Der Untergang des Fürstbistums Basel und der Wiener Kongress (1841/1815)

Autor(en): Jorio, Marco

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Baselbieter Heimatblätter

Band (Jahr): 80 (2015)

Heft 1

PDF erstellt am: 27.09.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-860396

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http://www.e-periodica.ch Marco Jorio

Der Untergang des Fürstbistums Basel und der Wiener Kongress (1814/1815)1

Am 24. November 2013 waren die gültigen Grenzen. Sie reichte vom elsäs- Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im sischen Colmar bis zur Pierre-Pertuis im französischsprachigen Teil des ehemaligen Jura und von den Ufern des Rheins und Fürstbistums Basel zur Urne gerufen, der Aare bis zur burgundischen um zu entscheiden, ob der Berner Jura Wasserscheide. Sie grenzte im Osten und und der Kanton Jura sich vereinen und Südosten an das Bistum Konstanz, im sich zu einem neuen, grösseren Kanton Süden und Südwesten an das Bistum zusammen schliessen sollen. Der Kanton Lausanne, im Westen an das Erzbistum Jura befürwortete die Vereinigung, der Besançon und an das Bistum Toul und Berner Jura hingegen lehnte sie ab - mit im Norden an das Bistum Strassburg. Ausnahme der Stadt , für die Gemeinsam mit den Bischöfen von Bel- anschliessend ein Anschlussverfahren an ley und Lausanne unterstanden die Basler den Kanton Jura eingeleitet wurde. Hier Bischöfe dem Erzbischof von Besançon. wurde das Volk in einer Frage konsultiert, Die vier Diözesen bildeten die burgundische die der Wiener Kongress eigentlich Kirchenprovinz. Im Gegensatz abschliessend geregelt hatte - und trotzdem zum heutigen Bistum umfasste das alte ist der Entscheid auch 200 Jahre später Bistum Basel im Wesentlichen das Obe- noch umstritten. Es handelt sich um einen relsass und die heutige Nordwestschweiz, klassischen Fall von Geschichte, die nicht also auch den heutigen Kanton Baselland. zur Ruhe kommen will. Die Bischofsstadt Basel - heute am nordwestlichen Rand des Bistums - lag im Die Diözese und das Fürstbistum Basel Südosten. Die Basler Bischöfe residierten vor 1789 bis zur Reformation in Basel, nachher in Als im ausgehenden 18. Jahrhundert die Pruntrut. Französische Revolution die Fundamente Das adlige Domkapitel wich während des Basler Bistums erschütterte, konnten der Reformation (1529) von Basel nach die Diözese bereits auf über 1400 Jahre Freiburg i. Br. aus und residierte für 150 und das Fürstbistum oder Hochstift auf Jahre im Bistum Konstanz. 1678 kehrte fast 800 Jahre Vergangenheit es wieder auf Basler Bistumsboden, nach zurückblicken. Die aus dem spätrömischen Kastell zurück und baute das vor den Kaiseraugst gewachsene Diözese Toren Basels gelegene Bauerndorf zu erhielt im 8. Jahrhundert ihre für 1000 Jahre einem vornehmen Residenzort aus. Es zählte zuerst 24 und seit der Reformation 18 1 Bei diesem Beitrag handelt es sich um das über¬ Domherren. Seit 1453 war die Mehrheit arbeitete Referat, das der Autor am 26. Oktober der reichen Basler Domherrenpfründen 2013 2' d'histoire transfrontalière am Colloque den Adligen aus dem Breisgau, der in Strassburg gehalten hat und das auf Französisch heutigen Nordwestschweiz und dem Elsass publiziert wurde: Marco Jorio, La fin reserviert. Fünf Domherrenstellen blieben de l'Evêché de Bâle et le congrès de Vienne (1814/15). In: Annuaire de la Société d'Histoire den «Studierten» vorbehalten, bei du Sundgau XVII (2014) S. 281-298 (Übersetzer: denen es sich in der Regel um bürgerliche Pierre-G. Martin). Theologen auf den sogenannten Doktoral-

2 pfründen handelte. Für den stiftsfähigen Geradezu verwirrlich präsentierte sich die Adel am Oberrhein bedeutete das Hoch- staatsrechtliche Situation. Der (katholische) stift Basel eine soziale und politische Nordteil des Hochstifts gehörte zum Aufstiegschance, die ihre Angehörigen Heiligen Römischen Reich und bildete bis zur Fürstenwürde fuhren konnte. Dies seit dem 17. Jahrhundert mit dem war vor allem für den aus der Schweiz württembergischen Montbéliard eine stammenden Adel besonders wichtig, da Reichsexklave zwischen Frankreich und der er in der republikanischen Eidgenossenschaft Schweiz. Das Hochstift besass Sitz und bereits im Spätmittelalter aus Amt Stimme auf dem Reichstag und war mit und Würden verdrängt worden war. einem permanenten Vertreter beim Bürgerliche Diözesangeistliche gelangten aus Oberrheinischen Kreis in Frankfurt vertreten. verfassungsrechtlichen Gründen nie in Die südlichen (mehrheitlich reformierten) die höchste Staatsfunktion, wohl aber als Ämter dagegen waren mit verschiedenen Weihbischöfe und Generalvikare in kirchliche schweizerischen Orten (Bern, Solothurn, Spitzenpositionen. Freiburg) verburgrechtet und galten als Die Anfänge des Basler Bischofsstaates schweizerische Territorien. Bis zum gehen auf das Jahr 999 zurück, als der Untergang des alten Fürstbistums war unklar, letzte burgundische König, Rudolf III., wo die Grenze zwischen der Schweiz und dem Bischof von Basel die Abtei Moutier- dem Reich genau verlief. Moutier-Grand- Grandval (deutsch: Münster-Granfelden) val und das Gebiet der Prämonstratenser- mit allen Rechten und Gütern schenkte. abtei Bellelay galten je nach Frage als Nach wechselvoller Geschichte bildete schweizerisch oder als Reichsgebiet. sich das Hochstift heraus, das die Die Fürstbischöfe waren zeitweise mit Reformation überlebte und bis zur Revolution den sieben katholischen Orten der Bestand haben sollte. Das geistliche Eidgenossenschaft verbündet. 1579 schloss Fürstentum sass rittlings auf der Jurakette. Es der tatkräftige, gegenreformatorische erstreckte sich vom Bielersee, wo es Anteil Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von am Schweizer Mittelland hatte, zur Wartensee das erste Bündnis mit den Burgundischen Pforte und in die Oberrheinische katholischen Eidgenossen. Erfolglos Tiefebene. Das Land war zweisprachig: versuchte er, als 14. Kanton in den eidgenössischen Die Mehrheit sprach französisch; Bund aufgenommen zu werden. deutsch waren nur die Ämter Zwingen, Die Fürstbischöfe des 18. Jahrhunderts Pfeffingen, Birseck, Biel, das rechtsrheinische dagegen lehnten sich eng an Frankreich Schliengen und als sprachliche an: 1739 und 1780 schlössen sie mit der Enklave der fürstliche Hof in Pruntrut bzw. französischen Krone politische und in Delsberg, wo die Sommerresidenz lag. militärische Allianzen, die Frankreich weitreichende Nicht weniger kompliziert war die Einflussmöglichkeiten im Hochstift konfessionelle Situation: Der südliche Teil sicherten. Trotzdem behandelten sich des Hochstifts war reformiert, der nördliche die Eidgenossen und die Fürstbischöfe im Teil und die deutschen Ämter waren 18. Jahrhundert weiterhin als Bundesgenossen. katholisch. Trotz ihrer starken kirchlichen und weltlichen Stellung pflegten die Der Fürst übte im Norden seit der ersten Fürstbischöfe eine Politik der Toleranz. So Hälfte des 18. Jahrhunderts eine absolutistische konnten sich in den Städten Juden und auf Herrschaft aus, die den Widerstand den Jurahöhen vertriebene Berner Täufer der Untertanen provozierte und in die niederlassen. blutigen Landestroublen von 1730 bis 1740

3 mündete, die von französischen Truppen 1790 brachen im Fürstbistum Unruhen niedergeschlagen wurden. Im Süden aus. Anführer war der zweite Mann in dagegen waren die landesherrlichen Rechte Staat und Kirche: der Weihbischof Johann der Fürsten stark eingeschränkt und konnten Baptist Gobel sowie dessen Neffe Joseph- wie im Fall der Stadt Biel zur nominellen Antoine Rengguer, Hofrat, Geheimratssekretär Oberhoheit absinken. Biel war zwar und Syndikus der Landstände. Die formell eine untertänige Stadt der treibende Kraft war aber der Elsässer Gobel, Fürstbischöfe, gleichzeitig aber auch ein der vom Fürstbischof schon vor der Zugewandter Ort, d.h. ein verbündeter Kanton Revolution kaltgestellt worden war, weil der Eidgenossenschaft und führte eine er versucht hatte, mit Hilfe des französischen eigenständige Politik. Das Fürstbistum Hofes für sich im Elsass ein eigenes kannte drei verfassungsmässige Träger Bistum zu errichten. 1789 wählte ihn der der Souveränität. An erster Stelle stand der Elsässer Klerus zu seinem Abgeordneten Fürstbischof mit seinem Hof und mit der in den französischen Generalständen. geistlichen und weltlichen Verwaltung in Gobel schloss sich den Jakobinern an Pruntrut. Daneben übte das Domkapitel in und wurde 1791 erster konstitutioneller Arlesheim mit seinen 18 Domherren eine Bischof von Colmar und Erzbischof von Mitregierung aus. Es wählte den Fürstbischof Paris. Er endete 1794 unter der Guillotine. und nahm über die Wahlkapitulationen, 1790 bildeten sich im Fürstbistum die die jeder neu gewählte Fürstbischof ersten revolutionären Klubs. Sie stellten zu unterzeichnen hatte, sowie über zwei einen Forderungskatalog auf, der unter delegierte Domherren am Fürstenhof Ein- anderem die Einberufung der Landstände fluss auf die Regierungsgeschäfte. Die verlangte. Nachdem aber sowohl Frankreich dritte Instanz waren die Landstände. Seit als auch Bern, Basel und Solothurn 1736 war ihre Rolle aber auf die das Gesuch des Fürstbischofs um Steuerbewilligung beschränkt. Truppenhilfe zur Niederschlagung der Aufstände abgelehnt hatten, sandte Kaiser Der Untergang des Fürstbistums Leopold II. dem bedrängten Fürstbischof in der Französischen Revolution österreichische Truppen aus dem Breisgau 1789 regierte seit sieben Jahren zu Hilfe. Die Österreicher schlugen Fürstbischof Joseph Sigismund von Roggenbach den Aufstand nieder, einige Revolutionäre über die rund 65'000 Einwohner wurden eingekerkert und die Verwaltung seines Fürstentums. Wegen seiner von unzuverlässigen Beamten gesäubert. exponierten Lage bekam das Fürstbistum die Am 20. April 1792 erklärte Frankreich Auswirkungen der Französischen dem Kaiser in Wien den Krieg. Auf Grund Revolution sofort zu spüren. Als 1789 die des Allianzvertrages von 1780 zwischen französische Nationalversammlung alle Frankreich und dem Fürstbischof Feudalrechte aufhob, verloren der marschierten sofort französische Trappen ins Fürstbischof und das Domkapitel sämtliche Reichsgebiet des Fürstbistums Basel ein Einkünfte aus dem Elsass. 1790 wurde und besetzten am 28. April die Jurapässe. das Elsass kirchlich von der Diözese Der Fürstbischof und sein Hof verliessen Basel abgetrennt und dem neuen Pruntrut und flohen zunächst nach Biel auf konstitutionellen Bistum Colmar unterstellt. Schweizer Boden. Von hier aus versuchte Damit verlor der Fürstbischof auf einen von Roggenbach vergeblich von der Schlag den grössten Teil seiner Diözese eidgenössischen Tagsatzung in Frauenfeld und seiner Einkünfte. den Einschluss des gesamten Hochstifts

4 in die helvetische Neutralität zu bewirken. Partei gespaltene Domkapitel unter Zürich und Basel wollten keine Risiken kaiserlichem Schutz in Freiburg i. Br. den 45jäh- eingehen und Frankreich nicht herausfordern. rigen Domherrn Franz Xaver von Neveu, Schliesslich wurde wie in den Sohn eines fürstbischöflichen Landvogtes früheren Kriegen nur der südliche Teil des zu Birseck sowie Pfarr-Rektor von Fürstbistums (einschliesslich Bellelay und Offenburg und strassburgisch-bischöflicher Moutier) in die eidgenössische Neutralität Kommissar in der Ortenau, zum eingeschlossen. Fürstbischof. Dieser Vorschlag trug alle Im Norden besetzten die französischen Zeichen eines Kompromisses, fand doch von Truppen das Land und begünstigten die Neveu als Kandidat der «Reichspartei» revolutionär gesinnten Patrioten. Im auch die Unterstützung der «Elsässer» November 1792 proklamierten die Partei. Einer der Gründe für seine Wahl einheimischen Revolutionäre die Absetzung des dürfte seine Pfründe in Offenburg gewesen Fürstbischofs und riefen die Raurachische sein, die ihn nicht von den wenigen, Republik aus. Gobel traf als Beauftragter noch verbliebenen Einkünften des Hoch- der französischen Regierung in Pruntrut stifts abhängig machte. Nach seiner Wahl ein und führte den Umsturz durch. Bereits residierte von Neveu zuerst in Offenburg 1793 wurde die Raurachische Republik und übersiedelte im Herbst nach Konstanz, als Departement Mont-Terrible (deutsch: wo sich seit Ende 1792 die kleine Schreckensberg) der französischen Republik Exilregierung des Hochstifts befand, um einverleibt. schliesslich 1796 auf neutralen Schweizer Nach dem Verlust der Reichsgebiete floh Boden ins luzernische Zisterzienserkloster von Roggenbach mit seinem Hof von Biel St. Urban auszuweichen. nach Konstanz unter kaiserlichen Schutz und setzte für die Verwaltung der südlichen Fürstbischof Franz Xaver von Neveu Ämter einen Regentschaftsrat in Pie- und die Säkularisation (1794-1803) terlen in der Nähe der Stadt Biel ein. Trotz Von 1794 bis 1797 versuchte der neue der Unruhen in der Herrschaft Erguel Fürst in zahlreichen Verhandlungen mit gelang es dem fürstbischöflichen Statthalter, der Schweiz, mit dem Kaiser und mit den die Verwaltung in den schweizerischen Reichsständen, die helvetischen Gebiete Gebieten des Fürstbistums bis Ende 1797 zu sichern und die besetzten nördlichen aufrechtzuerhalten. Gebiete zurückzugewinnen. Er liess sich Das Domkapitel in Arlesheim leistete zu diesem Zweck unter anderem durch während Monaten der französischen drei Gesandte auf dem Friedenskongress Besetzung Widerstand. Nachdem aber vier von Rastatt zwischen Frankreich und dem Domherren als Geiseln nach Pruntrut Reich (1797-1799) vertreten. verschleppt worden waren, floh 1793 das Ende 1797 erfolgte der zweite grosse Domkapitel aus Arlesheim und liess sich Schlag gegen das Fürstbistum. Nach zuerst in Basel und schliesslich bis 1803 dem glanzwollen Sieg des jungen Generals in Freiburg i. Br. nieder, bevor es sich in Napoleon Bonaparte in Oberitalien alle Winde zerstreute. trat der Kaiser im Frieden von Campo Am 9. März 1794 starb Fürstbischof von Formio vom 17. Oktober 1797 das ganze Roggenbach in seinem Konstanzer Exil linke Rheinufer an Frankreich ab und und wurde zwei Tage später in der liess dem Sieger in einem Geheimartikel Domkirche beigesetzt. Im Juni 1794 wählte das freie Hand in der Schweiz. Bereits am in eine elsässische und eine reichstreue 14. Dezember marschierten französische

5 Truppen im Süden des Fürstbistums ein schofs und des Domkapitels in seinem und besetzten die helvetischen Ämter und Territorium sequestrieren. Darauf löste Biel. Die eroberten Gebiete des Flochstifts Neveu in Wien seinen kleinen Hof auf, wurden Frankreich einverleibt und zum und seine letzten Getreuen kehrten in ihre Departement Mont-Terrible geschlagen. Heimat zurück. Wenige Wochen später erfolgte vom Im Oktober 1801 setzte der Reichstag ehemaligen Fürstbistum aus der französische in Regensburg eine Kommission, eine Einmarsch in die Schweiz, die zu einem sog. Reichsdeputation, ein, die Vorschläge Einheitsstaat nach französischen Vorbild auszuarbeiten hatte, wie die auf dem umgestaltet wurde. Die junge Helvetische linken Rheinufer enteigneten weltlichen Republik sperrte alle Einkünfte des Hochstifts Fürsten rechtsrheinisch entschädigt werden in der Schweiz. Damit verblieben könnten. Als «Brandsalbe des dem Fürstbischof und dem Domkapitel Reiches» standen die Geistlichen Staaten, nur noch die bescheidenen Einkünfte im wie z.B. das Fürstbistum Basel, im Breisgau und im vorderösterreichischen Vordergrund, deren Existenz im Zeitalter Fricktal. der Aufklärung schon seit einiger Zeit Franz Xaver von Neveu floh Ende 1797 umstritten war. Jetzt sah von Neveu ein, nach der Besetzung des südlichen Hochstifts dass die Säkularisation unabwendbar war mit der Exilregierung und dem und gab den Kampf für die Rettung seiner fürstbischöflichen Archiv zuerst von St. weltlichen Herrschaft auf. Im Spätsommer Urban nach Konstanz und beim 1802 reiste er von Wien nach Regensburg, Einmarsch der französischen Truppen in die um sich vor Ort für gute Pensionen Schweiz im März 1798 weiter nach Ulm. und die Bezahlung der hochstiftischen Nach Ausbruch des 2. Koalitionskrieges Schulden einzusetzen. Dort musste er zur zwischen Frankreich und der antirevolutionären Kenntnis nehmen, dass Schliengen, die Allianz hoffte der Fürstbischof letzte Herrschaft seines Hochstifts, nach dem Sieg der Österreicher über die zusammen mit dem Fürstbistum Konstanz Franzosen in der Schlacht bei Zürich im und den rechtsrheinischen Gebieten der Sommer 1799 vergeblich, bald ins Hochstift Hochstifte Strassburg und Speyer dem zurückkehren zu können; die Alliierten Markgrafen von Baden zugesprochen drangen nie bis zum Fürstbistum vor. werden sollten. Dieser schritt im September Als die Franzosen gegen Ulm vorrückten, 1802 nach dem Vorbild anderer flüchtete von Neveu als erklärter Feind weltlicher Fürsten zur provisorischen der französischen Republik mit wenigen Besitznahme. Neveu protestierte nicht mehr und Getreuen auf der Donau nach Passau und rief seine letzten Untertanen im Breisgau schliesslich nach Wien, wo er bis Ende auf, sich'«in allem ruhig zu betragen und 1800 weilte und am Kaiserhof für die dem unabänderlichen Schicksale mit Rückeroberung und die Wiederherstellung Geduld zu unterwerfen».2 des Fürstbistums warb. Streitpunkt in Regensburg war die Im Winter 1800/1801 zerfiel der letzte Bezahlung der Pensionen und der hochstiftischen Rest der fürstbischöflichen Herrschaft. Schulden. Baden weigerte sich, Mit dem Übergang des vorderösterreichischen diese angesichts der geringen Erträge aus Fricktals an die Helvetische Republik ging nochmals ein Teil der Einnahmen 2 Archives de l'Ancien Evêché de Bâle Porren- verloren. Gleichzeitig liess der Markgraf truy (AAEB), RR 67, S. 163-182 und RR 60, von Baden die Einkünfte des Fürstbi¬ S. 239/40, (zit. nach M. Jorio, Untergang, S. 144).

6 den rechtsrheinischen Herrschaften und Bei dieser Gelegenheit kehrten auch das Besitzungen des Hochstifts Basel zu Laufental und das Birseck von der übernehmen. Erst nach Interventionen Frankreichs Diözese Colmar wieder unter die Diözese und Russlands und nach dem Tod Basel zurück. 1828 wurde mit der päpstlichen des Strassburger Kardinal-Fürstbischofs Bulle «Inter praecipua» das Bistum de Rohan - Baden musste dadurch nur Basel neu umschrieben. Aus der oberel- noch drei Fürsten entschädigen - lenkte sässischen Diözese entstand das grösste Baden ein. Die transrhenanische Susten- schweizerische Bistum mit Bischofssitz tationskasse - eine Ausgleichskasse in Solothurn. zwischen reichen und ärmeren geistlichen Fürsten - übernahm einen Teil der Der Kampf um das Fürstbistum Pensionen. Noch schwieriger als die Pensionsfrage auf dem Wiener Kongress war das Problem der hochstiftischen Das Gebiet des ehemaligen Fürstbistums Schulden von gegen 350'000 Gulden, die bildete bis 1800 das bereits genannte Baden nicht bezahlen wollte. Baden französische «Departement du Mont-Terrible». übernahm schliesslich nur einen kleinen Teil. Damit reichte Frankreich wie ein Keil bis Die Schulden des Fürstbischofs im Betrag Biel, das heisst bis ins Schweizerische von 240'000 Gulden musste schliesslich Mittelland, fast vor die Tore Berns. 1800 wurde der nicht säkularisierte Malteser Orden das kleine Departement aufgelöst und als übernehmen, der dafür mit breisgauischen Arrondissement und Delémont Abteien und Stiften entschädigt wurde. dem Departement Haut-Rhin einverleibt. Fürstbischof und Domkapitel waren trotz Damit erlebten die ehemaligen Untertanen des Verlustes ihrer weltlichen Herrschaft der Basler Fürstbischöfe als französische erfreut über den unerwartet günstigen Staatsbürger, also auch die Laufentaler und Ausgang der Regensburger Verhandlungen. Birsecker, alle Höhen und Tiefen des 20'000 Gulden Jahrespension und napoleonischen Kaiserreichs. Der Fürstbischof 240'000 Gulden für die Bezahlung seiner von Neveu in Offenburg, nun seinerseits Schulden waren für Neveu «glücklich Bürger des neu errichteten Grossherzogtums erzielte» Ergebnisse.3 Nach dem Reichs- Baden, betätigte sich politisch nach deputationshauptschluss reiste der dem Verlust seiner weltlichen Herrschaft Fürstbischof über Wien in seine Vaterstadt 1802/03 kaum mehr. Aber nach der Niederlage Offenburg zurück, wo er sich bis zu seinem von Napoleon in der Völkerschlacht Tod 1828 aufhalten und sich - dank der von Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 Pension gut dotiert - auf seine pastoralen und dem raschen Vormarsch der Alliierten Aufgaben als Basler Bischof und die an den Rhein änderte sich die Lage Rettung seines Bistums konzentrieren sollte. schlagartig. Mitte Dezember waren die Und da war er erfolgreich. 1814/15 drei Monarchen Österreichs, Russlands unterstellte ihm der Papst mehrere Gebiete, und Preussens in Freiburg i.Br. Der Basler die vorher lausannisch oder konstanzisch Fürstbischof Neveu witterte nun waren - so den ganzen Kanton Solothurn Morgenluft. Angetrieben von seinem Sekretär, und die junge katholische Pfarrei in seiner Geheimrat Joseph Anton Schumacher aus alten Bischofsstadt Basel, sowie die Laufen, entwickelte er eine rege diplomatische Pfarreien des ehemaligen Fürstbistums. Tätigkeit. Bereits am 18. Dezember sprach er bei allen drei Monarchen vor und 3 AAEB, RR 67, S. 463, (zit. nach M. Jorio, Unter¬ schlug die Wiederherstellung des Fürstbistums gang, S. 147). Basel und die Eingliederung als eige-

7 ner Kanton in die Eidgenossenschaft vor. Fürstbistum entbrannte nun ein heftiger Die drei Mächte versprachen nichts: Sie Kampf über das Schicksal des Fürstbistums hatten andere Pläne. zwischen verschiedenen «Parteien». Am 21. Dezember 1813 überschritten die Der Fürstbischof hoffte, wieder als alliierten Heere unter dem Kommando Landesherr zurückkehren zu können und das des österreichischen Feldmarschalls Karl Fürstbistum als neuen Kanton - nach von Schwarzenberg unter Missachtung dem Vorbild des preussischen Fürstentums der schweizerischen Neutralität bei Basel und Kantons Neuenburg - in die den Rhein und marschierten längs der Birs Eidgenossenschaft zu führen. Zu diesem durch das ehemalige Fürstbistum über die Zwecke forderte er seine Getreuen im Jurapässe auf das Plateau von Langres Land auf, sich für diese Lösung ins Innere Frankreichs. Die Proteste der einzusetzen. Zudem hatte er in seinem Neffen eidgenössischen Tagsatzung in Zürich Joseph Wilhelm, der als österreichischer verhallten ungehört. Die Verbündeten Diplomat im Dienste Metternichs stand, nahmen somit den umgekehrten Weg der einen hervorragenden Informanten. Nach französischen Armee bei ihrer Invasion Rücksprache mit Metternich sandte der Schweiz im Jahre 1798. Damit zeigte Generalgouverneur von Andlau eine sich die militärstrategische Bedeutung zweiköpfige Gesandtschaft des Fürstentums dieses Gebiets, was für dessen Schicksal Pruntrut oder Principauté de Porrentruy, auf dem Wiener Kongress von entscheidender wie das Fürstbistum jetzt hiess, bestehend Bedeutung sein sollte. aus Ursanne de Billieux und Am 15. Januar 1814 organisierten in Basel Melchior Delfils an den Wiener Kongress. die führenden Minister der Alliierten die Als erste machte sich die «französische Verwaltung der besetzten französischen Partei» in den beiden Städten Pruntrut Gebiete. Für die Territorien hinter der und Delsberg bemerkbar: Es handelte österreichischen Hauptarmee unter sich um Zugezogene aus dem Innern Schwarzenberg, und damit für das Fürstbistum Frankreichs und um Einheimische, die Basel, war Österreich zuständig. Metternich unter Napoleon Karriere gemacht hatten. setzte als Generalgouverneur seinen Sie forderten den Verbleib bei Frankreich. Cousin Konrad Karl Friedrich von Andlau Nachdem aber klar wurde, dass vor. Dieser stammte aus dem Fürstbistum die Sieger das Land Frankreich nicht und war der letzte fürstbischöfliche Vogt mehr zurückgeben würden, verstummten im Amt Birseck. Er übersiedelte nach der die Anhänger Frankreichs, einige kehrten Besetzung des Fürstbistums durch Frankreich ins Mutterland zurück. Jetzt schälten 1792 nach Freiburg i.Br. und trat in sich mehrere Strömungen heraus: den Dienst des Grossherzogtums Baden. im katholischen Norden wollte man die 1813 war er Innenminister in Karlsruhe. Bildung eines neuen Kantons unter Andlau sollte bis zum definitiven Führung des Fürstbischofs - notfalls aber Entscheid in Wien das herrenlose Land von auch ohne ihn. Im protestantischen seinem Amtssitz in Arlesheim aus verwalten. Süden setzte sich die Partei durch, welche den Anschluss an den Kanton Bern Nach der Abdankung Napoleons wurde forderte. Es gab aber auch im Süden Kreise, im 1. Frieden von Paris vom 30. Mai 1814 vor allem unter den ehemaligen das Fürstbistum von Frankreich getrennt, fürstbischöflichen Beamten, welche den da es nicht innerhalb der französischen Fürstbischof unterstützten. In Grenzen vor 1792 Frankreich lag. Im neigte man eher einem Anschluss an das

8 preussisch-eidgenössische Fürstentum Fürstbischof und die Domherren, Garantien und Kanton Neuenburg zu. In den für die Diözese Basel. katholischen deutschsprachigen Ämtern nahe Anfangs November 1814 wurde der Wiener der Stadt Basel gab es eine kleine Partei, Kongress eröffnet. Am 14. November die für Basel votierte. Eine weitere nahm ein eigenes Schweizer Komitee wichtige Kraft bildete die Stadt Biel, die die Arbeit auf. Vorsitzender war der in einen eidgenössischen Kanton Biel mit österreichischen Diensten stehende Gebieten im südlichen Teil des Fürstbistums Diplomat Johann Philipp von Wessenberg. anstrebte. Sie schickte mit Friedrich Seine Familie hatte enge Beziehungen Heilmann einen eigenen Gesandten nach zum Fürstbistum und besass von 1401 Wien. Die Bevölkerung war also tief bis 1793 das fürstbischöfliche Lehen gespalten. Im südlichen Teil stiess von And- von Burg im Leimental. Er war der Bruder lau auf grossen Widerstand und konnte des Konstanzer Generalvikars Ignaz seine Anordnungen nicht durchsetzen. Heinrich von Wessenberg, besuchte von Man sah in ihm - nicht ganz zu Unrecht - 1787 bis 1789 das Kollegium in Bellelay einen Anwalt der fürstbischöflichen und sass von 1791 bis 1794 als Kandidat Restauration und der Bildung eines eigenen im Basler Domkapitel in Arlesheim. Kantons. Im Hintergrund unterstützte Mit seinem Cousin Clemens Lothar von Bern seine ehemaligen Bundesgenossen Metternich hatte er in jungen Jahren das im Südjura. Die machtlose Tagsatzung in Fürstbistum durchwandert. Er kannte Zürich liess der Entwicklung freien Lauf. also die Verhältnisse bestens! Die weiteren Damit lagen die Entscheidungen bei Mitglieder waren Freiherr vom Stein den alliierten Siegern. Und die wussten und Graf Capo d'Istria (für Russland), ziemlich genau, was sie wollten. Lord Stewart und Sir Stratford-Canning Bereits im März 1814 meldete Joseph von (für Grossbritannien), Freiherr Wilhelm Neveu aus dem alliierten Hauptquartier von Humboldt (für Preussen) und ab der in Vesoul, dass die Mächte keine dritten Sitzung Emmerich Joseph von geistlichen Staaten mehr errichten wollten. Dalberg (für Frankreich). Diese Männer Das Fürstbistum werde wegen seiner entschieden nun über das Schicksal der strategisch wichtigen Lage von Frankreich Schweiz und des Fürstbistums. Schon getrennt und der Schweiz einverleibt. zu Beginn der Arbeiten beschloss das Dadurch erhalte die Schweiz gegen Komitee, dass die territoriale Integrität Frankreich eine sichere Westgrenze längs der Schweizer Kantone garantiert werde, der Jurakette. Das Land soll an Bern womit eine Rückkehr der Waadt und des fallen, da nur Bern als grösster Kanton der Aargaus unter Bern ausgeschlossen wurde. Eidgenossenschaft mächtig genug sei, Sofort verlangte der Berner Vertreter um die für die Schweiz und die Alliierten Ludwig Zeerleder, dass der südliche Teil wichtige Grenze zu sichern. Zudem könne des Fürstbistums als Kompensation dem auf diese Weise Bern für den Verlust Kanton Bern zugeschlagen werde. Die des Aargaus und der Waadt entschädigt beiden Landesvertreter Billieux und Delhis werden. Und bei dieser Haltung blieb es kämpften tapfer dagegen und rannten bis zum Ende des Wiener Kongresses. den Ministern die Türen ein - aber Alle Informationen gingen immer in erfolglos. Metternich machte ihnen keine die gleiche Richtung: keine geistlichen Hoffnung auf einen eigenen Kanton unter Staaten mehr, Land an die Schweiz bzw. der Führung des Fürstbischofs, Bern, grosszügige Pensionen für den versprach aber, «qu'il portoit un vif intérêt

9 au sort de l'Evêché de Bâle, et cherchoit Bern und Basel zugeteilten Einwohner à le rendre heureux».4 Und vom erhielten eine Reihe von Garantien: Sie französischen Diplomat Noailles berichtete Bil- wurden den Alt-Bernern und den Alt- lieux: «M. l'ambassadeur repondit assez Baslern rechtlich und politisch gleich sèchement que les Souverains alliés gestellt, der bestehende kirchliche avoient adopté en principe qu'il n'y aurait Zustand, ebenso die Diözese Basel, wurden plus de Souveraineté ecclésiastique ...».5 garantiert, der Verkauf der Nationalgüter In Denkschriften flehten sie die Minister und die Abschaffung der Feudallasten an, dass die Jurassier nichts sehnlicher blieben gewährleistet. Die Bedingungen wünschten als «de rester réunis en famille, für die Vereinigung des Fürstbistums mit et de voir leur pays à l'avenir, comme Bern und Basel sollten in getrennten Re- par le passé, former un état particulier».6 unionsverhandlungen durch paritätische Auch ihr Hinweis, dass der neue Kanton Kommissionen ausgehandelt und durch mit 70'000 Einwohnern einer der grösseren die Eidgenossenschaft garantiert werden. Kantone der Eidgenossenschaft Der Kanton Bern wurde verpflichtet, dem bilden würde und sie das gleiche Recht auf Fürstbischof und dem Domkapitel eine Eigenstaatlichkeit hätten wie Genf, fürstliche Pension von 12'000 Gulden Neuenburg und Wallis, blieb ungehört. auszubezahlen, die vorher das Grossherzogtum Nachdem im Januar und Februar 1815 Baden bzw. die Transrhenanische klar wurde, dass das Fürstbistum an Bern Sustentationskasse bezahlt hatte. Für den fallen würde, verlegten sich von Andlau, Fall, dass die Diözese Basel weiter von Neveu und die beiden Vertreter in bestehen würde, musste Bern im Verhältnis Wien darauf, möglichst gute Bedingungen gleichviel wie die anderen Kantone zum für das Land und die katholische Kirche Unterhalt des Bischofs, des Kapitels und im mehrheitlich protestantischen Kanton des Priesterseminars beitragen. Bern herauszuholen. Und da waren Die Enttäuschung bei den Anhängern sie ziemlich erfolgreich. Nach der für einen eigenen Kanton war gross. Bil- überraschenden Rückkehr Napoleons nach lieux schrieb an den Fürstbischof: «Dans Frankreich unterzeichneten die Mächte am l'acte du Congrès qui nous concerne, 20. März 1815 die «Déclaration sur nos espérances les plus chères (ont été) les affaires de la Suisse». Das Fürstbistum trompées à l'égard surtout des intérêts de wurde der Schweiz bzw. dem Kanton Votre Altesse et de son Siège», um Bern zugesprochen und zwar vollständig getröstet fortzufahren: «D'après la manière - eine Zeitlang war in Wien die Rede, dont on dispose des Peuples, nous devons die Ajoie abzutrennen und Frankreich toutefois nous estimer heureux d'etre zu überlassen. Ein Teil der deutschen Suisses puisque nous payerons peu et Ämter, das Birseck, kam an Basel, die serons étrangers aux querelles politiques».7 Gemeinde Lignières an Neuenburg. Die Im Land selber löste der Entscheid des Wiener Kongresses kaum Reaktionen aus. Er ging in der Angst wegen des wieder 4 Bischöfliches Wiederherstel¬ Archiv Solothurn, ausgebrochenen Krieges unter. Die lung des alten Fürstbistums, Bd. 3, 25. November ersten militärischen Erfolge Napoleons 1814 (zit. nach M. Jorio, Untergang, S. 184). 5 stellten die Beschlüsse des in Ebda., Bd. 3, 3. Dezember 1814, (zit. nach M. Kongresses Jorio, Untergang, S. 185). 6 Ebda. Bd. 4, 17. Januar 1815, (zit. nach M. Jorio, 7 Ebda., Bd. 5, 15. März 1815, (zit. nach M. Jorio, Untergang, S. 186). Untergang, S. 189).

10 Frage. In Pruntrat und Delsberg meldete maligen Untertanen des Basler sich sofort wieder die französische Partei Fürstbischofs im reformierten Kanton Basel und verlangte in einer Petition die integrierten sich anfanglich kaum in ihre Vereinigung mit Frankreich. neue Heimat. Aus dem Birseck stammten Nach der Niederlage Napoleons in denn auch die beiden politischen und der Waterloo ging die Tagsatzung daran, die militärische Führer, welche die Loslösung Vereinigung des Fürstbistums mit Bern und der Landschaft von der Stadt Basel Basel durchzuführen. Im August 1815 betrieben: Stephan Gutzwiller, Anton von übernahm der Zürcher Alt-Bürgermeister Blarer sowie Oberst Jakob von Blarer. In Johann Konrad von Escher aus den Händen den 1830er Jahren wechselten die des alliierten Generalgouverneurs Birsecker bei der Kantonstrennung zum jungen von Andlau die Verwaltung des Landes Kanton Basel-Landschaft. Nachhaltigere und ernannte für die Vereinigungsverhandlungen Konflikte gab es dagegen im Kanton mit Bern sieben und Basel Bern. In den ersten Jahrzehnten ging es drei Landesnotablen. Die Birsecker unter den konservativen Regierungen Unterhändler waren Jakob Hölschy, Meier recht gut. Während des Kulturkampfs aus Arlesheim, Joseph Hofmeyer, alt ging aber die liberal-radikale Regierung Friedensrichter aus Pfeffingen und Peter Hü- des Kantons Bern hart gegen die katholische gin, ehemaliger Meier aus Oberwil; Basel Kirche vor, insbesondere im ernannte die Ratsherren Johann Rudolf nördlichen, mehrheitlich katholischen ehemaligen Stähelin, Emanuel La Roche-Merian und Fürstbistum und entfremdete sich Statthalter Christian Dagobert Gysen- die katholische Bevölkerung nachhaltig. dörffer. Die Basler Vereinigungsverhandlungen 1947 brach infolge eines Personalkonflikts fanden am 7. November in um einen jurassischen Politiker (die Arlesheim statt, die bernischen vom 3. Bis sog. Möckli-Affare) der Zorn der 14. November in Biel. Am 23. November französischsprachigen Jurassier gegen den 1815 ratifizierte Bern und am 6. Dezember mehrheitlich deutschsprachigen Kanton Basel die sog. Vereinigungsurkunden Bern offen aus und führte zum Jurakonflikt (Actes de réunion). Darin wurden je nach und zur Bewegung «Jura libre», die Kanton die Bestimmungen des Wiener während Jahrzehnten das innenpolitische Kongresses im Detail umgesetzt, etwa Klima der Schweiz schwer belasteten. Garantien für die katholische Kirche, Schliesslich wurde nach mehreren Religionsunterricht, Pfarrwahl, Plebisziten per 1. Januar 1979 der Kanton Pfarrbesoldung, Bistumsfrage, Religionsfreiheit Jura als 23. Kanton errichtet, der aber nur für die Täufer, Fortführung der französischen den französischsprachigen katholischen Gesetzgebung und Sonderstatut für Nordjura (das ehemalige Reichsgebiet) die Stadt Biel. Am 21. Dezember 1815 umfasste. Der deutschsprachige katholische übergab Escher in Delsberg den an Bern Bezirk Laufental wechselte 1994 gefallenen Landesteil dem Berner nach mehreren Plebisziten zum Kanton Kommissar Abraham Friedrich von Mutach Baselland. Damit war der «Jura und am 28. Dezember in Arlesheim das historique» bzw. das ehemalige Fürstbistum Birseck dem Basler Bürgermeister Christoph Basel längs der Konfessions- und Sprachgrenze Ehingen in drei auseinandergebrochen: den Damit war zwar das Schicksal des bernischen Südjura, die nun Baselbieter Fürstbistums Basel fürs erste besiegelt, aber ehemaligen deutschen Ämter und den nicht langfristig entschieden. Die ehe¬ selbstständigen Kanton Jura. Eine Min-

11 derheit im bernisch gebliebenen Südjura gang der Abstimmung vom 24. November und die Mehrheit im neuen Kanton 2014 einmal mehr bewiesen hatte. verlangen seither die Wiedervereinigung Das Erbe des Wiener Kongresses lastet des (französischsprachigen) Juras. Die noch immer schwer auf dieser Gegend - berntreue Mehrheit im Südjura wollte bis eine definitive Lösung ist nicht in Sicht. anhin nichts davon wissen - wie der Aus¬ Die Zukunft bleibt also offen.

Literatur

Roger Ballmer, La Réunion de l'ancien Evêché de Bâle à la Suisse et au Canton de Berne, Bern 1965. Arthur Beuchat, L'Evêché de Bâle sous le gouvernement général du Baron d'Andlau, janvier 1814-août 1815, Delémont 1912. Jean-Jacques Bouquet, Pays de Vaud et Evêché de Bâle en 1814: le problème de la compensation. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 25 (1975) S. 88-120. Albert Comment; Hans Huber; Hans von Greyerz, Rapport sur l'Acte de réunion du Jura au Canton de Berne, Delémont 1948. Heinz Duchhardt, Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas 1814/15, München 2013. Otto Gass, Das Birseck vom Dreissigjährigen Krieg bis zum Übergang an Basel. In: Geschichte der Landschaft Basel und des Kantons Basellandschaft, Bd. 2, Liestal 1932, S. 119-317. René Gilliéron, 1815-1965. Birseck. 150 Jahre eidgenössisch. Pfeffingen 1965. Marco Jorio, Der Untergang des Fürstbistums Basel (1792-1815). Der Kampf der beiden letzten Fürstbischöfe Joseph Sigismund von Roggenbach und Franz Xaver von Neveu gegen die Säkularisation. Freiburg i. Ü. 1982. Marco Jorio, Artikel «Wiener Kongress». In: Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 13, Basel 2014, S. 455-456. Nah dran, weit weg. Geschichte des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 2001 (Bände 5 und 6: 19. und 20. Jahrhundert). Reinhard Stauber, Der Wiener Kongress, Wien-Köln-Weimar 2014. Auguste Viatte (Hrsg.), Documents sur la réunion du Jura à la Suisse. In: Actes de la Société jurassienne d'Emulation 56 (1951) S. 41-98.

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