Porträt

Josef Haubrich (1889-1961) - Sammler, Mäzen, Kulturpolitiker ,,Wer in diese Trümmer Geschenke niederlegt. .. " Von Erhard H. M. Lange

Gelegentlich, so stellen wir in der Rückschau fest, gewinnt das scheinbar nur für den Augenblick Verfasste den Charakter eines Zeitpanoramas, in dem wesentliche Grundfragen einer Ära zusam­ menfließen. So jedenfalls der Eindruck, den aus heutiger Sicht ein Blick in eine der ersten Nach­ kriegsausgaben der Neuen Illustrierten, die am 18. Oktober 1946 erschienen ist, hinterlässt. Da fin­ det sich ein Bericht über den letzten Besuch von Emmy Göring und der Ehefrau von Hans Frank bei ihren zuvor vom Internationalen Militär• gerichtshof in Nürnberg zum Tode verurteilten Männern, ein Hinweis auf die Lasten der Vergan­ genheit, denen es sich zu stellen galt. Dazu eine Reportage über Frauen und Kinder, die aus bit­ terer Not Kohlen von einem Güterzug stehlen, ,,Fringsen", wie man es damals in Anspielung an ein nachsichtiges Wort des Kölner Erzbischofs Frings nannte. Des Weiteren eine Darstellung über Der Kunstsammler und Mäzen Josef Haubrich heftige Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Hindus in Bombay, was darauf verwies, dass mit dem Sieg über die Achsenmächte und Japan keineswegs alle Konflikte dieser Welt gelöst waren. Als Kuriosität, welche man den zuvor von realistischen Informationen über das Weltgeschehen abgeschnittenen Deutschen glaubte prä• sentieren zu könne, ein Beitrag über einen vorgeblich in der syrischen Wüste unter Gazellen aufgewachsenen Jungen, der nach deren Beispiel mit einer Geschwindigkeit von 85 Stunden­ kilometern laufen könne. Doch nicht weniger überraschen dürfte, dass sich einer der Hauptartikel der angesichts des damaligen Papiermangels nur auf wenige Seiten begrenzten Illustrierten mit einem auf die Bildende Kunst bezogenen Ereignis in Köln beschäftigte. Der Leser erfuhr- dabei durch die Abbildung einer Anzahl hervorragender Beispiele bestens dokumentiert -, dass die Stadt durch die Stiftung eines ihrer Bürger, des Kölner Rechtsanwalts Dr. Josef Haubrich, in

Geschichte im Westen (GiW) Jahrgang 17 (2002), S. 102- IIS. © Rheinland-Verlag GmbH, Köln. ISSN 0930-3286.

102 JosefHaubrich (1889-1961)-Sammler, Mäzen, Kulturpolitiker den Besitz „der bedeutendsten Sammlung moderner Malerei Deutschlands" gekommen sei. 1 Wer war dieser Mann, nach dem die Stadt Köln später ihre Kunsthalle benennen sollte? Was bewog ihn, damals seine umfangreiche Sammlung der Allgemeinheit zu stiften, eine Sammlung, die innerhalb des Museums Ludwig bis in die Gegenwart eine hervorragende Stellung einnimmt ?2

Herkunft und Werdegang - Der Jurist

JosefHaubrich kam am 15. Juni 1889 als erstes Kind des ursprünglich aus Essen stammenden Wilhelm Nikolaus Hau brich (geb. 10. 4. 1858) und dessen aus Köln stammenden Ehefrau Maria Christine Hubertine Wilhelmine geb. Ritzefeld (geb. 7. 10. 1866) in Köln zur Welt und wuchs dort mit zwei jüngeren Geschwistern (Leo und Paula) auf. Der Vater war Direktor der „Orts­ krankenkasse für Fabriken". 3 Was allerdings für die Herausbildung der Interessen des Heran­ wachsenden Josef Hau brich von größerer Bedeutung werden sollte, war die Tatsache, dass der Vater zugleich ehrenamtlich als Rendant des Zentraldombauvereins wirkte, wobei ihm u.a. die Aufgabe oblag, die in der Dombaulotterie als Prämien auszubietenden Bilder zu beschaffen. 4 Auch wenn sich dessen Interessen eher im Bereich des Traditionellen bewegten, fand der Sohn schon als Schüler die Möglichkeit, den Vater auf seinen Kunstreisen zu begleiten und dabei zugleich bedeutende Museen und Kunstsammlungen in Deutschland und Westeuropa kennen zu lemen.5 Zudem bot Köln dem an Kunst Interessierten zahlreiche Anregungen. Im Jahre 1861 war dort das Wallraf-Richartz-Museum eröffnet worden, 1888 das Kunstgewerbe- und 1906 schließlich

1 Lebende Kunst in Köln. Während der> Kölner Kulturtage< zum erstenmal der Öffentlichkeit gezeigt: Die Sammlung Haubrich, in: Neue Illustrierte v. 18. 10. 1946, S. 8 f. 2 Zu Josef Hau brich: Peter Fuchs: Josef Hau brich: Sammler und Stifter moderner Kunst, Reihe: Kölner Biographien 13, Hrsg. Stadt Köln, Köln 1979 (Fassung nachfolgend jeweils zitiert; Text weitgehend übernommen in: Meisterblätter aus der Sammlung JosefHaubrich ... zum 100. Geburtstag, Köln 1989, S. 11-30); JosefHaubrich. Sammler und Stifter, Kunst des XX. Jahrhunderts in Köln, Hrsg. Peter Fuchs, Köln o.D. [1959] (mit Beiträgen von Peter Fuchs „Privates Kunstsammeln in Köln" und „Die Biographie"; Toni Feldenkirchen: ,,Die Sammlung Haubrich" und Andreas Becker ,,Mäzen der Modeme"); ferner Wolfgang Braunfels: Ein Sammler des deutschen Expressionismus. In memoriam JosefHaubrich, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch XXlV (1962), S. 375-380; Otto Dann: JosefHaubrich: Ein Kunstsammler im Umbruch, in: ,,Wir haben schwere Zeiten hinter uns". Die Kölner Region zwischen Krieg und Nach­ kriegszeit, Hrsg. Jost Dülffer, Vierow bei Greifswald 1996, S. 365 - 377 (Veröffentlichung Köln. Geschichtsverein); Peter Fuchs: Josef Hau brich. Stifter und Ratsherr, in: Sozialdemokratie i!} Köln. Ein Beitrag zur Stadt- und Parteiengeschichte, Hrsg. Gerhard Brunn, Köln 1986, S. 309-313; Ingrid Severin: ,,Bausteine" für die Museen nach 1945. Die Sammlungen Haubrich-Sprengel- Reemtsma, in: Sammler, Stifter und Museen. Kunstförderung in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, Hrsg. Ekkebard Mai/Peter Paret, Köln u.a. 1993, S. 265 - 294. - Der Nachlass befindet sich im Historischen Archiv der Stadt Köln (HASt Köln) als Bestand 1369. 3 Dazu HASt Köln, Bestand 1369, Nr. 19 (Familienforschung Haubrich/Kux), insbes. Ahnentafel von Dr. iur. JosefHaubrich und Ahnentafel von Johanna Kux; ferner Datenübersicht zur Biographie in: Meisterblätter aus der Sammlung Haubrich (wie Anm. 2), S. 339 f.; Josef Hau brich, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 8, Berlin 1969, S. 73 f. (H. Keller). 4 Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 2. 5 Ebd.

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das völkerkundliche Rautenstrauch-Joest-Museum. 6 Dennoch suchte Josef Hau brich seine be­ rufliche Grundlage nicht in einem der Beschäftigung mit Bildender Kunst nahen Berufsfeld, sondern wandte sich nach dem 1907 am Gymnasium in der Kreuzgasse in Köln abgelegten Abitur dem Jurastudium zu. Als Studienorte wählte er sich München, Berlin und Bonn. Dabei belegte er ergänzend Handelswissenschaften, Nationalökonomie und Finanzwissenschaften, u.a. zusätzlich an der Handelshochschule in Köln. 7 Auf das Referendarexamen im Jahre 1910 folgte drei Jahre später die Promotion über ein handelsrechtliches Thema, und zwar an der Universität Rostock, wohin sein Doktorvater, Professor Hans Wüstendörfer, zwischenzeitlich berufen worden war. 8 Erst während des ersten Weltkrieges legte Hau brich sodann nach der Referendarausbildung im Juni 1915 das Assessorexamen ab. 9 Zu diesem Zeitpunkt stand für ihn bereits fest: er wollte Rechtsanwalt werden. Gemeinsam mit seinem Freund H. Bodenheim gründete er bald nach dem Examen im Jahre 1916 in Köln eine Anwaltskanzlei, zumal er wegen eines Herzfehlers nicht zum Militärdienst eingezogen wurde. 10

Um die Kunst der Modeme - Der Sammler

Doch zugleich hatten sich Haubrichs Interessen an der Bildenden Kunst während des Studiums intensiviert. Zum Schlüsselerlebnis wurde ihm die bahnbrechende Kölner „Sonderbundausstellung" aus dem Jahre 1912 ( 25. Mai bis 30. September), durch welche die moderne Kunst in Deutschland einen großen Auftrieb erfuhr. Nicht nur die Expressionisten der „Brücke" und der soeben unter dem Namen „Blauer Reiter" ins Leben getretenen Künstlergruppe waren hier mit hervorragenden Werken präsent, sondern auch Vertreter der westeuropäischen Modeme, so u.a.: van Gogh, Cezanne, Gauguin, Munch, Bonnard und viele andere bis hin zu Picasso als leuchtendem Stem. 11 Anlässlich der Eröffnung hatte an Franz Marc geschrieben: ,,Die Ausstellung ist gestern mit kommandierenden Generälen und Oberbürgermeistern aus der Taufe gehoben worden. Picasso ! Picasso! Picasso !". 12 Und JosefHaubrich hat später in einem Rückblick vermerkt: ,,Ich hatte

6 Zur Geschichte der Kölner Museen u.a.: Kölner Museumsführer, Hrsg. Peter Noelke, Köln 1987 (Reihe Köln entdecken Bd. 5), S. 20 ff.( Wallraf-Richartz-Museum); S. 222 ff. (Kunstgewerbemuseum; heute: Museum für Angewandte Kunst); S. 264 ff. (Rautenstrauch-Joest-Museum); dazu auch Hugo Borger: Die Kölner Museen, Köln 1990. 7 Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 3. 8 LudwigJosefHaubrich: DieDiskontierung von Buchforderungen, Cöln 1913 (Diss. Jur. Rostock v. 15. Aug. 1913). 9 Peter Fuchs: JosefHaubrich: Samrnlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 15 f. 10 Ebd. 11 Dazu aus der Feder von JosefHaubrich: Die Sonderbund-Ausstellung 1912 und die Galerie der Neuzeit des Wallraf-Richartz-Museums in Köln, in: Kultur und Wirtschaft im rheinischen Raum. Festschrift zu Ehren Christian Eckert, Hrsg. Napp-Zinn/Oppenheim, Mainz 1949, S. 171-177. Zur Kölner Sonderbund­ Ausstellung auch: Europäische Kunst 1912. Zum 50. Jahrestag der Ausstellung des „Sonderbundes west­ deutscher Kunstfreunde und Künstler" in Köln, Köln 1962 (Katalog). - Dem seitens Gert von der Osten, damals Direktor des Wallraf-Richartz-Museums, verfassten Katalogvorwort zufolge habe der inzwischen verstorbene Dr. Josef Hau brich „seitJahren den Plan ... immer wieder aufgeworfen", im Jahre 1962 des Ereignisses von 1912 zu gedenken (S. 5). 12 August Macke-Franz Marc. Briefwechsel, Köln 1964, S. 123.

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damals die alte Kunst auch im Auslande schon durchaus studiert. Ich liebte die großen alten Meister und trat gut vorbereitet in die Sonderbundausstellung. Ihre Wirkung war schockartig. Hier liegen auch die Wurzeln meiner Kunstsammlung." 13 Der Übergang zur Kunst der Modemen, speziell der Expressionisten, war beschritten. Weitere Stationen der Annäherung folgten: die Werkbundausstellung 1914 auf dem nachmaligen Messegelände kurz vor Ausbruch des Krieges, die Franz-Marc-Gedächtnis• ausstellung 1916 bei Herwardt Waiden in Berlin, sich vertiefende Kontakte zu engagierten Gale­ risten wie dem damaligen Kölner Karl Nierendorf, Begegnungen mit Künstlern der lokalen Szene.14 Die Anwaltskanzlei, die sich für einen Berufsanfänger gut anließ, verschaffte Haubrich sehr bald materiell einen Lebensstil, der es ihm ermöglichte, selber Werke der von ihm neu entdeckten Kunstrichtung zu erwerben. Zuvor hatte er sich bereits als Student eine kleine Sammlung alter Kupferstiche zugelegt, ein Interesse, das nunmehr zurücktrat. 15 Sein sozialer Rahmen wurde aber wohl auch durch seine im Frühjahr 1916 erfolgte Eheschließung mit Johanna (genannt Hannah) . Kux (1891- 1922), Tochter des damaligen Direktors der Chemischen Fabrik in Köln-Kalk, ge­ festigt. 16 Doch es wäre vermessen, anzunehmen, dass Haubrich beim Erwerb der ihn anspre­ chenden Kunst aus dem Vollen zu schöpfen vermochte, gehörte er doch nicht zu jener Schicht gut situierter, wohlhabender Sammler, die auf reichlich Ererbtes oder schnell Verdientes zurück• greifen konnten. Denn als Anwalt zählte er in Köln zu keinem Zeitpunkt zu den herausragenden Spitzenverdienern seiner Zunft. Grundlage seiner Erwerbungen war vielmehr vor allem seine besondere Kennerschaft, dazu ein vielfältiges Geflecht von Beziehungen zu Künstlern, Galeristen und Museumsleuten, wodurch mancher günstige Ankauf möglich wurde. Hinzu kam ein ausgeprägtes Gespür für den geeig­ neten Zeitpunkt. Auch konzentrierte er sich besonders auf Aquarelle und Zeichnungen anstelle von großen, teureren Formaten. 17 Um 1919/20 begann er intensiver, expressionistische Kunstwerke zu sammeln, eine Richtung, der er hinfort in besonderer Weise verbunden blieb. Hingegen verhielt er sich gegenüber den Kubisten, Surrealisten und den Abstrakten, die nach 1945 das Kölner Kunstgeschehen maßgeb-

13 JosefHaubrich: Die Sonderbund-Ausstellung (wie Anm. 11), S. 171. Dazu auch JosefHaubrich: Und Kaiser Wilhelm grollte, in: Bunte Blätter des Kölner Stadt-Anzeigers Nr. 150 v. 1./2. 7. 1961 : ,,Die Wirkung der Sonderbundausstellung auf Künstler, Publikum und Sammler war enorm, entscheidend auch für mich." 14 Vgl. Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2), insbes. S. 14 ff. Zum atmosphärischen Hintergrund: Andreas Becker: Kunstleben der zwanziger Jahre, in: Kunstliebhabendes Köln. Dokumente und Berichte aus hundertfiinfzig Jahren, Hrsg. Johann Jakob Hässlin, München 1966, S. 196-202. 15 Peter Fuchs: Josef Hau brich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 15. 16 Johanna Bemh. ClaraAug. Kux war am 18. 12. 1891 als Tochter des aus Köln gebürtigen Carl Franz Joseph Kux (geb. 1861) und dessen aus Duisburg stammenden Ehefrau EmmaJoh. geb. Falter(geb. 1865) in Magdeburg zur Welt gekommen. Wie die Mutter war sie trotz der katholischen Religionszugehörigkeit des Vaters evan­ gelisch. Aus der Ehe mit JosefHaubrich sollten zwei Kinder hervorgehen: Karl-Klaus (1917 -1945) und Ruth Luise, später verh. Cramer (geb. 1919). - Ahnentafe!Johanna Kux, HASt Köln, Bestand 1369, Nr. 19; dazu auch Peter Fuchs: Josef Hau brich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 16 und S. 10 - 12 (Abb.). 17 Otto Dann: JosefHaubrich. Ein Kunstsammler (wie Anm. 2), S. 369.; vgl. auch die statistische Auswertung bei Alfred M. Fischer: Die Sammlung Josef Haubrich, in dem Katalog: Meisterblätter aus der Sammlung Josef Haubrich (wie Anm. 2), S. 31-34, S. 31. Dazu ferner den Katalog: Aquarelle und Handzeichnungen - Sammlung Haubrich, Wallraf-Richartz-Museum, Köln 1958, Bearb. Hella Robels. Ein-wenn auch unvoll­ ständiger-Einblick in die für die Erwerbungen gezahlten Preise lässt sich aufgrund der gesammelten Rech­ nungen gewinnen, vorhanden in HASt Köln, Bestand 1369, Nr. 30.

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lieh bestimmen sollten, auffallend zurückhaltend. 18 In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und während der Inflation waren für ihn die Möglichkeiten zum Erwerb besonders günstig, doch kaufte er auch, als die Preise angestiegen waren. Aus heutiger Sicht erscheint manche der damals gezahlten Summen geradezu lächerlich gering, so der Erwerb je eines ansehnlichen Aquarells von Emil Nolde und während der Inflationsjahre für jeweils einen halben Dollar. Für Kirchners bekanntes Gemälde „Weiblicher Halbakt mit Hut", eines der beliebtesten Werke des Künstlers, hatte er 1925/26 insgesamt 400 Reichsmark aufzubringen.19 Aber auch während des „Dritten Reiches" ergaben sich unter der Hand für die als „entartet" ausgesonderte Kunst günstige Erwerbsmöglichkeiten. Mit manchen von ihm anwaltlich beratenen Künstlern vereinbarte er überdies, das Honorar mit Bildern oder Plastiken zu begleichen.20 Hinsichtlich der Entstehung der Sammlung hat Wolfgang Braunfels vom Wallraf-Richartz-Museum mehrere Phasen unterschieden: Auf eine erste Grundorientierung, die in die Zeit des ersten Weltkrieges zurückreicht, sei der eigentliche Schwerpunkt der Sammlung in den Jahren 1923 bis 1927 und dann in den letzten Kriegsjahren zwischen 1942 und 1944 entstanden, in welchen es darum gegangen sei, das durch die Kunstpolitik der Nationalsozialisten Gefährdete „zu bergen und zu retten". Schließlich sei die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu nennen, in welcher die Grundausrichtung der Sammlung vertieft und erweitert wurde. 21 Als Sammler und Mäzen ver­ körperte Haubrich sozialpsychologisch den Typus des „Bekenners", der sich zugleich program­ matisch mit der gesellschaftlichen Grundhaltung der neuen expressiven Kunstströmungen iden­ tifizierte, statt lediglich aus Prestigegründen zu sarnrneln.22 Er erwies sich aber auch als ein Kölner mit „Welterfahrung" und „Leidenschaft", der nicht zuletzt aus „Lebenslust, ganz schlicht aus Vergnügen" seine Sammlung zusammentrug.23 „Ich habe selten einen Kunstmenschen getrof­ fen", so der Pressechef der Stadt Köln, Hans Schmitt-Rost, in einer persönlichen Würdigung, „dem seine Sachen so viel Spaß machten, ehrliche Freude, wie Haubrich."24 Die Wände und Decken der Zimmer seiner Wohnung in Köln-Marienburg hatte er kontrastreich in unterschied­ lichen Farben gestalten lassen, sodass die dicht gehängten, zumeist expressiven Kunstwerke damit korrespondieren konnten. 25 Seit etwa 1923 gehörte er dem Vorstand des Kölnischen Kunstvereins an und gewann somit auch zusätzlichen Einfluss auf das Kunstleben der Stadt. 26 Im Kampf für die nach-impres­ sionistische, moderne Kunst fand er sich auf der Seite des damaligen Direktors der „Galerie der Neuzeit" des Wallraf-Richartz-Museums Hans Secker (seit 1922) und des späteren Di­ rektors des Gesamtmuseums Ernst Buchner (seit 1928) gegenüber der eher zurückhaltend

18 So auch Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 33. 19 Weiter Einzelheiten bei Peter Fuchs: Josef Hau brich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 17 und 32. 20 Peter Fuchs: Josef Hau brich: Sammlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 17. 21 Wolfgang Braunfels: Ein Sammler (wie Anm. 2), S. 376ff. 21 Zu dem vorliegenden Aspekt im Rahmen einer Typologie des Sammler-und Mäzenatentums: Thomas W. Gaehtgens: Der Bürger als Mäzen, Opladen 1998, S. 32-42. 23 Zitiert nach Otto Dann: JosefHaubrich: Ein Kunstsammler (wie Anm. 2), S. 368. 24 Zitiert nach Otto Dann: Josef Haubrich: Ein Kunstsammler (wie Anm. 2), Anm. 11 zu S. 370. 25 Ebd.; fernerToni Feldenkirchen: Über den Kölnischen Kunstverein und anderes, Köln 1978, S. 32 f. 26 Peter Fuchs: Josef Haubrich. Sammlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 18, deru.a. darauf aufmerksam macht, dass erst seit Haubrichs Mitgliedschaft im Vorstand der Kunstverein „überzeugend in die Bahn der Zeit­ kunst" eingezogen sei.

106 JosefHaubrich (1889-1961)-Sammler, Mäzen, Kulturpolitiker operierenden, konservativen Haltung der meisten Kommunalpolitiker. 27 Auf vielfältige Weise spann er so enge Beziehungen und Freundschaften zu Malern, Bildhauern, Literaten und Kunstkennern. Viele der Künstler der „Brücke" suchte Haubrich persönlich in ihren Ateliers auf, so Erich Hecke!, Emil Nolde, Karl Schmitt-Rottluffund , denen er immer wieder begegnete. 28 Intensiv beteiligte er sich 1924 an der Vorbereitung der ersten großen Ausstellung von Werken Marc Chagalls nach dem Ersten Weltkrieg, die im Kölner Kunst­ verein stattfand. Zu diesem Anlass besuchte er den Künstler in seinem Atelier bei Paris, um dort die Bilder auszusuchen, woraus eine dauerhafte Beziehung erwachsen sollte. 29 Ähnlich verhielt es sich mit James Ensor. Auch die sich besonders politisch verstehenden, sozialkri­ tischen Künstler Georg Grosz und Wieland Herzfelde zählten zu seinem Bekanntenkreis, dazu Otto Dix, den er bereits aus dessen Düsseldorfer Jahren (1922- 1925) kannte und mit dem ihn eine lebenslange freundschaftliche Nähe verband. Nach dem Kriege sollte der sechzigjäh• rige Künstler den rund zwei Jahre älteren Haubrich in Öl porträtieren, ein Werk, das mehr die gesellschaftliche Stellung des Dargestellten in den Mittelpunkt rückte, anstelle einer psy­ chologischen Deutung, welche die Porträts von Dix in den Zwanzigerjahren gekennzeichnet hatte. 30 Als weitere Ebene öffentlichen Wirkens verdient zudem Erwähnung, dass Haubrich in dieser Zeit regelmäßig unter dem Pseudonym Dr. Ludwig Josef, seinen beiden Vornamen, für die sozial­ demokratische Kölner „Rheinische Zeitung" Kunstbetrachtungen und Ausstellungsrezensionen verfasste. Dabei sparte er nicht mit klaren Worten und griff auf diese Weise auch in die kom­ munale Kulturpolitik ein, so, wenn er zum Beispiel im September 1924 die Vernachlässigung der Kölner Museen heftig kritisierte.31

-n Dazu Josef Haubrich: Die Sonderbund-Ausstellung 1912 (wie Anm. 11 ), S. 171 f.; Ingrid Severin: >Bau­ steine< (wie Anm. 2), S. 271. Den engen Bezug zur Entwicklung des Profils des Wallraf-Richartz-Museums im Bereich moderner Kunst, der für Haubrichs Sammeltätigkeit bestimmend gewesen sei, d.h., eine Ori­ entierung auf öffentliche Belange, welche ihn vom Gros der Sammler expressionistischer Kunst seiner Zeit unterschieden habe, betont u.a. Wolf-Dieter Dube: Kunstpolitik, Sammler und Mäzene im 20. Jahrhundert, in: Mäzenatentum in Berlin, Hrsg. Günter und Waltraut Braun, Berlin/New York 1993, S. 127 - 155, S. 137; derselbe: Sammler des Expressionismus in Deutschland, in: Expressionismus und Exil. Die Samm­ lung Ludwig und Rosy Fischer ... , Hrsg. Georg Heuberger, München 1990, S. 17 - 23 , S. 20. In dem Zusammenhang fand Haubrich als „Pionier" moderner Kunst in Köln bereits in den Jahren der Weimarer Republik überregionale öffentliche Aufmerksamkeit, so z.B. bei Luise Straus-Ernst: Die Sammlung Hau­ brich in Köln, in: Das Kunstblatt. Monatsschrift für künstlerische Entwicklung in Malerei/Skulptur/Baukunst/ Kunsthandwerk, Hrsg. Paul Westheim, Potsdam 11 . Jg., Heft 1 (Januar 1927), S. 25-34. 28 JosefHaubrich: Umgang mit modernen Malern, in: DieZeitv. 14. 9. 1950, S. 17. 79 Ebd. 30 Dazu Fritz Löffler: Otto Dix. Leben und Werk, Dresden 1960, S. 126; daselbst Abb. Tafel 199 (schwarz­ weiß). Seit den zwanziger Jahren existieren eine Anzahl von Porträtarbeiten zu Josef Hau brich, so von Johannes Greferath, Ölgemälde (1923);Anton Räderscheidt (H. mit Ehefrau Alice), Ölgemälde (1931); HeinrichHoerle, Porträt in Mischtechnik, dazu Vorzeichnung ( 1931 ); JosefGies, Plakette (1931 ); Peter Herkenrath, Ölge• mälde (1949); Gerhard Marcks, Bronzeguss mit 12 Vorzeichnungen (1953); Peter Herkenrath, Zinkdruck (1959). 31 Dazu mit Auszügen von Beiträgen Haubrichs aus der „Rheinischen Zeitung" Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammler und Stifter ( wie Anm. 2), S. 29- 32.

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Das „Verfemte" schützen - Der Bewahrer

Mit seiner Zuneigung zur modernen Kunst, insbesondere der des Expressionismus, stand Haubrich konträr zur Ideologie des Nationalsozialismus, welche diese Kunstrichtung als „undeutsch" diffa­ mierte. Seine private Sammlung galt mit den Worten des ihm vertrauten Kölner Galeristen Andreas Beckernach 1933 als „eine der Mustergalerien >entarteter< Kunst". 32 Auch das Wallraf-Richartz­ Museum war von den „Säuberungen" der sog. ,,Kunstkommission" mit Professor AdolfZiegler an der Spitze betroffen, nach deren Besuch es Anfang 1937 zur offiziellen Beschlagnahme von 47 Gemälden, dazu zahlreichen Aquarellen Zeichnungen und Druckgrafiken kam. 33 Hau brich selber wurde aus dem Kölnischen Kunstverein ausgeschlossen. 34 Auf Druck des NS-Parteigerichtes wurde sein Associe Bodenheim im Jahre 1939 gezwungen, seine Kanzleigemeinschaft mit Haubrich aufzugeben, so dass Letzterer nur noch von seiner Wohnung aus anwaltli_ch tätig sein konnte.35 Inzwischen seit 1929 in dritter Ehe mit der jüdischen Frauen- und Kinderärztin Alice Gottschalk geb. Grabowski verheiratet, galt Haubrich den Nationalsozialisten zusätzlich als suspekt.36 Dr. Alice Gottschalk-Haubrich hatte bereits 1938 aufgrund der Rassegesetzgebung ihre Arztpraxis aufgeben müssen. Im Februar 1944 sollte sie im Hinblick auf eine bevorstehende Vernehmung durch die Gestapo durch Freitod aus dem Leben scheiden. 37 Gleichwohl sammelte Josef Hau brich auch während des „Dritten Reiches" - wenngleich nicht ausschließlich - die ihm ans Herz gewachsene moderne Kunst weiter, zumal er dieses nunmehr wohl zusätzlich als eine besondere Verpflichtung empfand. Es gelang ihm, drei Bilder Max Lie­ bermanns aus dem vormaligen Besitz des Wallraf-Richartz-Museums zu kaufen, bevor diese im Ausland zur Versteigerung kamen. 38 Darüber hinaus konnte er über verdeckte Kanäle weitere 42 Gemälde aus öffentlichen Sammlungen erwerben, die zum Teil im ,,Reichslager für beschlagnahmte Kunst" in Berlin zum Abtransport lagerten. 39 Dazu zählten so bedeutende Werke wie das Porträt >Däublers< von Dix, eines der Kirchner-Gemälde zum Thema >Frauen auf der Straße< oder eine Variante von Otto Muellers weiblichen >Zigeunerhalbakten<,jeweils aus dem Kronprinzenpalais in Berlin, ferner Hofers >Masken< aus Mannheim, Heckeis >Kanallandschaft< aus Magdeburg und

32 Andreas Becker: Mäzen der Modeme, in: JosefHaubrich. Sammlerund Stifter, Kunst des XX. Jahrhunderts in Köln (wie Anm. 2), S. 57 - 68, S. 63. 33 Nach Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 34 f.

,1 Peter Fuchs: Josef Haubrich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 33. Allerdings blieb Haubrich weiter mit dem damaligen Vorsitzenden des Kunstvereins, Hans Carl Scheibler, in engstem Kontakt. 35 Peter Fuchs: Josef Haubrich. Stifterund Ratsherr (wie Anm. 2), S. 311. 36 Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sarnmlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 32 ff. Alice Gottschalk-Haubrich war 1892 als Tochter des Rabbiners Dr. Viktor Grabowski, der seit 1899 in Barmen wirkte, in Konitz geboren worden. Sie hatte in Bonn, Freiburg-Br. und München Medizin studiert. -Nach Lebenslauf, in: Alice Grabowski: Erfahrungen mit der Nagelextension, Diss. med. Bonn, Leipzig 1915. Vor der Ehe mit Alice war JosefHaubrich seit 1923 in zweiter Ehe mitDoraAnnaAmalieAntonie Timmermanns geb. Skirl (geb. 1898) verheiratet gewesen, die eroffenbar im Sommer 1922 auf einer Schiffsreise von Hamburg nach Spanien kennen gelernt hatte. - Reisebericht Haubrichs in HASt Köln, Bestand 1369, Nr. 20. 37 Peter Fuchs: JosefHaubrich. Sammlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 35. 38 „Selbstbildnis" (1908); ,,Der barmherzige Samariter" (1911) und „Die Tochter des Künstlers zu Pferde" (1913). -Otto Dann: Josef Haubrich: Ein Kunstsammler (wie Anm. 2), S. 370. 39 Zu Einzelheiten der Erwerbungen, bei denen Hans Peters (Köln) und Hildebrand Gurlitt (Hamburg) eine wichtige Rolle spielten, u.a.: Toni Feldenkirchen: Über den Kölnischen Kunstverein (wie Anm. 25), S. 32f.

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Seiner Heimatstadt verbunden - Der Kommunalpolitiker

Bei Kriegsende gehörte Josef Haubrich zu den rund 10 Prozent der Bevölkerung der vor dem Kriege etwa 770.000 Einwohner zählenden Stadt, die dieses Ereignis vor Ort erlebte. Die rhei­ nische Großstadt war damals eine der zerstörtesten Städte Deutschlands. Nur rund 20 Prozent der Häuser waren hier ganz oder zumindest zum größeren Teil noch bewohnbar, der Rest war erheblich beschädigt oder überwiegend zerstört.42 In der Bilanz seines eigenen Lebens wogen die menschlichen Verluste schwer. Noch kurz vor Kriegsende war nach dem Freitod seiner jüdischen Frau Alice vom Februar 1944 sein einziger Sohn Karl-Klaus (geb.1917) im Februar 1945 im Kessel von Königsberg gefallen.43 In materieller Hinsicht konnte sich JosefHaubrich verglichen mit anderen allerdings nicht beklagen. Sein Wohnhaus in Köln-Marienburg hatte unbeschädigt den Krieg überstanden. Den größten Teil seiner an vielen Plätzen ausgelagerten Kunstwerke hatte er beim Vorrücken der Amerikaner daheim um sich versammeln können. 44 Nur vierzehn Aqua­ relle von Klee, die er über Umwege nach London gegeben hatte, sollten nicht mehr zurückkeh• ren.45 Er galt politisch als unbelastet. Noch vor der Übernahme der Besatzungsgewalt der Briten in der 2. Junihälfte hatten ihn die Amerikaner, die Anfang Mai Köln einnahmen, als Anwalt an Militärgerichten zugelassen. Zusammen mit seinem Kollegen Dr. Herbert Wintzer eröffnete er eine gemeinsame Anwaltskanzlei. Die enge Verbundenheit mit seiner Heimatstadt Köln legte es ihm überdies nahe, sich aktiv am Wiederaufbau zu beteiligen.

40 Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 35. Dabei geriet inzwischen auch die Sammlung Haubrich in die Diskussion um die Frage nach der Herkunft einzelner Werke aus einst beschlag­ nahmtem jüdischem Eigentum. So wurde etwa das zuvor im Text erwähnte Werk von Otto Mueller, bei dem sich herausstellen sollte, dass es aus dem konfiszierten Eigentum des jüdischen Breslauer Rechts­ anwalts Ismar Littmann stammte und nach einer Zwischenstation im Berliner Kronprinzenpalais (Natio­ nalgalerie) und dortiger erneuter Beschlagnahmung schließlich 1942 von dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt an Haubrich für 800 RM veräußert worden war, an die Erben restituiert. Allerdings gelang es dann, das Werk für das Museum Ludwig (Köln) zurückzuerwerben. - Dazu: Evelyn Weiss: Schicksal eines Bildes, in: Otto Mueller. Zwei weibliche Halbakte, Hrsg. Kulturstiftung der Länder in Verbindung mit dem Museum Ludwig Köln, Köln 2001, S. 5-17; dieselbe: Zwei Restitutionsfälle, in: Beiträge ... öffentlicher Einrich­ tungen der Bundesrepublik Deutschland zum Umgang mit Kulturgütern aus ehemaligem jüdischen Besitz, Bearb. Ulf Häder, Hrsg. Koordinierungsstelle für Kulturverluste Magdeburg, Magdeburg 2001, S. 170- 185. 41 Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sarnmlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 35 f. 42 Dazu u.a. Robert Frohn: Köln 1945-1981. Vom Trümmerhaufen zur Millionenstadt. Erlebte Geschichte, Köln 1982, insbes. S. 36-47 (,,Köln 1939-Köln 1945: ein Vergleich"). 43 Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 39. 44 Zu den Bemühungen Haubrichs, seine Sammlung vor Kriegseinwirkungen zu schützen, insbes. Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 36 ff. 45 Otto Dann: JosefHaubrich: Ein Kunstsammler(wieAnm. 2), Anm. 10 zu S. 370.

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So wurde Haubrich von den Briten als Parteiloser in die zweite noch von ihnen eingesetzte Kölner Stadtversammlung berufen, die am 17. Januar 1946 erstmals zusammentrat.46 Unmittelbar darauf schloss er sich als Hospitant der SPD-Fraktion an. Später sollte er ganz zu den Sozialdemokraten überwechseln.47 Zunächst war seine Ratsmitgliedschaft jedoch eine kurze Episode. Denn bei den nachfolgenden Kommunalwahlen vom 13. Oktober 1946 blieb ihm ein Mandat versagt. Indessen rückte er im September 1947 für ein ausgeschiedenes Ratsmitglied in das Kommunalparlament nach, dem er dann bis zu seinem Tode angehörte. Dabei konzentrierte er sich vornehmlich auf die Bereiche Recht und Sicherheit, Stadtplanung, Schulwesen und insbesondere Kulturangelegenheiten.48 Ent­ sprechend sollte Hau brich die Kulturpolitik der Stadt nach dem Kriege nicht nur als Mäzen und Sammler, sowie als engagiertes Mitglied einer Anzahl kultureller Vereinigungen,49 sondern auch als Kommunalpolitiker wesentlich mit beeinflussen.50 Auf den ersten Blick mag es dabei überra• schen, dass sich Haubrich angesichts seiner sozialen Herkunft, dazu als Katholik, unmittelbar nach dem Kriege, wo solche Gesichtspunkte im Hinblick auf die parteipolitische Zuordnung noch eine erhebliche Rolle spielten,51 gerade der SPD anschloss. Doch dabei gilt es zu berücksichtigen, dass er sich schon in den Jahren der Weimarer Republik nicht der katholisch bestimmten Zentrumspartei zugewandt hatte, sondern nach 1930 der linksliberalen Staatspartei und dem Demokratischen Club beigetreten war.52 Hinzu kamen kulturpolische Motive, die bereits zur Zeit der Weimarer Republik wirksam geworden waren, als er, wie bereits erwähnt, regelmäßig für das Feuilleton der sozial­ demokratischen „Rheinischen Zeitung" schrieb. Dabei hatte er schon in dieser Zeit eine Anzahl führender Kölner Sozialdemokraten persönlich kennen gelernt. 53

46 Peter Fuchs: Josef Hau brich. Stifterund Ratsherr (wie Anm. 2), S. 312. 47 Ebd. 48 Ebd. 49 U.a. war Haubrich im Februar 1946 zum Vorsitzenden des Kölner Kunstvereins bestellt worden, was er bis zu seinem Tode blieb. - Otto Dann: JosefHaubrich.: Ein Kunstsammler (wie Anm. 2), S. 373. Weitere in der Nachkriegszeit wahrgenommene Funktionen waren u.a.: der Vorsitz der Gesellschaft für Neue Musik; der Vorsitz der Vereinigung Rheinischer Kammerorchester; der Vorsitz des Kuratoriums der Kölner Werkschulen, die Vorstandsmitgliedschaft in dem nach dem Kriege in Köln gegründeten ,,Progress-Club", einem politisch-kulturellen Gesprächs-Forum eher linker Politiker und Intellektueller, und die Mitglied­ schaft im Kuratorium der Universität. 50 So u.a. Peter Fuchs: Josef Haubrich. Stifterund Ratsherr (wie Anm. 2), S. 309. 51 Zur über die Zäsur des Jahres 1945 hinaus wirkenden politisch relevanten Milieubindung weiter Kreise der katholischen Bevölkerung u.a. : Herbert Kühr: Katholizismus und parteienstaatliche Demokratie, in: Kirche und Politik, Hrsg. Herbert Kühr, Berlin 1983, S. 59-78; Comelia Quink: Milieubedingungen des politischen Katholizismus in der Bundesrepublik, in: Politische Kultur in Deutschland, Hrsg. Dirk Berg­ Schlosser/Jakob Schissler, Opladen 1987, S. 309-321. Demgegenüberneigt allerdings M. Rainer Lepsius: Parteiensystem und Sozialstruktur. Zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft, in: Wirtschaft, Geschichte und Wirtschaftsgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Friedrich Lütge, Hrsg. Wilhelm Abel u.a., Stuttgart 1966, S. 56-80, dazu, bereits für die Zäsur des Jahres 1933 eine tendenzielle Auflösung traditioneller Milieubindungen anzunehmen. 52 Peter Fuchs: JosefHaubrich. Stifterund Ratsherr (wie Anm. 2), S. 311. 53 Genannt werden in dem vorliegenden Zusammenhang u.a. der damalige Chefredakteur der „Rheinischen Zeitung" und Reichstagsabgeordnete Wilhelm Sollmann, der Kölner Kulturdezernent Johannes Meerfeld und der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion (1925- 1933) sowie nachmalige Oberbürgermeister Robert Görlinger. - Vgl. Peter Fuchs: Josef Haubrich. Stifter und Ratsherr (wie Anm. 2), S. 310; derselbe: Josef Hau brich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 32.

110 Josef Hau brich (1889-1961 )-Sammler, Mäzen, Kulturpolitiker

Ein kulturpolitisches Signal - Der Stifter

Die größte kulturpolitische Wirkung erzielte Hau brich allerdings für sich genommen nicht als Kommunalpolitiker, sondern durch einen privaten Entschluss. Denn im Frühjahr 1946 übereig• nete er einen Großteil seiner privaten Sammlung vornehmlich zur Kunst der Modemen seiner Vaterstadt als Schenkung. Die Statistik nennt 59 Gemälde, 296 Aquarelle und Zeichnungen, eine Druckgrafik und 22 plastische Arbeiten, darunter Originale von Beckmann, Chagall, Dix, Ensor, Heckei, Kirchner, Kokoschka, Lehmbruch, Liebermann, Macke, Marc, Maillol, Otto Müller, Nolde, Pechstein, Schmidt-Rottluff und vieler anderer bekannter Künstler. Weitere bedeutende Zuwen­ dungen sollten folgen, so dass schließlich 660 Werke zusammenkamen. 54 Auch wenn es sich hierbei nicht um eine jener internationalen „Großsammlungen" handelte, die mit scheinbar unerschöpflichen finanziellen Mitteln zusammengetragen worden waren, so stellte sich heraus: Durch die besonderen Zeitumstände und den Zeitpunkt der Schenkung wurde dieser Vorgang zum singulären Ereignis und hob sich von dem gängigen durchaus beachtlichen, traditionellen Kunstmäzenatentum des Kölner Bürgertums ab. 55 Stattdessen gewann diese, ab­ gesehen von ihrem künstlerischen Wert, zusätzlich die Bedeutung eines Fanals, als ein „kultur• politisches Instrument mit großem Einfluß auf die gesamte neu zu ordnende >kunst- und kulturpolitische Landschaft< in Deutschland".56 Dabei war die Schenkung zum vorliegenden Zeitpunkt seitens Haubrichs zunächst nicht auflange Hand angestrebt. Vielmehr ergab sie sich aus den zeitbedingten Umständen. Zwar hatte dieser bereits in den Zwanzigerjahren mit dem Gedanken gespielt, seine Kunstsammlung einst seiner Vaterstadt zu übereignen, und seine Sarnrnlungsstrategie zugleich darauf ausgerichtet, damit die vorhandenen Museumsbestände sinnvoll zu ergänzen. 57 Aber der konkrete Anstoß unmittelbar nach dem Kriege hatte sich daraus ergeben, dass die Briten auch sein Haus, welches die kost­ baren Werke beherbergte, beschlagnahmten und sich daraufhin die Frage stellte, wie die Samm­ lung gegen legale oder illegale Zugriffe zu schützen sei. 58 Mit der Schenkung an die Stadt war

~ Dazu das Werkeverzeichnis der Sammlung Haubrich (Stand 1. 11. 1979), unterschieden nach der Schen­ kung von 1946, Schenkungen nach 1946, Erwerbungen durch JosefHaubrich und Erwerbungen des Wallraf­ Richartz-Museums mit Unterstützung durch JosefHaubrich bei Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2). S. 77-93. Zur Sammlung insgesamt: Alfred M. Fischer: Die Sammlung Josef Haubrich, in: Meisterblätter aus der Sammlung Haubrich (wie Anm. 2), S. 31 - 34; zur Charakterisierung der inhaltlichen Schwerpunkte der Sammlung: Toni Feldenkirchen: Über den Kölnischen Kunstverein und anderes, Köln 1978, insbes. S. 54-60. 55 Dazu Peter Fuchs: Privates Kunstsammeln in Köln, in: Joseph Haubrich. Sammlerund Stifter(wie Anm. 2), S. 9-15; ferner Otto H. Förster: Kölner Kunstsammler, Berlin 1931. 56 So Ingrid Severin: >Bausteine< (wie Anm. 2), S. 265. 51 Zur Stiftungsabsicht Haubrichs in den zwanziger Jahren (gemeinsam mit den Sammlern moderner Kunst Karl Lange [Krefeld] und Herbert Garvens [Hannover]), die allerdings zu ihrer Zeit bei den Offiziellen der Stadt Köln einschl. Oberbürgermeister Konrad Adenauer angesichts ihrer Ausrichtung auf wenig Gegen­ liebe stieß, u.a.: Ingrid Severin: >Bausteine< (wie Anm. 2), S. 271. 58 Dabei sind Einzelheiten des Entschlusses nach wie vor ungeklärt. Nach Peter Fuchs: Josef Hau brich. Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 40, habe es sich im Hinblick auf die vorgenannten Ereignisse der Beschlag­ nahme des Hauses um eine „vorzeitig( e)" Verwirklichung eines an sich „noch unfertigen Plan( es)" gehandelt [der Tendenz nach entsprechend: Hermann Pünder, in: Lebens- und Aufbauwille der Stadt. Sonderdruck des Berichts über die Sitzung der Stadtvertretung v. 2. 5. 1946 ... , Hrsg. Oberbürger.meister Dr. Pünder, HASt

111 Erhard H.M. Lange ihre Fortexistenz in Köln gesichert. Angesichts der besonderen sozialen und politischen Notlage der '.Zeit trat jedoch dieses Ereignis zugleich in einen vielfältigen zeitgeschichtlichen Kontext, welcher ihm eine Bedeutung verlieh, die weit über den Vorgang der Stiftung einer ansehnlichen Samm­ lung hinausging. In seinem hervortretenden Kontrast zu der sich allenthalben im Lebensalltag äußernden sozialen Not wirkte die mit der nachfolgenden öffentlichen Präsentation verbundene Orientierung auf immateriell verstandene Werte als ein überzeugender Ausdruck von Zukunftshoffnung, als sym­ bolträchtiger Impuls für den Wiederaufbau und eine demokratische Erneuerung, schließlich als Bei~piel einer Wiederbelebung bürgerlichen Gemeinsinns. Gleichzeitig stellte sich die Schenkung mit dem Schwerpunkt des während des Dritten Reiches als „entartet" gebrandmarkten Expres­ sionismus in den Dienst der Wiedergutmachung gegenüber dem einst Verfemten und verhieß auf kulturellem Gebiet ein Angebot auf Identifikation innerhalb der nach neuer Orientierung suchenden Nachkriegsgesellschaft. 59 Bereits bei der Annahme der Stiftung durch die Stadtverordnetenversarnmlung in ihrer 6. Sit­ zung am 2. Mai 1946 kamen diese Gesichtspunkte in den Beiträgen der einzelnen Fraktions­ vertreter deutlich zum Tragen. 60 Sie wurden vertieft und erweitert bei den Kölner Kulturtagen im Herbst desselben Jahres (18. - 27. Oktober 1946), die unter dem Motto ,,Der Rhein ruft Europa" standen, in deren Rahmen die erstmalige öffentliche Präsentation der Sammlung zu den zentralen Ereignissen zählte. 61 Schließlich die mehrjährige Ausstellungstournee durch zahlreiche westdeut­ sche und westeuropäische Städte, bis die Werke am Ende mit der Eröffnung des neu errichteten Wallraff-Richartz-Museums im Jahre 1957 zusammen mit weiteren Schenkungen und Erwerbun-

Köln, Bestand 1369 (Haubrich), Nr. 70 (nachfolgend zit. Bericht Stadtvertretung), S. 3]. Demgegenüber hatJ osef Hau brich vor allem die Eigenständigkeit seiner Entscheidung auch für den vorgegebenen Zeit­ punkt betont. Obwohl ihm Freunde noch 1946 von einer Schenkung zu Lebzeit abgeraten hätten, habe er sich von der Erwägung bestimmen lassen: ,,Meine Sammlung sprengt die Grenzen einer privaten Sammlung. Sie gehört aus sozialen Gründen der Öffentlichkeit." - Zitiert nach Ingrid Severin: ,,Bausteine" (wie Anm. 2), s. 272. 59 Kennzeichnend für die vorliegende Deutung auch in späterer Zeit der Generaldirektor der Museen der Stadt Köln Hugo Borger: ,,Eine Wiedergutmachung an den verfolgten Künstlern konnte die Stadt Köln schon 1946 leisten, weil der Kölner Rechtsanwalt Dr. h.c. JosefHaubrich, ein mutiger Mann, viele Werke expressio­ nistischer Künstler in der Zeit der Nazidiktatur durch Kauf gerettet hatte und diese Sammlung nun der Stadt schenkte. Aus diesem Widerstand gegen den Ungeist entzündete sich in Köln der Museumsgedanke neu." - Hugo Borger: Die Kölner Museen und ihre Sammlungen, in: Kölner Museumsführer (wie Anm. 6), S. 11-19, S. 16; mit ähnlicher Grundtendenz derselbe, in: Die Kölner Museen, 1990 (wie Anm. 6), S. 23. Dazu auch Ingrid Severin: ,,Bausteine" (wie Anm. 2), S. 268. w Dazu: Bericht Stadtvertretung (wie Anm. 58), S. 2-5. 61 Dazu: Wtlhelm Steinforth: Der Rhein ruft Europa, in: Kölner Woche. Festschrift aus Anlaß der Kölner Kulturtage v. 18. - 27. Oktober 1946, S. 1, HASt Köln, Bestand 1369 (Haubrich), Nr. 70 (darin überdies auf S. 8 f. Abdruck des Programms). Dabei fand die Präsentation der Sammlung Haubrich nicht nur in der örtlichen, sondern auch in der überregionalen Presse breite Resonanz, so u.a in: Dr. J ardon: Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts. Eröffnung der Sammlung Hau brich- Köln im Besitz einer derumfassendsten modernen Galerien, in: Rheinische Zeitung v. 23.10. 1946; Kunstausstellungen der Kölner Kulturtage, in: Die Weltv. 24.10. 1946; Kölner Kulturtage: Die Sammlung Haubrich, in: Kölnische Rundschau v. 25. 10. 1946; Wemher Witthaus: Triumph der Kunst. Zur Eröffnung derSammlungHaubrich, in: Westausgabe Rheinische Zeitung v. 26.10. 1946, S. 5; ,,Europäische Woche" in Köln, in: Neue Zeitung v. 1. 11. 1946; Heddy Neumeister: Die Probegalerie. Eine Sammlung moderner Kunst in Köln, in: Badische Zeitung v. 5. 11. 1946.

112 Josef Hau brich ( 1889-1961 )-Sammler, Mäzen, Kulturpolitiker gen Haubrichs dort als Grundstock der modernen Abteilung einen festen Platz fanden !62 Ent­ sprechend wertete der CDU-Vertreter Peter Josef Schaeven den Vorgang in der bereits erwähnten Sitzung der Stadtvertretung vom 2. Mai als besonderen Ausdruck des Lebenswillens der Stadt. „Denn", so Schaeven wörtlich, ,,wer in diese Trümmer Geschenke niederlegt, wer bei dieser zerstörten Stadt den Mut hat, an die Kunst, an das Schöne, and des Geistige zu denken, der glaubt auch an den Wiederaufstieg der Stadt Köln. "63 Ähnlich die Reaktion in der Presse, aus deren Reihen etwa die kölnische „Volksstimme" über das Ereignis unter der Überschrift „Kölns Aufbau hat begonnen" berichtete. 64 Zugleich klang in der Stadtratssitzung in den Dankesworten des damaligen Oberbürgermeisters Hermann Pünder die Erwartung an, dass die Schenkung Köln „wahrscheinlich an die Spitze aller deutscher Gemäldesammlungen moderner Kunst" stellen werde.65 Und der gleichfalls dem Stadt­ parlament angehörende Rechtswissenschaftler Hans C. Nipperdey (SPD) schlug zu dem Anlass einen weiteren Akkord an, indem er die Sammlung in einen historischen Bezug zu der west­ europäisch ausgerichteten Sonderbundausstellung des Jahres 1912 stellte, wodurch Köln seiner­ zeit zu einem „Vorort moderner Kunst" geworden sei.66 So war es nur ein konsequenter Schritt, dass die erste öffentliche Präsentation, die im Herbst 1946 in den Räumen der Kölner Alten Universität erfolgte (geeignete Museumsräume standen damals in der stark zerstörten Stadt noch nicht zur Verfügung), in einem europäischen Rahmen zelebriert wurde. Anlass waren die vor­ nehmlich auf (West-)Europa ausgerichteten Kölner Kulturtage, in denen sich Köln als „Stadt der europäischen Mitte" und als „Herz Europas" darzustellen trachtete. 67 Angesichts der Umstände der Zeit trat so die Sammlung in einen übergreifenden politischen Zusammenhang, der über ein bloßes kulturelles Ereignis hinauswies. Dabei war es vor allem eine Folge der breiten, ganz überwiegend positiven Resonanz in den Medien, welche die Präsentation weitgehend im Sinne des dargebotenen Selbstverständnisses ihrer Urheber interpretierten. Nicht nur zahlreiche Tages­ und Wochenzeitungen,68 sondern auch viele Illustrierten berichteten über den regionalen Bereich hinaus zum Teil recht ausführlich. 69 Hingegen hielt sich das Interesse der Besucher auch bei

62 Zusammenstellung der Ausstellungsabfolge in: Ingrid Severin: ,,Bausteine" (wie Anm. 2), S. 285 f.; Meister­ blätter (wie Anm. 2), S. 341 (dabei weniger Nachweise). Zur „Wanderschaft" der Ausstellung und deren kulturpolitischer Einordnung auch Georg Blochmann: Das Wunder von Köln. Zum Wiederbeginn der Kölner Museen nach dem Kriege, in: Kunst und Kultur in Köln nach 1945, Hrsg. Historisches Archiv der Stadt Köln, Köln 1996, S. 190-205, S. 201 f. 63 Peter Josef Schaeven (CDU) in: Bericht Stadtvertretung v. 2. 5. 1946 (wie Anm. 58), S. 3 f. 61 U. Tuerk: Kölns Aufbau hat begonnen, in: Volksstimme (Köln) v. 6. 5. 1946 (1 . Jg., Nr. 19), S. 6; dazu auch: Stiftungen neuer Kunst für Köln, in: Rheinische Zeitung v. 4. 5. 1946, S. 3. 65 Obgm. Hennann Pünder(CDU) in: Bericht Stadtvertretung v. 2. 5. 1946 (wie Anm. 58), S. 2 f.

(,6 Hans C. Nipperdey (SPD) in: Bericht Stadtvertretung v. 2. 5. 1946 (wie Anm. 58), S. 4. 67 Beigeordneter Wilhelm Steinforth (Leiter des Kulturamtes der Stadt Köln) in: Der Rhein ruft Europa (wie Anm. 61), S. l. 68 Umfangreiche Dokumentation zur Berichterstattung über Haubrich und die Ereignisse um dessen Samm­ lung, welche dieser bei Einschaltung einiger Zeitungsausschnittsbüros aufmerksam registrierte, in: HASt Köln, Bestand 1369, Nr. 66-69, darunter u.a. die in Anm.61 erwähnten Beiträge. Mit skeptisch-distanzierter Ironie hingegen die Berichterstattung in dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel v. 1. 11. 1946 (,,Zwi­ schen Rhein und Europa"). w Neben Neue Illustrierte v. 18. 10. 1946 (wie Anm. 1) bereits zuvor: Kultur in Triimrnem, in: Neue Illustrierte v. 4. 10. 1946, S. 14 (die „bedeutendste Sammlung moderner Kunst in Deutschland"); dazu: Ein Liebermann

113 Erhard H.M. Lange

Würdigung der Zeitumstände zunächst noch in Grenzen. Insgesamt 8.363 Interessenten hatte man aufmerksam registriert, wohingegen eine zuvor im Frühjahr gezeigte kleine Ausstellung von Meisterwerken der holländischen und flämischen Malerei des 17. Jahrhunderts in den behelfs­ mäßigen Räumen der Eigelsteinburg immerhin rund 20.000 Besucher angezogen hatte. 70 Doch sorgte die anschließende Rundreise der Sammlung, die durch zahlreiche Städte aller drei Westzonen und nach Westberlin führte, dazu ins westliche Ausland nach Amsterdam ( 1951 ), Eindhoven (1952), Brüssel (1952), Luxemburg (1953), Turin (1954), Lüttich (1955), Basel (1955) und Paris als letzter Station (1955) dafür, dass diese dauerhaft im Gespräch blieb. Denn es war dieses „eine der umfangreichsten Ausstellungsreisen, die je eine Sammlung absolvierte, eine Art Marathon", wie Ingrid Severin später zu Recht festgestellt hat. 71 In ihrem einzigartigen Kampagnecharakter verband sich damit- eingebettet in weitere kunstpolitische 72 Aktivitäten - zugleich der Anspruch auf Führung Kölns als Stätte moderner Kunst bzw. der bildenden Kunst schlechthin in einer sich neu organisierenden westdeutschen Kulturland­ .schaft. Dem kam entgegen, dass Berlin nunmehr als entsprechendes Zentrum, welches Sammler und Mäzene anzog, angesichts der Spaltung der Stadt und deren labiler politischen Lage ausfiel. 73 Die Stellung Hamburgs hingegen, dessen Kunsthalle einst unter deren rührigen, aufgeschlos­ senen Direktoren Alfred Lichtwark (1852-1914) und Gustav Pauli (1866-1938) eine Art Vorort im Westen behauptet hatte, war durch die Verluste aus den Jahren des „Dritten Reiches" schwer erschüttert.74 Daher sah sich denn Carl Georg Heise, der Direktor der Hamburger Kunsthalle, anlässlich seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung von 142 Exponaten aus der Sammlung Haubrich im Hamburger Kunstverein im Spätherbst 1947 veranlasst, zu bekennen: ,,So er­ freulich die Situation in Köln ist, für Hamburg auf dem Gebiet moderner Kunst hat sie eine beschämende Seite. Wir müssen uns ganz klar darüber sein, was das bedeutet: ... Heute haben sowohl Berlin als auch Hamburg die Führung verloren."75 Aber auch eine weitere Zielrichtung war nicht zu übersehen: Mit der Haubrich-Sammlung wurde nicht nur der Anspruch vertreten, im Sinne eines kulturpolitischen Führungsanspruchs innerhalb

kommt zurück, in: Heute. Eine neue illustrierte Zeitschrift v. 1. 12. 1946, S. 24 f.; Schwäbische Illustrierte v. 10. 1. 1948 (,,Sein Name ist in der ganzen Welt bekannt und mit den bedeutendsten Werken der bildenden Kunst verknüpft: Dr. Haubrich"); Golf, Geist, Geselligkeit, in: Münchner Illustrierte v. 1. 7. 1950, S. 18; Münchner Illustrierte v. 24. 5. 1952, S. 16. -Belegexemplare in HASt Köln, Bestand 1369, Nr. 71. 10 Angaben nach: Georg Blochmann: Das Wunder von Köln (wie Anm. 62), insbes. S. 198 f. 71 Ingrid Severin: >Bausteine<, S. 277. Dazu oben Anm. 62. 72 Die Einbettung der durch die Hau brich-Sammlung mit angestoßenen Entwicklung in die sonstigen kul­ turpolitischen Aktivitäten Kölns auf dem Gebiete der Bildenden Kunst betont u.a.: Georg Blochmann: Das Wunder von Köln (wie Anm. 62), S. 190-205, insbes. S. 201 f. 73 Vgl. Günter Braun: Nachwort, in: Mäzenatentum in Berlin, Hrsg. Günter und Waldtraut Braun, Berlin/ New York 1993, S. 231-242, S. 236: ,,Nach dem Krieg war zunächst (in Berlin; der Verf.) nur wenig Raum für jegliches Mäzenatentum. Berlin schien bis auf weiteres jeden Anspruch verloren zu haben, sich weiterhin als eine Stadt der Kulturund der Kunst zu empfinden." Dazu auch Wolf-Dieter Dube: Kunstpolitik (wie Anm. 27), S. 127. 74 Durch die Beschlagnahmen während des „Dritten Reichs" wurde die moderne Abteilung der Hamburger Kunsthalle 1937 weitgehend vernichtet (Verluste: 74 Gemälde sowie rund 1.200 Zeichnungen) und musste durch deren neuen Leiter Carl Georg Reise wieder völlig neu aufgebaut werden. 75 Carl Georg Reise am 18. 10. 1947, zitiert nach Ingrid Severin >Bausteine< (wie Anm. 2), S. 275.

114 JosefHaubrich (1889-1961)-Sammler, Mäzen, Kulturpolitiker

Westdeutschlands zu wirken, sondern damit zugleich eine west-europäische Grundorientierung zu verbinden, wie sie bereits in den einzelnen auswärtigen Ausstellungsstation zum Ausdruck kam. Und JosefHaubrich war der beste Interpret dieser Intentionen ! Wiederholt hat er, der nach dem Kriege der Europabewegung beigetreten war und als Mitglied des Landesvorstandes der Europaunion eng mit Ernst Friedländer zusammenarbeitete, 76 darauf verwiesen, dass es sich hier um „die Sammlung eines Europäers" handele, und dabei den Bogen zu der auf die westeuro­ päische Kunst ausgerichtete Sonderbundausstellung des Jahres 1912 zu ziehen versucht. 77 Hinzu kam, dass er sich mit besonderem Nachd~ck an die Jugend wandte, glaubte er doch ganz offensichtlich in einem durchaus bürgerlichen Grundverständnis an die erzieherische Kraft von Kultur.7s Dabei tat sich eine Parallele zu Theodor Heuss, dem ersten Bundespräsidenten, auf,79 mit dem Haubrich nach dem Kriege in einer persönlichen, vertrauten Beziehung stand.so Zu­ gleich ergab sich damit aber auch eine Konformität zur Politik der „re-education" der Jugend, wie sie von den westalliierten Kulturoffizieren hinsichtlich der Erziehung zur Kunst vertreten wurde.s1 Um es überspitzt zu formulieren, es ging um eine kulturpolitische Unterfütterung der neuen Westorientierung Westdeutschlands, von der man sich im rheinischen Übergangsraum eine neue Führungsrolle erhoffte. Oder mit den Worten von Otto Dann: ,,Die Sammlung Hau brich war zum Ausdruck und zu einem Kristallisationspunkt der Kultur der jungen Bundesrepublik geworden."82 Damit ergänzte die Stiftungsinitiative den kulturpolitischen Führungsanspruch, wie er in Köln artikuliert wurde, um eine weitere Komponente: Neben die Berufung auf das in der rheinischen Großstadt nach wie vor lebendige, sichtbar nachwirkende antike Erbe und den Rückgriff auf die christlich-abendländische Vergangenheit trat als zeitgenössisches Element eine Bezugnahme auf die Auseinandersetzungen der Modeme.s3 Der Widerspruch, der darin lag, dass

76 Otto Dann: JosefHaubrich: Ein Kunstsammler (wie Arun. 2), S. 376 f. Der im Text erwähnte Publizist Ernst Friedländer (1895-1973) war nach dem Kriege führend in der europäischen Einigungsbewegung tätig, dabei 1954- 1958 als Präsident der Europa-Union Deutschlands, dazu seit 1954 als Vizepräsident des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung. - Deutsche Biographische Enzyklopädie Bd. 3 (1996), S. 452. n Ingrid Severin: ,,Bausteine" (wie Anm, 2), S. 272 f. , mit Hinweis auf die Rede Haubrichs angesichts der Eröffnung der Ausstellung seiner Sammlung in der Alten Universität im Jahre 1946. 78 So Hau brich in einer Vielzahl öffentlicher Äußerungen und Vorträge. U.a. Josef Haubrich in: Gewichtige Stimmen zur Kunsterziehung, in: Kunst und Jugend v. Nov. 1952: ,, Es ist unzweifelhaft, daß die Heran­ führung der Kinder und Jugendlichen an die Kunst der Vergangenheit und Gegenwart eines der wichtigsten Probleme unserer Zeit ist. Die einseitige Hinneigung unserer Jugendlichen zum Sport und zum Materia­ lismus schreit geradezu nach einem Ausgleich durch Beschäftigung mit künstlerischen und ideellen Dingen." (Vorhanden in HASt Köln, Bestand 1369, Nr. 70). Dazu auch Ingrid Severin: ,,Bausteine" (wie Anm. 2), S.272. 19 Vgl. Theodor Heuss. Politik durch Kultur 1949- 1959. Eine Ausstellung des Arbeitskreises Selbständiger Kultur-Institute (ASKI), Hrsg. Michael Kienzle/Dirk Mende, Stuttgart 1984. ro Dazu u.a. der Kondolenz-Brief von Theodor Heuss an den Kölner Oberbürgermeister Theo Burauen anlässlich des Todes von Josef Hau brich v. 6. 9. 1961, abgedruckt bei Peter Fuchs: JosefHaubrich. Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 61 f.; ferner S. 64 f. (als Faksimile). 81 Vgl. Hermann Glaser: Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland Bd. 1: Zwischen Kapitulation und Währungsreform 1945-1948, München/Wien 1985, S. 238 f. 82 Otto Dann: JosefHaubrich: Ein Kunstsammler (wie Anm. 2), S. 377. 83 Bezeichnenderweise wurde als Ausdruck dieses kulturpolitischen Dreiklanges gemeinsam mit der erst­ maligen Präsentation der Haubrich-Sammlung auf den Kölner Kulturtagen vom Oktober 1946 das während

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man die Kuns.t des Expressionismus als Schwerpunkt der Sammlung in den westliche Nach­ barländern eher als urdeutsch empfand84 und sich dieser daher kaum dazu eignete, eine gemein­ sam westeuropäische Identität zu bekunden, wurde in ihrer Zeit offenbar nicht gesehen. Was seine eigene Rolle in dem von ihm angestoßenen Prozess betrifft, so hatte Josef Hau brich durch eine geschickte Festlegung in der Schenkungsvereinbarung sichergestellt, dass er auch nach diesem Schritt eine maßgebliche Stellung in der weiteren kulturpolitischen Entwicklung der Stadt auf dem Gebiete der modernen Kunst behielt. Demnach hatte die Stadt jährlich einen „Betrag in Höhe etwa eines Beigeordnetengehalts" auszusetzen, über das er für Zwecke der Sarnmlung, ihrer Betreuung und Bereicherung oder für die Förderung moderner Malerei "nach seinem Gutdünken verfügen" könne. Außerdem blieb ihm das Recht vorbehalten, diejenigen Stücke aus seiner Samm­ lung wieder zu entleihen, die er für seine jeweilige Wohnung benötigte. 85 Private Sarnmlerleidenschaft und öffentliches Interesse waren damit in einer untrennbaren Einheit miteinander verbunden ! Zudem bedeutete die Vereinbarung eine Dynamisierung der kulturpolitischen Entwicklung der Stadt im Bereich der modernen Kunst im Sinne der von Hau brich vertretenen Vorstellungen. Seine gleichzeitige Stellung als Vorsitzender des Kunstvereins sowie in führender Position in zahlreichen anderen kulturellen Vereinigungen und der Tätigkeit als Kommunalpolitiker gab ihm zusätzliches Gewicht. So fand er sich in vielfältiger Weise vernetzt mit der Kulturszene der Stadt, -Künstlern wie Galeristen und Museumsleuten, Politik und Verwaltung.86 Viele der kulturpolitischen Entscheidungen dieser Zeit spiegeln seine persönliche Einflussnahme wider: die Berufung des im „Dritten Reich" verfemten Bildhauers Ludwig Gries 1950 an die Werkschule Köln, die Übersiedlung des in Hamburg lebenden Bildhauers Gerhard Marcks nach Köln, die Ansiedlung von Galeristen und die Auftragsvergabe an den Architekten Wilhelm Riphahn (1889-1963), einen der Hauptvertreter eines sachlich-funk­ tionalen Baustils im Rheinland, für eine Anzahl öffentlicher Gebäude, 87 dazu die Ankaufspolitik der städtischen Sarnmlungen im Bereich der modernen Kunst, die Gewinnung neuer Förderer und die Schaffung der Stellung eines Generaldirektors für die Kölner Museen.88 Vor allem aber wirkte

des Krieges in der unmittelbaren Nähe des Domes entdeckte Dionysos-Mosaik und als Hinweis auf die bis in die Gegenwart fortwirkende christlich-abendländische Prägung eine Ausstellung zu „Kölner Glas­ malerei vom 13. Jahrhundert bis zur Jetztzeit" der Öffentlichkeit präsentiert, deren Exponate über alle Kriegswirren hinweg gerettet worden waren. - Vgl. Programm, in: Kölner Woche (wie Anm. 61), S. 8 f. si Vgl. beispielsweise den Hinweis auf die Reaktion in Brüssel auf die dort 1952 im „Palais des Beaux-Art" gezeigte Sammlung Hau brich bei Ingrid Severin: ,,Bausteine" (wieArun. 2), S. 288: ,,Das scharfe Echo in Brüssel klassifiziert die Kunst als >typisch deutsch<, vergleicht sie mit Eigenschaften wie barbarisch, maßlos, im Fauvismus befangen. >Der Expressionismus ist nackt, schreiend und vulgär bis zur letzten Unanständigkeit<." 85 Zum Inhalt der Schenkungsvereinbarung Obgm. Hermann Pünder (CDU), in: Bericht Stadtvertretung v. 2. 5.1956 (wie Anm. 58), S. 3. 86 Vgl. auch Renate Prieur: Nicht vom Brot allein. Facetten städtischer Künstlerförderung seit 1945, in: Kunst und Kultur in Köln nach 1945, Hrsg. Historisches Archiv der Stadt Köln, Köln 1996, S. 156- 189, S. 185 f. 87 Im Übrigen baute Riphahn 1951 auch Haubrichs sehenswertes Tuskulum-Privathaus in Köln-Müngersdorf (Abb. bei Peter Fuchs: JosefHaubrich: Sammlerund Stifter [wie Arun. 2], S. 51). - Zu Wtl.helm Riphahn, Architektzahlreicherprivaterund öffentlicher Bauten in Köln, u.a. des Opernhauses (,,ÄraRiphahn"): Wolfram Hagspiel: Wilhelm Riphahn. Architekt unserer Zeit, Köln 1978 (Kölner Biographien 10); derselbe: Der Kölner Architekt Wilhelm Riphahn, Köln 1982. 88 Dazu u.a. Otto Dann: JosefHaubrich: Ein Kunstsammler (wie Anm. 2), S. 373 f. ; Georg Blichmann: Das Wunder von Köln (wie Anm. 62), insbes. S. 204 einschl. der zugehörigen Anm. 18.

116 Josef Hau brich (1889-1961 )- Sammler, Mäzen, Kulturpolitiker

Haubrich als entscheidender Impulsgeber und treibende Kraft bei der Wiedererrichtung des Wallraf­ Richartz-Museums, dessen unter der Leitung des Architekten Rudolf Schwarz (1897 - 1961 )89 gemeinsam mit Josef Bernard (1902 - 1959) fertig gestellter Bau im Frühjahr 1957 der Öffent• lichkeit übergeben werden konnte. 90

Voll geselliger Anekdoten - Ein Bonvivant echt kölnischer Prägung

Die Würdigung eines Mannes, dessen kulturpolitischen Leistungen hier im Vordergrund standen, wäre indessen unvollständig, sähe man in ihm lediglich den rational handelnden kulturpolitischen Strategen und nicht auch den Genussmenschen, der immer zur Stelle war, wenn es etwas zu feiern gab, voll geselliger Anekdoten und sprühenden Witzes.91 Wie hätte er treffender charakterisiert werden können, als in einer kurzen Vorstellung, die im Sommer 1953 in der Neuen Zeitung erschien ? Haubrich, so hieß es dort, sei „nicht nur ein >Mann des öffentlichen Lebens<, sondern auch ein Bonvivant echt kölnischer Prägung, der seine >gotische Ursulabüste< [eine in seinem Besitz befindliche Antiquität; der Verf.] mit dem berühmten >Kölnischen Lächeln< sogar noch überstrahlt "92 Dabei entsprach es seiner Lebensart, sich auch nach schweren Schicksalsschlägen bald wieder dem Dasein zuzuwenden. Nicht lange nach dem Tode seiner vierten Frau Paula geb. Sieb (1886- 1959)93 heiratete der inzwischen Siebzigjährige im Frühjahr 1960 in Caracas (Venezuela) zum fünften Mal, nunmehr die um ein viertel Jahrhundert jüngere Kölner Schauspielerin Lucy Millowitsch (1915 - 1990), eine Schwester des Kölner Urgesteins und Volksschauspielers Willy Millowitsch.94 Rund ein drei viertel Jahr sollte ihm noch vergönnt sein. Am 5. September 1961 ereilte i1m während eines froh gestimmten Ferienaufenthaltes mit seiner neu Angetrauten in Bad Münstereifel wie durch einen Blitz aus heiterem Himmel ein tödlicher Himschlag.95 Bereits zu seinem fünfundsechzigsten und dann zu seinem siebzigsten Geburtstag hatte er vielfältige Ehrungen erfahren. 1954 war er mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wor­ den .96 Die Philosophische Fakultät der Universität Köln hatte ihm 1959 die Ehrendoktorwürde

89 Zum Wirken von Rudolf Schwarz, einem Meisterschüler von Hans Poelzig und in den Jahren 1946 bis 1952 Generalplaner der Stadt Köln, u.a.: Wolfgang Pehnt/Hilde Stroh!: Rudolf Schwarz 1897 -1961. Architekt einer anderen Modeme, Ostfildern-Ruit 1997 (Ausstellungskatalog); Rudolf Schwarz. Gedächtnisausstellung des BDA Köln ..., Heidelberg 1963; Rudolf Stegers: Räume der Wandlung. Wände und Wege. Studien zum Werk Rudolf Schwarz, Braunschweig /Wiesbaden 2000. !!l Dazu u.a. Hugo Borger: Die Kölner Museen, 1990 (wie Anm. 6), S. 24. 91 Dazu aus dem persönlichen Miterleben: Peter Fuchs: Josef Haubrich: Sammler und Stifter (wie Anm. 2), S. 60 f. (,,Fülle des Lebens"). 92 Die Neue Zeitung v. 29 ./30. 8. 1953, S. 14. 93 Beide hatten die Ehe Anfang September 1944 geschlossen. Paula (auch Pauline) Hau brich war zuvor mit Gottfried Wegelin, Rußfabrikant in Zons a. Rh., verheiratet gewesen. - Zu Paula Anna Berta Hau brich, verw. Wegelin, geb. Sieb auch : Peter Fuchs: JosefHaubrich: Samrnlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 35; 42; 56 (Abb.). !11 Peter Fuchs: JosefHaubrich. Samrnlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 58. g; Peter Fuchs: JosefHaubrich. Sarnmlerund Stifter (wie Anm. 2), S. 61. 96 JosefHaubrich, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 8 (1969), S. 74 (H. Keller).

117 Erhard H.M. Lange verliehen.97 Die Stadt Köln, die am 8. September 1961 eine Trauerfeier im Großen Ratssaal unter Mitwirkung von Musikern des Gürzenich-Orchesters für ihn ausrichtete,98 ehrte ihn posthum anlässlich seines 90. Geburtstages, indem sie am 6. Februar 1979 die Kunsthalle in „Josef-Haubrich-Kunst­ halle" umbenannte. 99 In der Rückschau bleibt vor allem die große kultwpolitische Leistung, durch die Haubrich wesentlich mit dazu beitrug, Köln auf dem Gebiete der modernen Kunst eine Sonderstellung zu verschaffen. So kommt denn auch der einstige Generaldirektor der Kölner Museen, Hugo Borger, zu dem Resümee: Die von der Schenkung der >Sammlung Haubrich< ausgehende „Signalwirkung" sei „erheblich" geweßen und habe ,,neben ihrer strikten Wirkung in der Stadt Köln auch entschieden dazu beigetragen, den internationalen Rang der Kölner Museen wieder zu begründen". Und Borgerfügte hinzu: ,,Man übertreibt wohl nicht, wenn man anmerkt: gerade diese Sammlung-die als >Botschafter des besseren Deutschland< auch immer wieder in den USA in Teilen gezeigt wurde-ist mit ein Grund dafür, dass die Kölner Museen schnell auch außerhalb der nun entstehenden Bundesrepublik als Partner mit freier und offener Gesinnung akzeptiert wurden. "100 Nicht übersehen lässt sich aber auch, dass von der in seiner Sammlung bevorzugt vertretenen Richtung des deutschen Expressionismus kaum erkennbare künstlerische Impulse auf das Kunstschaffen vor Ort ausgingen. Schon zu seiner Zeit wandte man sich hier vielmehr zunächst vorrangig einer abstrakten internationalen Modemen zu, die wenig Be­ rührungspunkte mit den deutschen Expressionisten aufwies. 101 Entsprechend ergab sich das Para­ doxon, dass diese Richtung der Kunst nach dem Kriege nicht etwa am Rhein, sondern trotz der politisch bedingten Restriktionen offizieller Kulturpolitik eher in Dresden und an anderen Orten der einstigen DDR - nicht zuletzt im Bereich der Zeichnung und Grafik- ihre zeitgemäße Fortführung fand. w2

97 Peter Fuchs: ,,Großer Bahnhof' für Dr. Haubrich, in: Neue Rhein Zeitung v. 16. 6. 1959; Glück.lieh die Stadt, die solche Bürger hat, in: Kölner Stadt-Anzeiger v. 16. 6. 1959. Weitere Würdigungen u.a.: Tonfeld (d.i. Toni Feldenkirchen): Ein großer Kölner Bürger. Zum 70. Geburtstag von Dr. Josef Haubrich, in: Kölner Leben, Heft 24 v. 12. - 21. 6. 1959; Hans Schmitt-Rost: Ein Albumblatt für Josef Haubrich. Auf beiden Augen musikalisch, in: Kölner Stadt-Anzeiger v. 13./14. 6. 1959, S. 15; ferner Peter Fuchs: JosefHaubrich: Stifterund Sammler (wie Anm. 2), S. 57 (Abb.). 98 Verhandlungen des Rates der Stadt Köln vom Jahre 1961 (Druckfassung), S.201-205; dazu Peter Fuchs: JosefHaubrich: Stifterund Sammler (wie Anm. 2), S. 63 (Abb.). 99 Zur Umbenennung der Kunsthalle: Beschlussvorlage der Verwaltung an den Rat v. 19. 12. 1978 nebst ein­ stimmigem Ratsbeschluss in: HASt Köln Ace. 600, Nr. 80, BI. 177 -182. Bereits anlässlich der Trauerfeier des Rates am 8. 9. 1961 hatte Oberbürgermeister Burauen angeregt, der Kunsthalle am Neumarkt den Namen Haubrichs zu geben. -Verhandlungen des Rates „.1961 (wie Anm. 98), S. 203. 100 Hugo Borger: Die Kölner Museen, 1990 (wie Anm. 6), S. 24. 101 Dabei war die weitgehende Wirkungslosigkeit des deutschen Expressionismus im Vergleich zu anderen, insbes. ,,internationalen" modernen Kunstströmungen, schlechthin kennzeichnend für die Nachkriegszeit in Westdeutschland. - Dazu u.a. Hermann Glaser: Kulturgeschichte Bd. I (wie Anm. 81 ), S. 224-240 (,,Die bildende Kunst verlässt die Katakombe"), S. 225 f. Hingegen dürfte der sog. ,,Neo-Expressionismus" der nachfolgenden achtziger Jahre nur sehr bedingt in eine geistes- und sozialhistorische Kontinuitätslinie mit dem „klassischen" Expressionismus etwa der „Brücke"-Maler zu stellen sein. im So auch Karin Thomas: Die Malerei in der DDR 1949-1979, Köln 1980, S. 13 ff. Dazu grundlegend Lothar Lang: Malerei und Graphik der DDR ( 1945- 1983), Leipzig 1986, insbes. S. 202 ff. (Dresden), der allerdings im Sinne der damaligen offiziellen DDR-Kulturpolitik den Begriff „Expressionismus" zugunsten anderer Begriffe nur sehr zmiickhaltend verwendet.

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