmesser, die Gehlzver- Hierzu wurde die Wahrscheinlichkeit des Vorkom- jngung und das stehende und liegende Totholz erfasst. mens von Eiche und Rot-Buche in Abhängigkeit von Durch Wiederholung der dauerhaf markierten Probe- der Vegetationsschicht mit einer logistischen Regres- fächen werden im Laufe der kommenden Jahrzehnte sion modelliert (Abb. 9).

41 Abb. 8: Lage der Naturwaldzellen im Land Sachsen-Anhalt. Weitere Informationen knnen der Internetseite www.naturwaelder.de entnommen werden. Die Nummerierung der Naturwaldzellen entspricht der aktuellen Nomenklatur, die wie die Bezeichnung der Wuchsgebiete der Erläuterung zu Tab. 4 zu entnehmen ist.

42 Tab. 4: Netz der Naturwaldzellen in Sachsen-Anhalt (Stand 2018). Die Nummerierung der NWZ erfolgt der Eindeutigkeit halber im Anhalt an die Kennzifern der Nationalen Datenbank „Naturwaldreservate in Deutsch- land“ (www.naturwaelder.de).

Nummer gem. Name Fläche Alters - Auswei- Forstliches Hhe Vorherrschender Lage Datenbank: NWR [ha] spanne sungs- Wuchsge- . NN Bodentyp im NSG in Deutschland [a] jahr biet [m] aktuell bis 2006 1 1 Fiedelbogen 24 41–80 1997 11 79–86 Braunerde 2 2 Nievoldhagen 44 81–120 1999 20 142–148 Braunerde 3 3 Mllenhft 45 bis 40 1999 11 25 Braunerde 4 4 Schlehhagen 77 81–120 1999 22 35 Gley-Braunerde 6 6 Schwarzer Berg 30 41–80 1999 11 30–35 Podsol 8 8 Uftrunger Seeberge 71 161–200 2000 35 194–289 Terra fusca x 12 12 Troglodenhau 39 121–160 2001 20 207–243 Parabraunerde x 14 14 Teerhtte 62 121–160 2002 24 41–45 Gley-Podsol 15 15 Niemegk 73 bis 40 2005 22 71–81 Braunerde 19 Mahlpfuhler Fenn 62 41–80 2011 22 45–56 Gley x Braunerde- 20 Othaler Wald 29 121–160 2011 35 212–248 x Pseudogley 21 Oberes Selketal 25 201–240 2011 36 248–367 Braunerde x 22 Steinklbe 31 121–160 2011 35 148–241 Rendzina x 23 Glcksburger Heide 55 41–80 2014 22 86–95 Braunerde x 25 Magdeburgerforth 104 121–160 2014 22 68–85 Parabraunerde x 26 Oranienbaumer Heide 52 bis 40 2014 22 66–68 Podsol-Braunerde x Ldderitz-Goldberger 28 40 161–200 2017 22 51–53 Aueboden x See 29 Ldderitz-Ketzin 45 161–200 2017 22 52–55 Aueboden x 30 Olberg 36 201–240 2017 22 53–56 Aueboden 31 Hohe Garbe 63 81–120 2019* 22 18–21 Aueboden x

* geplant Forstliche Wuchsgebiete in Sachsen-Anhalt: 11 − Ostniedersächsisch-altmärkisches Altmoränenland, 19 − Nordwestliches Harzvor- land, 20 − Nordstliche Harzvorländer, 21 − Sachsen-Anhaltinische Lss-Ebene, 22 − Mittleres nordostdeutsches Altmoränenland, 23 − Hoher Fläming, 24 − Mittelbrandenburger Talsand- und Moränenland, 25 − Dben-Niederlausitzer Altmoränenland, 31 − Säch- sisch-Thringisches Lss-Hgelland, 35 − Nordthringisches Trias-Hgelland, 36 – Harz.

In der Naturwaldzelle Glcksburger Heide spielen we- Gegensatz dazu ist die Buche hier in allen Vegetati- der Eiche noch Buche bisher eine nennenswerte Rolle. onsschichten mit hoher Wahrscheinlichkeit präsent. Das gilt in der Naturwaldzelle Fiedelbogen auch fr die Buche. Hingegen tritt hier die Eiche in allen Vege- Darber hinaus wurden und werden aktuell Diplom- tationsschichten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf, und Masterarbeiten, insbesondere zu den Temen was erwarten lässt, dass sie hier auch langfristig einen Waldstruktur, Vegetation und Biodiversität von der hohen Anteil einnehmen wird. Im Eichenmischwald NW-FVA angeregt und mitbetreut. So wurden die Na- Troglodenhau deutet die Hhenverteilung auf fehlen- turwaldzelle Magdeburgerforth im Fläming sowie be- den Eichen-Nachwuchs in die Unterschicht und damit nachbarte Wirtschafswälder mehr als 60 Jahre nach einen langfristig abnehmenden Anteil hin. Das ist der Erstuntersuchung (Passarge 1956) vegetations- auch in der Naturwaldzelle Nievoldhagen der Fall. Im kundlich erfasst und die Vegetationsveränderungen

43 Abb. 9: Wahrscheinlichkeit fr das Vorkommen (Frequenz in Prozent) von Eiche (Trauben- und Stiel-Eiche) und Rot-Buche in verschiedenen Vegetationsschichten der Naturwaldzellen Glcksburger Heide, Fiedelbogen, Troglodenhau und Nievoldhagen.

analysiert (Dittmann et al. 2018). Dabei zeigte sich, zu relativ basenreichen Bden reichende, sehr breite dass die beobachteten allgemeinen Trends (Eutrophie- Standortsspektrum innerhalb des Untersuchungs- rung, Sukzession nach Nutzungswandel, Verlust licht- gebietes konnte aber – deutlicher als in den meisten liebender und magerkeitszeigender Pfanzenarten, bisherigen Fallstudien – gezeigt werden, dass sich die Ausbreitung von stickstofiebenden Arten und meso- Resilienz der Wälder gegenber Vegetationsverände- philen Waldarten, Einwanderung von Neophyten, rung je nach Ausgangsgesellschaf stark unterscheidet. keine generelle Abnahme der Artenzahl) gut mit den Zwischen den Wirtschafswäldern und den in der in zahlreichen Wiederholungsuntersuchungen aus Naturwaldzelle gelegenen unbewirtschafeten Wäl- mitteleuropäischen Wäldern festgestellten Entwick- dern bestehen dabei keine prinzipiellen Unterschiede lungen bereinstimmen. Durch das von nassen bis in Bezug auf die Richtung der zu beobachtenden Ver- trockenen sowie von bodensauer-nährstofarmen bis änderungen.

44 6 Fazit / Ausblick Dittmann, T., T. Heinken & M. Schmidt (2018): Die Wälder von Magdeburgerforth (Fläming, Sachsen-Anhalt) – Eine Wiederholungsuntersuchung nach sechs Jahrzehnten. – Naturwaldzellen sind als „Nullvariante“ wichtig, Tuexenia 38: 11–42. – doi: 10.14471/2018.38.009 (letzter um sowohl die Auswirkungen unserer Waldbewirt- Zugrif: 30.11. 2018). schafung als auch das eigendynamische Entwick- Gauer, J. & E. Aldinger (Hrsg.) (2005): Waldkologische lungspotenzial unserer Wälder zu erkennen (Meyer Naturräume Deutschlands. Forstliche Wuchsgebiete und 2018). Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund Wuchsbezirke mit Karte 1:1.000.000. – Mitt. Verein Forstl. Standortsk. Forstpfanzenzcht. 43: 1–324. der rapiden anthropogen verursachten Umweltverän- Griese, F. (1989): Naturwaldreservate in Niedersachsen. – derungen durch Stickstofeinträge und die nach dem Natur & Landschaf 64 (12): 559–563. Trockenjahr 2018 immer ofenkundiger werdenden Griese, F. (1997): Naturwälder in den niedersächsischen Klimaveränderungen. Die im Rahmen der Natur- Landesforsten. – Forst & Holz 52 (18): 524–531. waldforschung gewonnenen Daten und Forschungser- Grosser, K. H. (1960): Die Bedeutung der Waldschutzgebiete fr Wissenschaf und forstliche Praxis. – Forst & Jagd gebnisse sind sowohl fr die Grundlagenforschung als 10 (2): 63–64. auch fr die Forst- und Naturschutzpraxis von hohem Grosser, K. H. (1993): Waldschutzgebiete in Brandenburg – Wert (Meyer 2011). Die Erforschung der natrlichen Entstehung, Aufgabe, knfige Entwicklung. – Beitr. Waldentwicklung ist eine generationenbergreifende Forstwirtsch. Landschafskol. 27 (1): 1–8. Aufgabe, die langfristig Kontinuität voraussetzt. Grosser, K. H. (1997): Waldkunde und Naturwaldreservate in Brandenburg. – Beitr. Forstwirtsch. Landschafskol. 31 (2): 49–54. Mit dem aktuellen Naturwaldzellen-Netz leistet das Grosser, K. H., W. Fischer & K.-H. Mansik (1967): Vege- Land Sachsen-Anhalt einen wesentlichen Beitrag zur tationskundliche Grundlagen fr die Erschließung und Naturwaldforschung. Der Umbauprozess des Flä- Pfege eines Systems von Waldreservaten. – Naturschutz- chensystems in den letzten zwlf Jahren hat zu einer arb. Berlin und Brandenb. Beih. 3: 1–96. deutlichen Verbesserung der Repräsentativität ge- Hesmer, H. (1934): Naturwaldzellen. – Dt. Forstwirt 16 (13): 133–135, 141–143. fhrt. Mit den Untersuchungen der Waldstruktur und Hueck, K. (1937): Mehr Waldschutzgebiete! – Jahrb. Na- Vegetation knpf die NW-FVA an die Arbeiten der tursch.: 3–32. Pioniere der Naturwaldforschung wie Herbert Hes- ILN – Institut für Landschaftsforschung und Natur- mer, Kurt Hueck, Alexis Scamoni, Karl Heinz Großer, schutz (Hrsg.) (1973): Handbuch der Naturschutzgebiete Werner Schauer, Wolfgang Fischer, Karl-Heinz Man- der Deutschen Demokratischen Republik. Bd. 3. Natur- schutzgebiete der Bezirke Magdeburg und Halle (Saale). – sik und Ludwig Bauer an. Die Autoren hofen, dass die Leipzig (Urania): 277 S. Naturwaldforschung in Sachsen-Anhalt ihr Potenzial Kluttig, H. (2007): Über die Bedeutung der Naturwälder fr in den kommenden Jahrzehnten weiter entfalten den Naturschutz in Deutschland und ihre Geschichte. – kann. Die dafr notwendigen Weichenstellungen sind Forstarchiv 78: 2.002–2.004. mit dem derzeitigen Flächennetz und Forschungspro- Knapp, H. D. & L. Jeschke (1991): Naturwaldreservate und Naturwaldforschung in den ostdeutschen Bundeslän- gramm vollzogen worden. dern. – Schrifenr. Vegetationsk. 21: 21–54. Koss, H. (1996): Naturwaldzellen in Sachsen-Anhalt. – Ber. Landesamt Umweltsch. Sachsen-Anh. Sonderh. 3: 43–50. Literatur Koss, H. & E. Unterdörfer (1993): Waldbestockte Natur- schutzgebiete in Sachsen-Anhalt. – Jahresber. Forstl. Bauer, L. (1968): Die Naturschutzgebiete der Deutschen De- Versuchsanst. Sachsen-Anhalt: 83–90. mokratischen Republik nach Typen und Grßenklassen. – Lamprecht, H., D. Göttsche, G. Jahn & K. Peik (1974): Arch. Natursch. Landschafsforsch. 8 (3): 241–247. Naturwaldreservate in Niedersachsen. – Aus dem Walde Bauer, L. & E. Niemann (1965): Methodische Fragen zur wis- 23: 1–233. senschaflichen Erschließung von Naturschutzgebieten. – Landesforstverwaltung Sachsen-Anhalt (1992): Der Arch. Natursch. Landschafsforsch. 5 (2): 89–106. Wald im Land Sachsen-Anhalt. Blanckmeister, J. (1966): Zur waldbaulichen Forschung Meyer, P. (1995): Untersuchung waldkundlicher Entwick- und zu ihrer Methodik in Waldschutzgebieten. – Arch. lungstendenzen und methodischer Fragestellungen in Natursch. Landschafsforsch. 6: 227–248. Buchen- und Buchenmischbeständen niedersächsischer BLE – Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernäh- Naturwaldreservate. – Cuvillier. – Gttingen: 239 S. rung (2018): Datenbank Naturwaldreservate in Deutsch- Meyer, P. 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45 MULE (2017) : Wald in Zahlen. – https://mule.sachsen-anhalt. Wolf, G. & U. Bohn (1991): Naturwaldreservate in der Bundes - de/landwirtschaf/forst/wald-in-zahlen/wald-in-zahlen/ republik Deutschland und Vorschläge zu einer bundesweiten (letzter Zugrif: 30.11. 2018). Grunddatenerfassung. – Schrifenr. Vegetationsk. 21: 9–19. Niemann, E. (1968): Gedanken zur Problematik von „Total- Wolff, B., M. Erhard, M. Holzhausen & T. Kuhlow reservaten“ in Wäldern. – Arch. Natursch. Landschafs- (2003): Das Klima in den forstlichen Wuchsgebieten und forsch. 8 (4): 273–290. Wuchsbezirken Deutschlands. – Mitt. Bundesforschungs- Passarge, H. (1956): Die Wälder von Magdeburgerforth anst. Forst- und Holzwirtsch. 211: 1–29. (NW-Fläming). Eine forstlich-vegetationskundliche Stu- die. – Wiss. Abh. 18: 1–112. PG NWR – Projektgruppe Naturwaldreservate des Ar- Anschrift der Autoren beitskreises Standortskartierung in der Arbeitsge- meinschaft Forsteinrichtung (1993): Empfehlungen fr die Einrichtung und Betreuung von Naturwaldreserva- Dr. Peter Meyer, Torsten Schilling, ten in Deutschland. – Forstarchiv 64: 122–129. Dr. Marcus Schmidt, Michelle Sundermann Scamoni, A. (1953): Naturwaldzellen. – Natur & Heimat 6: 176. Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt Schauer, W. (1967): Die Bedeutung waldbestockter Natur- schutzgebiete fr Wissenschaf und Forstwirtschaf. – Abteilung Waldwachstum Arch. Forstwes. 16 (1): 77–90. Sachgebiet Waldnaturschutz/Naturwaldforschung Succow, M., L. Jeschke & H. D. Knapp (Hrsg.) (2012): Grätzelstr. 2 ∙ 37079 Gttingen Naturschutz in Deutschland: Rckblicke – Einblicke – E-Mail: [email protected] Ausblicke. – Berlin (Chr. Links): 332 S. [email protected] Wegner, U., W. Schwanecke, G. Karste & H.-U. Kison (1996): Vorschlag fr ein Netz von Naturwaldreservaten [email protected] im Ostharz. Pilotstudie in Sachsen-Anhalt. – AFZ-Der- [email protected] Wald 11: 605–610.

46 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55. Jahrgang • 2018: 47–56 25 Jahre Engagement der Stiftung „The Stork Foundation – Strche fr unsere Kinder“ im Drmling Fred Braumann

1 Stiftungsgrndung und Weißstorch- aber wollte Klaus Oberwelland im Spannungsfeld von Schutzprogramm Drmling Wirtschaf und Natur genau mit diesem Engagement außerhalb seines Geschäfsfeldes ein positives Zeichen Die Weißstorch-Brutpopulation war in den 1960er setzen, das, wie sich später zeigte, von großem Erfolg Jahren in der Norddeutschen Tiefebene stark zurck- gekrnt sein wrde. gegangen und auch ein vom Land Niedersachsen auf- Die neu gegrndete Stifung „THE STORK FOUN- gelegtes Weißstorch-Frderprogramm konnte keine DATION – Strche fr unsere Kinder“ wurde auf einer Trendwende herbeifhren. Die Verbindung zur sd- Pressekonferenz am 6. März 1992 in Berlin der Öfent- deutschen Weißstorchpopulation ging verloren und lichkeit präsentiert. Von Beginn an fand das Projekt ein das Aller-Urstromtal wurde als Verbundachse zu der großes mediales Echo. Zur Aufaktveranstaltung mit noch starken ostdeutschen Weißstorchpopulation im- den Brgermeistern der Drmlingsgemeinden sowie mer bedeutsamer. Ab 1990 bot sich mit der deutschen auch in der Folge warb der bekannte Tierflmer Heinz Wiedervereinigung die Chance, ber eine Stärkung Sielmann als Kuratoriumsmitglied der Stifung nach- der Weißstorchpopulation des Drmlings ein weiteres drcklich fr das Projekt. Fr großes fentliches Auf- Zurckdrängen der Arealgrenze des Weißstorchs sehen sorgten auch die − aus heutiger Sicht − unglaub- nach Sden und Osten zu verhindern und eine Wie- lich kurzen Zeiträume zwischen der Ankndigung von derbesiedlung in westlicher Richtung zu frdern. Maßnahmen durch die Stifung und deren Umsetzung. Auf Initiative des damaligen Leiters der Staatlichen 1992 wurden die ersten Ackerfächen (18 ha), die bis Vogelschutzwarte Niedersachsens, Hartmut Hecken- dahin fr Maisanbau genutzt worden waren, erworben roth, begann 1991 ein Dialog mit der neu begrndeten und bereits 1993 in Grnland umgewandelt. Naturparkverwaltung (NPV) Drmling in Sachsen- Im April 1995 wurde dann eine wichtige Vereinba- Anhalt. In Zusammenarbeit mit Wolfgang Sender und rung zur Zusammenarbeit zwischen der Stifung und Gnter Benecke fr den fachlichen Teil sowie Helmut dem Land Sachsen-Anhalt als Träger der Naturpark- Mller fr die administrative Umsetzung wurde im verwaltung Drmling unterzeichnet. Darin sind die März 1992 das „Weißstorch-Schutzprogramm Drm- Kostenträgerschaf fr den Grunderwerb und die Erst- ling/Sachsen-Anhalt“ vorgelegt (Heckenroth et al. instandsetzung der Flächen durch die Stifung, die 1992). Als Träger fr die Umsetzung wichtiger in die- kostenlose Übertragung dieser Flächen an das Land sem Programm enthaltener Maßnahmen konnte die Sachsen-Anhalt und die Übernahme der Planungs-, Stifung „THE STORK FOUNDATION − Strche fr Genehmigungs- und knfigen Unterhaltungsarbeiten unsere Kinder“ (TSF) gewonnen werden. Es ist in ho- durch das Land geregelt. hem Maße dem persnlichen Engagement von Klaus Oberwelland, dem damaligen Firmenchef der August Storck KG, zu verdanken, dass in den Folgejahren 2 Ziele und Maßnahmen im Drmling ein beispielhafes Wirken eines privaten Unterneh- mers fr die Belange von Storchen- und Naturschutz Die im genannten „Weißstorch-Schutzprogramm zustande kam. Vielleicht spielte auch die Nähe des Drmling/Sachsen-Anhalt“ aufgefhrten drei Stifungs- Firmennamens „Storck“ zum „Storch“ und die bildli- ziele werden nachstehend bezglich eingesetzter In- che Darstellung im stilisierten Firmenzeichen fr das strumente und Maßnahmen sowie ihrer Umsetzung Engagement im Storchenschutz eine Rolle. Vor allem dargestellt.

47 2.1 Schutz, Verbesserung und Schafung grundwassernahen Niedermoorstandorten, die im geeigneter Lebensbedingungen Zuge von Komplexmeliorationen in den 1970er Jah- des Storches ren umgewandelt worden waren. Entsprechend dem Die Zielstellung der Stärkung der Drmlingspopula- „Weißstorch-Schutzprogramm Drmling/Sachsen- tion des Weißstorches war von Anfang an auf die Anhalt“ wurden hier fnf geeignete Projektgebiete Flächensicherung als Grundlage fr die nachfol- mit 422 Hektar Gesamtgrße ausgewählt, in denen gende Umgestaltung zur Verbesserung von Lebens- ein konzentrierter Grunderwerb erfolgte (Abb. 1). raum und Nahrungsgrundlage fr Weißstrche ausgerichtet. Parallel zu dem ab Juni 1992 vom Da frhzeitig auch außerhalb der Projektgebiete wirt- Bundesamt fr Naturschutz und dem Land Sachsen- schaflich attraktive Acker-Flurstcke durch die Stif- Anhalt gefrderten Naturschutzgroßprojekt „Drm- tung erworben wurden, konnten Flächen im Rahmen ling/Sachsen-Anhalt“ (MUNR LSA 1996) zielte der von Freiwilligen Landtauschverfahren bzw. weiteren Grunderwerb durch die Stifung auf eine Gebiets- Flurneuordnungsverfahren aus den Projektgebieten kulisse mit großer Bedeutung fr den Weißstorch- herausgetauscht werden. Inzwischen sind 98 Prozent schutz ab, die bisher keine Bercksichtigung im der Flächen in den Projektgebieten von der Stifung in Naturschutzgroßprojekt gefunden hatte. Sdlich des das Eigentum des Landes Sachsen-Anhalt bertragen Mittellandkanals und unmittelbar an der Landes- worden. Die letzten Flurstcke werden aktuell noch grenze zu Niedersachsen gelegen, befanden sich hier im Flurneuordnungsverfahren „Grnes Band Ohre- intensiv genutzte Grnland- und Ackerfächen auf Drmling“ herausgetauscht.

Abb. 1: Lage der TSF-Projektgebiete im Drmling. Bearb.: M. Dumjahn (NPV). Topographische Grundlage: Bundesamt fr Kartographie und Geodäsie 2018.

48 2.2 Frderung konkreter Einzelmaßnahmen zur Storchenerhaltung und Untersttzung von Forschungsprojekten Zu den wichtigsten umgesetzten biotopverbessernden Maßnahmen in den Projektgebieten zählen die Um- wandlung von Acker in Grnland (Abb. 2), die Auf- wertung des Feuchtgrnlandes durch Wiedervernäs- sung, die Anlage von feuchten Senken und Flutmul- den als temporäre Kleingewässer (Abb. 3) sowie die Aushagerung und anschließende extensive Nutzung des Grnlandes. Durch den erfolgreichen Grunder- werb konnten die ersten Wiedervernässungsmaßnah- men (Abb. 4) bereits Ende der 1990er Jahre auf Antrag der Naturparkverwaltung nach Genehmigung durch Abb. 2: Erste Grnlandansaat im Projektgebiet Stau- die Wasserbehrde und Ausfhrung durch den Unter- berg auf Maisacker 1993. Foto: W. Sender (NPV). haltungsverband „Obere Ohre“ realisiert werden. Fr die vollständige Umsetzung der Wiedervernässung in allen Projektgebieten wurden dann allerdings wasser- rechtliche Erlaubnis- bzw. Planfeststellungsverfahren der erforderlichen Wasserbaumaßnahmen erfolgte erforderlich, die fr das letzte Projektgebiet 2017 erfolg- berwiegend in der zweiten Phase des Naturschutz- reich abgeschlossen werden konnten. Die Ausfhrung großprojektes „Drmling/Sachsen-Anhalt“ durch den

Abb. 3: Umgestaltung eines ehemals tiefen Teichgrabens mit steilen Bschungen zu einer fachen Wiesensenke im Projektgebiet Buschbleeke. Foto: Fa. Vicom (Rechte bei NPV).

49 Abb. 4: Fr hhere Stauziele umgebaute Stauanlage mit furgleichem Grabeneinstau im Projektgebiet Stauberg. Foto: F. Braumann (NPV).

Abb. 5: Angenommener Horst auf neu errichteter Horstunterlage mit Leiterschutz in Wegenstedt. Foto: J. We- ber (NPV).

50 Abb. 6: Ernennung der Junior-Ranger 2011 mit von der TSF gesponserten T-Shirts. Foto: Archiv NPV.

Zweckverband Natur- und Kulturlandschaf Drm- 2.3 Verbreitung des Storchenschutz-Gedankens ling. in der Öfentlichkeit Als weitere wichtige Maßnahme fr den Weißstorch Von Anfang an legte die Stifung besonderen Wert auf wurde seitens der Naturparkverwaltung die Pfege die Kommunikation mit der rtlichen Bevlkerung und Neuerrichtung von Horstunterlagen kontinuier- und die aktive Werbung fr den Weißstorchschutz. lich durchgefhrt (Abb. 5). Durch die Mitarbeiter Jährlich stellt die Stifung Mittel fr die Ausrstung der Naturwacht wurden und werden neue Horstun- der Junior-Ranger in Grundschulen und der „Moor- terlagen angebracht, vor allem auf Strommasten mit wichtel“ im Kindergarten bereit (Abb. 6). Die Junior- Gefährdungen fr die Energieversorgung bei neu Ranger erhalten bei ihrer feierlichen Ernennung oder errichteten Storchennestern. Die Kostenbernahme bei Veranstaltungen bedruckte T-Shirt, Regenjacken, fr Materialien und Miete eines Hubsteigers erfolgt Rucksäcke und Schirmmtzen. Dies wird von den durch die Stifung. Mittlerweile hat sich hierbei eine Kindern, ihren Eltern und Großeltern als Anerken- bewährte Zusammenarbeit mit den rtlichen Energie- nung empfunden und steigert das Naturschutz-Enga- versorgern etabliert. gement. Bereits in den 1990er Jahren beteiligte sich die Stif- Die Öfentlichkeitsarbeit der Naturparkverwaltung tung an einem deutsch-israelischen Forschungspro- wird seitens der Stifung auch durch die Herausgabe jekt ber die Nahrungsaufnahme der Strche auf dem von Faltblättern und Auflebern sowie die Herstel- Zugweg. Die gute Kooperation mit israelischen For- lung von Informationstafeln und Ausschilderung von schungseinrichtungen konnte ab 2012 in einem Pro- Weißstorch-Temenwegen untersttzt (Abb. 7). jekt zur Besenderung einiger Drmlings-Brutstrche An den rund 70 Standorten der Storchennester im mit Datenloggern fortgefhrt werden. Die Stifung Drmling wurden Schilder aufgestellt, auf denen der untersttzte die Datensicherung und Analyse der jährliche Bruterfolg der hier heimischen Paare doku- Raumnutzung der Weißstrche während der Brutsai- mentiert ist. son (Benecke et al. 2015).

51 Zur Frderung von Naturtourismus wurde bereits 2006 der „Klaus-Oberwelland-Turm“ mit Blick auf das Projektgebiet Buschbleeke und die Flachgewäs- ser eingeweiht (Abb. 8). Die Errichtung weiterer vier Beobachtungstrme bzw. -htten, die sehr gut von der ansässigen Bevlkerung und den Besuchern an- genommen werden, wurde seither durch die Stifung fnanziell untersttzt.

3 Erfolge fr den Weißstorch und weitere Arten

Die Drmlingspopulation des Weißstorches hat sich von 30 Brutpaaren zu Beginn der 1990er Jahre auf derzeit 50 Brutpaare erhht (Abb. 9). Dieser Anstieg wurde wesentlich durch die Umset- zung des Naturschutzgroßprojektes „Drmling/ Sachsen-Anhalt“ und des „Weißstorch-Schutzpro- gramms Drmling/Sachsen-Anhalt“ mit zahlreichen biotopverbessernden Maßnahmen, Wiedervernässun- gen und umfangreichen Grnlandextensivierungen Abb. 7: Aufstellen eines Storchenschildes durch H. befrdert. Seit Projektbeginn 1992 wurden 2.132 junge Heckenroth (ehem. Vorstand TSF), W. Sender (NPV) Weißstrche im sachsen-anhaltischen Drmling und E. Steinmann (ehem. Vorstand TSF) (v.l.n.r.). fgge. Damit verließen pro Jahr durchschnittlich Foto: F. Braumann (NPV). 82 Jungstrche den Drmling und trugen zur Stär-

Abb. 8: Naturtouristen im Klaus-Oberwelland-Turm. Foto: R. Stefens.

52 Abb. 9: Bestandsentwicklung des Weißstorches im Drmling. Bearb: W. Sender & T. Klber (NPV).

kung der Weißstorchpopulation und damit zum Er- des Weißstorchs als auch Rckzugsbereiche fr Nah- reichen des Stifungszieles bei. Dass sich die Brutpaar- rungstiere wie Amphibien, Insekten und Kleinsäuger anzahl um die Projektgebiete der Stifung herum sogar geschafen, sodass von hier aus eine Wiederbesied- verdoppelt hat, bestätigt den eingeschlagenen Weg und lung der gemähten Flächen erfolgen kann. Von den zeugt vom Erfolg der ergrifenen biotopverbessernden umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung des Maßnahmen in den Projektgebieten der TSF. Weißstorch-Lebensraumes proftieren die Vogelarten Kiebitz (Abb. 11), Bekassine und Wiesenpieper, die Besonders bedeutsam fr den Weißstorch ist die zu- Amphibienarten Laub- und Moorfrosch, die Heu- sammenhängende Grße des Lebensraumes im schreckenarten Sumpfschrecke und Sumpf-Grashp- Drmling (ber 11.000 ha Grnland) und seine Struk- fer sowie zahlreiche weitere Tier- und auch Pfanzen- turierung mit zahlreichen Gräben und Kleingewäs- arten. Damit hat sich der Erfolg des von der Stifung sern. In den verschiedenen Schutzzonen des Natur- propagierten Schirmartenkonzepts eindrucksvoll schutzgebietes „Ohre-Drmling“ bestehen unter- bestätigt, wonach durch den Schutz der „umbrella schiedliche Vorgaben fr Nutzungs- und Pfegeter- “ − hier des Weißstorches − auch viele andere mine sowie Nutzungszeiträume, Besatzstärken und Arten gesichert werden. Darber hinaus haben sich -dichten, Dngungsarten und -hhen. In begrndeten die Grnländer der Projektgebiete inzwischen ber- Fällen sind Abweichungen mglich. Die Naturpark- wiegend zu besonders geschtzten Feuchtwiesen-Bio- verwaltung Drmling setzt dieses Instrumentarium topen oder zu Mageren Flachland-Mähwiesen entwi- gezielt ein, um großfächige einheitliche Flächennut- ckelt, die zu den europaweit durch die FFH-Richtlinie zungen zu vermeiden bzw. zu verringern. Stattdessen geschtzten Lebensraumtypen zählen (Abb. 12). sollen die Landwirte mglichst unterschiedliche Nut- Die hohe Bedeutung der großfächigen winterlichen zungsformen und -zeiträume realisieren. Überfutungen in den Nässezonen des NSG „Ohre- Durch zeitlich versetzte Streifenmahd (Abb. 10) wer- Drmling“ fr die Nahrungsversorgung der Brut- den sowohl ofene Bereiche fr die Nahrungssuche strche im Mai/Juni wurde durch Benecke et al.

53 Abb. 10: Streifenmahd-Fläche im Breitenroder Drmling. Foto: Fa. Vicom (Rechte bei NPV).

Abb. 11: Kiebitzpaar im TSF-Projekt Krämerei. Foto: W. Sender (NPV)

54 Abb. 12: Blumen- und kräuterreiches Grnland als Ausprägung der Mageren Flachland-Mähwiesen (FFH-LRT 6510) im Projektgebiet Buschbleeke. Foto: F. Braumann (NPV).

(2015) anhand der Auswertung von Loggerdaten Schließlich hat sich der Drmling durch die großräu- aufgezeigt. Im gesamten Frhjahr und insbesonde- mige extensive Grnlandbewirtschafung mit moor- re im Juni zählten die berfuteten Wiesen zu den schtzender Wasserbewirtschafung und die dadurch präferierten Nahrungsgebieten des „Sachauer Weiß- entstandene reiche Nahrungsbasis auch zu einem storchpaares“; Ende Juni wuchs die Bedeutung der wichtigen Rast- und Übersommerungsgebiet fr Gewässer. Im Gegensatz zu vielen anderen Grn- den Weißstorch entwickelt. Große Trupps von bis zu landgebieten kann man im Drmling regelmäßig 80 Vgeln hielten sich in den letzten Jahren regelmä- Strche beobachten, die auf den nassen Wiesen und ßig zur Nahrungssuche im Drmling auf. in den Gräben und Flachgewässern Frsche bzw. Zusammenfassend hat sich die bereits 1992 in der Amphibien fangen (Abb. 13). Pressemitteilung zur Stifungsgrndung postulierte Aussage, dass „… der Schutz des Storches und seiner Gerade im Trockenjahr 2018 hat sich die Bedeutung Lebensräume zwangsläufg eine Vielzahl von Vogelar- des Wasserrckhalts mit furnahen Wasserständen ten, Insektenarten, Pfanzen und Amphibien schtzt“, bis in den Juni hinein bestätigt. Während in anderen eindrucksvoll bewahrheitet. Auch das Stifungsziel, Gebieten durch die Trockenheit frhzeitig Nahrungs- die Stärkung der Weißstorchpopulation im Allertal mangel aufrat und viele Jungstrche aus den Horsten als Verbindung zwischen Elbe und Weser mit einer abgeworfen wurden, reichte das Nahrungsangebot im Ausbreitung nach Westen und Nordwesten in Nieder- Drmling fr die Jungenaufzucht aus. Mit 101 fggen sachsen, wurde erreicht. Jungvgeln aus 40 erfolgreichen Bruten wurde eines Vor dem Hintergrund der aktuell zwischen Sachsen- der Spitzenergebnisse ber alle Jahre erreicht. Die ins- Anhalt und Niedersachsen vereinbarten Entwicklung gesamt 50 Weißstorchpaare des Jahres 2018 markieren des Drmlings zu einem länderbergreifenden zudem eine neue Hchstmarke der Brutpaar-Anzahl. UNESCO-Biosphärenreservat Drmling war und

55 Abb. 13: Storchentrupp auf Nahrungssuche in Wiesensenke-Projektgebiet Stauberg. Foto: W. Sender (NPV).

ist die Stifung „Te Stork Foundation – Strche fr Anschrift des Autors unsere Kinder“ gleichsam als Vorreiter der grenzber- greifenden Zusammenarbeit zwischen beiden Bundes- Fred Braumann ländern zu sehen. Naturparkverwaltung Drmling Die Stifung ist fr viele Menschen im Drmling zu Bahnhofstr. 32 ∙ 39646 Oebisfelde-Weferlingen einer Institution geworden und es ist zu wnschen, E-Mail: [email protected] dass sie diese erfolgreiche Rolle auch knfig wahr- anhalt.de nimmt.

Literatur Benecke, H.-G., M. Kaatz & S. Rotics (2015): Raumnut- zung von Weißstrchen Ciconia ciconia am Neststandort Sachau im Drmling. − APUS 20: 3−15. Heckenrot, H., H.-G. Benecke & H. Müller (1992): Weiß- storch-Schutzprogramm Drmling/Sachsen-Anhalt: 26 S. MUNR LSA − Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt (1996): Pfege- und Entwicklungsplan fr das Naturschutz- großprojekt Drmling, Teilvorhaben Sachsen-Anhalt. – Kurzfassung: 88 S.

56 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55. Jahrgang • 2018: 57–72 Neue Nachweise von Molluskenarten (Mollusca: Gastropoda et Bivalvia) sowie Befunde zu weiteren bemerkenswerten Arten in Sachsen-Anhalt

Michael Unruh & Andreas Stark

1 Einleitung

In dem unlängst erschienenen Werk „Die Weichtiere (Mollusca) des Landes Sachsen-Anhalt“ (Körnig et al. 2013) – nachfolgend kurz als „Molluskenatlas“ bezeichnet – sind insgesamt 198 Schnecken- und Muschelarten aufgefhrt, die derzeit in sicher nachge- wiesenen Freilandpopulationen in unserem Bundes- land leben. Bei Körnig (2016) ist von 126 Landschne- cken-, 46 Wasserschnecken- und 30 Muschelarten die Rede (Summe 202), wobei drei Wasserschnecken und eine Muschelart als „ausgestorben“ klassifziert werden. Nach vorgenanntem Autor sind dies die Gas- tropoden Anisus vorticulus (Troschel, 1834), Radix ampla (Hartmann, 1821) und Ventrosia ventrosa (Montagu, 1803) sowie die Muschel Pseudanodonta complanata (Rossmässler, 1835). Hinzu kommt mit der Großen Flussperlmuschel [Pseudunio auricularius (Spengler, 1793)] eine Art, die nur historisch im Ge- biet vorhanden war, von der aber ab und an Schalen in Flussläufen oder bei Grabungen gefunden werden und die deshalb auch Aufnahme in beide o. g. Publikatio- nen fand (vgl. Körnig et al. 2013). In den Jahren nach Erscheinen des „Molluskenatlas- ses“ gab es einen bemerkenswerten Zuwachs an neuen Funden seltener Arten sowie auch berraschende neue Nachweise fr das Bundesland Sachsen-Anhalt. Diese Befunde werden nachfolgend in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt.

2 Neue Nachweise von Molluskenarten

Alopia livida (Menke, 1828) – Rechte Bucegi- Schließmundschnecke (Abb. 1) In den 1960er Jahren wurden durch den in Qued- linburg ansässigen Molluskensammler E. Clauss Abb. 1: Gehäuse der Rechten Bucegi-Schließmund- mehrere Schneckenarten auf dem heute zu Sachsen- schnecke [Alopia livida (Menke, 1828)]. Foto: V. Wiese. Anhalt gehrenden Landesgebiet ausgesetzt. Ob die

57 Abb. 2: Probenahme durch den Erstautor (M. U.) am Überlauf zur Schrempe am Nordufer des Arendsees bei Ziessau. Foto: A. Stark, 23.04.2018.

derzeitig aktiven Faunisten Kenntnis von allen auf als Mitarbeiter am Gewässermonitoring (GÜSA) im Clauss zurckgehende Ansalbungen haben, muss Jahr 2015 der Erstnachweis dieser winzigen Art im ofen bleiben. Dass es berraschende Nachweise in Schollener See (LHW 2015). Die erneute Nachsuche Hinblick auf bislang unbemerkte Clausssche Ak- an diesem Fundort im daraufolgenden Jahr durch tivitäten geben kann, zeigte sich im Ergebnis der den Erstautor (M. U.) blieb erfolglos. Ein weiterer Kartierungsarbeiten zur Molluskenfauna des Huy. In Nachweis gelang schließlich 2017 wiederum Brink- diesem dem Harz nrdlich vorgelagerten Hhenzug mann & Otto, diesmal im Arendsee. Dabei handelte wiesen Stark & Unruh (2015) eine vitale Population es sich um drei lebende Exemplare (LHW 2017). Dass der Schließmundschnecke Micropontica caucasica Anisus vorticulus im Arendsee nicht nur vereinzelt, (A. Schmidt, 1868) nach (s. u.). Im „Molluskenatlas“ sondern in bemerkenswerter Individuenzahl vor- (Körnig et al. 2013) fndet mit der Linken Bucegi- kommt, konnten die Autoren des vorliegenden Beitra- Schließmundschnecke [Alopia straminicollis monacha ges bei der Beprobung von Abschnitten des nrdli- v. Kimakowicz, 1970; bei Wiese (2014) als Alopia chen Uferbereichs in unmittelbarer Nähe des den See monacha] eine weitere auf Aussetzung zurckgehende entwässernden Überlaufs feststellen (Abb. 2, 3; Tab. 1). Clausilide Erwähnung. Wiese (2014) fhrt mit Alopia Im „Molluskenatlas“ (Körnig et al. 2013) wird Anisus livida eine dritte Schließmundschnecke auf, die nach vorticulus im Land als ausgestorben gefhrt, nachdem ihrer Ausbringung vor mehr als 50 Jahren heute noch sich der vermeintliche Fund eines Gehäuses der Zier- im Harz bzw. seinen nrdlichen Ausläufern nachweis- lichen Tellerschnecke von S. Körnig im Jahr 1989 bar ist. Diese Art fehlte bei Körnig et al. (2013). Nach (Körnig 1989, 2009) im NSG „Steckby-Ldderitzer Wiese (mndl. Mitteilung, Mai 2018) kommen die Forst“ als Fehlbestimmung herausgestellt hatte. Rechte und die Linke Bucegi-Schließmundschnecke In den Sachsen-Anhalt nrdlich angrenzenden Bun- gemeinsam in einem Waldgebiet bei Rbeland vor. desländern Mecklenburg-Vorpommern und Branden- Erstgenannte Spezies zählt deshalb ebenfalls zur aktu- burg konnten Brinkmann (2005, 2007), Richling & ellen Molluskenfauna Sachsen-Anhalts. Brinkmann (2007, 2011) sowie Glöer & Diercking (2010) Anisus vorticulus in zahlreichen Stillgewäs- Anisus vorticulus (Troschel, 1834) – Zierliche sern entlang der Elbe nachweisen. Auch in Hamburg Tellerschnecke (Abb. 2–5, 13) wurde sie gefunden. Man konnte vermuten, dass sie Nach eigenen, mehrjährigen und vergeblichen Versu- mit intensivierter Suche in vergleichbaren, sich sd- chen, die Zierliche Tellerschnecke im Gebiet des Bio- lich anschließenden und zu Sachsen-Anhalt gehren- sphärenreservates Mittelelbe nachzuweisen, glckte den Abschnitten der Elbeaue ebenfalls zu fnden sein schließlich den Herren R. Brinkmann und C.-J. Otto wrde. Nach dem jetzigen Kenntnisstand existieren

58 in den isolierten Stillgewässern entlang der Elbe im gischen Ansprchen der Art (Glöer 2002, Glöer & sachsen-anhaltischen Teil aber keine Vorkommen Diercking 2010). Der Abfuss aus dem See ist perio- (mehr). disch und kann je nach Wasserstand des Arendsees Ausreichende Sauerstofsättigung und lichtdurchfu- auch trockenfallen. tetes, klares Wasser scheinen neben der Bindung an ppige submerse Vegetation auf schlammig-sandigem Erwähnenswert ist der Fund des Kchers einer Tri- Grund nach Colling & Schröder (2006), Glöer & chopterenlarve (Gattung Limnephilus) (Abb. 4), fr Diercking (2010) und Wiese et al. (2011) entschei- den die Larve neben Gehäusen häufgerer Arten aus dende Voraussetzungen fr das Vorkommen der Zier- der Gattung Anisus auch Einzelexemplare von Anisus lichen Tellerschnecke zu sein. vorticulus (Abb. 5), Gyraulus riparius (s. u.) und Val- Die sogenannte Schrempe bei Ziessow am Nordufer vata macrostoma (s. u.) verbaute. Es sei an dieser Stelle des Arendsees ist ein wasserbaulich umgestalteter darauf verwiesen, dass die Kcherfiegenlarve im vor- Landgraben, durch den Wasser aus dem See ber ein deren Abschnitt des Kchers einige lebende Wasser- Wehr abfießt (Abb. 3). In diesem Abschnitt ist der schnecken festgesponnen hatte (Abb. 5). Ulmer (1928: Arendsee in Bezug auf den Gewässergrund und die 53) schreibt zum Kcherbau von Limnephila: „… oder Ausbildung des Bewuchses mit hoher Strukturvielfalt die Larve ergreif ein Paar Schnecken und Muscheln, ausgestattet. Zudem herrschen hier im Vergleich zum befestigt sie mit ihrem Spinnsafe an der Rhre und eher monotonen Schilfgrtel mit stagnierendem Was- baut von nun an ausschließlich mit diesem hchst serkrper ein vermutlich niedriger Nährstofgehalt eigenartigen, lebenden Baumaterial weiter.“ Auf ele- und eine hohe Sauerstofsättigung vor. Die hier vor- gante Art und Weise und ohne besondere Hilfsmittel gefundenen Bedingungen decken sich mit den kolo- kann man sich mittels dieser Kcher einen schnellen

Abb. 3: Fundort der artenreichen Wassermolluskengesellschaf mit der Zierlichen Tellerschnecke (Anisus vorticulus), dem Flachen Posthrnchen (Gyraulus riparius) und der Sumpf-Federkiemenschnecke (Valvata macrostoma) sowie weiterer Arten am Abfuss in den Landgraben Schrempe (vgl. Tab. 1). Foto: M. Unruh, 23.04.2018.

59 Abb. 4: Kcher einer Trichoptere der Gattung Limnephila vom Nordufer des Arendsees mit zahlreichen Ge- häusen von Wassermollusken (vgl. Tab. 1) und Pfanzensamen. Foto: A. Stark, 21.06.2018, fotografert unter Bedeckung mit Ethanol.

60 aus der Gattung . Es handelte sich um juvenile Tiere. Einige hell-gelbbraune Exemplare mit dunkle- ren Flanken hielten sich im Uferbereich des knstlich angelegten Stauteiches im fachen Wasser auf. Ein weiteres Tier wurde am Fuß des Steilhanges in einer Zone mit Quellwasseraustritt gefunden. Auf Grund des ungewhnlichen Erscheinungsbildes dieses Exem- plares – es sonderte einen hellgelben Schleim ab und war eher dunkel graubraun gefärbt (Abb. 6) – wurde es vom Zweitautor (A. S.) im Terrarium gehältert. Die nach ca. sechs Wochen ausgewachsene Arionide entsprach vom Habitus und den Fundumständen her dem Nacktschnecken-„Taxon“ des „Arion brunneus“ (Abb. 7). Der Fund soll deshalb an dieser Stelle Er-

Abb. 5: In einem Kcher von Limnephila spec. lebend verbaute adulte Zierliche Tellerschnecke (Anisus vorti- culus). Beachtenswert sind die eingearbeiteten Kunst- stofeilchen. Foto: A. Stark, 28.06.2018, fotografert unter Bedeckung mit Ethanol.

Überblick zu den kleinen Molluskenarten der Uferzo- nen von Gewässern verschafen (Unruh et al. 2013). Die Zierliche Tellerschnecke ist eine Art des Anhangs IV der europäischen FFH-Richtlinie. Ihr Wiederfund in Sachsen-Anhalt zieht deshalb zunächst die Erster- Abb. 6: Jungtier eines fraglichen Arion von ca. 3 cm fassung und Bewertung der Vorkommen nach sich. Länge aus einem Erlenbruch an der Klopstockquelle. Dafr sind die aktualisierten Bewertungsschemata Foto: A. Stark, 06.04.2014. des Bundesamtes fr Naturschutz (BfN) maßgebend (BfN & BLAK FFH-Monitoring und Berichts- pflicht 2017). Anschließend ist in den Folgejahren ein regelmäßiges Monitoring adäquat zu den anderen fr das Bundesland bekannten Arten (http://www. tierartenmonitoring-sachsen-anhalt.de/) zu instal- lieren, um den Anforderungen an den Nationalen Bericht Genge zu tun. Darber hinaus machen sich Korrekturen der Roten Listen von Bund (Jungbluth et al. 2009) und dem Land Sachsen-Anhalt (Körnig et al. 2004) erforderlich. Aufgrund der lokal begrenzten Vorkommen wird landesweit die Einstufung in die Kategorie 1 „vom Aussterben bedroht“ vorgeschlagen.

Arion brunneus (Lehmann, 1862) – Moor-Weg- schnecke (Abb. 6–7) Abb. 7: Ausgewachsenes Exemplar des mglicher- Anlässlich einer Exkursion zu der bei Kloster Pforta weise zu „Arion brunneus“ gehrenden Exemplares am rechtsseitigen Ufer der Saale gelegenen Klopstock- von 8 cm Länge. An den Flanken ist ein dunkles Band quelle (Unruh & Stark 2015) fanden die Autoren nur zu erahnen. Foto: A. Stark, 06.07.2014. einige ungewhnlich anmutende Nacktschnecken

61 wähnung fnden, weil weiterfhrende taxonomische der Aussage, dass dieses Tier „allgegenwärtig“ sei. Erkenntnisse ihn eventuell einer exakten Ansprache Ob als beliebte Speise fr den Menschen oder als zufhren werden oder aber am o. g. Fundort weitere „Schädling“ infolge zufälliger Verschleppung – mitt- Exemplare zur Klärung ihres Status aufgesucht wer- lerweile hat diese große und im Freiland kaum zu den knnten. Zur „Problematik von Arion (Mesarion) bersehende Gehäuseschnecke außer den Polarre- subfuscus s. l.“ fassen Kobialka & Kappes (2008) den gionen alle Kontinente erreicht. Verwundern muss seinerzeit im Schriftum verzeichneten Stand zusam- die Tatsache, dass die malakologisch interessierte men. „Community“ in Deutschland nur lckenhaf Notiz Die Schnecke wurde eingefroren und befndet sich in von diesem Neuankmmling nimmt. Noch beim der Sammlung des Zweitautors (A. S.). Eine Sektion Mittelschullehrer Geyer (1896) fndet die Gefeckte wurde bislang nicht vorgenommen. Nach Wiese Gartenschnecke keine Erwähnung – hatte er doch (2014) wurden Individuen, die man innerhalb des den Anspruch formuliert: „… sämtliche bis heute aus Artkomplexes von Arion fuscus/subfuscus s. l. dieser Deutschland bekannt gewordenen Arten im Texte …“ Art/Form/Morphe zuordnen kann, in zahlreichen aufzunehmen! Goldfuss (1900) nennt die Art eben- Bundesländern gefunden. Ihre Präferenz fr Quell- falls nicht. Nach Ehrmann (1956) besitzt C. aspersum smpfe und Flachmoore ist charakteristisch. ein mediterran-westeuropäisches Verbreitungsbild. Vorgenannter Autor erwähnt anthropogen initiierte Cornu aspersum (O. F. Müller, 1774) – Gefeckte Populationsgrndungen weitab des ursprnglichen Gartenschnecke (Abb. 8–9) Areals, die allerdings – wie z. B. jene in Kopenhagen Eine Internet-Recherche nach der „Gefeckten Garten- nach ca. 25 Jahren – wieder erloschen. Es gab nach schnecke“ oder nach ihrem derzeit gltigen lateini- Ehrmann (1956) auch ein Vorkommen im Schloss- schen Namen Cornu aspersum liefert eine unber- park Merseburg, wo sich die Schnecke ebenfalls nicht schaubare Menge von Trefern. In den angezeigten dauerhaf etablierte. Dennoch scheint es sich wohl um Links werden zahlreiche Temenbereiche berhrt. eine Population gehandelt zu haben, die ber einige Zum einen ist mit dieser Schneckenart ein interes- Jahre stabil war, ansonsten hätte die Lokalität wohl santes nomenklatorisches Problem verbunden, aus kaum Erwähnung gefunden. Dieses erloschene Vor- dem letztlich die Überfhrung der Art von der Gat- kommen im Land-Sachsen Anhalt und auch die Art tung Helix in das Genus Cornu resultiert. Eine ver- sind in Körnig et al. (2013) allerdings nicht erwähnt. ständliche Zusammenfassung hierzu fndet sich bei Im Stadtgebiet von Halle (Saale) wurde diese aufällige Fraussen (2016). Zahlreiche Verweise im Ergebnis Gehäuseschnecke im Frhjahr 2014 durch den Zweit- von Suchanfragen im Internet mnden allerdings in autor (A. S.) erneut im Freiland gefunden. An einer

Abb. 8: Das erste Exemplar der Gefeckten Gartenschnecke (Cornu aspersum) wurde im Frhsommer 2014 als zweijähriges Jungtier in einer Grnanlage am Rand der Gärtnerei Zeising in Halle (S.) gefunden und bis zur Ausbildung der Mndungslippe im Terrarium gehalten. Foto: A. Stark, 02.10.2014.

62 Abb. 9: Ein- und zweijährige Jungtiere der Gefeckten Gartenschnecke (Cornu aspersum) an der Unterseite eines gelagerten rindenlosen Fichtenstammes in der Gärtnerei Zeising in der Innenstadt von Halle (Saale). Foto: A. Stark, 07.05.2018.

Heckenrose saß inmitten einer Gruppe von ruhen- Jahren bestehen und es scheint sich – wie die zahl- den Hainschnirkelschnecken [Cepaea nemoralis (Lin- reichen Jungtiere veranschaulichen – um eine vitale naeus, 1758)] ein noch nicht ganz ausgewachsenes Grndung zu handeln. An dieser Stelle sei auch der Exemplar. Dieses wurde bis zum Oktober 2014 im Fund eines Einzeltieres im Stadtgebiet von Leipzig Terrarium gehältert und bildete hier auch eine Lippe (Sachsen) erwähnt: Gohlis, Heinrich-Budde Straße, aus (Abb. 8). Die kleine Grnanlage mit dem Rosen- zweijähriges Exemplar ohne ausgebildete Lippe in strauch grenzt an eine Gärtnerei mit einem fr Innen- Trockenruhe an einer Hauswand, 07.07.2018, leg. stadtbereiche großen unbebauten Areal. Die Fläche A. Stark. Eine Nachsuche in der näheren Umgebung liegt in einem ansonsten eng bebauten Bereich in der dieses Fundortes, der weitab irgendwelcher Grnanla- Stadt. Sie ist von allen Seiten von Häusern umgeben. gen liegt – in der Straße stehen nur einzelne Linden – Die geschtzte Lage der Gärtnerei ließ die Vermutung blieb ohne Ergebnis. Bereits 2014 fanden Braasch & zu, dass die 2014 gefundene Schnecke von hier aus Braasch (2015) die Art in Leipzig-Grnau. ihren Weg in die abseitig gelegene Grnanlage gefun- den hat. Im Mai 2018 wurde die Gärtnerei aufgesucht, Die Gefeckte Gartenschnecke (auch als „Gefeckte um mit Erlaubnis des Inhabers, Herrn Zeising, nach Weinbergschnecke“ bezeichnet) ist nach Wiese (2014) Cornu aspersum Ausschau zu halten. Es hatte zu die- im westlichsten und sdwestlichen Deutschland etab- sem Zeitpunkt in Halle sehr lange nicht geregnet und liert und kommt auch vereinzelt nahe der Nord- und die einzige Chance, die Schnecken zu fnden, bestand Ostsee vor. In Mecklenburg-Vorpommern ist sie auch darin, unter Steinen, Balken oder Holzplatten nachzu- fernab der Kste im Innenland registriert worden suchen. Unter einigen entrindeten Fichtenstämmen, (Zettler et al. 2006). Mittlerweile ist auch in Zentral- die schräg an einer kleinen, auf der Krone mit Flieder europa und zwar in der Tschechischen Republik bei bewachsenen Bschung lagerten, konnten schließlich Prag eine vitale Population etabliert (Juřičkova & junge Exemplare gefunden werden (Abb. 9). Somit Kapounek 2009). Nordsieck (2018) erwähnt eine drfe die Population in Halle mindestens seit vier Population bei Wien, gibt aber die härteren Winter im

63 Tab. 1: Begleitfauna (Gastropoda et Bivalvia) von Gyraulus riparius (Westerlund, 1865) im Arendsee am 23.April 2018.

Art Anzahl Bemerkungen lebend leere Gehäuse

Acroloxus lacustris (LINNAEUS, 1758) 2

Anisus vortex (LINNAEUS, 1758) 4 2

Anisus vorticulus (TROSCHEL, 1834) + Bestandteile des Kchers von Limnephila spec. 4 2 (s. Text) Anisus spec. 6 12 juvenil

Bathyomphalus contortus (LINNAEUS, 1758) 10

Bithynia leachii (SHEPPARD, 1823) 70

Bithynia tentaculata (LINNAEUS, 1758) 2

Galba truncatula (O. F. MÜLLER, 1774) 1

Gyraulus albus (O. F. MÜLLER, 1774) 1

Gyraulus crista (LINNAEUS, 1758) 2

Gyraulus riparius (WESTERLUND, 1865) 8 8

Hippeutis complanatus (LINNAEUS, 1758) 53 4

Lymnaea stagnalis (LINNAEUS, 1758) 2 juvenil

Oxyloma elegans (RISSO, 1826) 3 Uferbereich, genitalmorphologisch bestimmt

Planorbarius corneus (LINNAEUS, 1758) 3

Planorbis planorbis (LINNAEUS, 1758) 6 3 Planorbis spec. 2 1 juvenil

Physa fontinalis (LINNAEUS, 1758) 1

Pisidium milium HELD, 1836 22 3

Pisidium tenuilineatum STELFOX,1918 5 Radix spec. 4 juvenil

Segmentina nitida (O. F. MÜLLER, 1774) 5 5

Stagnicola palustris (O. F. MÜLLER, 1774) 2 genitalmorphologisch bestimmt

Valvata cristata O. F. MÜLLER, 1774 35 11

Valvata macrostoma MÖRCH, 1864 2 3

inneren Europas als Kriterium an, weshalb (derzeit und insbesondere die Ausbringung von Kdern noch?) keine fächendeckende Ausbreitung mglich sei. („Schneckenkorn“) gefährdet auch Populationen nicht „schädlicher“ Arten. Eine Zusammenfassung der Verschleppung und Aus- breitung von Cornu aspersum in Deutschland wäre Gyraulus riparius (Westerlund, 1865) – Flaches nicht nur aus biologisch-zoogeografschem Interesse Posthrnchen (Abb. 10 u. 13) angezeigt. Als Grnblattfresser knnen die Tiere – im Nach Glöer (2002) und Groh & Richling (2009) ist Gegensatz zu unseren Bänderschneckenarten [Cepaea diese kleine Schnecke in Deutschland sehr selten. Sie nemoralis und C. hortensis (O. F. Müller, 1774)] – bei ist bisher nur aus den vier Bundesländern Schleswig- massenhafem Vorkommen auch Schäden in An- Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Tringen und zuchtbeeten sowie Gemse- und Zierpfanzenkultu- Bayern, hier aus dem Reibersdorfer See im Donautal, ren anrichten. Die Bekämpfung von „Schadschne- bekannt (Glöer 2015). Gyraulus riparius besiedelt die cken“ ist aber leider in der Praxis sehr undiferenziert Uferzone von Still- und Fließgewässern Nordosteu-

64 Abb. 10: Gehäuse des Flachen Posthrnchens (Gyraulus riparius) aus dem Arendsee. Unten links und rechts Details der Struktur der Oberfäche der Schale von oben (links) und unten. Unten in der Mitte ein weiteres Exemplar vom gleichen Fundort ohne Erosionsspuren in seitlicher Ansicht. Foto: A. Stark, 28.06.2018.

ropas und Westsibiriens (Glöer & Diercking 2010). Bei einem Gehäusedurchmesser von nur zwei Milli- Der erste Nachweis mit einem einzigen Exemplar meter mag es mglich sein, dass das Flache Posthrn- glckte beim Abkeschern der Uferbereiche der chen mitunter bersehen worden ist. Darber hinaus Schrempe am 17. August 2017 binnenseitig un- sehen Jungtiere der Linsenfrmigen Tellerschnecke mittelbar am Abfuss (Abb. 2 u. 3). Das fragliche [Hippeutis complanatus (Linnaeus, 1758)] ausge- Gehäuse wurde zur Überprfung Herrn P. Glöer wachsenen Exemplaren von Gyraulus riparius zum vorgelegt, der die Determination bestätigte. Eine Verwechseln ähnlich. Eine sichere Determination ist intensive Nachsuche am 23. April 2018 erbrachte nur unter Verwendung von berprfem Vergleichs- zahlreiche weitere lebende Exemplare des Flachen material und einer grndlichen Betrachtung von Posthrnchens sowie Nachweise anderer bemer- Gehäusemorphologie und Grße gegeben. Mglicher- kenswerter Wassermollusken (Tab. 1). Auch von weise sind die wenigen Funde in Deutschland auch dieser Art waren Exemplare in dem bei Anisus vor- darauf zurckzufhren. Unabhängig davon, ob dieser ticulus bereits erwähnten Kcher der Trichoptere Winzling unter den kleinen Tellerschnecken hier und verbaut (Abb. 4). da bersehen wurde, sie ist eine ausgesprochene Rari-

65 Abb. 11: Kaukasus-Schließmundschnecke (Micropontica caucasica) vom Huy (Sachsen-Anhalt). Foto: A. Stark, Juli 2015.

Abb. 12: Schalen der Glatten Erbsenmuschel (Pisidium hibernicum) aus dem Stillingsgraben bei Schierau in Sach- sen-Anhalt. Länge der Schalen ca. 2,5 mm. Foto: I. Richling (Staatliches Museum fr Naturkunde Stuttgart).

66 tät innerhalb der heimischen Molluskenfauna und im Mulde zwischen Jeßnitz und Mhlau und der westlich Arendsee Teil einer artenreichen Wirbellosengemein- angrenzenden Mosigkauer Heide. schaf. Die auf Bundesländerebene augenfällige Verbrei- Eine Einstufung in die Neufassung der Roten Liste tungslcke der Glatten Erbsenmuschel in Sachsen- Sachsen-Anhalt (in Vorbereitung) und Deutschland Anhalt war Anlass zu intensiven Nachforschungen. (Jungbluth et al. 2009) in die Kategorie 1 „vom Aus- Dabei stellte sich heraus, dass der o. g. Nachweis aus sterben bedroht“ ist weiterhin angezeigt. dem Stillingsgraben nicht das einzige Vorkommen dieser seltenen Erbsenmuschel in Sachsen-Anhalt Micropontica caucasica (A. Schmidt, 1868) – Kau- markiert. Bereits 2008 konnte R. Brinkmann im kasus-Schließmundschnecke (Abb.11) Rahmen der Voruntersuchungen fr das Gewässer- Über den bemerkenswerten Fund einer bisher aus der berwachungsprogramm (GÜSA) Pisdium hiberni- Tierwelt Deutschlands unbekannten Schließmund- cum im Fließgewässer Tauber Aland bei Seehausen schnecke aus dem Huy berichteten Stark & Unruh und im Born-Dorster-Bäk bei Uthmden-Klden bereits 2015, so dass an dieser Stelle ein Hinweis auf feststellen (LHW 2008). In den Folgeuntersuchungen die Literatur ausreicht (Stark & Unruh 2015, Wiese bestätigten die Bearbeiter W. Kleinsteuber und 2014). R. Metzger die genannten Vorkommen und lieferten weitere Erstnachweise aus dem Tanger bei Mahl- Pisidium hibernicum (Westerlund, 1894) – Glatte winkel, dem Karrenbach, dem Balsamgraben, der Erbsenmuschel (Abb. 12 u. 13) Untermilde (Altmersleben-Kalbe) sowie dem Lißbach Unter den Erbsenmuscheln, die im Stillingsgraben (Rehehausen). Daraus ergibt sich ein gegenwärtiger bei Schierau im Januar und April 2014 gesammelt Verbreitungsschwerpunkt an der Nordgrenze des wurden, befanden sich neben der im Gebiet verstreut Landes zu Niedersachsen und Brandenburg. Den vorkommenden Pisidium obtusale wenige mit einer sdlichsten Vorposten bildet der Fund im Lißbach außergewhnlichen Wirbelform, die zunächst eine (Rehehausen, nahe Eckartsberga). Alle Funde gelan- Trennung von typischen Schalenformen der letzt- gen in Fließgewässern mit gut strukturierter Wasser- genannten Spezies nach morphologischen Kriterien pfanzenvegetation. ermglichten (Glöer 2002, 2015; Killeen et al. 2004; Das Fehlen von Pisidium hibernicum im „Mollusken- Zettler & Glöer 2006). atlas“ von Körnig et al. (2013) geht auf den Umstand Ein Exemplar mit einer besonders markanten Wl- zurck, dass vor zehn Jahren die ersten Determinati- bung wurde Frau Dr. Ira Richling (Staatliches Mu- onsergebnisse zu den Erbsenmuscheln im Makrozoo- seum fr Naturkunde Stuttgart) zur Nachbestim- benthos noch mit einer gewissen Unsicherheit behaf- mung vorgelegt. Schalenform sowie die Ausbildung tet waren und die Bearbeiter erst späterhin, nach der Kardinalzähne bestätigten die Determination wiederholter, kritischer Durchsicht des Materials am durch den Erstautor. Das Exemplar ist unter der vorläufgen Bestimmungsergebnis festhielten. Dies ist Inventarnummer SMNS-ZI0058999 des Staatlichen ein erneuter Hinweis auf die Schwierigkeiten bei der Museums fr Naturkunde Stuttgart mit dem Fundort Bearbeitung der Erbsenmuscheln allein nach mor- Dessau-Roßlau, Stillinge bei Schierau, lg. Unruh vom phologischen Kriterien. Zum Informationsverlust 16.04.2014 erfasst. zwischen dem Aufraggeber LHW und dem Bro fr Pisidium hibernicum ist nach Glöer (2015) in Angewandte Limnologie (Dr. H. Reusch, Suhlendorf) Deutschland wenig verbreitet und scheint Seen mit als Aufragnehmer der Vorkartierung kam es, weil Schwingrasen zu bevorzugen. Der Fundort, ein die Nachmeldung erst Jahre später erfolgte, als die langsam fießendes Gewässer mit teils moorigem, Vorbereitungen zum Druck des Werkes bereits weit teils sandig-schlammigem Bodengrund, das in die fortgeschritten waren. Mulde entwässert, entspricht den in der Literatur angegebenen Habitatmerkmalen allerdings nicht Pisidium tenuilineatum (Stelfox, 1918) − Kleinste vllig. Zettler & Glöer (2006) fanden P. hiberni- Erbsenmuschel (Abb. 13) cum nicht nur in Seen, sondern auch in zahlreichen Als weitere faunistische Besonderheit im beprobten anderen Biotopen, u. a. in kleinen Moorgewässern. In Uferbereich des Arendsees (s. bei Anisus vorticulus) gewisser Weise hat der Stillingsgraben Ähnlichkeit ist die Kleinste Erbsenmuschel Pisidium tenuilinea- mit Moortmpeln. Er entwässert zumeist meliorierte, tum zu werten. Von dieser Muschelart kennt man in ehemalige Flachmoorstandorte im Gebiet der unteren Sachsen-Anhalt nur wenige, verstreute Vorkommen

67 68 mit Populationen im Gebiet der Helme an der Landes- (Abb. 13). R. Brinkmann und C.-J. Otto konnten ihr grenze zu Tringen und im nordwestlichen Landes- Vorkommen im Schollener See bestätigen (LHW 2016). teil (Körnig et al. 2013). Krzlich wiesen Zettler et Die Gehäuse sowohl der Gemeinen als auch der al. (2017) ein individuenreiches Vorkommen von Pisi- Sumpf-Federkiemenschnecke fanden als Baumaterial dium tenuilineatum im Uchtdorfer Mhlengraben am der kcherbauenden Kcherfiegenlarve Limnephila Rande der Colbitz-Letzlinger Heide nach. In der Kar- spec. Verwendung (Abb. 7). tendarstellung (Abb. 13) sind alle derzeitig bekannten Vorkommen in unserem Bundesland verzeichnet. Zusammenfassung Sinanodonta woodiana (Lea, 1834) – Chinesische Teichmuschel Die Publikation beinhaltet kommentierte Angaben Im „Molluskenatlas“ ist zu dieser Art nur ein Fund zu Funden von zehn Binnenmolluskenarten auf dem aus dem Muldestausee angegeben worden. Ofen- Gebiet Sachsen-Anhalts (Alopia livida – Rechte sichtlich hatte sich die Chinesische Teichmuschel Bucegi Schließmundschnecke, Anisus vorticulus seinerzeit aber bereits in mehreren Gewässern in – Zierliche Tellerschnecke, Arion brunneus – Moor- unserem Bundesland etabliert. In der Phase der Vor- Wegschnecke, Cornu aspersum – Gefeckte Garten- bereitung der Drucklegung des „Molluskenatlasses“ schnecke, Gyraulus riparius – Flaches Posthrnchen, im Jahr 2013 stellte der Fotograf S. Schellhorn ein Pisidium hibernicum – Glatte Erbsenmuschel, P. te- Foto des Teichgrundes eines abgelassenen Teiches zur nuilineatum – Kleinste Erbsenmuschel, Micropontica Verfgung. Dieses fand im Beitrag von Hartenauer caucasica – Kaukasus Schließmundschnecke, Sinano- (2014: 315) Verwendung. Dieses Bild veranlasste den donta woodiana – Chinesische Teichmuschel und Zweitautor (A. S.) noch im August 2013 dazu, den Valvata macrostoma – Sumpf-Federkiemenschnecke). Teich bei Ziegelrode nahe Helbra aufzusuchen. Neben Davon waren drei Land- und drei Wassermollusken- Malermuscheln (Unio pictorum) und Teichmuscheln arten nicht mit aktuellen Vorkommen im Über- (Anodonta anatina) waren hier auch Schalen der sichtswerk „Die Weichtiere (Mollusca) des Landes Chinesischen Teichmuschel in großer Zahl aufzufn- Sachsen-Anhalt“ (Körnig et al. 2013) verzeichnet. den. Der Erstautor (M. U.) konnte im August 2014 im Vom Phänomen der bewussten und zielgerichteten Braugraben, einem Fließgewässer zwischen der Stadt Aussetzung fremdländischer Landschneckenarten ist Oranienbaum-Wrlitz und Kakau, eine vitale und Sachsen-Anhalt durch entsprechende Aktivitäten in individuenreiche Population von Sinanodonta woo- den 1960- bis 1970er Jahren besonders betrofen. Im diana nachweisen (Unruh 2014). Wie in Erfahrung Naturraum Harz erhhte sich dadurch die Anzahl der gebracht werden konnte, werden die Fischteiche bei nicht heimischen Schließmundschnecken auf drei. Kakau, die der Braugraben entwässert, regelmäßig Unerklärlich bleibt, warum die aufallende Gefeckte mit Besatzfschen unterschiedlichster geografscher Gartenschnecke (auch als „Gefeckte Weinberg- Herkunf besetzt. schnecke“ bezeichnet) bei Körnig et al. (2013) keine Erwähnung fand – schließlich gehen die Angaben zu Valvata macrostoma (Mörch, 1884) – Sumpf-Feder- ihrer Erstbeobachtung auf dem heutigen Landesge- kiemenschnecke (Abb. 13) biet bis in die 1930er Jahre zurck. Auch gegenwärtig Die Sumpf-Federkiemenschnecke war bisher aus dem scheint ihr Vordringen durch Verschleppung das Inter- Saarensee bei Klieken (Reichhoff et al. 2013) sowie esse der Naturfreunde und Malakologen kaum zu aus dem Schollener See (Unruh 2008) bekannt wecken. Biotop und Habitus einer Nacktschnecke

Abb. 13: Karte von Sachsen-Anhalt mit Daten zur Verbreitung der Zierlichen Tellerschnecke (Anisus vorti- culus), des Flachen Posthrnchens (Gyraulus riparius), der Glatten Erbsenmuschel (Pisidium hibernicum), der Kleinsten Erbsenmuschel (P. tenuilineatum) und der Sumpf-Federkiemenschnecke (Valvata macrostoma). Kartengrundlage aus Körnig et al. 2013 ergänzt mit bislang unbercksichtigten Daten.

69 aus dem Saaletal bei Schulpforte berechtigen trotz (Landesbetrieb fr Hochwasserschutz, Magdeburg) ausstehender Sektion zur Vermutung, dass es sich bei gab uns wichtige Hinweise zu Genese und Zustand von diesem Fund um die Moor-Wegschnecke handeln Arendsee und Schollener See, Herr Dr. Ralph Metzger knnte. Das Flache Posthrnchen wurde erstmals im (Landesbetrieb fr Hochwasserschutz, Magdeburg) Arendsee gefunden. Bei Recherchen stellte sich her- half bei der Zusammenstellung aller Funde von Pisi- aus, dass die Glatte Erbsenmuschel bereits seit zehn dium hibernicum. Frau Dr. Ira Richling (Staatliches Jahren aus Gewässern im Norden Sachsen-Anhalts Museum fr Naturkunde, Stuttgart) und Herrn Peter bekannt ist; diesen Nachweisen durch Dritte wird Gler (Labor fr Biodiversitätsforschung, Hetlingen) ein eigener aus dem Biosphärenreserat Mittelelbe bei mchten die Verfasser fr die Nachbestimmung einiger Dessau hinzugefgt. Die Kleinste Erbsenmuschel, determinationskritischer Wassermollusken danken. landesweit eine Seltenheit, konnte ebenso wie die Herr Dr. Vollrath Wiese (Museum der Natur, Cismar), Sumpf-Federkiemenschnecke im Arendsee, letztere stellte nicht nur die Abbildung 1 zur Verfgung. Ihm auch im Schollener See, nachgewiesen werden. Erstere gebhrt als kenntnis- und ideenreichem, stets hilfsbe- scheint in geeigneten Fließgewässern des nrdlichen reitem Malakologen an dieser Stelle unser besonderer Landesteils verstreut verbreitet zu sein. Eine Einstu- Dank. Schließlich sei den Herren Fischer-Kagel und fung in die Neuaufage der Roten Liste ist vorzuneh- Zeising fr ihre Untersttzung gedankt. men. Die Zierliche Tellerschnecke ist eine Art der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie. Sie wurde im Ergebnis der Gewässerkundlichen Untersuchungen Literatur des Landesbetriebes fr Hochwasserschutz in jngs- Braasch, D. & H. Braasch (2015): Gefeckte Weinberg- ter Vergangenheit sowohl aus dem Schollener See als schnecke – Cornu aspersum (Helix aspersa) (O. F. Müller, auch aus dem Arendsee gemeldet. Individuenreiche 1774) – in Mitteldeutschland. – Club Conchylia Mitteilun- Vorkommen der Chinesischen Teichmuschel in einem gen 25: 25–26 (Harxheim). als Angelgewässer genutzten Teich bei Helbra und Brinkmann, R. (2005): Bestandsaufnahme der FFH-Art Zier- liche Tellerschnecke (Anisus vorticulus) an den bekannten einem Fischzuchtgewässer im Gebiet der mittleren Vorkommen Niedersachsens im Jahre 2005. – Niedersäch- Elbe sollte Veranlassung sein, das Vordringen dieser sischer Landesbetrieb fr Wasserwirtschaf, Ksten- und invasiven Art im Rahmen faunistischer Erfassungen Naturschutz Hannover-Hildesheim (NLWKN). – Hildes- weiter zu dokumentieren. heim. – Unverf. Gutachten. Brinkmann, R. (2007): Erfassung von Bestandsdaten von Tier- und Pfanzenarten der Anhänge II und IV der FFH- Die Befunde verdeutlichen, dass kontinuierliche in- Richtlinie. Mollusca: Anisus vorticulus. – Berichtszeitraum tensive Freilanduntersuchungen unerlässlich sind, um 2003–2006. – Ministerium fr Umwelt, Natur und Forsten Bestand und Wandel einer vermeintlich gut bekann- Schleswig-Holstein. – Kiel. – Unverf. Gutachten. ten Fauna fortlaufend zu dokumentieren. Die vorge- BfN & BLAK FFH-Monitoring und Berichtspflicht – stellten Ergebnisse sind eine unerlässliche Grundlage Bundesamt für Naturschutz & Bund-Länder- Arbeitskreis FFH-Monitoring und Berichtspflicht zur Abfassung einer korrigierten Checkliste der Bin- (Hrsg.) (2017): Bewertungsschemata fr die Bewertung nenmollusken des Landes Sachsen-Anhalt sowie zur des Erhaltungsgrades von Arten und Lebensraumtypen als Fortschreibung der Roten Liste. Grundlage fr ein bundesweites FFH-Monitoring. Teil I: Arten nach Anhang II und IV der FFH-Richtlinie (mit Ausnahme der marinen Säugetiere). – BfN-Skripten 480: Danksagung 374 S. Colling, M. & E. Schröder (2006): Weichtiere: Anisus vorticulus. – In: Petersen, B. & G. Ellwanger (Bearb.): Ein besonderer Dank gilt den Herren Dr. Claus- Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Jrgen Otto (Fahrenkrug) und Dr. Rainer Brinkmann Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH- Richtlinie (Verden), die ihre bislang unverfentlichten Funde in Deutschland. Bd. 3: Arten der EU-Osterweiterung. – Schrifenreihe fr Landschafspfege und Naturschutz zur Verfgung stellten. Frau Martina Jährling (Mit- 69 (3): 155–163. arbeiterin des Gewässerkundlichen Dienstes des Ehrmann, P. (1956): Mollusca (Abteilung I) – In: Brohmer, Landesbetriebes fr Hochwasserschutz, Magdeburg) P., P. Ehrmann & G. Ulmer (Hrsg.): Die Tierwelt Mittel- danken wir herzlich fr die Mitteilung der Nachweise europas. Bd. 2: Mollusca / Crustacea / Isopoda / Myriapo- von Anisus vorticulus sowie die Klärung der bis 2008 da. – Leipzig (Quelle & Meyer): 264 S. u. 13 Taf. Fraussen, K. (2016): Cornu aspersum (Müller, 1774). Te zurckreichenden Umstände bezglich der Fundmel- enigmatic ‘cornucopia’. – Pallidula. Te Magazine of the dungen von P. hibernicum. Herr Karl-Heinz Jährling British Shell Collectors’ Club 46 (1): 4–7.

70 Geyer, D. (1896): Unsere Land- und Sßwasser-Mollusken. Körnig, G., K. Hartenauer, M. Unruh, P. Schnitter & Einfhrung in die Molluskenfauna Deutschlands. – Stutt- A. Stark (Bearbeiter) (2013): Die Weichtiere (Mollusca) gart (Sddeutsches Verlagsinstitut): 85 S. des Landes Sachsen-Anhalt unter besonderer Bercksich- Glöer, P. (2002): Die Sßwassergastropoden Nord- und Mit- tigung der Arten der Anhänge zur Fauna-Flora-Habitat- teleuropas. Bestimmungsschlssel, Lebensweise, Ver- Richtlinie sowie der kennzeichnenden Arten der Fauna- breitung. – Die Tierwelt Deutschlands 73. – Hackenheim Flora-Habitat-Lebensraumtypen. – Halle/S. – Berichte des (ConchBooks): 327 S. Landesamtes fr Umweltschutz Sachsen-Anhalt 12: 336 S. Glöer, P. (2015): Sßwassermollusken. – Ein Bestimmungs- Körnig, S. (1989): Die Mollusken der Biosphärenreservate schlssel fr die Bundesrepublik Deutschland. – Gttingen Steckby-Ldderitzer Forst und Vessertal. – Martin-Luther- (DJN – Deutscher Jugendbund fr Naturbeobachtung): Universität Halle-Wittenberg. – Diplomarbeit. 136 S. Körnig, S. (2009): Die Mollusken des Naturschutzgebietes Glöer, P. & R. Diercking (2010): Atlas der Sßwasser- Steckby-Ldderitzer Forst. – Naturschutz im Land mollusken Hamburg. Rote Liste. Verbreitung, Ökologie, Sachsen-Anhalt 46 (Sonderhef): 159–168. Bestand und Schutz. – Hamburg (Behrde fr Stadtent- LHW – Landesbetrieb für Hochwasserschutz Sach- wicklung und Umwelt): 180 S. sen-Anhalt (2008): Erhebung und Bestimmung der Goldfuss, O. (1900): Die Binnenmollusken Mittel-Deutsch- Komponente Makrozoobenthos in Fließgewässern von lands incl. Nachtrag. – Leipzig (W. Engelmann): 320 S. Sachsen-Anhalt. Projekt Nr. 1/512/2008. – Aufragnehmer: Groh, K. & I. Richling (2009): Erstnachweise des Flachen Bro fr Angewandte Limnologie Dr. Herbert Reusch, Posthrnchens Gyraulus (Lamorbis) riparius (Wes- Suhlendorf. – Bearb.: C.-J. Otto, S. Speth & R. Brinkmann. terlund 1865) in Sdwestdeutschland und Nieder- – Magdeburg. – Unverf. Gutachten. sachsen (Gastropoda: Basommatophora: Planorbi- LHW – Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Was- dae). – Frankfurt/M. – Mitteilungen der Deutschen serwirtschaft Sachsen-Anhalt (2015): Gewässerber- Malakozoologischen Gesellschaf 82: 31–39. wachungsprogramm (GÜSA). Erhebung und Bestimmung Hartenauer, K. & A. Stark (2013): Schutzmaßnahmen und von Makrozoobenthos im Eulitoral von Seen Sachsen- Gefährdung. – In: Körnig, G., K. Hartenauer, M. Un- Anhalts. Projekt-Nr. 14/N/1834/MD des Landes Sachsen- ruh, P. Schnitter & A. Stark (Bearb.): Die Weichtiere Anhalt. – Magdeburg. (Mollusca) des Landes Sachsen-Anhalt unter besonderer LHW – Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Was- Bercksichtigung der Arten der Anhänge zur Fauna-Flora- serwirtschaft Sachsen-Anhalt (2017): Gewässerber- Habitat-Richtlinie sowie der kennzeichnenden Arten der wachungsprogramm (GÜSA). Erhebung und Bestimmung Fauna-Flora-Habitat-Lebensraumtypen. – Halle/S. – Be- von Makrozoobenthos im Eulitoral von Seen Sachsen- richte des Landesamtes fr Umweltschutz Sachsen-Anhalt Anhalts. Projekt-Nr. 16/N/1206/MD des Landes Sachsen- 12: 311–316. Anhalt. – Magdeburg. Jungbluth, J. H. & D. von Knorre unter Mitarbeit von Lehmann, B. (2011): Managementplan fr das FFH-Gebiet U. Bössneck, K. Groh, E. Hackenberg, H. Kobialka, „Geiselniederung westlich Merseburg“. – Aufraggeber: G. Körnig, H. Menzel-Harloff, H.-J. Niederhöfer, Landesamt fr Umweltschutz Sachsen-Anhalt. – Aufrag- S. Petrick, K. Schniebs, V. Wiese, W. Wimmer & nehmer: Myotis – Bro fr Landschafskologie. – Halle. – M. L. Zettler (2009): Rote Liste der Binnenmollusken Unverf. Gutachten. [Schnecken (Gastropoda) und Muscheln (Bivalvia)] in Nordsieck, R. (2018): Homepage “Te living world of mollu- Deutschland. 6. Fassung. – Frankfurt/M. – Mitteilungen scs”. – http://www.molluscs.at/gastropoda/terrestrial/helix. der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaf 81: 1–28. html?/gastropoda/terrestrial/helix/aspersum.html (Letzter Juřičkova, L. & F. Kapounek (2009): Helix (Cornu) aspersa Abruf: April 2018). (O. F. Müller, 1774) (Gastropoda: Helicidae) in the Czech Reichhoff, L., M. Succow & M. Unruh (2013): Der Saaren- Republic. – Malacologica Bohemoslovaca 9: 53–55. see in Sachsen-Anhalt – Vegetations- und Standortwandel Killeen, I., D. Aldridge & G. Oliver (2004): Freshwater eines verlandeten Elbealtwassers während der letzten Bivalves of Britain and Ireland. – National Museum of 50 Jahre. – Naturwissenschafliche Beiträge des Museums Wales/Cambridge University: 114 S. Dessau 23: 5–23. Kobialka, H. & H. Kappes (2008): Verbreitung und Habitat- Richling, I. & R. Brinkmann (2007): Detaillierte Überpr- präferenzen der Braunen Wegschnecken in W-Deutsch- fung der Verbreitung der FFH Anhangs-II-Art Anisus land (Gastropoda: : s. l.). – vorticulus (Troschel, 1834) (Zierliche Tellerschnecke) Natur und Heimat 68 (2): 33–52. in Niedersachsen in den Jahren 2006 und 2007. – Nieder- Körnig, G. (2016): Weichtiere (Mollusca). – In: Frank, D. & sächsischer Landesbetrieb fr Wasserwirtschaf, Ksten- P. Schnitter (Hrsg.): Pfanzen und Tiere in Sachsen- und Naturschutz Hannover-Hildesheim (NLWKN) Anhalt. Ein Kompendium der Biodiversität. – Rangsdorf (Aufraggeber). – Hildesheim. – Unverf. Gutachten: 92 S. (Natur und Text): 562–571. Richling, I. & R. Brinkmann (2011): FFH- Monitoring der Körnig, G., F. Gohr, K. Hartenauer, M. Hohmann, Zierlichen Tellerschnecke Anisus vorticulus (Troschel M. Jährling, W. Kleinsteuber, T. J. Langner, 1834) (FFH-Anhang II & IV) in Niedersachsen in 2011. – B. Lehmann, L. Tappenbeck & M. Unruh (2004): Rote Niedersächsischer Landesbetrieb fr Wasserwirtschaf, Liste der Weichtiere (Mollusca) des Landes Sachsen-An- Ksten- und Naturschutz, Hannover-Hildesheim: 208 S. halt. 2. Fassung, Stand Februar 2004. – Halle/S. – Berichte Stark, A. & M. Unruh (2015): Nachweis einer fr die Fauna des Landesamtes fr Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39: Deutschlands neuen Schließmundschneckenart (Gastro- 155–160.

71 poda, , Clausilidae) in Sachsen-Anhalt. – Anisus vorticulus. – Club Conchylia Informationen. – Con- Schrifen zur Malakozoologie (Cismar) 28: 1–6. chylia 42 (1–4): 71–74. Ulmer, G. (1928): Unsere Wasserinsekten. – Naturwissen- Zettler, M. L. & P. Glöer (2006): Zur Ökologie und Mor- schafliche Bibliothek. – Leipzig (Quelle & Meyer): 157 S. phologie der Sphaeriidae der Norddeutschen Tiefebene. – Unruh, M. (2008): Mollusken (Muscheln und Schnecken) Heldia 6: 1–61. im Elbe-Havel-Winkel. – Untere Havel. – Naturkundliche Zettler, M. L., U. Jueg, H. Menzel-Harloff, U. Göllnitz, Berichte aus Altmark und Prignitz (Havelberg) 18: 26–42. S. Petrick, E. Weber & R. Seemann (2006): Die Land- Unruh, M. (2014): Die Wassermolluskenfauna im Gebiet der und Sßwassermollusken Mecklenburg-Vorpommerns. – mittleren Elbe – Inventur der Wasserschnecken und Mu- Schwerin (Obotritendruck): 318 S. scheln zwischen Steckby und Gräfenhainichen (Mollusca: Zettler, M. L., J. Polak & R. Metzger (2017): Ein indivi- Gastropoda et Bivalvia). – Naturwissenschafliche Beiträge duenreiches Vorkommen der Kleinsten Erbsenmuschel, des Museums Dessau 26: 5–30. (Pisidium tenuilineatum Stelfox, 1918) in der Altmark Unruh, M., G. Körnig & A. Stark (2013): Methodik. – In: (Sachsen-Anhalt). – Frankfurt/M. – Mitteilungen der Körnig, G., K. Hartenauer, M. Unruh, P. Schnitter & Deutschen Malakozoologischen Gesellschaf 98: 23–27. A. Stark (Bearb.): Die Weichtiere (Mollusca) des Landes Sachsen-Anhalt unter besonderer Bercksichtigung der Arten der Anhänge zur Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie so- wie der kennzeichnenden Arten der Fauna-Flora-Habitat- Anschriften der Autoren Lebensraumtypen. – Halle/S. – Berichte des Landesamtes fr Umweltschutz Sachsen-Anhalt 12: 17–23. Michael Unruh Unruh, M. & A. Stark (2015): Zur Kulturgeschichte und Schmale Str. 29 ∙ 06712 Gutenborn OT Großosida Fauna von Klopstockquelle und Quellteich – landschaf- E-Mail: [email protected] liche Kleinode im Burgenlandkreis. – Saale-Unstrut-Jahr- buch 20: 188–204. Wiese, V. (2014): Die Landschnecken Deutschlands. Finden – Dr. Andreas Stark Erkennen – Bestimmen. – Wiebelsheim (Quelle & Meyer): Seebener Str. 190 ∙ 06114 Halle/S. 352 S. E-Mail: [email protected] Wiese, V., I. Richling, R. Brinkmann & K. Groh (2012): Weichtier des Jahres 2011: Die Zierliche Tellerschnecke

72 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55. Jahrgang • 2018: 73–80 Informationen

Erwiderung zum Beitrag M. WALLASCHEK: steht der Begrif „Natur“ vielmehr fr die genutzte Eine weitere Interpretation des Wrlitzer und gestaltete Natur (die Landschaf) und bezeichnet Warnungsaltars [Naturschutz im Land damit die sich damals entwickelnde Landeskultur Sachsen-Anhalt 54 (2017) JH: 71−73] und Landschafspfege in Einheit mit der Gartenkunst (Däumel 1961, Haber 2014). Diese Interpretation Lutz Reichhoff bezieht sich auf den Ideengehalt der Auflärung, wie diese von Frst Leopold III. Friedrich Franz von An- In Jahrgang 53 der vorliegenden Zeitschrif habe ich halt-Dessau vertreten wurde und sich eben auch in (Reichhoff 2017) versucht darzulegen, dass die In- der genannten Inschrif wiederfndet. schrif auf dem Warnungsalter von 1800 in den Wr- Wallaschek (2017) vertritt dagegen die Aufassung, litzer Anlagen „Wanderer achte Natur und Kunst und gemeint sei in der Inschrif tatsächlich die „wilde schone ihrer Werke“ (Abb. 1) nicht, wie vielfach inter- Natur“, da „Frst Franz auf die separate Aufhrung pretiert, als frher Aufruf zum Naturschutz verstan- des Begrifs Kunst [hätte] verzichten knnen, denn in den werden sollte. Nach dem damaligen Verständnis ‚Natur als Landschaf‘ wäre sie enthalten gewesen“.

Abb. 1: Wrlitzer Anlagen, Warnungsaltar.

73 Abb. 2: Wrlitzer Anlagen, Eisenhart im Neumarks Garten mit Sdseepavillon (links) und Bibliothek.

Hier irrt Wallaschek, denn der Leitspruch des Frs- bar macht und Smpfe austrocknet, der macht Erobe- ten war „Das Schne mit dem Ntzlichen“ und nicht rungen von der Barbarei.“ Diese Aufassung wurde „Das Schne mit dem Natrlichen“ zu verbinden. von Franz ebenso vertreten. Man muss bedenken, dass Das Schne, vor allem Architektur und Gartengestal- die Ernährung der Bevlkerung im 18. Jahrhundert tung aber auch bildende Kunst, Musik, Literatur nicht regelmäßig gesichert war. Die Getreideerträge und Teater, sollten auch ntzlich sein. Und durch waren sehr niedrig, die Jagd ging ber die Felder und Nutzung erschlossene Natur, hier insbesondere durch beeinträchtigte die Ernte, Hochwässer und Unwetter Land- und Forstwirtschaf, Obstbau, aber auch Deich- zerstrten die Fluren mit der Folge von Hungersn- bau, Waldrodungen und Entwässerungen, aber auch ten, Kriege oder Kontributionen zehrten die Vorräte Straßenbau, sollte ntzlich und zugleich schn sein. auf. Das alles war Grund genug, der Landwirtschaf Geschont werden sollten die ntzlichen und schnen als bestimmenden Wirtschafszweig oberste Priorität Werke des Menschen in der Natur, eben der Land- einzuräumen und nutzbares Land zu erschließen. schaf, im Zusammenhang mit der Kunst. Um seine Aufassung zu sttzen, fhrt Wallaschek Wallaschek dehnt seine Aufassung sogar so weit verschiedene Argumente an. Zuerst geht er auf die und behauptet, „wilde Natur“ sei „den Auflärern Forschungsreisenden des 18. Jahrhunderts Johann nicht nur von hohem Wert [gewesen], sondern es kam Reinhold Forster und dessen Sohn Johann Georg ihnen sehr wohl in den Sinn, sie zu schonen und zu Adam Forster ein, die Frst Franz in London traf schtzen“. Dies steht im Gegensatz zu den allgemein und die ihm eine kleine ethnographische Sammlung anerkannten Ideen der Auflärer, die mittels der Ver- aus der Sdsee schenkten. Georg Forster besuchte nunf die Gesellschaf und ihr Verhältnis zur Natur zudem Franz 1779 in Wrlitz. Aus Bruchstcken von gestalten (bzw. umgestalten, erschließen, nutzen) Zitaten glaubt er herauszulesen, dass der Kontakt zu wollten! Im Denken des 18. Jahrhunderts war „wilde den Forsters ihn veranlasst hätte, in der benannten Natur“ zu bekämpfen und zu beseitigen. Deshalb habe Inschrif unter Natur tatsächlich die „wilde Natur“ ich das Zitat von Friedrich dem Großen angefhrt: zu verstehen. Der Kontakt zu den Forsters zeitigte „Wer den Boden verbessert, wst liegendes Land ur- aber als bemerkenswertes Ergebnis die Errichtung

74 Abb. 3: Wrlitzer Anlagen, Toleranzblick vom Elbedeich zur Kirche und Synagoge.

des Sdseepavillons von 1779 auf dem Eisenhart in auch auf den in Berlin wirkenden Philosophen Moses Wrlitz, in dem die geschenkte Sammlung ihren Platz Mendelsohn (1729−1786) zurck, der in Dessau ge- fand (Abb. 2). Das drckt aus, dass Franz großes Inte- boren wurde und der die Idee der Gleichwertigkeit resse an der Kultur fernen Ländern hatte, mehr aber der Religionen vertrat. Gotthold Ephraim Lessing auch nicht. Sein Interesse erstreckte sich dem Zeit- (1729−1781) setze ihm in „Nathan der Weise“ ein geist entsprechend auch auf die Kultur Chinas. Aus Denkmal. englischen Vorbildern, denn er kannte selbst China Die Erläuterungen von Wallaschek zum Gebrauchs- nicht, bernahm er die Anregungen zur Gestaltung wert der Natur sind im Zusammenhang mit der vertre- chinoiser Innenräume. Am Rand des alten barocken tenen Ansicht ber die „wilde Natur“ schwer einzu- Parks Oranienbaum gestaltete er den Wassergarten ordnen, da er selbst die „Herstellung der Verfgungs- in einen Garten im chinesischen Stil mit Pagode und gewalt ber die vorgeblich „wertlose wilde Natur“ bis Glockenturm um – also weit mehr, als ihn die Sdsee- hin zur „gewaltsamen Aneignung von Rohstofen, sammlung inspirierte. Ressourcen und Arbeitskräfen in aller Welt“ be- Weiterhin verweist Wallaschek auf eine Sicht in den schreibt (Suchanek 2001), was ja der Umwandlung Wrlitzer Anlagen, die vom Elbewall nahe dem soge- der Natur durch Aneignung in Landschaf entspricht. nannten Monument auf die Kirche und die Synagoge Auch sein Verweis auf die Lehre der Physiokraten, gerichtet ist. Im Bereich dieser Sicht steht der War- nach der nur die Natur Werte hervorbringt, hilf hier nungsaltar, was Wallaschek unter Bezug auf Schil- nicht weiter, weil diese Werte der Natur eben durch ling veranlasst zu deuten, dass Frst Franz „Religion, Nutzung erschlossen wurden. Vernichtung der Natur, Kunst und Natur als gleichberechtigt“ habe darstellen die Wallaschek andeutet, durch Verwandlung in wollen. Dem ist nicht so, vielmehr handelt es sich um Landschaf, stand nirgendwo zur Diskussion. Um zu den „Toleranzblick“ auf Kirche und Synagoge, der vermeiden, dass ein Missverständnis in Bezug auf den die gleichen Wertigkeiten der Religionen verdeutlich Begrif der „Landschaf“ vorliegt, fge ich im Anhang (Abb. 3). Das Motiv entspringt der Tatsache, dass einen Text zur Aufassung der Landschaf durch die Franz den Juden mehr Rechte einräumte. Es geht aber Auflärer an.

75 Es sei abschließend noch darauf hingewiesen dass Franz“ die historische Gestalt des Frsten wieder in der Begrif der „wilden Natur“ erst in der Gegenauf- den Mittelpunkt zu stellen (Pečar 2017). Nun zeich- klärung der Romantiker zentrale Bedeutung gewann. net Wallaschek auch noch das Bild eines „Wildnis- Dem folgend wandelt sich auch der Inhalt des Begrifs Franz“. Armer Franz! der Landschaf. Auch hierzu folgen im Anhang Erläu- terungen. Anhang Zum Abschluss seiner Abhandlung kommt Walla- schek wohl auf den eigentlichen Grund seiner Darle- Die nachfolgenden Texte sind verkrzte Ausfhrun- gungen zu sprechen, indem er auf mehrerer eigene Bei- gen aus dem Manuskript „Landschafsgeschichte von träge in der von ihm herausgegebenen Reihe „Beiträge Anhalt unter besonderer Bercksichtigung von An- zur Geschichte der Zoogeographie“ (u. a.) verweist. Das halt Dessau (Reichhoff et al. 2017). Fazit daraus lautet: „Es ist endlich an der Zeit, mit der Legende der Ahnungslosigkeit unserer (wissenschafli- Landschaf im Denken der Auflärung – chen) Vorfahren in den Fragen des Schutzes der Natur Vorbild englische Landschaf zu brechen.“ Gut so, aber das bezweifelt ja niemand. Seit frhester Zeit gab es immer aus Einzelmotivationen Die liberale wie die demokratische Auflärung ver- heraus veranlasste Schutzbemhungen fr bestimmte bindet das Ziel, dass die Natur besiegt und beherrscht Teile der Natur (oder eben der Landschaf). Das lässt werden muss. sich in unserem Raum schon am Schutz der Baumanns- Der Landschafsgarten, den Frst Franz auf seinen hhle [1668] (Müller et al. 1997: 17) oder der Teufels- Reisen in England kennen lernte und ihn auf das euro- mauer [1833] (Funkel, Reichhoff & Schönbrodt päische Festland zusammen mit der klassizistischen 2003: 225) und außerhalb dessen des Drachenfelsens und neogotischen Architektur als Stilrichtung seines im Siebengebirge [1836] (Schmoll 2006: 14) oder des Gartenreiches holte, war Kern der Vorstellung von Totensteins in der Oberlausitz [1844] (Giesler 2016) be- Landschaf, die in der demokratischen Auflärung eine legen. Bannwälder dienten der Jagd und es gab jagdliche besondere Rolle spielte. Im Landschafsgarten begeg- Regelungen zum Schutz von Arten. Fr das Gartenreich nen sich liberale und demokratische Aufassungen der Dessau-Wrlitz kann aus der ersten Hälfe des 19. Jahr- Auflärung. „Der Landschaf wurde in jener Zeit in hunderts der Schutz der Solitäreichen angefhrt wer- verschiedenen weltanschaulichen und knstlerischen den, den der Herzog Leopold Friedrich aus ästhetischen Richtungen die Hauptaufgabe zugesprochen, den Grnden unter Anwendung des „Eichenregals“ recht- Menschen zu bessern, oder anders formuliert, sie galt lich durchzusetzen bemht war (Schultheis & Reich- als Erziehungsmittel. Das Spazieren in der Landschaf, hoff 2011). „So besitzt der moderne Naturschutz zwar das Leben in ihr, das Malen von Landschafen, das zahlreiche Vorläufer und Traditionslinien, die teils weit Beschreiben von Landschafen in Romanen und Ge- in die Geschichte zurckreichen und weit ber europä- dichten, das knstliche Herstellen von Landschafen, isch-westliche Horizonte hinausweisen. […] Aber: In all d. h. das Anlegen von Landschafsgärten, diente der Er- diesen Fällen folgen die Schutzvorstellungen partikula- ziehung der Menschen zur Tugend“ (Trepl 2012: 39). ren Interessen oder solitären Einstellungen bestimmter Dabei ging die Auflärung von einer Ideal-Landschaf sozialer Gruppen zur Natur. Insgesamt ist der Natur- aus, die sie an allen Orten in gleicher Weise erfahren schutz als eine Bewegung, die das Ideal der Bewahrung wollte. Dieser Idealtypus in Gemälden und Schilde- der natrlichen Umwelt ber den Zweck ihrer Nutzung rungen beschrieben, war vorgegeben und nicht aus der stellt und dem Primat der Ökonomie einen Primat der Eigenart der Gegend und ihrer Nutzung ableitbar. Natur entgegensetzt, ein typisches Symptom moderner Der Landschafsgarten wurde im Gegensatz zum Gesellschafen, das erst mit der Entfaltung der industri- barocken franzsischen Garten zum Ausdruck von ellen Moderne breite gesellschafliche Resonanz fand“ Freiheit, dargestellt in idealisierter Natur. Aber nicht (Schmoll 2006). Schon aus diesem Grund kann der Be- die Regellosigkeit der Wildnis wurde hier angestrebt, grif „Natur“ auf der Inschrif des Warnungsaltars kein sondern das harmonische Bild der geordneten Natur. frher Hinweis auf den modernen Naturschutz sein. Nicht ein zentraler Blick prägt den Garten, sondern Auf Frst Franz bezogen ist die Geschichtsforschung viele Blicke von den verschiedensten Standpunkten seit geraumer Zeit darum bemht, nach der Entkon- und aus der Bewegung im Raum heraus ermglichen textualisierung der Erinnerungsfgur des „Vater das individuelle freie Erlebnis des Besuchers. Diese

76 schne und harmonische Natur grif das Arkadien- wurden. Dies barg in sich die stets wiederkehrende motiv auf. Die antike Weidelandschaf, das Hirtenle- Überraschung, das Kennenlernen des stets Neuen, ben fr Muße und Liebe, steht in der demokratischen den Wechsel in Raum und Zeit. Eine Wanderung 1797 Auflärung fr den Naturzustand von den in Frieden von Dessau nach Wrlitz wurde so zum Erlebnis und Harmonie lebenden Freien und Gleichen (Ge- (Boettiger 1982). linsky 2008: 90). Die Landschaf sollte zugleich das Bild reichen Wach- Diese erzieherischen Ziele verfolgte auch Frst Franz sens und Werdens auf den Ackerfächen, die Vermitt- in seinen Gärten mit zahlreichen allegorischen Hin- lung von kultivierten und ertragreichen Flächen ver- weisen bis hin zur demonstrativen Bewirtschafung mitteln. Auf den Wiesen erwartete man weidende, gut von Äckern in diesen Gärten oder zum Anbau von genährte Tiere, die den Wohlstand des Landes vermit- Klee, zur Mergelung, zum Obstbau oder zur Stallhal- telten. Geordnete Nutzung in gestalteter Landschaf tung von Tieren. Die Bauern seines Ländchens sollten waren die Ziele, waren die Idealbilder der Auflärung. die modernen landwirtschaflichen Methoden kennen Das harmonische, schne und ntzliche Bild der lernen und ihnen nacheifern. Landschaf zur Zeit der Auflärung wurde entschei- dend fr das Landschafsbild des heutigen Menschen. Die englischen Gärten und Landschafen wurden Hinzu traten aber noch die Ideale der Landschaf in ihm zum Vorbild fr die Gestaltung seines ganzen der Folgezeit der Romantik, das nicht ohne Kritik Frstentums als Garten. Dabei kann mit großer am klassischen Landschafsbild war. Während in der Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Auflärung und im Klassizismus das landschafliche er in den die englischen Weidelandschafen prägen- Ideal stark intellektualisiert, ja auch aus der Distanz den Eichenwiesen das Potenzial seiner Auen erkannte, oder aus dem Wissen der antiken Vorbilder heraus in denen, aus historischer Nutzung stammend, eben geprägt war und die Empfndsamkeit einen gewissen solche Eichen die Landschaf prägten. Die Aufmerk- rationalen Grund hatte, verdrängte die Romantik samkeit fr die Eichen kommt in einer Tagebuchauf- diese Aufassung und stellte an ihre Stelle die Emo- zeichnung der Frstin Luise auf ihrer Englandreise tion, das unmittelbare tiefe Berhrtsein durch den 1775 zum Ausdruck: „Nachdem wir dort von Insley Anblick der Landschaf und die Verinnerlichung mit (=Ainsley?) Abschied genommen, fuhren wir weiter dem eigenen Leben und Erleben. nach Windsor. Je näher man diesem Ort kommt, je mehr gleicht die Gegend der unsrigen. … Hernach Landschaf im Denken und Fhlen der Romantik fuhren wir durch den Park, welcher mir schon durch Pope war bekannt gemacht worden – schn ist er, Die Romantik ist nun die konservative Gegenbewe- freilich – aber unser Gehlze, unsere Wälder sind weit gung zur Auflärung. Mit den Napoleonischen schner“ (Geyer-Kordesch 2007: 190f.). Kriegen verschwanden die Ziele der Auflärung in Hhepunkte der gestalteten anhaltischen Gesamt- Anhalt-Dessau. Als Herzog musste Franz erfahren, landschaf, die später als „Gartenreich“ apostrophiert dass viele Prinzipien seiner reformerischen Epoche, wurde, waren die Landschafsgärten, unter denen vor wie Weltofenheit, Dialog und Mäßigung, in restaura- allem den Wrlitzer Anlagen eine bestimmende Rolle tiven Bestrebungen untergingen. Sein Enkel, Herzog zukommt. In der Summe reihen sie sich im Elbetal Leopold Friedrich, wandte sich, abgesehen von der zwischen Dessau und Wrlitz wir Perlen an einer Neigung zur gestalteten Landschaf und den Gärten, Kette, so von Westen nach Osten insbesondere das mit gänzlich anderer Vorstellung, vom Denken seines Georgium, das Luisium, der Sieglitzer Berg, der Ber- Großvaters ab. tingpark und die Wrlitzer Anlagen. Der grundsätzliche Unterschied im Denken von Auf- klärung und Romantik wird insbesondere in Bezug zur In die Landschaf wurden Dämme und Straßen mit Religion deutlich. Während die Religion in der Auflä- Obst bepfanzt, Kleinarchitekturen wie Sitze und rung nach Kant die subjektive Erkenntnis der Pfichten Wachhäuser errichtet, die Orte mit Kirchen und als gttliche Gebote ist, wird sie bei Schleiermacher ein klassizistischen Zweckbauten verschnert u. a. m. Die subjektives Erlebnis, ein Grundgefhl der unendlichen Landschaf erschlossen weite Sichten, die mit dem und lebendigen Natur (Trepl 2012: 120f.). Motiv des Weiterreichens von Ort zu Ort, von Raum Die Romantik lehnt in diesem Sinne den rationalen zu Raum fhrten. Dabei wurden „Auge und Fuß ge- Zugang der Auflärung zur Natur ab, von dem diese trennt“, sodass die Ziele nie auf geradem Weg erreicht vom Wunderbaren nur das Erklärliche brig ließ.

77 „Damit wendet sich die Romantik ab von der Idee Geyer-Kordesch, J. unter Mitarbeit von A. Erbacher & eines auf Vernunf gegrndeten, technischen wie U. Quilitzsch (Hrsg.) (2007): Die Englandreise der Frs- tin Louise von Anhalt-Dessau im Jahre 1775. – Berlin (Ni- moralisch-politischen Fortschritts […]. Fortschritt colaische Verlagsbuchhandlung). − Kataloge und Schrifen scheint den Romantikern jedoch durchaus mglich, der Kulturstifung DessauWrlitz Band 26: 288 S. allerdings auf ganz anderer Ebene. Während fr die Giesler, T. (2016): Die Felsen Eulenstein, Zeisigstein und Auflärung die Kunst vornehmlich eines der Mittel Teufelsstein – Spurensuche in den Knigshainer Bergen. – im Dienste des Fortschritts war, wird sie nun selbst Grlitz. – Berichte der Naturforschenden Gesellschaf der Oberlausitz 24: 69−82. zum Ziel. Dabei rckt die knstlerisch beseelte Land- Haber, W. (2014): Landwirtschaf und Naturschutz. – Wein- schaf in den Mittelpunkt“ (Trepl 2012: 123). heim (Viley-VCH): 298 S. Die Kunst sollte es im Sinne einer neuen Mythologie Hirsch, E. (1974): Das Ntzliche mit dem Schnen. Die ermglichen, die Natur als das zu zeigen, wonach man „weltweite Bedeutung“ der Dessau-Wrlitzer Kulturland- sich sehnt. Dies zu sehen ist nicht nur dem Knstler schaf und ihre Rolle in unserer sozialistischen Gesell- schafsordnung. – In: Zwischen Wrlitz und Mosigkau. mglich, sondern auch dem Betrachter der Kunst wie – Dessau. − Schrifenreihe zur Geschichte der Stadt Dessau auch dem Wanderer, der die Natur betrachtet. Diese und Umgebung 11: 3−22. Kunst-Religion war aufs Engste mit der Landschaf ver- Müller, J., L. Reichhoff, C. Röper & R. Schönbrodt bunden, aus der der Einzelne in persnliche Betrach- (1997): Die Naturschutzgebiete Sachsen-Anhalts. – Jena, tung die Verheißung des Glcks erfahren sollte. Nicht Stuttgart, Lbeck, Ulm (Gustav Fischer Verlag): 543 S. die reale Landschaf war der Gegenstand der Wider- Pečar, A. (2017): Vater Franz oder Frst Franz von Anhalt- Dessau? Vorbedingungen zum Verständnis des Frsten in spiegelung, sondern die Empfndung des Betrachters. seiner Residenzstadt Dessau. Der Frst und seine Stadt. Diese Ideen fnden sich in der romantischen Land- Leopold Friedrich Franz und Dessau. – Pečar, A. & F. schafsmalerei wieder. Während in der Auflärung Kreissler (Hrsg.). – Petersberg (Michael Imhof Verlag). – der Betrachter der Kunst gegenber steht und sie ana- Verfentlichungen des Stadtarchivs Dessau-Roßlau, lytisch erschließt, soll der Betrachter in der Romantik Band 20: 10−17. Reichhoff, L. (2016): „Wanderer achte Natur und Kunst und sich selbst im Bild fnden, in dieses eingehen. schone ihrer Werke“. Zur Interpretation der Inschrif auf Die Landschaf der Romantik ist nicht mehr die har- dem Warnungsaltar in den Wrlitzer Anlagen. – Natur- monische, durch Vernunf gestaltete Natur. Vollen- schutz im Land Sachsen-Anhalt 53: 108−109. dung sollte es nicht geben, der Weg zur Vollendung Reichhoff, L. et al. (2017): Landschafsgeschichte von Anhalt war endlos. Und diese Ferne war der menschlichen unter besonderer Bercksichtigung von Anhalt-Dessau. – Unverf. Manuskript. Vernunf nicht zugänglich. Schmoll, F. (2006): Schnheit, Vielfalt, Eigenart. Die Formie- War in der Auflärung die Wildnis feindliche, durch rung des Naturschutzes um 1900, seine Leitbilder und ihre Vernunf zu unterwerfende und nutzbar zu machen- Geschichte. – In: Frohn, H.-W. & F. Schmoll (Bearb): den Natur, so wurde sie in der Romantik Ausdruck Natur und Staat. Staatlicher Naturschutz in Deutschland der Grße der Natur, vor der die menschliche Win- 1906−2006. – Bonn Bad-Godesberg. − Naturschutz und Biologische Vielfalt 35: 13−84. zigkeit erschauderte. Wildnis war gttliche Grße der Schultheis, C. & L. Reichhoff (2011): Das Eichenregal – ein Natur. Damit wurde sie als Gegenwelt und „heilige Geschtzter Landschafsbestandteil der Stadt Dessau-Roßlau Wildnis“ entdeckt. zum Schutz der Alteichen im Gartenreich Dessau-Wrlitz. – Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 48 (1+2): 32−38. Suchanek, N. (2001): Mythos Wildnis. – Stuttgart (Schmet- terling Verlag): 135 S. Literatur Trepl, L. (2012): Die Idee der Landschaf. Eine Kulturge- Boetticher, C. (1982): Reise nach Wrlitz 1797. Aus der schichte von der Auflärung bis zur Ökologiebewegung. – Handschrif ediert und erläutert von Ehrhard Hirsch. Bielefeld (transcript Verlag): 255 S. 4. Auf. – Wrlitz: 88 S. Wallaschek, M. (2017): Eine weitere Interpretation des Däumel, G. (1961): Über die Landesverschnerung. – Grei- Wrlitzer Warungsaltars. – Naturschutz im Land Sachsen- senhaim/Rheingau: 200 S. Anhalt 54: 71–73. Funkel, C., L. Reichhoff & R. Schönbrodt (2003): Die Natur- und Landschafsschutzgebiete Sachsen-Anhalts. Ergänzungsband. – Landesamt fr Umweltschutz Sachsen- Anschrift des Autors Anhalt (Hrsg.). – Halle (Saale): 456 S. Gelinsky, E. (2008): Vielfalt und regionale Eigenart als struk- Dr. sc. Lutz Reichhof turierende Prinzipien einer Kulturtheorie des Essens. LPR Landschafsplanung Dr. Reichhof GmbH Eine ideengeschichtliche Rekonstruktion am Beispiel der Organisation Slow Food. – Mainz. − Beiträge zur Kulturge- Zur Großen Halle 15 ∙ 06844 Dessau-Roßlau schichte der Natur 17: 289 S. E-Mail: [email protected]

78 Der Lärchen-Splintbock in Sachsen-Anhalt

Andreas Rößler

Von den 200 Bockkäferarten, die in Deutschland vor- kommen, wurden laut Neumann & Malchau (2016) bisher 159 Arten fr Sachsen-Anhalt nachgewiesen. Der Lärchen-Splintbock (Tetropium gabrieli, Abb. 1) ist eine in Mitteleuropa verbreitete Art, ohne bei uns häufg zu sein. In Sachsen-Anhalt tritt der xylobionte Käfer sehr regional und selten auf. So steht er in der aktuellen Roten Liste der Bockkäfer Sachsen-Anhalts in der Kategorie 3 − gefährdet (Neumann 2004). Die Art ist monophag und besiedelt nahezu ausschließlich die Europäische und Sibirische Lärche. Selten wird der Lärchen-Splintbock in Kiefer nachgewiesen.

Schimitschek (1929) hat unter anderem Untersu- chungen zur Kopula, Eiablage und Dauer des Eista- diums angestellt. Danach erfolgte die Eiablage in der Regel vom 4. bis 6. Tag nach dem Schlpfen der Tiere. Die Kopula beginnt gleich nach dem Schlpfen. Das heißt, dass die Geschlechtsorgane im Augenblick des Schlpfens bereits vllig ausgereif sind. Am 5. Tag Abb. 1: Der Lärchensplintbock ist als gefährdete Art nach der ersten Begattung vollzieht sich bereits eine in der Roten Liste Sachsen-Anhalts aufgefhrt. Foto: intensive Eiablage. Die Dauer der Eiablage erstreckt A. Rßler. sich ber rund 14 Tage. Die Eier sind 1,0 bis 1,2 mm lang und 0,2 bis 0,3 mm breit, längsoval und weißlich mit einem sehr feinen Stich ins grnliche. Die Eiruhe Tetropium gabrieli ist eine Art, die stark an die Ört- beträgt im Durchschnitt 10 bis 14 Tage. Es werden lichkeit gebunden ist und keine weiten Strecken nicht nur stehende Stämme besiedelt, sondern auch fiegend zurcklegt. Obwohl in der Literatur immer liegendes Holz und dicke Äste. Die Embryonalent- wieder von einer dämmerungs- und nachtaktiven wicklung dauert im Durchschnitt 10 bis 14 Tage. Die Lebensweise berichtet wird, gelangen sowohl alle Larven fndet man unter und in der Rinde von krän- Nachweise des Autors im Naturschutzgebiet Diebziger kelnden und absterbenden sowie frisch abgestorbenen Busch als auch die Nachweise durch Neumann (mdl. Bäumen. Es werden aber auch frische Stubben und Mitt.) in den Mittags- und Nachmittagsstunden. Die Klafer aufgesucht (Bringmann 1994). Aufallend Art wurde noch vor ca. 90 Jahren in einigen Gegen- ist bei der Besiedlung die Bevorzugung der unteren den Tschechiens und Österreichs als Schadinsekt Stammbereiche. angesehen. Die Ende des 19. Jahrhunderts aus forst- wirtschaflichen Grnden eingefhrte Japanische Lär- Die Larve ist meist 14 bis 28 mm lang, schwach nie- che trug nach Klausnitzer et al. (2016) sehr stark zur dergedrckt und frisst sich in die Kambialzone, wobei Ausbreitung des Lärchen-Splintbockkäfers bei. in der Regel die Längsrichtung des Stammes bevor- Jngere Nachweise gelangen durch Dammer (2017) im zugt wird. Die Generationsdauer beträgt in der Regel Wittenberger Ortsteil Kropstädt, Neumann (schrifl. ein Jahr. Die Verpuppung erfolgt im Frhjahr. Die Mitt.) im Hakel, bei Pechau, Colbitz, im FND „Erdfälle Puppe ist 10 bis 17 mm lang, 3 bis 4,5 mm breit und Drbeck“ sowie im FFH-Gebiet “Burgesroth und Laub- weiß. Zur Verpuppung frisst sich die Larve mit einem wälder bei Ballenstedt“. Der Autor konnte im Jahr 2017 längsovalen Gang quer in den Holzkrper hinein. Am mehrere Nachweise fr das Naturschutzgebiet „Dieb- Ende eines fr Tetropium-Larvenarten typischen Ha- ziger Busch“ erbringen. In Tabelle 1 sind die genauen kenganges befndet sich die Puppenwiege. Die Haupt- Daten und Fundortumstände aller in Sachsen-Anhalt fugzeit der Imagines ist von Mai bis August. seit 1990 nachgewiesenen Tiere dargestellt.

79 Tab. 1: Nachweise des Lärchensplintbock in Sachsen-Anhalt 1990 bis 2017.

Datum Fundort Anzahl Leg./Det. Fundumstände Jahr Tag/Monat 1990 11.–17.5. Hakel 12 M. TROST 1992 26.2. Hakel 1 C. NEUMANN 26.6. Hakel 1 C. NEUMANN, V. NEUMANN, T. HOFMANN 1993 22.6. bei Pechau 1 V. NEUMANN 1995 Anfang Mai Hakel 2 C. NEUMANN, V. NEUMANN, T. HOFMANN Ex. pupa 22.6. NSG Kreuzhorst 1 H. BREITBARTH Tagfang 1998 27.6. bei Colbitz V. NEUMANN Fraß an Lärche 1999 30.5. Kleiner Hakel 1 S. SCHORNACK 2000 5.5. Umgebung Wilhelmshall 2 M. JUNG Westteil Huy 1 2001 28.7. NSG Kreuzhorst 1 H. BREITBARTH Lichtfang 2003 19.7. NP Harz, bei Schierke 1 H. BREITBARTH Lichtfang 2005 3.6. Blankenburg, Osterholz 1 M. JUNG 2007 3.6. Umgebung Ivenrode 2 H. BREITBARTH Lichtfang 2008 18.6.–13.10. FND Erdfälle Drbeck V. NEUMANN Fraßbilder, Larven, Schlupf- lcher, Käferreste 2011 11.5.–6.8. FFH-Gebiet Nr. 177, Burgesroth V. NEUMANN Entwicklungsstadien und Laubwälder bei Ballenstedt 22. u. 26.5. Athenstedt je 1 M. JUNG Holzscheite aus dem Osthuy 2016 28.5. Kropstädt b. Wittenberg 1 J. DAMMER Holzschober 2017 28.4. NSG Diebziger Busch 1 A. RÖSSLER Lärchenklafter, 0,7 ha Ein- schlag im Jahr 2015/16, Alter 41 Jahre 12.5. NSG Diebziger Busch 8 A. RÖSSLER gleiche Stelle 13.5. 2 19.5. 2

Literatur Neumann, V., K. Neumann & T. Hofmann (2001): Die Bock- käferfauna (Coleoptera; Cerambycidae) des Hakelwaldes. Dammer, J. (2017): Nachweis von Tetropium Gabrieli (Weise, – Abh. Ber. Mus. Heineanum 5: 95–104. 1905) (Coleoptera, Cerambycidae) im Landkreis Witten- Schimitschek, E. (1929): Tetropium gabrieli Weise und Tetro- berg, Sachsen-Anhalt. – Entomol. Mitt. Sachsen-Anhalt 25 pium fuscum F. Ein Beitrag zu ihrer Lebensgeschichte und (2): 104. Lebensgemeinschaf. – Zeitschrif fr angewandte Ento- Klausnitzer, B., U. Klausnitzer, E. Wachmann & Z. Hro- mologie 15 (2): 229–334. madko (2016): Die Bockkäfer (Cerambycidae) Mitteleuro- pas. 3., stark berarbeitete und erweiterte Aufage. – Die Neue Brehm-Bcherei, Bd. 499. – Magdeburg. – 2 Bände: 693 S., 157 Abb., 324 Fotos, 40 Tabellen. Anschrift des Autors Neumann, V. (2004): Rote Liste der Bockkäfer (Coleoptera: Ce- rambycidae) des Landes Sachsen-Anhalt. – Berichte des Lan- Andreas Rßler desamtes fr Umweltschutz Sachsen-Anhalt, H. 39: 299–304. Neumann, V. & W. Malchau (2016): Bockkäfer (Coleoptera: Am Hilligbornfeld 24 ∙ 06386 Gemeinde Osternien- Cerambycidae) Bestandssituation. – In: Frank, D. & P. burger Land OT Großpaschleben Schnitter (Hrsg.): Pfanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt. E-Mail: [email protected] – Natur+Text. – Rangsdorf: 861–873.

80 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55. Jahrgang • 2018: 81–93 Mitteilungen

Ehrungen

Heinz Quitt zum 90. Geburtstag

Am 27.02.2018 beging Oberfrster a. D. Heinz Quitt in Wernigerode, bei bester Gesundheit, seinen 90. Ge- burtstag. Der 1928 in Trbsdorf bei Weimar geborene Jubilar ist seit nunmehr 67 Jahren im ehrenamtlichen Naturschutz tätig und damit wohl zu Recht ein echtes „Urgestein des Naturschutzes“. Als Jugendlicher wurde er, wie viele seiner Alters- genossen, zur Wehrmacht eingezogen. Nach kurzer Gefangenschaf gelang ihm 1945 die Flucht aus dem Kriegsgefangenenlager. Im Jahre 1946 legte er das Abitur ab, und erst nach dem erfolgreichen Abschluss einer Waldarbeiterlehre, die er im Forstamt Hachel- bich (Hainleite) absolvierte, konnte er 1949 mit dem Forststudium in Berlin-Eberswalde beginnen. Von 1949 bis 1953 studierte Heinz Quitt Forstwissenschaf an der forstlichen Fakultät der Humboldt-Universität in Eberswalde. Der Einfuss des Forstbotanikers und Hochschullehrers Prof. Dr. Alexis Scamoni, der sich nach dem Kriege um die Ausweisung von Wald- schutzgebieten in der ehemaligen DDR verdient gemacht hat, war prägend fr den jungen Quitt und weckte sein Interesse am Naturschutz. Heinz Quitt am ehemaligen „Mattengarten“ an den Nach Abschluss des Studiums arbeitete er zunächst Zeterklippen (2005). Im sogenannten Mattengarten als Oberfrster in Gstrow und Genthin. Ab 1957 war sollten selten Brockenpfanzen geschtzt werden. er Mitarbeiter in der Abteilung Forstwirtschaf beim Foto: G. Karste. Rat des Bezirkes Magdeburg. 1963 ging er in den Harz und bernahm die verantwortungsvolle Funktion des Produktionsleiters im Staatlichen Forstwirtschafs- betrieb Wernigerode und ab dem 01.01.1972 leitete gang fhrte ihn dann von 1957 bis 1962 zum Rat des er bis zu seiner Pensionierung die Oberfrsterei in Bezirkes Magdeburg, wo er sich eine Übersicht ber Ilsenburg. die Waldgebiete des Bezirkes und ber die Natur- Bereits als Oberfrster in Genthin bemhte er sich schutzarbeit verschafen konnte. In dieser Zeit war er um eine ofene und enge Zusammenarbeit mit dem auch maßgeblich an der Ausweisung von 31 waldbe- ehrenamtlichen Naturschutz. Der berufiche Werde- stockten Naturschutzgebieten (NSG) im Bezirk Mag-

81 deburg beteiligt. Dazu gehrten solche klassischen entwickelte sich auch mit dem 1953 in Halle neu ge- Naturschutzgebiete wie etwa das NSG „Elendstal“ bei grndeten Institut fr Landesforschung und Natur- Elend, die Neuausweisung des NSG „Oberharz“, jetzt schutz, später Institut fr Landschafsforschung Bestandteil des Nationalparks Harz und das in der und Naturschutz (ILN). Heinz Quitt kannte aus der Elbeaue gelegene NSG „Steckby-Ldderitzer Forst“. Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaf mittel- Im Oberharz mussten schon damals die notwendigen deutscher (später herzynischer) Floristen den Botani- und sinnvollen Erfordernisse des Naturschutzes mit ker Prof. Dr. Hermann Meusel, der gleichzeitig erster den Ansprchen der Gemeinde Schierke bezglich Institutsdirektor des ILN war. Daraus entwickelte sich des Wintersports abgestimmt werden, was fr den eine enge Zusammenarbeit mit dem ILN und den fr engagierten Naturschtzer und Forstmann nicht im- die Bezirke Halle und Magdeburg zuständigen Ar- mer einfach zu bewerkstelligen war. Im NSG „Steckby- beitsgruppenleitern Dr. Hugo Weinitschke und später Ldderitzer Forst“ schafe es Heinz Quitt, das forst- Dr. Peter Hentschel, die sowohl den ehrenamtlichen liche Nutzungsvolumen der dortigen Auenwälder im Naturschutz als auch die Forstbetriebe naturschutz- Sinne eines Schutzwaldes zu minimieren, entgegen fachlich anleiteten. den Nutzungsansprchen der damaligen Forstwirt- schaf. In der Zusammenarbeit mit den Kreisnaturschutz- Die Verdienste des Jubilars sind sehr weit gefächert beaufragten des Bezirkes und dem ILN sowie durch und betrefen durchaus nicht nur den Naturschutz, den Einsatz von forsteigenen Kräfen gelang es ihm sondern auch die Forstwirtschaf, den Landschafs- immer wieder den Naturschutz zu stärken und be- schutz, die Forstwissenschaf, und diese besonders im stehende Konfikte bei naturschutzrelevanten Fragen Spiegel ihrer langen Geschichte im Harz, die Botanik, zu entschärfen. Als Beispiele seien hier genannt: die den Umweltschutz und den speziellen Artenschutz. Überwindung der unterschiedlichen Aufassungen Seine besondere Fähigkeit bestand im Schlichten von zur Pfege des NSG „Harslebener Berge-Steinholz“, Interessenkonfikten, im Ausgleich und der Pfege die Mitwirkung bei der Zusammenlegung der NSGs zwischenmenschlicher Beziehungen. Im Naturschutz, im Huy und der Orchideenschutz im Teilgebiet Wein- wo in der Regel viele Individualisten miteinander berg sowie die Erhaltung der „Brockenmatten“ und agieren und mit Behrden zusammenwirken, erwies des Brockengartens. Auch bei den Maßnahmen zum sich das immer als besonders wichtig. Bergwiesenschutz gab es Konsens und später eine gute Zusammenarbeit mit dem KNB Horst Eckardt, der im Frhzeitig knpfe er Kontakt zum hauptamtlichen Gebiet von Hasselfelde und Benneckenstein agierte. Naturschutzreferenten im Bezirk Magdeburg Walde- Fr Heinz Quitt bedeuteten damit verbundene Ausein- mar Horn und zum ehrenamtlichen Bezirksnatur- andersetzungen immer, die Argumente des Partners schutzbeaufragten Dr. Oskar Ludwig. Von letzterem ernst zu nehmen, zuzuhren und gemeinsam nach bernahm Heinz Quitt im Jahre 1963 die ehrenamt- einer Lsung zu suchen. Ein Denken an die eigene liche Funktion des Bezirksnaturschutzbeaufragten Karriere lag ihm fern. fr den Bezirk Magdeburg und fhrte sie erfolgreich bis 1988 weiter. Rckblickend resmiert der Jubilar, Voller Konfiktpotenzial war in der damaligen Zeit dass die Arbeit mit den ehrenamtlichen Kreisnatur- die Zusammenarbeit zwischen dem Kulturbund der schutzbeaufragten (KNB) in der Zeit von Dr. Ludwig DDR und dem ehrenamtlichen Naturschutz, der bei schwierig war, das Durchschnittsalter der KNB lag den Landkreisen angesiedelt war. Der Kulturbund der zu dieser Zeit deutlich ber 65 Jahre. Mit den meisten DDR, der mit seinen DDR-weit 60.000 Mitgliedern als KNB hatte Dr. Ludwig bereits vor dem Krieg zusam- „Massenorganisation“ den Freizeitaktivitäten interes- mengearbeitet und „Ermdungserscheinungen“ stell- sierter Brger auf vielen Gebieten eine Plattform bot, ten sich ein, auch nahm das „Durchsetzungsverm- hatte auch im Bereich Natur und Umwelt verschiede- gen“ ab. Mit viel Geschick gelang es Heinz Quitt nach ne Fachausschsse und Fachgruppen, wie die Natur- seiner Amtsbernahme 1963, jngere Stellvertreter und Heimatfreunde oder die Fachgruppe Touristik einzusetzen, die allmählich in die Aufgaben eines und Wandern. Zwischen den Natur- und Heimat- KNB hineinwuchsen. Nach eigener rckschauender freunden im Kulturbund und den Naturschutzhelfern Wertung hatte er diese ehrenamtliche Arbeit deutlich gab es des Öferen Meinungsverschiedenheiten ber unterschätzt, was berwiegend zu Lasten der Freizeit den Umgang mit der Natur, was zu Spannungen fhr- und der Familie ging. Eine enge Zusammenarbeit te, die Heinz Quitt durch seine ruhige sachliche Art

82 entschärfen konnte. Da er von beiden Seiten gleicher- cherzustellen. Gern hätte er nur fr das Brockengebiet maßen akzeptiert wurde, bernahm er neben dem einen strengeren Schutzstatus durchgesetzt und die Ehrenamt des Bezirksnaturschutzbeaufragten auch ausgedehnten Fichtengebiete unterhalb des Brockens die Leitung des im Kulturbund der DDR verankerten in einer nachhaltigen, naturschutzgerechten Bewirt- Bezirksfachausschusses fr Naturschutz und Landes- schafung belassen. Eine solche Vorgehensweise wäre kultur im Bezirk Magdeburg. Fachliche Reputation in einem Biosphärenreservat mglich gewesen und und menschliche Integrität bildeten die Basis fr seine dafr gab es bereits 1979 in der DDR erste Pläne. Die hochgeachtete Vertrauensposition. Ausweisung des Gebietes als Biosphärenreservat war aber aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht mg- Dienstlich hatte Heinz Quitt als Oberfrster im Jahre lich, so wurde der Hochharz der erste Nationalpark 1972 mit der Oberfrsterei Ilsenburg eines der inter- im Harz. Heinz Quitt setzte sich dann dennoch fr essantesten Forstgebiete der DDR bernommen. Die den umfassenden Schutz des Gebietes ein und war bis Oberfrsterei umfasste die nrdlichen Harzrandla- 1996 stellvertretender Vorsitzender der „Gesellschaf gen und reichte bis zum Brocken hinauf, nicht un- zur Frderung des Nationalparks Harz“ und später ihr problematisch durch den Grenzverlauf im gesamten Ehrenmitglied. Bereich. Landnutzung und Naturschutz bildeten fr den Jubi- Die Wrdigung des Jubilars wäre unvollständig, wenn lar immer eine Einheit und in seiner Oberfrsterei die Autoren nicht auf die Leistungen fr den speziel- versuchte er diese Grundsätze auch durchzusetzen, len Artenschutz eingehen wrden. Bekannt ist vor so auf dem Renneckenberg nordstlich des Brockens. allem der zoologische Artenschutz. Als Bezirksnatur- Hier sollte die Nutzung erstmals durch ein neuartiges schutzbeaufragter setzte er sich fr den Schutz des System von Sturmriegeln im Hochlagen-Fichtenwald Elbebibers, des Weißstorchs und der Großtrappe ein. in der Praxis erprobt werden. Grundlage war eine Dis- Fr letztere befrwortete er eine Aufzuchtstation in sertation von Oberforstmeister Dr. Gnter Pietsch- Steckby, mit zusätzlicher personeller Besetzung. Die mann, der von 1959 bis 1962 Sonderbeaufragter fr Schutzbemhungen fr Wildkatze, Wanderfalke und Wiederauforstung im Oberharz war und anschlie- Auerhuhn waren mehr auf den Harz fokussiert. Hin- ßend eine Zeit lang als Forstamtsleiter und Fachdi- sichtlich der Wildkatzenforschung verband ihn eine rektor fr Produktion im staatlichen Forstbetrieb enge Zusammenarbeit mit dem Kustos der Universi- Wernigerode und Blankenburg arbeitete. Fr Heinz tätssammlungen an der Martin-Luther-Universität in Quitt war es eine Herausforderung, diese neuartige Halle Dr. Rudolf Piechocki, der ebenfalls ein Wildkat- Nutzungsmethode mit Schafung von Schneisen in zenspezialist war. den Fichtenbeständen in die Praxis umzusetzen. Dazu Zum Schutz des Wanderfalken wurde in den 1970er mussten in den Hanglagen Seilkräne, anfangs aus der Jahren eine Arbeitsgruppe im Harz gebildet, die auch Schweiz und später aus Österreich eingesetzt werden. die Bewachung der Horste bernahm, hier gab es eine Nachdem die Verjngung einsetzte, wurde nach 5 enge Zusammenarbeit mit dem zweiten Naturschutz- bis 15 Jahren die Schneise entgegen der Hauptwind- beaufragten des Kreises Wernigerode, Achim Groß. richtung um 20 bis 30 Meter weitergefhrt. In den Luchs und Wolf steht Heinz Quitt heute erwartungs- Aufichtungsbereichen konnten sich nicht zuletzt aus voll gegenber, als Wildtiere untersttzen beide Arten Naturschutzsicht wertvolle Farne und Bärlappe gut einen vielfältigen, naturnahen Waldbau. entwickeln. Ähnlich verfuhr er in den Buchenwäldern Aber auch der botanische Artenschutz lag ihm am des Harzrandes. Er ließ durchaus Buchen alt werden, Herzen. Heinz Quitt war seit der Grndung Mitglied sorgte aber an anderer Stelle immer wieder fr eine des Botanischen Arbeitskreises Nordharz und ar- Verjngung, er schuf Licht an Plätzen mit Orchideen. beitete im „Arbeitskreis zur Beobachtung und zum Auf diese Weise entstand ein vielfältiges Mosaik Schutz heimischer Orchideen“ mit. unterschiedlich bestockter Flächen. Obwohl der Er ist auch ein vorzglicher Kenner des Baumbestan- Nutzungsdruck erheblich war, blieb das Bewirtschaf- des der Parkanlagen Langenstein, Wernigerode, tungsprinzip langfristig nachhaltig. Degnershausen und anderer ländlicher Parke im Mit der Nationalparkgrndung im Hochharz gab es Harzkreis. Eine Bestandsaufnahme der Gehlze des in diesem Gebiet eine gewisse Zäsur, denn nun gab Lustgartens in Wernigerode und des Langensteiner es die Zielstellung, auf zehn Prozent der Fläche der Parks verfentlichte er 2004 in den Berichten des Mu- Harzwälder einen strengen Schutz ohne Nutzung si- seums Heineanum in Halberstadt. Ein besonderes

83 Anliegen war die Erfassung und der Schutz der talistische Prämissen in der einen oder anderen Rich- Schwarzpappelvorkommen entlang der Flsse im tung stellte. Das ist leider nicht allen Zeitgenossen so- frheren Bezirk Magdeburg. Auch die Kollegen der wohl im Naturschutz als auch in der Forstwirtschaf 1991 neu gegrndeten Naturschutzstation „Nordharz“ gelungen und hat of zur Verhinderung gemeinsamer lernten sein fachliches Wissen und seine Meinung zu Bemhungen gefhrt. Fragen der Forstwirtschaf in den von Ihnen betreuten In diesem Sinne wnschen die Autoren dem Jubilar Naturschutzgebieten schätzen. So erarbeitete er im auch weiterhin gute Gesundheit und Freude an der Aufrag des Regierungspräsidiums Magdeburg 1995 Natur und hofen, dass sie noch lange an den Erfah- gemeinsam mit dem Bro fr Umweltplanung Dr. rungen und der stillen, sachkundigen, bescheidenen Friedhelm Michael in Wernigerode einen detaillierten und ausgesprochen menschlichen Art unseres Jubilars Pfege- und Entwicklungsplan fr das Naturschutzge- teilhaben knnen. biet „Elendstal“, der vor allem die forstlichen Belange bercksichtigt und bis heute aktuell ist. Uwe Wegener, Ottfried Wüstemann & Hans- Er blieb aber auch nach der Pensionierung und dem Ulrich Kison altersbedingen Ausscheiden aus den Ehrenämtern als Ratgeber fr die Naturschutzbeaufragten und Natur- schutzverbände, speziell fr die waldbaulichen Ab- Literatur läufe im Nationalpark und den Naturschutzgebieten Behrens, H. & J. Hoffmann (2013): Naturschutzgeschichte(n) – ein gesuchter Ansprechpartner. Lebenswege zwischen Ostseekste und Erzgebirge. – Der Jubilar entschied sich 1946, also vor mehr als 70 Friedland (Stefen-Verlag): 291–300. Jahren fr den Forstberuf. Fragt man ihn heute, ob Ebersbach, W. (1998): Heinz Quitt zum 70. Geburtstag. – diese Entscheidung richtig war, so stimmt er eindeu- Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 35 (1): 29–31. Kison, H.-U. & U. Wegener (2009): Heinz Quitt zum 80. tig zu. Der Forstberuf sei einer der interessantesten Geburtstag. – Abh. Ber. Mus. Heineanum 8: 129–134. Berufe berhaupt und er betont: „ich erlebte einen Quitt, H. (2004): Die Gehlze des Lustgartens Wernigerode ganz spannenden Entwicklungsabschnitt, von der und des Langensteiner Parks – eine aktuelle Bestandsauf- Pferdebespannung ber den Lanz-Bulldog und die nahme. – Abh. Ber. Mus. Heineanum 6: 131–141. LKW-Holzabfuhr bis zum Forstprozessor und dem Quitt, H. (2016): Daten zur Entwicklung der Wald- und Forstwirtschaf. – In: Brückner, J., D. Denecke, H. T. Po- Hubschraubereinsatz“. Fragt man den Jubilar nach rada & U. Wegener: Der Hochharz – Vom Brocken bis einer 67 Jahre währenden Naturschutzarbeit mit Blick in das Nrdliche Vorland. – Kln, Weimar, Wien (Bhlau auf die Zukunf, dann hat er keinen Zweifel, dass Verlag): 360–362. langfristig orientierter Naturschutz nur im Konsens mit den Nutzern der Landschaf erfolgen kann. Fr die Zukunf wnscht er sich einen Naturschutz auf Anschriften der Autoren kologischer Grundlage im Konsens mit den Land- nutzern fr Mensch und Natur. Dr. Uwe Wegener Meisenweg 27 ∙ 38820 Halberstadt Aus all dem geht hervor, warum sein Rat fr alle, die E-Mail: [email protected] in den genannten Spannungsfeldern tätig waren und sind, so elementar wichtig ist. Sein in vielen Jahr- Otfried Wstemann zehnten zusammengetragener Erfahrungsschatz als Frsterbergstr. 5a ∙ 38875 Stadt Oberharz am „Forstmann“ und „Naturschtzer“ ist durch nichts Brocken / OT Sorge zu ersetzen. Das im Sinne der Natur Wichtige und Vernnfige lässt sich von beiden Positionen klar Dr. Hans-Ulrich Kison erkennen und of ganz einfach verwirklichen. Was Wehrenpfennigstr. 7 ∙ 04684 Quedlinburg ihn fr uns alle so glaubwrdig macht, ist, dass er sein E-Mail: [email protected] Handeln nie unter ideologische oder sonst fundamen-

84 Uwe Zuppke zum 80. Geburtstag

Uwe Zuppke wurde am 6. Mai 1938 in Wittenberg ge- boren. Die Landschaf in der Region um seine Hei- matstadt wird sowohl durch die Auen der Mittelelbe und unteren Schwarzen Elster mit Altwässern, Flut- rinnen und weitläufgen Auenwiesen als auch durch die Waldgebiete des Flämings und der Dbener Heide mit ihren teils noch naturnahen Bächen und Kleinge- wässern geprägt. Hier ist Uwe Zuppke aufgewachsen und hat diese Vielfalt von Landschaf, Tieren und Pfanzen bis heute verinnerlicht und gelebt. Auch wenn ihn seine Wege mal studienhalber als angehen- der Diplomagrarwissenschafler nach Meißen an die Fachhochschule oder als gestandener Wissenschafler auf Reisen nach Asien in die Mongolische Wste, nach Afrika auf den Kilimandscharo oder nach Ame- Dr. Uwe Zuppke auf der Tagung der Feldherpetologen rika in die Smpfe Floridas fhrten, behielt er seinen Sachsen-Anhalts am 3. März 2018 im Zentralmagazin Lebensmittelpunkt doch stets in und um Wittenberg. Naturwissenschaflicher Sammlungen der MLU am Beginnend mit der Schulzeit interessierte er sich fr Domplatz in Halle (Saale). Foto: F. Meyer. die Natur, sammelte Käfer oder bestaunte Stichlinge im Einweckglas. Zielgerichteter entwickelte sich sein Hobby dann im Jahr 1954, als er in die Fachgruppe Ornithologie und Vogelschutz des Kreises Wittenberg folgte er mit großem Interesse die teilweise spektaku- unter dem Dach des Kulturbundes eintrat und diese läre Rckkehr vieler Fischarten, die sich hier nach der später auch 23 Jahre lang bis zum Jahr 1989 leitete. sprbaren Verbesserung der Gewässergte nach der Weitere „Folgen“ seines ausgeprägten Naturinteresses politischen Wende wieder einstellten, wie Flussneun- waren die Mitgliedschaf im Ornithologenverband auge, Weißfossengrndling und Lachs. Aber auch die oder im Zentralen Arbeitskreis Weißstorch. Seine kleineren Fließgewässer behielt er stets im Blick. Ob umfangreichen Beobachtungen fanden und fnden Kemberger Flieth und Buchholzbach in der Dbener noch immer Eingang in zahlreiche avifaunistische Heide oder Rossel und Olbitzbach im Fläming − Uwe Einzelpublikationen und Jahresberichte sowie als Zuppke kennt alle diese Gewässer aus dem Efef und „Gesammelte Werke“ in die von ihm verfasste „Vogel- bis heute durchwatet er diese mit dem E-Gerät auf welt der Region Lutherstadt Wittenberg“. dem Rcken, um Bachneunauge, Bachforelle & Co. Aber Uwe Zuppke verfolgt nicht nur die gefederte aufzuspren und den Kenntnisstand zu dieser lange Fauna. Angesichts des Gewässerreichtums in seiner vernachlässigten Artengruppe immer weiter zu ver- Heimat war es naheliegend, dass er 1979 mit Gleich- bessern. gesinnten den Zentralen Arbeitskreis Ichthyofaunistik Ebenfalls seit Jugendzeiten fasziniert Uwe Zuppke die grndete. Der zentrale Datenspeicher zum Vorkom- Welt der Frsche, Molche, Eidechsen und Schlangen, men der Fische im ehemaligen Bezirk Halle der DDR die in der Dbener Heide und im Fläming genauso war und ist die Grundlage vieler anschließender Pub- zu bewundern waren wie in den Auen von Elbe und likationen, wie die „Fische im Kreis Wittenberg“ Schwarzer Elster. Rotbauchunken, Teichfrsche, Glatt- (1987), „Die Fischfauna von Sachsen-Anhalt − Ver- nattern oder Sumpfschildkrten − er hat sie alle breitungsatlas“ (1997) oder „Die Fischfauna der Re- beobachtet, fotografert und die Funde sorgfältigst gion Lutherstadt Wittenberg“ (2010). Er ist Mitautor dokumentiert. Uwe Zuppke gehrt zu der Generation der Roten Liste der Rundmäuler und Fische des Lan- der „Pnktchensammler“, deren hehres Ziel es in des Sachsen-Anhalt (2004) und nach wie vor einer der den 1980er Jahren war, unter der Leitung von Heinz renommiertesten Fischkundler des Landes Sachsen- Schiemenz einen Verbreitungsatlas der Lurche und Anhalt. An den großen, zwischenzeitlich sehr stark Kriechtiere in der ehemaligen DDR auf der Basis belasteten und streckenweise fast verdeten Strmen von Messtischblattquadranten zu erstellen. Dieser Mitteldeutschlands, wie Elbe, Mulde und Saale, ver- Atlas erschien erst 1994 nach dem frhen Tod von

85 Schiemenz im Jahr 1990 und dem Verschwinden der wirkung in verschiedenen Gremien, wie dem Natur- DDR im selben Jahr. Wesentlich schneller war da Uwe schutzbeirat des Kreises Wittenberg. Er steht auch Zuppke mit seinen Mitstreitern Jrgen Berg, Wolfram heute noch seinen Mitbrgern immer dann mit Rat Jakobs und Peter Sacher, als sie bereits im Jahr 1988 und Tat zur Seite, wenn es um Fragen des Naturschut- die Regionalfauna „Lurche und Kriechtiere im Kreis zes geht. Wittenberg“ in der Schrifenreihe des Museums fr Ein ungebremster naturkundlicher Forschergeist, eine Natur- und Vlkerkunde in Wittenberg herausgaben. hervorragende Landeskenntnis und eine tiefe Heimat- Auch in seiner berufichen Tätigkeit als Naturschutz- verbundenheit sind Tugenden, die Uwe Zuppke aus- fachgutachter erhob Uwe Zuppke in den 1990er Jah- zeichnen. Aufgrund seiner ofenen, liebenswrdigen ren herpetologische Daten, die dann in die erste Her- und stets freundlichen Art ist er als Mensch, Freund petofauna des Landes Sachsen-Anhalts einbezogen und Kollege immer und berall willkommen und wurden. „Die Lurche und Kriechtiere Sachsen-An- geschätzt. Ihm seien noch viele weitere glckliche halts. Verbreitung, Ökologie, Gefährdung und Schutz“ Jahre gewnscht, die er in bester Gesundheit und mit erschienen im Jahr 2004 unter seiner maßgeblichen unverminderter Lebensfreude verbringen mge. Beteiligung. Gleichsam engagiert und elanvoll war er Jahre später auch beteiligt an der zweiten Landesher- Wolf-Rüdiger Grosse & Frank Meyer petofauna „Die Lurche und Kriechtiere des Landes Sachsen-Anhalt unter besonderer Bercksichtigung der Arten der Anhänge der Fauna-Flora-Habitat- Anschriften der Autoren Richtlinie sowie der kennzeichnenden Arten der Fauna-Flora-Habitat-Lebensraumtypen”, erschienen PD Dr. Wolf-Rdiger Grosse im Jahr 2015 in den Berichten des Landesamtes fr Akazienring 5 ∙ 06188 Landsberg, OT Queis Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Die Zahl seiner natur- E-Mail: [email protected] schutzpraktischen Arbeiten scheint unerschpfich zu sein. Zu nennen sind hier beispielhaf seine Arbeiten Frank Meyer und Berichte zur faunistischen Bedeutung des Land- RANA – Bro fr Ökologie und Naturschutz schafsschutzgebietes Mittlere Elbe (1986), zur aktu- Mhlweg 39 ∙ 06114 Halle (Saale) ellen Situation der Amphibienfauna des Naturparks E-Mail: [email protected] Drmling (1995), zu Vorkommen der Rotbauchunke im Hochfäming, Roßlau-Wittenberger Vorfäming und Sdlichen Fläminghgelland (2000) und zur er- folgreichen Sanierung des Feldsolls „Friedemanns Kurt Franke zum 80. Geburtstag Teich“ im Vorfäming bei Wittenberg (2012). Dr. Uwe Zuppke ist wahrlich ein zoologisches Univer- Am 26. Juni 2018 feierte Kurt Franke seinen 80. Ge- saltalent, das vor kaum einer Artengruppe halt macht. burtstag. Anlass fr uns, auf seinen Lebensweg zu- So erwecken auch Groß- und Urzeitkrebse sowie Säu- rckzublicken und seine Leistungen zum Schutz der getiere − allen voran der Biber − sein besonderes Inte- Natur zu wrdigen. resse. Erst krzlich, im Jahr 2017, erschien die gemein- Bereits in seiner Jugend durchstreife Kurt Franke die sam mit Jrgen Berg verfasste Verfentlichung ber Umgebung seines Geburtsortes Schmerz am Rande der „Die Säugetiere der Region Wittenberg“. Dbener Heide und entwickelte so eine tiefe Verbun- Sein umfassendes publizistisches Schafen ist auch denheit zu Natur und Landschaf seiner Heimat. Zum Ausdruck der starken Neigung von Uwe Zuppke, seine Studium verschlug es ihn an die Pädagogische Hoch- Beobachtungen mit anderen zu teilen und sie fr die schule „N. A. Krupskaja“ in Halle-Krllwitz. Doch Mit- und Nachwelt zu erhalten. Dies geschieht auch bereits im letzten Jahr seines Pädagogikstudiums fr in besonderem Maße durch populärwissenschafliche Biologie und Chemie wurde er aufgrund des Lehrer- Verfentlichungen und selbst Naturbcher fr Kin- mangels als Junglehrer an der Schule in Gohrau einge- der, welche die naturkundlich interessierte Öfentlich- setzt. Als Wohnort wählte er seinerzeit Oranienbaum, keit aller Generationen ansprechen sollen. wo er bis zum heutigen Tage lebt. Weitere berufiche In seiner Heimatstadt Wittenberg und der gesamten Stationen waren bis zu seinem Ruhestand Mhlau, Region Mittelelbe engagiert sich Uwe Zuppke fr Zschornewitz und das Landschulheim Mhlau. In sei- „seine Natur“, unter anderem auch durch seine Mit- ner Schler-Arbeitsgemeinschaf „Junge Naturforscher“

86 sich nach der Wende in den 1990er Jahren die ehren- amtliche Naturschutzarbeit neu formierte, engagierte er sich im nun gegrndeten Arbeitskreis Biberschutz beim NABU-Landesverband Sachsen-Anhalt e. V. als Vorstandsmitglied bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden im Jahr 2017. Neben eigenen umfangrei- chen Kartierungen im Wrlitzer Winkel organsierte er weiterhin die Bestandserfassungen in der Region und recherchierte hartnäckig aktuelle Informationen zu den Biberrevieren, wobei er sich ergänzend auf ein breites „inofzielles“ Netzwerk aus Anwohnern, Ang- lern und Jägern sttzen konnte. Wie auch in seiner pädagogischen Laufahn lag es ihm während all der Jahre besonders am Herzen, immer wieder neue Mitarbeiter, ob jung oder alt, als Biberbetreuer zu gewinnen. Auch die Arbeit der Naturschutzbehrden untersttzte er mit seinem Engagement. Seit 1998 war er zunächst Naturschutzbeaufragter fr den Wr- Der Schutz des Elbebibers und der Natur im Wrlitzer litzer Winkel im Landkreis Anhalt-Zerbst, nach der Winkel liegen Kurt Franke besonders am Herzen. Kreisreform dann im Landkreis Wittenberg. Die Foto: privat. Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe, die in Sachsen-Anhalt Landereferenzstelle fr Biberschutz ist, untersttzt er als „Naturschutzbeaufragter mit besonderer Aufgabe“, natrlich fr den Elbebiber. begeisterte er ab 1964 viele Schler fr naturkundliche Mit seinen jahrzehntelangen Erfahrungen bei der Or- Temen und die Naturschutzarbeit, was bei einigen fr ganisation der ehrenamtlichen Biberbetreuer, der den weiteren Lebenslauf prägend war und ist. Kenntnis von Region und Menschen ist er gefragter Schon 1960 wurde er ehrenamtlicher Naturschutz- Experte bei der Lsung alltäglicher Fragen der Biber- helfer im damaligen Kreis Gräfenhainichen. In den kartierung und des Biberschutzes. folgenden Jahren entwickelte sich ein enger Kontakt Wenngleich der Biber das zentrale Tema der ehren- zum Kreisnaturschutzbeaufragten (KNB) Kurt Lein, amtlichen Naturschutztätigkeit von Kurt Franke der 1970 zur Berufung als stellvertretender KNB fr bildete, so war es doch nicht das Einzige. Im Rahmen den Kreis Gräfenhainichen fhrte. Über Kurt Lein seiner Abschlussarbeit der Lehrerausbildung unter- kam der Jubilar in Kontakt mit der Biologischen suchte er die Pfanzenwelt ehemaliger Torfstiche in Station Steckby. Dort wirkte zu der Zeit Dietrich Hei- der Nähe der Waldgaststätte Jsigk in der Dbener decke, der wissenschafliche Arbeiten zum Elbebiber Heide. In den 1960er und Anfang der 1970er Jahre durchfhrte und ihn fr das in Aufau befndliche war er Mitstreiter der „Arbeitsgemeinschaf mittel- Biberbetreuernetz gewinnen konnte. Eine Aufgabe, deutscher Floristen“ und untersttzte so die Erstellung die beide viele Jahre ihres Lebens verbinden sollte. der Verbreitungskarten mitteldeutscher Leitpfanzen Ab 1970 arbeitete Kurt Franke bei der Erfassung des unter Hermann Meusel. Bibers im damaligen Bezirk Halle mit. Im Laufe der Bereits in dieser Zeit entstand die „Arbeitsgemein- Jahre wurden Erfassung und Schutz des Elbebibers schaf Naturschutz“ in Oranienbaum, in der sich im zum prägenden Tema in Kurt Frankes Naturschutz- Laufe der Jahre auch einige ehemalige Mitglieder sei- engagement. So wurde er zum regionalen Koordinator ner Schler-Arbeitsgemeinschaf wiederfanden. Zu fr die Biberkartierung, eine Aufgabe, die er mit viel deren Tätigkeiten zählten neben foristischen und Enthusiasmus ausfllte. Ab 1978 vertrat er die „Inte- faunistischen Kartierungen u. a. die Landschafs- ressen“ der Elbebiber in der fr den Bezirk Halle neu pfege, die Pfanzung von Bäumen, die Betreuung eines gegrndeten Bezirksarbeitsgruppe Artenschutz unter Amphibienschutzzauns zwischen Oranienbaum und Leitung von Dr. Uwe Zuppke. Er organisierte die jähr- Goltewitz oder der Bau von Nistkästen. Dank der Zu- lichen, fächendeckenden Biberkartierungen, deren sammenarbeit mit der Verwaltung des Wrlitzer Ergebnisse in die zentrale Erfassung einfossen. Als Parkes und der Initiative von Kurt Lein konnte die

87 Arbeitsgemeinschaf ber ca. vier Jahrzehnte das Tau- benhaus am Deich zwischen Wrlitz und Schnitz als Sttzpunkt nutzen. Sein naturkundliches Interesse fhrte Kurt Franke auch regelmäßig in die Ferne. In 120 Ländern der Erde hat er Land und Leute und so verschiedene Vegetati- onstypen wie Tropischen Regenwald, Hochgebirge, Savannenzonen oder Ksten kennengelernt. Fr sein jahrzehntelanges Engagement fr den Natur- schutz gebhrt Kurt Franke besonderer Dank. Die Mitarbeiter der Biospärenreservatsverwaltung und der Vorstand des Arbeitskreises Biberschutz Sachsen- Anhalt im NABU Sachsen-Anhalt e. V. wnschen ihm alles Gute zu seinem Jubiläum und fr die kommen- den Lebensjahre, vor allem noch viele schne Stunden im Kreise seiner Familie und bei Spaziergängen in der heimatlichen Natur. Hartmut Kolbe bei der Beringung eines Raufußkauzes Annett Schumacher & René Driechciarz (Aegolius funereus) im Fläming. Foto: privat.

Anschriften der Autoren untersttzend fr den Kreisnaturschutzbeaufragten Annett Schumacher Karl Leetz tätig. Dabei wirkte er fr die Erhaltung und Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe Pfege der Schutzobjekte im damaligen Kreis Roßlau. Am Kapenschlsschen 1 ∙ 06785 Oranienbaum-Wrlitz Auch dessen Nachfolger in diesem Ehrenamt, sein E-Mail: [email protected] Vater Ernst und Eckart Schwarze, konnten stets auf anhalt.de seine fundierte fachliche und praktische Untersttzung zählen. Das Rstzeug dafr vermittelten ihm in jun- René Driechciarz gen Jahren Fachliteratur sowie zentral durchgefhrte Arbeitskreis Biberschutz im NABU Sachsen-Anhalt e.V. Fachveranstaltungen und Studienreisen, letztere z.B. in Am Mhlenberg 12 ∙ 39326 Zielitz die ČSSR und Albanien, wobei auch Erfahrungen von namhafen Biologen und Naturschtzern bernommen werden konnten. Trotz einer krankheitsbedingten Zäsur 1964 blieb er bis heute, also weit ber 60 Jahre Hartmut Kolbe zum 80. Geburtstag ambitionierter, ehrenamtlicher Naturschutzmitarbei- ter. Als Fachlehrer fr Biologie, zuletzt am Goethe- Am 05.04.2018 beging Hartmut Kolbe im Kreise von Gymnasium in Roßlau, vermittelte er seinen Schlern, Freunden und Weggefährten seinen 80. Geburtstag. wo immer mglich, die Grundsätze fr den Natur- und Bereits anlässlich seines 70. Wiegenfestes wurde vor Umweltschutz, die auch bei seinen freizeitlichen vogel- allem sein Wirken als Ornithologe, Wasservogelzchter kundlichen Aktivitäten immer einen hohen Stellenwert und Autor von Fachbchern und -beiträgen durch E. hatten und haben. Einige von seinen Schlern, wie Schwarze (2008, Apus 13) und R. Schmidt (2012, Zur Peter Schubert und Wolfgang Gränitz, sind heute enga- Geschichte der Vogelkunde im Raum Dessau) recht gierte Naturschtzer und Ornithologen. ausfhrlich gewrdigt, so dass dies nicht wiederholt Angrenzend an sein naturnahes Grundstck mit den zu werden braucht. Dass sein Werdegang auch durch Wasservogel-Zuchtanlagen am Rande des Dessau-Roß- stetiges Eintreten fr den heimatlichen Naturschutz lauer Ortsteils Meinsdorf betreut er ein stabiles Vor- gekennzeichnet war, wurde dabei nur kurz angerissen. kommen des Elbebibers (Castor fber albicus) und schuf Von Vater und Großvater geprägt, vom Taufpaten bzw. erwarb mit eigenen Mitteln ein Feuchtbiotop fr Alfred Hinsche gefrdert, war er bereits ab 1956 als Amphibien, das gleichzeitig infolge regelmäßiger Pfege Jugendlicher organisiert als Mitglied der „Naturwacht“ eines der letzten Standorte des Breitblättrigen Knaben-

88 krautes (Dactylorhiza majalis) im Stadtkreis nrdlich Wald nicht zuletzt im Ergebnis des Engagements von der Elbe ist. Bei den Unteren Naturschutzbehrden Hartmut Kolbe wieder zum wirklich berfuteten Hart- seines Heimatkreises sowie der Landkreise Witten- holzauenwald, der er ehemals war. berg und Anhalt-Bitterfeld sowie der Verwaltung des Aus ornithologischer Sicht ist noch zu ergänzen, dass UNESCO-Biosphärenreservates Mittelelbe ist er ein seine Mitwirkung an der Erarbeitung der Historie gefragter, zuweilen auch hartnäckiger und unbequemer (2012) der Vogelkunde in der stlichen Anhalt-Region Ratgeber und Mahner. So nimmt er u. a. Einfuss auf die als zweite Buchverfentlichung des „Ornithologi- Erhaltung bemerkenswerter alter Bäume, der Fläming- schen Vereins Dessau“ (OVD) ebenso entscheidend bäche mit ihren Ufergehlzen und auf die Reduzierung war, wie die an der Avifauna der zentralen Mit- von Verstßen gegen Naturschutzrecht. telelberegion (2006, 2018). Bezugnehmend auf eine Nach der Jahrtausendwende ist die Entdeckung der Idee von H. Kolbe fhrte der OVD 2008 eine Jubilä- waldbewohnenden Kleineulenpopulation (2009, Apus umsveranstaltung als fachliches Kolloquium durch 14) und deren Frderung mittels spezieller Nisthilfen (R. Schmidt 2009, Orn. Mitt. 61). Aufgrund einer im Flämingraum seinem nimmermden, zeitaufwän- Festlegung der „7. Tagung der Mitarbeiter und Berin- digen und kostenintensiven Wirken zu verdanken. ger der drei deutschen Vogelwarten“ organisierte er Damit ihr Fortbestehen ermglicht und gesichert im August 2012 im Raum Zerbst den „1. Workshop: wird, knpfe H. Kolbe folgerichtig fruchtbringende Integriertes Monitoring Rauchschwalbe, Teilprojekt Kontakte zu staatlichen und privaten Forstbetrieben. Schlafplatzfang“, bei dem den deutschen und nieder- Daraufin bernahm im Rahmen des „Projektes des ländischen Teilnehmern Vorträge, Fangpraxis und Er- Landesforstbetriebes fr mehr biologische Vielfalt“ fahrungsaustausch geboten wurden. Gerade hat er der Forstbetrieb Anhalt im Hohen Fläming die Paten- die Historie und einige Artkapitel fr die geplante schaf ber den Raufußkauz (Aegolius funereus). Die „Avifauna von Sachsen-Anhalt“ fertiggestellt. Als ignorante Entfernung eines besetzten, gekennzeichne- Beringer seit 1957 hat er bisher rund 30.000 Vgel ten Hhlenbaumes 2012 durch einen privaten Wald- gekennzeichnet, darunter 18.538 Rauchschwalben, besitzer konnte geahndet werden. Beispielhaf war 863 Bartmeisen und 185 Raufußkäuze. auch sein Einsatz beim Schutz von Wiesenweihen- Bei allen Tätigkeiten, sei es als international anerkann- Bruten (Circus pygargus), die 2011 und 2012 erstmals ter Wasservogelspezialist, als Buchautor, als ehren- nach ber 150 Jahren wieder im Neekener Ackerland amtlicher Naturschtzer, als Avifaunist oder als die (Anhalt-Bitterfeld) und im Zieko-Dbener-Ackerland staatlichen Behrden fordernder Mahner und Beringer durch seine privaten Sicherungsmaßnahmen in Ab- gengen sein methodisches Vorgehen und seine Fach- stimmung mit Behrde und Landnutzer teils erfolg- expertise hchsten wissenschaflichen Ansprchen. reich verliefen. Bezeichnend fr ihn ist das Erkennen Wir schätzen an Hartmut Kolbe seine mit Unrast von Gefahrensituationen in der Natur und das schnel- verbundenen „Macher“-Qualitäten sowie sein stets le Einleiten von Hilfsmaßnahmen, z. B. zuletzt in ungebrochenes persnliches Engagement fr die Viel- Frhjahr 2013, als es infolge langanhaltender Win- falt in der heimatlichen Natur und wnschen ihm im terwitterung zu Ernährungsengpässen bei rastenden nun fortgeschrittenen Alter weitere gute Jahre an der Kranichen (Grus grus) kam, wo er eine sofortige Zu- Seite seiner verständnisvollen Lebensgefährtin und satzftterung organisierte. im Kreise der Freunde. Neben vielfältiger beratender Tätigkeit fr die Biosphä- renreservatsverwaltung nicht nur in Wasservogelfragen Eckart Schwarze & Guido Puhlmann legte Hartmut Kolbe mit seinem hartnäckigen, mutigen Widerstand gegen ein Damwildgehege in einem arten- reichen, ehemaligen Hartholzauenwald (ca. 25 ha) in Anschriften der Autoren der Kliekener Aue schon vor 1990 wichtige Grundlagen fr die vielfältigen Projekte zur Renaturierung weiter Eckart Schwarze Teile der Kliekener Aue und der „Alten Elbe Klieken“. Burgwallstr. 47 ∙ 06862 Dessau-Roßlau Der besagte Wald konnte nach 1990 auf Initiative der Biosphärenreservatsverwaltung vom WWF erworben Guido Puhlmann werden und steht nun der bevorstehenden Wiederein- Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe bindung in das Überfutungsregime der Elbe durch Am Kapenschlsschen 1 ∙ 06785 Oranienbaum-Wrlitz Deichrckverlegung zur Verfgung. Damit wird der E-Mail: [email protected]

89 Eckart Schwarze zum 80. Geburtstag

Eckart Schwarze ist einer der anerkanntesten ehren- amtlichen Naturschtzer und Ornithologen im Mit- telelbegebiet und in Sachsen-Anhalt. Wie bereits an- lässlich seines 65. Geburtstages in dieser Zeitschrif- tenreihe (Puhlmann 2004) und auch von Schmidt (2004) gewrdigt, ist sein Wirken fr den Schutz der heimischen Natur in nunmehr ber 65 Jahren exem- plarisch fr die Mglichkeiten, die ehrenamtliches Engagement bietet. Davon zeugen auch die zahlrei- chen wissenschaflichen Verfentlichungen in re- gionalen und berregionalen ornithologischen bzw. Naturschutz-Fachzeitschrifen.

Am 7. Juli 2018 wurde Eckart Schwarze 80 Jahre alt. Eckart Schwarze bekleidete viele Jahre äußerst enga- giert das Ehrenamt des Kreisnaturschutzbeaufragten im ehemaligen Landkreis Roßlau. Sein Name ist eng verbunden mit zahlreichen Naturschutzaktivitäten, die u. a. in der Erweiterung des Schutzgebietssystems insbesondere der Ausweisung von Naturdenkmalen, in der Aufstellung des Landschafspfegeplans und in Eckart Schwarze engagiert sich seit mehr als 65 Jahren maßgebenden Landschafsgestaltungsmaßnahmen an im ehrenamtlichen Naturschutz. Foto: privat. Mittelelbe und im Fläming mndeten. Die Unteren Naturschutzbehrden der Stadt Dessau- Roßlau und der Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg sowie die Biosphärenreservatsverwaltung Eckart Schwarze ist fr vieles mehr zu danken und Mittelelbe knnen sich bis heute seiner konstruktiven so kann auch diese Wrdigung nur einen Ausschnitt Untersttzung gewiss sein. Trotz gesundheitlich be - seines Schafens wiedergeben. Zahlreiche Auszeich- dingter Einschränkungen ist Eckart Schwarze weiter nungen wie die „Naturschutz-Ehrennadel“ in Gold regelmäßig ein unverzichtbarer Ratgeber sowie Autor und die Ehrennadel des Ministerpräsidenten von anspruchsvoller ornithologischer und avifaunisti- Sachsen-Anhalt sind Zeugnis von der fentlichen scher Verfentlichungen. Gemeinsam mit seinem Anerkennung. Im Kreise seiner gleichgesinnten gleichaltrigen Freund Hartmut Kolbe hat er auch in Freunde und weit darber hinaus sind seine Leistun- den letzten Jahren bedeutende Beiträge als Mitautor gen und seine außergewhnliche Expertise auf dem in bemerkenswerten Publikationen zum Gartenreich Gebiet des Naturschutzes und der Ornithologie hoch Dessau-Wrlitz, zur Avifauna im stlichen Anhalt anerkannt. Viele seiner Mitstreiter hat er mitgerissen und zur Geschichte der Vogelkunde im Raum Dessau und zum ehrenamtlichen Engagement bewegt. Dem geleistet. Die bis 2016 in einem letzten Abschnitt in Autor ist er zudem schon seit mehr als 40 Jahren väter- Verantwortung von EUROPARC Deutschland e. V. licher Freund und Frderer. Nachhaltige Bedeutung erfolgte Sanierung der „Alten Elbe Klieken“ hat er in hat auch seine umfangreiche Mitarbeit an der Erar- bewährter Weise wissenschaflich-fachlich fundiert, beitung und Fortschreibung der aktuellen „Kommen- mit kritischem Blick, konstruktiv und lsungsorien- tierten Artenliste der Vgel im stlichen Anhalt fr tiert begleitet. Die jährliche Zusammenstellung der den Zeitraum 2006 bis 2016“ (Kolbe, Schwarze & Brutvogelbestände im NSG „Saarenbruch“ wird von Patzak 2018). ihm bis heute koordiniert, er beteiligt sich seit den 60er Jahren an der Wasservogelzählung entlang der Besonderer Dank gebhrt seiner Familie, besonders Elbe und untersttzt die Biosphärenreservatsverwal- Ehefrau Hera fr die Partnerschaf und die verständ- tung bei der Abstimmung der Wasserstraßenunter- nisvolle Untersttzung seiner Naturschutztätigkeit. haltung mit den Bundesbehrden. Wir gratulieren Eckart Schwarze ganz herzlich und

90 wnschen ihm persnlich und im Namen vieler Kol- leginnen und Kollegen der im Beitrag aufgefhrten Institutionen sowie der ihm verbundenen Freunde alles Gute und weiterhin Gesundheit, ungetrbte Freude am Umgang und Engagement mit und fr die Natur.

Karen & Guido Puhlmann

Literatur Kolbe, B, E. Schwarze & U. Patzak (2018): Kommentierte Artenliste der Vgel im stlichen Anhalt fr den Zeitraum 2006 bis 2016. – APUS – Beiträge zur Avifauna Sachsen- Anhalts Bd. 23, Sonderhef: 179 S. Puhlmann, G. (2004): Eckart Schwarze – 65 Jahre und mehr als 50 Jahre im ehrenamtlichen Naturschutz. – Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 41 (2): 40–41. Schmidt, R.(2004): Eckart Schwarze zur Vollendung seines 65. Lebensjahres. – APUS Bd. 12, Hef 3: 198:

Anschriften der Autoren Klaus Glckner war im Raum Wittenberg vielseitig im Guido Puhlmann Naturschutz engagiert. Foto: privat. Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe Am Kapenschlsschen 1 ∙ 06785 Oranienbaum-Wrlitz E-Mail: [email protected] kundigen Anleitung die Primatenausstellung nach Karen Puhlmann modernen wissenschaflichen Aspekten ausgerichtet Grieboer Dorfstrasse 1 ∙ 06886 Lutherstadt Wittenberg und neu gestaltet. Klaus Glckner war in vielen Wittenberger Vereinen tätig, so auch in der ornithologischen Fachgruppe des damaligen Kulturbundes. Mit ihm verloren die Klaus Glckner zum Gedenken Wittenberger Ornithologen einen ihrer langjährigen (geb. 14. Januar 1936 – gest. 30. März 2018) Mitstreiter, denn er war seit der Grndung Mitglied der Fachgruppe „Ornithologie und Vogelschutz“ Wit- Am 30. März 2018 verstarb im Alter von 82 Jahren tenberg. Klaus Glckner. Klaus Glckner war vielseitig im Naturschutz enga- Klaus Glckner war seit 1954 Mitarbeiter des „Mu- giert. Der Autor, der mit Klaus Glckner befreundet seums fr Natur- und Vlkerkunde Julius Riemer“ war, hatte als langjähriger Fachgruppenleiter in ihm in Wittenberg und engagierte sich maßgeblich am einen unermtlichen und zuverlässigen Unterstt- Auf- und Ausbau dieser kulturellen Einrichtung. Als zer. Bereits in den 1950er Jahren zu Lebzeiten Julius Diplom-Museologe hielt er Kontakte zu vielen Mu- Riemers, als die Fachgruppe noch in der Gaststätte seen in aller Welt. Beginnend mit der erfolgreichen „Goldener Adler“ am Markt tagte, sorgte Klaus Sonderausstellung „Japan − ein Streifzug durch seine Glckner auch dafr, dass zu den Fachgruppenaben- Vergangenheit“ organisierte er rund 60 Sonderaus- den die zum Tema entsprechenden Vogelpräparate stellungen in Wittenberg. Später wurde er bis zu sei- zur Anschauung bereitgestellt und zum Tagungsort nem Ausscheiden im Jahr 2001 amtierender Direktor transportiert wurden. Später, als die Fachgruppe dann dieser nicht nur in Wittenberg geschätzten, nunmehr im Museum „Gastrecht“ erhielt und dort ihre mo- aber leider geschlossenen kulturellen Einrichtung. natlich zweimaligen Zusammenknfe durchfhrte, Noch in den 1980er Jahren wurde unter seiner fach- bernahm er viele organisatorische Aufgaben, zumal

91 er als Mitarbeiter der Stadt Wittenberg gute Kontakte zur Verwaltung herstellen konnte. Daher tätigte er sämtliche Behrdengänge fr die Fachgruppe. Viele Fachgespräche, besonders aber auch Telefonate fhrte er, da der Fachgruppenleiter zur damaligen Zeit ber keinen Telefonanschluss verfgte. Klaus Glckner war sozusagen der „gute Geist“ der Fachgruppe. Fach- gruppenabende und -exkursionen gehrten fr ihn zum Pfichtprogramm. Als die Fachgruppe begann, eine zentrale Beobachtungskartei anzulegen, besorgte er die notwendigen Materialien, wie die damals raren Karteikarten, und bernahm auch viele der notwendi- gen organisatorisch-technischen Arbeiten. Der Autor erinnert sich auch gern an gemeinsame Unternehmungen, wenn sie beide z. B. „auf allen Vieren“ in engen Gängen und Hohlräumen im Turm des Wittenberger Schlosses die Nester der Dohlen und des Turmfalken kontrollierten, in Erfllung des Vermächtnisses des Begrnders der Wittenberger Fachgruppe Dr. Otto Kleinschmidt. Dieser hatte, als er 1927 in das Schloss einzog, notiert: „Hier wohnen nur Dohlen und Falken. Mgen sie fr immer hier bleiben“. Dr. Hermann Heynig (1924−2018) während einer Daneben war Klaus Glckner auch in anderen Verei- Talsperrenexkursion im Osterzgebirge. Foto: U. Hey- nen engagiert tätig, z. B. in der Fachgruppe „Feldher- nig (2003). petologie“ und in der Interessengemeinschaf Natur und Umwelt in Bergwitz. Außerdem war er fachkun- diger Pilzberater im Kreis Wittenberg und hat auch auf dem Gebiet der Pilzkunde Ausstellungen organi- Dr. Hermann Heynig zum Gedenken siert und Pilzwanderungen durchgefhrt. Überhaupt (geb. 27. Januar 1924 – gest. 31. Oktober 2018) war er auch als ehrenamtlicher Naturschutzhelfer sehr aktiv, weshalb er der damaligen staatlichen Natur- Am 31. Oktober 2018 ist der Phykologe und Limnolo- schutzverwaltung manchmal sogar unbequem wurde, ge Dr. Hermann Heynig in Halle/Saale (Sachsen- wegen zu umfangreicher Aktivität. Anhalt) im Alter von 94 Jahren verstorben. Durch sein Wirken hat er dazu beigetragen, die Ak- Hermann Heynig wurde am 27. Januar 1924 in Anna- zeptanz fr Natur- und Vogelschutz bei der Bevlke- berg im Erzgebirge (Sachsen) geboren. Er studierte rung der Wittenberger Umgebung zu erhhen und Biologie in Leipzig (1942−1944), Jena (1944) und Halle sich damit fr diese Bereiche verdient gemacht. Alle (1953−1956), schrieb 1956 seine Diplomarbeit zum die ihn kannten werden ihn sehr vermissen und sein Tema „Beiträge zur Kenntnis des Phototropismus Andenken in Ehren halten. von Laubmoosprotonemen“ und 1962 seine Doktor- arbeit ber „Untersuchungen zur Limnologie und Uwe Zuppke Hygiene zweier kleiner Harztalsperren (Wipper- Vorsperre und Nordhäuser Talsperre)“ an der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg. Zu seinen aka- Anschrift des Autors demischen Lehrern gehrten die Professoren Johan- nes Buder (1884–1966), Horst Herbert Handke (1913– Dr. Uwe Zuppke 2005), Hermann Meusel (1909–1997), Wilhelm Ruh- Heideweg 1a ∙ 06886 Lutherstadt Wittenberg land (1878–1960) und Arno Wetzel (1890–1977). Au- E-Mail: [email protected] ßerdem arbeitete er nach dem 2. Weltkrieg von 1946 bis 1953 als „Neulehrer” und Lehrer fr Biologie und

92 Chemie an der Erweiterten Oberschule (= Gymna- Taxa (Arten, Varietäten, Formen) und mit Angaben sium) in Annaberg. zur Autkologie (wichtige abiotische Faktoren) fossen Von 1956 bis 1989 war Hermann Heynig als Hydro- in die vom Verfasser bearbeiteten Beiträge „Rote Liste biologe im Fachgebiet Wasserhygiene des Bezirks-Hy- der Algen des Landes Sachsen-Anhalt“ (2004), die gieneinstitutes in Halle tätig. Seine praktischen und dem 80. Geburtstag von Hermann Heynig gewidmet wissenschaflichen Arbeiten, auch in seiner Freizeit wurde, und in die „Checkliste der Algen (Cyanobacte- und während Urlaubsaufenthalten, waren mikrobio- ria et Phycophyta)“ in dem Buch „Pfanzen und Tiere logische (autochthone und allochthone Bakterien) in Sachsen-Anhalt“ (2016) ein. und hydrobiologische (Phyto- und Zooplankton) Zwei Arten, das Urtierchen Difugiella heynigi Schön- Untersuchungen in verschiedenen Gewässern in Mit- born 1965 und die Grnalge Amphikrikos heynigii teldeutschland (in den Bundesländern Tringen, Krienitz 1986, und die Grnalgen-Gattung Heynigia Sachsen und Sachsen-Anhalt, z. T. Berlin und Bran- C. Bock, Pröschold et Krienitz 2010 wurden zu denburg) und in der Tschechischen Republik. Zwi- Ehren von Dr. Hermann Heynig nach ihm benannt. schen 1976 und 1999 war er Mitherausgeber der „Sß- Außerdem wurden Laudationes (einschließlich von wasserfora von Mitteleuropa“, der Neubearbeitung Bibliographien der wissenschaflichen Verfentli- der von Adolf Pascher (1881−1945) begrndeten und chungen und Register der von Hermann Heynig bear- von 1913 bis 1939 herausgegebenen „Die Sßwasser- beiteten Algen-Taxa) anlässlich seiner begangenen 75., Flora Deutschlands, Österreichs und der Schweiz“ 80. und 85. Geburtstage verfentlicht. Diese knnen bzw. „Die Sßwasserfora Mitteleuropas“ (2. Aufage). Interessenten auf Anfrage vom Verfasser zur Verf- Die Ergebnisse seines umfangreichen Wissens auf den gung gestellt werden. Gebieten der Phykologie, Mikrobiologie und Limno- Fr seine Kollegen war Dr. Hermann Heynig ein logie verfentlichte er in 85 wissenschaflichen Publi- wissensreicher Fachmann. Die Limnologen im Land kationen von 1961 bis 2007. Außerdem gibt es von Sachsen-Anhalt und die Phykologen-Familie verlieren Hermann Heynig das beachtenswerte unverfent- einen international anerkannten Hydrobiologen und lichte Manuskript „Hydrobiologische Studien im klassischen Phykologen, der dieses Fachgebiet mit ge- Bezirk Halle (Ein 1988 berarbeiteter Vortrag zum nauen mikroskopischen Beobachtungen nach seinem Festkolloquium anläßlich der Emeritierung von Motto „… nur was man gezeichnet hat, hat man auch Prof. Dr. Handke am 1.11.1978)“. Diese leider unver- richtig verstanden …“ sehr bereichert hat. Er prägte fentlicht gebliebene Schrif ist ein wichtiger Beitrag als väterlicher Freund den langjährigen Leiter der Ar- zur Wissenschafsgeschichte der DDR (Bezirk Halle) beitsgruppe Phykologie im Leibniz-Institut fr Ge- und zur 30jährigen praktischen und wissenschafli- wässerkologie und Binnenfscherei PD Dr. habil. chen Arbeit eines Hydrobiologen in der Praxis (ange- Lothar Krienitz und mich sowohl in unserer wissen- wandte Limnologie) im Fachgebiet Wasserhygiene am schaflichen Arbeit als auch bei unseren Untersuchun- Bezirks-Hygieneinstitut Halle. 23 Neubeschreibungen gen zur Algenbesiedlung des Landes Sachsen-Anhalt. und Neukombinationen von Algen-Taxa (eine Gat- So werden viele Limnologen und Phykologen ihm in tung, mehrere Arten, Varietäten und Formen) wur- der Fortsetzung seiner Arbeiten immer gedenken. den von Hermann Heynig, zum Teil mit Bohuslav Fott (1908−1976) und Lothar Krienitz, neu fr die Lothar Täuscher Wissenschaf beschrieben. Dabei sind zum Großteil Gewässer im Land Sachsen-Anhalt der „locus classi- cus“ fr Algenarten-Neubeschreibungen. Die exakten Anschrift des Autors Dokumentationen der Algen-Vorkommen im Land Sachsen-Anhalt mit Original-Zeichnungen der Mi- Dr. Lothar Täuscher kroalgen von Hermann Heynig (mit H. H. signiert), Petersburger Straße 44 ∙ 10249 Berlin mit Angaben zur Morphologie und Taxonomie der E-mail: [email protected]

93 Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 55. Jahrgang • 2018: 94–95 Schrifttum

Schindler, H., H. Stein & H.-J. Hahn (2017): Quellen im Harz. − Schrifenreihe aus dem Natio- nalpark Harz, Band 15. − 224 S. − Nationalparkver- waltung Harz, Wernigerode (Hrsg.) – ISSN 2199- 0182. − 12,00 €. In der stattlichen Schrifenreihe des Nationalparks Harz ist als neuestes Werk ein Band ber die Quellen im Harz erschienen. Mit diesem Band wurde in der Tat „Neuland“ untersucht. Während die Fließgewäs- ser von den Wasserwirtschafsbetrieben kontinuier- lich beprobt wurden und im Nationalpark seit 1990 spezieller untersucht wurden, stand die Analyse von Quellen noch aus und zahlreiche Quellstandorte wa- ren im Nationalpark bisher gar nicht bekannt. Mit diesem Band schließt sich die Lcke zwischen den Fließgewässern und ihren Entstehungsgebieten. Der vorliegende Band der Schrifenreihe des National- parks Harz zu den Quellen im Harz ist ein Gemein- schafsprojekt des Instituts fr Grundwasserkologie der Universität Landau, des Landesbetriebes fr Hochwasserschutz und Wasserwirtschaf Sachsen- Anhalt und der Nationalparkverwaltung Harz, das auf Initiative der Nationalparkverwaltung zustande kam. Bei der Durchsicht des Bandes wird dem Leser klar, dass nur durch die partnerschafliche und pro- jektbezogene Zusammenarbeit aller Beteiligten eine Untersuchung in dieser Tiefenschärfe mglich war. Versauerung der Granit- und Quarzitstandorte im Neu ist auch, dass die untersuchten Quellstandorte Hochharz. ber den gesamten Harz verteilt sind, also sowohl Untersucht wurden insgesamt 73 Quellen. Fr jeden Quellen in Niedersachsen, als auch in Sachsen-Anhalt Quellstandort erarbeitete das Team einen prägnanten untersucht wurden. Steckbrief, der die Lage, den Quelltyp, die Morpholo- gie, die komplette faunistische Artenliste sowie die Das Forscherteam stellte zunächst dar, dass die Quell- detaillierte chemische Analyse dokumentiert, ergänzt biotope ganz spezifsche Lebensräume mit einer ange- durch ein Foto der Quelle. Die chemische Analyse ent- passten Flora und Fauna sind. Weiterhin unterschei- hält auch eine Übersicht der gefundenen Schwerme- den sich die Quellstandorte des Harzes deutlich von talle. Der Steckbrief endet mit einer Kurzbewertung den brigen Mittelgebirgen Deutschlands und zeigen der Quelle, welche auch Hinweise zum Quellenschutz bei der Quellfauna eher Parallelen zu skandinavischen gibt. Auch fr ein weiteres Monitoring sind diese Quellstandorten, wohl bedingt durch die erhebliche Steckbriefe eine hervorragende Grundlage.

94 In den 73 Quellen wurden insgesamt 157 Taxa, davon Die botanische Seite der Quellenvegetation wurde nur 55 spezielle Quellentaxa mit 40 Rote Liste-Arten ge- grob dokumentiert, wichtige Leitarten im Umfeld der funden. Die Artenlisten des Makrozoobenthos sind Quellen wurden genannt. Hier wäre noch ein gutes Be- nach krenophilen und krenobionten Tieren geordnet tätigungsfeld fr einen Pfanzensoziologen und Moos- und nach Artengruppen in Tabelle 5 bzw. in einer spezialisten. Der wichtigste Baustein fr diese weiter- gesonderten Anhangstabelle dargestellt. Es handelt gehende Erfassung sind aber die Steckbriefe der Quel- sich berwiegend um Quellen der montanen und len und damit gleichzeitig die Ausgangsbasis fr ein obermontanen Stufe, die mit Laub- und Nadelmisch- Quellenmonitoring nach acht oder zehn Jahren. Emp- wald bestockt sind, sowie um Quellen der hochmon- fehlenswert wäre auch auf dieser Grundlage das Quel- tanen/supramontanen Stufe der Fichtenwälder und lennetz im Ostharz weiter zu erkunden und es fr den untergeordnet um Quellen der kollin-submontanen Westharz nachzuarbeiten. Laubwaldstufe. Die Hydrochemie der Quellen ist in Der Band endet mit einer Kartenbersicht der Quellen erster Linie von der Geologie geprägt, dabei werden und der Landschafsgliederung, einer Grundwasser- fnf chemische Gruppen unterschieden: Sulfatreiche, karte, einer Karte der hydrogeologischen Räume, eisen- und schwermetallreiche, puferarm/silikatische, mehreren geologischen Karten und einer Karte der karbonatische und sauer/silikatische Quellen. Auf die Landnutzung der Quellgebiete. Sinnvoll zusammen- chemischen Analysenverfahren wird im Band einge- gestellt sind die Stammdaten der Quellenfauna im gangen. Die Quellenarten werden besonders in den Anhang. Steckbriefen genannt und beschrieben. Im Hochharz Ein jeder, der sich mit den Gewässern im Harz befasst, sind die Sturzquellen am häufgsten, gefolgt von den insbesondere mit der Hydrologie, Quellenchemie so- Sickerquellen, z. B. aus den Mooren, aber auch Wan- wie mit der Fauna und Flora der Quellen aber auch der- und Tmpelquellen wurden im Harz festgestellt. Gewässerwanderer im Harz werden gern auf diesen Der Textteil endet mit Empfehlungen zur Frderung Grundlagenband zugreifen. der Quellenfauna und -fora. Diese Aufzählung ist zwar schon sehr umfangreich, hier hätte sich der Re- Uwe Wegener zensent aber fr einzelne Punkte noch einige ausfhr- lichere Informationen gewnscht, da sie unmittelbar dem Naturschutz dienen knnten. Die Maßnahmen Anschrift des Autors zur Entwicklung von Quellbiotopen reichen von der Verhinderung der Verschmutzung und Zerstrung Dr. Uwe Wegener ber die Frderung der Quelltiere und -pfanzen bis Meisenweg 27 ∙ 38820 Halberstadt zur Renaturierung unter Einbeziehung der Quellen- E-Mail: [email protected] besucher.

95 Impressum

Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt Hinweise fr Autorinnen und Autoren: ISSN 0940-6638 Fr unaufgefordert eingereichte Manuskripte wird keine Hafung, insbesondere keine Verpfichtung zur Herausgeber: Verfentlichung, bernommen. Grundsätzlich werden Landesamt fr Umweltschutz Sachsen-Anhalt nur bisher unverfentlichte Beiträge angenommen. Es Fachbereich Naturschutz wird gebeten, die Manuskripte als Fließtext auf Daten- PF 200841 · 06009 Halle (Saale) träger an die Redaktion einzureichen. Der Umfang des Tel.: (0345) 5704 601 · Fax: (0345) 5704 605 Manuskriptes sollte zehn Seiten (ca. 4.200 Zeichen) E-Mail: [email protected] nicht berschreiten. Grafken und Abbildungen sollen Internet: www.lau.sachsen-anhalt.de nicht in den Text integriert sein und in Originalformat und -aufsung geliefert werden. Die Bildbreite muss Redaktion: bei einspaltiger Darstellung min. 800 Pixel, bei zwei- Stefen Szekely spaltiger Abbildung min. 1.700 Pixel betragen. Die Autoren sind fr den fachlichen Inhalt ihrer Bei- Bildredaktion: träge selbst verantwortlich. Die von ihnen vertretenen Stefan Ellermann Ansichten und Meinungen mssen nicht mit denen Landesamt fr Umweltschutz Sachsen-Anhalt des Herausgebers bereinstimmen. Fachbereich Naturschutz Eine redaktionelle Überarbeitung wird abgestimmt. Reideburger Str. 47 · 06116 Halle (Saale) Die Beiträge knnen nicht honoriert werden, es wer- den zehn Exemplare des jeweiligen Hefes zur Verf- Schrifleitung: gung gestellt. Prof. Dr. Erik Arndt (Hochschule Anhalt), Dr. Kath- rin Baumann (Nationalparkverwaltung Harz), Vertrieb: Dr. Wolfgang Bttcher (Ministerium fr Umwelt, Naturschutz- und andere Behrden und Dienststellen Landwirtschaf und Energie Sachsen-Anhalt), Fred sowie haupt- und nebenamtliche Naturschutzmitar- Braumann (Naturparkverwaltung Drmling), beiter(innen) im Land Sachsen-Anhalt erhalten die Dr. Ulrich Lange (Landesamt fr Umweltschutz Sach- Zeitschrif kostenlos. Alle kostenlos abgegebenen sen-Anhalt), Stefen Szekely (Landesamt fr Umwelt- Hefe drfen auch nur kostenlos weitergegeben wer- schutz Sachsen-Anhalt), Dr. Uwe Talmann (Landes- den. Käuficher Bezug gegen eine Schutzgebhr ber verwaltungsamt Sachsen-Anhalt) und Karin Windel Bestellung bei: (Untere Naturschutzbehrde Brdekreis) NATURA Fachbuchhandlung Adolf-Grimme-Ring 12 · 14532 Kleinmachnow Gestaltung und Satz: Tel.: (033203) 22 468 Satzstudio Borngräber Albrechtstraße 10 · 06844 Dessau-Roßlau Schutzgebhr: 4,– € Nachdrucke – auch auszugsweise – sind nur mit aus- Druck: drcklicher Genehmigung des Herausgebers gestattet. Halberstädter Druckhaus GmbH Gedruckt auf Papier mit 50 Prozent Altpapieranteil. Osttangente 4 · 38820 Halberstadt Titelbild: Die Waldbereiche um den Goldberger See Kartendarstellung mit Genehmigung des Landesam- bei Ldderitz sind aufgrund ihrer Natrlichkeit und tes fr Vermessung und Geoinformation Sachsen- ihres Entwicklungspotenzials Bestandteil des Netzes Anhalt. Geobasisdaten © GeoBasis-DE | LVermGeo der Naturwaldzellen in Sachsen-Anhalt: Foto: S. El- LSA | 010312 lermann.

96 oben: Sachsen-Anhalt besitzt eines der bundesweit bedeutendsten Vorkommen des vom Aussterben bedrohten und in der FFH-Richtlinie (Anh. II u. IV) verzeichneten Eschen-Scheckenfalters (Euphydryas maturna). unten: Über die Hälfe der heimischen Bienenarten sind mehr oder weniger bestandsbedroht. Hier ein Weibchen der Blauschillernden Sandbiene (Andrena agilissima) bei der Nektaraufnahme an Gewhnlicher Nachtviole (Hesperis matronalis). Fotos: D. Rolke. Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt. Jahresheft 2018 NATURSCHUTZ SACHSEN-ANHALT IM LAND Landesamt frUmweltschutz SACHSE La ndesa mt f N- r Umwe ANHA 55. Jahrgang·Jahresheft2018 ltsc hu tz LT ISSN 0940-6638